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Schwarz-Rot-Gold - Aktionsbündnis Brandenburg

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<strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>:Das Symbol für die nationale Identität der Deutschen!Dr. Erardo Cristoforo RautenbergGeneralstaatsanwalt des Landes <strong>Brandenburg</strong>Herausgeber: Aktionsbündnis gegen Gewalt,Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit


Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismusund FremdenfeindlichkeitGeschäftsstelle im Ministerium für Bildung, Jugend und SportHeinrich-Mann-Allee 107 Haus 1a14473 PotsdamTel.: 0331-866 3570Fax: 0331-866 3574www.aktionsbuendnis.brandenburg.deaktionsbuendnis@mbjs.brandenburg.de


Dr. Erardo Cristoforo RautenbergGeneralstaatsanwalt des Landes <strong>Brandenburg</strong>3. Auflage<strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>:Das Symbol für die nationale Identität der Deutschen! **Im Juni 2008 anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Handlungskonzepts„Tolerantes <strong>Brandenburg</strong>“ letztmalig überarbeitete Fassung eines Vortrags, denich am 23. Juli 2002 zum „Tag der Freiheit“ in der Erinnerungsstätte für dieFreiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte im Rastatter Schloss gehaltenhabe (veröffentlicht in Heft 3-2002, S. 5–21, der „Mitteilungen aus dem Bundesarchiv“ und im „Jahrbuch der Hambach Gesellschaft“,Nr.11, 2003, S.227-246).Für die kritische Durchsicht danke ich meiner Frau, Katrin Rautenberg.


Inhalt:S.4 PrologS.6 Exkurs: Die rechtsextremistische Gefahr S.22 Das Problem der Deutschen mit ihrer nationalen IdentitätS.27 Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) Nationalismus S.40 Die Herkunft der deutschen FarbenS.46 Die deutschen Burschenschaften und das Hambacher FestS.56 Die Revolution von 1848S.62 Die Niederschlagung der Einheits- und FreiheitsbewegungS.64 Die Farben des KaiserreichsS.68 Revolution und RepublikS.73 FlaggenstreitS.78 Die Entwicklung nach 1945S.86 ResümeeS.107 Weiterführende Literatur


PrologDie Frage nach der „nationalen Identität“ wurde zehn Jahrenach der deutschen Wiedervereinigung plötzlich aktuell,und seitdem hält das öffentliche Interesse mit gewissenSchwankungen an. Der Theologe und frühereDDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer ist diesemPhänomen des Zeitgeistes als einer der Ersten exemplarischgerecht geworden, indem er im November 2001 inWittenberg die Tagung „Was ist deutsch? Über patriotischeHaltungen und nationalistische Verirrungen“ der EvangelischenAkademie Sachsen-Anhalt veranstaltete, zu der ich einReferat über <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> beitrug.Im September 2004 erschien „Das Buch der Deutschen“, mitdem – wie auf dem schwarz-rot-gold gestalteten Schutzumschlagangepriesen wird – „erstmals und konkurrenzlos“der Versuch unternommen worden ist, „einen Kanon derTexte deutscher Identität zusammenzustellen: aus Geschichteund Politik, Literatur, Poesie und Philosophie“; in der „taz“ als„Sonderschulschinken“, in der „Welt“ als „nationalromantischesUngetüm“ rezensiert.Von den Publikationen des Jahres 2005 seien nur erwähnt„Wo wir uns finden. Die Berliner Republik als Vaterland“ vonEckhard Fuhr, dem Feuilleton-Chef der „Welt“, und „DasDeutschlandgefühl. Eine Heimatkunde“ von Reinhard Mohr.Rechtzeitig vor der Fußballweltmeisterschaft 2006 brachteMatthias Matussek, früherer Kulturchef des „Spiegel“, seinBuch „Wir Deutschen. Warum uns die anderen lieben können“4


Prologauf den Markt. Es folgte das Psychogramm „Deutschland aufder Couch. Eine Gesellschaft zwischen Stillstand und Leidenschaft“von Stephan Grünewald. Vom 2. Juni bis 3. Oktober 2006war im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg dieAusstellung „Was ist deutsch?“ zu sehen, und im November2006 publizierte der frühere sächsische StaatsministerMatthias Rößler den Sammelband „Einigkeit und Recht undFreiheit. Deutscher Patriotismus in Europa“, der die überarbeitetenBeiträge einer Ringvorlesung an der TechnischenUniversität Chemnitz im Wintersemester 2005/2006 miteinschlägigen Literaturhinweisen enthält. Sodann widmetensich alle Beiträge der von der Bundeszentrale für politischeBildung herausgegebenen Beilage „Aus Politik undZeitgeschichte“ vom 2. Januar 2007 den Themen Patriotismusund Nationalismus. Es folgte der von Klaus Wiegrefeund Dietmar Pieper herausgegebene Sammelband „DieEntstehung der Deutschen“, und schließlich legte das Kölner„rheingold-Institut“ im Auftrag der Düsseldorfer gemeinnützigenStiftung „Identity Foundation“ zum Tag der DeutschenEinheit 2007 die qualitative Studie „Deutsch-Sein im Alltag“vor, die an die vorjährige Publikation ihres GeschäftsführersStephan Grünewald anknüpft.Nach meiner Wahrnehmung ist die allgemeine Diskussionüber die „nationale Identität“ letztlich auf die Aktivitäten derRechtsextremisten zurückzuführen, die den Versuch unternehmen,den Begriff durch Okkupation seines Inhaltsmit ihrem nationalistischen Gedankengut für sich zu vereinnahmen.5


Exkurs: Die rechtsextremistische GefahrDen Ausbruch nationaler Emotionen während der politischenWende in der DDR 1989 und der darauf folgendenVereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 haben organisierteRechtsextreme aus den alten Bundesländernals Chance zur Verbesserung ihres bis dahin geringenpolitischen Einflusses begriffen und daher zum Anlassfür eine intensive Agitation ihrer nationalistischen Zielegenommen.Damit sind sie vor allem bei jungen Menschen in den neuenBundesländern auf Zustimmung gestoßen, die sich – wie ihreEltern und Großeltern mit ungewohnt vielen Ausländernals vermeintliche Konkurrenten im Existenzkampf konfrontiert– in einer durch den Zusammenbruch der altenAutoritäten und sozialen Strukturen bedingten Phase derOrientierungslosigkeit und Frustration zur Bekämpfung ihrerLangeweile und Kompensation ihrer Schwäche in lockerenGruppierungen zusammenrotteten, aus denen herausunter Alkoholeinfluss Andersartige, vornehmlich Ausländer,„geklatscht“ wurden. Dabei waren die Täter zumeist intellektuellüberhaupt nicht zu der Erkenntnis in der Lage, dassder angestrebte „ausländerfreie“, autoritäre, nationalistischeStaat nicht nur den ethisch-moralischen, sondern auch denwirtschaftlichen Ruin unseres rohstoffarmen, vom Exportabhängigen Landes bedeuten würde.Ebenso wenig dürfte ihnen bewusst gewesen sein, dassbereits fremdenfeindliche Straftaten wirtschaftlichenSchaden in Deutschland anrichten, weil diese ausländi­6


Exkurs: Die rechtsextremistische Gefahrsche Investoren abschrecken und sich gegen die – nach derLehre des renommierten amerikanischen WissenschaftlersRichard Florida – dritte grundlegende Voraussetzung fürwirtschaftliches Wachstum in unserer globalisierten Weltneben Technologie und Talenten richten: Toleranz!Andererseits darf nicht ausgeblendet werden, dass dieWiedervereinigung in eine Ende der 80er Jahre einsetzendePhase der Zuwanderung einer Vielzahl von Asylsuchendenaus der Dritten Welt in die Europäische Union fiel, von denenfast Zweidrittel in der Bundesrepublik ankamen, wosie nach 1990 auch auf die neuen Bundesländer verteiltwurden. Da dies nicht nur für die dortige, im gesellschaftlichenUmbruch befindliche Bevölkerung, sondern auchfür die der alten Bundesländer, der das Zusammenlebenmit Ausländern mehr vertraut war als den ehemaligenDDR-Bürgern, sowie für den Staatshaushalt eineÜberforderung darstellte, wurde schließlich im Mai 1993der Zugang zum politischen Asyl in Deutschland durchÄnderung des Grundgesetzes (Art.16 a) stark eingeschränkt.Die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung vor undnach dem umstrittenen „Asylkompromiss“ wurde von denRechtsextremisten für ausländerfeindliche Hetze genutzt,die brennende Asylbewerberheime und sonstige schwersteausländerfeindliche Gewalttaten im gesamten Bundesgebietzur Folge hatte, wobei es in den neuen Bundesländern währendder Phase des Aufbaus einer rechtsstaatlichen Polizeiund Justiz zu erheblichen Defiziten bei der Strafverfolgungkam.7


Exkurs: Die rechtsextremistische GefahrEines der ersten Todesopfer rechtsextremistisch motivierterGewalt nach der Wiedervereinigung war AmadeuAntonio Kiowa, der in der Nacht zum 25. November 1990im brandenburgischen Eberswalde wegen seiner dunklenHautfarbe mit Baseballschlägern ins Koma geprügelt wurde,aus dem er nicht mehr erwachte. Nach ihm ist eineStiftung benannt worden (www.amadeu-antonio-stiftung.de), die mit ihrer Tätigkeit eine Zivilgesellschaft stärken will,die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismusund Antisemitismus wendet. Der Tat zum Nachteil vonAmadeu Antonio Kiowa sind bis heute eine Vielzahl vonGewalttaten mit einer ebenso klaren Motivlage gefolgt, wobeidie Intensität der Gewaltanwendungen häufig in einemZusammenhang mit dem Ausmaß der von den Täterempfundenen Fremdheit ihrer Opfer zu stehen scheint,sodass gerade in den Taten zum Nachteil von Opfern miteiner anderen Hautfarbe eine Vernichtungstendenz zumAusdruck kommt, die vermuten lässt, dass die Täter ihnendas Menschsein aberkennen. Hingegen könnte der Tötungdes zuvor als „Jude“ bezeichneten 16-jährigen MarinusSchöberl durch vermeintliche Kumpel nach dem Vorbilddes Bordsteinkicks aus dem Film „American History X“ inder Nacht zum 13. Juli 2002 im brandenburgischen Potzlowein komplexes Ursachenbündel zugrunde gelegen haben,was Andres Veiel in seinem Buch „Der Kick. Ein Lehrstücküber Gewalt“ aufzeigt, das die Rechercheergebnisse zu demgleichnamigen, auch verfilmten Theaterstück enthält.Im Land <strong>Brandenburg</strong> ist zwar die Zahl von Gewaltstraftatenzum Nachteil von Personen aus justitiell festgestell­8


Exkurs: Die rechtsextremistische Gefahrter rechtsextremistischer, antisemitischer oder fremdenfeindlicherMotivation nach einer in meiner Behörde seit1998 geführten Auflistung seit einiger Zeit rückläufig, wasaber natürlich kein Grund ist, von einer konsequentenStrafverfolgung abzulassen.Über die fortbestehende rechtsextremistische Gefahr darfebenfalls nicht hinwegtäuschen, dass die Bilder pöbelnddurch die Fußgängerzonen ziehender Gruppen von Nazi-Skinheads selten geworden sind und die Jugendkultur nichtmehr wie bis in die zweite Hälfte der 90er Jahre hinein vonrechtsextremen Vorstellungen dominiert wird. Viele derjenigen,die dadurch geprägt worden waren, sind nunmehrnach der Gründung eigener Familien zwar gesellschaftlichintegriert und begehen keine rechtsextremistisch motiviertenStraftaten mehr, doch ist die Wahrscheinlichkeitgroß, dass sie ihre Grundeinstellung beibehalten haben,die sich dann auf ihr Wahl- und Erziehungsverhalten auswirkenwürde. Auch viele der inzwischen nachgewachsenenRechtsextremen verzichten darauf, ihre Gesinnungdurch ihr äußeres Erscheinungsbild offen zur Schau zustellen, sondern verwenden als Erkennungszeichen undzur Herstellung von Gruppenidentität für Außenstehendeschwer zu deutende Symbole und Codes.Fremdenfeindliche Gewalttaten stoßen aber nicht nur amrechten Rand, sondern auch in der Mitte der Gesellschaftauf einen positiven Resonanzboden, indem zwar dieGewaltanwendungen abgelehnt werden, aber für die denTaten zugrunde liegenden Motive der Täter Sympathien9


Exkurs: Die rechtsextremistische Gefahrvorhanden sind, und zwar selbst bei Stammwählern demokratischerParteien. Dies ist nicht nur die Erfahrungdes früheren Ost-Berliner Stadtjugendpfarrers und DDR-Bürgerrechtlers Wolfram Hülsemann, der seit zehn Jahrenim Land <strong>Brandenburg</strong> professionelle Gemeinwesenberatungbetreibt, sondern wird auch durch die im Auftrag derFriedrich-Ebert-Stiftung (FES) 2006 durchgeführte Repräsentativerhebung„Vom Rand in die Mitte“ belegt, die unter5000 Bundesbürgern erschreckend viel Zustimmung zurechtsextremen Aussagen festgestellt hatte. Um darausKapital schlagen zu können, verfolgt die NPD die Strategie,jeden Anschein der geistigen Urheberschaft für die von derganz überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung als abstoßendempfundenen Gewalttaten der rechtsextremen Szenezu vermeiden und das Trugbild einer harmlosen, gesetzestreuen,zu Unrecht diskriminierten Partei vorzuspiegeln,die sich im Unterschied zu den „etablierten Parteien“ für dieInteressen der Bürger einsetzt, während die „netten Nazis“andererseits ihr biederes Image selbst dadurch als verlogenentlarven, dass sie weiterhin nicht organisierte Neonazi-Schläger an die Partei zu binden versuchen.Das Vorhandensein rechtsextremer Einstellungen in derMitte der Gesellschaft geht mit einer sinkende Akzeptanzdes demokratischen Systems einher, die Ende 2006 in dergesamten Bundesrepublik diagnostiziert worden ist (sieheetwa „Spiegel ONLINE“ vom 2. und 3. November 2006 unterHinweis auf den ARD-Deutschlandtrend) und sich auch aneiner nachlassenden Wahlbeteiligung ablesen lässt. Schondavon profitieren die rechtsextremen Parteien, wie sich zu­10


