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Theoretische Chemie / Computerchemie

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<strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> / <strong>Computerchemie</strong>(MNF-chem1004D)Version vom Sommersemester 2011;mit Änderungen/Ergänzungen vom 12. Mai 2013Prof. Dr. Bernd Hartke<strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong>Christian-Albrechts-Universität KielInstitut für Physikalische <strong>Chemie</strong>Max-Eyth-Straße 2Erdgeschoß, Raum 29Tel.: 0431/880-2753hartke@pctc.uni-kiel.dehttp://ravel.pctc.uni-kiel.deSprechstunde: nach Vereinbarung jederzeit!


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de<strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> im MasterstudiengangModul MNF-chem1004D:• Vorlesung Hartke (Sommersemester):– Wiederholung Quantenchemie, mit Ergänzung einiger theoretisch-mathematischerGrundlagen und technischer Details– Ausführliche Einführung in die quantenmechanische Wellenpaketpropagationder Atomkerne• Vorlesung Egorova (Wintersemester): wechselnde Inhalte, von quantenmechanischenGrundlagen bis MCTDH• Vorlesung Herges (Wintersemester): klassisch-mechanischeMD ausführlicherund mit Anwendungen (kleine Moleküle bis Proteine)• Praktikum/Seminar (nach Vereinbarung irgendwann); Anteil Egorova separat;Inhalte des Anteils Hartke:– crash-Kurs Programmieren– crash-Kurs numerische Mathematik am Computer (Integration, Differentialgleichungen,Matrix-Eigenwertproblem, etc.)– eigene Arbeiten am Computer:∗ selbstgeschriebene Programme für· klassisch-mechanische MD· Lösung der zeitunabhängigen Schrödingergleichung durch Basisfunktionsentwicklung(Integration, Matrixdiagonalisierung)· quantenmechanische Wellenpaketpropagation (Kernbewegung)∗ Arbeit mit fertigen Programmpaketen:· Quantenchemie (Geometrieoptimierung, Frequenzen, Reaktionswege,etc.; DFT, Korrelationsmethoden)· semiklassische surface-hopping-MD-Simulation photochemischerDynamik· mehrdimensionale quantenmechanische Wellenpaketpropagationfür die Kernbewegung· globale Geometrieoptimierung atomarer/molekularer ClusterModul MNF-chem3005D: Vertiefungs-/Profilierungsmodul <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong>/ <strong>Computerchemie</strong> = Forschungspraktikum in einer TC/CC-ArbeitsgruppeModul MNF-chem4001: Masterarbeit2


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deInhalt• mathematischer Hintergrund zur Quantenchemie:– Born-Oppenheimer-Separation– Herleitung Hartree-Fock-Gleichungen– analytischer Gradient der HF-Energie– Normalkoordinatenanalyse– Koopmans Theorem– MP2, CC• stationäre Eigenfunktionen in beliebigen Potentialen:– Phänomenologie– Berechnungsverfahren in 1D– Erweiterungen auf nD, Fluch der Dimensionen• zeitabhängige Schrödingergleichung:– naive Separation von Ort und Zeit– nicht-triviale Zeitabhängigkeit, Superposition stationärer Zustände– Phänomenologie– Zeitpropagation: formale Aspekte, Algorithmen– E kin -Koordinatenproblem, absorbierende Potentiale– MCTDH– Propagation in adiabatischer/diabatischer Darstellung– Eigenzustände durch Propagation in imaginärer Zeit– zeitabhängige Spektrensimulation– zeitabhängige Streurechnung– quantenmechanische Berechnung von Geschwindigkeitskonstanten3


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deLiteraturempfehlungen Quantenchemie:• I. N. Levine: ”Quantum Chemistry“, 6. Ausgabe, Prentice-Hall, 2008:detaillierte und verständliche Herleitung der Grundlagen;zu kurz und nicht ganz aktuell bei tatsächlichen Anwendungsmethoden.• W. Kutzelnigg: Einführung in die <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong>“, 2 Bände aus”den Jahren 1973/1978/1993, jetzt in 1 Band bei Wiley, 2002:Klassiker; sehr genau, detailliert und breit in den Grundlagen; kaum etwaszu modernen Methoden.• P. W. Atkins and R. S. Friedman: ”Molecular Quantum Mechanics“, 5.Auflage, Oxford University Press, 2010:Standard-Lehrbuch; Versuch eines Rundumschlags von Grundlagen derQuantenmechanik bis Streutheorie, daher überall zu kurz; in vorigen Auflagenmit Lösungsbuch zu Übungen.• J. Simons and J. Nichols: Quantum Mechanics in Chemistry“, Oxford”University Press, New York, 1997:gute Grundlagen und umfangreiches Aufgabenmaterial mit(!) Lösungen;viele nicht-Standard-Themen, läßt aber auch einiges aus oder führt esnicht weit genug.• A. Szabo und N. S. Ostlund: ”Modern Quantum Chemistry“, revidierte 1.Auflage, McGraw-Hill, 1989:immer noch unschlagbar bei Herleitung von Hartree-Fock und bei denGrundideen einiger Korrelationsmethoden; ansonsten veraltet. (inzwischenals Taschenbuch-Nachdruck bei Dover für ca. 15 Euro zu haben).• E. G. Lewars: “Computational Chemistry”, Springer, 2.Auflage, 2011:ausführliche Darstellung der Grundlagen-Methoden (HF, DFT, Semiempirie);sehr viele, explizit durchgeführte Rechnungen in schrittweiser Darstellung,viele illustrative Beispiele.• W. Koch und M. C. Holthausen: ”A chemist’s guide to density functionaltheory“, Wiley, 2001:gutes, leicht zugängliches Werk für DFT-Anwender• J. H. Jensen: “Molecular Modeling Basics”, CRC Press / Taylor&Francis,2010:relativ dünnes (160 S.) aber empfehlenswertes Buch; guter Spagat zwischenErläuterung von Grundlagen (inkl. Formeln) und praktischen Tips für realeRechnungen (bis hin zu konkretem input/output, für GAMESS)4


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de• L. Piela: “Ideas of Quantum Chemistry”, Elsevier, 2007:sehr dickes Buch (1087 Seiten), das einen bemerkenswerten Spagat zwischenprinzipiellen Grundlagen der Quantenmechanik (inkl. deren historischerEntstehung, Relativistik, usw.), vielen Details und Beispielen sowieGrundlagen der wichtigsten Quantenchemiemethoden schafft; sehr empfehlenswert,auch wenn der Stil etwas unkonventionell ist und die (englische)Sprache stellenweise etwas holprig.• C. Trindle und D. Shillady: “Electronic structure modeling — connectionbetween theory and software”, CRC Press / Taylor&Francis, 2008:behandelt alles von QM-Grundlagen bis CCSD(T); Illustration vieler Dingemit output-listings von realen Rechnungen, von simplen SCF-Demo-Programmen (herunterladbar) bis zu Gaussian und ADF.• F. Jensen: ”Introduction to Computational Chemistry“, Wiley, 2007:sehr aktuelles und sehr umfassendes Werk, mit einigen Informationen zumodernen Methoden; setzt Grundlagen voraus; vielleicht stellenweise etwasknapp; definitiv nur für Fortgeschrittene.• T. Helgaker, P. Jørgensen und J. Olsen: Molecular Eletronic-Structure”Theory“, Wiley, 201X: (X=2,3,...?)extrem umfassendes und detailliertes Monumentalwerk (960 Seiten) überHF, MCSCF, CI, CC, MPn, CASPTn; die 2.Auflage beseitigt zwei Fehlerder ersten: sie enthält auch Kapitel zu DFT und linear-response-theory,und der Preis sinkt von 400e auf


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deLiteraturempfehlungen Quantendynamik:• D. J. Tannor: Introduction to quantum mechanics: a time-dependent”perspective“, University Science Books, Sausalito (CA), 2007:weltweit erstes Lehrbuch zur Wellenpaketdynamik; für Anfänger leider zumathematisch-formalistisch• R. Schinke: “Photodissociation dynamics“, Cambridge University Press,Cambridge, 1993 (Taschenbuchausgabe von 1995 noch erhältlich):einfache Einführung in die Quantendynamik, inkl. Wechselwirkung mitelektromagnetischen Feldern• J. Z. H. Zhang:“Theory and application of quantum molecular dynamics“,World Scientific, Singapore, 1999:gute und umfassende, aber z.T. recht schwierige und zu knappe Darstellung,inkl. WW mit Licht, Streutheorie, Semiklassik, Berechnung vonGeschwindigkeitskonstanten, usw.• G. C. Schatz und M. A. Ratner: Quantum mechanics in chemistry“,”Dover, Mineola, 1993/2002:neben kurzen Kapiteln zur Quantenchemie auch Kapitel zu zeitabhängigerStörungstheorie, WW mit Licht, Streutheorie, Korrelationsfunktionen, zeitabhängigeSpektrensimulation, Berechnung von Geschwindigkeitskonstanten6


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deErinnerung: N-Elektronen-HamiltonoperatorDie zeitunabhängige Schrödingergleichung für beliebige Moleküle lautet:ĤΨ (k) = E k Ψ (k) (1)mit dem Hamiltonoperator in atomaren Einheiten für N Elektronen und MAtomkerne:M∑ 1Ĥ = − ∇ 2 A kinetische Energie der Kerne =2M ˆT N (2)A+A=1+−M∑−N∑i=1N∑i=1M∑N∑i=1A=1 B>A12 ∇2 i kinetische Energie der Elektronen (3)N∑j>iM∑A=11r ijCoulomb-Abstoßung zwischen Elektronen (4)Z Ar iACoulomb-Anziehung Elektronen–Kerne (5)Z A Z BR ABCoulomb-Abstoßung zwischen Kernen (6)Dabei ist r ij der Abstand zwischen Elektron i und Elektron j, r iA der Abstandzwischen Elektron i und Kern A, sowie R AB der Abstand zwischen Kern Aund Kern B. Beachte: r ij = |r i − r j | = √ (x i −x j ) 2 +(y i −y j ) 2 +(z i −z j ) 2 .Traditionell gilt die Aufteilung Ĥ = ˆT N + Ĥel in Kern- und elektronischenHamiltonoperator.7


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAtomare Einheiten (atomic units, a.u.)Symbol Physikalische Größe Wert in a.u. Wert in SI-Einheitenm e Masse des Elektrons 1 9.110·10 −31 kge Elementarladung 1 1.602·10 −19 C Impuls ( = h/2π) 1 1.055·10 −34 Jsh Plancksches Wirkungsquantum 2π 6.626·10 −34 Js4πǫ 0 Elektrische Feldkonstante 1 1.113·10 −10 C 2 /J mc Lichtgeschwindigkeit 137.036 2.998·10 8 m/sµ 0 Magnetische Feldkonstante 4π/c 2 6.692·10 −4 1.257·10 −6 Ns 2 /C 2Vorteile:• weniger Konstanten in den Gleichungen (keine Faktoren 2 /m e in derkinetischen Energie, kein e 2 /4πǫ 0 in Coulomb-Termen)• Resultate unabhängig von Genauigkeit der Maßeinheiten-Bestimmung• höhere Genauigkeit in numerischen Berechnungen (typische Zwischenresultatevariieren nicht über mehrere Dutzend Größenordnungen)Achtung:• Masse: praktischere Umrechnung:1 amu = 1 u = m( 12 C)/12 = 1822.88734 m e• atomare Längeneineit:1 bohr = 1 a 0 = 5.2917742924·10 −11 m = 0.52917742924 Å• atomare Energieeinheit:1 hartree = 1 E hEnergieumrechnungstabelle:cm −1 kJ/mol kcal/mol eV E h1 cm −1 = 1.0 1.196266·10 −2 2.859144·10 −3 1.239852·10 −4 4.556335·10 −61 kJ/mol = 83.59347 1.0 2.390057·10 −1 1.036436·10 −2 3.808798·10 −41 kcal/mol = 349.7551 4.184 1.0 4.336445·10 −2 1.593601·10 −31 eV = 8065.479 96.48455 23.06036 1.0 3.674902·10 −21 E h = 219474.7 2625.5 627.5095 27.211608 1.01 K = 0.695009 0.00831433 0.00198717 8.61707·10 −5 3.16669·10 −6• für Chemiker: 1 mE h ≈ 3 kJ/mol ≈ 0.5 kcal/mol• für Physiker: 1 E h ≈ 25 eV• Chemiker ↔ Physiker: 1 eV ≈ 100 kJ/mol ≈ 25 kcal/mol8


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBorn-Oppenheimer-Separation und -NäherungDie molekulare Schrödingergleichung ĤΨ(k) = E k Ψ (k) kann durch den adiabatischenSeparationsansatzΨ (k) (r,R) =∞∑ψ (n) (r,R)χ (n,k) (R) (7)n=1zerlegt werden (=Born-Oppenheimer-Separation)in eine rein elektronische SchrödingergleichungĤ el ψ (n) (r,R) = E n (R)ψ (n) (r,R) (8)mit nur noch parametrischer Abhängigkeit von den Kernkoordinaten R undein gekoppeltes System von Kern-Schrödingergleichungen[ˆT N +E m (R)]χ (m,k) (R)+ ∑ n[2ˆT mn ′ ′′(R)+ ˆT mn (R)]χ(n,k) (R) = E k χ (m,k) (R) (9)bei denen die Elektronenkoordinaten r lediglich als Integrationsvariable in dennicht-adiabatischen Kopplungstermen ˆT mn(R) ′ ′′und ˆT mn(R) auftauchen und dieelektronischen Eigenenergien E m (R) als Potentialenergiehyperflächen interpretiertwerden.〈 Herleitung siehe Appendix! 〉-103.3-103.35-103.4-103.45conical intersectionE / hartree-103.5-103.55-103.6-103.65-103.7-103.75I( 2 P 1/2 )+CN(A 2 Π + )I( 2 P 3/2 )+CN(A 2 Π + )I( 2 P 1/2 )+CN(X 2 Σ + )I( 2 P 3/2 )+CN(X 2 Σ + )-103.83 4 5 6 7 8R / bohrAbbildung 1: Einige Potentialflächen E m (R) von ICN als Funktion des I–CN-Abstands9


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deIn der Born-Oppenheimer-Näherung werden diese Kopplungsterme vernachlässigt,sodaß die Kerndynamik auf voneinander unabhängigen Potentialfläche(n)stattfindet:[ˆT N +E m (R)]χ (m,k) (R) = E k χ (m,k) (R) (10)-103.3-103.35-103.4-103.45conical intersectionE / hartree-103.5-103.55-103.6-103.65-103.7-103.75I( 2 P 1/2 )+CN(A 2 Π + )I( 2 P 3/2 )+CN(A 2 Π + )I( 2 P 1/2 )+CN(X 2 Σ + )I( 2 P 3/2 )+CN(X 2 Σ + )-103.83 4 5 6 7 8R / bohrAbbildung 2: Einige Potentialflächen E m (R) von ICN als Funktion des I–CN-AbstandsFaustregel: Diese Näherung ist i.A. gut im elektronischen Grundzustand naheder Gleichgewichtsgeometrie, aber schlecht bei Übergangszuständen und bei engbenachbarten oder gar sich kreuzenden elektronischen Zuständen.Qualitative Veranschaulichung dieser Faustregel:zeitunabhängiges 2-Zustands-Problem: s. nächste Seiten10


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de2-Zustands-ProblemIn der Basis der Funktionen {φ 1 ,φ 2 } sei eine Hamiltonmatrix gegeben:( ) ( ) ( )E1 WH = H 0 +W = 12 E1 0 0 W12= +W 12 E 2 0 E 2 W 12 0mit reellen Parametern E 1 , E 2 und W 12 . Es gelte:(11)Ĥ 0 |φ 1 〉 = E 1 |φ 1 〉 und Ĥ 0 |φ 2 〉 = E 2 |φ 2 〉 (12)W ist die Störungs- oder Kopplungsmatrix. Die Eigenwerte E + und E − vonH ergeben sich wie üblich via die Säkulardeterminante:∣ E 1 −E W 12E 2 −E∣ = 0 (13)W 12(E 1 −E)(E 2 −E)−W12 2 = 0√(14)E ± = E m ± ∆ 2 +W12 2 (15)mit ∆ = (E 1 −E 2 )/2 und E m = (E 1 +E 2 )/2. Für E + = E − braucht man also:E 1 = E 2 und gleichzeitig(!) W 12 = 0 (16)W 12 = 0 kann zufällig eintreten, insbes. aber auch durch Symmetrie: Zuständeverschiedener Symmetrie können sich kreuzen (weil dann i.d.R. W 12 =〈φ 1 |Ĥ|φ 2〉 = 0), Zustände gleicher Symmetrie können sich nicht kreuzen (weildann i.d.R. W 12 ≠ 0 ist).Für die Energie als Funktion der Hilfsgröße ∆ erhält man folgendes Schaubild:11


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAn der Stelle, an der sich die diabatischen Zustände E 1 ,E 2 kreuzen (∆ = 0),bilden die adiabatischen Zustände E − ,E + eine vermiedene Kreuzung aus, weildie Kopplung W 12 dort nicht Null ist und sich die adiabatischen Zuständedadurch quasi “abstoßen”. Ganz generell gilt:1. Durch die Kopplung entfernen sich die Eigenwerte voneinander.2. Der Effekt der Kopplung ist viel wichtiger, wenn die ungestörten Eigenwertegleich sind.Die Berechnung der zu E + ,E − gehörigen Eigenvektoren ist nicht prinzipiellschwierig, aber umständlich; das Resultat ist:wobei der Winkel θ definiert ist über:Damit gilt u.a.:ψ + = cos θ 2 φ 1 +sin θ 2 φ 2 (17)ψ − = −sin θ 2 φ 1 +cos θ 2 φ 2 (18)tanθ = 2W 12E 1 −E 2(19)3. Bei schwacher Kopplung sind die gestörten Eigenzustände den ungestörtensehr ähnlich; bei starker Kopplung (insbes. auch in der Nähe vermiedenerKreuzungen) werden sie durch Beimischung des jeweils anderen Zustandssehr unterschiedlich.〈 alle 3 Behauptungen werden im Appendix gezeigt! 〉12


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de1 Mathematische Ergänzungen zur Quantenchemie:Spin in der nicht-relativistischen Quantenmechanik• formale Spinkoordinate ω:jedes Teilchen vollständig beschrieben durch 4 Koordinaten:x = {r,ω} (20)• formale Spinfunktionen: σ(ω) = α(ω) oder β(ω)(wichtig: Spin- 1 -Teilchen haben nur diese beiden Möglichkeiten!)2• wesentliche Eigenschaften dieser Spinfunktionen:〈α|α〉 = 〈β|β〉 = 1 , 〈α|β〉 = 〈β|α〉 = 0 (21)• Spinorbitale:χ(x) = ψ(r)σ(ω) ={ ψ(r)α(ω) oderψ(r)β(ω)(22)• Integration über Spinorbitale bei einem Teilchen:∫〈χ i |χ j 〉 = χ ∗ i (x)χ j(x)dx (23)∫ ∫= ψi ∗ (r)σ∗ i (ω)ψ j(r)σ j (ω)drdω (24)∫ ∫= ψi(r)ψ ∗ j (r)dr σi(ω)σ ∗ j (ω)dω (25)Orthogonalität 〈χ i |χ j 〉 = 0 kann durch Orts- oder Spinanteil alleine zustandekommen!• Integration über Spinorbitale bei mehreren Teilchen: analog;z.B.: Integration über Spinfunktionen zweier Teilchen (beachte Reihenfolgenkonvention):〈αβ|αβ〉 = 〈α|α〉〈β|β〉 = 1 (26)〈αβ|αα〉 = 〈α|α〉〈β|α〉 = 0 (27)13


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de1e − - und 2e − -Integralnotationen(χ,ψ keine Slaterdeterminanten, sondern nur Orbitalfunktionen!)Spinorbitale:[i|h|j] =< i|h|j > =∫χ ∗ i (x 1)ĥ(1)χ j(x 1 )dx 1Physikernotation:〈ij|kl〉 = 〈χ i χ j |χ k χ l 〉 =Chemikernotation:[ij|kl] = [χ i χ j |χ k χ l ] =〈ij||kl〉 = 〈ij|kl〉−〈ij|lk〉 =∫∫∫χ ∗ i (x 1)χ ∗ j (x 2) 1r 12χ k (x 1 )χ l (x 2 )dx 1 dx 2 = [ik|jl]χ ∗ i (x 1)χ j (x 1 ) 1r 12χ ∗ k (x 2)χ l (x 2 )dx 1 dx 2 = 〈ik|jl〉χ ∗ i(x 1 )χ ∗ j(x 2 ) 1r 12(ˆ1− ˆP 12 )χ k (x 1 )χ l (x 2 )dx 1 dx 2Ortsorbitale:(i|h|j) = h ij = (ψ i |h|ψ j ) =(ij|kl) = (ψ i ψ j |ψ k ψ l ) =∫∫ψ ∗ i (r 1)ĥ(1)ψ j(r 1 )dr 1ψ ∗ i (x 1)ψ j (x 1 ) 1r 12ψ ∗ k (x 2)ψ l (x 2 )dr 1 dr 2Spezielle Abkürzungen:J ij = (ii|jj)K ij = (ij|ji)Coulomb-IntegralAustausch-Integral14


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deErinnerung: Fehler des Hartree-Produkts: KorrelationIm Hartree-Produkt sind die Elektronen unkorreliert (unabhängig voneinander),denn die Gesamt-Wahrscheinlichkeitsdichte ist ein einfaches Produkt der Einzel-Wahrscheinlichkeitsdichten:|Ψ HP (r 1 ,r 2 ,...,r N )| 2 = |ψ i (r 1 )| 2 |ψ j (r 2 )| 2···|ψ k (r N )| 2 (37)Dieser Defekt bleibt im Folgenden zunächst (teilweise) bestehen!Erinnerung: Fehler des Hartree-Produkts: UnunterscheidbarkeitNumerierung 1,2,...,N der Teilchen ist falsch: Elementarteilchen sind ununterscheidbar.Unmittelbare Folgen:• Gesamtwellenfunktion muß symmetrisch oder antisymmetrisch bezüglichVertauschung der Teilchennumerierung sein:Ψ(...,r i ,...,r j ,...) = ±Ψ(...,r j ,...,r i ,...) (38)• diese Symmetrie ändert sich nicht mit der Zeit; Klassifizierung:symmetrisches Ψ : Bosonenantisymmetrisches Ψ : Fermionen• aus relativistischer Quantenfeldtheorie folgt (Pauli 1940):Bosonen haben ganzzahligen Spin, Fermionen halbzahligen.Nachträgliche Reparatur für Bosonen: Symmetrisierung:• addiere alle N! möglichen Permutationen der Numerierung• normiere mit Faktor 1/ √ N!Ψ(r 1 ,r 2 ,...,r N ) ==1√N!(ψ i (r 1 )ψ j (r 2 )···ψ k (r N )+ψ i (r 2 )ψ j (r 1 )···ψ k (r N )+···) (39)1√ (ψ i ψ j···ψ k +ψ j ψ i···ψ k +···)N!(40)(Notation in Gl. 40: Reihenfolgenkonvention)16


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deMatrixelemente zwischen Slaterdeterminanten:Slater-Condon-Regeln0e − -Operator: O 0 = ˆ1Fall 1: kein Spinorbital Unterschied:1e − -Operatoren: O 1 = ∑ Ni=1ĥ(i)〈K|K〉 = 1 (46)Fall 1: kein Spinorbital Unterschied: |K〉 = |···mn···〉 = |L〉〈K|O 1 |K〉 =N∑[m|h|m] =mN∑〈m|h|m〉 (47)mFall 2: ein Spinorbital Unterschied:|K〉 = |···mn···〉|L〉 = |···pn···〉2e − -Operatoren: O 2 = ∑ Ni=1∑ Nj>i〈K|O 1 |L〉 = [m|h|p] = 〈m|h|p〉 (48)Fall 1: kein Spinorbital Unterschied: |K〉 = |···mn···〉 = |L〉1r 12〈K|O 2 |K〉 = 1 2N∑mN∑{[mm|nn]−[mn|nm]} = 1 2nN∑mN∑〈mn||mn〉 (49)nFall 2: ein Spinorbital Unterschied:|K〉 = |···mn···〉|L〉 = |···pn···〉〈K|O 2 |L〉 =N∑{[mp|nn]−[mn|np]} =nN∑〈mn||pn〉 (50)nFall 3: zwei Spinorbitale Unterschied:|K〉 = |···mn···〉|L〉 = |···pq···〉〈K|O 2 |L〉 = [mp|nq]−[mq|np] = 〈mn||pq〉 (51)Alle anderen Fälle ergeben Null!18


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deEnergie einer SlaterdeterminanteMit Slater-Condon-Regeln folgt sofort:E 0 = 〈K|Ĥel|K〉 = 〈K|O 1 +O 2 |K〉 (52)N∑= 〈m|h|m〉+ 1 N∑ N∑〈mn||mn〉2(53)mWegen 〈mm||mm〉 = 0 und 〈mn||mn〉 = 〈nm||nm〉 kann man dies auchschreiben als:E 0 = 〈K|Ĥel|K〉 ==N∑〈m|h|m〉+mN∑[m|h|m]+mN∑mN∑mmnN∑〈mn||mn〉 (54)n>mN∑{[mm|nn]−[mn|nm]} (55)Da Ĥel nicht auf die Spinkoordinaten wirkt, kann die Spinintegration sehreinfach ausgeführt werden. Im Spezialfalln>m• N/2 Elektronen α-Spin und N/2 Elektronen β-Spin,• alle Spins gepaart (closed-shell),• gleiche Ortsorbitale für α- und β-Elektronen (restricted)führt dies zur closed-shell–restricted–Energie:N/2∑ ∑∑E 0 = 2 (m|h|m)+ {2(mm|nn)−(mn|nm)} (56)mN/2mN/2nMan beachte die etwas anderen Vorfaktoren! Die Integrale enthalten hier nurOrtsorbitale, die über Ortskoordinaten integriert werden; die Summen laufenjeweils über die N/2 besetzten Orbitale.Variationelle Optimierung der Orbitale in Gl. 56 führt zum closed-shell-Hartree-Fock-Verfahren, s.u.Andere Festlegungen über die Spins liefern etwas kompliziertere Energieausdrückefür die Fälle restricted open-shell und unrestricted. Orbitaloptimierungführt analog zum ROHF- bzw. UHF-Verfahren.19


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deCoulomb- und AustauschintegraleInterpretation der Terme in Gl. 56:• Einelektronenintegral über core-Hamiltonian ĥ(1):∫ ((m|h|m) = h mm = ψm(r ∗ 1 ) − 1 2 ∇2 1 − ∑ A)Z Aψ m (r 1 )dr 1 (57)r 1AErwartungswert der kinetischen und Kern-Anziehungsenergie eines Elektronsin Ortsorbital ψ m .• Zweielektronenintegrale: Coulomb-Integral J mn := (mm|nn) = 〈mn|mn〉∫ ∫J mn = ψm(r ∗ 1 )ψn(r ∗ 2 ) 1 ψ m (r 1 )ψ n (r 2 )dr 1 dr 2 (58)∫ ∫r 12= |ψ m (r 1 )| 2 1 |ψ n (r 2 )| 2 dr 1 dr 2 (59)r 12klassische Coulomb-Abstoßung zwischen zwei Ladungswolken |ψ m (r 1 )| 2 und|ψ n (r 2 )| 2 .Definiere den lokalen Coulomb-Operator ĵ n (1) als{∫ĵ n (1)ψ m (1) = ψn(r ∗ 2 ) 1 }ψ n (r 2 )dr 2 ψ m (r 1 ) (60)r 12mit Erwartungswert〈ψ m |ĵ n |ψ m 〉 = (mm|nn) (61)• Zweielektronenintegrale: Austausch-Integral K mn := (mn|nm) = 〈mn|nm〉∫ ∫K mn = ψm ∗ (r 1)ψn ∗ (r 2) 1 ψ n (r 1 )ψ m (r 2 )dr 1 dr 2 (62)∫ ∫r 12= ψm ∗ (r 1)ψn ∗ (r 2) 1 ˆP12 ψ m (r 1 )ψ n (r 2 )dr 1 dr 2 (63)r 12aus Antisymmetrisierung und Spin 1/2, keine klassische Interpretation.Definiere den nicht-lokalen Austausch-Operator ˆk n (1) als{∫ˆk n (1)ψ m (1) = ψn ∗ (r 2) 1 }ψ m (r 2 )dr 2 ψ n (r 1 ) (64)r 12mit Erwartungswert〈ψ m |ˆk n |ψ m 〉 = (mn|nm) (65)20


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDamit können wir Gl. 56 schreiben als:N/2N/2N/2∑ ∑∑E 0 = 2 h mm + {2J mn −K mn } (66)m m nÜbersetzung von Orbitalbesetzungsschemata in Energien:Die Gesamtenergie ist die Summe aus diesen Beiträgen:• Unabhängig von seinem Spin trägt jedes Elektron im Ortsorbital ψ i einenTerm +h ii bei.• Jedes Elektronenpaar in den Ortsorbitalen ψ i und ψ j trägt unabhängigvon den Spins einen Term +J ij bei.• Jedes solche Elektronenpaar mit parallelem Spin trägt einen Term −K ijzusätzlich bei.Beachte dabei:• die Reihenfolge der Elektronen ist irrelevant, die Paare (12) und (21)werden also nur als ein Paar gezählt;• für diese Regeln ist es egal, ob die Ortsorbitale gleich (i = j) oderunterschiedlich (i ≠ j) sind.21a b c d e f ga) h 11 +h 22 +J 12 −K 12 b) h 11 +h 22 +J 1221Es gibt keine Austausch”kraft”!Eine einzelne Slaterdeterminante ist keine (exakte) Lösung der N-Teilchen-Schrödingergleichung (keine exakte Eigenfunktion von Ĥel). ⇒ Die von K ijrepräsentierte ”Austausch-Wechselwirkung“ ist in diesem Sinne kein vollständigkorrektes Abbild der physikalischen Wechselwirkung. Korrekt ist der (spinunabhängige!)1/r 12 -Operator in Ĥel und der Spin-1/2-Charakter der Elektronen.〈 siehe Appendix: Wann und warum treten Austauschintegrale auf? 〉21


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDer Hartree-Fock-HamiltonoperatorIm HF-Verfahren haben wir ĤelΨ = EΨ nicht exakt gelöst:• Ĥel ist exakt, aber• Ψ ist approximativ, da eine einzelne Slaterdeterminante.Andere, aber äquivalente Sicht der Dinge:• Ψ ist eine Slaterdeterminante und daher exakte Eigenfunktion• eines approximativen Gesamt-Hamiltonoperators Ĥ0, der eine Summe vonEinteilchenoperatoren sein muß.Dieser approximative Operator ist der Hartree-Fock-Operator:und es gilt exakt:N/2∑Ĥ 0 = 2 ˆf(i) (72)i=1∑Ĥ 0 Ψ = E (0) Ψ mit E (0) = 2 ǫ i (73)Diese Energie nullter Ordnung ist also die Summe der Orbitalenergien, sieist aber nicht identisch zur im Hartree-Fock-Verfahren ermittelten (ebenfallsapproximativen) Gesamtenergie E: Nach den Slater-Condon-Regeln gilt:N/2N/2∑ ∑∑E = 2 h ii + {2J ij −K ij } (74)iN/2iDie Orbitalenergie ǫ i ergibt sich jedoch als Erwartungswert des Fock-Operatorsfür das Orbital ψ i , und damit gilt:⎧ ⎫N/2∑⎨N/2E (0) = 2⎩ h ∑ ⎬ N/2 N/2 N/2ii + (2J ij −K ij )⎭ = 2 ∑ ∑∑h ii +2 {2J ij −K ij } (75)i=1Wir haben also:jN/2jiN/2∑∑E = E (0) +E (1) = E (0) − {2J ij −K ij } (76)Diese Energie E (1) erster Ordnung korrigiert formal die Doppelzählung derElektron-Elektron-WW in E (0) .Störungstheorien (s.u.) ermitteln E (2) und weitere additive Korrekturen höhererOrdnung, mit Hoffnung auf Konvergenz dieser Reihe zur exakten Energie E.23iN/2ji=1ij


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDie LCAO-NäherungDie (Molekül-)Orbitale ψ i werden in Basisfunktionen entwickelt:|ψ i 〉 =K∑C νi |φ ν 〉 (77)ν=1Die Basisfunktionen sind typischerweise nicht orthogonal:∫S µν = 〈φ µ |φ ν 〉 = φ µ (r 1 )φ ν (r 1 )dr 1 ≠ δ µν (78)Einsetzen der Basisentwicklung in Gl. 69 liefert:ˆf ∑ ∑C νi |φ ν 〉 = ǫ i C νi |φ ν 〉 (79)νNach Multiplikation von links mit 〈φ µ | ergibt sich:∑ ∑C νi 〈φ µ |ˆf|φ ν 〉 = ǫ i C νi 〈φ µ |φ ν 〉 (80)νwas zu folgender Matrix-Gleichung äquivalent ist:ννFC = SCǫ (81)Die Matrix ǫ ist eine Diagonalmatrix der Orbitalenergien. Die Fock-Matrix Fist gemäß Definition des Fock-Operators:F µν = h µν + ∑ k{2(µν|kk)−(µk|kν)} (82)Durch erneutes Einsetzen der Basisentwicklung für ψ k erhalten wir einen Ausdruckfür die Fock-Matrix in der AO-Basis:F µν = h µν + ∑ ∑C ρk C σk {2(µν|ρσ)−(µσ|ρν)} (83)k ρσ= h µν + ∑ {D ρσ (µν|ρσ)− 1 }2 (µσ|ρν) = h µν +G µν (84)ρσDabei haben wir die Dichtematrix D definiert:N/2∑D µν = 2 C µk C νk (85)k=1die mit der (Ein-)Elektronendichte in Zusammenhang steht und bei der Berechnungvon Moleküleigenschaften verwendet werden kann.24


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deErinnerung: Ablauf einer LCAO-HF-SCF-Rechnung:Eingabe:Molekülstruktur,BasissatzberechneIntegralerate Start−koeffi−zientenspeichereIntegraleselbst−konsistenteLösungneueFock−MatrixaufstellenjaneinFockmatrixdiagonalisierenalte Koeff. =neue Koeff.?E alt = E neu?Eigenvektoren= neue Koeff.typische hardware-Anforderungen:• bei jedem Zyklus muß die Fockmatrix aus Koeffizienten und Integralenneu aufgebaut werden:– riesiges Integralfile wird 1-mal geschrieben und n-mal gelesen;– nach der Rechnung ist das Integralfile (fast) wertlos.⇒ schneller (lokaler!), großer, temporärer Plattenplatz.• Permanentspeicherplatzbedarf fast Null.• Parallelisierbarkeit begrenzt ⇒ wenige Prozessoren/-kerne.• viele Integrale und Matrixdiagonalisierung im Speicher⇒ großer Hauptspeicher.25


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.decomplete-basis-set-(CBS)-ExtrapolationNach theoretischen Indizien gilt für die Energie im Basissatz-Limit:E lim = E X +aX −3 (86)wobei X die Kardinalzahl der cc-pVXZ-Basen ist, E X die entsprechende Energieund a eine (unbekannte) Proportionalitätskonstante.⇒ mit lediglich zwei Rechnungen für verschiedene Werte von X kann manzum Basissatzlimit extrapolieren:• Hartree-Fock konvergiert deutlich schneller als Korrelationsmethoden• cc-pVDZ-Rechnungen liegen oft etwas neben der Extrapolationskurve• andere Extrapolationsvorschriften werden diskutiert• andere Korrekturen werden bei hohem X ähnlich wichtig:– core-Valenz-Korrelation bei X > 5– relativistische Effekte für Atome der 1. Periode bei X > 6– nicht-Born-Oppenheimer-Effekte bei X > 7.• CBS-Extrapolation bringt nicht mehr Korrelation:Anzahl der Ein-Elektronen-Basisfunktionen K5040302010Hartree-Fock-LimitCBSexaktesResultatfull CI1 10 100 1000 10000( )Anzahl der N-Elektronen-Slaterdeterminanten 2N K26


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.debasis set superposition error (BSSE)Es sei A die Basis an ”Monomer“ A, B die Basis an Monomer B, AB(R) dieVereinigung dieser beiden Basissätze bei einem Abstand R der Monomere undE(X|X) die Energie des Systems X berechnet in der Basis X.Korrekte Berechnung der Dissoziationsenergie eines ”Dimers“ AB in die MonomereA und B in einer vollständigen Basis C:−D = E(AB|C)−E(A|C)−E(B|C) (87)Mit unvollständigen Basissätzen berechnen wir tatsächlich:−˜D = E(AB|AB(R = R e ))−E(A|A)−E(B|B) (88)Dabei kann Monomer A bei der Berechnung von E(AB|AB(R = R e )) anden Basisfunktionen in B partizipieren, bei der Berechnung von E(A|A) jedochnicht; analog für Monomer B. Dies ist der Basissatzüberlagerungsfehler (BSSE).Er ist von derselben Größenordnung wie die Dissoziationsenergie von van-der-Waals-Komplexen und wirkt sich bei Korrelationsrechnungen stärker aus alsbei HF- und DFT-Rechnungen. Mögliche Abhilfen:• counterpoise-Korrektur (CPC) von Boys und Bernardi: Man definiertCPC A = E(A|A)−E(A|AB(R = R e )) (89)CPC B = E(B|B)−E(B|AB(R = R e )) (90)wobei E(A|AB(R = R e )) genauso berechnet wie E(AB|AB(R = R e )), nurdaß die Elektronen und Kernladungen von B fehlen; die Basis A wirddabei um die ghost basis B erweitert, ohne daß das Monomer B selbstvorhanden ist. Die CPC-korrigierte Dissoziationsenergie ist dann:−D CPC = −˜D+CPC A +CPC B (91)= E(AB|AB(R = R e ))−E(A|AB(R = R e ))−E(B|AB(R = R e ))Das ist konzeptuell einfach aber nicht ganz unumstritten:– CPC = BSSE gilt nicht streng,– nicht trivial: echten Monomer-WW ↔ Basissatzartefakten– CPC ist bei der Berechnung von Potentialflächen aufwendig, weilDimer-Basis AB(R) von R abhängt ⇒ Monomer-Korrekturrechnungenmüssen für jedes R erneut durchgeführt werden.• Verwendung größerer Basissätze• Verwendung von Methoden, die BSSE per Konstruktion vermeiden oder vermindern:z.B. lokale Korrelationsmethoden oder SAPT (symmetry-adaptedperturbation theory)27


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAnalytische 1. Ableitung der closed-shell-HF-EnergieDie closed-shell-HF-Gesamtenergie Gl. 56 mit der Abkürzunglautet in LCAO-Entwicklung:E = ∑ µν(µν||ρσ) = (µν|ρσ)− 1 (µσ|ρν) (92)2D µν h µν + 1 2∑D µν D ρσ (µν||ρσ)+V NN (93)µνρσTraditionell wird dabei die Kern-Kern-AbstoßungV NN = ∑ ∑ Z A Z B, (94)R ABA A>Bmitgenommen, weil dieser Term sehr einfach ist.Wenn wir Gl. 93 nach X A ableiten, erhalten wir unter Berücksichtigung derTatsache, daß sich die SCF-Koeffizienten und damit auch die Dichtematrix D µνmit der Geometrie ebenfalls ändern, den Ausdruck:∂E∂X A= ∑ µν+ ∑ µνD µν∂h µν∂X A+ 1 2∑µνρσD µν D ρσ∂(µν||ρσ)∂X A+ ∂V NN∂X A∂D µνh µν + ∑ ∂D µνD ρσ (µν||ρσ) (95)∂X A ∂Xµνρσ ADie letzten beiden Terme dieser Gleichung können wie folgt umgeformt werden:= 4 ∑ µν= 4 ∑ µν∑occiocc∑iocc= 4 ∑ µν i∑occ∑= 4 ǫ ii∑µν∂C µi∂X Ah µν C νi +4 ∑ µνρσ[∂C µih µν + ∑ ∂X Aρσ∑occi∂C µiD ρσ (µν||ρσ)D ρσ (µν||ρσ)C νi (96)∂X A]C νi (97)∂C µi∂X AF µν C νi (98)∂C µi∂X AS µν C νi (99)Die Orthonormalitätsbedingung 〈ψ i |ψ j 〉 = δ ij der MO’s ψ i und ψ j lautet mitHilfe der LCAO-Basisentwicklung und der Überlappungsmatrix|ψ i 〉 =K∑C νi |φ ν 〉 und S µν = 〈φ µ |φ ν 〉 (100)ν=128


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dein AOs wie folgt:CSC † = 1bzw.∑C µi S µν C νj = δ ij (101)µνAbleitung dieser Beziehung nach X A liefert:2 ∑ µν∂C µi∂X AS µν C νi = − ∑ µνC µi C νi∂S µν∂X A(102)Mit der Definition einer modifizierten Dichtematrixwird daher aus Gl. 95 schließlich:∂E∂X A= ∑ µν∑occQ µν = 2 ǫ i C µi C νi (103)D µν∂h µν∂X A+ 1 2i∑µνρσD µν D ρσ∂(µν||ρσ)∂X A− ∑ µνQ µν∂S µν∂X A+ ∂V NN∂X A(104)Dieser Ausdruck enthält keine Ableitungen ∂C µi /∂X A der MO-Entwicklungskoeffizienten,obwohl wir für die Ableitung der Energie eigentlich allgemeinhätten schreiben müssen∂E= ∂Ẽ + ∑ ∂X A ∂X Aµk∂E∂C µk∂C µk∂X A(105)Die Lösung der HF-Gleichungen (die wir verwendet haben), entspricht jedochgerade der Bedingung ∂E/∂C µk = 0. Zur analytischen Ermittlung von höherenAbleitungen muß man diese Terme aber berechnen (mit Hilfe der coupledperturbed HF-Gleichungen (CPHF)).Die verbleibenden Ableitungen von 1- und 2-Elektronenintegralen sind mitGTOs nicht schwierig: Die Ableitung eines kartesischen GTOs ist die Summezweier kartesischer GTOs mit erhöhter und erniedrigter Rotationsquantenzahl∂∂X A(x−X A ) l (y −Y A ) m (z −Z A ) n e −α µ(r−R A ) 2 ={−l(x−X A ) l−1 +2α µ (x−X A ) l+1 }(y −Y A ) m (z −Z A ) n e −α µ(r−R A ) 2 (106)und ist mit den ohnehin vorhandenen Integralberechnungsroutinen kein grundsätzlichesProblem. Daher ist die Gradientenberechnung nach Gl. 104 sehreinfach und i.Vgl. zum numerischen Gradienten (viele zusätzliche SCF-Zyklen!)hocheffizient.29


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deNormalkoordinatenanalyseIn einer hinreichend kleinen Umgebung des Punktes x kann die potentielleEnergie V in eine Taylorreihe entwickelt werden:( ) † dVV(x) = V(x 0 )+ (x−x 0 )+ 1 ( ddx 2 (x−x 0) † 2 )V(x−xdx 2 0 )+··· (107)Ohne Beschränkung der Allgemeinheit kann V(x 0 ) immer Null gewählt werden.Wenn x 0 ein stationärer Punkt ist, entfällt der Term 1. Ordnung. Dort giltdann näherungsweise(!):V(∆x) = 1 2 ∆x† F∆x (108)Dabei ist F identisch zu der oben mit H bezeichneten Hesseschen Matrix derzweiten Ableitungen der potentiellen Energie nach den kartesischen Koordinatender einzelnen Atome. In diesen Koordinaten lautet die Schrödingergleichungfür das Molekül aus N Atomen:{−3N∑i=112M i∂ 2∂x 2 i+ 1 2 ∆x† F∆x}Ψ = EΨ (109)Aus formalen Gründen transformiert man nun auf (verallgemeinerte) massengewichteteAuslenkungskoordinaten:y i = √ M i ∆x i ,∂ 2∂y 2 i= 1 M i∂ 2∂x 2 iwas man mit Hilfe der Matrizen G oder M ausdrücken kann:(110)FG = ˜F = (M −1/2 ) † FM −1/2 (111)Offensichtlich ist G ij = 1/ √ M i M j . Damit wird aus Gl. 109:{3N∑∂ 2− 1 2 ∂y 2 + 1i=1 i 2 y† ˜Fy}Ψ = EΨ (112){− 1 2ẏ† ẏ+ 1 }2 y† ˜Fy Ψ = EΨ (113)Da der Operator der potentiellen Energie hermitesch ist, kann man eine unitäreTransformation U angeben, die ihn zur Diagonalmatrix f diagonalisiert:U˜FU † = f (114)Diese Transformation überführt die Koordinaten y in die Normalkoordinatenq:y = U † q , y † = q † U , q = Uy (115)30


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDamit wird der Term der potentiellen Energie in Gl. 113 diagonal:1 12 y† ˜Fy =2 q† U˜FU † q = 1 2 q† fq (116)Der Term der kinetischen Energie bleibt diagonal:− 1 2ẏ† ẏ = − 1 2˙q† UU †˙q = − 1 2˙q†˙q (117)Mithin wird aus Gl. 113:{− 1 2˙q†˙q+ 1 }2 q† fq Ψ = EΨ (118)3N∑i=1{− 1 2∂ 2∂q 2 i+ 1 2 f iq 2 i3N∑i=1}Ψ = EΨ (119)ĥ(i)Ψ = EΨ (120)Der Gesamt-Hamiltonoperatordes Systems ist also eine Summe aus 1- Teilchen“- ”Operatoren ĥ(i). Deshalb muß die Gesamtwellenfunktion Ψ ein Produkt aus1- Teilchen“-Funktionen ψ sein:”Ψ(q 1 ,q 2 ,...,q 3N ) = ψ 1 (q 1 )ψ 2 (q 2 )···ψ 3N (q 3N ) (121)Dieses nicht-antisymmetrisierte Hartree-Produkt ist hier eine akzeptable Wellenfunktion,da es sich bei den ”Teilchen“ um ”Schwingungs-Teilchen“ (Phononen)handelt, die keine Fermionen, sondern Bosonen sind.Jeder der 1-Phononen-Operatoren ĥ(i) hat die Form eines harmonischen Oszillators(was angesichts der quadratischen Approximation Gl. 108 wenig verwundert).Aus den Eigenwerten f i kann man die Schwingungsfrequenzen dieserharmonischen Oszillatoren gewinnen:ν i = 1 √fi (122)2π31


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.def12-Verfahren in der ElektronenkorrelationGrundidee: nicht nur Funktionen von einzelnen Elektronenkoordinaten r i inden Basisfunktionen, sondern auch Funktionen des Abstands zwischen zweiElektronen r 12 = |r 1 −r 2 |• historisch alt: Variationsrechnung von Hylleraas (1928-1930) mit solchenFunktionen liefert Fehler von nur 0.01 eV für He-Atom-Grundzustand• Hauptproblem: durch r 12 -Terme (oder f 12 = f(r 12 )-Terme) kompliziertereIntegrale ⇒ praktikabel erst durch jüngere Entwicklungen• Hauptstärke: qualitativ richtige Beschreibung des 2e-cusps.〈siehe Appendix: cusp conditions〉grobe Skizze der He-Atom-Wellenfunktion in Polarkoordinaten,als Funktionder Differenz der Winkel φ 1 ,φ 2 der beiden Elektronen (bei festem, gleichemKernabstand):ΨHFCI/CCexactf 12HF: konstant(!) wegen Mittelung über Elektron2ϕ = ϕ1 2 ϕ − ϕ1 2CI/CC in konventioneller Form (ohne f12): 2e-cusp wird nur schlechtgenähert, trotz Addition sehr vieler Slaterdeterminantenf12: bereits einfache f12-Term(e) liefern bessere Näherung an 2e-cusp;CI- bzw. CC-Entwicklung muß nur noch die verbleibende Differenzdarstellen.• bei CC-f12-Rechnungen in cc-pVXZ-Basissätzen gewinnt man ca. 1–2 KardinalzahlwerteX, also Resultate von konventioneller cc-pVQZ-Qualität beitatsächlichem Einsatz lediglich einer cc-pVDZ- oder cc-pVTZ-Basis.32