Exkurs: Die rechtsextremistische Gefahrletzt bei den diesjährigen Kreistagswahlen in Sachsen gezeigthat, wo die NPD bei einer Wahlbeteilung von nur 47 %5,1% der Stimmen erhielt und nunmehr in allen Kreistagenvertreten ist. Ende Juni 2008 ist eine im Auftrag der FES erstellte,auf der Befragung von 2500 repräsentativ ausgewähltenBundesbürgern beruhende Studie der MünchnerSozial- und Marktforschungsgesellschaft „polis+sinus“ erschienen,wonach ein Drittel aller Bundesbürger und sogar53 % der Ostdeutschen nicht glauben, dass die Demokratieihre Probleme löst.Demokratieverdrossenheit und Akzeptanz rechtsextremerPositionen dürften vornehmlich auf die wirtschaftlicheLage zurückzuführen sein. Dafür spricht auch die imAuftrag der FES gefertigte Folgestudie „Ein Blick in die Mitte“der vor zwei Jahren durchgeführten Repräsentativerhebung,zu der die Leipziger Wissenschaftler 150 Personen in zwölfGruppendiskussionen nach den Gründen ihrer rechtsextremenAussagen befragt haben. Eines der Ergebnisse hat derPsychologe Oliver Decker bei der Präsentation der Studieam 19. Juni 2008 in Berlin wie folgt zusammengefasst:„Immer dann, wenn der Wohlstand als Plombe bröckelt, steigen ausdem Hohlraum wieder antidemokratische Traditionen auf“. FrankKarl, Mitarbeiter der FES, hat gegenüber dem „Tagesspiegel“(Ausgabe vom 29. Juni 2008) aus der Studie von „polis+sinus“den Schluss gezogen, dass die gegenwärtige Politik offenbargerade die Verlierer der Gesellschaft nicht überzeuge, undweil deren Zahl zunehme, die Gefahr für die Demokratieinsgesamt wachse.11


Exkurs: Die rechtsextremistische GefahrIn den alten Bundesländern ist nämlich im Bewusstseinder jüngeren Bevölkerung schon lange nicht mehr mitdem demokratischen Rechtstaat wachsender wirtschaftlicherWohlstand verbunden, was nach der Überwindungder NS-Diktatur wesentlich zur Akzeptanz des neuenGesellschaftssystems der Bundesrepublik beigetragen hatte.Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat dies in einem am8. Mai 2007 in Tübingen gehaltenen, brillanten Vortrag „ZumEthos des Politikers“ wie folgt zum Ausdruck gebracht:„ Es waren…im Beginn der Bundesrepublik…der erstaunliche ökonomischeErfolg Ludwig Erhards und die amerikanische Marshall-Hilfe, welche die Deutschen auf Freiheit und Demokratie und fürden Rechtsstaat eingestimmt haben. Diese Wahrheit bedeutet keineSchande. Denn schon seit Karl Marx weiß man, dass das ökonomischeSein das politische Bewusstsein bestimmt. Zwar enthältdiese Feststellung nur eine Teil-Wahrheit. Richtig bleibt aber: JedeDemokratie ist gefährdet, wenn die Regierenden Wirtschaft undArbeit nicht in akzeptabler Ordnung halten können.“Im Gebiet der ehemaligen DDR war auf die NS-Diktaturein weiteres – wenn auch mit dieser keinesfalls gleichzusetzendes– undemokratisches System gefolgt, das nichtnur ökonomisch scheiterte. Nach dessen Überwindungund dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik knüpfte dieBevölkerung an die Demokratie insbesondere große wirtschaftlicheErwartungen. Doch die Ernüchterung folgte alsbald.Nicht die vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohlin einer Fernsehansprache am 1. Juli 1990 versprochenen„blühenden Landschaften“ galt es zu beobachten, sondern die„Abwicklung“ der Ostbetriebe. Statt für das bisherige Leben12


Exkurs: Die rechtsextremistische Gefahrin den schlechteren wirtschaftlichen Verhältnissen der DDRvon den begünstigten westdeutschen Landsleuten gleichsamentschädigt zu werden, fühlten sich Ostdeutsche wieBittsteller aus einem bankrotten Staat behandelt und erlebtendie Demütigung der kollektiven Entwertung ihrerbisherigen Biographien durch „Besserwessis“. Viele, die imUmgang mit Mangelwirtschaft und der Bewältigung desständig bevormundenden DDR-Staates perfekt eingeübtwaren, mussten die schmerzliche Erfahrung machen, dasssie den neuen Herausforderungen nicht gewachsen waren.Das neue Gesellschaftssystem nahm ihnen mit demVerlust der Arbeitsplätze vertraute Sicherheiten, ohne verlässlichePerspektiven anzubieten. Während inzwischenjunge qualifizierte Ostdeutsche in die alten Bundesländerabwandern, besteht bei den im Osten verbliebenen jungenund alten Dauerarbeitslosen eine erhöhte Gefahr, dass siefür ihre Lage das demokratische System als solches verantwortlichmachen und für simple Agitation anfällig werden.Gegebenenfalls führt dies zur Wahlverweigerung oder zurWahl rechtsextremer Parteien, die einfache Lösungen fürschwierige Probleme anbieten und insbesondere die vorhandeneFremdenfeindlichkeit für sich instrumentalisieren,indem sie „die Ausländer“ als Sündenböcke stigmatisieren.Mit dem Propagieren eines nach außen abgeschotteten undautoritären Staates bieten die Rechtsextremen aber auchden ehemaligen DDR-Bürgern, die sich mit eigenverantwortlicherLebensführung und demokratischer Streitkulturin einer pluralistischen und weltoffenen Gesellschaft nichtzurecht finden und daher nach staatlicher Fürsorge mittels13


Exkurs: Die rechtsextremistische Gefahr„Durchstellen“ unanfechtbarer Entscheidungen der Obrigkeitzurücksehnen, einen Anknüpfungspunkt.Nach einem weiteren Ergebnis der Studie „Ein Blick in dieMitte“ befördert auch eine Verweigerung der Auseinandersetzungmit der nationalsozialistischen VergangenheitDeutschlands rechtsextreme Einstellungen, während andererseitseine entsprechende Aufarbeitung häufig mit einerdemokratischen Einstellung einhergeht. Damit wirddie von der Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan in ihrem1997 erschienenen Buch „Politik und Schuld. Die zerstörerischeMacht des Schweigens“ abgehandelte These gestützt,dass das Beschweigen von Schuld die Demokratie schädigt,was sie am Beispiel des Umgangs mit der Zeit desNationalsozialismus in der alten Bundesrepublik aufzeigt.In der DDR wurden zwar die Gräuel der „Faschisten“ nichtbeschwiegen, sondern ausführlich behandelt, aber alsAltlast der Bundesrepublik dargestellt und die Bürger derDDR von der Verantwortung für die nationalsozialistischenVerbrechen kollektiv freigesprochen, sodass eine tief greifendeAuseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheitebenfalls unterblieb. Der frühere DDR-Bürgerrechtler KonradWeiß schildert in seiner Biographie über Lothar Kreyssig(1898-1986) eine Begebenheit, die dies schlaglichtartig belegt.Kreyssig, der als in meinem heutigen Dienstgebäude tätiggewesener Vormundschaftsrichter den Euthanasiemordender Nazis mit beispiellosem Mut widersprochen hatte, gründetevor 50 Jahren die „Aktion Sühnezeichen“. Junge Deutschesollten die ehemaligen Feindländer und Israel besuchen, um14


Exkurs: Die rechtsextremistische Gefahrdort um Vergebung und Frieden zu bitten. Als am 1. August1964 zwei Sühnezeichengruppen mit Fahrrädern nach Polenzu den ehemaligen Vernichtungslagern Auschwitz undChełmno pilgern wollten, wurde ihnen die Ausreise mitder Begründung verwehrt, dass DDR-Bürger mit dem vonden „Faschisten“ in Polen angerichteten Unheil nichts zu tunhätten. Was die Aktion Sühnezeichen dort wolle, sei unerwünschtund überflüssig.Wolfram Hülsemann kommentiert dies wie folgt:„Die Auseinandersetzung mit der Nazi-Zeit wurde staatlicherseits aus der Sicht des kommunistischen Widerstands konzipiert. Mitden ideologischen Essentials der NS-Ideologie konnte sich nichtauseinandergesetzt werden. Ein Diskurs darüber hätte stets daselementare Demokratiedefizit, wie die staatliche Verweigerung elementarerBürger- und Freiheitsrechte in der DDR ins Spiel gebracht.Ablehnung einer pluralistischen Gesellschaft, das Verhindern demokratischerGewaltenteilung, Antisemitismus, rassistischeEinstellungen und die sich daraus ergebenden Folgen konntenüberhaupt nicht oder nur unzureichend aufgearbeitet werden. Sie blieben weitestgehend ungeklärte Gedankenkonglomerate in denKöpfen der politischen DDR-Eliten und des DDR-Alltags: Die DDR war ein antifaschistischer Staat – und damit basta! Der Anspruchder SED-Mächtigen, den Faschismus mit Stumpf und Stil ausgerottetzu haben, veranlasste Nachdenkliche zu fragen: Aber wasmachen wir mit den Wurzeln...? Diese Auseinandersetzung konntenicht geführt werden, darüber war zu schweigen, weil dieDDR-Bevölkerung nach Staatsgründung 1949 per se als eineVersammlung von Antifaschisten zu werten war. Erkennbarerechtsextreme und rassistische Eintellungen und Entwicklungen­15


Exkurs: Die rechtsextremistische GefahrAspekte reduzierte DDR fortlebt, deren Diktaturvergangenheit voneiner Mehrheit ausgeblendet oder verdrängt wird.“Festzuhalten bleibt, dass der Rechtsextremismus zwarein gesamtdeutsches Problem darstellt, dessen Ausmaß„Die Zeit“ zu der seit dem 8. Mai dieses Jahres bestehendenInternetseite www.netz-gegen-nazis.de veranlasst hat,aber im sogenannten „Beitrittsgebiet“ nicht nur die NPDbzw. die DVU in drei Landtagen vertreten, sondern auchdie Demokratieakzeptanz bei Meinungsumfragen geringerund die Gefahr, Opfer einer rechtsextremistisch motiviertenGewalttat zu werden, größer ist als in den altenBundesländern. Zudem gibt es nach Einschätzung dermehrheitlich ostdeutschen Gründungsmitglieder desVereins „Demokratie[An]stiftung – Einmischen in die eigenenAngelegenheiten“ (www.demokratieanstiftung.de ) bisher inden neuen Bundesländern noch keine ausreichend entwickelteBürgergesellschaft, in der die demokratischen Wertegelebt werden. Dies führen sie darauf zurück, dass die früherenDDR-Bürger Ansätze für demokratisches Handeln nurin halböffentlichen Räumen wie der Kirche und der Kunsthätten erfahren können und nach einer kurzen Blüte desdemokratischen Lebens während der Wende 1989/1990die Demokratie in der Bundesrepublik eher als staatlichesRegulierungs- und Verwaltungssystem erlebt hätten, waszu einem frustrationsbedingten Rückzug Vieler aus dem gesellschaftlichenEngagement geführt habe, durch den undemokratischeKräfte gestärkt worden seien.17


Exkurs: Die rechtsextremistische GefahrAngesichts dieses Befundes der rechtsextremistischenGefahr gilt es, Gegenstrategien zu entwickeln und alle gesellschaftlichenAbwehrkräfte zu mobilisieren, worinder brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeckin seiner Regierungserklärung vom 27. Oktober 2004 einenSchwerpunkt auch der zurzeit amtierenden Landesregierunggesehen hat.Keine taugliche Gegenstrategie ist jedoch, auf die Forderungder Rechtsextremen nach einem autoritären Staat mit einerIdealisierung der Demokratie zu reagieren, denn immernoch trifft ein viel zitierter Ausspruch von WinstonChurchill (1874-1965), bedeutendster britischer Staatsmanndes 20. Jahrhunderts, zu: „Die Demokratie ist die schlechtestealler Staatsformen, ausgenommen alle anderen!“Helmut Schmidt hat dazu in seinem bereits zitierten Vortragvom 8. Mai 2007 Folgendes ausgeführt:„Die moderne Massendemokratie ist, ähnlich wie WinstonChurchill gesagt hat, für uns tatsächlich zwar die bei weitembeste Regierungsform – verglichen mit allen anderen, die wir frühererlebt haben –, aber sie ist keineswegs ideal. Sie ist zwangsläufigmit großen Versuchungen behaftet, mit Irrtümern undDefiziten. Entscheidend bleibt das Positivum, dass die Regiertenihre Regierung ohne Gewalt und Blutvergießen auswechselnkönnen und dass deswegen die Regierenden und ihre sie tragendeParlamentsmehrheit sich vor den Regierten verantwortenmüssen.“18


Exkurs: Die rechtsextremistische GefahrAuf diesen Gedanken kommt Helmut Schmidt nochmalszurück, indem er am Ende seines Vortrags ausführt, dassihm eine „doppelte Einsicht“ am Herzen liege:„Nämlich erstens, dass unsere offene Gesellschaft und unsereDemokratie mit vielen Unvollkommenheiten und Defiziten behaftetsind und dass alle Politiker von allzu menschlichen Schwächen gekennzeichnetbleiben. Es wäre ein gefährlicher Irrtum, unsere realexistierende Demokratie zum reinen Ideal zu erheben. Aber zweitens:Gleichwohl haben wir Deutschen – unserer katastrophalenGeschichte wegen – allen Grund, mit Zähigkeit an der Demokratiefestzuhalten, sie immer zu erneuern und immer wieder ihrenFeinden tapfer entgegenzutreten.“Dies setzt aber voraus, dass der Vermittlung des entsprechendengeschichtlichen Wissens ein hoher Stellenwert beigemessenwird, was der brandenburgische LandtagspräsidentGunter Fritsch wie folgt zum Ausdruck gebracht hat: „Wer Gedenkenund Erinnerungskultur nicht als Bildungsauftrag für dienachwachsende Generation begreift, macht den Weg fürWiederholung der Geschichte frei.“Daraus folgere ich, dass sich die nicht nur von denSchulen zu leistende Bildungsarbeit zur Thematik „parlamentarischeDemokratie“ keinesfalls in der Bewältigung derschwierigen Aufgabe erschöpfen darf, ihr Funktionieren inunserem föderalen Staat als Teil der Europäischen Uniontransparent zu machen, um die Bürger zu einer aktivenBeteiligung an demokratischen Entscheidungsprozessenzu ermuntern. Zur Herstellung von Akzeptanz ist vielmehrauch die Vermittlung der bis in die erste Hälfte des19


Exkurs: Die rechtsextremistische Gefahr19. Jahrhunderts zurückreichenden Geschichte unsererheutigen Demokratie und ein differenzierender Vergleichmit den beiden deutschen Diktaturen des 20. Jahrhundertserforderlich, wobei der NS- und der SED-Staat wegendes Völkermordes der Nationalsozialisten und andererim Leugnen der Gleichwertigkeit aller Menschen alsGrundlage unserer Zivilisation wurzelnder schwersterMenschenrechtsverletzungen keinesfalls miteinadergleichgesetzt werden dürfen. Bei der Pflege unsererErinnerungskultur darf nach den zutreffenden Worten desstellvertretenden Vorsitzenden des Vorstands der „Stiftungzur Aufarbeitung des SED-Unrechts“, Bernd Faulenbach, wedereine Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechennoch eine Bagatellisierung des SED-Unrechts erfolgen. Dieskönnte vor allem in Gedenkstätten an „Orten mit doppelterDiktaturvergangenheit“ gelingen, die die Enquete-Kommission„Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess derdeutschen Einheit“ des Deutschen Bundestags in ihremSchlussbericht vom 10. Juni 1998 (Bundestagsdrucksache13/11000) aufgeführt hat.Im Kampf gegen den Rechtsextremismus sollte also nichtnur auf eine Verschlechterung seines Nährbodens durchVerbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse gehofft, sonderndie Demokratieakzeptanz auch durch Bildungsarbeiterhöht und zivilgesellschaftliches Engagement gefördertwerden. Zudem plädiere ich seit 1998 für ein Verbot derverfassungsfeindlichen NPD als radikalster und mitgliederstärksterrechtsextremer Partei, weil durch den Statusals zugelassene Partei, die damit verbundenen finanziellen20


Exkurs: Die rechtsextremistische Gefahrstaatlichen Zuwendungen und die nunmehrige Präsenz inzwei Landtagen die Verbreitung eines für mich offensichtlichan die Tradition der NSDAP anknüpfenden Gedankengutsin unserer Gesellschaft gefördert wird. Nach dem Scheiterndes ersten Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht2003 setzt ein erneuter Antrag den Abzug aller V-Leute ausden Führungsgremien der NPD voraus, wofür ich mich ineinem Beitrag für die „Deutsche Richterzeitung“ (6/2008) schondeshalb ausgesprochen habe, weil meines Erachtens bereitsdurch deren Präsenz die NPD stabilisiert wird. Ein Verbot derNPD würde natürlich nicht die Auseinandersetzung mit demGedankengut ihrer Anhänger erübrigen und auch nicht derenVersuche der Vereinnahmung des Begriffs der „nationalenIdentität“ beenden, womit ich wieder am Ausgangspunktmeines Exkurses über die Gefahr des Rechtsextremismusangelangt bin.21


Das Problem der Deutschen mit ihrernationalen IdentitätFalsch wäre es meines Erachtens, wenn die Demokratenden Rechtsextremisten den Begriff der „nationalen Identität“nicht streitig machen und stattdessen einen bloßen „Verfassungspatriotismus“propagieren würden. Abweichendvon dem Politikwissenschaftler Dolf Sternberger, der diesenBegriff Ende der 70er Jahre geprägt hatte, ist er inder alten Bundesrepublik vor allem unter dem Einflussdes Sozialwissenschaftlers Jürgen Habermas von vielenIntellektuellen als Möglichkeit verstanden worden, damitden – wegen der in deutschem Namen begangenen nationalsozialistischenVerbrechen und der Teilung Deutschlands– als identifikationsuntauglich empfundenen Begriff derNation von dem des Patriotismus abzukoppeln. Dieser bundesdeutscheVersuch, das deutsche Nationalbewusstseindurch den Begriff des Verfassungspatriotismus zu ersetzen,um durch die rationale Identifikation des Bürgers mit derverfassungsmäßigen Grundordnung eine als gefährlich bewerteteaffektive Identifikation im Sinne einer gefühlsmäßigenBindung des Bürgers an die Nation zu vermeiden, istmeines Erachtens jedoch mit der von nationalen Emotionengetragenen Wiedervereinigung fehlgeschlagen. Die Weiterverfolgungeiner auf diesem kopflastigen Begriff beruhendenStrategie würde bedeuten, den Rechtsextremisten den überhauptnur emotional ansprechbaren Teil der Bevölkerungkampflos zu überlassen, aus dem sie gerade den größtenZulauf erhalten.22


Das Problem der Deutschen mit ihrer nationalen IdentitätManche demokratisch gesonnenen Politiker haben aberleider den riskanten Versuch unternommen, den braunenRattenfängern ihre Beute mit fast gleich klingendenFlötentönen abspenstig zu machen, womit Ende desJahres 2000 die allgemeine Diskussion über die „nationaleIdentität“ begann. So kannte man den vom damaligen CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer in der Ausgabe des „Focus“vom 28. Oktober 2000 aufgegriffenen Spruch „Ich bin stolz,ein Deutscher zu sein!“ zuvor nur von Aufnähern auf denJacken der sogenannten Nazi-Skinheads. Der vom damaligenCDU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz in einemBeitrag für die Ausgabe der „Welt“ vom 25. Oktober 2000 kreierteBegriff „deutsche Leitkultur“, mit dem dieser den vomGöttinger Islamwissenschaftler Bassam Tibi 1996 geprägtenBegriff „europäische Leitkultur“ in einer von Tibi als „gefährlich“kritisierten Weise („Spiegel ONLINE“ vom 23. November2004) abgewandelt hat, assoziiert ebenfalls nationalistischesGedankengut. Die beiden genannten Politiker wolltenihre missverständlichen Aussprüche allerdings keinesfallsals Ausdruck nationalistischer Überheblichkeit verstandenwissen. Nichts anderes dürfte für die Mehrheit derjenigengelten, die bei einer im Juni 2008 im Auftrag desMagazins „stern“ (26/2008) vom Institut „forsa“ durchgeführtenMeinungsumfrage erklärt haben, dass sie „sehr oder ziemlichstolz“ darauf sind, Deutsche zu sein – immerhin 70% der1003 repräsentativ ausgewählten Bundesbürger. Zuvor hattensich bei einer im Auftrag des „Spiegel“ (17/2008) durchdas „Institut für Demoskopie Allensbach“ Ende Juli bis AnfangAugust 2006 erfolgten Umfrage bei 2100 Bundesbürgern 68%der Männer und 61% der Frauen so geäußert.23


Das Problem der Deutschen mit ihrer nationalen IdentitätGleichwohl sollte bedacht werden, dass dem Substantiv„Stolz“ laut Duden auch die Bedeutung „übertriebenes Selbstbewusstsein“oder „Überheblichkeit“ zukommt. In diesem Sinnhaben die Deutschen die anderen Nationen während desWilhelminischen Kaiserreichs und des sogenannten DrittenReichs zu übertreffen versucht, sodass man geneigt ist, demTheologen Friedrich von Bodelschwingh (1831-1910) zu folgen:„Jeder Stolz kommt vom Teufel, auch der Nationalstolz“, oderaber dem Volksmund: „Dummheit und Stolz wachsen auf einemHolz“.Die Deutschen sangen leider nicht nur die mit „Deutschland,Deutschland über alles, über alles in der Welt!“ beginnende ersteStrophe des Deutschlandliedes, sondern schändetendiesen bereits 1841 entstandenen Text, indem sie – wie esder sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete PhilippScheidemann, der am 9. November 1918 die (Weimarer)Republik ausgerufen hatte, in einer Rede am 24. Juni 1924formulierte – aller Welt die Überzeugung beibrachten, „dassDeutschland über alle und alles zu beherrschen bestrebt sei. ‚Andeutschem Wesen soll die Welt genesen!’ Was haben derartig törichteWorte dazu beigetragen, alle Welt gegen Deutschland aufzuhetzen!Nationalistische Gesinnung ist Intoleranz, Überheblichkeit,ist Bedrohung, ist Krieg oder mindestens dauernde Rüstung zumKrieg.“ Von der Berechtigung dieser Aussage hat späterdas nationalsozialistische Deutschland ein grauenhaftesZeugnis abgelegt.Heute gehört die missverständliche erste Strophe desDeutschlandliedes zu Recht nicht mehr zur Nationalhymne24


Das Problem der Deutschen mit ihrer nationalen Identitäteines in die Europäische Union integrierten Deutschlands,deren Grundlage in der Einsicht besteht, dass derNationalismus in die Sackgasse geführt hat. Die fortschreitendeeuropäische Einigung stößt in der europäischenBevölkerung aber auch auf Ablehnung, weil derVerlust der nationalen Identität befürchtet wird. Dies wiederumist Wasser auf die Mühlen all derer, die nationalistischePositionen vertreten, was eine Erklärung dafürsein kann, dass der Rechtspopulismus und der Rechtsextremismusnicht nur in Deutschland, sondern imgesamten Europa zugenommen haben. Es handelt sichbei dieser Betrachtungsweise um die Gegenreaktion aufdie Idee des geeinten Europas. Das darf uns aber nichtdazu verleiten, den Neonationalismus als gesamteuropäischesPhänomen abzutun.Uns Deutsche unterscheidet nämlich von anderen europäischenNationen ein gestörtes Verhältnis zu unserernationalen Identität, was auf die vergleichsweisespäte Bildung eines Nationalstaates, zwei danach verloreneWeltkriege, die in deutschem Namen begangenen nationalsozialistischenVerbrechen und die anschließendeTeilung des Landes zurückgeführt werden kann. Der dritteBundespräsident, Gustav W. Heinemann, brachte diesenBefund in seiner Antrittsrede am 1. Juli 1969 wie folgtzum Ausdruck: „Es gibt schwierige Vaterländer. Eines davon istDeutschland.“ Und so staunen Deutsche immer noch ungläubig,wenn sie in Frankreich am Nationalfeiertag miterleben,wie Kommunisten und Konservative einträchtignebeneinander hinter der Trikolore marschieren, während25


Das Problem der Deutschen mit ihrer nationalen IdentitätAusländer sich weiter darüber wundern, dass sich zurzeitdes Kalten Krieges die DDR und die BRD als jeweils treuesteVerbündete der beiden Führungsmächte UdSSR und USAbesonders feindlich gegenüber standen.Dass die Deutschen ein Problem mit ihrer Identität haben,wird auch durch die anfangs erwähnte, auf „70Tiefeninterviews“ beruhende Studie „Deutsch-Sein im Alltag“belegt. Die beiden Presseinformationen vom 26. September2007 sind mit „Die Deutschen auf der ewigen Suche nach sichselbst“ und „Die Deutschen leben gut ohne großes Nationalgefühl“überschrieben. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass„die Deutschen von einem gemeinsamen Nationalgefühl weit entferntsind und eine fest umrissene deutsche Identität für sie nichtgreifbar ist.“ Dieser stehe die „archetypisch erlebte Vielfalt derstets eigenständigen deutschen Stämme“, das noch allgegenwärtige„föderale Stammesprinzip“ sowie eine geradezu als„dramatisch“ zu bezeichnende „Geschichtslosigkeit“ entgegen,die mit „weltmeisterlichem Werkeln“ kompensiert werde.Allerdings wird auch eine „heimliche Sehnsucht nach einer starkennationalen Identität“ diagnostiziert, womit für mich dasGefahrenpotential benannt ist. Dessen Umfang erschließtsich aber erst, wenn man die psychowissenschaftlicheBestandsaufnahme in den historischen Kontext stellt, derdadurch charakterisiert werden kann, dass wir Deutschenin unserem Verhältnis zur Nation bisher von einem Extremin das andere geraten sind.26


Patriotismus anstatt(positiver oder negativer) NationalismusAuf den Chauvinismus im Wilhelminischen Kaiserreichfolgte eine durch die Niederlage im Ersten Weltkriegund den Versailler Friedensvertrag bedingte nationaleNiedergeschlagenheit, woran sich der nationalistische Exzessder Hitler-Diktatur anschloss. Nach dem Ende des ZweitenWeltkriegs wurde der Begriff der deutschen Nation – durchausverständlich – in beiden deutschen Staaten vielfach verdrängt.In der DDR gipfelte dies darin, dass die Worte „deutscheNation“ 1974 aus der Präambel der Verfassung getilgt und dieDDR-Hymne mit der Textzeile „Deutschland, einig Vaterland!“nicht mehr gesungen, sondern nur noch die Musik gespieltwurde. In der Bundesrepublik entwickelte sich bei vielenAngehörigen der sogenannten 68er Generation als Reaktionauf die durch den Kalten Krieg begünstigte mangelndeAufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus, die in ihrenFamilien beschwiegen wurde, und die damit zusammenhängendeBesetzung von Führungspositionen mit ehemaligenMitgliedern der NSDAP, welcher auch der BundespräsidentKarl Carstens, der Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesingerund der baden-württembergische MinisterpräsidentHans Filbinger (alle CDU) angehört hatten, ein „negativerNationalismus“, wonach alle anderen Nationen besser als dieeigene bewertet wurden. Diese bis zur Selbstverleugnung reichendeKritik an der eigenen Nation ist heute in Reinkulturnoch bei Linksautonomen vorzufinden, die ihren negativenNationalismus während des Prozesses der Wiedervereinigung27


Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) Nationalismusmit Sprüchen wie „Deutschland verrecke!“ oder „Nie wiederDeutschland!“ zum Ausdruck gebracht haben und diesich – wie der „Focus“ in seiner Ausgabe vom 22. Juli 2006berichtete – damit gebrüstet haben, während und nach derFußballweltmeisterschaft „im großen Stil Deutschland-Fahnengeklaut zu haben“, um die Straßen „deutschlandfrei“ zu machen.Daran hat die Jugendorganisation „solid“ der Partei DieLinke während der diesjährigen Fußballeuropameisterschaftangeknüpft, indem sie die Seite „Fans gegen Deutschland“ mitdem Untertitel „Wir finden Fußball ja toll – aber noch toller wennDeutschland dabei verliert!“ ins Internet gestellt hat.Den Anstieg des nationalistischen Rechtsextremismusnach der Wiedervereinigung erkläre ich mir auch als einein ihrem Ausmaß noch nicht abschätzbare Gegenreaktionauf die vorangegangene Behandlung der Thematik derdeutschen Identität, die in der alten Bundesrepublikvon einer den westlichen Verbündeten geschuldetenZurückhaltung bis hin zu der beschriebenen Ächtung jederErscheinungsform eines nationalen Bewusstseins in sogenanntenlinken Kreisen reichte. Man verstand sich ebenals Europäer, und die ganz Feinen begriffen sich sogar alsWeltbürger. Führende Sozialdemokraten, wie etwa JohannesRau, Helmut Schmidt – der während seiner Regierungszeitdes Öfteren vor einer Verdrängung des Gedankens der nationalenIdentität warnte – und Willy Brandt – der nach demFall der Mauer am 10. November 1989 davon sprach, dassjetzt zusammenwachse, was zusammen gehöre – muss manallerdings von dieser Kritik ausnehmen. Übrigens erst unterdem Eindruck dieser Rede Brandts fasste ich den endgülti­28


Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) Nationalismusgen Entschluss, der SPD beizutreten, was ich dann ganz bewusstam 17. Juni 1990, dem damaligen Tag der DeutschenEinheit, tat. Wenige Tage später, am 22. Juni 1990, erschienin der „Zeit“ ein Artikel meines neuen Parteichefs, desLandesvorsitzenden der schleswig-holsteinischen SPD. GerdWalter, der damals auch Abgeordneter des EuropäischenParlaments war, schrieb mir mit folgenden Ausführungenaus dem Herzen:„... Nation und Nationalstaat sind für viele SozialdemokratenBegriffe aus einer fremden Welt. Nicht wenige halten sie für einreaktionäres Relikt, geboren in ‚nationaler Besoffenheit‘, störendfür das viel wichtigere Europa. Dieser Einschätzung liegen folgenschwereIrrtümer zugrunde: Die deutsche Einheit ist genausowenig antieuropäisch wie nationales Denken eine konservativeErfindung. Das an sich richtige Bekenntnis zu Europa darf nicht zurfaulen Ausrede missraten, hinter der sich ein gestörtes Verhältniszum Nationalen versteckt ... Je unbefangener die Deutschen Ja zuDeutschland sagen können, desto überzeugter wird auch ihr Ja zuEuropa sein. Je mehr aber ihr Ja zu Deutschland als antieuropäischverdächtigt wird, desto anfälliger werden Sie für ein Nein zuEuropa. Nationale Identität muss eben nicht antieuropäisch, sondernkann eine Voraussetzung eines organisch wachsenden europäischenBewusstseins sein. Das gilt auch für die Deutschen.Schneller als manche hierzulande haben unsere Nachbarn dasbegriffen. Nicht die deutsche Einheit, sondern ein verewigternationaler Minderwertigkeitskomplex der Deutschen wäre einDauerproblem für Europa. Viel wird davon abhängen, wie sichdas neue Nationalgefühl der Deutschen entwickelt. Je weniger dieSPD sich darum kümmert, desto leichter hat es die nationalistischgefärbte Deutschtümelei ...“29


Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) NationalismusMeine Partei hat den guten Rat Gerd Walters, sich „des republikanischenPatriotismus eines Julius Leber oder Willy Brandt“zu erinnern, lange Zeit nicht genügend beherzigt und hättesich auch auf Philipp Scheidemann besinnen sollen, der seinenbereits zitierten Ausführungen über die „nationalistischeGesinnung“ Folgendes hinzufügt hatte:„Nationale Gesinnung ist innige Liebe zum Vaterlande, ist dieSelbstverständlichkeit, alIe Nationen, alle Menschen als gleichberechtigtanzuerkennen; ist der Wille, durch internationaleGarantien jedem Volk die Möglichkeit zu schaffen, alles seiner besonderenVeranlagung und Begabung entsprechend in höchsterVollendung schaffen und mit aller Welt austauschen zu können.“Altbundeskanzler Helmut Schmidt gebührt der Verdienst,mit der vornehmlich von ihm betriebenen Gründungder Deutschen Nationalstiftung am 6. August 1993 inWeimar auch seine eigene Partei auf die zu behandelndeProblematik unmissverständlich aufmerksam gemacht zuhaben. So heißt es in dem Gründungsaufruf:„Die Idee der deutschen Nation und die Bestimmung unserer nationalenIdentität in einem geeinten Europa dürfen wir weder extremenpolitischen Kräften noch den Gegnern der europäischenIntegration überlassen. Der Versuch auf den Begriff von Nationund nationaler Identität zu verzichten, müsste abermals die Gefahreiner deutschen Sonderrolle auslösen. Keine andere Nation würdeeine ähnliche Rolle für sich akzeptieren.“Dann wies Johannes Rau unmittelbar nach seiner Wahlzum Bundespräsidenten am 23. Mai 1999 nicht nur der SPDden Weg:30


Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) Nationalismus„Ich will nie Nationalist sein, aber ein Patriot wohl. Ein Patriot istjemand, der sein Vaterland liebt, ein Nationalist ist jemand, der dieVaterländer der anderen verachtet.“In einem am 6. Dezember 2004 im „Focus“ erschienenenInterview sprach sich der damalige nordrhein-westfälischeMinisterpräsident und nunmehrige BundesfinanzministerPeer Steinbrück (SPD) dafür aus, „dass die SPD den BegriffPatriotismus nicht anderen überlässt“. Schließlich hatder rheinland-pfälzische Ministerpräsident und SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck auf dem „Zukunftskonvent –Deutschland 2020“ am 23. Juni 2007 in Hannover ausgeführt,dass das, was in der Freiheitsbewegung des 19. JahrhundertsAusdruck gefunden habe, nach wie vor richtig sei und dasZiel der Partei bleibe: „Ein gesunder Patriotismus, der nicht gegenandere Völker gerichtet ist. Sondern wir wollen mit ihnen gemeinsamEuropa und die Welt gestalten.“Aber auch den anderen demokratischen Parteien fiel esnach der Wiedervereinigung schwer, sich mit der Thematikder deutschen Identität zu befassen und die neue RolleDeutschlands in der Welt zu bestimmen. Es sei nur daranerinnert, dass Roman Herzog (CDU) durch die Äußerungnach seiner Wahl zum Bundespräsidenten am 25. Mai 1994,Deutschland müsse seine Rolle in der Welt „unverkrampft“spielen, sogleich in den unbegründeten Verdacht geriet,die Deutschen von der Last ihrer nationalsozialistischenVergangenheit befreien zu wollen. Gegen diese Unterstellungverteidigte Herzog sich noch in seiner Ansprache anlässlichder Vereidigung seines Nachfolgers Johannes Rau am 1. Juli31


Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) Nationalismus1999. Vielleicht liegt in der missverstandenen Äußerungeine Ursache für sein Verdienst, am 3. Januar 1996 den 27.Januar als den Tag der Befreiung des VernichtungslagersAuschwitz durch die <strong>Rot</strong>e Armee zum Tag des Gedenkensan die Opfer des Nationalsozialismus proklamiert zu haben.In seiner Proklamation führte Herzog aus:„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftigeGenerationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig,nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt.Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenkenan die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholungentgegenwirken.“Bereits in der Rede nach seiner Vereidigung am 5. Juli 1994hatte Roman Herzog offen den Argwohn des Auslands angesprochen,das wiedervereinigte Deutschland könne „aufdie alten wilhelminischen Pfade zurückkehren“. Die Frage derdeutschen Nation sei „aus guten Gründen lange Jahre ganztief gehängt“ worden, dürfe „jetzt aber nicht irgendwelchenRattenfängern“ überlassen werden:„Aber wir Deutschen haben allen Grund, uns in dieser Fragesehr, sehr vorsichtig zu bewegen. Dazu sollten uns schon dieSchandtaten veranlassen, die in deutschem Namen begangenworden sind, genauso aber auch die Erfahrung, daß unser Volk,vielleicht mehr als andere, sowohl in der Niedergeschlagenheitals auch im Jubel zur Übertreibung neigt und daraus wiederneues Unheil und neues Unrecht entstehen könnte. Ich rate unsaus allen diesen Gründen…die Liebe zu unserem Land nicht einenAugenblick zu verschweigen, uns dabei aber, wie ich vorsechs Jahren schon sagte (Anmerkung: Rede zum 17. Juni 198832


Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) Nationalismusim Bonner Wasserwerk), ausgesprochen leiser Töne zu befleißigen.Nationales Trara, Fanfaren und Tschinellen sind das letzte, was wirdabei brauchen können.“Dem tödlich verunglückten Vordenker der PDS, MichaelSchumann, ist mit zu verdanken, dass sich auch schon dieVorgängerin der Partei Die Linke mit der Thematik der nationalenIdentität des wiedervereinigten Deutschlands befassthat. So heißt es im letzten Manuskript Schumanns,das am 4. Dezember 2000 im „Tagesspiegel“ unter dem Titel„Die Linke darf die Nation nicht verachten“ veröffentlicht wurde,am Ende:„… Die Nation ist … eine Realität. Und die (National-)Geschichtehat sich niedergeschlagen in tief verwurzelten kulturellenPrägungen, im ‚ideologischen’, besonders auch verfassungspolitischenSelbstverständnis der Staatsnationen. Nicht im Sinne einerabstrakten Negation – oder gar Verachtung – dieser Prägungenund ‚nationalen Identitäten’ kann sich die Linke zur Nation verhalten.Ein solcher nationaler Nihilismus war immer geschichts- unddamit wirklichkeitsblind. Eine Linke, die sich durch den abstraktenGegensatz zur Nation definiert, schneidet sich von den geschichtlichenBedingungen ihres Wirkens ab. Davor wollte Gabi Zimmerwarnen. Die teils bornierten Reaktionen auf ihre Äußerungen zeigen,wie recht sie daran tat. Diejenigen, die die PDS-Vorsitzendeob ihrer ‚Liebeserklärung’ an Deutschland in die nationalistischeEcke rücken, haben nicht nur ihren emanzipatorischen Kontext‚überlesen‘. Die Alternative ist ein sektiererisch-unpolitischesNichtverhältnis zur Nation. Es verunmöglicht, dass die Linke dieNation und ihre geschichtlichen Resultate als Voraussetzungen behandelt,als Möglichkeiten, die zu ergreifen sind, um das transna­33


Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) Nationalismustionale Zeitalter, das längst im Werden begriffen ist, im Sinne ihresemanzipatorischen Anspruchs politisch zu gestalten. Deswegenist die Auseinandersetzung um die sogenannte nationale Identitätso wichtig. Denn die Antwort auf die Frage, welche (nationalgeschichtlichgewordenen) Traditionen und Gehalte des geistigen undpolitischen Lebens, des Rechts usw. in der Bundesrepublik bestimmendsein sollen, entscheidet darüber, ob der Boden trägt, von demaus der Schritt in eine demokratische Weltgesellschaft gelingenkann. “Zu diesem Artikel habe ich in der Ausgabe des „Tagesspiegel“vom 19. Dezember 2000 angemerkt, dass es ein verhängnisvollerFehler wäre, auf den neuen Nationalismus wiederummit einer Tabuisierung oder gar Ächtung jederErscheinungsform eines nationalen Bewusstseins zu reagierenund damit den Rechtsextremen letztlich die inhaltlicheGestaltung der nationalen Identität zu überlassen. So habeich gefordert: „Diesem neuen deutschen Nationalismus muss …ein zu entwickelnder deutscher Patriotismus entgegengehaltenwerden, dem – vom Gedanken der europäischen Einigung beseelt –eine Geringschätzung anderer Nationen wesensfremd ist und derauch das Bekenntnis zur eigenen verfassungsmäßigen Ordnungbeinhaltet.“Nachdem der damalige Bundesumweltminister JürgenTrittin am 12. März 2001 Laurenz Meyer wegen dessen anfangszitierten Ausspruchs die „Mentalität eines Skinheads“unterstellt hatte, setzte eine heftige „Nationalstolzdebatte“ein, die nur langsam abflaute. Ende 2004 flammte die öffentlicheDiskussion über die „nationale Identität“ wieder34


Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) Nationalismusauf, weil der damalige Bundesfinanzminister Hans EichelAnfang November den Vorschlag unterbreitet hatte, denTag der Deutschen Einheit aus Kostengründen nicht mehram 3. Oktober, sondern am ersten Sonntag des MonatsOktober zu begehen. Er scheiterte damit am Widerstandderer, die den Nationalfeiertag in seiner erst durch denEinigungsvertrag (Art. 2 Abs.2) geschaffenen Gestalt bereitsals Teil der nationalen Identität begreifen, wogegen sichdurchaus einiges anführen lässt. Die Auseinandersetzungist sodann als „Patriotismusdebatte“ unter dem Gesichtspunktder Integration von Ausländern und der Bekämpfungdes Islamismus fortgeführt worden. Die CDU erhob dieThematik zu einem Schwerpunkt ihres Parteitages am6./7. Dezember 2004 in Düsseldorf, und in der Ausgabe des„Focus“ vom 6. Dezember erschien ein begleitender Artikelunter dem programmatisch plakativen Titel „Nation stattMultikulti“. Zuvor hatten Günter Buchstab und Jörg-DieterGauger von der Konrad-Adenauer-Stiftung rechtzeitig ihrdreiundvierzig Seiten umfassendes „Plädoyer für einen modernenPatriotismus“ vorgelegt. Durch die Vorziehung derBundestagswahlen erfüllte sich die Ankündigung des damaligenCSU-Generalsekretärs Markus Söder („Berliner Zeitung“vom 22./23. Januar 2005) nicht, dass die Union das ThemaPatriotismus zum Wahlkampfthema machen werde. Aufdem CDU-Landesparteitag in Sachsen am 5. November 2005wurde dann jedoch als Reaktion auf den dortigen Wahlerfolgder NPD der Beschluss „Deutscher Patriotismus im vereinigtenEuropa. Zwölf Thesen zum Zusammenhalt unserer Gemeinschaft“gefasst, deren siebente lautet: „Der Patriot liebt das eigeneVaterland und schätzt im Unterschied zum Nationalisten die35


Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) NationalismusVaterländer der anderen.“ Der Begriff Patriotismus findet sichnun auch im neuen Grundsatzprogramm der CDU, das vom21. Parteitag am 3. Dezember 2007 in Hannover verabschiedetworden ist: „Patriotismus bedeutet für uns, im Bewusstseinder Vergangenheit unseres Landes seine Zukunft verantwortlichzu gestalten.“Leider vermag die CDU aber nicht von dem Terminus„Leitkultur“ abzulassen, sondern dieser scheint sich sogarzu einem „konservativen Kampfbegriff“ (FDP-GeneralsekretärDirk Niebel) entwickelt zu haben. Nachdem Friedrich Merzdie „deutsche Leitkultur“ im Oktober 2000 ins Feld geführthatte, plädierten dafür im November 2004 erneut der damaligebayerische CSU-Innenminister Günter Becksteinund der brandenburgische CDU-Innenminister JörgSchönbohm („Der Spiegel“ 48/2004). Daraufhin warnte CDU-Präsidiumsmitglied Wolfgang Schäuble seine Partei vor einer„Debatte über den missverständlichen Begriff der Leitkultur“ („Bildam Sonntag“ vom 21. November 2004), die auf dem ParteitagAnfang Dezember 2004 auch mit viel Geschick verhindertwurde, indem in dem einschlägigen Leitantrag nicht mehrvon „deutscher“, sondern von „freiheitlicher demokratischerLeitkultur“ die Rede war. Nach der Bundestagswahl stießder neu gewählte Bundestagspräsident Norbert Lammert„die damalige sehr kurze und voreilig abgebrochene Debatte zumThema Leitkultur“ erneut an („Die Zeit“ vom 20. Oktober 2005).Schließlich findet nunmehr im neuen Grundsatzprogrammder CDU der Begriff „Leitkultur in Deutschland“ Verwendung.Die CDU hat also leider nicht beherzigt, was der brandenburgischeMinisterpräsident Matthias Platzeck (SPD) in der36


Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) NationalismusAusgabe des „Tagesspiegel“ vom 28. November 2004 konstatierte,dass nämlich dieser mehrdeutige Begriff „nur Reflexehervorruft und niemandem nützt“.Nach meiner Auffassung lassen sich die nationalistischeAssoziationen weckenden Begriffe „Stolz“ und „Leitkultur“nur schwer mit dem Verständnis des Patriotismus als einerandere Länder nicht herabsetzende Liebe zum eigenenLand vereinbaren und sollten daher nicht verwendet werden,zumal nach einer am 12. Dezember 2007 publiziertenRepräsentativumfrage der Bertelsmann-Stiftung 49%der Deutschen ihr Land schon wieder als eine „Weltmacht“ansehen.Als Ergebnis der bisherigen Betrachtung kann festgehaltenwerden, dass ein Konsens der Demokraten besteht, wonachdie Ausprägung der nationalen Identität in Gestaltdes Patriotismus erfolgen sollte. Ausgerechnet der bekennendeKommunist Berthold Brecht (1898-1956), einflussreichsterdeutscher Dichter des 20. Jahrhunderts, hat denWesenskern des deutschen Nachkriegspatriotismus bereits1949 mit seiner „Kinderhymne“ getroffen, die nach derWiedervereinigung als Text unserer Nationalhymne insGespräch gebracht wurde, auch weil sie wegen des gleichenVersmaßes wie das Deutschlandlied ebenfalls nach der 1797entstandenen Melodie von Joseph Haydn hätte gesungenwerden können:37


Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) NationalismusAnmut sparet nicht noch MüheLeidenschaft nicht noch VerstandDaß ein gutes Deutschland blüheWie ein andres gutes Land.Daß die Völker nicht erbleichenWie vor einer RäuberinSondern ihre Hände reichenUns wie andern Völkern hin.Und nicht über und nicht unterAndern Völkern wolln wir seinVon der See bis zu den AlpenVon der Oder bis zum Rhein.Und weil wir dies Land verbessernLieben und beschirmen wir’sUnd das liebste mag’s uns scheinenSo wie andern Völkern ihrs.Unterschiedlich beurteilt wird von den Demokraten aber dasAusmaß der mit der Bildung von Identität im Rahmen desPatriotismus notwendigerweise verbundenen Abgrenzung,die die Gefahr einer Grenzüberschreitung zur eigenenÜberheblichkeit und zur Herabsetzung anderer in sich birgt.Daher konstatierte Giovanni di Lorenzo, der Chefredakteurder Wochenzeitschrift „Die Zeit“, in deren Ausgabe vom 9.Dezember 2004 zu Recht: „Über die Trennlinie zwischen (gewünschtem)Patriotismus und (verwünschtem) Nationalismusstreiten selbst Historiker“.38


Patriotismus anstatt (positiver oder negativer) NationalismusWas sollten danach die Inhalte unserer nationalen Identitätsein?Bundespräsident Horst Köhler hat die Komplexität dieserAufgabenstellung in einer Rede am 8. Mai 2005 prägnantzum Ausdruck gebracht: „Unsere ganze Geschichte bestimmtdie Identität unserer Nation. Wer einen Teil davon verdrängen will,der versündigt sich an Deutschland.“Gleichwohl glaube ich, eine einfache und damit der Bevölkerunggut vermittelbare Antwort auf die Frage nach derdeutschen Identität in der Farbkombination <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> gefunden zu haben, die unser einziges Staatssymbolmit Verfassungsrang darstellt.Art. 22 Absatz 2 unseres Grundgesetzes lautet nämlich:„Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.“Ich wage nun zu behaupten, dass unsere Bundesflagge überihre Repräsentationsfunktion hinaus die Werte symbolisiert,die zum Kernbereich unserer nationalen Identität gehörensollten, und dass eine emotionale Bindung der Bevölkerungan dieses Symbol keine Ängste wecken muss. Um dieseThese zu belegen, ist es erforderlich, die Ursprünge derschwarz-rot-goldenen Flagge zu ergründen, aber auch darzulegen,wofür die Farbkombination <strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong>steht, mit der sich die Rechtsextremisten identifizieren.39


Die Herkunft der deutschen FarbenVor einiger Zeit noch sah man bei rechtextremistischenAufmärschen regelmäßig die Kriegsflagge des NorddeutschenBundes und des nachfolgenden Deutschen Reichs bis1921. Dabei handelt es sich um eine weiße Flagge mit schwarzemKreuz und den Farben <strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong> mit dem– von Karl-Friedrich Schinkel als preußischer Kriegsorden1813 gestalteten – Eisernen Kreuz in der oberen innerenEcke. Diese Flagge ist inzwischen zu einem Symbol für neonazistischeund ausländerfeindliche Anschauungen geworden,sodass ihre Verwendung in der Öffentlichkeit vonder Polizei in den meisten Bundesländern regelmäßig wegenStörung der öffentlichen Ordnung unterbunden wird.Da das Zeigen der ebenfalls in den Farben <strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong> gehaltenen Hakenkreuzflagge des Dritten Reichs in derÖffentlichkeit als Straftat verfolgt wird und daher schonaus diesem Grund als Sammlungssymbol ausscheidet, verwendendie Neonazis inzwischen die einfache schwarzweiß-roteFlagge. Diese war ursprünglich die Flagge derHandelsmarine des 1866 geschlossenen NorddeutschenBundes und dann des 1871 gegründeten Deutschen Reichs,bis sie 1892 zur Nationalflagge erklärt wurde, was sie wiederumwährend des Dritten Reichs von 1933 bis 1935 nebender Hakenkreuzflagge war, um dann von dieser vollständigabgelöst zu werden. Zu der Farbkombination war es beider Gründung des Norddeutschen Bundes auf VorschlagBismarcks gekommen, wobei <strong>Schwarz</strong>-Weiß für das dominierendePreußen stand. Bismarck soll dem preußischen40


Die Herkunft der deutschen FarbenKönig die Hinzufügung der roten Farbe unter Hinweisauf die rot-weißen brandenburgischen Farben schmackhaftgemacht haben, während er die neue Flagge denKüstenländern als eine Kombination mit den weiß-rotenFlaggen der Hansestädte verkaufte.Festzuhalten bleibt, dass unter der überhaupt nicht alsNationalsymbol kreierten Farbkombination <strong>Schwarz</strong>­Weiß-<strong>Rot</strong> autoritäre, undemokratische und nationalistischeKräfte in Deutschland an der Macht waren, weshalbnicht verwundert, dass die Rechtsextremisten daranGefallen gefunden haben. Sie bringen damit aber auch ihrenWunsch nach einem „Großdeutschland“ und damit dieNichtanerkennung der deutschen Ostgrenze zum Ausdruck,die eine Folge der Niederlage Deutschlands im von denNationalsozialisten angezettelten Zweiten Weltkrieg istund ohne deren Anerkennung es 1990 überhaupt nichtzur Vereinigung der beiden deutschen Nachkriegsstaatengekommen wäre. Auf Kundgebungen der NPD sind inletzter Zeit sogar schwarz-weiß-rote Flaggen mit derenParteiemblem in der Mitte zu sehen. Dies erklärt auch, weshalbdie DVU wegen der Verwendung von <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>in ihrem Parteilogo im rechtsextremen Lager auf Kritikstößt.Die Farbkombination <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> hat nämlich eineganz andere und auch längere Tradition, die – wie sichzeigen wird – letztlich mit rechtsextremistischem Gedankengutunvereinbar ist.41


Die Herkunft der deutschen FarbenIhr Ursprung ist vereinzelt sogar bis zum fränkischen Ritterund Bauernführer Florian Geyer (+1525) zurückgeführt worden,der gesagt haben soll:„Unser <strong>Gold</strong> haben Adel und Pfaffen aus unserem Schweiß geschlagen,bis unsere Trauer schwarz war wie die Nacht und unsereWut rot wie Blut. Wohlan denn, Brüder, setzen wir ihnen den rotenHahn auf die Dächer.“Vor allem im 19. Jahrhundert war indes weit verbreitet, dieseFarbzusammenstellung auf das kaiserliche Wappen desam 6. August 1806 aufgelösten Heiligen Römischen ReichesDeutscher Nation zurückzuführen.Das erste deutsche Reich war jedoch gerade kein Nationalstaat.Die mit der im Jahr 962 erfolgten Krönung Otto I. zumKaiser begründete Verbindung des deutschen Königtumsmit der (westlichen) Kaiserwürde hatte vielmehr dieErhebung eines Anspruchs auf Universalherrschaft zurFolge, der die Ausprägung eines deutschen Nationalstaatesverzögerte. Auch bestand das Reichswappen aus lediglichzwei Farben: Es zeigte den schwarzen Reichsadler auf goldenemGrund. Die Zweifarbigkeit entsprach einer altenheraldischen Regel, wonach die Annahme von mehr alszwei Wappenfarben ohne triftigen Grund untersagt war.Dies änderte sich erst mit der Französischen Revolution,durch die die Trikolore zum Symbol des Nationalstaateswurde, wobei die Dreifarbigkeit ursprünglich dem DreiklangFreiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit entsprach.Allerdings wurden seit Mitte des 14. Jahrhunderts die Klauenund der Schnabel des schwarzen Adlers im alten Reichs­42


Die Herkunft der deutschen Farbenwappen zum Teil auch in roter Farbe dargestellt, ohne dassdiesem Farbton heraldisch eine eigenständige Bedeutungzukam. Gleichwohl dürfte diese Darstellungsart zu derFehlvorstellung von der Dreifarbigkeit des Reichswappensgeführt haben.Die Farbkombination <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> tritt dann jedenfallsbei den Uniformen des 1813 aufgestellten KöniglichPreußischen Freikorps von Lützow auf, in dem sichFreiwillige aus ganz Deutschland zum Kampf gegen dasnapoleonische Frankreich sammelten: <strong>Schwarz</strong> umgefärbteZivilröcke mit goldfarbenen Knöpfen sowie roten Vorstößenund Aufschlägen. Major Adolf Freiherr von Lützow erbatvon Friedrich Wilhelm III., dass das Freikorps, das seineUniformen selbst stellen musste, „schwarze Montierungtragen dürfe, weil nur bei dieser Farbe die Kleidungsstücke,welche sie schon haben, durch Färben benutzt werden könnten.“Offenbar haben aber bei der Farbenwahl nicht nurZweckmäßigkeitsüberlegungen eine Rolle gespielt, denn beider Aufstellung des Korps war von Lützow der nationalistischeSchwärmer Friedrich Ludwig Jahn behilflich, der 1811auf der Berliner Hasenheide den ersten deutschen Turnplatzzur Leibesertüchtigung für den künftigen Freiheitskampfgegen die französische Besatzungsmacht eingerichtet hatteund schon bei seinen Turnern mit Blick auf das untergegangenealte Reich die „Einheitssehnsuchtsfarben“ <strong>Schwarz</strong>­<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> propagiert haben soll. 1848 schrieb er in seiner niegehaltenen „Schwanenrede“: „Noch immer trage ich die deutschenFarben, so ich im Befreiungskriege aufgebracht habe.“43