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deErinnerung: full configuration interaction (FCI)Die HF-Grundzustandswellenfunktion sei|Φ 0 〉 = |ψ 1 ψ 2···ψ i ψ j···ψ N 〉 (123)Besetzte Spinorbitale haben also die Indices i,j,k,l,..., virtuelle Orbitaleerhalten die Indices a,b,c,... .Dann ist eine einfach substituierte Determinante (einfach angeregte Konfiguration,single)|Φ a i〉 = |ψ 1 ψ 2···ψ a ψ j···ψ N 〉 (124)Analog gibt es zweifach substituierte Determinanten (doubles), usw.:|Ψ〉 = c 0 |Φ 0 〉+ ∑ ia|Φ abij 〉 = |ψ 1ψ 2···ψ a ψ b···ψ N 〉 (125)Die exakte Wellenfunktion kann dann geschrieben werden als:c abij |Φab ij 〉+ ∑c abcijk |Φabc ijkc a i |Φa i 〉+∑ i


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBrillouins TheoremNach den Slater-Condon-Regeln gilt:〈Φ 0 |Ĥ|Φa i〉 = 〈i|h|a〉+ ∑ j〈ij||aj〉 (127)Das ist nichts anderes als ein Außerdiagonalelement der Fock-Matrix:〈Φ 0 |Ĥ|Φa i 〉 = 〈i|h|a〉+∑ j〈ij||aj〉 = 〈i|f|a〉 (128)Zur Berechnung von Φ 0 wurde das HF-Problem gelöst, was äquivalent ist zueiner Transformation in einen Satz von Orbitalen, in dem gilt:〈i|f|a〉 = 0 , i ≠ a (129)⇒ Einfach angeregte Determinanten (singles) wechselwirken nicht direkt mitdem HF-Grundzustand:〈Φ 0 |Ĥ|Φa i〉 = 0 (130)Struktur der FCI-MatrixIn einer vereinfachten Schreibweise der FCI-Entwicklung|Ψ〉 = c 0 |Φ 0 〉+c S |S〉+c D |D〉+c T |T〉+c Q |Q〉+··· (131)hat die symmetrische FCI-Matrix mit Brillouins Theorem und den Slater-Condon-Regeln (〈S|H|Q〉 = 0, usw.) diese Form:⎛⎞〈Φ 0 |H|Φ 0 〉 0 〈Φ 0 |H|D〉 0 0 ···〈S|H|S〉 〈S|H|D〉 〈S|H|T〉 0 ···〈D|H|D〉 〈D|H|T〉 〈D|H|Q〉 ···〈T|H|T〉 〈T|H|Q〉 ···(132)⎜⎟⎝〈Q|H|Q〉 ··· ⎠...Wegen den Slater-Condon-Regeln sind auch die hier von Null verschiedenenBlöcke nur dünn besetzt: z.B. ist ein Matrixelementnur dann verschieden von Null, wenn〈D|H|Q〉 ≡ 〈Φ abij |H|Φcdef klmn 〉 (133)i,j ∈ {k,l,m,n} ∧ a,b ∈ {c,d,e,f} (134)und das trifft bei den allermeisten D- und Q-Determinanten nicht zu.34


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deFCI von H 2 in MinimalbasisH 2 in der Minimalbasis aus zwei 1s-STOs φ 1 und φ 2 hat die beiden MOsψ 1 ∼ (φ 1 +φ 2 ) , ψ 2 ∼ (φ 1 −φ 2 ) (135)Damit lautet der in dieser Basis ”exakte“ FCI-Ansatz:|Ψ〉 = |Φ 0 〉+c 2 1|2¯1〉+c¯2¯1 |1¯2〉+c 2¯1 |12〉+c¯2 1 |¯2¯1〉+c 2¯21¯1 |2¯2〉 (136)Der exakte Grundzustand ist ein Singulett ⇒ nur Singuletts in der Entwicklungnötig: |Φ 0 〉 und |2¯2〉. Linearkombinationen der verbleibenden Determinantenliefern drei Tripletts und ein weiteres Singulett:| 1 Φ 2 1 〉 = 2−1/2 (|1¯2〉+|2¯1〉) = 2 −1/2 (|1¯2〉−|¯12〉) = 2 −1/2 (ψ 1 ψ 2 +ψ 2 ψ 1 )(αβ −βα)(137)Der Ortsanteil davon enthält ψ 1 mit räumlich gerader Symmetrie und dasungerade ψ 2 ⇒ insgesamt ungerade ⇒ Matrixelemente mit der geraden FunktionΦ 0 sind Null.⇒ der FCI-Ansatz für den elektronischen Grundzustand lautet tatsächlich:|Ψ〉 = |Φ 0 〉+c 2¯21¯1 |2¯2〉 = |Φ 0 〉+c|2¯2〉 (138)Die FCI-Grundzustandsenergie ist also der kleinste Eigenwert von( ) ( 〈Φ0 |H|Φ 0 〉 〈Φ 0 1 1= E〈2¯2|H|Φ 0 〉 〈2¯2|H|2¯2〉)(c c)Mit E −E 0 = E corr (E 0 = HF-Energie) und nach Subtraktion von( )( )E0 0 10 E 0 c(139)(140)von beiden Seiten erhalten wir die Form( ) ( )0 K12 1 1= EK 12 2∆)(c corr , (141)cwobei wir die Integrale ausgewertet haben:〈Φ 0 |H|Φ 0 〉 = E 0 = 2h 11 +J 11 (142)〈Φ 0 |H|2¯2〉 = 〈2¯2|H|Φ 0 〉 = K 12 (143)〈2¯2|H −E 0 |2¯2〉 = 2∆ = 2h 22 +J 22 −E 0 = 2h 22 +J 22 −(2h 11 +J 11 )(144)Aus Gl. 141 erhalten wir sofort cK 12 = E corr sowie c = K 12 /(E corr −2∆) unddaraus den unteren Eigenwert:√E corr = ∆− ∆ 2 +K12 2 (145)35


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deIm Rahmen der gegebenen Basis lautet die exakte Energie von H 2 also:√E = E 0 +E corr = 2h 11 +J 11 +∆− ∆ 2 +K12 2 (146)Bei R → ∞ wird der Unterschied zwischen φ 1 und φ 2 irrelevant; daher gilt:J 11 = K 12 , ∆ = 0 , h 11 = h 22 = E(H) (147)⇒ bei FCI kompensiert die Korrelationsenergie den Term J 11 und wir erhaltendas richtige Dissoziationslimit:lim E = 2E(H) (148)R→∞Bei der HF-Lösung bleibt J 11 unkompensiert ⇒ falsches Limit (ionische Anteile).36


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAlternative Sicht auf FCIIn sog. intermediär normierter Form lautet die FCI-Entwicklung:|Ψ〉 = |Φ 0 〉+ ∑ iac a i |Φa i 〉+∑ i


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.decoupled-cluster-Verfahren (CC): 1.SichtweiseOhne ungerade Anregungen lautet die FCI-Wellenfunktion:c abij|Φ abij〉+ ∑|Ψ〉 = |Φ 0 〉+ ∑ i


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.decoupled-cluster-Verfahren (CC): 2.Sichtweiseformale Definition eines “Anregungsoperators”: ˆTn Φ 0 erzeugt aus der HF-Determinante Φ 0 eine (alle) n-fach angeregte(n) Determinante(n).Dann erhalten wir z.B. typische CISD-Konstruktionen durch(ˆT 1 + ˆT 2 )Φ 0 = ˆT 1 Φ 0 + ˆT 2 Φ 0 (163)was offensichtlich lediglich singles und doubles enthält.Bei CCSD verwenden wir dagegen exp(ˆT 1 +ˆT 2 ) und definieren wir die Bedeutungvon “e-hoch-Operator” durch eine formale Erweiterung der Taylorreiheerhalten wir diesen Ausdrucke = ˆ1+Â+ 1 2!Â2 + 1 3!Â3 +··· (164)eˆT 1 +ˆT 2= 1+ ˆT 1 + ˆT 2 + 1 2! (ˆT 1 + ˆT 2 ) 2 + 1 3! (ˆT 1 + ˆT 2 ) 3 +··· (165)= 1+ ˆT 1 +(ˆT 2 + 1 2 ˆT 2 1 )+(1 3! ˆT 3 1 + ˆT 1ˆT2 )+( 1 2 ˆT 2 2 + ˆT 2 1 ˆT 2 )+··· (166)der offensichtlich beliebig hohe Anregungstypen enthält, allerdings zusammengesetztnur aus Kombinationen von ˆT 1 und ˆT 2 . In diesem Sinne bedeutet “SD”in CCSD (auf subtile aber wichtige) Weise etwas anderes als in CISD. Mankann zeigen, daß Gl. 166 genau die zur Größenkonsistenz führenden Termeenthält.39


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAbstrakte Vielteilchen-Störungstheorie (MBPT)Die Wellenfunktionen und Energien für ein ungestörtes Problem seien bekannt:Ĥ (0) Ψ (0) = E (0) Ψ (0) (167)nicht jedoch für ein durch einen linearen Störterm erweiterten Operator:Ĥ = Ĥ(0) +λĤ(1) (168)Wir zerlegen die (noch unbekannte) exakte Energie und Wellenfunktion formalgemäßE = E (0) +λE (1) +λ 2 E (2) +λ 3 E (3) + ··· (169)Ψ = Ψ (0) +λΨ (1) +λ 2 Ψ (2) +λ 3 Ψ (3) + ··· (170)Einsetzen der Entwicklungen Gln. 168, 169, 170 in die Schrödingergleichungergibt nach Zusammenfassung der Terme gleicher Ordnung in λ die Hierarchieder Störgleichungen:(Ĥ(0) 0 = −E (0)) |Ψ (0) 〉 (171)0 =0 =0 =(Ĥ(0) −E (0)) |Ψ (1) (Ĥ(1) 〉+ −E (1)) |Ψ (0) 〉 (172)(Ĥ(0)) (Ĥ(1) )−E (0) |Ψ (2) 〉+ −E (1) |Ψ (1) 〉−E (2) |Ψ (0) 〉 (173)(Ĥ(0) −E (0)) |Ψ (3) (Ĥ(1) 〉+ −E (1)) |Ψ (2) 〉−E (2) |Ψ (1) 〉−E (3) |Ψ (0) 〉 (174).0 =(Ĥ(0) −E (0)) |Ψ (n) (Ĥ(1) 〉+ −E (1)) |Ψ (n−1) 〉−n∑E (m) |Ψ (m−n) 〉 (175)Operation mit 〈Ψ (0) (Ĥ(0) ) | von links auf (Ĥ(0) diese Gleichungen ) liefert unter Beachtung von−E (0) |Ψ (0) 〉 = 0 = 〈Ψ (0) | −E (0) bei intermediärer Normierung:m=2E (0) = 〈Ψ (0) |Ĥ(0) |Ψ (0) 〉 (176)E (1) = 〈Ψ (0) |Ĥ(1) |Ψ (0) 〉 (177)E (2) = 〈Ψ (0) |Ĥ(1) |Ψ (1) 〉 (178)E (3) = 〈Ψ (0) |Ĥ(1) |Ψ (2) 〉 (179).E (n) = 〈Ψ (0) |Ĥ(1) |Ψ (n−1) 〉 (180)Mit einigen Manipulationen kann man jedoch zeigen:n∑E (2n+1) = 〈Ψ (n) |Ĥ(1) |Ψ (n) 〉− E (2n+1−k−l) 〈Ψ (k) |Ψ (l) 〉 (181)k,l=1Zur Bestimmung von E (2n+1) genügt also die Wellenfunktion Ψ (n) .40


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deMøller-Plesset-Störungstheorie 2. Ordnung (MP2)Bei der Møller-Plesset-Störungstheorie wählt man als Ĥ (0) die Summe derEinteilchen-FockoperatorenĤ (0) = ∑ ˆf(i) = ∑ ) (ĥ(i)+ĝ(i) (182)i ialso lautet der Störoperator:Ĥ (1) = Ĥ −Ĥ(0) = 1 ∑ 1− ∑ 2 r ijiDadurch isti≠j• die Störung nicht wirklich ”klein“, aber• dies ist die einzige größenkonsistente/-extensive Wahl, undĝ(i) , (183)• die ungestörten Funktionen Φ I sind exakt(!) bekannt: die HF-DeterminanteΦ 0 = Ψ (0) , deren Einfachanregungen Φ a i , Zweifachanregungen Φab ij , usw.Diese Φ I bilden eine vollständige Basis ⇒ die Störfunktionen können in dieseBasis entwickelt werden:Ψ (1) = ∑ Ic (1)IΦ I (184)Ψ (2) = ∑ Ic (2)IΦ I (185)Der Energieerwartungswert der Wellenfunktion nullter Ordnung (mit λ = 1)ergibt sich aus den Gln. 176 und 177; es ist die Hartree-Fock-Energie E 0 :〈Ψ (0) |Ĥ|Ψ(0) 〉 = E (0) +E (1) = E 0 (186)Die Koeffizienten der Wellenfunktion erster Ordnung erhält man durch Projektionvon Gl. 172 von links mit Φ I (≠ Φ 0 = Ψ (0) ):0 = ∑ J〈Φ I |Ĥ(0) −E (0) |Φ J 〉c (1)J +〈Φ I|Ĥ(1) −E (1) |Ψ (0) 〉 (187)= ∑ J〈Φ I |Ĥ(0) −E (0) |Φ J 〉c (1)J +〈Φ I|Ĥ(1) |Φ 0 〉 (188)Da die Φ I Eigenfunktionen von Ĥ(0) sind und da verschiedene Slaterdeterminantenorthogonal zueinander sind, folgt sofort:∑〈Φ I |Ĥ(0) −E (0) |Φ J 〉c (1)J= ∑ (〈ΦI |Ĥ(0) |Φ J 〉 −E} {{ }(0) 〈Φ I |Φ J 〉 ) c (1)J(189)JJE J |Φ J 〉= ∑ J(E I −E (0) )δ IJ c (1)J= (E I −E (0) )c (1)I= 〈Φ I |Ĥ(0) −E (0) |Φ I 〉c (1)I(190)41


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deund wir erhalten schließlich für die Entwicklungskoeffizienten:c (1)I= − 〈Φ I|Ĥ(1) |Φ 0 〉〈Φ I |Ĥ(0) −E (0) |Φ I 〉(191)Jede Slaterdeterminante ist Eigenfunktion von Ĥ(0) mit leicht anzugebenderEnergie, z.B. bei einer Zweifachanregung:Ĥ (0) |Φ abij〉 = (E (0) −ǫ i −ǫ j +ǫ a +ǫ b )|Φ abij〉 (192)In der Basis der Slaterdeterminanten sind die in Gl. 191 benötigten Diagonalelementeeinfach Summen und Differenzen der Hartree-Fock-Eigenwerte:〈Φ a i |Ĥ(0) −E (0) |Φ a i 〉 = ǫ a −ǫ i (193)〈Φ abij |Ĥ(0) −E (0) |Φ abij 〉 = ǫ a +ǫ b −ǫ i −ǫ j (194)Da zur Störfunktion erster Ordnung nur die doppelt angeregten Konfigurationenbeitragen (alle anderen Matrixelemente 〈Φ I |Ĥ|Φ 0〉 sind Null, s.o. BrillouinsTheorem und CI), lautet die explizite Form von Gl. 191:c ij (1) 〈Φ abijab = − |Ĥ(1) |Φ 0 〉(195)ǫ a +ǫ b −ǫ i −ǫ jDamit ergibt sich die Energiekorrektur zweiter Ordnung:E (2) = 〈Φ (0) |Ĥ(1) |Ψ (1) 〉 (196)= ∑ c (1)I〈Φ (0) |Ĥ(1) |Φ I 〉 (197)I==∑occvir∑i>j a>b∑occviri>j∑a>b〈Φ 0 |Ĥ(1) |Φ abij 〉〈Φab ij |Ĥ(1) |Φ 0 〉ǫ i +ǫ j −ǫ a −ǫ b(198)[(ai|bj)−(aj|bi)] 2ǫ i +ǫ j −ǫ a −ǫ b(199)mit verallgemeinerten Austauschintegralen K ijab = (ai|bj).Für höhere Ordnungen ergeben sich zunehmend kompliziertere Ausdrücke fürEnergiekorrekturen und Stör-Wellenfunktionen. Zwar läßt sich alles immer nochmit Matrixelementen von Ĥ(1) in den Funktionen Φ I ausdrücken, aber indiese Φ I -Entwicklungen gehen immer höhere Anregungstypen ein ⇒ viel mehrDeterminanten ⇒ bedeutend höherer Aufwand.42


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deMP2 für H 2 in MinimalbasisDie FCI-Korrelationsenergie für H 2 in Minimalbasis lautet:√√E corr = ∆− ∆ 2 +K12 2 = ∆−∆ 1+ K2 12(200)∆ 2mit den Größen∆ = 1 2 〈2¯2|Ĥ −E 0|2¯2〉 , K 12 = 〈2¯2|Ĥ|Φ 0〉 (201)In der Nähe des Gleichgewichtsabstands gilt in guter Näherung∆ ≫ K 12 . (202)Also können wir die Wurzel in eine Reihe entwickeln:(E corr ≈ ∆−∆ 1+ 1 K1222 ∆ − 1 K 4 )12···2 8 ∆ 4(203)≈ − K2 122∆= − |〈2¯2|Ĥ|Φ 0〉| 2〈2¯2|Ĥ −E 0|2¯2〉(204)(205)≈ − |〈2¯2|Ĥ|Φ 0〉| 2−E (0) |2¯2〉(206)= E (2)MP(207)⇒ in diesem Fall ist MP2 eine gute Näherung an das exakte Resultat!Wegenlim ∆ = 0 , lim K 12 = const. ≠ 0 (208)R→∞ R→∞gilt weiter vom Gleichgewichtsabstand entfernt:∆ < K 12 (209)⇒ die implizite Reihenentwicklung divergiert;⇒ bei großen Kernabständen wird die MP2-Energie meist sehr schlecht.(anderes Symptom: bei wachsendem Abstand entarten Orbitale und bei ǫ a +ǫ b ≈ǫ i +ǫ j geht der Energienenner gegen Null.)43


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAndere Formulierung derselben Sache: Bei Bindungsauslenkung wird die (R)HF-Referenzfunktion schlechter. ⇒ formale Auswege (wie bei RHF):• restricted oder unrestricted open-shell MP (ROMP, UMP, ...)• besser: Multireferenz-Störungstheorie (CASPT2, RS2, etc.)Divergenz bei• Multireferenz-Problemen;• höhere Ordnungen der MP-Reihe;• großen, diffusen Basissätzen.44


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deGraphische Lösung der SchrödingergleichungDie zeitunabhängige Schrödingergleichung für ein Teilchen der Masse m ineiner Raumdimension x lautet:∂ 2ĤΨ(x) := − 22m∂x 2Ψ(x)+V(x)Ψ(x) = E totΨ(x) (210)Durch einfache Umformungen ergibt sich:− 2∂ 22m∂x tot −V(x)]Ψ(x) (211)∂ 2∂x2Ψ(x) = −2m [E 2 tot −V(x)]Ψ(x)= − 2m E kinΨ(x) 2 (212)⇒ Konstruktionsvorschrift für Ψ(x) in beliebigen 1D-Potentialen V(x):• 2. Ableitung (Krümmung) von Ψ(x) ist proportional zu m, |E kin | =|E tot −V(x)| und |Ψ(x)|.• E kin > 0 : Ψ(x) ist zur x-Achse hin gekrümmt,E kin < 0 : Ψ(x) ist von der x-Achse weg gekrümmt.• Wendepunkte von Ψ(x) genau dann, wenn E kin = 0, also bei E tot = V(x),und bei Ψ(x) = 0.online“-Berechnungvon Eigenfunktionenfür beliebig vorgegebene 1D-Potentiale:”http://www.fen.bilkent.edu.tr/∼yalabik/applets/1d.htmlUnmittelbare Folgen dieser Betrachtungsweise:1: freies Teilchen:E kin > 0:Sinus/Cosinus-WelleE kin < 0:Exponentialfunktion45


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deΨ(x) = sin(x) und Ψ(x) = cos(x) sind keine physikalisch akzeptablen Funktionenfür ein freies Teilchen, weil Ψ 2 (x) ≠ const.Verbesserte Funktion:Ψ(x) = A[cos(kx)+isin(kx)] = Ae ikx (213)Dabei ist der Impuls p = k positiv, also bewegt sich das Teilchen zu höherenx-Werten.Für negativen Impuls (entgegengesetzte Bewegungsrichtung) ergibt sich:Ψ(x) = Ae −ikx = A[cos(−kx)+isin(−kx)] = A[cos(kx)−isin(kx)] (214)Die Phasenbeziehung zwischen Real- und Imaginärteil bestimmt also die Bewegungsrichtung.In beiden Fällen ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte konstant:P(x) = |Ψ(x)| 2 = Ψ ∗ (x)Ψ(x) = A 2 [cos 2 (kx)+sin 2 (kx)] = A 2 = const. (215)Für E kin < 0 wird der Impuls p = k wegen E kin = p 2 /(2m) formal imaginär,und die Wellenfunktion wird rein exponentiell:Ψ(x) = Ae βx , mit β = ik = √ −2mE kin (216)46


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de2: TunneleffektTunnelwahrscheinlichkeithängt ab von: Barrierenbreite, Barrierenhöhe, Teilchenmasse.Aber Achtung: Skizze ist nur ein Cartoon = enthält echte FEHLER!3: gebundene Zustände: Quantisierung!Normierbare ( = akzeptable) Wellenfunktion nur bei diskreten Energieniveausmöglich (auch bei endlicher Topftiefe):47


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de4: Doppelminimumpotential: TunnelaufspaltungGrundzustand des Einzelminimums spaltet auf in einen energetisch tieferen undeinen höheren Zustand, deren Eigenfunktionen näherungsweise(!) plus/minus-Linearkombinationen der Einzelminimum-Funktionen sind:Die Tunnelaufspaltung sinkt mit höher und/oder breiter werdender Barriere(Annäherung an Einzelminima).5: Minimum mit dünnen Wänden: ResonanzenEs gibt für jede Energie einen erlaubten Zustand → Kontinuum. Aber nur dort,wo die Energie etwa der eines gebundenen Zustands im Fall unendlich dickerWände entspricht, wird die Amplitude innerhalb des Potentialtopfs groß →” quasidiskrete Zustände“, in ein Kontinuum eingebettete (daran gekoppelte)”diskrete Zustände“, Resonanzzustände“. ”Aber Achtung: Skizze ist nur ein Cartoon = enthält echte FEHLER!48


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deNumerische Umsetzung:Wir betrachten wiederum die umgeformte Schrödingergleichung Gl. 212:∂ 2∂x 2Ψ(x) = Ψ(2) (x) = 2m 2 [V(x)−E tot]Ψ(x) (217)Eine im Prinzip einfache Diskretisierung 〈 Appendix 〉 ergibt die Propagationsvorschriftvon Numerov mit einem Fehler von lediglich O{(∆x) 6 }:Y i+1 −2Y i +Y i−1 = (∆x) 22m 2 [V(x)−E tot]Ψ i (218)mit Y i = Ψ i − (∆x)212 Ψ(2) i (219)⇒ Berechnung reeller Eigenfunktionen ungebundener Zustände für beliebige1D-Potentiale berechnen, sofern eine Randbedingung bekannt ist (z.B.: Ψ 1 = 0und Ψ 2 = ǫ im klassisch verbotenen Bereich bei sehr kleinen Abständen x).Spezielles Problem ungebundener Zustände: korrekte Normierung. 1Zusätzliches Problem für gebundene Zustände: Nicht jede Eigenenergie (hier:E tot ) ist möglich, nur wenige führen zu erlaubten ( = im Wert beschränkten)Eigenfunktionen. Diese erlaubten Energien sind aber vorher noch nicht bekannt.⇒ Strategie: Iterative Annäherung an die Eigenenergiemit wiederholten Numerov-Rechnungen, bis die Wellenfunktion überall beschränkt bleibt.Typische Praxis-Realisierung:1. rate Energie E i2. propagiere die Numerov-Gleichungen aus dem inneren klassisch verbotenenBereich nach außen in den gebundenen Bereich bis zu einem ”matchingpoint“ x m3. propagiere die Numerov-Gleichungen aus dem äußeren klassisch verbotenenBereich nach innen bis zum selben ”matching point“ x m4. aus der Differenz der Steigungen am Punkt x m (Ψ ′ in (x m)−Ψ ′ out(x m )) kannman eine Korrektur D i (E) für die Energie ermitteln (nach Löwdin bzw.Cooley 2 )5. setze E i+1 = E i +D i (E) und gehe zu (2), bis Ψ ′ in (x m) = Ψ ′ out (x m).In Verwendung: selbes Prinzip mit weiteren technischen Verfeinerungen:renormalized Numerov und log-derivative-Methode 3 .1 R. A. Buckingham: The Continuum“, in: Quantum Theory. I.Elements“, D. R. Bates (Ed.), Academic” ”Press, New York, 1961; E. Merzbacher: Quantum Mechanics“, Wiley, New York, 1970, Kap. 6.32 ”J. W. Cooley, Math. Comput. 15 (1961) 363.3 B. R. Johnson, J. Chem. Phys. 67 (1977) 4086.49


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dehistorisch: WKB-Näherung 4Die Schrödingergleichung Gl. 212 lautet:∂ 2∂x 2Ψ(x)+ p2 (x) 2 Ψ(x) = 0 mit p(x) = √ 2m[E tot −V(x)] (220)Für den Spezialfall eines konstanten Potentials V = const. ≠ V(x) ist dies einegewöhnliche, lineare, homogene Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten,kann also durch den Ansatz Ψ(x) = exp(αx) gelöst werden. Dabei erhältman α = ±ip/, und damit die übliche Wellenfunktion eines freien Teilchens(ebene Welle):Ψ(x) = Ψ(x 0 )e ±ipx/ = Ψ(x 0 )e ±ikx (221)Impuls p und Wellenlänge λ (des Real- und Imaginärteils) hängen nach deBroglie zusammen wie λ = 2π/p; die Phasenverschiebung pro Einheitslängeist durch p/ gegeben. (Ψ(x 0 ) ergibt sich aus der Integrationskonstante durchdie Anfangsbedingung.)Übergang zu einem langsam veränderlichen Potential V(x):In einem gegenüber der Veränderung von V(x) kleinen Bereich um x ist dannV(x) immer noch näherungsweise konstant.⇒ Ψ(x) verhält sich näherungsweise wie eine ebene Welle, mit einem jeweilslokalen“ Wert der Wellenlänge:”λ(x) = 2πp(x) =2π√2m[E −V(x)](222)In der Wellenfunktion selbst akkumulieren sich die Phasenverschiebungen vonjedem dieser Bereiche; im Grenzfall erhalten wir also ein Integral:√ ⎡ ⎤p(x 0 )Ψ(x) = Ψ(x 0 )p(x) exp ⎣± i ∫ xp(x ′ )dx ′ ⎦ (223)x 0Diese Beziehung heißt WKB-Näherung nach Wentzel, Kramers und Brillouin.(Herleitung siehe 〈Appendix〉)4 Zhang, Kap. 11; Schatz/Ratner, Kap. 7.3; R. Shankar: Principles of Quantum Mechanics“, Plenum,”New York, 1987, Kap. 16.2; E. Merzbacher: Quantum Mechanics“, Wiley, New York, 1970, Kap. 7.”50


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deEine genauere Analyse 〈 Appendix 〉 zeigt, daß es sich dabei um eine semiklassischeNäherung handelt (die bei → 0 exakt wird) und daß sie gültigist, solange die Änderung der de-Broglie-Wellenlänge hinreichend klein ist:dλ∣dx∣ ≪ 2π (224)Bei klassischen Umkehrpunkten E tot = V wird der Impuls Null (Gl. 220)und damit ist nach Gl. 222 die Wellenlänge nicht definiert. An diesen Stellendivergiert die WKB-Approximation. Durch geeignete ”Verbindungsformeln“(connection formulae) 4 lassen sich diese Stellen jedoch überbrücken.51


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deFBR (finite basis representation)〈Appendix:〉 Lösung der Schrödingergleichung durch Basisfunktionsentwicklung,heißt hier FBR (finite basis representation = Galerkin-Methode)Nachteile gegenüber Numerov:• Eigenfunktion ψ wird nicht “direkt” aus Schrödingergleichung berechnet,sondern Umweg über Matrixdiagonalisierung, gefolgt von Rekonstruktionder Eigenfunktion aus dem Basisfunktionsentwicklungsansatz;• vor Matrixdiagonalisierung Berechnung aller Matrixelemente nötig= Integrale 〈φ m |Ĥ|φ n〉, für alle Kombinationen (m,n);• zusätzliche Approximationen durch nicht-vollständige Basis:– begrenzte Anzahl Basisfunktionen– Flexibilität ggf. nicht ausreichend (Basisfunktionsformen)• weit mehr Basisfunktionen als zu berechnende Eigenfunktionen nötig;• ungebundene Eigenfunktionen problematisch (s.u.: Beispiel!).Vorteile gegenüber Numerov:• gebundene Eigenfunktionen unproblematisch;• Erweiterung auf nD prinzipiell/formal einfach: höherdimensionale Basisfunktionen⇒ höherdimensionale Integrale;• alle Eigenwerte/-funktionen auf einmal.52


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBeispiel für orthogonale Basis: Sinus-FunktionenDie Eigenfunktionen eines Teilchens in einem eindimensionalen Kasten mitunendlich hohen Potentialsprüngen an den Rändern des Intervalls [a,b] sindim Wesentlichen Sinus-Funktionen:√ { } 2 kπφ k (x) =b−a sin b−a (x−a) (225)Matrixelemente der kinetischen Energie können analytisch berechnet werden.Matrixelemente der potentiellen Energie erfordern numerische Integration (oderEntwicklung des Potentials in geeignete Potential-Basisfunktionen).Qualitätskriterien für Basisfunktionen:• Anzahl der Basisfunktionen muß groß genug sein;• sie müssen mindestens den gesamten Ortsraumbereich der gewünschtenEigenfunktionen abdecken;• sie müssen mindestens den gesamten Impulsraumbereich der gewünschtenEigenfunktionen abdecken;• sie müssen passende Randbedingungen haben.53


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBeispiel: Sinus-Basis für 1D-Morse-OszillatorĤ = ˆp/2µ+V(x), mit V(x) = D e {1−exp[−β(x−x e )]} 2 ;Parameter (a.u.): D e = 5.0, β = 2.0, x e = 1.5, µ = 0.05 amu ≈ 91.144n numerisch analytisch1 0.3257483257557883 0.32574833036450432 0.9443301620270594 0.94433017585320303 1.519025577977924 1.5190256010214884 2.049834573608373 2.0498346058693615 2.536757148918450 2.5367571903968206 2.979793303908249 2.9797933546038667 3.378943038577837 3.3789430984904988 3.734206352927147 3.7342064220567189 4.045583246955985 4.04558332530252410 4.313073720748337 4.31307380822791711 4.536677851722307 4.53667787083289712 4.716420262499438 4.71639551311746413 4.854119814635596 4.85222673508161714 4.970424726778137 4.94417153672535615 5.102696896182915 4.99222991804868311109876543210 1 2 3 4 576543210-1-20 1 2 3 4 554


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deOrthogonalisierung der BasisWenn die Basis {φ i } nicht orthogonal ist, erhalten wir auf demselben Weg wieoben ein verallgemeinertes Matrix-Eigenwertproblem:HC = ESC (226)Dieses kann mit dafür geeigneten Bibliotheksroutinen direkt gelöst oder zunächstin ein normales Eigenwertproblem transformiert werden, indem wir die Basismit einer geeigneten Transformationsmatrix X orthogonalisieren:Da S hermitesch (symmetrisch) ist, ist X unitär.X † SX = 1 (227)Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Wahl von X, eine ist:denn dann gilt:X = S −1/2 = Us −1/2 U † (228)X † SX = S −1/2 SS −1/2 = S −1/2 S 1/2 = S 0 = 1 (229)Durch diese Transformation X erhalten wir auch eine neue Koeffizientenmatrix:C ′ = X −1 C ⇔ C = XC ′ (230)Einsetzen von C = XC ′ in HC = SCE liefert:Multiplikation von links mit X † ergibt:HXC ′ = SXC ′ E (231)X † HXC ′ = X † SXC ′ E (232)Dabei definiert X † HX = H ′ die entsprechend transformierte Hamilton-Matrix.Mit Gl. 227 ergibt sich schließlich ein Standard-Eigenwertproblem:H ′ C ′ = C ′ E (233)Wenn einzelne Basisfunktionen nahezu linear abhängig voneinander werden, gibtes numerische Probleme. Symptom: sehr kleine Eigenwerte von S (exakt Nullbei voller linearer Abhängigkeit). ⇒ Vor Orthogonalisierung Eigenwerte vonS berechnen und ggf. linear (nahezu) abhängige Basisfunktionen eliminieren.55


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBeispiel für nicht-orthogonale Basis: DGBGauß-Funktionen mit Zentren auf Ortsraumgitter: distributed Gaussian basis 5( ) 1/4 2Aiφ i (x) = exp[−A i (x−x i ) 2 ] (234)πMöglichkeiten für Wahl der Zentren x i und Breiten A i :• plaziere Zentren x i semiklassisch: A i ∼ 1/(x i+1 −x i−1 ) 2• äquidistante Zentren x i ; optimiere Parameter A durch Minimierung derEigenwerte in einer separaten TestrechnungÜberlappungsmatrixelemente und Matrixelemente der kinetischen Energie analytischberechenbar (wobei T ij noch den üblichen Vorfaktor − 2 /2m braucht):S ij = √ π A ijA i A jexp(−C ij ) , T ij = −2S ij (1−2C ij ) (235)B ijmit den Abkürzungen( ) 1/4 4Ai A jA ij =π 2B 2 ij, B ij = (A i +A j ) 1/2 , C ij = A iA jBij2 (x i −x j ) 2 (236)Weitere Standard-Möglichkeit zur Einsparung von Rechenzeit: Für hinreichendnicht-pathologische Operatoren O gilt〈φ i |O|φ j 〉 ≈ 0 (237)wenn nur die Zentren x i und x j der beiden Gaußfunktionen weit genug auseinanderliegen (in der Praxis ab 5–10 dazwischenliegenden Gaußfunktionen).Basis-Qualitätskriterien wie bei Sinus-Basis.Beispiel für eine DGB-Funktion vor(gestrichelte Linie) und nach (durchgezogeneLinie) Orthogonalisierung5I. P. Hamilton und J. C. Light, J. Chem. Phys. 84 (1986) 306; Z. Bačić und J. C. Light, J.Chem. Phys. 85 (1986) 4594; Z. Bačić, D. Watt und J. C. Light, J. Chem. Phys. 99 (1988) 947.56


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBeispiel: DGB für 1D-Morse-OszillatorĤ = ˆp/2µ+V(x), mit V(x) = D e {1−exp[−β(x−x e )]} 2 ;Parameter (a.u.): D e = 5.0, β = 2.0, x e = 1.5, µ = 0.05 amu ≈ 91.144n numerisch analytisch1 0.3257483281296143 0.32574833036450432 0.9443301695380278 0.94433017585320303 1.519025592324165 1.5190256010214884 2.049834599285713 2.0498346058693615 2.536757195227862 2.5367571903968206 2.979793386442639 2.9797933546038667 3.378943178632529 3.3789430984904988 3.734206573395122 3.7342064220567189 4.045583564466534 4.04558332530252410 4.313074135778425 4.31307380822791711 4.536678273982599 4.53667787083289712 4.716401680901365 4.71639551311746413 4.852983810524478 4.85222673508161714 4.960405968478248 4.94417153672535615 5.076871557803291 4.99222991804868376543210-10 1 2 3 4 510090807060504030201000 1 2 3 4 557


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDiscrete Variable Representation (DVR) 6 7In der (pseudo)spektralen FBR-Darstellung wird die Wellenfunktion ψ(x) inder endlichen Basis {φ i (x)} dargestellt:ψ(x) = ∑ ia i φ i (x) (238)Ist die Basis orthonormal, ergeben sich die Entwicklungskoeffizienten durch:∫a i = φ ∗ i (x)ψ(x)dx (239)Dieses Integral kann numerisch durch Gauß-Integration approximiert werden:a i = ∑ αw α φ ∗ i (x α)ψ(x α ) (240)(siehe 〈Appendix〉). Einsetzen in Gl. 238 liefertψ(x) = ∑ ∑w α φ ∗ i(x α )ψ(x α )φ i (x) (241)i α= ∑ ψ α δ α (x) (242)αDabei wurden die DVR-Entwicklungsfunktionen δ α (x) definiert:δ α (x) = √ ∑w α φ ∗ i (x α)φ i (x) (243)sowie Entwicklungskoeffizientenψ α = √ w α ψ(x α ) (244)Gl. 243 kann man auch schreiben alsiδ α (x) = ∑ iφ i (x)L † iα mit L † iα = √ w α φ ∗ i (x α) (245)d.h. die DVR-Basisfunktionen δ α (x) ergeben sich durch Transformation mit derMatrix L aus den FBR-Basisfunktionen φ i (x).Man kann zeigen, daß L unitär ist 〈Appendix〉⇒ Die DVR-Basis ist orthonormal, da auch die FBR-Basis orthonormal ist.6 G. C. Corey, J. W. Tromp und D. Lemoine, in: Numerical grid methods and their applications to”Schrödinger’s equation“, C. Cerjan (Ed.), Kluwer, Dordrecht, 1993, p. 1; J. C. Light, in: Time-dependent ”quantum molecular dynamics“, J. Broeckhove und L. Lathouwers (Eds.), Plenum, New York, 1992,p. 185; J. C. Light, I. P. Hamilton und J. V. Lill, J. Chem. Phys. 82 (1985) 1400.7 Tannor, Kap. 11.1 – 11.6.458


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deTatsächlich sind die Funktionen {δ α (x)} im diskreten Raum der DVR-Punkteeinfach deshalb orthogonal zueinander, weil z.B. die Funktion δ α (x) an allenGitterpunkten x β (mit β ≠ α) Null ist:δ ∗ α (x β) = 〈δ α |x β 〉 (246)= ∑ φ i (x α )φ ∗ i(x β ) √ w α (247)i= ∆ αβ / √ w β (248)= δ αβ / √ w β (249)Mit dieser Beziehung ergibt sich für die DVR-Koeffizienten als Projektion derWellenfunktion auf die DVR-Basis wiederum Gl. 244:ψ α = 〈δ α |ψ〉 (250)∫= δα ∗ (x)ψ(x)dx (251)= ∑ βw β δ ∗ α(x β )ψ(x β ) (252)= √ w α ψ(x α ) (253)Andere Interpretation der Gln. 246–249 und 250–253: Die Funktionen δ α (x)sind diskrete Analoga zu Diracs Delta ”funktion“. Sie sind zwar zwischen denDVR-Gitterpunkten nicht Null (bzw. Eins), aber das ist ”uninteressant“:Zu einer Sinus-Basis (äquidistanteGitterpunkte) konjugierte DVR-Funktion, lokalisiert“ am Gitterpunkt#5 und Null an allen anderen”Gitterpunkten:⇒ Die Funktionen δ α (x) sind Eigenfunktionen des Ortsoperators ˆx mit denEigenwerten x α ; diese diskreten Eigenwerte sind also identisch zu den Gitterpunkten:∫〈δ α |ˆx|δ β 〉 = δα(x)ˆxδ ∗ β (x)dx (254)= ∑ γw γ δ ∗ α (x γ)x γ δ β (x γ ) (255)= x α δ αβ (256)59


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de⇒ alternativer, allgemeinerer Zugang zu DVR-Darstellungen für eine gegebeneFBR: 8Diagonalisiere den Ortsoperator ˆx in der FBR-Spektralbasis {φ i (x)}. Die Eigenwertedefinieren die DVR-Gitterpunkte; die Eigenvektormatrix ist identischzur FBR-DVR-Transformationsmatrix L.Der Hamiltonoperator in DVR-DarstellungMatrixelementedes Potential-Operators ˆV in FBR-Darstellung können wiederumper Gauß-Integration approximiert werden:∫〈φ i |ˆV|φ j 〉 = φ ∗ i (x)V(x)φ j(x)dx (257)≈ ∑ αw α φ ∗ i(x α )V(x α )φ j (x α ) (258)= ∑ αβ√wα φ ∗ i (x α)V(x α )δ αβ√wβ φ j (x β ) (259)= ∑ αβL † iα V DVRαβ L βj (260)= (L † V DVR L) ij (261)wobei eine diagonale Potentialmatrix definiert wurde:V DVRαβ = V(x α )δ αβ (262)Damit ergibt sich die Hamiltonmatrix in DVR-Darstellung:H DVR = LH FBR L † (263)= LT FBR L † +LV FBR L † (264)= LT FBR L † +LL † V DVR LL † (265)= LT FBR L † +V DVR (266)Daher können ˆT-Matrixelemente leicht berechnet werden, wenn die FBR-Basisgeeignet gewählt wird (z.B.: Eigenfunktionen von ˆT). Nach Konstruktion derzugehörigen DVR-Basis kann die T FBR -Matrix in die DVR-Darstellung transformiertwerden. Dort ergeben sich dann die ˆV-Matrixelemente durch einfacheMultiplikation von V(x) mit ψ α an den DVR-Gitterpunkten x α (ohne expliziteIntegration!). Die Näherung dabei entspricht der Näherung bei einerGauß-Integration.8 J. C. Light, in: Time-dependent quantum molecular dynamics“, J. Broeckhove und L. Lathouwers”(Eds.), Plenum, New York, 1992, p. 185; J. C. Light, I. P. Hamilton und J. V. Lill, J. Chem.Phys. 82 (1985) 1400; V. Szalay, J. Chem. Phys. 105 (1996) 6940; B. I. Schneider, Phys. Rev. A55 (1997) 3417.60


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deFourier-Grid-Hamiltonian-(FGH)-Methode 9Spezialfall von DVR, mit exp(ikx) als FBR-Basisfunktionen⇒ äquidistante Gitterpunkte und alle Gewichte = 1.Weitere wichtige Grundlage: Fouriertransformation, siehe 〈Appendix〉.Hamiltonoperator in der FGH-MethodeIm Ortsraum mit den Basisfunktionen |x〉 ist der Potentialoperator diagonal:〈x ′ |V(ˆx)|x〉 = V(x)δ(x−x ′ ) (267)Im Impulsraum mit den Basisfunktionen |k〉 ist der Operator der kinetischenEnergie diagonal:〈k ′ |ˆT|k〉 = 2 k 22m δ(k −k′ ) := T k δ(k −k ′ ) (268)Die Matrixelemente der Transformationsmatrix zwischen beiden Darstellungensind〈k|x〉 = √ 1 e −ikx (269)2πDie Vollständigkeitsrelation für die |k〉-Basis lautet:ˆ1 =∫ ∞−∞|k〉〈k|dk (270)Mit ihrer Hilfe können wir die zur Ermittlung der Matrixelemente des Hamiltonoperatorsin Ortsraumdarstellungnötigen Fouriertransformationenmathematischkompakt schreiben:⎧ ⎫ ⎧ ⎫⎨∫ ∞ ⎬ 〈x|Ĥ|x′ 〉 = 〈x| |k ′ 〉〈k ′ |dk ′⎩ ⎭ ˆT⎨∫ ∞ ⎬|k〉〈k|dk⎩ ⎭ |x′ 〉+V(x)δ(x−x ′ ) (271)=−∞∫ ∞ ∫ ∞−∞〈x|k ′ 〉〈k ′ |ˆT|k〉〈k|x ′ 〉dkdk ′ +V(x)δ(x−x ′ ) (272)=−∞ −∞∫ ∞〈x|k〉T k 〈k|x ′ 〉dk +V(x)δ(x−x ′ ) (273)−∞= 12π∫ ∞−∞e ik(x−x′) T k dk +V(x)δ(x−x ′ ) (274)9 C. C. Marston und G. G. Balint-Kurti, J. Chem. Phys. 91 (1989) 3571.61


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deFür die numerische Berechnung diskretisieren wir wie üblich die x-Achse zux i = i∆x , i = 1,...,N (275)Damit lauten die Matrixelemente der Hamiltonmatrix in diskreter Ortsraumdarstellung:{H ij = 1N}∑ e i2π(i−j)n/NT n +V(x i )δ ij (276)∆x Nn=−NmitT n = 2m (n∆k)2 , ∆k = 2π (277)N∆xBeachte: Diagonalisierung der Hamiltonmatrix liefert als Eigenvektoren direktdie Werte der Eigenfunktionen auf den Gitterpunkten.v = 0Beispiel: 1D-Morse-Oszillator:v = 1562


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBasissätze in mehr als einer DimensionMehrdimensionale Basis ist ein direktes Produkt aus 1D-Basen; 10analog zum direkten Produkt (Tensorprodukt, Kroneckerprodukt) von Vektoren:⎛ ⎞b 1Skalarprodukt: ⃗a·⃗b := ( a 1 a 2 a 3 )· ⎝ b 2⎠ = a 1 b 1 +a 2 b 2 +a 3 b 3 (278)b 3 ∣ ⎛ ⎞Vektorprodukt: ⃗a× ⃗ î ĵ ˆk ∣∣∣∣∣ a 2 b 3 −a 3 b 2b :=a 1 a 2 a 3 = ⎝ a 3 b 1 −a 1 b 3⎠ (279)∣ b 1 b 2 b 3 a 1 b 2 −a 2 b 1⎛ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎞direktes Produkt: ⃗a⊗ ⃗ b 1 b 1 b 1b := ⎝ a 1⎝ b 2⎠ a 2⎝ b 2⎠ a 3⎝ b 2⎠ ⎠b 3 b 3 b 3⎛ ⎞a 1 b 1 a 2 b 1 a 3 b 1= ⎝ a 1 b 2 a 2 b 2 a 3 b 2⎠ (280)a 1 b 3 a 2 b 3 a 3 b 3Eigenschaften 10 : z.B. ist die Produktbasis {|φ i (1)ψ j (2)〉 = |φ i (1)〉|ψ j (2)〉} orthonormal,wenn jede der Basen {|φ i (1)〉} und {|ψ j (2)〉} orthonormal ist:〈φ i (1)ψ j (2)|φ k (1)ψ l (2)〉 = 〈φ i (1)|φ k (1)〉〈ψ j (2)|ψ l (2)〉 = δ ik δ jl (281)Problem: Fluch der Dimensionendirektes Produkt = exponentielle Skalierung! :x x x x x x x xx x x xx x x xx x x xxxxxx x x xx x x xx x x xxx x xxx x x xxx x xxx x x xxx x xxx x x xx x x1D: 4 1 = 4 Punkte 2D: 4 2 = 16 Punkte 3D: 4 3 = 64 PunkteBeispiel: 10–100 Punkte pro Freiheitsgrad; ⇒ 1 Atom mehr bedeutet Erhöhungdes Rechenaufwands um Faktor 10 3 –10 6⇒ maximal Moleküle mit 4–5 Atomen behandelbar!10 C. Cohen-Tannoudji, B. Diu und F. Laloë: Quantum Mechanics“, Wiley, New York, 1977; Band 1,”Kap. II F und Complements G II , D III , E III , D IV63


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBanne den Fluch der Dimensionen:• Verkleinerung der direkten Produktbasis durch Kontraktion möglich: 11Ψ(R,r) = ∑ ijc ij φ i (R)χ j (r) = ∑ ia i φ i (R) ∑ jb j χ j (r) (282)– Löse zunächst das r-abhängige Unterproblem bei einem Satz vongegebenen R-Werten (z.B. DGB-Zentren oder DVR-Punkte in R);– Ersetze ∑ j b jχ j (r) (mit unbekannten b j ) durch eine Summer über dieenergetisch niedrigsten Eigenfunktionen in r;– Löse das Gesamtproblem mit der dadurch erheblich verkleinerten, neuenProduktbasis.Entscheidender Punkt: Die ”primitive“ Basis χ j (r) kann nur schwer verkleinertwerden, nach Transformation auf die Eigenfunktionen in r sinddie energetisch höheren Eigenfunktionen aber immer unwichtiger als dieenergetisch tieferen.• Vermeide die direkte Produktform: sehr viel aktuelle Forschung ...(hier nicht behandelt)• Lerne aus der elektronischen Strukturtheorie:eine exakte Behandlung (FCI/CBS) skaliert (mind.) exponentiell, aber:– Hartree-Produktansatz aus Einteilchenfunktionen → gemitteltes Einteilchenproblem;– Fehler bei Elektronen “klein”, weil nur gegeben durch 1/r 12 , also 2-Teilchen-Operator → vergleichsweise “einfach”, mit Tricks wie MP2bis CCSD(T) “Korrelation” hinzuzufügen.Problem bei Kernbewegung: viel mehr Kopplung der Koordinaten/DOFs,keine eingebaute Beschränkung auf 2-DOF-Kopplung.trotzdem wurde Hartree-Produktidee auch fürs Schwingungsproblem verwendet;mittlerweile gut etabliert:– zeitunabhängig: VSCF, VMP2, VCI, VCC,...(hier nicht behandelt)(Anwendung: z.B. Berechnung anharmonischer Schwingungsspektren)– zeitabhängig:∗ TDSCF bzw. TDH ≈ “zeitabhängiges HF” (s.u.)∗ MCTDH ≈ “zeitabhängiges CASSCF” (s.u.)11 z.B.: Z. Bačić und J. C. Light, J. Chem. Phys. 85 (1986) 4594.64


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deOrt-Zeit-Separation der zeitabhängigen SchrödingergleichungZeitabhängige Schrödingergleichung für ein Teilchen der Masse m in einerRaumdimension x:∂ 2i ∂ 2Ψ(x,t) = −∂t 2m∂x2Ψ(x,t)+V(x)Ψ(x,t) =: ĤΨ(x,t) (283)Versuche üblichen Produkt-Separationsansatz zur Trennung von x und t:Ψ(x,t) = a(t)ψ(x) (284)Einsetzen in Gl. 283 und Division durch a(t)ψ(x):i 1 da(t)= 1 (− 2 d 2 )a(t) dt ψ(x) 2mdx +V(x) ψ(x) (285)2Weil x und t unabhängige Variable sind (insbes. auch voneinander), ist dasnur erfüllbar, wenn beide Seiten gleich E = const. sind ⇒ zwei getrennteGleichungen, in x bzw. in t.Achtung: funktioniert nur, wenn Potential V unabhängig von t (oder von x)!⇒ geht nicht bei elektromagnetischen Feldern (Laser), bei (MC)TDH (s.u.),...Rechte Seite von Gl. 285 = zeitunabhängige Schrödingergleichung:d 2Ĥψ(x) = − 22mdx2ψ(x)+V(x)ψ(x) = Eψ(x) (286)Die linke Seite von Gl. 285 lautet:i da(t) = Ea(t) (287)dtDas ist eine sehr einfache Differentialgleichung zur Bestimmung von a(t) (separierbar,gewöhnlich, 1.Ordnung, linear, konstante Koeffizienten). Lösung durchSeparation (von a und t; x und t wurden oben separiert):⇒ da(t)a(t) = −iE dt (288)∫ ∫ da(t)⇒a(t) = −iE dt (289)⇒ lna(t) = − iEt +C(290)⇒ a(t) = Ae −iEt/ (291)(Der konstante Vorfaktor A = a(t = 0) kann in ψ(x) absorbiert werden.)65


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDie Zeitunabhängigkeit stationärer ZuständeHat man eine Lösung ψ(x) der zeitunabhängigen Schrödingergleichung gefunden,Ĥψ(x) = Eψ(x) (292)müßte man sie gemäß dem Separationsansatz auf eine Lösung der zeitabhängigenSchrödingergleichung erweitern:Ψ(x,t) = e −iEt/ ψ(x) (293)Diese Zeitabhängigkeit ist jedoch physikalisch folgenlos:Mittelwerte von Meßwerten sind Erwartungswerte 〈Ψ|Â|Ψ〉 von Operatoren Â:∫∞〈Ψ|Â|Ψ〉 =Ψ ∗ ÂΨdx (294)=−∞∫ ∞e iEt/ ψ ∗ (x)Âe−iEt/ ψ(x)dx (295)−∞∫∞= e i(Et−Et)/∗ψ (x)Âψ(x)dx (296)=−∞〈ψ|Â|ψ〉 (297)Das Resultat ist eine zeitunabhängige Zahl!⇒ ψ(x) (bzw. auch Ψ(x,t) in Gl. 293) ist ein stationärer Zustand:• |Ψ(x,t)| und alle Erwartungswerte〈ψ|Â|ψ〉 sind zeitunabhängig,• wiederholte Messungen von Erwartungswerten liefern immer wieder denselbenWert.In der <strong>Chemie</strong> geht es aber um zeitlich veränderliche Größen!⇒ entgegen anderen Eindrücken aus Lehrbüchern ist der SeparationsansatzΨ(x,t) = a(t)ψ(x) (298)nicht allgemein genug! Er führt nur zu stationären Zuständen, aber die meistenZustände sind nicht-stationär.(nebenbei: damit sind alle Schlußfolgerungen aus der Betrachtung stationärerZustände mit Vorsicht zu genießen. s.u.)66


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deSuperpositionszuständeUm zu zeigen, daß die trivial-zeitabhängige WellenfunktionΨ(x,t) = e −iEt/ ψ(x) (299)eine Lösung der zeitabhängige Schrödingergleichung in 1 Dimension∂ 2i ∂ 2Ψ(x,t) = −∂t 2m∂x2Ψ(x,t)+V(x)Ψ(x,t) =: ĤΨ(x,t) (300)ist, differenzieren wir Gl. 299 partiell nach der Zeit:∂∂t Ψ(x,t) = ψ(x) ∂ ∂t e−iEt/ = −iE e−iEt/ ψ(x) (301)Damit wird aus Gl. 300:i ∂ ∂t Ψ(x,t) = Ee−iEt/ ψ(x) = ĤΨ(x,t) = e−iEt/ Ĥψ(x) (302)Das ist eine Identität, sobald gilt:Ĥψ(x) = Eψ(x) (303)Genauso läßt sich jedoch zeigen, daß eine Superposition wie etwaΨ(x,t) = c 1 ψ 1 (x,t)+c 2 ψ 2 (x,t) = c 1 e −iE 1t/ ψ 1 (x)+c 2 e −iE 2t/ ψ 2 (x) (304)ebenfalls eine Lösung von Gl. 300 ist. Partielle Differentiation nach der Zeitliefert:∂∂t Ψ(x,t) = −c iE 11 e−iE 1t/ iE 2ψ 1 (x)−c 2 e−iE 2t/ ψ 2 (x) (305)Damit wird aus Gl. 300:i ∂ ∂t Ψ(x,t) = c 1E 1 e −iE 1t/ ψ 1 (x)+c 2 E 2 e −iE 2t/ ψ 2 (x) (306)was bereits erfüllt ist, wenn nur gilt:=ĤΨ(x,t) (307)= c 1 e −iE 1t/ Ĥψ 1 (x)+c 2 e −iE 2t/ Ĥψ 2 (x) (308)Ĥψ 1 (x) = E 1 ψ 1 (x) und Ĥψ 2 (x) = E 2 ψ 2 (x) (309)Die Werte der Koeffizienten c 1 und c 2 sind dabei offensichtlich belanglos.Also lautet die allgemeinste Lösung dieser Art:Ψ(x,t) = ∑ nwobei sich E n und ψ n (x) ergeben aus:c n e −iE nt/ ψ n (x) (310)Ĥψ n (x) = E n ψ n (x) (311)67


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deZeitabhängigkeit durch SuperpositionDie Eigenfunktionen ψ n (x) des hermiteschen Operators Ĥ bilden eine vollständigeBasis. Also können wir eine allgemeinere Lösung Ψ(t) der zeitabhängigenSchrödingergleichung durch Linearkombination erzeugen:Ψ(x,t) = ∑ nc n e −iE nt/ ψ n (x) = ∑ nc n a n (t)ψ n (x) (312)Betrachte Erwartungswert für einfachsten Fall:Ψ(x,t) = a 1 (t)ψ 1 (x)+a 2 (t)ψ 2 (x) mit c 1 = c 2 = 1 (313)Dann erhalten wir als Erwartungswert:〈Ψ|Â|Ψ〉 = 〈a 1ψ 1 +a 2 ψ 2 |Â|a 1ψ 1 +a 2 ψ 2 〉 (314)= 〈a 1 ψ 1 |Â|a 1ψ 1 〉+〈a 1 ψ 1 |Â|a 2ψ 2 〉+〈a 2 ψ 2 |Â|a 1ψ 1 〉+〈a 2 ψ 2 |Â|a 2ψ 2 〉(315)= a ∗ 1 a 1〈ψ 1 |Â|ψ 1〉+a ∗ 1 a 2〈ψ 1 |Â|ψ 2〉+a ∗ 2 a 1〈ψ 2 |Â|ψ 1〉+a ∗ 2 a 2〈ψ 2 |Â|ψ 2〉(316)Zwar gilt nach wie vora ∗ na n = e i(E n−E n )t/ = e 0 = 1 für n = 1,2 (317)also sind der erste und letzte Term in Gl. 316 immer noch zeitunabhängig,aber beim 2. und 3. Term haben wir:a ∗ m a n = e i(E m−E n )t/ ≠ e 0 für m = 1,n = 2 und m = 2,n = 1 (318)Also ist der Erwartungswert〈Ψ|Â|Ψ〉 zeitabhängig.Zwei kleine Fußnoten:• Diese nicht-triviale = physikalisch hoch relevante Zeitabhängigkeit kommtdurch die Vorfaktoren exp(−iE n t/) zustande, die im stationären Fallphysikalisch irrelevant waren!• Nur die Superposition a 1 (t)ψ 1 (x)+a 2 (t)ψ 2 (x) (also mit diesen Vorfaktoren!)ist eine Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung (s.o. Gln. 304 bis309), die Superposition ψ 1 (x)+ψ 2 (x) jedoch nicht!68


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deZeitabhängigkeit durch Superposition: IllustrationTeilchen im eindimensionalen Kasten (Breite a, unendlich hohe Wände):Eigenenergien und -funktionen:E n = h2 n 2√8ma2( nπ)ψ n (x) =a sin a x(319)(320)1:1-Superpositionder beiden niedrigsten Eigenfunktionen(mit ihren Zeit-Vorfaktoren!):Ψ(x,t) = √ 1 {ψ 1 (x,t)+ψ 2 (x,t)} (321)2= √ 1 ( π) ( ) } 2π{sin a a x e −iE1t/ +sina x e −iE 2t/(322)= √ 1 { (e −iE 1t/ π) ( ) } 2πsin a a x +sina x e −i(E 2−E 1 )t/(323)Der Vorfaktor exp(−iE 1 t/) ist uninteressant; physikalisch relevant ist nur derFaktor exp(−i(E 2 −E 1 )t/), der das relative Gewicht der beiden Zustände inder Superposition bestimmt. Dieser Faktor ist zeitabhängig; wir erhalten z.B.:für t = t 0 = 0 : e −i(E 2−E 1 )t 0 / = 1 (324)für t = t 1/2 =π :E 2 −E 1e −i(E 2−E 1 )t 1/2 / = e −iπ = −1 (325)Zu diesen Zeiten ergeben sich also diese Superpositionen:t = t 0 : Ψ(x,t 0 ) = 1 √2{ψ 1 (x)+ψ 2 (x)} (326)t = t 1/2 : Ψ(x,t 1/2 ) = 1 √2{ψ 1 (x)−ψ 2 (x)} (327)69


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deWir erhalten also eine zeitabhängige Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte =nicht-stationärer Zustand! Ausführlichere Berechnung ergibt folgenden Zeitverlauf:70


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDie Energie dieses Zustands ist aus Gl. 316 mit  = Ĥ berechenbar:Wegen Ĥψ n = E n ψ n und 〈ψ n |ψ m 〉 = δ mn erhalten wir (mit korrekter Normierungdes Gesamtzustands):〈Φ|Ĥ|Φ〉 = 1 2 (E 1 +E 2 ) = 1 2 E 1 + 1 2 E 2 (328)⇒ Grundpostulat der Quantenmechanik sagt: jede Einzelmessung liefert• mit 50% Wahrscheinlichkeit den Wert E 1 , und• mit 50% Wahrscheinlichkeit den Wert E 2 .Eine erneute Messung danach liefert immer wieder nur denselben Wert (Kollapsder Wellenfunktion). Diese Meßvorgänge werden nicht durch die Schrödingergleichungbeschrieben! Mit der Schrödingergleichung berechnbar sind nur dieMeßwertwahrscheinlichkeiten (hier 1/2 und 1/2).In diesem Sinne sind also• gequantelte Eigenenergien in gebundenen Potentialen die einzig erlaubten( = die einzig meßbaren);• aber die zugehörigen stationären Zustände sind nicht die einzig erlaubten.Es gibt zusätzlich eine unendliche Vielfalt weiterer Zustände, die jedoch allezeitlich veränderlich sind.Unbedingt empfehlenswert ist die interaktive Demonstration solcher Superpositionen(mit 1:1-Gewichtung, aber auch beliebigen anderen Gewichten) unter:http://www.quantum-physics.polytechnique.fr/en/index.html,dort: → ”Quantum superposition in one dimension“ → ”Superposition of twostationary states – Another view“71


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deFangfrage:Wie kommt das Teilchen im Kasten im1. angeregten Zustand von links nachrechts, über den Knoten mit |Ψ| 2 = 0hinweg?Diese Frage ist falsch gestellt!• 1. Teilantwort: (stationär, zeitunabhängig)– In stationären Zuständen gibt es keine physikalisch relevante Bewegung.– Im Gegensatz zur klassischen Mechanik ist x(t) keine zwangsläufig eindeutigeGrundgröße; stattdessen sind x und t un(!)abhängige Variablein Ψ(x,t).– Die Frage verlangt eine Antwort der Art: ”Zur Zeit t ist das Teilchensicher am Ort X und nicht am Ort Y“; eine Information dieser Artist im stationären Zustand Ψ(x,t) aber nicht enthalten. ⇒ die Frage,wie es von X nach Y kam, ist sinnlos, weil es nie nur an X und nienur an Y ist.– Das Teilchen ist “gleichzeitig(!)” an X und Y (exakter: mit Wahrscheinlichkeiten,die sich aus Ψ 2 ergeben).– Beste klassische Analogie: 1.Oberton einer rechts und links eingespanntenSaite: “Wie kommt die Schwingung von links nach rechts?”Legitime Antworten: (1) gar nicht, (2) sie ist gleichzeitig links undrechts.• 2. Teilantwort: (zeitabhängig)– In einem geeignet gewählten nicht-stationären Zustand ist das Teilchen(nahezu) sicher in der Umgebung des Ortes X und nicht in derUmgebung des Ortes Y – was sich aber mit der Zeit ändert (s.o.);– dabei können sich ggf. vorhandene Stellen mit |Ψ| 2 = 0 oder |Ψ| 2 ≈ 0mitbewegen oder erscheinen und verschwinden (s.o.);– in jedem Fall ist das nicht mehr der ursprünglich betrachtete stationäreZustand, sondern ein zeitabhängiges Wellenpaket (s.u.)72


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deWie klassisch ist quantenmechanische Dynamik?Das Ehrenfestsche Theorem besagt:Die Erwartungswerte quantenmechanischer Operatoren erfüllen diegleichen Bewegungsgleichungen wie die entsprechenden klassischen Observablenin der klassischen Beschreibung.Aus der Herleitung (siehe 〈Appendix〉) wird klar, daß dies jedoch nur gilt für• konstante, lineare oder quadratische (harmonische) Potentiale• ansonsten nur für hinreichend kurze Zeiten ( = kompakte Wellenpakete).Aber selbst in einem 1D-harmonischen Oszillator ist für kompliziertere Startwellenpaketedie Ehrenfest-Trajektorie nicht mehr hilfreich, siehe Beispiele inhttp://www.quantum-physics.polytechnique.fr/en/index.html !73


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deWellenpakete beim freien TeilchenDie Eigenfunktion eines freien Teilchens mit Impuls p lautet zeitabhängig:Ψ(x,t) = Ae −iEt/ e ipx/ = Ae i(px−Et)/ (329)Nach der Eulerschen Gleichung exp(iφ) = cosφ + isinφ lautet der Realteildieser Funktion:Re{Ψ(x,t)} = Acos{(px−Et)/} (330)Zur Zeit t = 0 ist der Realteil also eine Cosinus-Funktion (mit Maximum beix = 0); zu anderen Zeiten ist diese Cosinus-Funktion phasenverschoben:Die Position des Maximums bei t = 0,x = 0 befindet sich zu allen Zeiten ander Stelle, an der das Argument der Cosinus-Funktion Null wird:(px−Et)/ = 0 ⇒ x = Et/p (331)Dieser Punkt bewegt sich also mit der GeschwindigkeitDiese Phasengeschwindigkeit v p ist problematisch:v p = x/t = E/p (332)• sie hängt vom Nullpunkt der Energieskala ab; tatsächlich kann sie sogargrößer als die Lichtgeschwindigkeit werden;• sie hat keine physikalische Bedeutung: die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichteist immer noch zeitunabhängig:|Ψ(x,t)| 2 = A 2 |exp{i(px−Et)/}| 2 = A 2 e 0 = A 2 (333)74


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deWie beim Teilchen im Kasten, erhalten wir auch hier erst dann zeitabhängigeAufenthaltswahrscheinlichkeiten, wenn wir Linearkombinationen aus mehrerenstationären Zuständen bilden. Im einfachsten Fall der Überlagerung von nurzwei stationären Zuständen erhalten wir:{}Ψ(x,t) = A e i(p 1x−E 1 t)/ +e i(p 2x−E 2 t)/(334)= 2Ae i[(p 1+p 2 )x−(E 1 +E 2 )t]/2 cos{[(p 1 −p 2 )x−(E 1 −E 2 )t]/2}(335)Das Bild zeigt den Realteil bei t = 0 mit der schnellen Oszillation der Exponentialfunktion(p 1 +p 2 )/2 = 2 und der langsamen des Cosinus (p 1 −p 2 )/2 = 0.1:Die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte ist zeitabhängig:|Ψ(x,t)| 2 = 4A 2 cos 2 {[(p 1 −p 2 )x−(E 1 −E 2 )t]/2} (336)Der Punkt, für den das Argument des Cosinus Null wird, liegt bei:(p 1 −p 2 )x−(E 1 −E 2 )t = 0 ⇒ x = E 1 −E 2p 1 −p 2t (337)Also bewegt sich das Wellenpaket mit der Gruppengeschwindigkeitv g = x t = E 1 −E 2= ∆Ep 1 −p 2 ∆p(siehe auch: http://www.chem.unifr.ch/ma/dir_allan/SuperWave.html)(338)Ein klassisches Teilchen der Masse m, das sich mit Geschwindigkeit v bewegt,hat die kinetische EnergieE = 1 2 mv2 = p22mDaraus ergibt sich die Geschwindigkeit v durch:p 2(339)dEdp = d dp2m = 2p2m = mvm = v (340)Das Wellenpaket bewegt sich also mit der Geschwindigkeit eines klassischenTeilchens (keine Überraschung: s.o. Ehrenfest!)Realistische Wellenpakete ergeben sich erst bei Überlagerung vieler stationärerZustände:75


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deEin repräsentativer Grenzfall ist das Gaußsche Wellenpaket:Ψ(x,t = 0) =Ψ(x,t) =√ ∫∞a(2π) 3/4−∞−∞e −a2 4 (k−k 0) 2 e ikx dk =( 2πa 2 )e ik 0x e −x2 /a 2 (341)√ ∫∞ae −a2(2π) 3/4 4 (k−k 0) 2 e i[kx−E(k)t/] dk (342)Man kann zeigen 12 , daß die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte |Ψ(x,t)| füralle Zeiten t eine Gaußfunktion ist, mit Zentrum bei x = v 0 t, wobei dieGruppengeschwindigkeit (s.u.) gegeben ist durch v g = v 0 = k 0 /m. Die Breitedieses Gauß-Wellenpakets ändert sich jedoch mit der Zeit:12 C. Cohen-Tannoudji, B. Diu und F. Laloë:complement G I .Quantum Mechanics“, Wiley, New York, 1977; Band 1,”76


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deWellenpakete in verschiedenen Potentialenhttp://www.fen.bilkent.edu.tr/∼yalabik/applets/t_d_quant.html zeigtzeitabhängige Wellenpakete in vom Benutzer per Maus gezeichneten Potentialen.Harmonischer OszillatorÜberlagerung von H.O.-Eigenfunktionen mit gaußverteilten Koeffizienten erzeugtein Gaußpaket mit selber Form wie (n = 0)–Grundzustand, aber zeitabhängigerZentrums-Position. Dieses Gaußpaket bleibt für alle Zeiten gaußförmig; diePosition des Zentrums oszilliert mit der Frequenz des klassischen Oszillators.Veränderbare Animation:http://www.chem.unifr.ch/ma/dir_allan/SuperWave.html77


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dePotentialbarrierenicht-klassischer Effekt: ein Teil des Pakets wird reflektiert, ein Teil bewältigtdie Potentialstufe. Grund: Das Paket ist kein Zustand einer einzigen Energie,sondern aus vielen Zuständen eines breiten Energiebereichs zusammengesetzt.Animationen in 2D und 3D:http://newton.phy.bme.hu/education/schrd/index.html78


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDoppelminimumpotentialLinearkombination der beiden niedrigsten Eigenfunktionen ergibt ein zwischenbeiden Minima oszillierendes Paket:Diese Oszillation ist umso schneller, je größer die Tunnelaufspaltung zwischenden beiden stationären Niveaus ist, bzw. je ”durchlässiger“ (niedriger, schmaler)die Barriere zwischen den Minima ist.Chemischer Bezug: Isomerisierung (Ammoniak, usw.)79


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deFußnote:Unter http://www.quantum-physics.polytechnique.fr/en/index.html gibtes dazu eine provokante Animation: → ”Quantum superposition in one dimension“→ ”NH3 oscillations“.In Analogie zum obigen Sketch wird dort behauptet:• Beim Tunneln eines links in einem Doppelminimum lokalisierten Zustandsdurch die Barriere nach rechts ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in derBarriere nie sehr groß (faktisch geht sie bei sehr hohen und/oder breitenBarrieren im Inneren gegen Null).• Daher sei ein Tunneln der H-Atome im NH 3 von einem pyramidalenMinimum ins andere nicht als kontinuierliche ”Umklapp-Bewegung“ zuverstehen, sondern als ein Verschwinden auf der einen und ein Auftauchenauf der anderen Seite.• Die Verallgemeinerung auf andere Tunnelprozesse wird nicht gemacht, aberman könnte versucht sein, diesen falschen Schluß zu ziehen.Richtiger ist jedoch:• Tunneln durch ”Verschwinden auf der einen und Wiederauftauchen auf deranderen Seite“ ist tatsächlich in exotischen Spezialfällen möglich, z.B.dann, wenn der Anfangszustand eine Superposition eines ”gerade“/ ”ungerade“-Zustandspaares ist und keine anderen Komponenten enthält. Wie im Beispielvon Gl. 321 ff. setzt sich dann die gesamte Zeitentwicklung additivaus diesen beiden Zuständen (mit ihren Zeitvorfaktoren) zusammen. Sinddiese beiden Zustände in der Barriere nicht signifikant von Null verschieden,kann auch die Gesamtwellenfunktion Ψ(x,t) dort nie signifikant verschiedenvon Null sein:6543210-4 -2 0 2 480


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de6543210-4 -2 0 2 46543210-4 -2 0 2 46543210-4 -2 0 2 46543210-4 -2 0 2 46543210-4 -2 0 2 481


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de• Im Regelfall sind Wellenpakete aus mehr Komponenten zusammengesetztund enthalten auch Anteile von Eigenzuständen, die energetisch über derBarriere liegen und damit in der Barriere signifikant verschieden vonNull sind. Das dann stattfindende Tunneln ist kein Verschwinden undWiederauftauchen, sondern entspricht viel eher dem erwarteten ”räumlichkontinuierlichen“ Verhalten:6543210-4 -2 0 2 46543210-4 -2 0 2 46543210-4 -2 0 2 46543210-4 -2 0 2 4Ende der Fußnote82


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dePotentialtopf mit dünnen Wänden: ResonanzenEin Teil des Pakets wird reflektiert, ein Teil ”geht durch“ (per Tunneln und/oderüber die Barrieren). Wenn die mittlere Energie des Wellenpakets nahe einerResonanz liegt (Eigenenergie eines quasi-gebundenen Zustands im Potentialtopf),bleibt ein Teil des Pakets temporär im Topf gefangen, mit einer Form nahedem entsprechenden Eigenzustand eines Teilchens im Kasten.Dieser Fall ist der voreingestellte Standardfall im Applethttp://www.fen.bilkent.edu.tr/∼yalabik/applets/t_d_quant.html83


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deLösung der zeitabhängigen Schrödingergleichungs.o.: Diese SuperpositionΨ(x,t) = ∑ nc n e −iE nt/ ψ n (x) = ∑ nc n a n (t)ψ n (x) (343)mit den stationären(!) Eigenfunktionen ψ n (x) ausĤψ n (x) = E n ψ n (x) (344)ist bereits eine Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung!(wie allgemein sie ist: s.u.!)Praxisprobleme dabei:• vollständige Sätze von Eigenfunktionen vonunendlich viele FunktionenĤ enthalten typischerweise• und bei realen chemischen Systemen meist auch ungebundene Funktionenmit kontinuierlichem ( ”unendlich dichtem“) Eigenwertspektrum.⇒ Gln. 343,344 sind keine geeignete Standardstrategie zur Lösung der zeitabhängigenSchrödingergleichung!Trotzdem gilt: Wenn in gewissen Ausnahmefällen• alle(!) Eigenfunktionen schon berechnet wurden• oder Zeitverhalten nur im begrenzten Unterraum weniger (schon vorliegender)Eigenzustände gewünscht ist (surface hopping!)dann ist obige Strategie sinnvoll und evtl. sogar optimal (weil sehr einfach!).Sonst: andere,“direktere”Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung nötig!84


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deLösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung: ÜbersichtWenn der Hamiltonoperator Ĥ explizit zeitunabhängig ist, kann die zeitabhängigeSchrödingergleichungi ∂ Ψ(t) = ĤΨ(t) (345)∂tunter Ignorierung der Ortsabhängigkeit von Ψ direkt und einfach integriertwerden 〈Appendices Operatoralgebra und Propagator〉, mit dem Resultat:Ψ(t) = e −iĤt/ Ψ(t = 0) (346)Diese Gleichung definiert formal einen neuen Operator, den (Zeit-)Propagator:Ψ(t) = Û(t,t 0)Ψ(t 0 ) mit Û(t,t 0 ) = e −iĤ(t−t 0)/(347)Wenn das Eigenwertproblem für Ĥ vollständig gelöst wäre, könnte man denPropagator in der Basis der Eigenfunktionen |ψ i 〉 zu den Eigenwerten E idarstellen (vgl. oben, und siehe 〈Appendix〉):Û(t,t 0 ) = ∑ ie −iE i(t−t 0 )/ |ψ i 〉〈ψ i | (348)wodurch das Zeitpropagationsproblem gelöst wäre. Da dies in der Praxis seltenmachbar ist, muß man andere Möglichkeiten finden, den Propagator auszudrücken.Dabei ist manchmal der infinitesimale Propagator Û(t+dt,t) hilfreich= erste beide Terme der Taylorreihe der Exponentialfunktion in Gl. 347:Û(t+dt,t) = ˆ1−iĤ(t)dt(349)Der infinitesimale Propagator ist für infinitesimale Zeitschritte dt exakt. Mankann zeigen, daß Û(t+dt,t) und damit auch Û(t,t 0) unitär sind; notwendig,damit Norm von Ψ bei Propagation erhalten bleibt. 〈Appendices〉Wenn Ĥ explizit zeitabhängigist, wird der Formalismuskomplizierter〈Appendices〉;eine iterative Lösung der sich ergebenden Integralgleichung liefert die formaleLösung 13 ⎧ ⎡ ⎤⎫Û(t,t 0 ) = ˆT⎨⎩ exp ⎣− i ∫ t ⎬Ĥ(t ′ )dt ′ ⎦ (350) ⎭t 0mit dem Zeitordnungsoperator ˆT. Diese ist für uns wenig hilfreich. Einige derunten eingeführten Propagationsalgorithmen bleiben aber anwendbar.13 E. Fick: Einführung in die Grundlagen der Quantentheorie“, Aula-Verlag, Wiesbaden, 1968/1988, Kapitel”3.5.7; A. L. Fetter und J. D. Walecka: Quantum theory of many-particle systems“, McGraw-Hill,”New York, 1971, Kapitel 3.685


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dePropagation mit finiten DifferenzenGrundidee: diskretisiere den infinitesimalen PropagatorNaive Diskretisierung des infinitesimalen Propagators zuresultiert in der PropagationsvorschriftÛ(t+∆t,t) ≈ ˆ1− i ∆tĤ (351)Ψ(t+∆t) = Ψ(t)− i ∆tĤΨ(t) (352)Dieses Schema ist numerisch instabil und verletzt die Zeitumkehrsymmetrie.Ein besseres Verfahren resultiert aus folgendem Trick: Wir betrachten einenVorwärts- und einen Rückwärts-Propagationsschritt:Ψ(t+dt) =Ψ(t−dt) =Die Differenz dieser beiden Gleichungen ist:Ψ(t+dt)−Ψ(t−dt) =Naive Diskretisierung liefert jetzt:Û(t+dt,t)Ψ(t) (353)Û(t−dt,t)Ψ(t) (354)[Û(t+dt,t)−Û(t−dt,t)]Ψ(t) (355)= [ˆ1− i dtĤ −(ˆ1+ i dtĤ)]Ψ(t) (356)= −2 i dtĤΨ(t) (357)Ψ(t+∆t) = Ψ(t−∆t)−2 i ∆tĤΨ(t) (358)Dieselbe Vorschrift resultiert auch, wenn man in der zeitabhängigen Schrödingergleichungdie Zeitableitung durch eine geeignete finite-Differenzen-Formelersetzt:∂ Ψ(t+∆t)−Ψ(t−∆t)Ψ(t) ≈ (359)∂t 2∆tDas resultierende Schema Gl. 358 heißt second order differencing (SOD). DerFehler ist von der Ordnung (∆t) 3 .Besonderheit von SOD: Norm und Energie sind nicht im üblichen Sinn Erhaltungsgrößen;stattdessen gilt:〈Ψ(t−∆t)|Ψ(t)〉 = 〈Ψ(t)|Ψ(t−∆t)〉 ≈ const. (360)〈Ψ(t−∆t)|Ĥ|Ψ(t)〉 ≈ const. (361)Andere Matrixelemente sind auf dieselbe Weise zu bilden.Schemata höherer Ordnung wurden vorgeschlagen, haben sich aber in der Praxisgegenüber anderen Propagationsmethoden nicht durchsetzen können.86


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.desplit operator (SPO)Grundidee: Vereinfache den Gesamt-Propagator durch Aufspaltung in Teil-Terme,die für sich genommen einfacher zu behandeln sind.Der exakte PropagatorÛ(t) = e −iĤt/ = e −i(ˆT+ˆV)t/(362)ist von der Form exp[λ(Â+ ˆB)], wobei die Operatoren  und ˆB nicht kommutieren⇒ Eine Trennung dieser Terme in exp[λÂ]exp[λˆB] ist nicht exakt, abertrotzdem wünschenswert, da sie oft unterschiedlich behandelt werden (siehez.B. FFT-Methode).Einfachste Näherung (mit λ = −i∆t/): first-order splittingBesser: second-order splittinge λ(Â+ˆB) = e λÂe λˆB + 1 2 [Â, ˆB]λ 2 +O(λ 3 ) (363)e λ(Â+ˆB) = e λÂ/2 e λˆB e λÂ/2 + 124 [Â+2ˆB,[Â+ ˆB]]λ 3 +O(λ 4 ) (364)Aufspaltung höherer Ordnung wurden als effizienter vorgeschlagen, werden abernicht allgemein verwendet. 14Verwendungsstrategie: Jeder Term der Form exp(λÔ) wird in einer Darstellungberechnet, in der er diagonal ist ⇒ Bildung der Exponentialfunktion ist danntrivial. Aber: Schnelle Transformationen zwischen den Darstellungen nötig!Praxis-Probleme:• ˆx und ˆp x sind niemals gleichzeitig diagonal ⇒ split-operator ist nichtanwendbar für Hamilton-Operatoren, die gemischte Terme des Typs ˆxˆp xenthalten.• Propagationauf mehreren elektronischen Potentialflächenin (nicht-diagonaler)diabatischer Darstellung erfordert zusätzliche Transformationen zur (diagonalen)adiabatischen Darstellung und zurück.14 bei Physikern heißen solche Aufspaltungen “Trotter factorization”, bei Mathematikern “Strang splitting”.87


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deshort iterative Lanczos (SIL)Grundidee: Propagation durch Diagonalisierung, jedoch• nur in einer kleinen Basis ⇒ gut nur für kurzen Zeitschritt;• Basisfunktionswahl so, daß Diagonalisierung einfach.Die Taylorreihen-Entwicklung des Propagators lautet:p−1exp(−iĤt/)Ψ(x,t = 0) ≈ ∑=k=0p−1(−it/) kĤ k Ψ(x,t = 0) (365)k!∑ (−it/) kψ k (x) (366)k!Die Vektoren {ψ k } = {Ψ,ĤΨ,Ĥ2 Ψ,...} spannen den sogenannten Krylov-Raumauf. Sie sind i.A. nicht orthogonal aber linear unabhängig, wenn Ψ(x,t = 0)eine Linearkombination von wenigstens p exakten Eigenfunktionen von Ĥ ist.Ausgehend von den Startvektorenkann man mit der Lanczos-Iterationk=0φ −1 = 0 , φ 0 = Ψ(t) (367)β n+1 φ n+1 = (Ĥ −α n)φ n −β n φ n−1 (368)wobei α n = 〈φ n |Ĥ|φ n〉 , β n = 〈φ n−1 |Ĥ|φ n〉 (369)einen Satz {φ k } orthonormaler Basisvektoren erzeugen, die denselben Unterraumwie die Funktionen {ψ k } aufspannen und in denen die Hamiltonmatrixtridiagonal ist: ⎛⎞α 0 β 0 0 ··· 0 0β 0 α 1 β 1 ··· 0 00 β 1 α 2 ··· 0 0H =(370). . .... . .⎜⎟⎝ 0 0 0 ··· α p−2 β p−2 ⎠0 0 0 ··· β p−2 α p−1Tridiagonale Matrizen sind besonders leicht und schnell diagonalisierbar.Die resultierenden Eigenwerte und -vektoren werden verwendet, um Ψ(x,t) biszur Zeit t + τ zu propagieren. τ kann aus der Forderung bestimmt werden,daß der Koeffizient der letzten Basisfunktion φ p−1 einen vorgegebenen, kleinenWert nicht überschreiten soll.Von diesem Punkt Ψ(x,t+τ) wird dann die Prozedur neu gestartet.88


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deChebyshevGrundidee: Optimale, explizite Reihenentwicklung des Propagators.Die Approximation des Propagators durch eine endliche Reihe von PolynomenP n lautet allgemein:exp(−iĤt/) ≈ N∑Für Chebyshev-Polynome der 1. Art istna n P n (−iĤt/) (371)• der maximale Fehler der Näherung minimal, im Vergleich zu anderenPolynomen;• der Fehler im Intervall gleichmäßig verteiltEs erweist sich als günstig, nicht die normalen Chebyshev-Polynome zu verwenden,T n (x) = cos(n arccosx) , T n (cosθ) = cos(nθ) (372)die orthogonal zur Gewichtsfunktion (1−x 2 ) −1/2 sind,∫ 1−1T n (x)T m (x)dx√1−x2sondern die komplexen Chebyshev-Polynome= 0 , n ≠ m (373)φ n (ω) = i n T n (−iω) , ω ∈ [−i,i] (374)89


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deUm mit diesen Polynomen φ n (ω) den Propagator exp(−iĤt/) entwickelnzu können, müssen wir den Hamilton-Operator Ĥ von seinem eigentlichenEigenwertspektrum [E min ,E min +∆E] auf das Intervall [−1,1] skalieren:Ĥ norm = Ĥ −(∆E/2+E min)ˆ1∆E/2(375)Damit lautet nun die Entwicklung:Ψ(t) ≈ exp{−i(∆E/2+E min )t/}N∑a n (∆Et/2)φ n (−iĤnorm)Ψ(t = 0) (376)n=0Die Chebyshev-Polynome können einfach über ihre Rekursionsbeziehung berechnetwerden:φ n+1 = −2iĤnormφ n +φ n−1 (377)Diese Rekursion beginnt mitφ 0 = ˆ1 , φ 1 = −iĤnorm (378)Beachte: In diese Beziehungen geht die Propagationszeit t nicht ein, sie erfordernaber die meiste Rechenzeit.Die Entwicklungskoeffizienten a n werden wie üblich durch Projektion der zuentwickelnden Größe (hier: des Propagators, in der skalierten Koordinate ω)auf die Entwicklungsfunktionen (hier: die Chebyshev-Polynome). Das dabeientstehende Integral kann analytisch gelöst werden:a n (∆Et/2) ==∫ i−iexp(i∆Eωt/2)φ n (ω)dω√1−ω2{ 2Jn (∆Et/2) , n > 0J n (∆Et/2) , n = 0(379)(380)wobei die J n die üblichen Besselfunktionen 1. Art sind.90


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deFür festes Argument β klingen die Besselfunktionen J n (β) exponentiell ab,sobald n > β ⇒ die Länge N der Entwicklung kann abgeschätzt werden ausN ∆Et/2 (381)und verändert sich nicht stark mit dem Genauigkeitsanspruch ( ”Alles-oder-Nichts“-Verhalten). Im Bild: J n (β) als Funktion von n, für β = 100. Beachteauch: oszillatives Verhalten für β < 100 ⇒ n < β ist i.A. noch nicht einmaleine mäßig gute Approximation.Durch diese Chebyshev-Entwicklung erhält man die Wellenfunktion Ψ zunächstnur zur Propagations-Endzeit t, ohne Informationen zwischen t 0 und t. Durcheinfache und schnelle Neuberechnung der Entwicklungskoeffizienten a n nach Gl.380 für andere, intermediäre Zeiten und erneute (teilweise) Aufsummierung derReihe (unter Verwendung der bereits vorher berechneten Chebyshev-Polynome)ist Ψ jedoch auch zu dazwischenliegenden Zeiten zugänglich.Taylor-Propagation(...noch zu ergänzen ...)91


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deSymplektische PropagatorenIn einer Orthonormalbasis (FBR, DVR,...) lautet die zeitabhängige Schrödingergleichung:Per ad-hoc-Definition zweier Hilfsvektoreni d c(t) = Hc(t) (382)dtq(t) = √ 2Rec(t) , p(t) = √ 2Imc(t) (383)und einer Hilfsfunktion H (die dieselbe Form hat wie die klassisch-mechanischeHamiltonfunktion für gekoppelte harmonische Oszillatoren)H(q,p) = 12 (pT Hp+q T Hq) = 12∑H ij (p i p j +q i q j ) (384)kann man die quantenmechanische Bewegungsgleichung Gl. 382 formal genausoaussehen lassen wie die Hamiltonsche Form der klassisch-mechanischen Bewegungsgleichungen:15ijddt q(t) = ∂ H(q,p) = Hp∂p(385)ddt p(t) = − ∂ H(q,p) = −Hq∂q(386)In der Approximation finiter Differenzen lauten diese Gleichungen:p i = p i−1 −b i ∆tHq i−1 (387)q i = q i−1 +a i ∆tHp i (388)für i = 1,2,...,m. Durch Vergleich mit dem exakten Propagator kann mandie Koeffizienten a i ,b i so bestimmen, daß nach m Iterationen q m und p mApproximationen an q(t + ∆t) und p(t + ∆t) sind, mit einem Fehler derOrdnung O(∆t n+1 ), mit vielen unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten für m,n 16(Symplektizität ist verwandt mit Unitarität, erstere ist eine notwendige abernicht hinreichende Bedingung für letztere. Faktisch ist es trotz der Freiheitenbei der Koeffizientenwahl a i ,b i nicht möglich, symplektische Propagatoren exaktunitär zu machen.)15diese erfüllen gewisse Erhaltungsbedingungen im Phasenraum, wofür wiederum die Erfüllung dersogenannten symplektischen Bedingung notwendig und hinreichend ist, siehe Physik-Lehrbücher übertheoretische klassische Mechanik.16 viele Varianten in S. K. Gray und D. E. Manonopoulos, J. Chem. Phys. 104 (1996) 7099.92


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deMethodenvergleichFehlerverhalten SODFehlerverhalten SPOPhasenfehler gegen AufwandFehler gegen Aufwand(m = x: bestimmte Varianten symplektischer Integratoren;SLF: symplectic leap-frog, ein symplektischer ”Billig-Integrator“;SO = SPO; CH = Chebyshev)93


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deMethodenvergleichSOD• einfachstes Schema, sehr einfach zu programmieren• etwas aus der Mode; besser und ebenso einfach: symplektische Propagatorensymplektische Propagatoren• einfach aber zuverlässig; modern• viele Varianten → Auswahl ggf. schwierigsplit operator• immer noch einfach zu programmieren; bis auf:• Matrix-Exponentiation, braucht Darstellungswechsel• robust• in einigen der größten Rechnungen gebraucht (6D, Zhang)Lanczos• schwieriger zu programmieren• Probleme mit numerischen Ungenauigkeiten an einigen Stellen möglichChebyshev• schwierig zu programmieren:– subroutine für Besselfunktionen– korrekte Skalierung vonĤ und Rück-Skalierung der Resultate– Neuberechnung von Koeffizienten für intermediäre Zeiten• ”alles oder nichts“:– nicht möglich: weniger genaue Resultate mit weniger Aufwand– alle(!) Eigenwerte (auch ”uninteressante“ oder gar ”störende“) müssenin das Intervall [−1,+1] skaliert werden, sonst wird das Schema instabil• trotzdem: theoretisch die beste und effizienteste Methode!94


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deKomplexe absorbierende PotentialeDie zeitabhängige Schrödingergleichungi ∂Ψ(t)∂t= ĤΨ(t) (389)hat bei gegebener Anfangsbedingung Ψ(t = 0) und explizit zeitunabhängigemHamiltonoperator Ĥ = ˆT + ˆV die formale LösungΨ(t) = Û(t,0)Ψ(0) mit Û(t,0) = exp(−iĤt/) (390)Wir addieren nun zum HamiltonoperatorĤ ein rein imaginäres Potential:Ĥ mod = Ĥ −iŴ = ˆT +ˆV(R)−iŴ(R) (391)Da ˆT und Ŵ nicht kommutieren, machen wir jetzt einen Fehler der Größenordnungexp([ˆT,Ŵ]), schreiben aber trotzdem zur Anschauung:Û mod ≈ exp(−iĤt/)exp(−Ŵ(R)t/) (392)Daraus sehen wir: Bei Propagation mit diesem modifizierten Hamiltonoperatorwird die Wellenfunkton Ψ(R,t) im dem Bereich, in dem Ŵ(R) verschieden vonNull und positiv ist, mit der Zeit immer kleiner; numerisch bis zum völligenVerschwinden.Beachte: Ĥ mod ist nicht hermitesch ⇒ Ûmod ist nicht unitär ⇒ Norm von Ψbleibt nicht erhalten (sonst könnte Ψ auch nicht verschwinden).Beschränke W(R) auf Gitterende = ”auslaufende Randbedingungen“: Vorteile:• endliche Gitter (bzw. quadratintegrable Basisfunktionen) verwendbar; keineArtefakte durch Reflexionen bzw. Potentialsprünge am Gitterende;• uninteressante Reaktionskanäle können ausgeblendet werden.Nachteile:• Ĥmod ist nicht hermitesch ⇒ ggf. andere Numerik;• man kann abstrakt beweisen, daß es ein Ŵ gibt, das Ψ vollständig absorbierenkann, aber dieses exakte Ŵ ist nicht-lokal, energieabhängig und inseiner Form unbekannt. Reale Ŵs sind also immer nur Näherungen undabsorbieren nicht vollständig.95


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dekein absorbierendes PotentialV(x)Ψ(t=0)Norm = 1.0Norm = 1.0Ψ(t=0)Norm = 1.0Norm = 1.096


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deideale AbsorptionNorm = 1.0imag.Pot.Norm = 1.0Norm = 0.49Norm = 5 * 10 −1297


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deimaginäres Potential zu steilNorm = 1.0imag.Pot.Norm = 1.0Norm = 0.88Norm = 0.09898


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deForm von absorbierenden Potentialen: einfache rein imaginäre und lineareFormen:R−R absW(R) = −ia I x = −ia I mit ∆R = R max −R abs (393)∆Rkönnen bereits mindestens 99% der Anteile des Wellenpaktes mit TranslationsenergienE t im folgenden Bereich absorbieren: 17(a I /d) 2/3 ≤ E t ≤ (da I ) 2 mit d = (2µ R / 2 ) 1/2 (∆R)/10 (394)Probleme und Lösungen:• Anfangssteigung sollte Null sein, sonst Reflexion; Endwert a I muß trotzdemgroß genug bleiben → verwende bessere funktionale Formen wie etwab×exp(−c/x)• Für Form von Gl. 393 kann die Bedingung Gl. 394 erfüllt werden, wenn∆R größer als die de-Broglie–Wellenlänge bei E t ist:∆R ≥ (5/π)λ mit λ = h/(2µ R E t ) 1/2 (395)Mit den notwendigerweise in der Praxis begrenzt breiten absorbierendenPotentialen sind also paradoxerweise die langsamen Wellenpaketkomponenten(mit großem λ) schwierig zu absorbieren; gerade diese können aberbesonders interessant sein (Langlebigkeit, Schwellenphänomene). → Abhilfe:addiere ein negatives, reales Potential ähnlicher Form, das die langsamenKomponenten innerhalb des absorbierenden Potentials beschleunigt, so daßsie vom imaginären Teil doch noch absorbiert werden können:W(R) = −a R e −c Rx −ia I e −c Ix(396)17 D. Neuhauser und M. Baer, J. Chem. Phys. 90 (1989) 4351; M. S. Child, Mol. Phys. 72 (1991)89; T. Seideman und W. H. Miller, J. Chem. Phys. 96 (1992) 4412.99