Die Herkunft der deutschen FarbenDer renommierte Historiker Veit Valentin zitiert in seinem1929 erschienenen Standardwerk „Die deutschen Farben“ verlässlicheQuellen, wonach auf Betreiben Jahns dem Königam 29. März 1813 für das Freikorps eine von den FrauenBerlins gestiftete Fahne angeboten wurde, die aus roter undschwarzer Seide mit goldenen Fransen und der in <strong>Gold</strong> gesticktenInschrift „Mit Gott fürs Vaterland“ bestand und dieJahn im Februar aus Berlin zum Sammelpunkt der Lützowernach Breslau mitgebracht hatte. Der König lehnte den ihmvon Staatsrat Graf zu Dohna-Wundlaken unterbreitetenVorschlag jedoch bereits am 8. April 1813 ab, sodass dasFreikorps ohne diese Fahne in den Kampf ziehen musste,wenngleich die Ulanen des Freikorps auch schwarz-roteLanzenwimpel führten. Die schwarz-rot-goldene Urfahneübergab Jahn in Breslau dem Berliner Turnlehrer EduardDürre, einem seiner Schüler, der sie nach Dresden mitnahm,wo die Lützower sich vom 10. bis 12. April 1813 aufhielten.In deren dortiger Werbestube wurde die Fahne noch gesichtet,wonach sich die Spur auf dem weiteren Marsch nachLeipzig verliert.Obwohl „Lützows wilde verwegene Jagd“ – so das von CarlMaria von Weber vertonte Gedicht Theodor Körners – einenverhältnismäßig geringen Anteil an dem Sieg über Napoleonhatte, nahm die nationale Verehrung für die „<strong>Schwarz</strong>eSchar“, der auch der Dichter Josef von Eichendorff angehörthatte, nach dem Ende des Feldzugs weiter zu. EleonoreProhaska, die bei den Lützower Jägern als Mann verkleidetunter dem Namen August Renz gedient hatte und 1813im Kampf gegen französische Truppen tödlich verwundet44


Die Herkunft der deutschen Farbenworden war, erlangte als „Potsdamer Jeanne d‘Arc“ sogar denStatus einer Symbolfigur der Freiheitskriege; 1889 wurdeder „Heldenjungfrau“ im Mittelpunkt des Potsdamer AltenFriedhofs ein Denkmal errichtet. Zum populärsten Lützowerwurde jedoch der ebenfalls 1813 gefallene Dichter TheodorKörner. Wie man in der an seinem Grab gelegenen MahnundGedenkstätte in Wöbbelin erfährt, soll der Wahlspruchdes Freikorps gewesen sein: „Von schwarzer Nacht durch rotesBlut der goldenen Sonne entgegen.“45


Die deutschen Burschenschaften und dasHambacher FestDa an der Gründung der Jenaer Urburschenschaft am 12.Juni 1815 ehemalige Lützower wesentlich beteiligt waren,verwundert nicht, dass deren Kleidung zur Festtracht erwähltwurde. In der Verfassungsurkunde bestimmten dieGründungsmitglieder „<strong>Rot</strong>h und <strong>Schwarz</strong> zu den Farben ihresPaniers“ und legten weiter fest: „Die Schärpen, welche beyfeyerlichen Aufzügen gebraucht werden, sind schwarz und rothmit <strong>Gold</strong> durchwirkt.“ Als Burschenschaftsbanner dientezunächst eine zweibahnige rot-schwarze Fahne mit goldenenFransen, die erstmals am 18. Oktober 1815 in Jenawährend einer Feier zum Gedenken an den Sieg überNapoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig gezeigt wurdeund sich heute im Besitz der „Jenaischen BurschenschaftArminia auf dem Burgkeller zu Mainz“ befindet. Am 31. März1816 erhielt die Burschenschaft dann eine dreibahnige rotschwarz-roteFahne mit einem goldenen Eichenzweig in derMitte, die am 18. Oktober 1817 zum Wartburgfest mitgeführtwurde, zu dem die Jenaer Burschenschaft aus Anlassdes vierten Jahrestags der Leipziger Völkerschlacht unddes 300. Jahrestags des Beginns der Reformation eingeladenhatte. Das Original ist im Jenaer Stadtmuseum, eineReplik im Rittersaal der Wartburg zu besichtigen. Auf demWartburgfest trugen einige der etwa 500 teilnehmendenStudenten aus ganz Deutschland auch schwarz-rot-goldeneKokarden, womit an die französische Revolutionstraditionangeknüpft wurde. Der Kieler Student August Daniel von46


Die deutschen Burschenschaften und das Hambacher FestBinzer dichtete aus Anlass des Festes ein Lied mit derTextzeile „Stoßt an, <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> lebe!“, das unter denStudenten schnell Verbreitung fand.Als sich am 17. Oktober 1818 in Jena die Vertreter der deutschenBurschenschaften versammelten, die am folgendenTag die Allgemeine Deutsche Burschenschaft gründeten,schlug man für diese als einheitliches Banner die „ehemaligedeutsche Farbe“, nämlich <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>, vor, ohne dassdann allerdings ein förmlicher Beschluss gefasst wurde. Zu<strong>Schwarz</strong> und <strong>Rot</strong> trat „erst nach 1825, meist noch später, …<strong>Gold</strong>als ‚gleichberechtigte’ dritte burschenschaftliche Farbe hinzu“, wieder Burschenschafter und „Studentenhistoriker“ Peter Kauppin seinem detailreichen Beitrag zur Frühgeschichte von<strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> festgestellt hat.Wofür standen nun damals die neuen Farben? Vor allem fürein geeintes, von Fremdherrschaft befreites Deutschland,das in der Gestalt eines Volkskaisertums den DeutschenBund ablösen sollte, den vierunddreißig souveräne Fürstenund vier Freie Städte als nationalen Minimalkonsens am 8.Juni 1815 gegründet hatten.Die Fürsten hatten sich der nationalen Begeisterung, geradeunter der akademischen Jugend, während derBefreiungskriege zwar gern bedient und sie sogar geschürt,dachten aber nach Beseitigung der napoleonischen Gefahrgar nicht mehr daran, den beim Bürgertum gewecktenErwartungen zu entsprechen und ihre Machtbefugnisse zu­47


Die deutschen Burschenschaften und das Hambacher Festgunsten einer staatlichen Einigung der Nation, aber auchvon mehr bürgerlichen Freiheiten zu beschränken.Als Reaktion verbrannten Studenten auf dem Wartburgfestunter anderem einen Perückenzopf und einen Korporalstabals Symbole der verhassten Fürstenherrschaft. Auf demWartburgfest kam aber auch ein von Fremdenhass geprägterNationalismus zum Ausdruck, der aus den Freiheitskriegengegen die französische Besatzungsmacht herrührte undmit Theodor Körners „Lied von der Rache“ und Ernst MoritzArndts Traktat „Über den Volkshass“, beide aus dem Jahre1813, bereits traurige Höhepunkte erreicht hatte.Nachdem der Jenaer Theologiestudent Karl Ludwig Sandam 23. März 1819 den Dramatiker August von Kotzebueals Gegner der Ideale der Burschenschaften erdolcht hatte,fürchteten die Fürsten ernsthaft um ihre Macht. Auf maßgeblichesBetreiben des österreichischen AußenministersFürst von Metternich wurden im August 1819 die sogenanntenKarlsbader Beschlüsse gefasst. Diese nahm dieBundesversammlung – die Versammlung der Bevollmächtigtender Staaten des Deutschen Bundes unter dem Vorsitzdes österreichischen Gesandten, später auch Bundestag genannt– am 20. September 1819 einstimmig an. Dadurchwurden die Burschenschaften verboten und all diejenigender Verfolgung ausgesetzt, die für nationale und liberaleIdeen eintraten.Darunter auch der „Turnvater“ Jahn, der inhaftiert wird undsich in Berlin vor der „Königlichen Immediat-Untersuchungs­48


Die deutschen Burschenschaften und das Hambacher Festkommission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungenund anderer staatsgefährlicher Umtriebe“ verantworten muss.Dieser gehört der Dichterjurist E.T.A. Hoffmann (1776-1822) an, dem Jahns Nationalismus wesensfremd ist undder ihn als „Hüpf- und Springemeister“ verspottet. Doch dasVotum des Kammergerichtsrat Hoffmann, in dem dieserdie Haltlosigkeit der erhobenen Vorwürfe akribisch herausarbeitet,führt zur Freilassung Jahns. In seinem Märchen„Meister Floh“ prangert Hoffmann die Gesinnungsschnüffeleider Polizei in Gestalt des Geheimen Rates Knarrpanti an,einer Karikatur des Leitenden Direktors im preußischenPolizeiministerium Carl Albert von Kamptz: „Das Denken,meinte Knarrpanti, sei an und vor sich selbst schon eine gefährlicheOperation und würde bei gefährlichen Menschen eben destogefährlicher.“ Auch war Knarrpanti der Ansicht, „dass, seierst der Verbrecher ausermittelt, sich das begangene Verbrechenvon selbst finde.“ Gegen den todkranken Hoffmann wirdein Disziplinarverfahren eingeleitet, der unzensierte Textseines Märchens erscheint erst 1908. Für mich zu Beginnmeines Jurastudiums Grund genug, der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft in Bamberg beizutreten, wo der vielseitigbegabte Hoffmann, der mit „Undine“ auch die erste romantischedeutsche Oper komponierte, am dortigen Theater alsKapellmeister, Bühnenarchitekt und Kulissenmaler tätigwar.Über die „so genannten demagogischen Umtriebe“ und derenVerfolgung schrieb Hoffmann 1820 in einem Brief an einenFreund, „dass dem hirngespenstischem Treiben einiger jungerStrudelköpfe Schranken gesetzt werden mussten“, doch „…statt­49


Die deutschen Burschenschaften und das Hambacher Festdessen traten Maßregeln ein, die nicht nur gegen die Tat, sonderngegen Gesinnungen gerichtet waren.“ Vor seinen Augen hättesich „ein ganzes Gewebe heilloser Willkür, frecher Nichtachtung allerGesetze, persönlicher Animosität entwickelt.“ Die Resignationder von den staatlichen Verfolgungen Betroffenen brachteAugust Daniel von Binzer in dem anlässlich der Auflösungder Jenaer Burschenschaft 1819 gedichteten Lied „Wir hattengebauet ein stattliches Haus“ zum Ausdruck, in dessen siebenterStrophe es heißt:Das Band ist zerschnitten,war schwarz, roth und gold,und Gott hat es gelitten,wer weiß, was er gewollt.Als aber im Juli 1830 die Franzosen ihren König stürztenund einen „Bürgerkönig“ auf den Thron setzten, erfasste dieBegeisterung für diese Demonstration der Macht des Volkesauch Deutschland. Höhepunkt der Volksbewegung war dasHambacher Fest am 27. Mai 1832, das ganz unter demZeichen von <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> stand.Auf zeitgenössischen bildlichen Darstellungen weicht dieAnordnung der drei horizontalen Streifen der deutschenTrikolore jedoch von der heutigen Reihenfolge ab. Zu sehenist vor allem die von den Burschenschaftern bevorzugteGestaltung mit einem unteren schwarzen, einem mittlerenroten und einem oberen goldenen Streifen, die dem bereitszitierten, angeblichen Wahlspruch der Lützower entsprach.Diese Darstellungsweise findet man heute etwa noch bei der50


Die deutschen Burschenschaften und das Hambacher FestFahne vor, die auf dem Gasthof „Grüne Tanne“ in Jena gehisstwird, dem Gründungslokal der Urburschenschaft. Allerdingsweist die von Johann Philipp Abresch dem Festzug vorangetragene Hambacher Hauptfahne die heutige Reihenfolgeauf, was durch die Aufschrift „Deutschlands Wiedergeburt“auf dem mittleren roten Streifen eindeutig belegt ist, sodasssich die Tradition unserer Bundesflagge zweifelsfrei biszum Hambacher Fest zurückverfolgen lässt.Nahezu 30.000 Menschen aus allen Gesellschaftsschichtennahmen an dem Hambacher Fest teil, darunter auchFranzosen und Polen, deren Flaggen neben <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> gehisst wurden. Mit gleicher Intensität wurden einvereinigtes Deutschland, Meinungs-, Versammlungs- undPressefreiheit sowie demokratische Mitbestimmung gefordert,wobei der Konflikt zwischen Republikanern undVerfechtern einer konstitutionellen Monarchie die euphorischeAufbruchstimmung nicht zu beseitigen vermochte.Der Nationalismus des Studentenfestes auf der Wartburgwar dem Patriotismus eines Volksfestes gewichen, dasin den von 1830 bis 1849 währenden Zeitabschnitt des„Europäischen Völkerfrühlings“ fiel, dessen Träumereien mit derEuropäische Union Wirklichkeit geworden sind.Auch für Heinrich Heine stellte das Hambacher Fest einengroßen Fortschritt dar (Ludwig Börne, Eine Denkschrift,Viertes Buch),„zumal wenn man es mit jenem anderen Feste vergleicht, das einstebenfalls zur Verherrlichung gemeinsamer Volksinteressen auf derWartburg stattfand. Nur in Außendingen, in Zufälligkeiten, sind51