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDynamik jenseits der Born-Oppenheimer-Approximation• Zeitpropagation auf nur einer Potentialfläche ist eine Näherung; gerechtfertigtwenn die nicht-adiabatischen Kopplungsterme ˆT mn(R) ′ ′′und ˆT mn(R)klein sind.• Propagation auf einigen wenigen Potentialflächen ist gerechtfertigt, wennderen elektronische Eigenfunktionsanteile zusammen den größten Teil derelektronischen Gesamtfunktion ausmachen.(siehe Born-Oppenheimer-Separation und -Näherung). Wechselwirkung mit elektromagnetischenFeldern (Laser usw.) führt ebenfalls zu Kopplungen zwischenPotentialflächen.Die Potentialflächen entsprechen den elektronischen Eigenfunktionen ⇒ in dieseradiabatischen Darstellung ist der Potentialterm des Kern-Hamiltonoperatorsdiagonal. Gleichzeitig ist durch die kinetischen Kopplungsterme ˆT mn ′ (R) undˆT mn(R) ′′ der Term der kinetischen Energie nicht-diagonal.Ergebnisse elektronischer Strukturrechnungen fallen üblicherweise in dieser adiabatischenDarstellung an, da dort der elektronische Hamiltonoperator diagonalisiertund elektronische Eigenenergien und -funktionen berechnet werden.Beispiel: LiF (zweiatomiges Molekül, nicht der LiF-Kristall)100


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deEinschub: NichtüberkreuzungsregelAdiabatische Potentialflächen gleicher Symmetrie dürfen sich nicht kreuzen,sondern bilden höchstens sog. vermiedene Kreuzungen aus; Flächen verschiedenerSymmetrie oder diabatische Flächen dürfen sich kreuzen. (Begründung: sieheoben 2-Zustands-Problem)⇒ eine von mehreren möglichen Situationen: Bei wenigen, bestimmten Konfigurationenhat das Molekül eine höhere Symmetrie als bei den (meisten) anderen.In der Situation höherer Symmetrie gibt es mehr Symmetrierassen, die in denSituationen niedrigerer Symmetrie zu (deutlich) weniger Symmetrierassen kollabieren.⇒ In der Situation höherer Symmetrie können sich Potentialflächenkreuzen, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft im Konfigurationsraum nichtmehr kreuzen dürfen = konische Durchschneidung:Elektronische Desaktivierungsprozesse (z.B. nach Photo-Anregung) verlaufenbevorzugt über konische Durchschneidungen.101


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deÜbergang adiabatische → diabatische DarstellungEng lokalisierte, starke Variation von ˆT mn(R) ′ ′′und ˆT mn(R) mit R (wie u.a. beikonischen Durchschneidungen) ist für Dynamik ungünstig.⇒ Übergang zur diabatischen Darstellung. Das ist eine geeignete Linearkombinationder (adiabatischen) elektronischen Eigenfunktionen. ⇒ Potentialtermnicht-diagonal! Dazu fordern wir∂Ψ∂R = 0 oder ∂Ψ= min. (397)∂RDadurch minimieren wir die nicht-adiabatischen, kinetischen KopplungstermeˆT mn ′ ′′(R) und ˆT mn (R) (siehe Definition) ⇒ kinetischer Energieterm wird imIdealfall diagonal. Gleichzeitig wird dadurch sichergestellt, daß die diabatischenZustände ihren elektronischen Charakter nicht abrupt ändern, sondern i.A. überden ganzen Koordinatenbereich beibehalten.Diese Darstellungen sind theoretisch völlig äquivalent. In der Praxis zeigenaber die (Potential-)Kopplungen der diabatischen Darstellung eine einfachere,glattere Ortsabhängigkeit als die (kinetischen) Kopplungen der adiabatischenDarstellung.Beachte: Die adiabatische Darstellung ist immer wohldefiniert; die diabatischeaber nicht (außer für 2-atomige Moleküle).102


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDiabatisierung am 2-Zustands-Beispiel LiF:Die adiabatischen, elektronischen Wellenfunktionen Ψ ad1,2der diabatischen Funktionen Ψ d 1,2 (oder umgekehrt):sind LinearkombinationΨ ad1 = cosα(R)Ψ d 1 −sinα(R)Ψ d 2 (398)Ψ ad2 = sinα(R)Ψ d 1 +cosα(R)Ψd 2 (399)Dies kann man auch als Matrix-Vektor-Gleichung mit einer unitären TransformationsmatrixU schreiben:( ) ( )( )Ψad1 cosα(R) −sinα(R) ΨdΨ ad =12 sinα(R) cosα(R) Ψ d (400)2In diesem Spezialfall kann man U durch Diagonalisierung der Dipolmatrixerhalten: ( µd11 0)( µ= U † ad11 µ ad12µ ad21 µ ad22)U (401)0 µ d 22und erzeugt dabei einen diabatischen Zustand mit möglichst großem Dipolmoment(den ionischen) und einen mit möglichst kleinem (den kovalenten).Mit der dabei gewonnenen Transformationsmatrix U kann man dann aus denadiabatischen Potentialen die diabatischen Potentiale und Kopplungen erzeugen:( Vd11 V d12)= U † (E1 (R) 00 E 2 (R))U (402)V21 d V22dAlternativ kann man aus der Annahme, daß die diabatischen Wellenfunktionenorthogonal sind, 〈Ψ d i |Ψd j 〉 = δ ij, und der Forderung, daß sie sich mit der Geometrienicht ändern sollen, ∂Ψ d i /∂R = 0, einen Zusammenhang zwischen demunbekannten Mischungswinkel α und den nicht-adiabatischen Kopplungsmatrixelementenherleiten 〈Appendix〉:〈Ψ ad1 | ∂∂R |Ψad 2 〉 = ∂α(R)(403)∂RAusgehend von einer geeigneten Referenzgeometrie R 0 (an der man z.B. dieadiabatischen und die diabatischen Zustände gleich setzen kann), kann mandamit den Mischungswinkel an allen Koordinaten R durch Integration dernicht-adiabatischen Kopplungsmatrixelemente erhalten:∫ Rα(R) = α(R 0 )+ 〈Ψ ad1 | ∂∂R |Ψad 2 〉dR (404)R 0Bei mehr als zwei elektronischen Zuständen gelten diese einfachen Beziehungennicht mehr und man muß kompliziertere, näherungsweise Prozeduren zur Diabatisierungverwenden. Diese können die Forderung ∂Ψ d i /∂R = 0 nicht exaktrealisieren. Daher sind diabatische Darstellungen in der Praxis eine Näherung;und diese kann mehr oder weniger gut sein.103


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dePropagation auf mehreren PotentialflächenFür zwei gekoppelte Zustände lauten die Propagationsgleichungen im adiabatischenFall 〈Appendix〉:i ∂ ∂t χ 1 = ˆT N χ 1 +i ∂ ∂t χ 2 = ˆT N χ 2 +2∑m=12∑n=1[ ]2ˆT m,1 ′ ′′+ ˆT m,1 χ m +E 1 (R)χ 1 (405)[2ˆT ′ 1,n+]′′ ˆT 1,n χ n +E 2 (R)χ 2 (406)Kopplungen zwischen den adiabatischen Potentialflächen erscheinen also in derkinetischen Energie, während die potentielle Energie diagonal ist.In der diabatischen Darstellung erhält man 〈Appendix〉:i ∂ ∂t χ 1 = ˆT N χ 1 +V d11χ 1 +V d12χ 2 (407)i ∂ ∂t χ 2 = ˆT N χ 2 +V d21χ 1 +V d22χ 2 (408)Während hier die kinetische Energie (i.A. nur näherungsweise) diagonal ist,gibt es Kopplungen in der potentiellen Energie.In jedem Fall wird die Schrödingergleichung von einer skalaren Gleichung aufmehrere gekoppelte skalare Gleichung oder äquivalent auf eine Matrix-Vektor-Gleichung (mit z.T. nicht-diagonalen Matrizen) erweitert. Der Speicheraufwandfür die Darstellung und der Rechenaufwand für die Propagation steigen quadratischbzw. linear mit der Anzahl der Potentialflächen, was gegenüber demexponentiell skalierenden Dimensionalitätsproblem keine echte Beschränkungdarstellt.Eigentliche Praxisprobleme: (zeitunabhängige) Berechnung der Potentialflächenselber sowie deren Kopplungen:• Berechnung einer ausreichend hohen Anzahl von Punkten: in 3D bei 10Punkten pro Freiheitsgrad bereits 1000 ab-initio-Rechnungen nötig;• Berechnung angeregter Zustände ist teurer, weil bessere Berücksichtigungder Elektronenkorrelation nötig;• Berechnung der Kopplungsmatrixelemente nicht in allen Quantenchemie-Programmen Standard;• Diabatisierung ist eine Kunst: viel Handarbeit; Beschränkung auf nurwenige angerege Zustände erfordert u.U. einige Tricks und Glück...• on-the-fly-Diabatisierung problematisch.104


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAdiabatisches TheoremMit abstrakter Argumentation 〈Appendix〉 kann allgemein gezeigt werden:Ein physikalisches System bleibt in seinem instantanen Eigenzustand,wenn eine Störung das System hinreichend langsam verändert und sichder Eigenwert hinreichend von den übrigen Eigenwerten unterscheidet.oder formaler ausgedrückt:Wenn Ψ(t = 0) eine Eigenfunktion von Ĥ(t = 0) ist, bleibt im Limiteines unendlich langsam veränderlichen Ĥ(t) die Wellenfunktion Ψ(t)immer eine Eigenfunktion von Ĥ(t).Im Spezialfall eines lokalisierten, zeitabhängigen Wellenpakets der Kernbewegungauf mehreren (gekoppelten) elektronischen Potentialflächen kann mandie sich unter der Wellenpaketbewegung ändernden Potentialflächen mit derZeitabhängigkeit von Ĥ äquivalent setzen und erhält die Aussage:Im Limit unendlich langsamer Kernbewegung verbleibt das System imanfänglichen adiabatischen Zustand, auch durch (vermiedene) Kreuzungenund konische Durchschneidungen hindurch.105


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deLandau-Zener-FormelIm 2-Zustands-Problem (s.S. 11) ist Adiabatizität die (ungefähre) Gleichheitder gestörten Eigenwerte E ± mit den ungestörten E 1,2 . In Kombination mitGl. 859 läßt sich daraus die folgende Adiabatizitätsbedingung herleiten:2W 2 12v|∆F| ≫ 1 (409)mit der (konstanten) Geschwindigkeit v der Bewegung des Systems durchden Kreuzungspunkt (∆ = 0) und dem Unterschied ∆F der Steigungen derPotentialkurven am Kreuzungspunkt.Die Form der Bedingung 409 ergibt sich auch aus folgenden Argumenten:• Zeit-Energie-Unschärfe: ∆E × τ ≫ 2π, interpretiert als: ist die Aufenthaltszeitτ im Kreuzungsbereich klein genug, kann das System auf einenZustand mit um ∆E anderer Energie wechseln.• an Kreuzung gilt: ∆E = 2W 12 (s.S. 11)• τ = Kreuzungsbreite a / Geschwindigkeit v;Kreuzungsbreite kann aus Taylorreihen für die Potentiale (Terme 0. und1.Ordnung) abgeschätzt werden zu: a ≈ ∆E/|∆F|Aus einer zeitabhängigen Betrachtung leiteten Landau und Zener 1932 folgendeWahrscheinlichkeit für den Wechsel des Systems von einem adiabatischenZustand zum anderen her, beim Durchgang durch eine (vermiedene) Kreuzung:( ) −2πW2p = exp 12(410)v|∆F|(die traditionelle Herleitung davon ist länglich und obskur 18 , kürzlich erschieneine kürzere 19 , die aber auch nicht ganz einfach ist. Die einfachste mir bekannteHerleitung ist 20 .)In jedem Fall folgen diese Faustregeln:• bei kleiner Geschwindigkeit und/oder starker (diabatischer!) Kopplung folgtdas System dem adiabatischen Zustand;• bei großer Geschwindigkeit und/oder schwacher Kopplung folgt das Systemdem diabatischen Zustand.18 referiert z.B. in E.-M. Graefe, Diplomarbeit, TU Kaiserslautern, 2005.19 C. Wittig, J. Phys. Chem. B 109 (2005) 8428.20 A. C. Vutha, Eur. J. Phys. 31 (2010) 389.106


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deEigenfunktionen durch Zeitpropagation:I: Propagation in imaginärer Zeit 21Die normale zeitabhängige Schrödingergleichunghat die formale Lösungi ∂ Ψ(x,t) = ĤΨ(x,t) (411)∂tΨ(x,t) = e −iĤt/ Ψ(x,t = 0) (412)bzw. nach einer Entwicklung in stationäre Eigenfunktionen ψ n (x):Ψ(x,t) = ∑ nc n e −iE nt/ ψ n (x) (413)Als rein mathematischen Trick kann man eine imaginäre Zeit τ = it einführen.Die zeitabhängige Schrödingergleichung in dieser neuen Variablen τ lautet dann: ∂ Ψ(x,τ) = ĤΨ(x,τ) (414)∂τDie formale Lösung dieser neuen Gleichung lautet analog zu oben:bzw. wiederum in Eigenfunktions-Entwicklung:Ψ(x,τ) = e −Ĥτ/ Ψ(x,τ = 0) (415)Ψ(x,τ) = ∑ nc n e −E nτ/ ψ n (x) (416)Propagiert man eine beliebige AnfangswellenfunktionΨ(x,τ = 0) = ∑ na n ψ n (x) (417)in imaginärer Zeit τ, ist nach Gl. 416 der Anteil der i-ten Eigenfunktionψ i nach der Propagations ”zeit“ ∆τ um exp[−(E i −E 0 )∆τ/] gegenüber demGrundzustand ψ 0 zurückgegangen. ψ 0 selbst klingt ebenfalls exponentiell ab(wenn auch am langsamsten); dem kann man mit periodischer Renormierungvon Ψ(x,τ) entgegenwirken. ⇒ nach ausreichend langer Propagation einerbeliebigen Startfunktion in imaginärer Zeit nach Gl. 415 erhält man alsodie Wellenfunktion des Schwingungsgrundzustands – ohne vorherige Kenntnisirgendeiner der Eigenfunktionen ψ n (x), also ohne Matrixdiagonalisierung.21 R. Kosloff und H. Tal-Ezer, Chem. Phys. Lett. 127 (1986) 223.107


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deIst die Schwingungswellenfunktion des Grundzustands ψ 0 bekannt, kann mandie Funktion des 1. angeregten Zustands ganz analog erzeugen, indem man beijedem Propagationsschritt in imaginärer Zeit zusätzlich die bereits bekannteFunktion ψ 0 von der aktuellen Wellenfunktion abzieht ( ”herausprojiziert“). Dadurchkann man sukzessive den gesamten Eigenfunktionensatz {ψ n (x)} erzeugen.Die zugehörigen Eigenenergien folgen jeweils trivial aus E i = 〈ψ i (x)|Ĥ|ψ i(x)〉.Vorteile:• niedrigste Eigenfunktionen schnell und billig:– ohne Ballast der höheren (i.Ggs. zur Matrixdiagonalisierung)– Eigenfunktion ist direktes Resultat der Propagation in imaginärer Zeit;keine weiteren Operationen nötig;• Startfunktion Ψ(x,τ = 0) beliebig, z.B. Deltafunktion auf einem Gitterpunkt;• auch noch praktikabel, wenn Hamiltonmatrix zu groß für Computer (nurMatrixzeile × Vektor nötig);• Eigenfunktionenwerden in Darstellung erzeugt, die direkt für Propagationenweiterverwendet werden kann.Nachteile:• Ergebnis ist nicht das ganze Eigenfunktionsspektrum;für jede Eigenfunktionneue Rechnung nötig;• energetisch höhere Funktionen nicht direkt zugänglich; alle(!) tieferen müssenzuvor bekannt sein;• Fehler der energetisch tieferen Funktionen akkumulieren sich in den höheren.108


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deEigenfunktionen durch Zeitpropagation:II: Propagation in realer ZeitIm Prinzip gilt (vgl. Fourier-Reihe und -Transformation!):Fourier-Transformation der zeitabhängigen Wellenfunktion ψ(x,t) von der Zeitindie Energiedomäne, mit Energiewert E im Fouriertransformationskern, ergibtdirekt die Eigenfunktion zum Energieeigenwert E:ψ(x,E) ∝∫ ∞−∞ψ(x,t)e iEt/ dt (418)Damit sind Kontinuumsfunktionen zu vorgegebenem E direkt berechenbar. Lebensdauerder Kontinuumsfunktion ψ(x,t) endlich ⇒ nach endlicher Zeit verläßtψ(x,t) das ”Wechselwirkungsgebiet“ und läuft gegen unendliche Koordinatenwerte( ”Dissoziation“) ⇒ Das uneigentliche Integral in Gl. 418 konvergiert.Beispiel: Resonanzzustände 22 in der Reaktion F + H 2 → FH + HGebundene Zustände sind dagegen problematischer:• erlaubte Energien E zunächst unbekannt;• Funktion bleibt gebunden ⇒ uneigentliches Integral Gl. 418 divergent.Abhilfe: in t rasch auf Null abfallende, symmetrische Funktion als Konvergenzfaktor“( window function“, filter function“) in den Integranden” ””aufnehmen.• Wegen ”Unschärferelation“ braucht Trennung zweier energetisch eng benachbarterZustände eine lange Propagationszeit von T ≫ 1/(E n −E m ).22 C. L. Russel and D. E. Manolopoulos, Chem. Phys. Lett. 256 (1996) 465.109


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deFilter-Diagonalisierung 23Die drei genannten Probleme können durch folgende Strategie überwundenwerden:• propagiere eine beliebige Startfunktion ψ(x,t) über eine reale, endliche Zeit,bis eine geeignet gewählte Filterfunktion g(t) bei t = T numerisch auf Nullabgeklungen ist; z.B. sei g(t) eine symmetrisch abklingende e-Funktion:g(t) ∝ e −α|t| α, G(E) ∝ (419)α 2 +E 2Deren Fouriertransformierte ist eine Lorentzfunktion G(E), mit einer(Band)Breite [E 1 ,E 2 ];• führe mehrere Fouriertransformationen von ψ(x,t) durch:ψ(x,E n ) ∝∫ Tψ(x,t)g(t)e iE nt/ dt (420)−TWähle dazu mehrere verschiedene Energiewerte E n , die mindestens dieBandbreite von G(E) abdecken;• stelle die Hamiltonmatrix in der Basis dieser Funktionen ψ(x,E n ) auf unddiagonalisiere sie.• Resultat (bei geeigneter Parameterwahl):Alle Eigenenergien und -funktionen im (beliebig gewählten) Intervall[E 1 ,E 2 ].23 D. Neuhauser, J. Chem. Phys. 93 (1990) 2611; K. Takatsuka und N. Hashimoto, J. Chem. Phys.103 (1995) 6057.110


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deexemplarische Anwendungen:• J. Sielk, H. F. von Horsten, B. Hartke und G. Rauhut, Chem. Phys. 380(2011) 1: 1D–6D-Tunnelaufspaltung der OO-Torsion in HOOH; untersteSchwingungs-Eigenzustände berechnet mit Propagation in imaginärer Zeit.exp.: 11.4 cm −1 ,theor.: 8.6···12.8 cm −1 (je nach Modell)• R. Xu, M. Bittner, G. Klatt und H. Köppel, J. Phys. Chem. A 112(2008) 13139: Wellenpaketdynamik in einem 1D-Reaktionswegmodell zu denAnfangsschritten der Co/Rh-Komplex-katalysierten Olefinpolymerisation;Filterdiagonalisierung zur Lebensdauerbestimmung von Resonanzen• S. Schmatz, J. Chem. Phys. 122 (2005) 234306: 4D-Wellenpaketdynamikmit Filterdiagonalisierung zur Lebensdauerbestimmung von Resonanzen inder S N 2-Reaktion Cl − + CH 3 Br111


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deZeitabhängige SpektrensimulationEin gegebener Hamiltonoperator habe die Eigenfunktionen {φ n }. Dann kannjede Anfangswellenfunktion ψ(0) in der Basis der Eigenfunktionen ausgedrücktwerden:ψ(0) = ∑ c n φ n mit c n = 〈φ n |ψ(0)〉 (421)nDie Lösung ψ(t) der zeitabhängige Schrödingergleichung kann dann geschriebenwerden als (s.o.):ψ(t) = e −iĤt/ ψ(0) = ∑ nc n e −iE nt/ φ n (422)Die Autokorrelationsfunktion A(t) von ψ(0) sei definiert durchA(t) = 〈ψ(0)|ψ(t)〉 = 〈ψ(0)|e −iĤt/ |ψ(0)〉 (423)In der Basis der Eigenfunktionen {φ n } kann A(t) geschrieben werden als:A(t) = ∑ nc n e −iE nt/ 〈ψ(0)|φ n 〉 = ∑ n|c n | 2 e −iE nt/(424)In dieser Darstellung kann die Fouriertransformierte von A(t) analytisch berechnetwerden:S(E) = 1 ∫TT Ree iEt/ 〈ψ(0)|ψ(t)〉dt (425)= ∑ n0|c n | 21 ∫TT Ree i(E−E n)t/ dt (426)= ∑ n= ∑ n0|c n | 2 (E −E n )T sin(E −E n)T|c n | 2 sinc (E −E n)T(427)(428)Die Funktion S(E) ist also eine Superposition von Funktionen sinc(x) =(sinx)/x, die je nach dem Wert von E n gegeneinander verschoben sind. Jededieser Funktionen (sinx)/x hat einen ”peak“ bei x = 0 und an den anderenStellen kleinere, oszillative Werte. Im Limit T → ∞ geht die sinc-Funktiongegen die Delta-Funktion δ(x).112


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de⇒ S(E) ist ein Spektrum auf der Energie-Achse, mit peaks“ an den Eigenwerten”von Ĥ. Die Größe von T bestimmt die Auflösung des Spektrums: Bei T →∞ ist das Spektrum maximal aufgelöst (stick spectrum). Bei finitem abergroßem T befindet sich mehr oder weniger Rauschen“ zwischen den einzelnen”Spektralpeaks. Bei finitem, zu kleinem T werden die sinc-Funktionen ggf. sobreit, daß einige Spektralpeaks nicht mehr voneinander getrennt erscheinen( Unschärferelation“). ”Das Limit T statt ∞ im Fouriertransform-Integral entspricht einer Multiplikationder Autokorrelationsfunktion mit einer Stufenfunktion bis T. DieFouriertransformierte davon ist gerade die sinc-Funktion.Verwenden wir stattdessen andere Fouriertransform-Funktionenpaare, z.B. vonLorentz- oder Gaußkurven, ergibt sich ein auch bei kurzen Integrationszeitenrauschfreies Spektrum S(E), bei dem jeder peak einem Eigenwert entspricht;hier gezeigt für die gebundenen Zustände eines Morseoszillators: 2424 J. Dai und J. Z. H. Zhang, J. Chem. Phys. 103 (1995) 1491.113


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deZusammenhang mit traditionellen Methoden der Berechnungvon SpektrenFermis Goldene Regel“ (Herleitung: Standard-PC-Lehrbücher)ist eine Vorschrift”zur Berechnung des Absorptionsquerschnitts bei einem elektronischen Übergangvon einem gebundenen Schwingungs-Rotations-Zustand ψ i zu einem anderengebundenen Zustand ψ f , die über das elektrische Dipolübergangsmatrixelementµ fi gekoppelt sind:σ i (ω) = πωǫ 0 cUmformung der Deltafunktion mit E = ω liefertmit dem Absorptionsspektrum∑δ(ω −ω fi )|〈ψ f |µ fi ·e|ψ i 〉| 2 (429)fσ i (ω) = πωǫ 0 c P i(E) (430)P i (E) = ∑ f〈χ i |ψ f 〉δ(E −E f )〈ψ f |χ i 〉 (431)Dabei wurde E i als Nullpunkt der Energieskala gewählt, das Absolutquadratausgeschrieben und außerdem gesetzt:|χ i 〉 = µ fi ·e|ψ i 〉 (432)Für ”normale“ Funktionen f(H) (mit konvergenter Potenzreihenentwicklung)gilt (mit Einschieben der Vollständigkeitsrelation):f(H) = f(H) ∑ f|ψ f 〉〈ψ f | = ∑ f|ψ f 〉f(E f )〈ψ f | (433)Die Deltafunktion ist eigentlich keine normale Funktion, kann aber als Grenzwerteiner geeigneten Folge von normalen Funktionen geschrieben werden:Mit Gln. 433 und 434 wird aus Gl. 431:P i (E) = limǫ→0∑δ(x) = limǫ→0δ ǫ (x) (434)f〈χ i |ψ f 〉δ ǫ (E −E f )〈ψ f |χ i 〉 (435)Wiederum unter Ausnutzung der Vollständigkeitsrelation ergibt sich:P i (E) = limǫ→0〈χ i |δ ǫ (E −H)|χ i 〉 (436)114


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deGl. 436 enthält keinen Bezug zu Endzuständen ψ f mehr und gilt daher sowohl fürelektronische Spektren zwischen gebundenen Zuständen als auch für Spektren,die bei Photodissoziation von gebundenen in ungebundene Zustände entstehen.Die konkrete Wahl von δ ǫ steht uns frei. Eine Möglichkeit istδ ǫ (E −H) = 1 π ImG− (E) = 1 π Im 1E −iǫ−H(437)mit der einlaufenden Greensfunktion G − (E) der Streutheorie. Einsetzen inGl. 436 liefert die üblichen zeitunabhängigen Absorptionsspektren-Formel mitEnergie-Nenner (siehe Lehrbücher).Eine andere mögliche Wahl für δ ǫ ist:δ ǫ (E −H) = 1 ∫∞π Re exp{+i(E +iǫ−H)t/}dt (438)0Einsetzen in Gl. 436 liefert die Formel für die zeitabhängige Absorptionsspektrensimulation(vgl. Gl. 425!):∫∞1P i (E) = limǫ→0 π Re e +iEt/ C i (t)dt (439)Das ist im wesentlichen eine (halbe) Fouriertransformation der Autokorrelationsfunktion:C i (t) = 〈χ i |e −i(H−iǫ)t/ |χ i 〉 (440)Der Term −iǫ im Propagator kann entweder als Konvergenzfaktor für dasIntegral oder als Ortskoordinaten-abhängiges absorbierendes Potential aufgefaßtwerdenV abs = −iǫ (441)das so konstruiert werden kann, daß es auslaufende Teile der Wellenfunktionabsorbiert, bevor sie von den Gitterenden reflektiert werden (s.u.).0115


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBeispiel: Spektroskopie des Übergangszustands von FH 2B. Hartke und H.-J. Werner, Chem. Phys. Lett. 280 (1997) 430.116


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Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBeispiel: Photodissoziationsdynamik von H 2 SD. Simah, B. Hartke und H.-J. Werner,J. Chem. Phys. 111 (1999) 4523.D. Skouteris, B. Hartke und H.-J. Werner,J. Phys. Chem. A 105 (2001) 2458. SHRαrHnicht-adiabatische Kopplungund Mischungswinkeladiabatische und diabatische1./2. angeregte Zuständeals Funktion von rnicht-adiabatische Kopplungund Mischungswinkeladiabatische und diabatische1./2. angeregte Zuständeals Funktion von α132


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deadiabatic(r 1 ,r 2 ), γ = 92 ◦ adiabatic(r 1 ,r 2 ), γ = 92 ◦18161412108641.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 5.5 621.532.543.554.56 5.587.576.565.551.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 5.5 61.5 22.5 33.5 44.56 5 5.5diabatic(r 1 ,r 2 ), γ = 92 ◦ diabatic(r 1 ,γ), r 2 = 2.5a 014128.5 9 107.5 881.526.5 762.55.5 643251.5 3.522.5 433.54.54 51 4.52 3 5 5.545.55 1001201401601806 6 67 8809 1060 133


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deWellenpaketpropagation auf den gekoppelten diabatischen Zuständen:134


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deWellenpaketpropagation auf den gekoppelten diabatischen Zuständen:B 1 –ZustandA 2 –Zustand135


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAutokorrelationsfunktion (original und “modifiziert”):Absorptionsspektrum i.Vgl. zum Experiment:10.8exp. (Ref. 6)diese ArbeitIntensität0.60.40.20160 170 180 190 200 210 220 230 240λ / nm136


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deSchwingungs-Produktverteilung (ausgefüllt: theor., leer: exp.):90Population807060504030Ref. 7Ref. 8Ref. 8Ref. 9Ref. 10diese Arbeit (Ref. 2)Heumann/Schinke (Ref. 1)201000 1 2 3 4 5 6 7 82015Population10500 1 2 3 4 5 6 7 8Schwingungsquantenzahl von HSRotations-Produktverteilung i.Vgl. zu Experimenten:0.250.20diese ArbeitgemitteltRef. 11Ref. 12Relative Population0.150.100.050.000 2 4 6 8 10 12 14j137


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBeispiel: Photodissoziationsdynamik von O 3Dutzende sehr detaillierter Arbeiten von Grebenshchikov/Schinke und anderen:S. Yu. Grebenshchikov, Z.-W. Qu, H. Zhu und R. Schinke,Phys. Chem. Chem. Phys. 9 (2007) 2044.Übersicht spektrale Banden / angeregte Zustände:Vergleich Theorie – Experiment für die Huggins-Bande:138


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBanne den Fluch der Dimensionen (2): KEOOperator der kinetischen Energie in (externen) kartesischen Koordinaten einfach:ˆT N = − ∑ 1∇ 2 K2 M = − ∑( )1 ∂2K 2 M K ∂x 2 + ∂2KK K∂yK2 + ∂2∂zK2 (442)aber 3 Gesamtsystem-Translationen und -Rotationen in dieser Form kaumabtrennbar. ⇒ Übergang zu molekülinternen Koordinaten.Transformation des Laplaceoperators ∆ = ∇ 2 in andere Koordinaten erfordertformal “lediglich” die (verallgemeinerte) Kettenregel.Tatsächlich werden die Ausdrücke sehr schnell sehr umfangreich:• Laplaceoperator in 3D-Polarkoordinaten: 25∆ = 1 (∂r 2 ∂ )+ 1r 2 ∂r ∂r r 2 sinθ(∂sinθ ∂ )+∂θ ∂θ1r 2 sin 2 θ∂ 2∂φ 2 (443)• für 4- bis 5-atomige Moleküle sind bereits Computeralgebraprogrammenötig, um Herleitungsfehler zu vermeiden 〈Appendix Colwell/Handy〉• auch heute noch ganze paper zur Herleitung von Operatoren der kinetischenEnergie 26 , für Systeme wie H+CH 4 oder H 5 O + 272 , und ÜbersichtsartikelAlternative: allgemeine Form von ˆT (nach X. Chapuisat, A. Nauts et al.)ˆT( ⃗ Q) =3N∑f iji,j=1∂ 22 (⃗ Q) +∂Q i ∂Q j3N∑i=1f i 1( ⃗ Q) ∂∂q i(444)Mit dem Programm Tnum von D. Lauvergnat und A. Nauts können dieKoeffizienten f1( i Q), ⃗ f ij2 (⃗ Q) als Funktionen der aktuellen Molekülstruktur Q ⃗numerisch aber näherungsfrei berechnet werden.Vorteile: keine komplizierte, fehleranfällige Herleitungsalgebra (für jeden Molekültypneu und jeweils neu zu implementieren!)Nachteile: fehlende analytische Form erlaubt kaum Vereinfachungen, und Gl. 444ist stark gekoppelt ⇒ hochdimensionale Integrale nötig.25 Herleitung in jedem besseren PC-Lehrbuch26 G.Schiffel/U.Manthe, JCP 132 (2010) 084103; Vendrell/Gatti/Meyer, JCP 127 (2007) 184302.27 Gatti/Iung, Physics Reports 484 (2009) 1–69.139


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBanne den Fluch der Dimensionen (3): SemiklassikEric Heller 28 konnte zeigen: Die Anfangswellenfunktion habe die Form dieserverallgemeinerten Gaußfunktion:Ψ(x,t) = exp[{α(x−q) 2 +p(x−q)+γ}i/] mit q,p ∈ R und α,γ ∈ C(445)wobei q,p,α,γ zeitabhängigeParameter sind. Entwickleaußerdem das (beliebige)Potential V(x) in eine Taylorreihe bis zur 2.Ordnung um q:V(x) ≈ V 0 + dVdx (x−q)+ 1 d 2 V(446)2 dx 2(x−q)2(Achtung: wegen q = q(t) ist diese Näherung zeitabhängig!)Einsetzen in die zeitabhängige 1D-Schrödingergleichungi ∂ (∂t Ψ = − 2 ∂ 2 )2m∂x +V(x) Ψ (447)2und Koeffizientenvergleich in Potenzen von (x−q) liefert dann folgende Bewegungsgleichungen:˙q = p m = ∂H∂p(448)ṗ = − dVdq = −∂H ∂q(449)˙α = − 2 m α2 − 1 d 2 V(450)2 dx 2˙γ = i α +p˙q −E (451)m• Phasenfaktor γ ist irrelevant für nur eine Gaußfunktion.• Breite α ist i.A. zeitabhängig (für V(x)=harmonischerOszillator und füreine spezielle Wahl von α(t = 0) ist α konstant: “coherent state”)• Gln. 448,449 entsprechen exakt den klassisch-mechanischen Bewegungsgleichungenfür Position q und Impuls p in Hamiltonscher Form ⇒ Verbindungzu einigen semiklassischen Theorien...• Erheblich reduzierter Aufwand: statt einem (ggf. langen) Vektor für Ψ(Gitterpunkte, Entwicklungskoeffizienten) nur 3–4 Parameter.• ähnliche Vereinfachungen und z.T. klassisch-mechanisch aussehende Bewegungsgleichungenauch für Gaußfunktionen als Basisfunktionen.28 J.Chem.Phys. 62 (1975) 1544.140


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBanne den Fluch der Dimensionen (4): TDSCF/MCTDHAnnahme: zwei Teilsysteme 1 und 2 (Koordinaten, Teilchen, ...).Dann läßt sich der Hamiltonoperator immer schreiben als:Ĥ(1,2) = ĥ1(1)+ĥ2(2)+ĥc(1,2) (452)Mache Produkt-Separationsansatz (Hartree-Produkt!):Ψ(1,2,t) = φ 1 (1,t)×φ 2 (2,t) (453)Einsetzen von Gl. 453 in die zeitabhängige Schrödingergleichung und Projektionauf 〈φ i |,i = 1,2, liefert (Achtung: Punkt = Zeitableitung):( )i˙φ 1 = ĥ1φ 1 +〈φ 2 |ĥc|φ 2 〉φ 1 + 〈φ 2 |ĥ2|φ 2 〉−i〈φ 2 |˙φ 2 〉 φ 1 (454)(und eine ähnliche Gleichung mit Vertauschung von 1 und 2). Für ĥc = 0 wäredies einfach:i˙φ i = ĥiφ i for i = 1,2 (455)d.h. wir hätten Separation in zwei unabhängige Bewegungsgleichungen für 1und 2 erreicht. Für ĥc ≠ 0 sind 1 und 2 aber gekoppelt. Mit dem Phasenansatzφ i (t) = ψ i (t)exp(−iσ i (t)) for i = 1,2 (456)erhält man in einigen einfachen Schritten diese Bewegungsgleichungen:i ˙ψ 1 = ĥ1ψ 1 +〈ψ 2 |ĥc|ψ 2 〉ψ 1 (457)i ˙ψ 2 = ĥ2ψ 2 +〈ψ 1 |ĥc|ψ 1 〉ψ 2 (458)(˙σ 1 + ˙σ 2 ) = 〈ψ 1 |ĥ1|ψ 1 〉−i〈ψ 1 | ˙ψ 1 〉 = 〈ψ 2 |ĥ2|ψ 2 〉−i〈ψ 2 | ˙ψ 2 〉 (459)Wichtige Beobachtungen:• Gln. 457,458 sind Bewegungsgleichungen für die Subsysteme 1 und 2,gekoppelt über “mean-field-Operatoren” (nicht-separierbarer Anteil von Ĥ,gemittelt über das andere Subsystem) ⇒ Name TDSCF 29 (Analogie zuHF-SCF)• Im Gegensatz zu HF keine Fermionen ⇒ keine Antisymmetrisierung• N-dimensionales Problem wird auf N 1-dimensionale heruntergebrochen.29E.J. Heller, JCP 64 (1976) 63; R.B. Gerber, V. Buch and M. A. Ratner,JCP 77 (1982) 3022.141


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deProblem: ein einziges Hartree-Produkt (eine “Konfiguration”) ist oft nicht ausreichend(wie auch bei HF-SCF!)⇒ erweiterter Ansatz mit Summe über viele Konfigurationen (wie bei MCSCFbzw. CI): MC-TDSCF 30Historisch durchgesetzt hat sich die Variante MCTDH von Meyer et al. 31Ansatz einer Summe von Hartree-Produkten Φ J aus “Einteilchenfunktionen”φ iΨ(1,2,...,t) = ∑ JA J (t)Φ J (t) (460)In einfachster Form (2 Freiheitsgrade, 2 Einteilchenfunktionen φ (κ) für jedenFreiheitsgrad κ) also:Ψ(1,2,t) = A 11 (t)φ (1)1 (t)φ(2) 1 (t)+A 12(t)φ (1)1 (t)φ(2) 2 (t)+A 21 (t)φ (1)2 (t)φ(2) 1 (t)+A 22(t)φ (1)2 (t)φ(2) (t) (461)Mit diesem Ansatz kann man folgende Bewegungsgleichungen herleiten: 322iȦJ = ∑ L〈Φ J |ĥc|Φ L 〉A L (462)i˙φ (κ)i=ĥκφ(κ)i +(1− ˆP (κ) )(ρ (κ) ) −1 〈ĥc〉 (κ) φ (κ)i (463)mit einem Projektor ˆP(κ) auf die Einteilchenbasis im Freiheitsgrad κ, einerDichtematrix ρ und mean-field-Operatoren 〈ĥc〉Wichtige Beobachtungen:• MCTDH lohnt sich nur, wenn (1) Anzahl nötiger Konfigurationen klein,und (2) hochdimensionale Integrale in 〈ĥc〉 vermeidbar.• Dann kann MCTDH 2–3 Größenordnungen CPU-Zeit und Speicherplatzeinsparen und schwächt das Problem der exponentiellen Skalierung ab,beseitigt es aber letztlich nicht.• Bewegungsgleichungen nichtlinear ⇒ Standardpropagatoren nicht verwendbar,Spezialkonstruktionen und -tricks nötig.• Zeitabhängige Einteilchenfunktionen φ i brauchen eine weitere Darstellungsebene(stationäre Basisfunktionen bzw. Gitter).30 N. Makri und W.H. Miller, JCP 87 (1987) 5781; A.D. Hammerich, R. Kosloff und M.A. Ratner,CPL 171 (1990) 97; R.B. Gerber und R. Alimi, CPL 184 (1991) 69; etc.31 Idee: H.-D. Meyer, U. Manthe and L.S. Cederbaum, CPL 165 (1990) 73; Anwendung: JCP 97 (1992)3199.32 M.H. Beck, A. Jäckle, G.A. Worth and H.-D. Meyer, Phys. Rep. 324 (2000) 1–105.142


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deexemplarische Anwendungen:• O. Vendrell, F. Gatti und H.-D. Meyer, J. Chem. Phys. 127 (2007) 184303:15D-MCTDH-Rechnungen fürs protonierte Wasserdimer H 5 O + 2IR-Spektren theor./exp.:Dublett bei 1000cm −1 :• D. Asturiol, B. Lasorne, G. A. Worth, M. A. Robb und L. Blancafort,Phys. Chem. Chem. Phys. 12 (2010) 4949: volldimensionale (39D)direkte ab-initio-Dynamik, Gaußfunktions-MCTDH, CASSCF(8,6)/6-31G∗:Photodynamik von Thymin; indirekte Annäherung an den konischen Durchschneidungssaumund Rolle der dortigen Topologie143


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deklassisch-mechanische Streutheorie144


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de145


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de146


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de147


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dequantenmechanische StreutheorieEntwickle Anfangs- und Endzustände (vor und nach Streuung) in EigenfunktionenĤ0,i/f der asymptotischen Edukte/Produkte :limt→−∞ |i〉 = ∑ ilimt→+∞ |f〉 = ∑ fc i |Ψ 0,i 〉 (464)c f |Ψ 0,f 〉 (465)Dann ist die sog. S-Matrix gegeben als unitäre Transformationsmatrix zwischendiesen Sätzen von Entwicklungskoeffizienten:c f = ∑ iS i,f c i (466)Übergangswahrscheinlichkeiten sind proportional zu |S if | 2 . Die S-Matrix ist dasAnalogon zur Ablenkungsfunktion.Daher brauche ichentweder Lösungen der zeitunabhängigen Schrödingergleichung mit AnfangsundEndzuständen als Randbedingungen: zeitunabhängiger Zugangoder Lösungen der zeitabhängigen Schrödingergleichung mit den Anfangszuständenals Anfangsbedingung, projiziert auf die Endzustände bei t → ∞:zeitabhängiger Zugangzeitunabhängig:einfachste Variante von S-Matrixelementen:Reflexions-/TransmissionswahrscheinlichkeitR,T an einer 1D-Barriere (siehe PC-Lehrbücher):lim ψ k(x) = e ikx +Re −ikx = e ikx +S 11 e −ikx (467)x→−∞lim ψ k(x) = Te i¯kx k= S 12x→+∞ ¯k ei¯kx(468)148


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dezeitunabhängige Schrödingergleichung mit Randbedingung:zeitunabhängige Streurechnung nach Baer/Neuhauser:Die asymptotischen Randbedingungen ( = Zustände der Edukte und Produkte)seien gegeben durch:H 0 Ψ 0 = EΨ 0 (469)Im sog. Wechselwirkungsbereich( = alles außer diesen Asymptoten) ist allerdingsdie Gesamtwellenfunktion Ψ = Ψ 0 + χ durch den GesamthamiltonoperatorH = H 0 +V bestimmt. Einsetzen dieser Aufteilungen in HΨ = EΨ liefert(H 0 +V)(Ψ 0 +χ) = E(Ψ 0 +χ) (470)bzw. nach leichten Umformungen inkl. Ausnutzung von Gl. 469:(H 0 +V −E)(Ψ 0 +χ) = 0 (471)(H 0 −E)Ψ+(H } {{ } 0 +V −E)χ = −VΨ 0 (472)=0(E −H)χ = VΨ 0 (473)Ohne die rechte Seite wäre dies also (E − H)χ = 0, also eine normale zeitunabhängigeSchrödingergleichung Hχ = Eχ zur Bestimmung von χ. In dertatsächlichen Form von Gl. 473 tritt also nur die rechte Seite VΨ 0 hinzu, dieeinerseits die Randbedingung Ψ 0 einbringt und anderseits deren Interaktionmit dem Wechselwirkungsbereich via das Wechselwirkungspotential V.Man kann zeigen, daß dann die S-Matrixelemente diese Form haben:S if = 〈Ψ 0,f |V f |Ψ 0,i +χ i 〉 (474)Aus der S-Matrix lassen sich differentielledσ π ∑∑(i → f,θ) =dθ ki 2(2j (2J +1)Sif,Ω Ji +1) ∣P J(cosθ)∣ΩJJ|Ω|≤α2(475)und integrale Streuquerschnitteπ ∑σ(i → f) =ki 2(2j (2J +1) ∑|Sif,Ω Ji +1)|2 (476)bestimmen; daraus wiederum Geschwindigkeitskonstanten (Standardformeln).Schwierigkeiten: Aufstellen und Lösen von (E − H)χ = VΨ 0 in hinreichendgroßer Basis auf hinreichend großem Gitter (bei J ≠ 0 gekoppelte Gleichungen,eine für jeden J-Wert; typische Werte für J max : 40–80 oder mehr).149


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deZeitunabhängige Berechnung der reaktiven A+BC-Streuung inJacobi-Koordinaten:∂ 2∂ 2Ĥ( R,⃗r) ⃗ = − 22m∂R − 22 2µ ∂r + ĵ2(477)2 2mr 2+ 1 +ĵ 2 −Ĵ+ĵ2mR 2(Ĵ2 − −Ĵ−ĵ + −2Ĵ2 z )+U(R,r,γ)Ansatz der allgemeinen Form ζ(R,r)Y jΩ (γ) für χ in (E − H)χ = VΨ 0 undoperieren mit 〈Y jΩ (γ)| liefert sog. close-coupling-(CC)-Gleichungen für ζ(R,r):[E + 2 ∂ 22m∂R + 2 ∂ 22 2µ ∂r − 2j(j +1)− (478)2 2µr2 ] 22mR 2{J(J +1)+j(j +1)−2Ω2 } ζ jΩ (R,r)+ 22mR 2 √J(J +1)−Ω(Ω+1)√j(j +1)−Ω(Ω+1) ζjΩ+1 (R,r)+ 22mR 2 √J(J +1)−Ω(Ω−1)√j(j +1)−Ω(Ω−1) ζjΩ−1 (R,r)− ∑ j ′2π∫ π0sinγdγ U(R,r,γ)Y ∗jΩ (γ,0)Y j ′ Ω(γ,0)ζ j′ Ω(R,r)= δ ΩΩ0 φ n0 ,j 0(r)ξ Jn0 j 0 Ω 0(R)2π∫ π0sinγdγ V(R,r,γ)Y ∗jΩ 0(γ,0)Y j0 Ω 0(γ,0)Mit einer Basisentwicklung der Art ζ(R,r) = ∑ nm f n(R)g m (r) erhalten wir dieCC-Gleichungen in algebraischer Matrixform.Lösung des resultierenden inhomogenen linearen Gleichungssystems liefert dieFunktionen χ, die zusammen mit den Randbedingungs-Funktionen Ψ 0 zurBerechnung von S-Matrix-Elementen verwendet werden können.150


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dezeitabhängige Berechnung: 33• Anfangswellenfunktion in Reaktanden-Jacobi-Koordinaten aufstellen (zurVereinfachung: kollinearer Fall: γ = 0 = const.):Ψ(R r ,r r ,t = 0) = φ v (r r )exp[−α(R r −R r,0 ) 2 ]exp[−ik(R r −R r,0 )] (479)• transformiere zu Produkt-Jacobi-Koordinaten R p ,r p• propagiere Anfangswellenpaket ins Produkttalt = 14.5 fst = 58.0 fs33 C. C. Marston, G. G. Balint-Kurti und R. N. Dixon, Theor. Chem. Acc. 79 (1991) 313.151


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de• analysiere Ψ(R p ,r p ,t) durch Projektion auf gewünschte Produkt-Schwingungswellenfunktionφ v ′(r p ) bei festem R p = R p,∞ :c v ′(R p,∞ ,t) =∫ ∞0φ v ′(r p )Ψ(R p,∞ ,r p ,t)dr p (480)• Zeit-Energie-Fouriertransformation der resultierenden zeitabhängigen Koeffizientenc v′ liefert energieabhängige Koeffizienten a v ′:a v ′(R p,∞ ,E) =∫ ∞c v ′(R p,∞ ,t)e iEt/ dt (481)0• längere Herleitung zeigt, daß diese Koeffizienten a v′ mit den S-Matrix-Elementen zusammenhängen:S ∗ v ′ v = 8πµ ′ √kv k v′a v ′(R p,∞ ,E)e ik vR p,∞f(|kv |)(482)wobei f(|k v |) die Impulsverteilung im Anfangswellenpaket ist.152


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deVor-/Nachteile zeitunabhängiger Zugang:• komplette S-Matrix aus einer Rechnung• nur eine Energie pro Rechnung• interne Kontrolle der Rechnung schwierig• viele Parameter; aufwendige numerische IntegrationenVor-/Nachteile zeitabhängiger Zugang:• nur eine Spalte/Zeile der S-Matrix aus einer Rechnung(nur ein Anfangszustand wird propagiert)• aber bei vielen Energien• Wellenpaketpropagation ermöglicht Kontrolle der Rechnung• Koordinatenwechsel r → p numerisch heikel bzw. aufwendig153


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAnwendungsbeispiele154


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de155


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de156


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAnwendungsbeispiele• Y. Zhang, J. Zhang, H. Zhang, Q. Zhang und J. Z. H. Zhang, J. Chem. Phys.115 (2001) 8455:Cl + H 2 → HCl + H, zeitabhängige Rechnungen für J = 0Reaktionswahrscheinlichkeit in Produkt-RotationsverteilungProdukt-Schwingungszustände für Schwingungszustand v ′ = 0• M. Yang, S.-Y. Lee und D. H. Zhang, J. Chem. Phys. 126 (2007) 064303:7D-Modell für O + CH 4 → OH + CH 3 (nicht-reaktive CH 3 -Gruppebeschränkt auf C 3v -Symmetrie, mit starren CH-Bindungslängen), zeitabhängig,bis J = 120Gesamt-Reaktionswahrsch. füraus Grundzustand (div.PES/Methoden)anfangszustandsspezifisches k(T)im Vgl. zu Quasiklassik157


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deTraditionelle Berechnung von k(T)klassisch-mechanisch exakt:Explizite Berechnung aus klassisch-mechanischer MD liefert 〈Appendix〉:k(T) ∝∫ ∞b∫maxE rel =0 b=0τ∫maxτ=τ 0P r (E rel )E rel e −E rel/kT dE rel bdbdτ (483)Dabei verbirgt sich hinter der ReaktionswahrscheinlichkeitP r (E rel ) eine kompletteTrajektorienberechnung Eduktasymptote→Produktasymptote; die Integralemitteln u.a. über alle möglichen Anfangsbedingungen.approximativ (TST):Die transition state theory (TST) zeigt 〈Appendix〉:k(T) = kT h e−∆G0≠ /RT= kT h e∆S0≠ /R e −∆H0≠ /RT(484)(485)Dabei ergeben sich alle wichtigen Größen (freie Aktivierungsenthalpien etc.)aus der statistischen Thermodynamik 〈Appendix〉, also insbes. ohne(!) jeglicheexplizite Berechnung irgendeiner Dynamik.Kritische Grundannahmen von TST:• es gibt eine Hyperfläche, die den Bereich der Reaktanden von dem derProdukte eindeutig trennt;• insbesondere: ein Molekül, das diese Trennfläche einmal durchquert hat,tut das kein zweites Mal (no recrossings);• direkter Widerspruch zur Annahme eines Gleichgewichts Edukten ↔ TS;• die Reaktion erfolgt längs des Reaktionswegs;• insbesondere: der geometrische Übergangszustand (Sattelpunkt) auf derPotentialenergiefläche liegt auf dem Reaktionsweg und auf der Reaktanden-Produkte-Trennfläche;• die Bewegung entlang des Reaktionswegs erfolgt klassisch (kein Tunneln)(beachte: alle anderen Freiheitsgrade werden quantenstatistisch behandelt);• auf dem gesamten Reaktionsweg ist nur eine Born-Oppenheimer-Flächewichtig;• ...158


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deTST ist im Limit niedriger Energien klassisch exakt und liefert immer eineObergrenze zur tatsächlichen Reaktionswahrscheinlichkeit bzw. Geschwindigkeitskonstante(wg. systematischer Überschätzung aufgrund des ”no recrossing“):Gerade im Limit niedriger Energien sind jedoch Quanteneffekte (Tunneln) amwichtigsten.159


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deVariational transition state theory (VTST)Die mikrokanonischeReaktionsgeschwindigkeitskonstante(als Funktion der EnergieE statt der Temperatur T) hängt von der Zustandsdichte bei E ∗ und derAnzahl der Zustände zwischen E 0 und E ∗ ab. Man kann zeigen, daß diese Anzahlbei der kritischen Molekülgeometrie zwischen Reaktanden und Produktenminimal wird.⇒ bei VTST wird die Annahme fallengelassen, daß diese kritische Geometriegleich dem Sattelpunkt der PES ist; stattdessen wird diese kritische Geometrieentlang des Reaktionswegs dadurch gesucht, daß man die genannte Zustandsanzahlminimiert bzw. ∆G maximiert.(wegen der systematischen Überschätzung von k(T) in TST ist es auch sinnvoll,durch geeignete dividing-surface-Wahl k(T) direkt zu minimieren)⇒ erheblich höherer Aufwand (Reaktionsweg, Frequenzen entlang des Reaktionswegs),aber oft deutlich bessere Resultate als normale TST:160


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dek(T)-Berechnung via Fluß-Fluß-AutokorrelationNach Miller (siehe 〈Appendix〉) läßt sich der exakte(!), klassisch-mechanischeAusdruck zur k(T)-Berechnung schreiben als Boltzmann-gewichtete Mittelung(über die Anfangsbedingungen ⃗q i ,⃗p i der Trajektorien) eines Flusses F durcheine Edukt-Produkt-Trennfläche, wobei der Wahrscheinlichkeitsfaktor P r darausnur die reaktiven Trajektorien ausschneidet:∫∫k MD 1(T) = e −βH(⃗q i,⃗p i ) F(⃗qZ(T)h N i ,⃗p i )P r (⃗q i ,⃗p i )d⃗q i d⃗p i (486)Mit einigen Manipulationen (siehe 〈Appendix〉) kann man diesen Ausdruckformal in eine Fluß-Fluß-Autokorrelation umformen:k MD (T) =∫∞∫∫1dtZ(T)h N0e −βH(⃗q i,⃗p i ) F(⃗q i ,⃗p i )F(⃗q(t),⃗p(t))d⃗q i d⃗p i (487)Diese Ausdrücke sind hauptsächlich interessant als klassische Analoga zur weiterunten gezeigten direkten quantenmechanischen Berechnung von k(T).Außerdem kann man aus diesen exakten Gleichungen den üblichen approximativenTST-Ausdruck herleiten 〈Appendix〉, wobei sich zeigt, daß letztlich nurzwei Näherungsannahmen wichtig sind:1. Die Bewegung entlang der Reaktionskoordinate ist entkoppelt von allenanderen Koordinaten.2. Die Edukt-Produkt-Trennfläche wird maximal einmal gekreuzt ⇒ AlleTrajektorien, die dort ankommen, werden als reaktiv gewertet (und müssendaher nicht weiter verfolgt werden).Beide Bedingungen, insbes. auch Bedingung (2), werden in den MillerschenAusdrücken nicht gemacht. Umgekehrt sorgen Verstöße gegen Bedingung (2)dafür, daß TST immer eine Obergrenze zum klassisch-mechanisch wahren k(T)-Wert liefert (s.o.).161


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dek(T) als limes einer zeitabhängigen GrößeLängere Herleitungen (Chandler, Keck1, Keck2, Hänggi, Frenkel/Smit, Literaturs.〈Appendix〉) auf Basis der linear response theory führen auf folgenden exakten,klassisch-mechanischen Ausdruck für die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante:k MD (t) = 〈δ[ξ∗ −ξ(0)] ˙ξθ[ξ(t)−ξ ∗ ]〉〈θ[ξ ∗ −ξ]〉(488)Dabei ist ξ(t) = ξ(⃗q(t)) eine (nicht notwendigerweise separable) Reaktionskoordinate,die am TS den Wert ξ ∗ annimmt; für Edukte gilt ξ < ξ ∗ , für Produkteξ > ξ ∗ ; eckige Klammern bedeuten Boltzmann-Mittelung.)Der Nenner ist die (Boltzmann-)Wahrscheinlichkeit, das System in der Eduktkonfigurationzu finden, da die θ-Funktion die Ortsintegration auf diesen Bereichbeschränkt. Dies entspricht dem Z −1 -Vorfaktor von Gl. 916.Der Zähler entspricht dem Rest von Gl. 916: Das Produkt aus δ-Funktion( = Wahrscheinlichkeit, bei t = 0 das System am Punkt ξ ∗ zu finden) und˙ξ = dξ/dt ist der Flußfaktor; die θ-Funktion ist P r ( = 1, wenn die Trajektoriezur Zeit t im Produktbereich ist, sonst Null).Grob betrachtet ist dies die Fluß-Fluß-Autokorrelationsformulierung ohne dieZeitintegration. Tatsächlich gilt Gl. 488 nur im Limit genügend langer Zeitenund ergibt dann k(T) als Plateau-Wert.Verfolgt man nicht die Trajektorien bis zum Produkt, sondern behauptet, dassalle den TS vorwärts kreuzenden tatsächlich zum Produkt weiterlaufen werden,bekommt man daraus direkt k TST , wobei alle Größen am TS (bzw. zur Zeitt = 0) berechnet werden, womit die Zeitabhängigkeit verschwindet:limt→0+ kMD (t) = k TST = 〈δ[ξ∗ −ξ(0)] ˙ξθ[˙ξ]〉〈θ[ξ ∗ −ξ]〉(489)Eine etwas andere Schreibweise dieser Formel ist (Eyring, Chandler, Hänggi,Otter/Briels1):k TST = (TS-Kreuzungsrate zum Produkt)·(Wahrsch. zum TS zu kommen)= 1 〈∣ 〉 ∣∣∣ dξP(ξ ‡ )2 dt∣∫ ξ‡ξ ‡ −∞ P(ξ)dξ (490)Der erste Faktor ist die durchschnittliche Geschwindigkeit der Moleküle am TSdividiert durch 2 (die andere Hälfte läuft von Produkten zu Edukten).Der zweite Faktor ist die Wahrscheinlichkeit, am TS zu sein, dividiert durchdie Gesamt-Wahrscheinlichkeit, irgendwo auf der Eduktseite des TS zu sein.162


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDer TransmissionskoeffizientWeil in TST auch zu den Reaktanden zurückkreuzende Trajektorien zu k(T)in Vorwärtsrichtung beitragen, ist die TST-Reaktionsgeschwindigkeitskonstante(TST-Rate) immer zu groß. Dies kann durch Einführung eines Transmissionskoeffizientenτ (bzw. κ) korrigiert werden, mit 0 ≤ τ ≤ 1:k MD = τk TST (491)Der resultierende k-Wert ist klassisch-mechanisch exakt; verbleibende Fehlersind Quanteneffekte. τ wird manchmal als empirische ad-hoc-Korrektur vonTST dargestellt; tatsächlich läßt sich aber τ auch exakt berechnen, weil mank MD und k TST exakt berechnen kann:Aus den Gln. 488 und 489 folgt direkt (Otter/Briels1, Otter/Briels2):κ(t) = 〈δ[ξ∗ −ξ(0)] ˙ξθ[ξ(t)−ξ ∗ ]〉〈δ[ξ ∗ −ξ(0)] ˙ξθ[˙ξ]〉(492)Dabei steht im Nenner die durchschnittliche Geschwindigkeit der Moleküle, dieden TS zur Zeit t = 0 in positive Richtung kreuzen.Im Zähler steht die durchschnittliche Geschwindigkeit der Moleküle, die denTS zur Zeit t = 0 in beliebige Richtung kreuzen, aber sich dann zur Zeit t imProduktbereich befinden.Im Limit t → 0+ gilt κ = 1 (dort ist TST sozusagen exakt). Später verringernrückkreuzende Trajektorien dies zu κ < 1. Bei Zeiten, die länger als typischeMolekülschwingungen aber küerzer als die Zeitkonstante der Reaktion sind,erreicht κ(t) einen Plateauwert, der dem wahren Transmissionskoeffizientenentspricht.Modifizierte Strategie zur k(T)-Berechnung:⇒ Man kann die klassisch-mechanisch korrekte Rate k auch dadurch berechnen,daß man (irgendwie!, z.B. statisch: mit statistisch-thermodynamischen Formelnfür die Moleküle in Edukt- und TS-Konfiguration) k TST ermittelt und dannτ mit einer Trajektorienrechnung bestimmt. Das ist mit einem Zusatztricktatsächlich erheblich weniger aufwendig als die direkte Trajektorienberechnungvon k selber, s.u. “Start am TS”.163


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deEffizienzerhöhung: Start am TSTechnisches Problem bei Reaktionen mit Anregungsenergien ≫ 0 (alle thermischaktivierten Reaktionen): Überquerung des TS ist ein seltenes Ereignis (imVergleich zur Frequenz von Molekülschwingungen = MD-Zeitskala!):Überquerungen eines TS mit einer Barriere von 0.5 eV ≈ 50 kJ/molund einem typischen Wert des Arrhenius-Vorfaktors passieren 1000Mal pro Sekunde. Eine direkte MD-Simulation davon würde 10 12Schritte (eine Kraftberechnung pro Schritt!) und damit mehrere 1000CPU-Jahre benötigen, nur um die Zeit zwischen zwei solchen TS-Überquerungen zu überbrücken.Für eine “gute Statistik” (akzeptabler Fehler bei der MC-Mittelung über dieverschiedenen möglichen Anfangsbedingungen) braucht man aber mindestensmehrere 100–1000 Trajektorien, die den TS überqueren ...Daher: Starte einfach am TS selber!Der Trick, daß damit die κ-Berechnung einfacher wird, besteht darin, daß mannur das recrossing herauszukriegen versucht. Die eigentliche ”Verbindung“ vomGeschehen im Edukt-Minimum zum Geschehen am Sattelpunkt (also die ”rareevents“, daß eine Trajektorie die TS-Gegend erreicht) geschieht im k TST -Teil,den man dann anders (nicht-dynamisch) berechnen kann (s.o.).Dann braucht man nur noch den Anteil reaktiver Trajektorien richtig undeffizient zu zählen (ausführlich erläutert in Anderson!), um κ zu ermitteln.Beispiel: Bestimmung des Transmissionskoeffizienten κ aus dem Plateauwerteiner MD-Simulation des Übergangs von Xenon-Atomen von einem Käfig inZeolith NaY zu einem anderen (Brickmann et al., J. Phys. Chem. 100 (1996)4571) bei T = 210 K.164


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deTraditionelle quantenmechanische Berechnung von k(T)Die S-Matrix enthält in komprimierter Form alle Informationen über einechemische Reaktion. Daher ist es möglich, aus ihr u.a. auch k(T) zu berechnen〈Appendix〉:k(T) =(2π) 2 ∑Z int (2πµk B T) 3/2i∫ ∞e −ǫ i/k B T0e −E i/k B T ∑ J(2J +1) ∑ f|S J if| 2 dE i (493)Offensichtlich geht dabei sehr viel Detailinformation durch Mittelung (Summation,Integration) verloren. ⇒ Es könnte möglich sein, k(T) ohne Umweg überdie S-Matrix zu berechnen. Ein wichtiger erster Schritt dazu ist das Konzeptder kumulativen Reaktionswahrscheinlichkeit P cum :P cum (E) = ∑ (2J +1) ∑ ∑|Sif J |2 (494)J iwomit sich Gl. 493 darstellt als:k(T) = k BTh∫∞1Z int Z trans0fe −E/k BT P cum (E) 1k B TdE (495)Entscheidender Unterschied zwischen Gln. 493 und 945: Die Quantenzahlen iund f der inneren Reaktanden- und Produktzustände sowie der GesamtrotationJ (von der die S-Matrix-Elemente abhängen!) erscheinen nicht mehr explizit,da in der kumulativen Reaktionswahrscheinlichkeit über sie summiert wird.Damit ist die sehr aufwendige Berechnung von S-Matrix-Elementen für allemöglichen Werte und Kombinationen dieser Quantenzahlen überflüssig, wennes gelingt, die kumulative Reaktionswahrscheinlichkeit P cum auf anderem Wegedirekt zu berechnen.Fußnote: Auch an dieser Stelle gelingt ein direkter Kontakt mit TST 〈Appendix〉,über die Approximationen:• Trennung “reaktiv”↔”nicht reaktiv” via eine kritische Energie( ∼ Trennflächenkonzept);• diese liegt am Sattelpunkt der PES;• Energiekontinuum statt diskrete Zustände(für Übergang QM→klassische Mechanik).165


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDirekte quantenmechanische Berechnung von k(T)Mit längeren Herleitungen 〈Appendix〉 konnten Miller und andere zeigen, daßsich k(T) in Analogie zum klassischen Ausdruck Gl. 487 auch quantenmechanischexakt via eine Fluß-Fluß-Autokorrelation berechnen läßt:∫∞k(T) = Z −1 tr(¯Fe iĤt∗ c/ ¯Fe −iĤt∗c/ )dt (496)0Von diesem Ausdruck existieren zahlreiche Varianten. Insbesonderen kann manüber die Fouriertransformation der Delta-Funktionδ(Ĥ −E) = 12π∫ ∞−∞e −i(Ĥ−E)t dt (497)und den Zusammenhang zwischen der kanonischen und mikrokanonischen Darstellungk(T) = 12πZ∫ ∞0P(E)e −E/k BT dE (498)einen zeitunabhängigen Ausdruck für die energieabhängige, kumulative Reaktionsgeschwindigkeitaufstellen:P(E) = 2π 2 tr(¯Fδ(Ĥ −E)¯Fδ(Ĥ −E)) (499)In einer Basis von Flußoperator-Eigenzuständen φ + i und mit der Definitionψ i (E) = 2π √ λδ(E −Ĥ)|φ+ i 〉 (500)= √ λ∫ ∞e i(E−Ĥ)t |φ + i〉dt (501)−∞läßt sich dies auch schreiben als 〈Appendix〉:P(E) = ∑ 〈ψ i (E)|¯F|ψ i (E)〉 = ∑iiP i (E) (502)Da es sich wiederum (bei der gegebenen Energie E) um eine Spurbildunghandelt, ist das Resultat äquivalent zur Summation über die Eigenwerte einesReaktionswahrscheinlichkeitsoperators“. Man kann zeigen, daß diese Eigenwerte”zwischen Null und Eins liegen, also als Wahrscheinlichkeiten ( Eigenreaktionswahrscheinlichkeiten“)interpretiert werden können. Dieser Operator hat einen ”niedrigen Rang ( = die Anzahl der signifikant von Null verschiedenen Eigenwerteist klein gegenüber der Dimension seiner Matrixdarstellung). Die Anzahlder von Null verschiedenen Eigenwerte entspricht in etwa der Anzahl der beider Energie E energetisch zugänglichen Zustände des aktivierten Komplexes“.”166


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deWesentliche Operationen zur Berechnung von P(E) oder k(T) nach Miller,Zhang/Light oder ähnlichen Formulierungen sind damit:• ermittle Eigenzustände φ + i des Flußoperators,• propagiere diese je einmal, zur Erzeugung von ψ i (E) bei allen gewünschtenEnergien,• berechne den Fluß für jedes ψ i (E) an einer ”dividing surface“,• addiere die resultierenden Beiträge P i (E).Dabei genügt es, die Propagation in einer sehr engen Umgebung um denÜbergangszustand auszuführen und die Wellenpakete dann zu absorbieren.Propagationen bis in die Produktasymptoten sind nicht erforderlich.167


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de168


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de12-dimensionale Rechnungen zu O + CH 4 → OH + CH 3 ;im Vergleich zum Experiment, zu TST und zu reduziert-dimensionalen Modellen:169


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deElektromagnetisches FeldKlassisch-mechanische Behandlung des elektromagnetischen Feldes → Maxwell-Gleichungen. Ersatz der darin auftretenden Größen elektrisches Feld E undmagnetisches Feld B durch ein Vektorpotential A und ein Skalarpotential φ:E = −∇φ− 1 ∂A(503)c ∂tB = ∇×A (504)• Reduktion der Anzahl der Vektorkomponenten(von 6 (für E und B) auf 4 (3 für A, 1 für φ))• zwei der Maxwell-Gleichungen sind durch Def. 503,504 bereits gelöst.Die anderen beiden werden zur Bestimmung von A und φ verwendet. Diesgelingt jedoch nicht ganz eindeutig, es verbleibt eine freie Wahl von f und g:˜φ = φ+f(t) , Ã = A+∇g (505)Coulomb-Eichung: Wähle f so, daß φ = 0 gilt. Mit der Lorentz-Konvention∂∇·A+ǫµǫ 0 µ 0∂t φ = 0 (506)gilt dann auch ∇ · A = 0. Aus den verbleibenden Maxwell-Gleichungen erhältman (im ladungsfreien Vakuum) zur Bestimmung von A die klassischeWellengleichung und ihre Lösung:∇ 2 A = ǫµ ∂ 2c 2 ∂t2A (507)⇒ A(r,t) = A 0(e i(k·r−ωt) +e −i(k·r−ωt)) (508)Wegen ∇·A = 0 gilt∇·A = −2k·A 0 sin(k·r−ωt) = 0 (509)Dies kann nur dann überall Null sein, wenn k·A 0 = 0. Mit 2|A 0 | = A 0 unddem Einheitsvektor e (es gelte e·k = 0) ergibt sich:(A(r,t) = A 0 ecos(k·r−ωt) = A 0 e e i(k·r−ωt) +e −i(k·r−ωt)) (510)170


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deWechselwirkung zwischen EM-Feld und MaterieEin Teilchen mit Ladung q erfährt im EM-Feld die KraftF = q(E+v×B) (511)Eine umständliche Herleitung ergibt, daß folgende klassische Hamiltonfunktionzu dieser Kraft führt (beachte: ohne Coulomb-Eichung hier ein weiterer additiverTerm qφ):H = 12m (p−qA)2 (512)Mit der üblichen Ersetzung p → −i∇ erhält man den quantenmechanischenHamiltonoperator (inkl. intramolekularem Potential V):Ĥ = 12m (−i∇−qA)2 +V (513)= 1 (− 2 ∇ 2 +iq(∇·A+A·∇)+q 2 A 2) +V (514)2m= 1 (− 2 ∇ 2 +2iqA·∇+q 2 A 2) +V (515)2mIm letzten Schritt wurde ausgenutzt:(∇·Aψ) = (∇·A)ψ +(A·∇)ψ = (A·∇)ψ (516)wobei die letzte Gleichheit aus der Coulomb-Eichung folgt: ∇·A = 0.In schwachen Feldern 34 kann man den A 2 -Term gegenüber dem A·∇-Termvernachlässigen und erhält:Ĥ = 1 (− 2 ∇ 2 +2iqA·∇ ) +V (517)2mFür A in der Form von Gl. 510 ergibt sich für Hamiltonoperator-Matrixelementeder Art 〈f|A·∇|i〉 (Übergang von einem Anfangszustand i zu einem Endzustandf) eine weitere Vereinfachung. Nach der Auftrennung〈f|A·∇|i〉 = A 0 ee −iωt 〈f|e ik·r ∇|i〉 (518)können wir die Exponentialfunktion in eine Reihe entwickeln und nach demersten Glied abbrechen:e ikr = 1+ikr− k22 r2 ±··· ≈ 1 (519)34 Schatz/Ratner S.84-85: “schwach” reicht hier bis 10 16 W/cm 2 .171


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deWeil auch für UV-Licht die Wellenlänge noch groß ist gegenüber typischen Molekülabmessungen,ist diese sog. Dipolnäherung einigermaßen gut. Wir erhaltenalso:〈f|e ik·r ∇|i〉 ≈ 〈f|∇|i〉 (520)Dies läßt sich mit einem Trick weiter vereinfachen: Nach Gl. 736 (siehe HerleitungsappendixEhrenfest-Theorem) gilt (vereinfachend in einer Dimensionnotiert):∂∂x = −m 2[Ĥ,ˆx] (521)Mithin erhalten wir (unter Verwendung von Ĥ|i〉 = E i|i〉, Ĥ|f〉 = E f |f〉 und(E f −E i ) = ω fi ):〈f| ∂∂x |i〉 = −m 2〈f|Ĥˆx− ˆxĤ|i〉 (522)= − m 2(E f −E i )〈f|ˆx|i〉 (523)= − m q ω fi〈f|ˆµ|i〉 (524)wobei der Dipolmomentoperator ˆµ = qˆx eingeführt wurde.Eingesetzt in den Hamiltonoperator Gl. 517 kürzen sich einige Konstantenheraus und mit ωA = E erhalten wir schließlich:Ĥ = − 22m ∇2 +V −iE 0 e iωt e·µ (525)bzw. unter Vernachlässigung der Vektoraspekte (wichtig nur bei linear polarisiertemLicht und orientierten Molekülen) und für allgemeinere Zeitabhängigkeitdes EM-Felds:Ĥ = − 22m ∇2 +V −iµE(t) (526)172


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.destarke Felder, explizite LaserpulsmodellierungDie Hamiltonoperatoren Gln. 517,525,526 kann man in einen explizit zeitunabhängigenmolekularen Teil und in einen explizit zeitabhängigen (EM-Feld-)Teilzerlegen. Letzterer ist eine kleine Störung• wenn die EM-Feldstärke sehr gering ist• oder (effektiv äquivalent) dadurch nur sehr wenig Population transferiertwird ( < 1%).Unter dieser Voraussetzung kann dieser Störterm in der üblichen zeitabhängigenStörungstheorie verwendet werden (s.Lehrbücher) und liefert z.B. FermisGoldene Regel für Absorptionsspektren Gl. 429. Wie auf S.114 gezeigt, giltdies genauso für die zeitabhängigen Spektrenberechnungsformeln der Art vonGl. 439 (!)Zeitabhängige Spektrenberechnungsformeln wie Gl. 439 sehen auf den erstenBlick so aus, als würden dort deltaförmige Laserpulse angenommen (instantanerTransfer eines Wellenpakets in einen angeregten Zustand, gefolgt von Zeitpropagationdort). Tatsächlich ist das jedoch nur ein rechnerisches Rezept undnicht Teil der Modellannahmen. Eigentlich wird cw-Anregung vorausgesetzt,wie man an Termen für exakte Energieerhaltung (wie δ(ω−ω fi )) sehen kann.Man kann jedoch auch die Hamiltonoperatoren Gln. 517,525,526 direkt verwenden,ohne weitere störungstheoretische Behandlungen/Annahmen. Dadurchwerden u.a. Simulationen möglich• mit hohem Populationstransfer (starke EM-Felder, jedoch Feldstärke < 10 16W/cm 2 , s.S.171)• und/oder expliziter Modellierung der Zeit- und Frequenzabhängigkeit (ultrakurzer)Laserpulse.Das theoretische Rüstzeug dafür ist einfach. Bsp.: UV-vis-Anregung eines elektronischenÜbergangs a → b in einem Molekül. Die molekulare Gesamtwellenfunktionsei (vgl. B.-O.-Separation)Ψ = ψ a χ a +ψ b χ b (527)mit elektronischen Funktionen ψ und Kernwellenfunktionen χ. Der HamiltonoperatorseiĤ = Ĥe + ˆT N −µ e E(t)−µ N E(t) (528)173


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.demit elektronischem Anteil e und Kernanteil N, wobei gelten soll:Ĥ e ψ a = E a ψ a , Ĥ e ψ b = E b ψ b , 〈ψ a |ψ b 〉 = δ ab (529)Ein Matrixelement des Hamiltonoperators〈ψ a χ a +ψ b χ b |Ĥe + ˆT N −µ e E(t)−µ N E(t)|ψ a χ a +ψ b χ b 〉 (530)besteht aus 16 Termen, von denen aber einige verschwinden:〈ψ a χ a |Ĥe|ψ b χ b 〉 = 〈ψ a |Ĥe|ψ b 〉〈χ a |χ b 〉 = δ ab 〈χ a |E b |χ b 〉 (531)〈ψ a χ a |ˆT N |ψ b χ b 〉 = δ ab 〈χ a |ˆT N |χ b 〉+T}ab ′ {{ +T′′ ab (532)}NAC〈ψ a χ a |µ e |ψ b χ b 〉 = 〈ψ a |µ e |ψ b 〉〈χ } {{ } a |χ b 〉 = (1−δ ab )〈χ a |M ab |χ b 〉 (533)M ab〈ψ a χ a |µ N |ψ b χ b 〉 = δ ab 〈χ a |µ N |χ b 〉 = 0 (534)Dabei gilt in Gl. 533 aus Symmetriegründen (µ e ist ungerade):〈ψ a |µ e |ψ a 〉 = 〈ψ b |µ e |ψ b 〉 = 0 (535)Die verbleibenden Kern-Dipolmomentintegrale 〈χ a |µ N |χ a 〉, 〈χ b |µ N |χ b 〉 in Gl. 534kann man im vorliegenden Beispiel eliminieren, weil sie IR-Übergängen innerhalbeines einzigen elektronischen Zustands entsprechen und damit in einerzeitabhängigen Wellenpaketbehandlung ohnehin schon enthalten sind.Mit der Abkürzung Ĥa = ˆT n +E a erhält man also insgesamt eine zeitabhängigeSchrödingergleichung in dieser Matrix-Vektor-Form:i ∂ ( ) ( )( )χa Ĥ= a −M ab E(t) χa(536)∂t χ b −M ab E(t) Ĥ b χ bwobei auf der Diagonalen aber hauptsächlich auch außerdiagonal auch nochnicht-adiabatische Kopplungsterme NAC hinzukommen. Damit ist dieser Zugangsehr ähnlich zur Mehrflächenpropagation ohne explizite Laserpulsmodellierung(s.o.).174


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deexemplarische Anwendung:theoretische Vorhersage: B. Hartke, R. Kosloff und S. Ruhman,“Large amplitudeground state vibrational coherence induced by impulsive absorption in CsI - acomputer simulation”, Chem. Phys. Lett. 158 (1989) 238.Populationstransfer kurz vor Impulsmaximum (bei t=0):Grundzustandswellenpaket vor und nach Anregungsimpuls:experimentelle Verwirklichung (für I − 2 ): U. Banin, R. Kosloff und S. Ruhman,Chem. Phys. 183 (1994) 289.175


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deLaserkontrolle chemischer ReaktionenZwei Grundideen:1.) coherent control: manipuliere Interferenz zwischen mehreren Reaktions-/Anregungswegen von Edukten zu Produkten (inkl. Mehrphotonenprozessemit unterschiedlicher Anzahl an Photonen) so, daß die Ausbeute des gewünschtenProdukts maximiertwird (M. Shapiro und P. Brumer,“Principlesof the quantum control of molecular processes”, Wiley, 2003)2.) pulse shaping: nutze Laserpulse geeigneter Form (und Anzahl), um denzeitlichen Verlauf einer Reaktion so zu steuern, daß die Ausbeute desgewünschten Produkts maximiert wird.Beispiel für (2): optimal control theory (OCT, H. Rabitz u.a. 35 )• maximiere Überlappung zwischen End-Wellenpaket Ψ(t final ) und gewünschtemZielzustand,• unter der Nebenbedingung, daß Ψ(t) eine Lösung der zeitabhängigen SchrödingergleichungGl. 536 ist,• durch Optimierung des darin enthaltenen Laserfelds E(t).⇒ iterativer Prozeß, ausgehend von einem geratenen Startfeld E(t); eine kompletteLösung (Propagation) von Gl. 536 pro Iteration nötig (aufwendig!).Experimentelle Techniken zur Pulsformung und erste experimentelle Realisierungenvorhanden (s. Reviews: M. Dantus und V. V. Lozovoy, Chem. Rev.104 (2004) 1813; D. Goswami, Physics Reports 374 (2003) 385.)35 S. Shi, A. Woody und H. Rabitz, J. Chem. Phys. 88 (1988) 6870.176


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dePraxisprobleme von OCT:• optimale Pulsformen extrem kompliziert → einfachere Formen durch zusätzlicheRandbedingungen erreichbar;• Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung wird sehr aufwendig fürrealistische Moleküle (Fluch der Dimensionen!);• und selbst dann gilt noch:1. reale Materialien sind Ensembles sehr vieler Moleküle in unterschiedlichstenOrientierungen und Zuständen,2. kleinste Abweichungen Theorie↔Experiment machen das optimierteE(t)-Feld unwirksam ⇒ Theorie müßte auch berücksichtigen: Lösungsmittel,endliche Temperatur, Verunreinigungen, etc.ad-hoc-Lösungen für Probleme 1 und 2:1: zumindest proof-of-concept möglich mit Techniken der Einzelmolekülspektroskopie(D. Brinks et al., Nature 465 (2010) 905.)2: Theorie bleibt außen vor; das Experiment “lernt” in einer geschlossenenSchleife die optimale Pulsform selber; dabei bereits im (rein theoretischen!)Originalvorschlag globale Optimierung via Genetische Algorithmen(R. S. Judson und H. Rabitz, Phys. Rev. Lett. 68 (1992) 1500.):Erste experimentelle Realisierungen: Wilson et al., Chem. Phys. Lett. 280 (1997)151; Gerber et al., Science 282 (1998) 919.177


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAnwendungsbeispiele:T. Assion, T. Baumert, M. Bergt, T. Brixner, B. Kiefer, V. Seyfried, M. Strehleund G. Gerber, Science 282 (1998) 919: optimierte Laserpulse zur bevorzugtenDissoziation bestimmter Bindungen in CpFe(CO) 2 Cl178


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deP. Nuernberger, D. Wolpert, H. Weiss und G. Gerber, Proc. Natl. Acad. Sci. 107(2010) 10366: Bindungsbildung durch optimierte Laserpulse, Beispiel: Ausgangsmaterial:H 2 und CO co-adsorbiert auf Pd(100)-Oberfläche, Ziel: bevorzugteBildung bestimmter Assoziationsprodukte wie H 2 O, CH, CH 2 , ...179


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix/Erinnerung: Lösung der Schrödingergleichungdurch Basisfunktionsentwicklung:Die Schrödingergleichung in Operator/Funktionen-FormĤψ = Eψ (537)kann durch Entwicklung von ψ in eine Funktionen-Basis {φ i } endlicher Größeψ =n∑c i φ i (538)in eine Matrix-Vektor-Eigenwertgleichung überführt werden:i=1Einsetzen der Entwicklung Gl. 538 in Gl. 537 liefert:∑c i Ĥφ i = E ∑ c i φ i (539)i iMultiplikation von links mit 〈φ j | ergibt:∑c i 〈φ j |Ĥ|φ i〉 = E ∑iic i 〈φ j |φ i 〉 (540)Wenn die Basis {φ i } orthonormal ist, gilt für die ÜberlappungsmatrixS ji = 〈φ j |φ i 〉 = δ ij (541)und die Summe auf der rechten Seite kollabiert daher zu einem einzigen Term:∑c i 〈φ j |Ĥ|φ i〉 = ∑ c i H ji = Ec j (542)iiFür jeden Wert von j gibt es eine solche Gleichung; diese können zusammengefaßtwerden zu der Matrix-Vektor-GleichungH⃗c = E⃗c (543)wobei die H ij die Elemente der Matrix H sind und die c i die Elemente desVektors ⃗c.180


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Herleitung B.-O.-SeparationDer molekulare Hamiltonoperator hat die Form:Ĥ = ˆT N +Ĥel (544)Dabei istˆT N = − ∑ 2∇ 2 K (545)2M KKder Operator der kinetischen Energie der Kerne; die Summe läuft über alleKerne K (zur Vereinfachung nehmen wir hier an, daß es nur einen einzigen Kerngibt 36 , und können dann auf das Summenzeichen und den Index K verzichten.Stattdessen schreiben wir den Nabla-Operator als ∇ N um anzudeuten, daßer nur auf die Kernkoordinaten wirkt). Der elektronische HamiltonoperatorĤ el beschreibt die Bewegung der Elektronen bei festen Kernlagen und enthältverschiedene Terme (kinetische Energie der Elektronen, Elektronenabstoßung,Kern-Elektron-Anziehung sowie Kern-Kern-Abstoßung), deren genaue Form hierohne Belang ist. Stattdessen nehmen wir an, daß das elektronische Problemfür jeden interessierenden Wert der Kernkoordinaten R bereits gelöst ist 37 :Ĥ el ψ (n) (r,R) = E n (R)ψ (n) (r,R) (546)Die elektronischen Eigenfunktionen ψ sind dabei natürlich Funktionen derElektronenkoordinaten r = (x,y,z); aufgrund der Vorgabe eines festen aberbeliebigen Werts R = (X,Y,Z) der Kernkoordinaten in Ĥel sind aber alleGrößen in Gl. 546 auch Funktionen von R (was für Ĥel selbst nicht explizitnotiert wird, da es ohnehin klar ist). Dies ist eine typische adiabatische Separationsannahme,die auch bei anderen Gelegenheiten gemacht wird (vgl. SchinkesBuch: adiabatische und diabatische Separationen in der Dynamik!). Beachte,daß damit die eigentliche Separation in gewissem Sinne bereits durchgeführtist, da man stillschweigend annimmt, daß die Lösung der rein elektronischenGleichung Gl. 546 bei festgehaltenen Kernen überhaupt sinnvoll und machbarist. Alles Folgende sind in diesem Sinne nur die Konsequenzen davon. Offenbarist dieser Separationsansatz dann sinnvoll, wenn die Elektronen sich vielschneller bewegen als die Kerne, sodaß aus der Sicht der Elektronen die Kernequasi-statisch sind.Da Ĥel ein hermitescher Operator ist, stellen die elektronischen Wellenfunktionenψ (n) (r,R) einen vollständigen, orthogonalen Funktionensatz dar. Jede molekulareWellenfunktion Ψ (k) (r,R) läßt sich daher in der Basis dieser Funktionen36 Dies erscheint aus der Sicht der Quantendynamik der Kerne merkwürdig, da dort i.A. nur Relativbewegungenverschiedener Kerne interessieren, ist aber nicht falsch und ändert vor allem nichts amPrinzip der folgenden Herleitung.37 Der Index n numeriert die verschiedenen Eigenwerte und -funktionen von Ĥel.181


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deentwickeln:Ψ (k) (r,R) =∞∑ψ (n) (r,R)χ (n,k) (R) (547)n=1(Im Prinzip könnte man die Wellenfunktion auch in einem von R unabhängigenBasissatz ψ (n) (r,R 0 ) entwickeln. Dies hat jedoch zwei gravierende Nachteile:Zum einen ist Ĥel dann nur an der Stelle R = R 0 diagonal, zum anderen sindan Stellen R ≠ R 0 unter Umständen sehr viele Entwicklungsterme nötig.)Einsetzen dieses Ansatzes Gl.547 in die molekulare SchrödingergleichungĤΨ (k) = E k Ψ (k) (548)liefert (aus Gründen der Übersichtlichkeit wird die Koordinatenabhängigkeitvon ψ (n) (r,R) und χ (n,k) (R) im Folgenden nicht explizit mit notiert):∑∑(ˆT N +Ĥel)ψ (n) χ (n,k) = E k ψ (n) χ (n,k) (549)n∑∑(ˆT N ψ (n) χ (n,k) +χ (n,k) Ĥ el ψ (n) ) = E k ψ (n) χ (n,k) (550)n∑∑(ˆT N ψ (n) χ (n,k) +χ (n,k) E n ψ (n) ) = E k ψ (n) χ (n,k) (551)nwobei zunächst berücksichtigt wurde, daß der elektronische HamiltonoperatorĤ el nicht auf die Kernwellenfunktion χ(R) wirkt, und danach Gl. 546 verwendetwurde.Multiplikation von Gl. 551 von links mit ψ (m)∗ , Integration über die Elektronenkoordinatenr und Berücksichtigung der Orthonormalität der elektronischennnnFunktionen ψ (n) 〈ψ (m) |ψ (n) 〉 =∫ ∞−∞ψ (m)∗ ψ (n) dr 1 dr 2 ...dr N = δ nm (552)liefert:∑) ∑(〈ψ (m) |ˆT N |ψ (n) χ (n,k) 〉+E n χ (n,k) δ nm = E k χ (n,k) δ nm (553)n∑〈ψ (m) |ˆT N |ψ (n) χ (n,k) 〉+E m χ (m,k) = E k χ (m,k) (554)nnUnter Berücksichtigung der allgemeinen Beziehung∇ 2 fg = f∇ 2 g +2∇f ·∇g +g∇ 2 f (555)182


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dedie sich für zwei Funktionen f und g direkt aus den Definitionen des Nabla-Operators ∇ und des Laplace-Operators ∆ = ∇ 2 unter Verwendung der Produktregelergibt, folgt für den ersten Term von Gl. 554:∑〈ψ (m) |ˆT N |ψ (n) χ (n,k) 〉 (556)n⎛⎞= − 2 ∑⎝〈ψ (m) |ψ (n) 〉 ∇2M } {{ }2 N +2〈ψ(m) |∇ N |ψ (n) 〉·∇ N +〈ψ (m) |∇ 2 N |ψ(n) 〉 ⎠χ (n,k)nδ nm= ˆT N χ (m,k) + ∑ (2ˆT ′ ′′mn+ ˆT mn)χ (n,k) (557)nwobei die nicht-adiabatischen Kopplungen gegeben sind durch:Damit wird aus Gl. 554 schließlich:ˆT mn ′ 2(R) = −2M 〈Ψ(m) el|∇ N |Ψ (n)el〉·∇ N (558)ˆT mn ′′ 2(R) = −2M 〈Ψ(m) el|∇ 2 N |Ψ(n) el〉 (559)[ˆT N +E m (R)]χ (m,k) (R)+ ∑ n[2ˆT mn ′ ′′(R)+ ˆT mn (R)]χ(n,k) (R) = E k χ (m,k) (R) (560)Dies ist ein System von n = 1,2,...,∞ gekoppelten Schrödingergleichungenfür die Kernwellenfunktionen χ (n,k) . Die Eigenenergien E m des elektronischenProblems Gl. 546, die ja Funktionen der Kernkoordinaten R sind, übernehmenhier in Gl. 560 die Rolle des Potentials.Mithin ist es durch diese Born-Oppenheimer-Separation gelungen, die Gesamt-Schrödingergleichung Gl. 548 für das molekulare Problem, in der ElektronenundKernkoordinaten gemeinsam vorkommen, in ein rein elektronisches ProblemGl. 546, in dem die Kernkoordinaten nur noch parametrisch auftauchen, und einreines Kernproblem Gl. 560, in dem die Elektronenkoordinaten nicht explizitauftauchen (über sie wird in den Termen der Gln. 558,559 integriert), zuzerlegen. Trotz dieser formalen Separation stellt dies noch keine Näherung da;Gln. 546 und 560 sind formal äquivalent zu Gl. 548. Dennoch stellt dieseSeparation in der Praxis eine konzeptuelle und rechentechnische Vereinfachungdar.In der Quantenchemie im engeren Sinne wird das elektronische Problem Gl.546 gelöst und das Gleichungssystem Gl. 560 für die Kerndynamik ignoriert. Ingewissem Maße erlaubt bereits die quasi-statische Betrachtung der PotentialhyperflächenE m (R), die sich aus der Lösung von Gl. 546 ergeben, Deduktionenüber die zu erwartende Kerndynamik. Eine tatsächliche theoretische Behandlung183


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dechemischer Reaktionen ist jedoch nur möglich, wenn auch das GleichungssystemGl. 560 von n max gekoppelten Gleichungen gelöst wird. Das wird in dermodernen theoretischen Reaktionsdynamik auch tatsächlich gemacht; natürlichist dies nur für finite Werte von n max möglich, was eine Näherung darstellt(die aber noch nicht die eigentliche Born-Oppenheimer-Näherung ist). Tatsächlichrechtfertigen sich die ad-hoc erscheinende Aufstellung der elektronischenGleichung Gl. 546 und die sich daraus ergebende adiabatische Separation a posterioridann, wenn in guter Näherung nur sehr wenige Werte von n nötig sind,also bei Kernbewegungen nur wenige elektronische Zustände signifikant miteinanderkoppeln. Anderenfalls ist offensichtlich die Annahme, daß die Elektronenquasi-instantan allen Kernbewegungen folgen können, nicht gerechtfertigt. (Weiteretechnische Vereinfachungen wie die Transformation zu einer diabatischenDarstellung, bei der die Kopplungen nicht in der kinetischen, sondern in derpotentiellen Energie auftreten, werden in der Vorlesung TC-II angesprochen).Zur weiteren Vereinfachung kann man jedoch auch das Gleichungssystem Gl. 560näherungsweise völlig entkoppeln. In dieser Born-Oppenheimer-Näherung werdendie nicht-adiabatischen Kopplungselemente ˆT mn ′ ′′(Gl. 558) und ˆT mn (Gl. 559)gegenüber dem Term ˆT N vernachlässigt,und man erhält die Schrödingergleichungfür die Kernbewegung in jeweils einem isolierten elektronischen Zustand m:[ˆT N +E m (R)]χ (m,k) (R) = E k χ (m,k) (R) (561)Mehrere unabhängige Gleichungen sind natürlich einfacher zu lösen und zuverstehen als ein Satz gekoppelter Gleichungen; außerdem spart man sich sodie explizite Berechnung der Kopplungselemente an allen KernkonfigurationenR. (In der sogenannten adiabatischen Näherung behält man wenigstens noch′′die Diagonalelemente ˆT mm bei (ˆT mm ′ = 0 gilt ohnehin), aber diese sind typischerweiseum einen Faktor, der in etwa dem Verhältnis zwischen ElektronenundKernmassen entspricht, kleiner als der eigentliche Potentialterm E m (R)und zudem nur schwach veränderliche Funktionen der Kernkoordinaten.)In manchen Lehrbüchern wird die Vernachlässigung dieser Terme damit begründet,daß sie umgekehrt proportional zur Kernmasse M sind, und daßKernmassen wesentlich größer sind als die Elektronenmasse. Dies ist jedochoffensichtlich unzureichend, da der Term ˆT N nicht etwa umgekehrt proportionalzur Elektronenmasse ist, sondern ebenfalls umgekehrt proportional zur Kernmasse.Eine einfache Abschätzung aller drei Terme ˆT ′′ N , ˆT′ mn und ˆT mn zeigt, daß dasVerhältnis des zweiten zum ersten bzw. des dritten zum ersten maximal etwa 0.2bzw. 0.04 betragen sollte 38 . Am einfachsten ist jedoch die Begründung, daß derzweite und dritte Term im Gegensatz zum ersten die erste bzw. zweite Ableitung38 I. N. Levine: Quantum Chemistry“, Allyn and Bacon, Boston, 3. Auflage 1983, S.317. Interessanterweise”fehlt diese Diskussion in der 4. Auflage.184