Die deutschen Burschenschaften und das Hambacher Festsich die beiden Bergfeiern sehr ähnlich; keineswegs ihrem tieferenWesen nach. Der Geist, der sich auf Hambach aussprach, ist grundverschiedenvon dem Geiste oder vielmehr von dem Gespenste, dasauf der Wartburg seinen Spuk trieb. Dort, auf Hambach, jubeltedie moderne Zeit ihre Sonnenaufgangslieder und mit der ganzenMenschheit ward Brüderschaft getrunken; hier aber auf derWartburg, krächzte die Vergangenheit ihren obskuren Rabengesang,und bei Fackellicht wurden Dummheiten gesagt, die desblödsinnigsten Mittelalters würdig waren! Auf Hambach hielt derfranzösische Liberalismus seine trunkensten Bergpredigten, undsprach man auch viel Unvernünftiges, so ward doch die Vernunftselber anerkannt als jene höchste Autorität, die da bindet und lösetund den Gesetzen ihre Gesetze vorschreibt; auf der Wartburghingegen herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel vonLiebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war alsder Haß des Fremden, und dessen Glaube nur in der Unvernunftbestand, und der in seiner Unwissenheit nichts besseres zu erfindenwußte, als Bücher zu verbrennen!“.Auf dem Hambacher Fest wurde von Deutschen Solidaritätmit dem französischen und vor allem dem polnischenVolk bekundet, das sich 1830/1831 im russisch besetztenTeil ohne Erfolg erhoben hatte. Danach waren die durchdie deutschen Lande ziehenden Exilanten begeistert aufgenommenworden, denn die Mehrheit der in den vielenEinzelstaaten des Deutschen Bundes lebenden Deutschenmit ihrem unerfüllten Wunsch nach einem Nationalstaatsah in den um ihre nationale Einheit kämpfenden Polenein heroisches Vorbild und empfand die durch die Fürstenvon Russland, Österreich und Preußen vorgenommenen52


Die deutschen Burschenschaften und das Hambacher FestPolnischen Teilungen als schreiendes Unrecht. Die deutsche„Polenbegeisterung“ der damaligen Zeit, die auf demHambacher Fest ihren Höhepunkt erreichte, ist heute leiderim kollektiven Bewusstsein von Deutschen und Polennicht mehr präsent. Dem soll durch die seit 2003 an bisher27 Orten gezeigte Wanderausstellung „Frühling imHerbst. Vom polnischen November zum deutschen Mai. DasEuropa der Nationen 1830 – 1832“ entgegengewirkt werden,die das „Museum Europäischer Kulturen“ in Berlin realisierthat und von dessen Direktor, dem früheren Leiter der„Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschenGeschichte“ in Rastatt und mir vor sechs Jahren gemeinsaminitiiert worden war.Der Hauptredner auf dem Hambacher Schloss am 27. Mai desJahres 1832, Johann Georg August Wirth, sprach von dem Festals „Geburtstag der deutschen Nationalität und der europäischenGesamtfreiheit“ und führte aus:„Die Natur der Herrschenden ist Unterdrückung, der Völker Strebenist die Freiheit! Hinwegräumung der Throne ist das dringendsteBedürfnis des Jahrhunderts. Ohne Beseitigung der Fürstenthronegibt es kein Heil für unser Vaterland, kein Heil für Europa, keinHeil für die Menschheit.“Wirth schloss seine Rede mit einem „Hoch auf das conföderierte,republikanische Europa“.Heinrich Heine stellte in seinem 1840 erschienen Essay überLudwig Börne (Drittes Buch) resignierend fest: „Nur damalsund während den Tagen des Hambacher Festes hätte mit einigerAussicht guten Erfolges die allgemeine Umwälzung in Deutschland53


Die deutschen Burschenschaften und das Hambacher Festversucht werden können. Jene Hambacher Tage waren der letzteTermin, den die Göttin der Freiheit uns gewährte; die Sterne warengünstig; seitdem erlosch jede Möglichkeit des Gelingens.“ Denndie Reaktion der Obrigkeit auf das Hambacher Fest folgteumgehend: Die Bundesversammlung erließ am 28. Juni und5. Juli 1832 Dekrete, die eine Verschärfung der KarlsbaderBeschlüsse bedeuteten. Besonders schwer sollte das Tragender schwarz-rot-goldenen Farben geahndet werden, weildies ein „Attentat gegen die Sicherheit und die Verfassung desBundes“ sei.Opfer der Verfolgungen waren unter anderen die DichterArndt, Hauff, Hoffmann von Fallersleben, Uhland undReuter. So wurde Fritz Reuter 1836 zum Tode verurteilt,weil er „am hellichten Tage das schwarz-rot-goldene Band aufder Brust“ getragen hatte, dann zu 30 Jahren Festungshaftbegnadigt und 1840 wegen einer schweren Erkrankungamnestiert. Er schrieb: „Die Leute wundern sich, wie einerDemokrat werden kann. Als wir eingesperrt wurden, waren wir esnicht, als wir herauskamen, waren wir es alle!“ August HeinrichHoffmann von Fallersleben verlor 1842 sein Amt alsProfessor an der Universität Breslau und wurde wegen „politischerGefährlichkeit“ aus mehreren deutschen Städten ausgewiesen.Auf der damals noch britischen Insel Helgolanddichtete er am 26. August 1841 sein „Lied der Deutschen“, mitdessen erster Strophe er nicht die anderen Nationen herabwürdigen,sondern die Fürsten der Staaten des DeutschenBundes treffen wollte, die der nationalen Einigung entgegenstanden.Auch er war „ein <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>ener“, worauf hinzuweisenBundespräsident Theodor Heuss am 2. Mai 195254


Die deutschen Burschenschaften und das Hambacher Festanlässlich der Wiedereinführung des Deutschlandliedes alsNationalhymne – unter Verwendung der dritten Strophe –Anlass sah. So lautete die fünfte Strophe von HoffmannsGedicht „Deutsche Farbenlehre“ aus dem Jahr 1843:Immer unerfüllt noch stehen <strong>Schwarz</strong>, <strong>Rot</strong>, <strong>Gold</strong> im Reichspanier:Alles lässt sich <strong>Schwarz</strong> nur sehen, <strong>Rot</strong> und <strong>Gold</strong>, wo bleibet ihr?Ach, wann erglänzet aus dem Dunkel der NachtUnsere Hoffnung in funkelnder Pracht.Ein Jahr später schrieb Heinrich Heine im Vorwort zu„Deutschland. Ein Wintermärchen“:„Pflanzt die schwarz-rot-goldne Fahne auf die Höhe des deutschenGedankens, macht sie zur Standarte des freien Menschtums, undich will mein bestes Herzblut für sie hingeben.“55


Die Revolution von 1848Trotz aller Repression waren die Gedanken von Einheitund Freiheit und ihr Symbol <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> aus demBewusstsein des Volkes nicht mehr zu tilgen, was auch einigenFürsten dämmerte. So schlug König Ludwig I. vonBayern der Bundesversammlung 1846 ohne Erfolg vor,<strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> zur Bundesflagge zu wählen, um damit„der revolutionären Partei eine Waffe zu entreißen“.Dieser kam jedoch wiederum Frankreich mit der Februarrevolutionvon 1848 zu Hilfe, die zur Abdankung desBürgerkönigs Louis Philippe am 24. Februar führte. DieUnruhen griffen erneut auf Deutschland über, und denFürsten wurden demokratische Zugeständnisse abgetrotzt.Am 9. März 1848 hob die Bundesversammlung in Frankfurtam Main alle Ausnahmegesetze auf und erklärte <strong>Schwarz</strong>­<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> zu den Farben des Deutschen Bundes: „Eben sowerden die Bundesfarben der deutschen Vorzeit zu entnehmenseyn, wo das deutsche Reichspanier schwarz, roth und goldenwar“. Es folgten Anordnungen, wonach die schwarz-rotgoldenenFarben in allen Bundesfestungen angebracht, vonden Bundestruppen getragen und in den Bundessiegeln geführtwerden sollten. Am 10. März 1848 zeigte sich KaiserFerdinand I. mit einer schwarz-rot-goldenen Flagge aneinem Fenster der Wiener Hofburg und auch auf demStephansdom wurde <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> gehisst; am 13. März1848 wurde Staatskanzler Fürst von Metternich gestürztund floh nach London, wo der Schriftsteller Hermann56


Die Revolution von 1848Ferdinand Freiligrath am 17. März 1848 sein im selbenJahr von Robert Schumann vertontes Gedicht „<strong>Schwarz</strong>­<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>“ verfasste, dessen erste Strophe lautet:In Kümmernis und Dunkelheit,da mussten wir sie bergen!Nun haben wir sie doch befreit,befreit aus ihren Särgen!Ha, wie das blitzt und rauscht und rollt!Hurra, du <strong>Schwarz</strong>, du <strong>Rot</strong>, du <strong>Gold</strong>!Pulver ist schwarz,Blut ist rot,golden flackert die Flamme!In Preußen reagiert Friedrich Wilhelm IV. auf die Entwicklungzu zögerlich, wodurch sich in der BevölkerungAggressionen anstauen. Am 18. März 1848 kommt esin Berlin auf dem Schlossplatz zu einem Übergriff desMilitärs auf dort versammelte Bürger, die sich zur Wehrsetzen. Die Kämpfe, die auf das weitere Stadtgebietübergreifen und bis in die frühen Morgenstundendes 19. März andauern, kosten mindestens 183Barrikadenkämpfern das Leben. Der König lenkt nungegen den Widerstand seines Bruders und späterenThronfolgers, des Prinzen von Preußen, verängstigtein und zieht seine Truppen zurück. Während PrinzWilhelm, den große Teile der Berliner Bevölkerung fürdas Gemetzel verantwortlich machen und deshalb alsbald„Kartätschenprinz“ nennen werden, auf Befehl seinesBruders zunächst Berlin verlässt und dann am 22. März57


Die Revolution von 1848vor dem Volkszorn – glatt rasiert als Kaufmann Oelrichsgetarnt – nach England flieht, erweisen der König und dieKönigin am Nachmittag des 19. März auf dem Schlossplatzden aufgebahrten Leichen der Barrikadenkämpfer die letzteEhre.Am Vormittag des 20. März versammeln sich mehrereTausend Menschen auf dem Schlossplatz und fordern lautstarkdie Freilassung von gefangen gehaltenen Polen, die1846 in dem damals preußisch besetzten Teil Polens vonPosen aus an einem Aufstand gegen die Besatzungsmachtbeteiligt waren. Deren Verurteilung zum Tode bzw. zu hohenHaftstrafen hatte unter den Berlinern „wahres Entsetzen“ ausgelöst,wie es in der Ausgabe der „Vossischen Zeitung“ vom 12.August 1847 hieß, „hatten doch die Unglücklichen nur die Freiheitihres zerstückelten Vaterlandes gewollt!“ Die Obrigkeit siehtsich zum Nachgeben gezwungen und erlässt eine Amnestiefür alle politischen Häftlinge. Die Berliner Bevölkerungführt die freigelassenen polnischen Freiheitskämpfer in einemTriumphzug durch die Stadt. Deren Anführer, LudwikMierosławski, hält von einem offenen Wagen, an dem eineweiß-rote Flagge und eine schwarz-rot-goldene Flagge angebrachtsind, eine Dankesrede an seine „deutschen Brüderin Freiheit“ und verkündet: „Das polnische Banner wird nunin Eintracht neben dem deutschen wehen!“ Vom Balkon desStadtschlosses grüßt der König den „Polenzug“ durch dreimaligesSchwenken seiner Feldmütze, was von frenetischemJubel der Menge begleitet wird.58


Die Revolution von 1848Am nächsten Tag, dem 21. März 1848, lässt sich der Königauf dem Schlossplatz eine schwarz-rot-goldene Flaggebringen und erklärt, dass er diese nun als sein Panier tragenwolle, obwohl er noch in der blutigen Nacht zum 19.März 1848 ausgerufen hatte: „Schafft mir diese Fahne aus denAugen!“ Nachdem der König seine neue Flagge an einenBürgerschützen als Träger übergeben hat, reitet er mit einerschwarz-rot-goldenen Armbinde unter großem Jubelder Bevölkerung durch Berlin und erlässt am Abend einenAufruf „An mein Volk und an die deutsche Nation“, in dem erunter anderem erklärt:„Ich habe heute die alten deutschen Farben angenommen undmich und mein Volk unter das ehrwürdige Banner des DeutschenReichs gestellt. Preußen geht fortan in Deutschland auf!“Anschließend wird auf dem Berliner Schloss die schwarzrot-goldeneFlagge aufgezogen. An das Kriegsministeriumergeht die Order, dass die Soldaten neben der preußischendie deutsche Kokarde anzustecken haben.Zunächst nahmen die weiteren Ereignisse einen günstigenVerlauf. Am 18. Mai 1848 zog in die Frankfurter Paulskirchedie erste frei gewählte gesamtdeutsche Volksvertretungein, um eine freiheitliche Reichsverfassung zu erarbeiten.Bereits am 31. Juli 1848 bestimmte die DeutscheNationalversammlung <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> in drei gleichbreiten horizontalen Streifen mit der auch heute gültigenReihenfolge der Farben zur Flagge des neuen Reiches. Damitsetzte man sich bewusst über die alte heraldische Regel,dass nicht Farbe auf Farbe und nicht Metall auf Metall folgendarf und wonach der goldene Streifen der mittlere hät­59


Die Revolution von 1848te sein müssen, zugunsten der nunmehr üblich gewordenenFarbenfolge hinweg. Diejenigen, die keine konstitutionelleMonarchie, sondern eine Republik wollten, waren für einesenkrecht gestreifte Trikolore nach französischem Vorbildeingetreten.Am 13. November wurde das „Gesetz über die deutsche KriegsundHandelsflagge“ vom Reichsverweser Erzherzog Johann vonÖsterreich, der am 29. Mai von der Nationalversammlungzum Inhaber der vorläufigen Zentralgewalt für Deutschlandgewählt worden war, im „Reichs-Gesetz-Blatt“ offiziell verkündet.Hierüber erfolgte sogar eine Notifikation an die ausländischenStaaten, zu denen die provisorische Zentralgewaltoffizielle Beziehungen unterhielt. Doch nur die VereinigtenStaaten von Amerika erkannten die schwarz-rot-goldeneFlagge förmlich an, während sich die Königreiche Belgien,Niederlande und Neapel darauf beschränkten, die offizielleMitteilung des Gesetzes zu bestätigen, und England nachlangen Verhandlungen schließlich im Juni 1849 erklärte,dass es die deutsche Seeflagge erst werde anerkennen können,wenn das Deutsche Reich endgültig organisiert und fürdie Dauer eingerichtet sein werde.Dazu kam es bekanntlich aber nicht: Zwar wurde am27. März 1849 König Friedrich Wilhelm IV. von der Nationalversammlungzum „Kaiser der Deutschen“ gewählt undam 28. März 1849 der Verfassungsentwurf fertig gestellt.Aber der preußische König, der sich noch ein Jahr zuvor andie Spitze der nationalen Bewegung setzen wollte, lehnteam 3. April 1849 ab und erklärte später:60