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deder elektronischen Wellenfunktionen nach den Kernkoordinaten enthält. Damitist die Näherung gut, solange sich die elektronischen Wellenfunktionen nur wenigmit den Kernkoordinaten ändern. Dies ist in vielen Situationen gut erfüllt, vorallem für elektronische Grundzustände in der Nähe der Gleichgewichtsgeometrie,in einigen anderen jedoch nur schlecht oder überhaupt nicht, z.B. in der Nähevon Übergangszuständen oder bei dicht benachbarten oder gar sich (tatsächlichoder ”vermieden“) kreuzenden elektronischen Zuständen (siehe: Zwei-Zustands-Problem).Quantitativeres Argument zur Kopplungsstärke:Multiplikation von Gl. 546 von links mit ∇ N = ∇ ergibt unter Beachtung vonProduktregel und Operatorreihenfolge:Ĥ el (∇ψ (n) )+(∇Ĥel)ψ (n) = ψ (n) ∇E n +E n ∇ψ (n) (562)Durch Multiplikation von links mit 〈ψ (m) | und Ausnutzung der Hermitizitätvon Ĥel) folgt:〈ψ (m) |Ĥel} {{ }E m 〈ψ (m) ||∇ψ (n) 〉+〈ψ (m) |(∇Ĥel)|ψ (n) 〉 = 〈ψ (m) |ψ (n) 〉 ∇E} {{ } n +E n 〈ψ (m) |∇ψ (n) 〉 (563)=0Dies vereinfacht sich zu:〈ψ (m) |(∇Ĥel)|ψ (n) 〉 = (E n −E m )〈ψ (m) |∇ψ (n) 〉} {{ }F ′ mn(564)Und wir erhalten schließlich:F ′ mn (R) = 〈ψ(m) |(∇Ĥel)|ψ (n) 〉E n (R)−E m (R)(565)Allein wegen des Nenners ist die Kopplung zwischen den adiabatischen Zuständendaher• klein, wenn diese weit voneinander entfernt sind,• divergent, sobald E n = E m (z.B. an konischen Durchschneidungen).185


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: 2-Zustands-ProblemBehauptung 1: Für beliebige Werte von ∆ = (E 1 −E 2 )/2 ist√|E + −E − | = | (E 1 −E 2 ) 2 +4W12 2| (566)> |E 1 −E 2 | wegen W 2 12 > 0 (567)Behauptung√2: Für |∆| ≫ |W 12 | kann man mit Hilfe der Standardtaylorreihe1+x = 1+x/2−x 2 /8±··· schreiben:(E ± = E m ±∆ 1+ 1 W 2 −+···)12(568)2 ∆ 2In diesem Ausdruck taucht die Kopplung in 2. Ordnung auf.Für ∆ = 0 ⇔ E 1 = E 2 ist jedochE ± = E m ±W 12 (569)Hier geht die Kopplung in 1. Ordnung ein, ist also erheblich wichtiger(unabhängig von der Größe von W 12 selber). Das ist Behauptung 2.Behauptung 3: Mit tanθ = W 12 /∆ gilt:bei ∆ ≪ W 12 : θ ≈ π/2 (570)bei ∆ ≫ W 12 : θ ≈ 0 (571)Bei ∆ ≫ W 12 geht also θ → 0. Dann können wir aufgrund der Standardtaylorreihencosx = 1 − x 2 /2! ± ··· und sinx = x − x 3 /3! ± ··· dieNäherungen cosθ/2 ≈ 1 und sinθ/2 ≈ θ/2 = W 12 /(2∆) machen und damitschreiben:ψ + ≈ φ 1 + W 122∆ φ 2 (572)ψ − ≈ φ 2 − W 122∆ φ 1 (573)Da nach wie vor ∆ ≫ W 12 angenommen wird, sind die Zustände ψ + bzw.ψ − sehr ähnlich den ungestörten Funktionen φ 1 bzw. φ 2 (im Grenzfall∆ → ∞ sogar identisch).Bei ∆ = 0 geht dagagen θ → π/2 und mithin sinθ/2 = sinπ/4 = cosθ/2 =cosπ/4 = 1/ √ 2, also gilt:ψ + = 1 √2(φ 1 +φ 2 ) (574)ψ − = 1 √2(−φ 1 +φ 2 ) (575)Im Vergleich zu den ungestörten Funktionen φ 1 und φ 2 sind die Zuständeψ + und ψ − hier also stark (sogar maximal) gestört.Damit ist auch Behauptung 3 gezeigt.186


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deUnabhängigkeit und Korrelation in einer SlaterdeterminanteEine aus der Sicht der Antisymmetrieforderung akzeptable Wellenfunktion fürein System aus zwei Elektronen ist folgende Slaterdeterminante:Ψ(x 1 ,x 2 ) = √ 1 ∣ ∣∣∣ χ 1 (x 1 ) χ 2 (x 1 )2 χ 1 (x 2 ) χ 2 (x 2 ) ∣ = |χ 1(x 1 )χ 2 (x 2 )〉 = |χ 1 χ 2 〉 (576)Fall 1: Die beiden Elektronen haben entgegengesetzten Spin und besetzenverschiedene Ortsorbitale:χ 1 (x 1 ) = ψ 1 (r 1 )α(ω 1 ) (577)χ 2 (x 2 ) = ψ 2 (r 2 )β(ω 2 ) (578)Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich Elektron 1 im Koordinatenbereich dx 1und Elektron 2 im Koordinatenbereich dx 2 aufhält, ergibt sich aus dem Erwartungswert(Absolutquadrat) der Gesamtwellenfunktion, also unter Auswertungder Determinante:|Ψ| 2 dx 1 dx 2 = 1 2 |ψ 1(r 1 )α(ω 1 )ψ 2 (r 2 )β(ω 2 )−ψ 1 (r 2 )α(ω 2 )ψ 2 (r 1 )β(ω 1 )| 2 dx 1 dx 2 (579)Integration dieses Ausdrucks über die beiden Spinkoordinaten liefert unterBeachtung der üblichen Orthonormalität der Spinfunktionen:(∫∫P(r 1 ,r 2 )dr 1 dr 2 = |Ψ| 2 dω 1 dω 2)dr 1 dr 2 = (580)= 1 ∫∫2 dr 1dr 2 (ψ 1 (r 1 )α(ω 1 )ψ 2 (r 2 )β(ω 2 )−ψ 1 (r 2 )α(ω 2 )ψ 2 (r 1 )β(ω 1 )) ∗(ψ 1 (r 1 )α(ω 1 )ψ 2 (r 2 )β(ω 2 )−ψ 1 (r 2 )α(ω 2 )ψ 2 (r 1 )β(ω 1 ))dω 1 dω 2 (581)= 1 2 dr {1dr 2 |ψ1 (r 1 )| 2 |ψ 2 (r 2 )| 2 〈αβ|αβ〉−ψ1 ∗ (r 1)ψ 2 (r 1 )ψ2 ∗ (r 2)ψ 1 (r 2 )〈αβ|βα〉 (582)−ψ ∗ 2(r 1 )ψ 1 (r 1 )ψ ∗ 1(r 2 )ψ 2 (r 2 )〈βα|αβ〉+|ψ 2 (r 1 )| 2 |ψ 1 (r 2 )| 2 〈βα|βα〉 } (583)= 1 2{|ψ1 (r 1 )| 2 |ψ 2 (r 2 )| 2 +|ψ 2 (r 1 )| 2 |ψ 1 (r 2 )| 2} dr 1 dr 2 (584)Dies ist die übliche (spinunabhängige) Wahrscheinlichkeit dafür, Elektron 1 imVolumenelement dr 1 um r 1 und gleichzeitig Elektron 2 im Volumenelement dr 2um r 2 zu finden. Im ersten Summanden befindet sich Elektron 1 im Ortsorbitalψ 1 und Elektron 2 im Ortsorbital ψ 2 , im zweiten Summanden ist esumgekehrt. Die Gesamtwahrscheinlichkeit ist offenbar der Mittelwert aus diesenbeiden Termen, was der Ununterscheidbarkeit der Elektronen korrekt Rechnungträgt. Beide Terme sind jedoch einfache Produkte aus den jeweiligen Einzelwahrscheinlichkeiten,ganz genauso wie im einfachen (nicht antisymmetrisierten)Hartree-Produkt. Dies ist im Spezialfall ψ 1 = ψ 2 besonders offensichtlich:P(r 1 ,r 2 ) = |ψ 1 (r 1 )| 2 |ψ 1 (r 2 )| 2 (585)187


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deGanz allgemein gibt es in einer N-Elektronen-Wellenfunktion der Form einereinzigen Slaterdeterminante keine Korrelation zwischen Elektronen mit entgegengesetzemSpin. Insbesondere ist P(r 1 ,r 2 ) ≠ 0; die Wahrscheinlichkeit dafür,zwei Elektronen mit entgegengesetztem Spin am selben Punkt im Raum zufinden, ist also nicht Null, es gibt kein Coulomb-Loch. Dies kann unter Einflußdes N-Teilchen-Hamiltonoperators nicht mehr richtig sein, da er den 1/r 12 -Operator enthält, der für Coulomb-Abstoßung zwischen den negativ geladenenElektronen führt. Allein deshalb kann eine N-Elektronen-Wellenfunktion inForm einer einzigen Slaterdeterminante bei Auftreten entgegengesetzter Spinsniemals eine exakte Lösung einer N-Elektronen-Schrödingergleichung sein (unglücklicherweisegibt es in der Praxis fast immer entgegensetzte Spins, durchSpinpaarung in den energetisch tiefsten Ortsorbitalen).Fall 2: Die beiden Elektronen haben parallelen Spin und besetzen verschiedeneOrtsorbitale, zum Beispiel:χ 1 (x 1 ) = ψ 1 (r 1 )α(ω 1 ) (586)χ 2 (x 2 ) = ψ 2 (r 2 )α(ω 2 ) (587)Nach zu oben völlig analogem Vorgehen erhalten wir jetzt jedoch:P(r 1 ,r 2 ) = 1 {|ψ1 (r 1 )| 2 |ψ 2 (r 2 )| 2 +|ψ 2 (r 1 )| 2 |ψ 1 (r 2 )| 22−ψ1(r ∗ 1 )ψ 2 (r 1 )ψ2(r ∗ 2 )ψ 1 (r 2 )−ψ2(r ∗ 1 )ψ 1 (r 1 )ψ1(r ∗ 2 )ψ 2 (r 2 )} (588)Hier ist die Gesamtwahrscheinlichkeit kein Produkt der Einzelwahrscheinlichkeitenmehr (weder in einfachem Sinne noch als Mittelwert zweier Terme aufgrundder Antisymmetrie), sondern die gemischten Terme, die oben aufgrund der Orthogonalitätder Spinfunktionen α und β wegfielen, bleiben hier erhalten, dafür alle hier auftretenden Spinintegrale gilt: 〈αα|αα〉 = 1.Ganz allgemein gibt es in einer N-Elektronen-Wellenfunktion der Form einereinzigen Slaterdeterminante (Fermi-)Korrelation zwischen Elektronen mit parallelemSpin. In Gl. 588 wird P(r 1 ,r 1 ) = 0, aufgrund der Minuszeichen indieser Gleichung, die letztlich aus der Determinantenform der Wellenfunktionund damit aus der Antisymmetrisierung herrühren. Die Wahrscheinlichkeitdafür, zwei Elektronen mit parallelem Spin am selben Punkt im Raum zufinden, ist also Null; um jedes Elektron gibt es ein Fermi-Loch, Elektronen mitparallelem Spin gehen sich also aus dem Weg, allein aufgrund der Antisymmetrisierungin der Konstruktion der Wellenfunktion (ohne jeglichen Einfluß derCoulomb-Abstoßung der negativen Ladungen).Beachte, daß wir weder ψ 1 = ψ 2 noch ψ 1 ≠ ψ 2 (noch 〈ψ 1 |ψ 2 〉 = 0 oder = 1)verwendet haben; daher ist dieser Befund unabhängig von den beteiligten Ortsfunktionen.In einer solchen N-Elektronen-Wellenfunktion gehen sich Elektronen188


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.demit parallelem Spin also immer aus dem Weg, sowohl ”innerhalb eines Ortsorbitalsals auch außerhalb“ (Vorsicht: saloppe Sprechweise, im Widerspruch zurUnunterscheidbarkeit der Elektronen!).189


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deWann und warum treten Austauschintegrale auf?Als Beispiel bilden wir die Energien der in einem der vorigen Beispiele auftretendenSlaterdeterminanten für zwei Elektronen:mit zwei verschiedenen Spin-Konfigurationen:Ψ(x 1 ,x 2 ) = |χ 1 (x 1 )χ 2 (x 2 )〉 (589)Fall 1:Fall 2:{χ1 (x 1 ) = ψ 1 (r 1 )α(ω 1 ) =: ψ 1 (r 1 )χ 2 (x 2 ) = ψ 2 (r 2 )β(ω 2 ) =: ¯ψ 2 (r 2 ){χ1 (x 1 ) = ψ 1 (r 1 )α(ω 1 ) =: ψ 1 (r 1 )χ 2 (x 2 ) = ψ 2 (r 2 )α(ω 2 ) =: ψ 2 (r 2 )(590)(591)Mit der üblichen GleichungE = 〈K|Ĥel|K〉 =N∑[m|h|m]+mN∑mN∑{[mm|nn]−[mn|nm]} (592)für die Energie einer Slaterdeterminante in Spinorbitalen (also vor Spinintegration)erhalten wir im Fall 1:n>mE 1 = [ψ 1 |h|ψ 1 ]+[¯ψ 2 |h|¯ψ 2 ]+[ψ 1 ψ 1 |¯ψ 2¯ψ2 ]−[ψ 1¯ψ2 |¯ψ 2 ψ 1 ] (593)Mit Faktorisierung der Integrale in Orts- und Spinkoordinaten und den üblichenResultaten formaler Spinintegration für zwei Elektronen (Vorsicht: hier Physiker-Notation!)wird daraus〈α(1)β(2)|α(1)β(2)〉= 1 , 〈α(1)β(2)|β(1)α(2)〉= 0 (594)E 1 = (1|h|1)+(2|h|2)+(11|22)−0 (595)= h 11 +h 22 +J 12 (596)Wie im obigen Beispiel anhand der Wahrscheinlichkeiten schon diagnostiziert,gibt es hier keine (Fermi-)Korrelation zwischen Elektronen mit entgegengesetztemSpin; die Slaterdeterminante verhält sich also in dieser Hinsicht nicht andersals das einfache Hartree-Produkt. Daher tritt im Energieausdruck neben den Einelektronenintegralenauch nur ein Coulombintegral als Vertreter der klassischenCoulomb-Wechselwirkung zwischen verschmierten Ladungswolken auf.Anders im Fall 2: Hier liefert die Verwendung des Energieausdrucks das ResultatE 2 = [ψ 1 |h|ψ 1 ]+[ψ 2 |h|ψ 2 ]+[ψ 1 ψ 1 |ψ 2 ψ 2 ]−[ψ 1 ψ 2 |ψ 2 ψ 1 ] (597)190


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deBei Spinintegration sind hier alle Spinintegrale trivial Eins, und wir erhalten:E 2 = (1|h|1)+(2|h|2)+(11|22)−(12|21) (598)= h 11 +h 22 +J 12 −K 12 (599)Hier gibt es Fermi-Korrelation zwischen den beiden Elektronen mit parallelemSpin, und es tritt zusätzlich zum obigen Resultat ein Austauschintegral auf. SeinAuftreten ist also Ausdruck eben dieser Fermi-Korrelation zwischen parallelenSpins, die ihrerseits aus der Kombination von Antisymmetrisierung und lediglichzwei Spinfunktionen herrührt. Das Austauschintegral K 12 ist positiv, daher istE 2 < E 1 ; Fall 2 ist also energetisch günstiger als Fall 1, was man intuitivals Abschirmung der Coulomb-Abstoßung zwischen den Elektronen durch dieAustausch ”wechselwirkung“ verstehen kann.191


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Herleitung der Hartree-Fock-GleichungenIm closed-shell–restricted–Fall ist die Energie einer Slaterdeterminante gegebendurch:N/2 N/2 N/2∑ ∑∑E 0 = 2 (m|h|m)+ {2(mm|nn)−(mn|nm)} (600)mmnWir wollen diesen Ausdruck durch Variation der Orbitale ψ m minimieren. Dabeiwollen wir allerdings die Nebenbedingung berücksichtigen, daß die Orbitaleorthonormal bleiben sollen:〈m|n〉 = δ mn (601)Dies ergibt schlicht einfachere Ausdrücke. Außerdem ist eine weitere Energieminimierungdurch das Aufgeben dieser Bedingung im closed-shell–Fall ohnehinnicht möglich, da dort die ”Fermi-WW“ in der Slaterdeterminante die Nicht-Orthogonalitäten beseitigt.Im Sinne einer Lagrange-Minimierung mit Nebenbedingungen minimieren wirdaher das Funktional:L[{ψ m }] = E 0 [{ψ m }]−2N/2∑N/2m=1 n=1∑ǫ mn (〈m|n〉−δ mn ) (602)(Der Faktor 2 vor der Doppelsumme ist ein Trick, um weiter unten eine 2ohne Notationsänderung herauskürzen zu können.) Dabei muß die Matrix ǫder Lagrange-Multiplikatoren hermitesch sein:ǫ nm = ǫ ∗ mn (603)wie sich leicht zeigen läßt: Da L, E 0 und δ mn reell sind und per Definition〈m|n〉 = 〈n|m〉 ∗ gilt (d.h.: ohne m > n in der Doppelsumme sind die Nebenbedingungennicht alle unabhängig voneinander), lautet das konjugiert Komplexevon Gl. 602:L = E 0 −2 ∑ ∑ǫ ∗ mn (〈n|m〉−δ mn) (604)m nDie rechte Seite dieser Gleichung muß daher mit der rechten Seite von Gl. 602selbst identisch sein. Vertauschen wir zusätzlich noch die Namen der Summationsindicesin einer der Doppelsummen, erhalten wir für jeden Summationsterm:ǫ mn (〈m|n〉−δ mn ) = ǫ ∗ nm(〈m|n〉−δ mn ) (605)woraus sich direkt die Behauptung Gl. 603 ergibt.Wir wollen nun die Orbitale funktionsmäßig variieren, wir machen also dieErsetzungψ m → ψ m +δψ m (606)192


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deFür beliebige Wellenfunktionen Ψ und Hamiltonoperatoren Ĥ gilt:E(Ψ+δΨ) = 〈Ψ+δΨ|H|Ψ+δΨ〉 (607)= E(Ψ)+{〈δΨ|H|Ψ〉+〈Ψ|H|δΨ〉}+··· (608)= E(Ψ)+δE +··· (609)und wir sind bei einem Extremum der Energie, wenn die erste Variation derEnergie verschwindet:δE = 0 (610)(Dies reicht eigentlich nicht zur Ermittlung eines Minimums, aber in der Praxiserreicht man mit Hartree-Fock typischerweise keine Maxima.)Daher setzen wir hier die erste Variation von L gleich Null. Unter Berücksichtigungdiverser technischer Feinheiten wie dieser:erhalten wir dafür:δ(δ mn ) = 0 (611)〈ψ m |h|δψ m 〉 = 〈δψ m |h|ψ m 〉 ∗ (612)(ψ m δψ m |ψ n ψ n ) = (δψ m ψ m |ψ n ψ n ) ∗ (613)∑(ψ m ψ m |δψ n ψ n ) = ∑ (ψ n ψ n |δψ m ψ m ) (614)mnmn= ∑ mn(δψ m ψ m |ψ n ψ n ) (615)δL = 2 ∑ m〈δψ m |h|ψ m 〉+2 ∑ mn{2(δψ m ψ m |ψ n ψ n )−(δψ m ψ n |ψ n ψ m )}−2 ∑ mnǫ mn 〈δψ m |ψ n 〉+c.c. = 0 (616)Da die Variationen δψ m für verschiedene m unabhängig sind, muß jeder Term inder Summe über m für sich verschwinden. In ähnlicher Weise sind die Variationenim eigentlichen Ausdruck und die im konjugiert Komplexen unabhängig“ (RealundImaginärteil einer komplexen Zahl sind unabhängige Größen, aber die ”Darstellung als komplexe Zahl und die dazu konjugiert komplexe Zahl ist zurDarstellung in Real- und Imaginärteil äquivalent und entspricht ebenfalls zweiFreiheitsgraden“) und müssen einzeln verschwinden. Mit etwas Umordnung”erhalten wir somit:〈δψ m |h|ψ m 〉+ ∑ n{2(δψ m ψ m |ψ n ψ n )−(δψ m ψ n |ψ n ψ m )} = ∑ nǫ mn 〈δψ m |ψ n 〉 (617)Mit der üblichen Definition des closed-shell-Fock-Operatorsˆf(1) = ĥ(1)+∑ n{2ĵ n (1)− ˆk n (1)} (618)193


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dekönnen wir dies verkürzt schreiben als:〈δψ m |f|ψ m 〉 = ∑ nǫ mn 〈δψ m |ψ n 〉 (619)= 〈δψ m | ∑ nǫ mn |ψ n 〉 (620)Da dies für beliebige Variationen 〈δψ m | gelten muß, muß diese Gleichung fürdie ”kets“ alleine gelten, und wir erhalten:ˆf|ψ m 〉 = ∑ nǫ mn |ψ n 〉 (621)Dies sind bereits ”fast“ die Hartree-Fock-Gleichungen; diese Variante in Gl. 621wird oft als nicht-kanonische HF-Gleichungen bezeichnet. Multiplikation dieserGleichung von links mit 〈ψ n | liefertǫ mn = 〈ψ n |ˆf|ψ m 〉 (622)wodurch sich die Matrix ǫ als Fock-Matrix in der Basis der Orbitale ψ m erweist.Da nach Gl. 603 die Matrix ǫ der Lagrange-Multiplikatoren hermitesch ist, mußes eine unitäre Transformationsmatrix U geben, die die Matrix ǫ durch Transformationder Basisfunktionen ψ m diagonalisiert. Durch eine solche Transformationwird ψ m in eine Linearkombination aller Funktionen ψ n überführt. Die Gesamtwellenfunktiondes N-Elektronensystems ist jedoch eine (Slater-)Determinantedieser Orbitale und als solche invariant gegenüber solchen Transformationen(siehe Mathematik für Chemiker). Mithin ist die Gesamtenergie E = 〈Ψ|H|Ψ〉auch invariant gegenüber solchen Transformationen. Es muß also einen Satzvon transformierten Orbitalen geben, in denen die Matrix ǫ diagonal ist. Indiesem Orbitalsatz erhalten die HF-Gleichungen ihre ”kanonische“ Form:ˆf|ψ m 〉 = ǫ m |ψ m 〉 (623)Beachte, daß diese unitäre Transformationsmatrix U hier (scheinbar) eine reineFormalität ist: In der Praxis lösen wir natürlich direkt die kanonischenHF-Gleichungen. Wegen der Invarianz von Ψ und E gegenüber unitären Transformationenkönnen wir jedoch nach der Ermittlung der kanonischen Orbitale,die i.A. delokalisierten Charakter haben, diese nach Gutdünken unitär transformierenund z.B. einen äquivalenten Satz von Orbitalen erzeugen, der eherder chemischen Vorstellung von lokalisierten Bindungen und ”Elektronenpaaren“entspricht.194


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Koopmans TheoremDie Energie einer Slaterdeterminante für N Elektronen ist:E N =N∑h ii + 1 2i=1N∑i=1N∑(J ij −K ij ) (624)j=1Die Energie einer Slaterdeterminante für N−1 Elektronen, bei der ein Elektronaus Orbital k entfernt wurde, lautet:NEN−1 k = ∑h ii + 1 2i=1i≠kN∑i=1i≠kN∑(J ij −K ij ) (625)Die Differenz beider Ausdrücke ist gerade die Orbitalenergie von Orbital k:E N −E k N−1 = h kk + 1 2= h kk +j=1j≠kN∑(J ik −K ik )+ 1 2i=1N∑(J kj −K kj ) (626)j=1N∑(J ik −K ik ) = ǫ k (627)i=1⇒ Ionisierungsenergie ist gegeben durch:Analoge Überlegung führt zur Elektronenaffinität:IP = E k N−1−E N = −ǫ k (628)EA = E N −E a N+1 = −ǫ a (629)Implizite Voraussetzung dabei: Die MOs bleiben unverändert bei Änderung derElektronenzahl. ⇐ sicherlich falsch! Relaxation der Orbitale im System mitN −1 bzw. N +1 Elektronen würde zu einer Energieerniedrigung führen.Die im HF vernachlässigte Elektronenkorrelation ergibt weitere Energieerniedrigung,stärker für Systeme mit mehr Elektronen als für solche mit wenigerElektronen.⇒ Fehlerkompensation bei IPs, aber Fehlerverstärkung bei EAs.195


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: cusp conditionsFür ein He-artiges Atom (2 Elektronen mit Koordinaten r 1 und r 1 , KernladungZ) lautet der elektronische Hamiltonoperator in atomaren Einheiten:(Ĥ = − 1 2 ∇2 1 − 1 ) (2 ∇2 2 + − Z|r 1 | − Z )|r 2 | + 1=|r 1 −r 2 |ˆT + ˆV (630)Die exakte Grundzustandswellenfunktion erfülltĤΨ(r 1 ,r 2 ) = EΨ(r 1 ,r 2 ) (631)Offensichtlich gibt es aber Singularitäten in ˆV bei r 1 = 0, r 2 = 0 und r 1 = r 2 .Damit die “lokale Energie”ǫ(r 1 ,r 2 ) = ĤΨ(r 1,r 2 )Ψ(r 1 ,r 2 )(632)trotzdem konstant (und gleich dem Eigenwert E) sein kann, müssen die Unendlichkeitsstellenin ˆVΨ durch andere Unendlichkeitsstellen in ˆTΨ kompensiertwerden. (Ψ im Nenner kommt dafür kaum in Frage, da es quadratintegrabelsein muß.) Da ˆT Ableitungen beinhaltet, ist dies gewährleistet, wenn Ψ zwarstetig aber bei r 1 = 0, r 2 = 0 und r 1 = r 2 nicht differenzierbar ist, also Spitzen(cusps) aufweist.Weitere Details ergeben sich, wenn man Ĥ in den drei Abstandskoordinatenr 1 , r 2 und r 12 ausdrückt: 39Ĥ =− 1 2∑( ∂22 ∂r 2 + 2 ∂+ 2Z )i=1 i r i ∂r i r i( ∂2− + 2 ∂− 1 ) (r1− · r12 ∂+ r )2· r21 ∂ ∂(633)r 12 ∂r 12 r 12 r 1 r 12 ∂r 1 r 2 r 21 ∂r 2 ∂r 12∂r 2 12In dieser Form wird sichtbar, daß die Terme der kinetischen Energie mitden Vorfaktoren 1/r für die nötige Kompensation sorgen können. Gleichsetzendes zweiten und dritten Summanden im ersten Klammerterm liefert für dieSingularitäten an den Kernorten die Forderung (nuclear cusp condition):∣∂Ψ ∣∣∣ri= −ZΨ(r i = 0) (634)∂r i =0Für Elektron1 (i = 1, unter der Bedingung Ψ(r 1 = 0,r 2 ,r 12 ) ≠ 0) ist Gl. 634erfüllt, wenn für kleine r 1 gilt:Ψ(r 1 ,r 2 ,r 12 ) = (1−Zr 1 ±···)Ψ(0,r 2 ,r 12 ) (635)39 E. A. Hylleraas, Adv. Quantum Chem. 1 (1964) 1.= exp(−Zr 1 )Ψ(0,r 2 ,r 12 ) (636)196


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deFür Elektron Nr.i in Kernnähe sollte die Wellenfunktion also exponentiell vonr i abhängen. Dies entspricht der Beobachtung, daß 1s-artige Slater-type orbitals(STOs) das physikalisch richtige Verhalten in Kernnähe zeigen.Analog ergibt sich aus dem zweiten Klammerterm in Gl. 633 folgende electronic(Coulomb) cusp condition: 40 ∂Ψ∂r 12∣ ∣∣∣r12=0= 1 2 Ψ(r 12 = 0) (637)Für eine kollineare Anordnung des He-Atomkerns und der beiden Elektronenläßt sich Ψ um r 2 = r 1 und r 12 = 0 entwickeln:Ψ(r 1 ,r 2 ,r 12 ) = Ψ(r 1 ,r 1 ,0)+(r 2 −r 1 ) ∂Ψ∂r 2∣ ∣∣∣r2=r 1+r 12∂Ψ∂r 12∣ ∣∣∣r2=r 1+··· (638)Einsetzen der cusp-condition Gl. 637 liefert:Ψ(r 1 ,r 2 ,r 12 ) = Ψ(r 1 ,r 1 ,0)+(r 2 −r 1 ) ∂Ψ∂r 2∣ ∣∣∣r2=r 1+ 1 2 |r 2−r 1 |Ψ(r 1 ,r 1 ,0)+··· (639)Der dritte Term auf der rechten Seite zeigt, daß Ψ bei r 12 zwar stetig ist,aber unstetige erste Ableitungen hat, also dort eine Spitze aufweist. Aufgrunddes Pluszeichens in Gl. 637 zeigt diese allerdings nach unten (Coulomb hole)und nicht wie beim nuclear cusp Gl. 634 nach oben.40 J. C. Slater, Phys. Rev. 31 (1928) 333; T. Kato, Commun. Pure Appl. Math. 10 (1957) 151.197


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Herleitung Numerov-Methode:Wir betrachten die etwas umgeformte zeitunabhängige Schrödingergleichung ineiner Raumdimension x für ein Teilchen der Masse m:∂ 2∂x 2Ψ(x) =: Ψ(2) (x) = 2m [V(x)−E tot]Ψ(x) (640)2Auf einem regelmäßigen Gitter x i mit Punktabstand ∆x können wir mit derAbkürzung Ψ i = Ψ(x i ) Taylorentwicklungen für Ψ i+1 und Ψ i−1 um x i schreiben:Ψ i+1 =∞∑ (∆x) kk=0k!Ψ (k)i , Ψ i−1 =∞∑ (−∆x) kk=0k!Ψ (k)i (641)Addition dieser beiden Reihen ergibt:∞∑ 2(∆x) 2kΨ i+1 +Ψ i−1 = Ψ (2k)i (642)(2k)!k=0= 2Ψ i +(∆x) 2 Ψ (2)i + 2(∆x)4 Ψ (4)i + 2(∆x)624 720 Ψ(6) i +··· (643)≈ 2Ψ i +(∆x) 22m [V(x)−E tot]Ψ 2 i (644)In Gl. 644 wurde die Entwicklung nach der Ordnung (∆x) 2 abgebrochen unddie Schrödingergleichung Gl. 640 verwendet, um Ψ (2) durch Ψ zu ersetzen.Mit einem Fehler O((∆x) 4 ) ergibt sich diese Propagationsgleichung:Ψ i+1 −2Ψ i +Ψ i−1 = (∆x) 22m [V(x)−E tot]Ψ 2 i (645)Die eigentliche Numerov-Methode ergibt sich daraus durch Wiederholung desgleichen Tricks: In völliger Analogie zu Gl. 642 können wir bilden:Ψ (2)i+1 +Ψ(2) i−1 =∞∑k=02(∆x) 2kΨ (2k+2)i (646)(2k)!= 2Ψ (2)i +(∆x) 2 Ψ (4)i + 2(∆x)4 Ψ (6)i +··· (647)24Durch Multiplikation dieser Reihe mit (∆x) 2 /12 und Subtraktion von Gl. 643(mit Abbruch jeweils nach der Ordnung (∆x) 6 ) fallen die Glieder der Ordnung(∆x) 4 heraus und wir erhalten:Y i+1 −2Y i +Y i−1 = (∆x) 22m 2 [V(x)−E tot]Ψ i (648)mit Y i = Ψ i − (∆x)212 Ψ(2)i (649)Dabei machen wir einen Fehler, der ungefähr dem ersten weggelassenen Gliedentspricht, also −(∆x) 6 /240Ψ (6)i .198


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Herleitung der WKB-NäherungZur Lösung der Schrödingergleichung∂ 2 p2 (x)∂x 2Ψ(x)+Ψ(x) = 0 mit p(x) = √ 2m[E 2 tot −V(x)] (650)machen wir den hinreichend allgemeinen AnsatzalsoEinsetzen in Gl. 650 liefert:Ψ(x) = e iS(x)/ mit S(x) ∈ C (651)dΨdx = eiS/i S′ (652)d 2 (Ψ i= e iS/dx 2 S′′ − 1 )(653) 2S′2−S ′2 +p 2 (x)+iS ′′ = 0 (654)Diese Gleichung ist nichtlinear und daher nicht leichter lösbar als die ursprünglicheGleichung Gl. 650.Man kann jetzt jedoch die Funktion S in Potenzen von entwickeln. DerHintergedanke dieser Entwicklung ist, daß im klassischen Limit → 0 dieWellenlänge λ = 2π/p gegen Null geht. In diesem Limit ist dann jedesnicht-pathologische Potential auf der Längenskala von λ langsam veränderlich.Dies verbessert die Genauigkeit des Grundgedankens der WKB-Approximation.Umgekehrt können dann jegliche Korrekturen zu den erhaltenen Formeln daraufzurückgeführt werden, daß nicht wirklich Null ist. Solange jedoch als kleinbehandelt werden kann, kann man hoffen, daß Korrekturen in Potenzen von berechenbar sind.Also schreiben wirS = S 0 +S 1 + 2 S 2 +··· (655)und mithin S ′ = S 0 ′ +S′ 1 +2 S 2 ′ +··· (656)sowie S ′2 = S 02 ′ + 2 S 12 ′ + 4 S 22 ′ +···+2S 0S ′ 1 ′ +2 2 S 0S ′ 2 ′ +2 3 S 1S ′ 2 ′ +··· (657)und S ′′ = S 0 ′′ 1 +2 S 2 ′′ +··· (658)Einsetzen in Gl. 654 und Sortieren nach Potenzen von liefert:[−S 0′ 2 +p 2 (x)]+[−2S 0S ′ 1 ′ +iS 0]+ ′′ 2 [−2S 0S ′ 2 ′ −S 1′ 2 +iS 1]+··· ′′ = 0 (659)Durch Koeffizientenvergleich der n , n = 0,1,2,..., links und rechts erhaltenwir für n = 0:S ′ 02 = p 2 (x) (660)199


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.desowie für n = 1:S 1 ′ = i S′′ 02S 0′ (661)Betrachten wir nur diese beiden Gleichungen, entspricht das einem Abbruch derReihenentwicklung Gl. 655 nach dem zweiten Glied, was im (semi)klassischenLimit → 0 gerechtfertigt erscheint.Gl. 660 kann sofort integriert werden und liefert:∫ xS 0 = ±x 0p(x ′ )dx ′ (662)Die Integration von Gl. 661 ist nur unwesentlich schwieriger:S 1 = i ∫ 1 dS 0′2 S 0′ dx 2∫ dx = i 1S 0′ dS 0 ′ = i 2 ln|S′ 0| (663)Zur Elimination von |S 0 ′ | auf der rechten Seite kann Gl. 660 verwendet werden,sodaß sich schließlich ergibt:S 1 = i ln|p(x)| (664)2Nach Gl. 655 ergibt sich S in unserer abgebrochenen Reihenentwicklung ausS 0 und S 1 ; und der ursprüngliche Ansatz Gl. 651 liefert schließlich die Wellenfunktionin der WKB-Approximation:lnΨ(x) = i S = i S 0 +iS 1 = − 1 2 ln|p(x)|± i p(x ′ )dx ′ (665)x⎡ ⎤01Ψ(x) = √ exp⎣± i ∫ xp(x ′ )dx ′ ⎦ (666)|p(x)| x 0∫ xEine notwendige Voraussetzung für die Konvergenz der Reihe Gl. 655 ist, daßder Betrag der Reihenglieder mit wachsender Potenz von kleiner wird, alsohier insbesondere:|S 0 | ≫ |S 1 | (667)Bildung der ersten Ableitung auf beiden Seiten dieser Beziehung und Verwendungder Gln. 660 und 661 zur Ersetzung von S 0, ′ S 1 ′ und S 0 ′′ liefert:∣ |p(x)| ≫S 0′′∣∣∣ ∣ ∣ = dp(x)2p(x) dx ∣ (668)2S ′ 0200


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDie erste Ableitung der de-Broglie-Beziehung λ(x) = 2π/p(x) lautet jedoch:Also wird aus Gl. 668:dλdx = 2π ddxund wir erhalten schließlich:1p(x)1 ≫ 12π−1 dp(x)= 2πp 2 (x) dx(669)dλ∣dx∣ (670)∣ ∣∣∣ dλdx∣ ≪ 2π (671)als Voraussetzung der (näherungsweisen) Gültigkeit der WKB-Approximation.201


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: numerische IntegrationEin bestimmtes Integral kann numerisch durch eine endliche Summe approximiertwerden:∫ bn∑f(x)w(x)dx≈ A k f(x k ) (672)amit hoher Genauigkeit durch geeignete Wahl der 2n+1 Parameter n,A k ,x k .Bei interpolierenden Integrationsformeln wird f(x) durch ein Interpolations-Polynom des Grades n−1 ersetzt, z.B. durch das Interpolationspolynom vonLagrange:n∑ α(x)f(x) ≈ P n−1 (x) =(x−x k )α ′ (x k ) f(x k) (673)wobei α(x) ein vollständig faktorisiertes Polynom n-ten Grades ist:Beachte: P(x k ) = f(x k ) wegenk=1k=1α(x) = (x−x 1 )(x−x 2 )···(x−x n ) (674)limx→x kDamit wird aus dem Integral:∫ baf(x)w(x)dx≈n∑k=1∫ bf(x k )aα(x)(x−x k )α ′ (x k ) = 1 (675)α(x)n∑(x−x k )α ′ (x k ) w(x)dx = A k f(x k ) (676)Dies ist exakt, wenn f(x) ein Polynom maximal (n−1)-ten Grades ist.Dabei nicht verwendet: Position der x k .GleichbleibenderPunktabstand ⇒ Newton-Cotes-Formeln,z.B. Simpson-Integration:∫ baf(x)dx ≈ ∆x3 {f(a)+4f(a+∆x)+2f(a+2∆x)+···+4f(b−∆x)+f(b)}k=1(677)Weitere Verbesserung: Gauß-Integration (Gaussian quadrature)Wähle x k so, daß das Polynom n-ten Grades α(x) orthogonal zu allen Polynomenniedrigerer Ordnung im Intervall [a,b] bezüglich des Gewichtsfaktors w(x) ist(Legendre-, Hermite-, Laguerre-, Chebyshev-, ...-Polynome). Dann sind die x kdie n Nullstellen von α(x).Dadurch wird die Approximation exakt wenn f(x) ein Polynom maximal(2n−1)-ten Grades ist. 4141Beweis: G. Arfken:Auflage, Appendix 2.Mathematical methods for physicists“, Academic Press, San Diego, 1985, 3.”202


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Die FBR-DVR-TransformationIn der (pseudo)spektralen FBR-Darstellung wird die Wellenfunktion ψ(x) inder endlichen Basis {φ i (x)} dargestellt:ψ(x) = ∑ ia i φ i (x) (678)Daraus ergibt sich die DVR-Basis durch Transformation mit der Matrix L:δ α (x) = ∑ iφ i (x)L † iα mit L † iα = √ w α φ ∗ i(x α ) (679)Wenn die FBR-Basis orthonormal ist, lauten ihre Überlappungsmatrixelemente:∫S ij = φ ∗ i(x)φ j (x)dx = δ ij (680)Mit diskreter Gauß-Integration wird aus diesem Integral folgendes:S ij = ∑ αw α φ ∗ i(x α )φ j (x α ) (681)= ∑ α√wα φ ∗ i(x α ) √ w α φ j (x α ) (682)= (L † L) ij (683)= δ ij (684)Deshalb sind die Spaltenvektoren der Matrix L orthonormal.Um zu zeigen, daß L unitär ist, muß noch demonstriert werden, daß dieZeilenvektoren ebenfalls orthonormal sind. Dazu betrachten wir Elemente derÜberlappungsmatrix ∆ der DVR-Basis:∫∆ αβ = δα(x)δ ∗ β (x)dx (685)Einsetzen der Definition Gl. 679 und erneute Verwendung der Orthonormalitätder FBR-Basis liefert:∫ ( )( )√ ∑∆ αβ = wα φ i (x α )φ ∗ √ ∑i(x) wβ φ ∗ j(x β )φ j (x) dx (686)= ∑ ij= ∑ ii√wα φ i (x α ) √ ∫w β φ ∗ j (x β) φ ∗ i (x)φ j(x)dx (687)} {{ }δ ij√wα φ i (x α ) √ w β φ ∗ i (x β) (688)j= (LL † ) αβ (689)203


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAufgrund der Orthonormalität der Spaltenvektoren von L ist die Matrix ∆idempotent:∆ 2 = (LL † ) 2 = LL † LL † = L(L † L)L † = LL † = ∆ (690)Bei idempotenten Matrizen sind alle Eigenwerte 0 oder 1. Wegen L † L = 1 mußgelten tr(L † L) = N (Anzahl der Basisfunktionen oder Gitterpunkte). Wegender Invarianz der Spur eine Matrixprodukts bezüglich zyklischer Vertauschungim Produkt gilt dann auch tr(LL † ) = N. Wegen Invarianz der Spur unterunitären Transformationen ist die Summe der Eigenwerte einer Matrix gleichihrer Spur. Daher muß die Matrix ∆ = LL † genau N Eigenwerte vom Wert1 haben und kann deshalb nur die Einheitsmatrix sein. Also ist nicht nurS = L † L = 1 sondern auch ∆ = LL † = 1, und daher ist L unitär.204


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix/Erinnerung: Die FourierreiheEntwicklung eines beliebigen Vektors in ein Orthonormalsystem (ONS) vonBasisvektoren entspricht der Entwicklung einer beliebigen Funktion in ein ONSvon Basisfunktionen. In beiden Fällen ergeben sich die Koeffizienten der Entwicklungdurch Projektion des zu entwickelnden Objekts (Vektor, Funktion)auf die Basisvektoren bzw. -funktionen. Diese Projektion ist bei Vektoren dasSkalarprodukt, bei Funktionen φ i (x) das Integral〈φ i |φ j 〉 =∫ bφ ∗ i(x)φ j (x)dx (691)a{ }1Bei einem ONS gilt 〈φ i |φ j 〉 = δ ij . Das Funktionensystem √2πe ikx ist ein ONSim Intervall x ∈ [−π,π]. Die Darstellung einer Funktion f(x) in diesem ONSheißt Fourierreihe:f(x) = 1 √2π∞∑k=−∞−πc k e ikx (692)c k = √ 1 ∫πe −ikx f(x)dx (693)2πMit exp(ikx) = cos(kx)+isin(kx) (Euler) umschreibbar in:(f(x) = √ 1 1π 2 a 0 +a 1 cos(x)+a 2 cos(2x)+a 3 cos(3x)+···)+b 1 sin(x)+b 2 sin(2x)+b 3 sin(3x)+···(694)a n = √ 1 ∫ππ−π−πf(x)cos(nx)dx (695)b n = √ 1 ∫πf(x)sin(nx)dx (696)πAlternative Sicht: Abbildung der Funktion f(x) vom kontinuierlichen Raumder x-Koordinate in den diskreten Raum der c k - bzw. a n ,b n -Koeffizienten.Durch die Periodizität von exp(ikx) bzw. von sin(nx) und cos(nx) ist dieFourierreihe im Intervall [−π,π] eine Näherung an die Funktion; außerhalb desIntervalls liegen periodische Kopien des Intervalls.205


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix/Erinnerung: Die FouriertransformationBei einer Erweiterung des Intervalls auf [−∞,∞] (bzw. für eine vollständigeErfassung nicht-periodischer Funktionen) werden aus den Summen in Gln. 692bzw. 694 Integrale und der diskrete Raum der c k -Koeffizienten wird zu einerkontinuierlichen k-Koordinate. Man erhält so die Fouriertransformation:f(x) = √ 1 ∫∞g(k)e ikx dk Fouriertransformation (697)2π−∞g(k) = √ 1 ∫∞f(x)e −ikx dx inverse Fouriertransformation (698)2π−∞(beachte: verschiedene Konventionen für Vorfaktoren, ±i-Vorzeichen, Namensgebung)Die Funktion g(k) ist das Abbild der Funktion f(x) im k-Raum, und umgekehrt.Die Funktionen f(x) und g(k) sind ein Fouriertransform-Paar.Wichtige Beispiele für Fouriertransform-Paare:x-Raum k-RaumDelta-Funktion δ(x−x 0 ) KonstanteKonstante Delta-Funktion δ(k −k 0 )Gaußfunktion e −ax2 Gaußfunktion e −bk2Gaußfunktion e −x2 /(2σ 2) /σ Gaußfunktion σe −ak2 /(2/σ 2 )Die letzten beiden Beispiele zeigen: Die Varianzen ( ”Breiten“)von Fouriertransform-Paaren hängen zusammen wievar(f)var(g) ≥ 1 (699)(wobei das Gleichheitszeichen nur für Gaußfunktionen gilt).Gewisse Operationen im x-Raum sind im k-Raum einfacher,z.B. wird aus einer Differentiation nach x eine Multiplikation mit k:∂∂x f(x) = √ 1 ∫∞∂2π ∂x [g(k)eikx ]dx = √ 1 ∫∞g(k) ∂2π ∂x eikx dx = √ 1 ∫∞(ik)g(k)e ikx dx 2π−∞−∞Entsprechend erhält man die 2. Ableitung durch:f(x) IFT−→ g(k) −→ −k 2 g(k) FT−→ ∂2−∞(700)∂x2f(x) (701)206


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Diskrete Fouriertransformation (DFT) 42Vereinfachende Annahme: f(x) = 0 für |x| > A/2. Dann ist die FT:g(ω) =∫ ∞−∞f(x)e i2πωx dx =∫A/2−A/2f(x)e i2πωx dx (702)Mit einer Diskretisierung der x-Achse in N+1 Intervalle der Länge ∆x = A/Ngemäßx −N/2 = −A/2,...,x 0 = 0,...,x N/2 = A/2 (703)kann man das Integral Gl. 702 nach der Trapezregel berechnen:g(ω) ≈ ∆xN2∑n=− N 2 +1 f(x n )e i2πωx n= A NN2∑n=− N 2 +1 f(x n )e i2πωx n(704)Gleichzeitig soll aber auch die inverse FT auf N Punkte diskretisiert werden.A ist größte Wellenlänge, die im Ortsraumgitter darstellbar ist; das entsprichtder kleinstmöglichen Frequenz von ∆ω = 1/A. Also haben wir das Frequenzraumgitterω k = k∆ω:ω −N/2 = −Ω/2,...,x 0 = 0,...,ω N/2 = Ω/2 (705)mit Ω = N∆ω = N/A. Daraus ergeben sich die wichtigen BeziehungenAΩ = N , ∆x∆ω = 1 N(706)Mit der Umformungergibt sich schließlich:x n ω k = (n∆x)(k∆ω) = nA NkA = nkN(707)g(ω k ) = A NN2∑n=− N 2 +1 f(x n )e i2πω kx n= A NDie inverse Transformation lautet:f(x n ) =N2∑N2∑n=− N 2 +1 f(x n )e i2πnk/N = AF k (708)k=− N 2 +1 F k e −i2πnk/N (709)42 W. L. Briggs und V. E. Henson:Siam, Philadelphia, 1995.The DFT: An owner’s manual for the discrete Fourier transform“,”207


” hard-wired“. 208Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deEine band-limitierte Funktion enthält tatsächlich keine Frequenzkomponentenaußerhalb des Intervalls [−Ω/2,Ω/2].Für solche Funktionen gilt Shannons sampling theorem:Wenn∆x ≤ 1 Ω = 1(710)N∆ω(Nyquist sampling rate) gewählt wird, kann f(x) an allen(!) Punkten x exakt(!)aus den samples f(x n ) rekonstruiert werden. (Damit sind auch die Ableitungenexakt.) Aber: Prinzipiell kann keine Funktion gleichzeitig im Orts- undFrequenzraum begrenzt sein. ⇒ sampling-Fehler in der Praxis.Appendix: Fast Fourier Transform (FFT)Die DFT kann in Matrix-Vektor-Form definiert werden;Skalierung des Rechenaufwands: N 2Mit verschiedenen Tricks kann dieser Aufwand auf lediglich N logN reduziertwerden, z.B.: ”butterfly“-Algorithmen: Mit der trivialen Umformunge i4πnk/N = e i2πnk/(N/2) , abgekürzt: ωN 2nk = ωN/2 nk (711)kann eine DFT eines Vektors der Länge NX k =N−1∑n=0x n ω nkN (712)nach Aufspaltung auf Teilvektoren der gerade und ungerade numerierten EinträgeN∑2 −1 ( )X k = y n ωN 2nk +z n ω (2n+1)kN(713)n=0auf zwei DFTs der Länge N/2 zurückgeführt werden:X k =N2 −1∑n=0y n ω nkN/2 +ωk NN2 −1∑n=0z n ω nkN/2 (714)Halbiert man diese Teil-DFTs nach demselben Schema immer weiter, resultierenschließlich N DFTs der Länge 1. Aber der output einer DFT der Länge 1ist identisch zu ihrem input. Damit reduziert sich die ursprüngliche DFTder Länge N auf geeignete Aufspaltungen der Sequenz und ein geeignetesWieder-Zusammensetzen, mit Applikation einfacher Vorfaktoren.Diese und viele andere FFT-Varianten (auch in mehreren Dimensionen) gibtes in portablen software-libraries, in maschinenadaptierten Varianten und sogar


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Fouriertransformation in der QuantenmechanikDie Fouriertransformationφ(p) = √ 1 ∫∞2π−∞ψ(x)e ipx/ dx (715)kann mit der Definitionv p (x) = 1 √2πe −ipx/ (716)umgeschrieben werden zuφ(p) =∫ ∞v ∗ p(x)ψ(x)dx = 〈p|ψ〉 (717)−∞Dadurch werden die ebenen Wellen v p (x) als Basisfunktionen des Impulsraumsuminterpretiert. Gl. 717 ist dann die Projektion der abstrakten Wellenfunktion|ψ〉 auf eine dieser Basisfunktionen und liefert die Impulsraumdarstellung φ(p)an der Stelle p.Formal kann man auch Basisfunktionen für den Ortsraum definieren:ξ x0 (x) = δ(x−x 0 ) (718)Die übliche Ortsraumdarstellungvon ψ ergibt sich dann wieder durch Projektion:ψ(x 0 ) =∫ ∞−∞δ(x−x 0 )ψ(x)dx =∫ ∞−∞ξ ∗ x 0(x)ψ(x)dx = 〈x|ψ〉 (719)⇒ zwei äquivalente Repräsentationen; Wechsel von der einen in die anderedurch Fouriertransformation:Ortsraum:Operatoren:Schrödingergleichung:ˆx = x , ˆp = −i ∂∂xi ∂ [∂t ψ(x,t) = − 22m∂ 2 ]∂x +V(x) 2Der Potentialoperator ist diagonal im Ortsraum.(720)ψ(x,t) (721)209


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deImpulsraum:Operatoren:ˆx = i ∂ ∂p, ˆp = p (722)Schrödingergleichung:i ∂ p2φ(p,t) =∂t 2m φ(p,t)+ √ 1 ∫2π¯V(p−p ′ )φ(p ′ ,t)dp (723)Der Operator der kinetischen Energie ist diagonal im Impulsraum.Einige prinzipielle und praktische Folgerungen:• Die Orts-Impuls-Unschärferelation (Heisenberg)∆x∆p ≥ 2(724)ist nichts anderes als der mathematisch ganz normale ZusammenhangGl. 699 zwischen den Varianzen ( ”Breiten“) der beiden Funktionen einesFouriertransform-Paares.• mit geeigneten Hin- und Rück-Fouriertransformationen zwischen Orts- undImpulsraum reduziert sich die Berechnung von ĤΨ auf triviale Multiplikationenmit der Orts- bzw. Impulskoordinate: 43ψ(x) −→ IFTφ(k) −→ − 2 k 2 FTφ(k) −→ ˆp2 ˆp2ψ(x) −→ ψ(x)+V(x)ψ(x) = Ĥψ(x)2m 2m 2m(725)Dabei können wir ausnutzen: 43– die gesamte Theorie der numerischen, diskreten Fouriertransformation,insbes. z.B. die Reziprozitätsbeziehungen Gl. 706, mit denen sich dasImpulsraumgitter direkt aus der Wahl des Ortsraumgitters ergibt,und das sampling-Theorem Gl. 710, das den Gitterpunktabstand imOrtsraum mit dem maximal darstellbaren Impuls verbindet:∆x ≤ πp max(726)(beachte: das sind deutlich weniger Punkte pro Wellenlänge als beinormaler numerischer Differentiation!) sowie die Erweiterung der DFTauf mehr als eine Dimension;– die komplette Maschinerie der FFT ⇒ wegen (N logN)-Skalierungvielleicht die effizienteste Ĥψ-Berechnung der Welt.43 D. Kosloff und R. Kosloff, J. Comput. Phys. 52 (1983) 35; R. Kosloff, J. Phys. Chem. 92 (1988)2087.210


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deEinzige bisher bekannte Einschränkungen:– geht manchmal nicht für alle Anteile der kinetischen Energie beikomplizierteren Koordinaten als kartesischen;– ist nicht Potential-angepasst: äquidistante Punkte im Raum erzwingendie maximale Punktdichte auch dort, wo der maximal darzustellendeImpuls viel kleiner ist oder sogar negativ wird (klassisch verboteneBereiche, bei ψ → 0 gar keine Punkte mehr nötig!);– geht effektiv nur auf quaderförmigen Gebieten, und das wird mit steigenderDimensionalität gegenueber den eigentlich nur nötigen Gebietenmehr und mehr ineffizient.– Falsche periodische Bilder von ψ(x) könnten in eigentliches Ortsraumgitterhineinlaufen; in der Praxis beherrschbar (Potentialwände undkomplexe absorbierende Potentiale, siehe Dynamik)Anmerkung:Zeit und Energie sind ebenfalls durch eine Fouriertransformation verknüpft ⇒• Unschärferelation auch zwischen diesen beiden Größen• Anwendungen z.B. bei Fouriertransformation von Korrelationsfunktionen(Zeitdomäne) zu Spektren (Energie- bzw. Frequenzdomäne)211


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Herleitung Ehrenfest-TheoremFür den Erwartungswert 〈A〉 eines beliebigen Operators Â∫∞〈A〉 := 〈Ψ|Â|Ψ〉 =ergibt sich die zeitliche Veränderung zu〈 〈〉 〈d dΨdt 〈A〉 = ∣dt ∣ ∣〉+ Ψ Ψ∣dΨ∣ ∣ + Ψdt−∞Ψ ∗ ÂΨdτ (727)∣dÂdt〉∣ Ψ(728)Mit der zeitabhängigen Schrödingergleichung und ihrem komplex konjugierteni ∂Ψ∂t= ĤΨ , −i∂Ψ∗∂t= ĤΨ∗ (729)wird daraus 44 ddt 〈A〉 = 1i 〈−ĤΨ|Â|Ψ〉+ 1 〈i 〈Ψ|Â|ĤΨ〉+ Ψ= 1 〈 〉 di 〈Ψ|[Â,Ĥ]|Ψ〉+ Âdt∣dÂdt〉∣ Ψ(730)(731)Ist der Operator nicht explizit zeitabhängig, verbleibt:i d 〈A〉 = 〈Ψ|[Â,Ĥ]|Ψ〉 = 〈[Â,Ĥ]〉 (732)dtFür den Ortsoperator ˆq und den zugehörigen Impulsoperator ˆp ist das:i d 〈q〉 = 〈[ˆq,Ĥ]〉 (733)dti d 〈p〉 = 〈[ˆp,Ĥ]〉 (734)dtFür einen generischen Hamiltonoperator Ĥ = ˆp2 /2m+V(ˆq) erhält man für denersten dieser Kommutatoren:[ˆq,Ĥ] = [ˆq, ˆp 2 =02m ]+ { }} {[ˆq,V(ˆq)] (735)= 12m [ˆq, ˆp2 ] = i2m 2ˆp = i ˆp m(736)44nicht zufällig ergibt sich eine Ähnlichkeit zum Heisenberg-Bild: zeitunabhängige Wellenfunktion,zeitabhängige Operatoren, Bewegungsgleichung mit Kommutator212


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDabei wurde in der letzten Zeile neben [ˆq, ˆp] = i folgender Satz verwendet:[Â,f(ˆB)] = [Â, ˆB]f ′ (ˆB) (737)der u.a. für Operatoren gilt, deren Kommutator eine Konstante ist (Herleitungsiehe 〈Appendix-Appendix〉).In ähnlicher Weise ergibt sich für den zweiten Kommutator:=0{ }} {[ˆp,Ĥ] = ˆp 2[ˆp, ]+[ˆp,V(ˆq)] = −i∂V2m ∂ˆq(738)wobei [ˆp,ˆq] = −[ˆq,ˆp] = −i und eine gefährlich laxe Notation verwendet wurde.Für die Erwartungswerte in den Gln. 733,734 ergibt sich also:d 〈p〉〈q〉 =dt m〈 〉d ∂Vdt 〈p〉 = − ∂q(739)(740)Dieses Resultat ist die eigentliche Form des Ehrenfest-Theorems (beachte: eswurden keine Näherungen gemacht!). Bemerkenswert ist die Ähnlichkeit zurHamiltonschen Form der Bewegungsgleichungen der klassischen Mechanik:dqdt = p mdpdt = −∂V ∂q(die ineinander eingesetzt das bekannte d 2 q/dt 2 = a = F/m ergeben).(741)(742)Der Unterschied zwischen Gln. 739,740 und Gln. 741,742 verschwindet nichteinfach nur durch Übergang von Erwartungswerten 〈q〉,〈p〉 über die“verschmierte”Wellenfunktion zu “scharfen” klassischen Variablen q,p, sondern Gl. 740enthält noch eine Subtilität:〈V ′ (q)〉 ≠ V ′ (〈q〉) (743)Enthielte Gl. 740 V ′ (〈q〉), könnte man alleine aus Ψ(t = 0) mit den Gln. 739,740die komplette Zeitabhängigkeit von 〈q〉,〈p〉 ausrechnen. Tatsächlich wird wegen〈V ′ (q)〉 aber Ψ(t) zu allen Zeiten t benötigt.Entwickelt man V ′ (ˆq) in eine Taylorreihe um 〈q〉V ′ (ˆq) = V ′ (〈q〉)+(ˆq −〈q〉)V ′′ (〈q〉)+ 1 2 (ˆq −〈q〉)2 V ′′′ (〈q〉)+··· (744)213


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.desieht man, daß sich für den Erwartungswert ergibt:〈V ′ (ˆq)〉 = V ′ (〈q〉)+〈q〉V ′′ (〈q〉)−〈q〉V ′′ (〈q〉)+ 1 2 〈(ˆq2 −2ˆq〈q〉+〈q〉 2 )V ′′′ (〈q〉)+···(745)= V ′ (〈q〉)+ 1 2 (〈q2 〉−〈q〉 2 )V ′′′ (〈q〉)+··· (746)Für harmonische Potentiale ist V ′′′ (q) = 0, und damit ist das gewünschte〈V ′ (q)〉 = V ′ (〈q〉) (747)streng gültig und damit auch die “verschärfte” Ehrenfest-Formd 〈p〉〈q〉 = (748)dt mddt 〈p〉 = −V ′ (〈q〉) (749)bei der Ψ(t = 0) die gesamte Zeitentwicklung von 〈q〉,〈p〉 determiniert.Einerseits ist das• eine verblüffende Parallele zur klassischen Mechanik,• die offenbar bis zu harmonischen Potentialen strenger gilt als jenseits.Andererseits• gilt bei einem kompakten Startwellenpaket für kurze Zeiten 〈V ′ (q)〉 =V ′ (〈q〉) ohnehin recht gut, auch für beliebige Potentiale,• und auch bei harmonischen Potentialen muß 〈q〉(t),〈p〉(t) kein gutes Maßfür die Bewegung des Gesamtwellenpakets sein.214


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix-Appendix:Kommutatoren von Funktionen von OperatorenTrivialerweise gilt für jeden Operator Â[Â,Ân ] = 0 (750)Für als Taylorreihe darstellbare Funktionen F(.) gilt dann auch[Â,F(Â)] = 0 (751)d.h. jeder Operator  kommutiert mit jeder Funktion F desselben Operators.Offensichtlich muß ebenfalls gelten:[ˆB,Â] = 0 ⇒ [ˆB,F(Â)] = 0 (752)Schwieriger ist der letzte Fall, wennwir lediglich den Spezialfall[ˆB,Â] ≠ 0. Zur Vereinfachung betrachten[Â, ˆB] = a mit a ∈ C und a ≠ 0 (753)(typisches Beispiel: Ortsoperator ˆx und Impulsoperator ˆp x ; dann ist a = i. Imallgemeineneren Fall könnte das Resultat des Kommutators auch wieder einOperator und keine einfache Zahl sein.)Für diesen Spezialfall beweisen wir durch vollständige Induktion die Beziehung[Â,F(ˆB)] = aF ′ (ˆB) (754)(wobei F ′ die erste Ableitung der Funktion F ist). Daher betrachten wirzunächst den Fall [Â, ˆB 2 ]. Mit Hilfe der allgemeinen Kommutatorbeziehung[Â, ˆBĈ] = [Â, ˆB]Ĉ + ˆB[Â,Ĉ] ergibt sich:[Â, ˆB 2 ] = [Â, ˆB ˆB] = [Â, ˆB]ˆB + ˆB[Â, ˆB] = 2aˆB (755)also genau die zu zeigende Beziehung Gl. 754, für den Fall F(ˆB) = ˆB 2 .Wenn wir nun annehmen, daß[Â, ˆB n ] = anˆB n−1 (756)für einen Wert von n gezeigt ist, können wir demonstrieren, daß eine analogeBeziehung auch für den nächsthöheren Wert n+1 gilt:[Â, ˆB n+1 ] = [Â, ˆB ˆB n ] = [Â, ˆB]ˆB n + ˆB[Â, ˆB n ] = aˆB n +anˆB ˆB n−1 = a(n+1)ˆB nDaraus und aus Gl. 755 folgt per Induktion die Behauptung Gl. 756.215(757)


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deWiederum nach einer Taylorentwicklung ist jedoch die linke Seite unserereigentlichen Zielbehauptung Gl. 754 nichts anderes als:[Â,F(ˆB)] = ∑ n[Â,f n ˆB n ] = ∑ nanf n ˆBn−1(758)In der rechten Seite dieser Gleichung erkennen wir aber die Reihenentwicklungs-Definition der Ableitungsfunktion F ′ (ˆB) und es ergibt sich unmittelbar dieGültigkeit der Behauptung[Â,F(ˆB)] = aF ′ (ˆB) (759)Wie in einigen ähnlichen Fällen kann auch dieser Satz von der Voraussetzung[Â, ˆB] = a zu der etwas schwächeren Voraussetzung [Â,[Â, ˆB]] = [ˆB,[Â, ˆB]] =0 (beide Operatoren kommutieren mit ihrem Kommutator) verallgemeinertwerden. Die Argumentation ist dabei sehr ähnlich zu der gerade vorgeführtenund liefert:[Â,F(ˆB)] = [Â, ˆB]F ′ (ˆB) (760)216


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix Operatoralgebra: Funktionen von Operatoren sei ein beliebiger linearer Operator. Wenn der Operator invertierbar ist, istder inverse Operator definiert über −1  = ÂÂ−1 = ˆ1 (761)Noch einfacher sind ganzzahlige, positive Potenzen von Â: n = ···Â } {{ }nmal(762)Sie entsprechen einfach einer n-maligen Anwendung von Â.Andere Funktionen von  sind schwieriger zu definieren. Wie beim Übergang vonFunktionen einer reellen Variablen zu Funktionen einer komplexen Variablenkann man sich auch hier der Taylorreihe bedienen: Die Funktion F(x) sei(innerhalb eines gewissen Konvergenzintervalls) in eine Taylorreihe entwickelbar:Dann definieren wir die FunktionF(x) =∞∑f n x n (763)n=1F(Â) als folgende Reihe∞ F(Â) = ∑f n  n (764)n=1mit denselben Koeffizienten f n wie in Gl. 763. Die rechte Seite von Gl. 764bereitet dann keine Schwierigkeiten mehr, weil ja ganzzahlige, positive Potenzenvon  sehr einfach gegeben sind.Beispiel: Die Operatorfunktion e ist definiert durche =∞∑n=0 nn! = ˆ1+Â+Â2 /2+···+Ân /n!+··· (765)Beachte: Wenn F(x) eine reelle Funktion ist, sind auch die Koeffizienten f nreell. Wenn außerdem der Operator  hermitesch ist, ist nach Gl. 764 auchF(Â) hermitesch.ψ a sei eine Eigenfunktion von  mit Eigenwert a:Âψ a = aψ a (766)n-malige Anwendung von liefert dann: n ψ a = a n ψ a (767)217


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDamit können wir F(Â) nach Gl. 764 auf ψ a wirken lassen und erhalten:∞∑F(Â)ψ a = f n a n ψ a = F(a)ψ a (768)n=1Mit anderen Worten: Wenn ψ a eine Eigenfunktion von  mit Eigenwert a ist,dann ist ψ a auch Eigenfunktion von F(Â), allerdings mit Eigenwert F(a).Daraus wird klar, wie wir auf einfache Weise Funktionen eines Operatorsbestimmen können, wenn dieser als Matrix (also in einer Basisdarstellung)gegeben ist: Wir transformieren in die Basis, in der der Operator diagonalist. Diese Basis ist die Basis der Eigenfunktionen des Operators. Dort könnenwir also Gl. 768 anwenden; dadurch wird aus jedem Eigenwert a auf derDiagonalen der entsprechende Wert F(a). Dann transformieren wir wiederzurück in die ursprüngliche Basis. Wenn wir die Transformationsmatrix ( =Matrix der Eigenvektoren von Â) mit U bezeichnen und die Diagonalmatrixder Eigenwerte mit a, haben wir also folgende Vorschrift:F(A) = UF(a)U † (769)Im hier betrachteten Zusammenhang sind Operatoren im Exponenten interessant,wie sie beim Propagator auftreten. Dabei ist insbesondere zu beachten:Die sogenannte Haupteigenschaft der Exponentialfunktion (e a e b = e a+b ), die fürZahlen immer gültig ist (z.B. auch für komplexe Zahlen), gilt für Operatoreni.A. nur, wenn diese kommutieren:[Â, ˆB] = 0 ⇒ eÂeˆB = eˆBe = eÂ+ˆB[Â, ˆB] ≠ 0 ⇒ eÂeˆB ≠ eˆBe ≠ eÂ+ˆBDas wird klarer, wenn wir die entsprechenden Taylorreihen betrachten:eÂeˆB = ∑ meˆBe = ∑ neÂ+ˆB = ∑ m mm!∑nˆB n ∑n!mˆB nn!m(Â+ ˆB)m!= ∑ m,n mm! = ∑ m,n m ˆBnm!n!ˆB n  mm!n!(770)(771)(772)(773)(774)Zum Beispiel ergeben sich im Term 2. Ordnung in Gl. 774 (unter Voraussetzung,daß die Operatoren linear sind) die Terme (Â2 + ˆB + ˆB + ˆB 2 )/2. In Gl.772 erhalten wir jedoch Â2 /2, ˆB2 /2 sowie ˆB/1. Dabei fehlt offensichtlich einTerm der Art ˆBÂ, und die Koeffizienten sind unterschiedlich. Sobald jedoch[Â, ˆB] = 0 gilt, haben wir ˆB = ˆB und beide Fälle stimmen überein.218


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix Operatoralgebra: Ableitungen von OperatorenEin Operator Â(t) hänge von einer beliebigen Variablen t ab. Die MatrixelementeA ij dieses Operators in einer Matrixdarstellung mit beliebigen Basisfunktionenφ i sind dann ebenfalls zeitabhängig: A ij (t). Wenn diese Basisfunktionenzeitunabhängig sind, giltddt A ij = 〈φ i | dÂdt |φ j〉 = d dt 〈φi|Â|φ j〉 (775)da dφ n /dt = 0 per Voraussetzung. In einer ansonsten nicht näher spezifizierten,zeitunabhängigen Basisdarstellung ergeben sich die Matrixelemente des abgeleitetenOperators also ganz einfach als Ableitungen der Matrixelemente desursprünglichen Operators.Mit diesem Trick kann man in einer Basisdarstellung zeigen, daß z.B. dieüblichen Summen- und Produktregeln der Differentiation auch für Operatorengelten (dies bleibt dem Leser als wirklich leichte Übung selbst überlassen). Dadabei keinerlei Eigenschaften der Basisfunktionen ausgenützt werden müssen,folgen die allgemeinen Operatorgleichungen:ddt (Â+ ˆB) = dÂdt + dˆB(776)dtddt (ˆB) = dÂdt ˆB +ÂdˆB(777)dtDaraus und wiederum mit Rückgriff auf die Taylorreihen-Definition lassen sichdann weitere Ableitungen elementarer Operator-Funktionen konstruieren, z.B.die Ableitung voneÂt =∞∑n=0(Ât)nn!(778)(beachte: die Zeitabhängigkeit ist hier auf das explizite Auftreten von t imExponenten beschränkt; der Operator  soll in diesem Beispiel explizit zeitunabhängigsein!)Unter der Annahme, daß wir auch hier die unendliche Reihe Term für Termdifferenzieren können, ergibt sich:d∞∑ nt n−1  ndt eÂt =(779)n!n=1∞∑=  (Ât)n−1(780)(n−1)!n=1[ ∞]∑=(Ât)n−1  (781)(n−1)!n=1219


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deMit der Indextransformation p = n−1 ist der resultierende Summenausdruckwiederum identisch zur Definition von exp(Ât) in Gl. 778. Damit ergibt sichalso:ddt eÂt = ÂeÂt = eÂt  (782)Das ist wiederum dieselbe Ableitungsregel, wie sie auch für Funktionen vonZahlen gilt. Insbesondere muß man hier nicht auf die Reihenfolge der Operatorenachten: exp(Ât) und  kommutieren.Daraus ist nicht zu folgern, daß Ableitungen von Operatoren grundsätzlichunproblematisch sind. Schwierigkeiten ergeben sich bereits in nur marginalanderen Fällen, s.u.220


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Der Propagator für zeitunabhängiges ĤMit den gerade demonstrierten Ableitungsregeln können wir zeigen, daß beizeitunabhängigem Hamiltonoperator Ĥ der OperatorÛ(t) = e −iĤt/ (783)tatsächlich der Propagator ist, also eine Anfangswellenfunktion Ψ(t = 0) vonder Zeit t = 0 zur Zeit t so vorwärts propagiert, daß Ψ(t) immer noch eineLösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung ist:i ∂ ∂t Ψ(t) = i ∂ ( )e −iĤt/ Ψ(0) (784)∂t= i(−iĤ)e −iĤt/ Ψ(0) (785)= Ĥe−iĤt/ Ψ(0) =ĤΨ(t) (786)Dabei haben wir keine Annahmen über Ψ(t = 0) gemacht oder verwendet, alsogilt auch diese Operatorgleichung:i ∂ ∂tÛ= ĤÛ (787)Etwas salopp formuliert, ist also der Propagator eine (die) Lösung der Schrödingergleichung(für zeitunabhängiges Ĥ).Man könnte versucht sein, den Propagator direkt aus der Schrödingergleichungherzuleiten, ähnlich wie bei der Zeit-Ort-Separation, hier jedoch mit einerSeparation in die Variablen Ψ und t:i ∂ ∂t Ψ = ĤΨ → dΨΨ= −iĤdt(788)Integration links und rechts liefert unter Ausnutzung von Ĥ ≠ Ĥ(t):∫Ψ(t)Ψ(t=0)dΨΨ = lnΨ(t)−lnΨ(t = 0) = −i ∫ tt=0Ĥdt ′ = − i Ĥ∫ tt=0dt ′ i= − (789)Ĥtund wir erhalten nach Exponentiation tatsächlichΨ(t) = e −iĤt/ Ψ(t = 0) = ÛΨ(t = 0) (790)Trotz des richtigen Resultats ist der in Gl. 788 gezeigte Schritt strenggenommenim Allgemeinen illegal, weil der Operator Ĥ nicht bedenkenlos von dem Objektgetrennt werden kann, auf das er wirkt.221


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDa Ĥ ein hermitescher Operator ist, bilden seine (zeitunabhängigen) Eigenfunktionen{ψ i } ausĤψ i = E i ψ i (791)eine vollständige Basis. Daher läßt sich jede Anfangswellenfunktion in dieserBasis darstellen:Ψ(t = 0) = ∑ c i ψ i (792)iZu späteren Zeiten lautet die Wellenfunktion also:Ψ(t) = Û(t)Ψ(t = 0) = ∑ ic i Ûψ i = ∑ ic i e −iĤt/ ψ i (793)Mit Gl. 768 wird daraus:Ψ(t) = Û(t)Ψ(t = 0) = ∑ ic i e −iE it/ ψ i (794)Da die Eigenfunktionen orthonormal sind, giltund wir erhaltenc i = 〈ψ i |Ψ(t = 0)〉 (795)Û(t)Ψ(t = 0) = ∑ ie −iE it/ |ψ i 〉〈ψ i |Ψ(t = 0)〉 (796)Da wir über Ψ(t = 0) keine Annahmen gemacht haben, gilt die allgemeineOperatorgleichungÛ(t) = ∑ e −iEit/ |ψ i 〉〈ψ i | (797)iHiermit haben wir nicht nur gezeigt, daß dies die Entwicklung des Propagatorsin die Eigenfunktionsbasis ist, sondern auch, daß eine Superposition aller(!)stationärer Eigenfunktionen inkl. der zugehörigen Zeitvorfaktoren formal eineForm der allgemeinen Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung ist (wieweiter oben nur vermutet).222


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Infinitesimale unitäre OperatorenÛ(ǫ) sei ein unitärer Operator, der von einer infinitesimalen, reelen Größe ǫabhängt. Dann können wir Û in eine Potenzreihe in ǫ entwickeln:Û(ǫ) = ˆ1+ǫĜ+··· (798)Der erste Term ist der Einheitsoperator, weil für ǫ → 0 gelten muß Û → ˆ1, daÛ per Voraussetzung unitär sein soll. Über den Operator Ĝ im zweiten Termwissen wir noch nichts.Zur Vereinfachung des Folgenden setzen wirwodurch aus Gl. 798 wird:ˆF = −iĜ bzw. Ĝ = iˆF (799)Û(ǫ) = ˆ1+iǫˆF +··· (800)Das Adjungierte dieser Reihe lautet:Û † (ǫ) = ˆ1−iǫˆF † +··· (801)Durch Multiplikation dieser beiden Reihen Gln. 800 und 801 erhalten wir:Û(ǫ)Û† (ǫ) = Û† (ǫ)Û(ǫ) = ˆ1+iǫ(ˆF − ˆF † )+··· (802)Û † = Û−1 ⇒ Û(ǫ)Û† (ǫ) = Û† (ǫ)Û(ǫ) = ˆ1 (803)Damit folgt aus Gl. 802:ˆF − ˆF † = 0 ⇒ ˆF = ˆF† (804)d.h.: ˆF ist hermitesch.Diese Argumentation läßt sich auch umkehren:Wenn ˆF ein hermitescher Operator ist und ein Û(ǫ) gegeben ist durchÛ(ǫ) = ˆ1+iǫˆF (805)dann können wir diese Gleichung mit ihrer adjungierten VersionÛ † (ǫ) = ˆ1−iǫˆF † (806)multiplizieren und erhaltenÛ(ǫ)Û† (ǫ) = Û† (ǫ)Û(ǫ) = ˆ1+iǫ(ˆF − ˆF † )+O(ǫ 2 ) (807)Der Term der Ordnung ǫ 2 entfällt, wenn ǫ infinitesimal ist. Da ˆF per Voraussetzunghermitesch ist, ist der zweite Term Null. Also bleibt lediglich übrig:Û(ǫ)Û† (ǫ) = Û† (ǫ)Û(ǫ) = ˆ1 (808)was nur richtig sein kann, wennÛ(ǫ) unitär ist.223


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Der infinitesimale Propagator ist exaktDer infinitesimale Propagator überführt Ψ(t) in Ψ(t+dt):Ψ(t+dt) = Û(t+dt,t)Ψ(t) (809)Einsetzen der Definition von Û(t+dt,t)Û(t+dt,t) = ˆ1−iĤdt(810)liefert:Ψ(t+dt,t) = Ψ(t)− i dtĤΨ(t) (811)i Ψ(t+dt)−Ψ(t) = ĤΨ(t) (812)dtDa dt eine infinitesimale Größe ist, steht links schlicht die Definition desDifferentialquotienten, und wir erhalten:i ∂Ψ(t) = ĤΨ(t) (813)∂talso nichts anderes als die zeitabhängige Schrödingergleichung. Im Limit einesinfinitesimalen Zeitschritts dt ist der Propagator nach Gl. 810 also exakt.Appendix: Û(t+dt) und Û(t,t 0) sind unitärDer infinitesimale Propagator ist unitär, weil er gegeben ist durchÛ(t+dt,t) = ˆ1−iĤdt(814)mit dem hermiteschen Operator Ĥ.Propagation über den finiten Zeitschritt t 0 → t 1 erfolgt durch:Analog gilt für Propagation von t 1 zu t 2 :Ψ(t 1 ) = Û(t 1,t 0 )Ψ(t 0 ) (815)Ψ(t 2 ) = Û(t 2,t 1 )Ψ(t 1 ) (816)Ψ(t 1 ) ist aber nach Gl. 815 gegeben; daher ergibt sich für die Propagation vont 0 nach t 2 :Ψ(t 2 ) = Û(t 2,t 1 )Û(t 1,t 0 )Ψ(t 0 ) (817)Im Grenzfall kann man auf diese Weise eine Propagation über ein finites Zeitintervalldurch ein Produkt aus ”unendlich vielen“ infinitesimalen Propagatorendarstellen. Jeder einzelne dieser infinitesimalen Propagatoren ist aber unitär,also ist auch der (finite) Gesamt-Propagator unitär.224


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Erhaltungsgrößen bei ZeitpropagationBei der Herleitung des Ehrenfest-Theorems wurde allgemein gezeigt:∂∂t 〈A〉(t) = −i 〈[Â(t),Ĥ]〉+〈∂ ∂t 〉 (818)Bestimmte Größen ändern ihren Wert bei Zeitpropagation nicht (Erhaltungsgrößen,constants of the motion). Eine solche Größe liegt nach Gl. 818 offenbarvor, sobald für den zugehörigen Operator gilt:∂Â= 0∂t(819)[Â,Ĥ] = 0 (820)Rein formal gilt beides für den Einheitsoperator ˆ1; daraus folgt Erhaltungder Norm, was zur obigen (nicht wirklich unabhängigen) Herleitung paßt, daßÛ(t+dt) und Û(t,t 0) unitär sind.Strenggenommen lautet die zweite Forderung [Â(t),Ĥ(t′ )] = 0 mit beliebigen,i.A. verschiedenen Zeiten t und t ′ . Für den Fall  = Ĥ gilt diese (verschärfte)Forderung nicht notwendigerweise. Bei konservativen Systemen ist jedoch Ĥnicht explizit zeitabhängig, und dann ist [Ĥ,Ĥ] = 0 trivial erfüllt. In diesemFall ist also die Energie auch eine Erhaltungsgröße.An dieser Stelle müßte die Verbindung zwischen Invarianzen bezüglich gewissen(Symmetrie-)Operationen (Raumtranslation, -rotation, Zeittranslation usw.) undden daraus sich ergebenden Erhaltungsgrößen (Impuls, Drehimpuls, Energie,usw.) in der klassischen Mechanik und in der Quantenmechanik gezeigt werden.Dies wird jedoch in zahlreichen Physik-Lehrbüchern abgehandelt, siehe z.B. H.Goldstein: ”Classical Mechanics“, Addison-Wesley, Reading, 1981, Kap. 9-5, 12-7; R. Shankar: ”Principles of Quantum Mechanics“, Plenum, New York, 1980,Kap. 11.Wichtiger für die Praxis der quantenmechanischen Wellenpaketdynamik ist, daßPropagationsalgorithmen offenbar Norm und Energie (und weitere Erhaltungsgrößen)mit hinreichender Genauigkeit erhalten sollten, wenn sie es nicht schonper Konstruktion tun.225


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix Operatoralgebra: Ableitungen von Operatoren Teil 2Marginal schwierigere Operatorausdrücke erfordern Vorsicht bei der Ableitung.Nach Gln. 777 und Gl. 782 ergibt sich z.B.:Dies können wir offenbar umformen zuddt (eÂt eˆBt ) = ÂeÂt eˆBt +eÂt ˆBeˆBt(821)ddt (eÂt eˆBt ) = eÂt ÂeˆBt +eÂt ˆBeˆBt(822)= eÂt ÂeˆBt +eÂt eˆBt ˆB (823)Unter Beachtung des oben Hergeleiteten (Gln. 752 und 756) ist jedoch i.A.ddt (eÂt eˆBt ) ≠ (Â+ ˆB)eÂt eˆBt(824)Dies wird nur zu einer Gleichheit, wenn [Â, ˆB] = 0 (oder bei Funktionenvon Zahlen statt Operatoren). Hier ist also die Reihenfolge der Operatorenentscheidend wichtig.Derartige Schwierigkeiten ergeben sich jedoch nicht nur beim Auftreten mehrererOperatoren im Exponenten. Bereits bei einem einzigen Operator Â(t) mit beliebigerZeitabhängigkeit kann man (ebenfalls über eine Taylorreihen-Entwicklung)zeigen, daß i.A. giltddt eÂ(t) ≠ dÂdt eÂ(t) (825)es sei denn, daß[Â(t),dÂdt ] = 0 ⇒ ddt eÂ(t) = dÂdt eÂ(t) (826)Diese Voraussetzung muß bei allgemeiner Zeitabhängigkeit jedoch keineswegsgegeben sein.226


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Propagator bei zeitabhängigem ĤAus genau diesem Grund ist auch der Zeitpropagator bei allgemeiner Zeitabhängigkeitdes Hamiltonoperators sehr kompliziert. Bei zeitunabhängigem Ĥhaben wir als PropagatorÛ(t,t 0 ) = e −iĤ(t−t 0)/(827)Der scheinbar aus einer analogen Herleitung (Ĥ muß in Gl. 789 unter demIntegral bleiben) im allgemein-zeitabhängigen Fall konstruierbare Operator∫ tˆV(t,t 0 ) = e − i Ĥ(t ′ )dt ′t 0 (828)ist jedoch nicht der Propagator für diesen Fall, da wie gezeigt i.A. gilt:i ∂ ∂tˆV(t,t 0 ) ≠ Ĥ(t)ˆV(t,t 0 ) (829)Als Ausweg kann man die zeitabhängige Schrödingergleichung formal auch ohnedie in Gl. 788 gezeigte Variablentrennung durchführen und erhält:Ψ(t) = Ψ(t = 0)+ i ∫ tĤ(t ′ )Ψ(t ′ )dt ′ (830)Dies ist offensichtlich keine direkte Lösung unseres Problems; es ist sogar eineGleichung ganz anderen Typs, nämlich statt einer Differentialgleichung nuneine Integralgleichung zur Bestimmung von Ψ(t) (die Lippmann-Schwinger-Gleichung). Dabei taucht das zu bestimmende Ψ(t) aber nicht nur auf derlinken, sondern auch auf der rechten Seite auf, dort sogar unter dem Integral.Die Schwierigkeit besteht also darin, daß zur Bestimmung von Ψ(t) zu einerZeit t eben dieses Ψ(t) bereits bekannt sein muß (sogar zu allen Zeiten zwischent = 0 und t).Eine generelle Strategie zur Lösung solcher Gleichungen besteht in der Durchführungeiner Iteration: Solange die Integrations-Endzeit t sich nur unwesentlichvon der Integrations-Startzeit t = 0 unterscheidet, ist Ψ(t = 0) eine akzeptableLösung für den gesamten Integrationsbereich. Also setzen wir zunächstΨ(t) = Ψ(t = 0) auf der rechten Seite der Gleichung ein. Dadurch ergibt sichaber eine (neue) Lösung Ψ(t) auf der linken Seite. Diese kann nun wiederumrechts eingesetzt werden, wodurch dort allerdings ein Doppelintegral entsteht,usw.t=0227


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deEine genaue Durchführung dieser Strategie 45 liefert nach unendlich vielen Schritten⎧⎫⎨ ∞∑( ) n ∫ t ∫ i 1⎬Ψ(t) = ···⎩ n!ˆTĤ(t 1)···Ĥ(t n)dt 1···dt n Ψ(t = 0) (831)⎭n=0t=0Dabei sind die Variablen t i die Integrationsvariablen der einzelnen Integrale.Ein ”magischer“ Zeitordnungsoperator ˆT sorgt dafür, daß das dahinterstehendeOperatorprodukt in Reihenfolge abnehmender Zeiten von links nach rechtschronologisch geordnet wird (dieser Operator ˆT ist letztlich nur ein Trick, umdie Notation der Integralgrenzen erheblich zu vereinfachen).Dieses Resultat ist offenbar formal identisch zur Taylorreihe einer Exponentialfunktion,sodaß man auch schreiben kann (nur oberflächlich ähnlich zu Gl.828, der unscheinbare Zeitordnungsoperator ˆT ist elementar wichtig!):⎧ ⎡ ⎤⎫Ψ(t) = ˆT⎨⎩ exp ⎣− i ∫ t ⎬Ĥ(t ′ )dt ′ ⎦ Ψ(t = 0) (832) ⎭t 045 E. Fick: Einführung in die Grundlagen der Quantentheorie“, Aula-Verlag, Wiesbaden, 1968/1988, Kapitel”3.5.7; A. L. Fetter und J. D. Walecka: Quantum theory of many-particle systems“, McGraw-Hill,”New York, 1971, Kapitel 3.6228


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deVom nicht-adiabatischen Kopplungsmatrixelement zumadiabatisch-diabatischen MischungswinkelIn der 2-Zustandsnäherung sei der Zusammenhang zwischen den adiabatischenund diabatischen Zuständen gegeben durch:Ψ ad1 = cosα(R)Ψ d 1 −sinα(R)Ψd 2 (833)Ψ ad2 = sinα(R)Ψ d 1 +cosα(R)Ψ d 2 (834)Damit können wir das nicht-adiabatische Kopplungsmatrixelement schreibenals:〈Ψ ad1 | ∂∂R |Ψad 2 〉 = 〈Ψd 1 cosα−Ψd 2 sinα| ∂∂R |Ψd 1 sinα+Ψd 2cosα〉 (835)= 〈Ψ d 1 cosα| ∂∂R |Ψd 1 sinα〉−〈Ψd 2 sinα| ∂∂R |Ψd 1 sinα〉+〈Ψ d 1 cosα| ∂∂R |Ψd 2 cosα〉−〈Ψd 2 sinα| ∂∂R |Ψd 2 cosα〉(836)Unter Beachtung von Produktregel und Kettenregel (der Mischungswinkel α(R)ist ortsabhängig!) und bei Verwendung der Forderung ∂Ψ d i /∂R = 0 ergibt sichu.a.:∂ ∂ ∂∂R Ψd 1sinα = sinα∂R Ψd 1 +Ψd 1∂R sinα = ∂α0+Ψd 1 cosα (837)∂RAnaloges Vorgehen auch für die anderen Terme liefert:〈Ψ ad1 | ∂∂R |Ψad 2 〉 = 〈Ψ d 1cosα|Ψ d 1cosα〉 ∂α∂R −〈Ψd 2sinα|Ψ d 1cosα〉 ∂α∂R−〈Ψ d 1cosα|Ψ d 2sinα〉 ∂α∂R +〈Ψd 2sinα|Ψ d 2sinα〉 ∂α∂R (838)Wenn die diabatischen Wellenfunktionen orthonormal sind, ergibt sich darausschließlich:〈Ψ ad1 | ∂∂R |Ψad 2 〉 = ∂α (〈Ψd∂R 1 |Ψ d 1 〉cos2 α−〈Ψ d 2 |Ψd 1 〉sinαcosα−〈Ψ d 1|Ψ d 2〉sinαcosα−〈Ψ d 2|Ψ d 2〉sin 2 α ) (839)= ∂α(840)∂RDies ist der gesuchte Zusammenhang zwischen dem nicht-adiabatischen Kopplungsmatrixelementund dem Mischungswinkel α, der die unitäre Transformationvon der adiabatischen in die diabatische Darstellung (und umgekehrt) bestimmt.229


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Propagation auf mehreren PotentialflächenDie Gesamtwellenfunktion Ψ sei durch eine Entwicklung in elektronische Wellenfunktionenφ i (r,R) gegeben (hier im Beispiel i = 1,2), wobei die Entwicklungskoeffizientendie Kernwellenfunktionen χ i (R,t) sind; also:Einsetzen in die zeitabhängige Schrödingergleichungliefert:Ψ = φ 1 χ 1 +φ 2 χ 2 (841)i ∂ Ψ = ĤΨ (842)∂ti ∂ ∂t (φ 1χ 1 +φ 2 χ 2 ) = Ĥ(φ 1χ 1 +φ 2 χ 2 ) (843)Zeitabhängig sind lediglich die Kernwellenfunktionen, nicht die elektronischenWellenfunktionen; dies ergibt:∂iφ 1∂t χ ∂1 +iφ 2∂t χ 2 = ˆT N (φ 1 χ 1 +φ 2 χ 2 )+Ĥel(φ 1 χ 1 +φ 2 χ 2 ) (844)Multiplikation von links mit 〈φ 1 | liefert unter Beachtung von 〈φ i |φ j 〉 = δ ij :i ∂ ∂t χ 1 = 〈φ 1 |ˆT N |φ 1 〉χ 1 +〈φ 1 |ˆT N |φ 2 〉χ 2 +〈φ 1 |Ĥel|φ 1 〉χ 1 +〈φ 1 |Ĥel|φ 2 〉χ 2 (845)Adiabatische Darstellung:Hier sind die elektronischen Wellenfunktionen φ i Eigenfunktionen von Ĥel,mit Eigenwerten E i (R). Gleichzeitig hängen die Funktionen φ i jedoch noch(parametrisch) von R ab, und daher sind Matrixelemente von ˆT N mit diesenFunktionen nicht Null. Unter Beachtung der Produktregel ∇ 2 fg = f∇ 2 g +2∇f·∇g+g∇ 2 f erhalten wir vielmehr (vgl. Herleitung der Born-Oppenheimer-Separation!):〈φ 1 |ˆT N |φ 1 〉χ 1 = ˆT N χ 1 +(2ˆT 11 ′ ′′+ ˆT 11 )χ 1 (846)Aufgrund der Orthonormalität der Funktionen φ i ist ˆT mm ′ für alle m jedochNull 〈Appendix-Appendix〉. Analog liefert der zweite Term auf der rechtenSeite von Gl. 845 zwei nicht-adiabatische Kopplungsterme ˆT 12 ′ ′′und ˆT 12 :〈φ 1 |ˆT N |φ 2 〉χ 2 = 〈φ 1 |φ 2 〉ˆT N χ 2 +(2ˆT ′ 12′′+ ˆT 12 )χ 2 = 0+(2ˆT 12 ′ ′′+ ˆT 12 )χ 2 (847)Damit erhalten wir letztlich folgende Propagationsgleichung für χ 1 :i ∂ ∂t χ 1 = ˆT N χ 1 +′′ ˆT 11 χ 1 +(2ˆT 12 ′ ′′+ ˆT 12 )χ 2 +E 1 (R)χ 1 (848)Multiplikationvon Gl. 844 mit 〈φ 2 | ergibt eine analoge Propagationsgleichungfürχ 2 . Beide Gleichungen sind über die Terme der kinetischen Energie gekoppelt,aber unabhängig voneinander (diagonal) in der potentiellen Energie.230


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDiabatische Darstellung:Hier wurde (ggf. nur näherungsweise) dafür gesorgt, daß ˆT N φ i = 0 gilt; daherüberlebt nur der erste Term auf der rechten Seite von Gl. 846 und es entstehenauch keine weiteren nicht-adiabatischen Kopplungsterme ˆT mn ′ ′′oder ˆT mn, da alleTerme in Gl. 847 Null werden. Gleichzeitig sind die elektronischen Funktionenφ i nicht mehr Eigenfunktionen von Ĥel; die Matrixelemente 〈φ i |Ĥel|φ j 〉 sindalso nicht mehr Elemente einer Diagonalmatrix (mit den Eigenwerten auf derDiagonalen), sondern sind die diabatischen Potentiale und Kopplungen Vij d(R).Daher erhalten wir als Propagationsgleichung für χ 1 :i ∂ ∂t χ 1 = ˆT N χ 1 +V d11χ 1 +V d12χ 2 (849)Multiplikation von Gl. 844 mit 〈φ 2 | ergibt eine analoge Propagationsgleichungfür χ 2 . Beide Gleichungen sind über die potentielle Energie gekoppelt, währendsie in den Termen der kinetischen Energie unabhängig (diagonal) sind.Appendix-Appendix:Die Orthonormalitätsbeziehung der elektronischen Wellenfunktionen lautet:〈φ i |φ j 〉 = δ ij (850)Ableitung dieser Beziehung nach einer Kernkoordinate R liefert:Also muß gelten:∂∂R 〈φ i|φ j 〉 = 〈 ∂φ i∂R |φ j〉+〈φ i | ∂φ j∂R 〉 = 0 (851)〈 ∂φ i∂R |φ j〉 = −〈φ i | ∂φ j∂R 〉 (852)Dies gilt genauso nicht nur für eine einfache Ableitung nach einer Kernkoordinate,sondern auch für den Nabla-Operator ∇ und damit auch für dienicht-adiabatischen Kopplungsmatrixelemente ˆT ij ′ , die im wesentlichen Matrixelementedes Nabla-Operators sind (nicht jedoch für die ˆT ij , die Matrixelemente′′des Laplace-Operators ∆ = ∇ 2 sind):Für den Fall i = j muß daher gelten:ˆT ′ij = −ˆT ′ ji (853)ˆT ′ii = 0 (854)231


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Adiabatisches TheoremDie zeitabhängige Schrödingergleichung lautet allgemeini ∂ Ψ(t) = H(t)Ψ(t) (855)∂tmit den Zuständen a,b,... und dementsprechend⎛ ⎞E a V ab (t) ···H(t) = ⎝V ba (t) E b ··· ⎠ , Ψ =. ....⎛⎝Ψ aΨ b.⎞⎠ (856)An jedem einzelnen Zeitpunkt t kann die Hamiltonmatrix H diagonalisiertwerden:U −1 (t)H(t)U(t) = D(t) bzw. U −1 Ψ = Ψ ′ (857)Damit wird aus Gl. 855i ∂ ∂t (U(t)Ψ′ (t)) = i(U(t) ∂Ψ′ (t)∂t+ ∂U(t) )Ψ ′ (t) = H(t)U(t)Ψ ′ (t) (858)∂toder nach Multiplikation mit U −1 von links und leichter Umformung:i ∂ ∂t Ψ′ (t) = D(t)Ψ ′ (t)−iU −1 (t) ∂U(t) Ψ ′ (t) (859)∂tWenn H(t) langsam veränderlich ist, ist es auch U(t) und U −1 (t). Dann kannder zweite Summand auf der rechten Seite von Gl. 859 vernachlässigt werden.Die verbleibenden Terme enthalten keinerlei Zustandskopplungen mehr, alsomuß eine anfängliche Eigenfunktion auch im weiteren Zeitverlauf Eigenfunktionbleiben. Im Bild der Born-Oppenheimer-Separation zwischen Elektronen undAtomkernen beschreiben diese Terme eine (langsame!) Zeitevolution auf denungekoppelten, adiabatischen Flächen.232


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Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Traditionelle Berechnung von k(T):Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k(E) als Funktion der Energie (mikrokanonisch)oder k(T) als Funktion der Temperatur (kanonisch; nach Boltzmann-Gewichtung der bei Temperatur T besetzten Zustände der Energie E) kannnach der Streutheorie berechnet werden, wenn die volle Information über dieReaktion vorliegt, z.B. in Form von Streuquerschnitten σ (Truhlar/Muckerman,S. 519, 524):Beim Stoßparameter b max sei der Abstand zwischen Target und Projektil sogroß, daß keine Reaktion mehr stattfinden kann. Wenn bei allen Stoßparameternb < b max die Reaktion mit Sicherheit stattfindet (ReaktionswahrscheinlichkeitP r = 1), ist der Streuquerschnitt einfach die entsprechende Kreisfläche:σ = πb 2 max (860)k(E) bzw. k(T) ergeben sich dann im wesentlichen (abgesehen von Normierungsfaktoren)zu (siehe Stoßtheorie harter Kugeln; v rel : RelativgeschwindigkeitTarget–Projektil):k(E) ∝ v rel σ(E rel ) (861)k(T) = 〈v rel σ(E rel )〉 T (862)In realen Reaktionen ist P r (E rel ,⃗q i ,⃗p i ) entweder 0 oder 1, was für die jeweiligenAnfangsbedingungen ⃗q i ,⃗p i durch Propagation klassischer Trajektorien ermitteltwerden kann. Dann ist der Streuquerschnitt:σ(E rel ) = πb 2 max〈P r (E rel )〉 (863)mit Mittelung 〈〉 über alle möglichen Anfangsbedingungen mit RelativenergieE rel und Stoßparametern b < b max (siehe 〈Appendix-Appendix〉 Boltzmann-Mittelung)Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante ergibt sich dann zu:k(T) ∝∫ ∞E rel =0b∫maxb=0τ∫maxτ=τ 0P r (E rel )E rel e −E rel/kT dE rel bdbdτ (864)abgesehen von Normierungsfaktoren, und mit ausgeschriebener Mittelung überalle internen Koordinaten τ.Das hochdimensionale Integral über τ in Gl. 864 kann durch Monte-Carlo-Integration numerisch näherungsweise berechnet werden. Dazu wählt man N237


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deZufallspunkte ⃗x i im Integrationsgebiet. Dann gilt für beliebige Funktionen f(⃗x):∫I =∫···f(⃗x)d⃗x ≈ ǫ(I) = 1 NN∑f(⃗x i ) (865)Für Boolesche Funktionen (mit Funktionswerten von 0 oder 1) gilt offenbar:ǫ(I) = N rNi=1(866)wobei N r die Anzahl der Punkte ist, für die f = 1 gilt (für alle anderen Punktegilt f = 0).Im vorliegenden Fall ist P r eine Boolesche Funktion. Wird Gl. 864 nach demMC-Verfahren berechnet, reduziert sich die Integration auf die Bestimmung desVerhältnissesN rN=Anzahl reaktive TrajektorienAnzahl aller Trajektorien(867)durch MD-Propagation von Trajektorien. Dieses Verhältnis geht dann als wesentlicheGröße in alle folgenden Gleichungen ein, wie z.B.:σ = πb 2 N rmaxN(868)Dieses Verfahren heißt dann verwirrenderweise ”Monte-Carlo-Trajektorienverfahren“(dabei werden nicht etwa ”MC-Trajektorien“ berechnet, sondern MD-Trajektorien, kombiniert mit einer MC-Integration über Anfangsbedingungen).Bereits in den 70er Jahren war klar, daß die damit erzielte Genauigkeit begrenztist, und verschiedene ”importance sampling“-Methoden wurden diskutiert.Trotzdem konnten typische Anwendungen (Karplus/Porter/Sharma: H + H 2 ,Jaffe/Anderson: F + H 2 ) mit mehreren 100 Trajektorien pro Anfangsenergieund Anfangs-Quantenzustand keinen Anspruch auf quantitative Genauigkeiterheben.238


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix-Appendix: klassisch-mechanische Boltzmann-Verteilung:In der klassischen Mechanik ist ein System vollständig durch die Angabeseiner Orts- und Impuls-(bzw. Geschwindigkeits-)Koordinaten ⃗q und ⃗p gegeben(also durch einen Punkt im Phasenraum). Die Wahrscheinlichkeit, daß dieseKoordinaten Werte zwischen ⃗q und ⃗q+d⃗q bzw. zwischen ⃗p und ⃗p+d⃗p annehmen,ist nach Boltzmann gegeben durch:P(⃗q,⃗p)d⃗qd⃗p = Ae −βH(⃗q,⃗p) d⃗qd⃗p (869)(dabei ist H die klassische Hamiltonfunktion, die die Gesamtenergie des Systemsangibt, außerdem wird die gebräuchliche Abkürzung β = 1/k B T verwendet.)Da das System irgendwo im gesamten Phasenraumgebiet R sein muß, gilt∫1 = A e −βH(⃗q,⃗p) d⃗qd⃗p (870)Rund der Normierungsfaktor A ergibt sich zu∫1/A = e −βH(⃗q,⃗p) d⃗qd⃗p = Z R (871)Rund ist damit das klassisch-mechanische Analogon zur Zustandssumme.Der Boltzmann-gewichtete Mittelwert einer Funktion f(⃗q,⃗p) ist damit gegebendurch:〈f〉 = Z −1 ∫f(⃗q,⃗p)e −βH(⃗q,⃗p) d⃗qd⃗p (872)239


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Statistische ThermodynamikDie Zustandssumme z eines Moleküls involviert eine Summation über alleQuantenzustände i bzw. deren Eigenenergien ǫ i (jeder Zustand kann dabeig i -fach entartet sein):∞∑z = g i e −ǫ i/k B T(873)i=1Für N unterscheidbare Teilchen ist die System-Zustandssumme Z gegebendurch z N , für N ununterscheidbare durch z N /N!.Aus der Zustandssumme können alle Größen der Thermodynamik berechnetwerden, z.B. die Enthalpie und die Entropie:( ) ( )∂lnZ ∂lnZH = k B T 2 +k B TV(874)∂TV∂V( )T∂lnZS = k B T +k B lnZ (875)∂TVDie Energie ǫ eines Moleküls kann man näherungsweise(!) separieren in Translation,Rotation, Vibration und elektronische Anregung:ǫ = ǫ trans +ǫ rot +ǫ vib +ǫ el (876)Aufgrund des exponentiellen Zusammenhangs faktorisiert dadurch die Zustandssumme:z = z trans z rot z vib z el (877)Zustandssumme der Translation:Die Translation ist in die drei kartesischen Komponenten separierbar. Für jedeKomponente nimmt man näherungsweise(!) die Energiezustände eines Teilchensim Kasten (Kastenlänge a) an:ǫ n = h2 n 28ma 2 (878)Gegenüber k B T liegen diese Zustände so dicht, daß man die Summe in Gl.873 durch ein Integral ersetzen kann. Dieses kann man analytisch auswertenund erhält so für die 1D-Translation:z trans = a h√2πmkB T (879)Zustandssumme der Rotation:Die Rotationsniveaus eines zweiatomigen starren Rotators sindǫ rot = 22I240J(J +1) (880)


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.demit dem Trägheitsmoment I = m 1 r1+m 2 2 r2 2 und der Quantenzahl J. Über diezusätzliche Quantenzahl m (Projektion von J auf die z-Achse = Orientierungdes Rotators im Raum) sind diese Zustände (2J+1)-fach entartet. Daher habenwir∞∑( )z rot = (2J +1)exp − 2 J(J +1)(881)2Ik B TJ=0Wiederum liegen (außer bei extrem leichten Molekülen wie H 2 ) die Energieniveausso dicht, daß man die Summation durch eine Integration ersetzen kann,die analytisch ausführbar ist. Man erhält:z rot = 8π2 Ik B Tσh 2 (882)(mit σ = 2 für homonukleare Moleküle bzw. σ = 1 für heteronukleare).Bei polyatomaren Molekülen hat man drei Hauptträgheitsmomente I 1 , I 2 undI 3 (durch Diagonalisierung einer 3×3-Matrix). Die Rotationsniveaus lassen sichnicht mehr in einfacher Form hinschreiben. Eine klassische Näherung liefertjedoch mit ausreichender Genauigkeit:√ ( π 8π 2 ) 3/2k B T √z rot = I1 Iσ h 2 2 I 3 (883)Dabei ist σ die Ordnung der Rotations-Untergruppe der molekularen Punktgruppe,also z.B. 2 für H 2 O, 3 für NH 3 und 12 für Benzol.Zustandssumme der Schwingung:Die Normalkoordinatenanalyse (lokale quadratische Approximation des Potentialsund Diagonalisierung der massengewichteten Hesseschen Matrix der 2.Ableitungen) liefert separierte, harmonische Schwingungen polyatomarer Moleküle,die bei kleinen Anregungen und Abwesenheit niedriger Energiebarrierengute Näherungen an die eigentlichen (anharmonischen, gekoppelten) Molekülschwingungensein können. Jeder dieser harmonischen Oszillatoren hat dieEnergieniveaus(ǫ n = hν n+ 1 )(884)2Bei T = 300 K ist RT = 0.6 kcal/mol; damit sind typische Energiedifferenzenzwischen Schwingungsniveaus nicht klein gegenüber k B T ⇒ Ersetzung derSummation durch Integration ist nicht gerechtfertigt. Aufgrund der immergleichen Abstände der angeregten harmonischen Schwingungsniveaus kann dieSumme in Gl. 873 trotzdem analytisch ausgeführt werden, da sie hier einer241


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.degeometrischen Reihe entspricht:z vib =∞∑n=0= e −hν/2k BT= e −hν/2k BTe −(n+1 2 )hν/k BT∞∑n=0= e−hν/2k BT1−e −hν/k BTe −nhν/k BT(1+e −hν/k BT +e −2hν/k BT +e −3hν/k BT +···)(885)(886)(887)(888)Die Gesamt-Schwingungsenergie des Moleküls ist die Summe der Energiendieser einzelnen harmonischen Normalschwingungsoszillatoren. Daher ist diemolekulare Zustandssumme das Produkt der einzelnen Zustandssummen:z vib,tot =3N−(5)6(7)∏i=1e −hν i/2k B T1−e −hν i/k B T(889)Zustandssumme der elektronischen Anregung:Bereits die Energiedifferenz zwischen elektronischem Grundzustand und erstemelektronisch angeregtem Zustand ist meist viel größer als k B T, weshalb nur dererste Term in Gl. 873 einen Beitrag liefert. Ggf. ist noch eine Entartung überden Gesamt-Spinzustand der Elektronen (Singulett, Dublett, usw.) oder überdie räumliche Symmetrie der elektronischen Wellenfunktion zu berücksichtigen.In den meisten Fällen haben stabile Moleküle im Grundzustand jedoch keinederartigen Entartungen; dann ist g = 1. Setzt man außerdem den Nullpunktder Energieskala auf die elektronische Energie des Grundzustands, ist auchinsgesamt z el = 1 und liefert daher keinen Beitrag.Enthalpie- und Entropiebeiträge:Bei bekannten Zustandssummen lassen sich alle thermodynamischen Größenberechnen, z.B. nach Gln. 874 und 875 die Beiträge der verschiedenen Anre-242


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.degungsarten zur Enthalpie und Entropie, hier für 1 Mol:H trans = 5 RT (890)2 [S trans = 5 ( ) ] 3/22 R+Rln V 2πMkB T(891)N A h 2H rot = 3 RT (892)2 [ √πS rot ={3+ln1 ( 8π 2 ) 3/2]}2 R k B T √I1 Iσ h 2 2 I 3 (893)3N−(5)6(7)∑( hνiH vib = R + hν )i 1(894)2ki=1 B k B e hν i/k BT −13N−(5)6(7)∑( )hνi 1S vib = Rk B T 1−e hν i/k B T −ln(1−ehν i/k B T ) (895)i=1Hel reactant = 0 (896)Hel TS = ∆E≠(897)S reactantel= S TSel = Rlng (898)Für lineare Moleküle sind die Rotationsbeiträge etwas unterschiedlich:H linearrot = RT (899)[ ]= R 1+ 8π2 Ik B T(900)σh 2S linearrot243


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de244


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Theorie des Übergangszustands (TST)Wir betrachten abstrakt eine bimolekulare Reaktion A + B → M≠ → C + D. ImGleichgewicht zwischen Hin- und Rückreaktion wird der Übergangszustand M≠ebenso oft von links nach rechts wie von rechts nach links durchquert. Also istdie Reaktionsgeschwindigkeit der Hinreaktion gleich der halben Konzentration[M≠] dividiert durch die Zeit t, die im Übergangszustand verbracht wird:r = 1 2[M≠]t(901)Die Konzentration [M≠] läßt sich durch die Gleichgewichtskonstante K desGleichgewichts zwischen Edukten A,B und Übergangszustand M≠ (TS) ausdrücken:r = K [A][B] (902)2tAndererseits gilt aber nach der üblichen Kinetik für die Reaktion A + B →M≠ der Ausdruckr = k[A][B] (903)Also ist die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k im Vergleich der Gln. 902und 903 gegeben durch:k = K (904)2tSowohl K als auch t werden jetzt durch Ausdrücke der statistischen Thermodynamikbestimmt. Nach der Boltzmann-Statistik ist die mittlere Geschwindigkeit¯v der Moleküle eines Gases gegeben durch (m≠: effektive Masse der Bewegungdurch den TS):∞∫exp(−m≠v2 /2k B T)vdv0¯v = ∞∫(905)exp(−m≠v2 /2k B T)dv0Die Integrale lassen sich analytisch auswerten, mit dem Resultat:√2kB T¯v =πm≠(906)Mit ¯v = δ/t (wobei δ: räumliche Ausdehnung des TS) ist daher die Zeit t, dieim TS verbracht wird: √t = δ¯v = δ πm≠(907)2k B TGanz allgemein läßt sich die GleichgewichtskonstanteK einer Reaktion A + B →C + D mit Hilfe der zugehörigen Zustandssummen z und der Reaktionsenthalpie245


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de∆H 0 ausdrücken:K = z Cz De −∆H 0/RT(908)z A z BIm vorliegenden Fall ist die Reaktionsenthalpie gleich der AktivierungsenergieE≠ 0 und das Reaktionsprodukt ist M≠. Dabei ist jedoch zu beachten, daßim Gegensatz zu einem Molekül im Gleichgewichtszustand (Minimum auf derPES) die Spezies M≠ (Sattelpunkt 1. Ordnung) einen Schwingungsfreiheitsgradweniger hat, da dieser zur Translation durch den TS hindurch entartetist. Also ist die Zustandssumme z M des TS zu schreiben als Produkt auseiner Zustandssumme zM ∗ mit einem Schwingungsfreiheitsgrad zuwenig und derZustandssumme z trans für einen Translationsfreiheitsgrad. Letztere istz trans = x h√2πmkB T (909)Die Strecke x, längs derer die Bewegung erfolgen kann, ist hier δ. Zusammenmit Gl. 908 und den obigen Überlegungen haben wir also:K = z∗ M (δ/h)√ 2πmk B Tz A z Be −E≠ 0 /RT (910)In Zusammenfassung der Gln. 904, 907 und 910 ergibt sich also für dieReaktionsgeschwindigkeitskonstante k:k = kT hz ∗ Mz A z Be −E≠ 0 /RT = kT h K≠(911)mit einer Pseudo-GleichgewichtskonstanteK≠ für den ReaktionsschrittA + B →M≠. Damit kann man auch eine Freie Aktivierungsenthalpie ∆G 0≠ = −RT lnK≠und eine Aktivierungsenthalpie und -entropie ∆G 0≠ = ∆H 0≠ −T∆S 0≠ definierenund daher schreiben:k = kT h e−∆G0≠ /RT= kT h e∆S0≠ /R e −∆H0≠ /RT(912)(913)Genauigkeitsanforderungen:Elektronische Energiedifferenz Reaktanden–TS bzw. Reaktanden–Produkte isttypischerweise wichtiger als die anderen Beiträge (s.o. Beispiele); deren genaueBerechnung ist gleichzeitig am schwierigsten. Typische Fehlerbereiche in∆E≠/∆E 0 :10 kcal/mol: Berechnung von vib-, rot-, trans-Beiträgen ist sinnlos;1 kcal/mol: vib-, rot-, trans-Beiträge wichtig, aber z.B. Korrekturen für Anharmonizitätenunwichtig;246


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.de0.1 kcal/mol: explizite Berechnung von Zustandssummen für anharmonischeSchwingungen und interne Rotationen evtl. wichtig, aber auch: VTST,recrossing“ und Tunneln (Quantenmechanik)”⇒ Anharmonizitätskorrekturen in Praxis selten.Andererseits: Ein Fehler von 0.1 kcal/mol in ∆E≠/∆E 0 ist nur möglich für kleineMoleküle. Dies entspricht etwa einem Fehler von 0.2 kcal/mol in ∆G≠/∆G 0 ,was bei T = 300 K einem Fehler von 40% (! exponentieller Zusammenhang!)in Gleichgewichtskonstanten K bzw. Geschwindigkeitskonstanten k entspricht.Für Moleküle realistischer Größe sind Fehler von 1 kcal/mol realistischer. Diesentspricht Fehlern in K bzw. k von einem Faktor 10. Das ist i.A. nur inAbwesenheit sonstiger Zugänge zu diesen Größen brauchbar.Dies gilt jedoch nur für Absolutwerte. Relativberechnungen von k-Werten fürverwandte Reaktionen sind weniger kritisch ⇒ Vorhersage von Produktverteilungenbei Konkurrenzreaktionen realistisch.247


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Millersche Ausdrücke für k(T)Bei einer mit Geschwindigkeit v strömenden Flüssigkeit der Dichte ρ schiebt sichin der Zeit dt ein Flüssigkeitsvolumen Svdt durch eine Fläche S, die senkrechtzur Strömungsrichtungsteht. Der Fluß Φ ist die durchtretende Flüssigkeitsmengepro Zeiteinheit, alsoΦ = ρvSdt = ρvS (914)dtDer Fluß durch eine beliebig gekrümmte Fläche S ⃗ ist dann:∫ ∫Φ = ρ⃗v ·dS ⃗ = ⃗j ·dS ⃗ (915)Dabei ist ⃗j die Stromdichte.Eine Reaktionsgeschwindigkeitskonstante ist klassisch-mechanisch exakt gegebenals Fluß durch eine Fläche, die die Edukte von den Produkten trennt (Miller):∫∫k MD 1(T) = e −βH(⃗q i,⃗p i ) F(⃗qZ(T)h N i ,⃗p i )P r (⃗q i ,⃗p i )d⃗q i d⃗p i (916)Dieser Fluß ist Boltzmann-gewichtet über die Anfangsbedingungen der Orte⃗q i und Impulse ⃗p i der MD-Trajektorien. H(⃗q i ,⃗p i ) ist wieder die klassischeHamiltonfunktion.Die Trennfläche zwischen Edukten und Produkten ist formal gegeben durchs(⃗q) = 0 (917)Die Funktion s wird typischerweise negativ gewählt, wenn der Punkt ⃗q aufder Eduktseite liegt, und positiv auf der Produktseite.Mit Hilfe der Heaviside-Stufenfunktion h(x), die definiert ist alsh(x) ={ 1 wenn x ≥ 00 wenn x < 0(918)ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Punkt ⃗q auf der Produktseite der Trennflächeliegt, angeben als: h(s(⃗q)). Im Folgenden ergibt dies sozusagen die ”Mikro-Reaktionswahrscheinlichkeit“, die angibt, ob eine Trajektorie reaktiv ist odernicht.F(⃗q i ,⃗p i ) ist ein Flußfaktor, der die Rate angibt, mit der Trajektorien dieTrennfläche kreuzen. Als Faktor unter dem Integral in Gl. 916 ist er also248


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.degegeben durch:F(⃗q,⃗p) = d h(s(⃗q))dt(919)= δ(s(⃗q)) ∂s∂⃗q · d⃗qdt(920)= δ(s(⃗q)) ∂s∂⃗q · ⃗p m(921)(Beachte: Dabei projiziert die Delta- ”Funktion“ unter dem Integral in Gl.916 aus dem Integral über den vollen ⃗q-Raum die Edukt-Produkt-Trennflächeheraus. Der Rest des Flußfaktors in Gl. 921 entspricht dem Flußausdruck inGln. 914,915.)An dieser Stelle läßt sich eine Verbindung zur quantenmechanischen Behandlung(s.u.) anbringen:Der Faktor P r in Gl. 916 enthält die eigentliche dynamische Information:P r (⃗q i ,⃗p i ) = 1, wenn sich die bei ⃗q i ,⃗p i gestartete Trajektorie bei t → ∞ aufder Produktseite befindet, und P r (⃗q i ,⃗p i ) = 0 sonst. Das kann man algebraischausdrücken als:P r (⃗q i ,⃗p i ) = lim h[s(⃗q(t))] (922)t→∞(wobei ⃗q(t) = ⃗q(t;⃗q i ,⃗p i )).Alternativ kann man auch schreiben:P r (⃗q i ,⃗p i ) ===∫ ∞0∫ ∞0∫ ∞0dh[s(⃗q(t))]dt (923)dtδ[s(⃗q(t))] ∂s∂⃗q · ˙⃗q(t)dt (924)F(⃗q(t),⃗p(t))dt (925)Setzt man den letzten Ausdruck in Gl. 916 ein und vertauscht die Reihenfolgeder Integrationen, ergibt sich:k MD (T) = 1Z(T)∫ ∞0C f (t)dt (926)mitC f (t) = 1 ∫∫e −βH(⃗q i,⃗p i ) F(⃗qh N i ,⃗p i )F(⃗q(t),⃗p(t))d⃗q i d⃗p i (927)Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante erweist sich also als Zeitintegral einer(Boltzmann-gemittelten) Fluß-Fluß-Autokorrelationsfunktion.249


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Verbindung zurück zu TST:Wenn wir von den Koordinaten ⃗q,⃗p (kartesische oder verallgemeinerte Koordinatenund zugehörige Impulse) übergehen zu einer Reaktionskoordinate s undden N −1 übrigen Koordinaten:⃗q,⃗p → s,p s ,⃗u,⃗p u (928)und die Reaktionskoordinate so definieren, daß die Edukt-Produkt-Trennflächebei s = 0 liegt, wird der Flußfaktor zu:Mit folgenden (kritischen!) Annahmen/NäherungenF(⃗q,⃗p) = δ(s) p sm s(929)• In der Hamiltonfunktion ist der Term der kinetischen Energie entlang derReaktionskoordinate s separierbar vom Rest:H(s,p s ,⃗u,⃗p u ) = p2 s2m s+T(⃗p u )+V(s,⃗u) (930)• Alle Trajektorien, die die Edukt-Produkt-Trennfläche kreuzen, sind reaktiv:P r (s,p s ,⃗u,⃗p u ) = θ(p s ) (931)ergibt sich aus Gl. 916 der übliche TST-Ausdruck:∫∫∫∫k TST 1(T) = e −βH(s,p s,⃗u,⃗p u ) δ(s) p sθ(pZ(T)h N s )dsdp s d⃗ud⃗p u (932)m s= 1 { 1 ∞}{ ∫∫ }p seZ h∫ −βp2 s/2m s 1dp s e −β(T(⃗p u)+V(0,⃗u)) d⃗ud⃗p0 m} s h{{ }N−1 u} {{ }k B T/hZ ‡ e −βV(0,⃗u 0 ) (933)Dabei definieren wir das klassische Pendant zur Zustandssumme am Übergangszustand(s = 0,⃗u = ⃗u 0 ) alsZ ‡ = 1 ∫∫e −β(T(⃗p u)+V(0,⃗u)−V(0,⃗u 0 )) d⃗ud⃗ph N−1 u (934)Damit haben wir die übliche TST-Formel:k TST (T) = k BThZ ‡Z e−βV(0,⃗u 0)(935)(Beachte: Diese ”dynamische“ Herleitung kommt ohne die Annahme eines thermischenGleichgewichts zwischen Edukten und TS-Komplex aus. Diese Annahme250


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dewurde früher häufig als falsch kritisiert, gilt aber mittlerweile als unstrittigrichtig; siehe Anderson.)(Im Bild der Fluß-Fluß-Autokorrelationsfunktion (Miller) kann man zeigen,daß F(⃗q(t),⃗p(t)) = δ(s(t))ṡ(t) für alle t > 0 Null ist, weil die Trajektorie perAnnahme nie zur Trennfläche zurückkehrt, und daß der verbleibende Restbeitragbei t = 0 zum Integral der Korrelationsfunktion gerade wiederum im obigenTST-Ausdruck resultiert.)251


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Literatur zur klassischen k(T)-Berechnung:Anderson: J. B. Anderson, Adv. Chem. Phys. 91 (1995) 381.Chandler: D. Chandler, J. Chem. Phys. 68 (1978) 2959.Eyring: H. Eyring, J. Chem. Phys. 3 (1935) 107.Hänggi: P. Hänggi, P. Talkner und M. Borkovec, Rev. Mod. Phys. 62 (1990)251.Jaffe/Anderson: R. L. Jaffe und J. B. Anderson, J. Chem. Phys. 54 (1971)2224.Karplus/Porter/Sharma: M. Karplus, R. N. Porter und R. D. Sharma, J.Chem. Phys. 43 (1965) 3259.Keck1: J. C. Keck, J. Chem. Phys. 32 (1960) 1035.Keck2: J. C. Keck, Discuss. Faraday Soc. 33 (1962) 173.Miller: W. H. Miller, J. Phys. Chem. A 102 (1998) 793.Otter/Briels1: W. K. den Otter und W. J. Briels, J. Am. Chem. Soc. 120(1998) 13167.Otter/Briels2: W. K. den Otter und W. J. Briels, J. Chem. Phys. 106 (1997)5494.Truhlar/Muckerman: D. G. Truhlar und J. T. Muckerman, in: ”Atom-moleculecollision theory“, R. B. Bernstein (Ed.), Plenum, New York, 1979.252


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Traditionelle QM-Berechnung von k(T)In einer Reaktion A + B → C + D sei v die Relativgeschwindigkeit der sichaufeinander zubewegenden Reaktanden A und B. ⇒ Der Gesamtfluß, mit demsich die A-Moleküle auf die B-Moleküle zubewegen, ist dann v[A] (Konzentrationsei Anzahl pro Volumen). Wenn σ der integrale Reaktionsquerschnitt für dieReaktion ist (beim vorliegenden v), dann ist pro B-Molekül die Anzahl reaktiverStöße pro Zeiteinheit σv[A], oder die Gesamtanzahl reaktiver Stöße pro ZeitundVolumeneinheit σv[A][B]; das ist gerade die Reaktionsgeschwindigkeit. Dieseist andererseits k[A][B], also gilt bei einer gegebenen Relativgeschwindigkeit v:k = σv (936)Tatsächlich ist diese Relativgeschwindigkeit gegeben durch eine (Boltzmann-)-Geschwindigkeitsverteilung P B (v), also müssen wir k = σv darüber mitteln:k(T) =∫ ∞0P B (v)vσ(v)dv (937)Außerdem haben die beteiligten Moleküle nicht nur eine Relativgeschwindigkeit,sondern auch innere Zustände (numeriert mit i für die Reaktanden und f fürdie Produkte), und der der Reaktionsquerschnitt σ hängt von diesen Zuständenab. Also muß die Boltzmannverteilung der Reaktandenzustände diese innerenZustände berücksichtigen, und wir müssen über die inneren Zustände derProdukte summieren und erhalten so:k(T) = ∑ ip B (i)∫ ∞0∑P B (v i )v i σ if (v i )dv i (938)Dabei ist die Boltzmann-Verteilung p B (i) über innere Zustände i (mit derZustandssumme Z int des Reaktanden) wie üblich gegeben durchp B (i) = 1Z inte −ǫ i/k B Tdie Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung durch( ) 3/2 µP B (v i ) = 4π vi 2 exp2πk B Tf( ) −µv2i2k B T(939)(940)und der Reaktionsquerschnitt (mit k i = µv i /) durchσ if = π ∑ki2 (2J +1)|Sif J |2 (941)J253


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deNach Änderung der Integrationsvariablen von der zustandsspezifischen Relativgeschwindigkeitv i auf die dazu korrespondierende Energie E i lautet damit Gl.938:k(T) =(2π) 2 ∑Z int (2πµk B T) 3/2i∫ ∞e −ǫ i/k B T0e −E i/k B T ∑ J(2J +1) ∑ f|S J if |2 dE i (942)Das ist die Reaktionsgeschwindigkeit k(T) als Funktion der S-Matrix-Elemente,in maximal detaillierter Schreibweise und ohne Näherungen.Der Ausdruck Gl. 942 läßt sich etwas vereinfachen, wenn wir (1.) erkennen,daß im Vorfaktor eine Zustandssumme der Translation steht( ) 3/2 2πµkB TZ trans =(943)h 2(2.) von E i als Integrationsvariable zur Gesamtenergie E = E i +ǫ i übergehenund (3.) die kumulative Reaktionswahrscheinlichkeit P cum einführen:P cum (E) = ∑ (2J +1) ∑ ∑|Sif| J 2 (944)J iDann erhalten wir die viel einfacher erscheinende Gleichung:k(T) = k BTh∫∞1Z int Z trans0fe −E/k BT P cum (E) 1k B TdE (945)254


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Zusammenhang mit klassischer TSTGl. 945 ist bereits sehr ähnlich zur Standardformel der TST. Mit einigenNäherungen können wir diese Verbindung explizit herstellen:1. Annahme: Die Gesamt-Reaktionswahrscheinlichkeit ∑ f |S if| 2 eines gegebenenAnfangszustands i sei Null für E < E≠ i und 1 für E ≥ E≠ i . Die kritische Energiekann dabei noch eine Funktion des inneren Zustands i der Edukte sein. Daskönnen wir ausdrücken durch:P≠cum = ∑ J(2J +1) ∑ ih(E −E≠ i ) (946)mit der Heaviside-Stepfunktion h(x) (Null für x < 0 und Eins für x ≥ 0).2. Annahme: Dabei sei die kritische Energie E≠ i die Energie des Übergangszustands= Sattelpunkt auf der Potentialenergiefläche.Gl. 946 ist ein Ausdruck für die Anzahl der Zustände, die am Übergangszustandenergetisch zugänglich sind.3. Annahme: Die Energiezustände bilden ein Kontinuum. Dann kann die P≠cum (E)mit Hilfe der entsprechenden Zustandsdichte ρ ausgedrückt werden:∫EP≠cum (E) =0ρ≠(ǫ)dǫ (947)Einsetzen in den Integralterm von Gl. 495 und Vertauschung der Integrationsreihenfolgeliefert:⎛ ⎞ ⎛ ⎞∫ ∞ ∫ Ee −E/k BT ⎝ ρ≠(ǫ)dǫ ⎠ dE ∫E∫ ∞k B T = ρ≠(ǫ) ⎝ e −E/k BT dE ⎠ dǫ (948)k B T00=0∫ Eǫρ≠(ǫ)e −ǫ/k BT dǫ (949)0= Z≠(950)Damit erweist sich dieser Term als die übliche Zustandssumme des Übergangszustandsder TST (mit einem zur Translation entarteten Vibrationsfreiheitsgrad),und zusammen mit dem Rest von Gl. 495 erhalten wir tatsächlich eine Versionder üblichen TST-Formel:k(T) = k BThZ≠Z int Z trans(951)255


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Direkte QM-Berechnung von k(T)Zur Vereinfachung der Notation betrachten wir Gl. 495 im 1D-Fall:P cum = ∑ if|S if | 2 (952)Ein Beitrag |S if | 2 ist der auslaufende Fluß in Kanal f dividiert durch deneinlaufenden Fluß v i . Dieser auslaufende Fluß ergibt sich durch Projektion derWellenfunktion ψ i (die vollständige Streu-Wellenfunktion, die asymptotisch mitdem Zustand i korreliert) auf den inneren Zustand f, also 〈f|ψ i 〉 int = ψ ifgefolgt von Anwendung der Flußformel I = Re[Ψ ∗ˆvΨ]. Damit erhalten wir:|S if | 2 = v −1i Re[ψ ∗ ifˆvψ if ] (953)Einsetzen in Gl. 952 und Ausnutzen der Vollständigkeitsrelation liefert:∑ ∑|S if | 2 = vi −1 Re〈ψ i |f〉〈f|ˆv|ψ i 〉 int = vi −1 Re〈ψ i |ˆv|ψ i 〉 int (954)ffDie bisherigen Integrationen über interne Koordinaten erfassen nicht die Translationskoordinates, die zum Geschwindigkeitsoperator ˆv gehört. Es ist praktischer,über alle Koordinaten zu integrieren. Das kann man formal dadurch erreichen,daß man den Integranden um eine Deltafunktion δ(s) ergänzt; dadurch entstehtein Flußoperator ˆF:〈ψ i |ˆv|ψ i 〉 int = 〈ψ i |ˆF|ψ i 〉 mit ˆF = δ(s)ˆv =δ(s)ˆpm(955)Für ein gegebenes J und mit der Abkürzung Z = Z int Z trans wird aus Gl. 495damit:∫∞k(T) = (hZ) −1 vi −1 Re〈ψ i |ˆF|ψ i 〉dE (956)0e −E/k BT ∑ iAus formalen Gründen (s.u.) wechseln wir nun von der Integrationsvariable Ezu p i , mit E = p 2 i /2m + ǫ i und p i = mv i . Außerdem ziehen wir den Faktorexp(−E/k B T) in das Flußoperator-Matrixelement und ersetzen darin E durchĤ:∫∞∑k(T) = (hZ) −1 Re〈ψ i |e −Ĥ/k BT ˆF|ψi 〉dp i (957)0iDer Vorfaktor h −1 = h −1/2 h −1/2 kann verwendet werden, um eine Möglichkeitder Normierung der Kontinuumswellenfunktionen ψ i und ψ ∗ i zu realisieren:h −1 〈ψ i |ψ i ′〉 = δ(p i −p i ′) (958)256


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deFür einen beliebigen Operator Ω und diskrete Zustände |n〉 ist die Spur (trace)definiert durch:trΩ = ∑ 〈n|Ω|n〉 (959)nBei Kontinuumszuständen wird die Summe zum Integral, z.B. bei Eigenzuständendes freien Teilchens:trΩ =∫ ∞∫ ∞−∞ −∞h −1 e −ikx Ωe ikx dkdx (960)Die Integration in Gl. 957 hat damit fast die Form einer Spur, bis auf das untereIntegrationslimit. Das kann formal durch Einführung eines ProjektionsoperatorsˆP repariert werden, der nur positive Impulskomponenten herausprojiziert:ˆPψ pi ={ψpi für p i ≥ 00 für p i < 0(961)Damit wird aus Gl. 957 schließlich:∫∞k(T) = Z −1−∞∑Re〈ψ i |e −Ĥ/k BT ˆF ˆP|ψi 〉dp i (962)i]= Z −1 Re[tr(e −Ĥ/k BT ˆF ˆP)]= Z −1 Re[tr(e −Ĥ/2k BT ˆFe −Ĥ/2k BT ˆP)(963)(964)Gl. 963 ist eine zentrale Gleichung, die schon längere Zeit bekannt ist. 46 Siedrückt die Geschwindigkeitskonstante als Boltzmann-Mittelung über das OperatorproduktˆF ˆP aus (beachte die perfekte Analogie dieser Gleichung zur exaktenklassisch-mechanischen k(T)-Berechnung Gl. 916!). Praktische Bedeutung erlangtediese Gleichung aber erst durch weitere technische Entwicklungen in den90er Jahren.Geschwindigkeitskonstante und Fluß-Fluß-AutokorrelationMit der Heaviside-Stufenfunktion h(x) und der Vollständigkeitsrelation für dieFunktionen |ψ pi 〉 läßt sich der Projektionsoperator von Gl. 961 anders ausdrücken:ˆP = h(p i ) = ∑ i46 W. H. Miller, J. Chem. Phys. 61 (1974) 1823.∫ ∞−∞h(p i )|ψ pi 〉〈ψ pi |dp i (965)257


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deψ pi ist eine Lösung der zeitunabhängigen Schrödingergleichung und hängt daherzusammen mit der zeitabhängigen Lösung ψ pi (t) durch:Das kann umgestellt werden zu:ψ pi (t) = e −iEt/ ψ pi = e −iĤt/ ψ pi (966)ψ pi = limt→−∞ e−iĤt/ e iEt/ ψ pi (967)Dabei haben wir die Freiheit der Wahl des Zeitnullpunkts genutzt, um diesenAusdruck im Limes t → −∞ auszuwerten. Dort sind die Funktionen ψ pi = φ pi ,wobei die φ pi den Impuls-Eigenfunktionen in der Edukt-Asymptote entsprechen.Einsetzen in Gl. 965 liefert (unter Umbenennung t → −t):ˆP = ∑ i∫ ∞−∞limt→−∞ eiĤt/ e −iEt/ h(p i )|φ pi 〉〈φ pi |e iEt/ e −iĤt/ dp i (968)Da φ pi eine Impulsoperator-Eigenfunktion ist, kann man schreiben h(p i )φ pi =h(ˆp)φ pi . Unter Ausnutzung der Vollständigkeitsrelation für die φ pi ergibt sichdann:ˆP = limt→−∞ eiĤt/ h(ˆp)e −iĤt/ (969)(beachte die perfekte Analogie zu Gl. 922 im Heisenberg-Bild!). Einsetzen inGl. 964 liefert:[]k(T) = Z −1 lim Re tr(e −Ĥ/k BT ˆFe −Ĥ/kBT e iĤt/ h(ˆp)e −iĤt/ ) (970)t→−∞Eine Spur ist invariant gegenüber zyklischen Vertauschungen ihrer Argumente,und hier kommutieren die Operatoren exp(iĤt/) und exp(−Ĥ/k BT); alsokann man schreiben:[k(T) = Z −1 lim Re tr(ˆFe iĤt/ Ĝe −iĤt/ )t→−∞]mitĜ = e −Ĥ/k BT h(ˆp)e −Ĥ/k BT(971)Für jede komplexe Größe z gilt 2Re(z) = z +z ∗ . Also können wir auch hierdie Realteil-Operation eliminieren, wenn wir zum Argument dieser Operationdessen konjugiert Komplexes hinzuaddieren. Dieses konjugiert Komplexe ist(unter Beachtung der Eigenschaften der Spur, und der Hermitizität von Ĝ):tr(ˆFe iĤt/ Ĝe −iĤt/ ) ∗ = tr(e iĤt/ Ĝe −iĤt/ ˆF† ) = tr(ˆF † e iĤt/ Ĝe −iĤt/ ) (972)Also erhalten wir:k(T) = Z −1 limt→−∞ tr(¯Fe iĤt/ Ĝe −iĤt/ ) (973)258


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deDabei haben wir einen symmetrisierten Flußoperator eingeführt, der hermiteschist und daher zum physikalisch meßbaren Fluß korrespondiert:¯F = 1 [δ(s) ˆp 2 m + ˆp ]m δ(s) (974)(s ist die Koordinate senkrecht zu einer dividing surface“ zwischen Reaktanden”und Produkten, die bei s = 0 lokalisiert ist; p ist der dazu konjugierte Impuls.Beachte: In der vorliegenden exakten Formulierung ist der Fluß unabhängigvon Lage und Form der dividing surface“, solange diese nur Reaktanden und”Produkte trennt; in der approximativen TST ist das nicht der Fall.) Definiertman noch eine komplexe Zeit t c = t−i/(2k B T), kann man ohne Einführungdes Operators Ĝ abgekürzt schreiben:k(T) = Z −1 limt→−∞ tr(¯Fe iĤt∗ c / h(ˆp)e −iĤt c/ ) (975)Mit einer längeren Argumentation kann man zeigen, daß man hier ersetzenkann h(ˆp) = h(ŝ) = h(s), also erhalten wir schließlich:k(T) = Z −1 limt→−∞ tr(¯Fe iĤt∗ c / h(s)e −iĤt c/ ) (976)Da die Spur hier für t = 0 verschwindet, können wir in Gl. 976 statt desZeit-Limes ein Zeit-Integral einführen:∫∞k(T) = Z −10C f (t)dt mit C f (t) = d dt tr(¯Fe iĤt∗ c / h(s)e −iĤt c/ ) (977)Im Heisenberg-Bild lautet die Zeitentwicklung eines Operators Ω:i d Ω = [Ω,Ĥ] (978)dtalso können wir für die oben definierte Korrelationsfunktion auch schreiben:C f (t) = i tr(¯Fe iĤt∗ c/ [Ĥ,h(s)]e−iĤt c/ ) (979)Der dabei erscheinende Kommutator ist aber andererseits:[ ] ˆp2[Ĥ,h(s)] = 2m ,h(s) = −i { ˆp2 m m}δ(s)+δ(s) ˆp= ¯Fi(980)Dadurch wird aus der Korrelationsfunktioneine Fluß-Fluß-Autokorrelationsfunktion:C f (t) = tr(¯Fe iĤt∗ c / ¯Fe −iĤt∗ c / ) (981)Nach Gl. 977 ist die exakte(!) Geschwindigkeitskonstante das Zeitintegral dieserFluß-Fluß-Autokorrelationsfunktion.259


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deVon diesem Ausdruck existieren zahlreiche Varianten. Insbesonderen kann manüber die Fouriertransformation der Delta-Funktionδ(Ĥ −E) = 12π∫ ∞−∞e −i(Ĥ−E)t dt (982)und den Zusammenhang zwischen der kanonischen und mikrokanonischen Darstellungk(T) = 12πZ∫ ∞0P(E)e −E/k BT dE (983)einen zeitunabhängigen Ausdruck für die Energie-abhängige, kumulative Reaktionsgeschwindigkeitaufstellen:P(E) = 2π 2 tr(¯Fδ(Ĥ−E)¯Fδ(Ĥ −E)) (984)Eigen-Reaktions-WahrscheinlichkeitenIn Gln. 977 und 984 treten Flußoperatoren auf. In jeder finiten Basis hat eineindimensionaler Flußoperator (in der Koordinate s senkrecht zur dividing ”surface“ zwischen Reaktanden und Produkten) nur zwei von Null verschiedeneEigenwerte, die denselben Betrag aber unterschiedliches Vorzeichen haben:±λ. Die zugehörigen Eigenfunktionen |+〉 und |−〉 sind komplex konjugiertzueinander. Die Funktionen {φ i } sollen eine vollständige Basis in den anderenKoordinaten (nicht s) bilden, und zur Abkürzung schreiben wir φ ± i für dasdirekte Produkt zwischen φ i und |+〉 bzw. |−〉. Dann können wir die Spur inGl. 984 sehr einfach berechnen alsP(E) = (2π)22 λ∑ i[〈φ + i |δ(E −Ĥ)¯Fδ(E −Ĥ)|φ+ i 〉−〈φ− i |δ(E −Ĥ)¯Fδ(E −Ĥ)|φ− i 〉 ]Mit ¯F ∗ = −¯F und |−〉 = |+〉 ∗ ergibt sich:(985)〈φ − i |δ(E −Ĥ)¯Fδ(E −Ĥ)|φ− i 〉 = 〈φ− i |δ(E −Ĥ)¯Fδ(E −Ĥ)|φ− i 〉∗ (986)und wir erhalten:= −〈φ + i |δ(E −Ĥ)¯Fδ(E −Ĥ)|φ+ i 〉 (987)P(E) = (2π) 2 λ ∑ i〈φ + i |δ(E −Ĥ)¯Fδ(E −Ĥ)|φ+ i 〉 (988)Wenn wir wir λ = √ λ √ λ gleichmäßig auf bra und ket verteilen und fürδ(E −Ĥ) wieder den Fouriertransformations-Ausdruck verwenden, können wir260


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.dedefinieren:ψ i (E) = 2π √ λδ(E −Ĥ)|φ+ i 〉 (989)= √ λ∫ ∞−∞e i(E−Ĥ)t |φ + i〉dt (990)Die kumulative ReaktionswahrscheinlichkeitP(E) kann dann geschrieben werdenals Summe über “Eigenreaktionswahrscheinlichkeiten” P i (E):P(E) = ∑ i〈ψ i (E)|¯F|ψ i (E)〉 = ∑ iP i (E) (991)261


Einführung <strong>Theoretische</strong> <strong>Chemie</strong> • Prof. Dr. B. Hartke, Universität Kiel, hartke@phc.uni-kiel.deAppendix: Literatur zur direkten Quanten-k(T)-Berechnung:Übersichtsartikel:• G. C. Schatz und M. A. Ratner: Quantum Mechanics in Chemistry“,”Prentice-Hall, 1993, bzw. Dover, 2002; Kapitel 8:einzige(?) Behandlung des Themas in einem Lehrbuch• W. H. Miller, J. Phys. Chem. A 102 (1998) 793:kurze Übersicht über Millers zentrale Beiträge zu Theorie und Anwendungen• W. H. Miller, in: ”Dynamics of Molecules and Chemical Reactions“, R.E. Wyatt und J. Z. H. Zhang (Eds.), Marcel Dekker, New York, 1996:etwas längere Version des obigen Artikelsausgewählte Spezialliteratur:• T. Seidemann und W. H. Miller, J. Chem. Phys. 97 (1992) 2499:dieser Artikel und zwei darin zitierte Vorläufer waren die ersten funktionierendenImplementierungen der Millerschen Theorie• U. Manthe und W. H. Miller, J. Chem. Phys. 99 (1993) 3411:die kumulative Reaktionswahrscheinlichkeit als Eigenwertproblem• D. H. Zhang und J. C. Light, J. Chem. Phys. 104 (1996) 6184:Zhang/Light-Variante der Millerschen Theorie• F. Matzkies und U. Manthe, J. Chem. Phys. 106 (1997) 2646, 108 (1998)4828:diese Artikel und die darin zitierten Vorläufer skizzieren die ManthescheVariante der Millerschen Theorie und vergleichen mit der Zhang/Light-Variante; 6D-Anwendungen auf H 2 + OH → H + H 2 O• F. Huarte-Larrañaga und U. Manthe, J. Chem. Phys. 113 (2000) 5115:erste 12D-Dynamik-Rechnung; zu CH 4 + H → CH 3 + H 2262

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