Die Revolution von 1848„Die Kaiserkrone aus der Hand des Volkes ist ein imaginärer Reifaus Dreck und Letten (Anmerkung: Lehm) gebacken, an dem derModergeruch der Revolution klebt, die von Volkssouveränität undParlamentarismus sprach.“Die Träger der Farben <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>, zu denen er selbstgehört hatte, bezeichnete er nun als „mehrheitsanbetendeSchöpse, Mitglieder der europäischen Schuftenschaft“. Dasser dies nie anders gesehen hatte und daher die bekundeteSympathie für <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> seinem Volk aus Angstvor dem Verlust der Krone nur vorgeheuchelt war, offenbartein am 22. März 1848 an Kronprinz Wilhelm geschriebenerBrief: „Die Reichsfarben musste ich gestern freiwillig aufstecken,um Alles zu retten. Ist der Wurf gelungen…, so lege ich sie wiederab!“61


Die Niederschlagung der EinheitsundFreiheitsbewegungDas Ende des Traums von einem demokratischen deutschenReich war damit eingeleitet. Am 28. April 1849 lehntePreußen auch die Reichsverfassung ab, die zuvor bereits 28deutsche Staaten angenommen hatten und in der erstmalsin der deutschen Geschichte – durch Reichsgesetz vom 27.Dezember 1848 gesondert in Kraft gesetzte – Grundrechteniedergelegt worden waren. Damit war übrigens mitAusnahme entgegenstehender Regelungen des Kriegs- undSeerechts auch die Todesstrafe abgeschafft worden.Die Ablehnung der Reichsverfassung durch Preußen hat denAusbruch von Volksaufständen im Rheinland, in der Pfalz, inBaden und Sachsen zur Folge. Friedrich Wilhelm IV. handeltnun entsprechend einem seiner weiteren Aussprüche: „GegenDemokraten helfen nur Soldaten!“ und entsendet preußischeTruppen zur Niederschlagung der Aufstände. Währenddies in Sachsen und im Rheinland schnell gelingt, leistetdie badische und pfälzische Revolutionsarmee erbittertenWiderstand. Ihr gehört auch eine unter dem Wahlspruch„Für unsere und eure Freiheit!“ kämpfende Polnische Legion an,denn die Polen erhoffen sich von einem freien und geeintenDeutschland Unterstützung bei der Wiedervereinigungihres eigenen, dreigeteilten Landes. Dem ein Jahr zuvor inBerlin amnestierten polnischen Freiheitskämpfer LudwikMierosławski wird sogar vom 10. Juni bis zum 1. Juli 1849der Oberbefehl übertragen. Sein Gegenspieler ist der preu­62


Die Niederschlagung der Einheits- und Freiheitsbewegungßische Kronprinz und spätere deutsche Kaiser WilhelmI., der gegen die Revolutionäre mit großer Härte vorgeht.Die Reste der Revolutionsarmee werden schließlich in derBundesfestung Rastatt eingeschlossen. Mit der Übergabe derFestung an preußisches Militär endet am 23. Juli 1849 die„Reichsverfassungskampagne“. 27 Freiheitskämpfer werden bisAugust standrechtlich erschossen, darunter der PotsdamerJohann Maximilian Dortu, der Urheber des Spitznamens„Kartätschenprinz“ für den preußischen Kronprinzen, und derPole Theophile Mniewsky.Damit vereiteln preußische Truppen erneut die Anfänge einesdemokratischen Staatswesens in Deutschland, nachdemsie bereits im Juli 1793 dem am 18. März jenes Jahresunter dem Schutz der französischen Republik in Mainz ausgerufenenRheinisch-Deutschen Freistaat ein gewaltsamesEnde bereitet hatten, dessen Nationalkonvent das erstedeutsche Parlament modernen Zuschnitts war.Es folgen symbolische Schlusspunkte in Frankfurt am Mainmit dem Niederholen der schwarz-rot-goldenen Flaggevom Turm der Paulskirche am 2. September 1850 und vomBundespalais, dem Sitz der Bundesversammlung, am 15.August 1852, wenngleich dessen Beschluss vom 9. März1848 über die schwarz-rot-goldenen Bundesfarben bis zurAuflösung des Deutschen Bundes im Jahre 1866 formal inKraft bleibt.63


Die Farben des KaiserreichsMit der Ernennung des erzkonservativen Otto von Bismarckzum preußischen Ministerpräsidenten setzt 1862eine neue Entwicklung ein, die nach drei sogenanntenEinigungskriegen 1871 zur Reichsgründung unter <strong>Schwarz</strong>­Weiß-<strong>Rot</strong> durch die Fürsten führt. Bismarck erkannte, dassder Wunsch nach nationaler Einheit nicht mehr aus demBewusstsein der Bevölkerung zu beseitigen war und es eineständige Gefährdung der alten Ordnung bedeuten würde,wenn sich die Obrigkeit nicht selbst der Frage der nationalenEinheit annehmen würde. Durch seine auf die Herstellungder nationalen Einheit unter preußischer Vorherrschaft undunter Ausschluss des alten Rivalen Österreichs gerichteteKriegsführungspolitik gelingt es ihm, die nationale Ideevon der demokratischen abzukoppeln, damit das liberaleBürgertum in Nationale und Demokraten zu spalten und soden Obrigkeitsstaat zu bewahren, der erst 1918 untergeht.Dietrich Schwanitz merkte dazu in seinem Bestseller„Bildung“ recht drastisch an: „Das war der Weg Bismarcks. Erhat die Deutschen in die Scheiße geführt. Paradoxerweise blieb dasbis heute vielen Historikern verborgen, weil Bismarck persönlichals Kanzler jede nationale Großmannssucht bremste.“Für diese Interpretation lässt sich unter anderem Bismarcksberühmt-berüchtigte programmatische Rede anführen,die er 1862 vor der Budgetkommission des PreußischenAbgeordnetenhauses hielt und in der er unter anderem äu­64


Die Farben des Kaiserreichsßerte: „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden diegroßen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von1848 und 1849 gewesen -, sondern durch Eisen und Blut.“Dementsprechend führt Preußen zunächst 1864 gemeinsammit Österreich Krieg gegen Dänemark, das nach seinerNiederlage Schleswig-Holstein und Lauenburg an diebeiden Siegermächte abtreten muss. Als Nächstes provoziertPreußen Österreich zur Kriegsführung, das nach derNiederlage von Königgrätz am 3. Juli 1866 der Auflösungdes Deutschen Bundes zustimmt und den unter PreußensFührung neu gebildeten Norddeutschen Bund anerkennt.Nach dem Sieg im ebenfalls von Bismarck mit der berühmtenEmser Depesche provozierten dritten Einigungskrieg1870/71 gegen Frankreich wird das Ziel erreicht und am 18.Januar 1871 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles derpreußische König Wilhelm I. von den deutschen Fürstenzum Deutschen Kaiser ausgerufen.Das nun gegründete Deutsche Reich übernahm die vonBismarck entworfene schwarz-weiß-rote Handelsflagge desNorddeutschen Bundes. Allerdings gab es eine Vielzahl anFürsprechern für <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>. Insbesondere die süddeutschenStaaten fühlten sich durch diese Flagge besservertreten, die auch im Bewusstsein der Bevölkerung nochtief verwurzelt war. Nicht verwundert, dass der freiheitlichund liberal gesonnene preußische Kronprinz, der spätereKaiser Friedrich III., der zum Verhängnis der Nation bereits1888 nach nur 99 Tagen Regierungszeit starb, ebenfalls fürdiese Farben eintrat.65


Die Farben des KaiserreichsAlle Vorstöße scheiterten indes am Widerstand vonWilhelm I., für den diese Flagge diskreditiert war, nachdemunter ihr 1848/49 Revolutionäre für ein einheitlichesdemokratisches Deutschland eingetreten waren. Für diesenvom Gottesgnadentum überzeugten Herrscher war<strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> „aus dem Straßendreck erstiegen“, für seinenKanzler Bismarck waren dies „Farben des Aufruhrs undder Barrikaden“. Hinzu kam noch, dass im Deutschen Kriegvon 1866 Soldaten des aus Badenern, Württembergern undHessen bestehenden VIII. Armeekorps des Bundesheeresauf der Seite Österreichs gegen die preußischen Truppenmit schwarz-rot-goldenen Armbinden gekämpft hatten. Soäußerte sich Bismarck am 22. September 1870 in einemTischgespräch wie folgt:„Sonst ist mir das Farbenspiel ganz einerlei. Meinethalbengrün und gelb und Tanzvergnügen oder auch die Fahne vonMecklenburg-Strelitz. Nur will der preußische Troupier nichts von<strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> wissen, was ihm, wenn man sich an die BerlinerMärztage erinnert und an das Erkennungszeichen der Gegnerim Mainfeldzuge von 1866, von billig Denkenden nicht übel genommenwird.“Aber selbst gegen das von Bismarck kreierte <strong>Schwarz</strong>­Weiß-<strong>Rot</strong> hatte Wilhelm I. weiter seine Vorbehalte, weil erdas preußische <strong>Schwarz</strong>-Weiß als Flagge des deutschenKaiserreichs lieber gesehen hätte. So wurde erst nachdem Regierungsantritt Wilhelms II. durch Verordnungvom 8. November 1892 die frühere Handelsflagge desNorddeutschen Bundes und dann des Deutschen Reichesauch zu dessen Nationalflagge bestimmt.66


Als das Wilhelminische Kaiserreich 1918 unterging, hattesich erfüllt, was der Arbeiterführer und Mitbegründer derSPD August Bebel bei der Gründung prophezeit hatte: „Dasmit ‚Blut und Eisen‘ zusammengeschweißte Reich ist kein Bodenfür die bürgerliche Freiheit, geschweige für die soziale Gleichheit.Staaten werden mit Mitteln erhalten, durch die sie gegründet wurden.Der Säbel stand als Geburtshelfer dem Reich zur Seite, derSäbel wird es ins Grab begleiten.“ **Vor diesem Hintergrund ist es besonders ärgerlich, dass in Berlin-<strong>Brandenburg</strong>nach der Wiedervereinigung ein immer unerträglicher werdender„Fürstenkult“ um sich gegriffen hat, den man etwa auch in dem im September2000 von dem Bankier Ehrhardt Bödecker eingerichteten „<strong>Brandenburg</strong>-Preußen Museum Wustrau“ pflegt, wo das undemokratische WilhelminischeKaiserreich als „führender Rechtsstaat“ und „moderner Sozialstaat“gepriesen wird. In Bödeckers zur Ausstellung erschienenen Buch „Preußenund die Wurzeln des Erfolgs“ wird laut Ausgabe der „Märkischen AllgemeinenZeitung“ vom 11. Januar 2005 ein „naives Preußenbild“ vermittelt undplädiert der Autor „für den autoritären Staat“.67


Revolution und RepublikWährend die November-Revolution von 1918 noch unterroten Fahnen erfolgte, bestand alsbald bei der Mehrheitder sozialdemokratisch organisierten ArbeiterschaftEinigkeit darüber, dass eine Parteifahne nicht die der neuenRepublik werden könne. Ebenso war großen Teilen desBürgertums zunächst wohl noch bewusst, dass man derArbeiterschaft nicht zumuten konnte, wieder die Flagge desWilhelminischen Obrigkeitsstaates, der Sozialistengesetzeund der Demokratenverfolgung anzunehmen. Vielleichtaber auch aus Furcht vor den überall wehenden rotenFahnen schrieb der Herausgeber der „Deutschen Zeitung“ undspätere deutschnationale Reichstagsabgeordnete ReinholdWulle am 16. November 1918:„Als vor 70 Jahren die Sehnsucht nach Kaiser und Reich die großeVolksbewegung des Jahres 1848 ins Leben rief, tauchten dieFarben <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> auf als das Symbol Großdeutschlands.Wenn heute das ganze deutsche Volk zusammengefasst werdensoll, unsertwegen auch im Zeichen der Demokratie, dann besinneman sich wieder auf die Farben <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>. Sie sinddie Kennzeichen des deutschen Idealismus... Helfen kann uns nurdie befreiende schwarz-rot-goldene Tat zur Einheit, Ordnung undFreiheit.“In der Ausgabe der konservativ-nationalistischen „AlldeutschenBlätter“ vom 9. November 1918 findet sich sogar:„Jauchzt den alten schwarz-rot-goldenen Farben zu!“68


Revolution und RepublikIm Verfassungsentwurf für die neue Republik, den dieReichsregierung am 21. Februar 1919 der Nationalversammlungzur Beratung vorlegt, heißt es dann:„Die Reichsfarben sind schwarz-rot-gold“.Dies entsprach übrigens auch dem ausdrücklichen Wunschdes Gesandten Österreichs, dessen damalige Regierung dendann von den Siegermächten verwehrten Anschluss derRepublik Österreich an das Deutsche Reich erstrebte undfür die das die preußische Hegemonie symbolisierende<strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong> im Falle eines Beitritts nicht akzeptabelgewesen wäre.Von einer Übereinstimmung unter den Parteien, die sicham 19. Januar 1919 der Wahl zur Nationalversammlunggestellt hatten, kann nun aber keine Rede mehr sein. Inder entscheidenden Sitzung des Verfassungsausschussesvom 3. Juni 1919 prallen die unterschiedlichen Positionenaufeinander. Während der Vertreter der USPD (UnabhängigeSozialdemokratische Partei Deutschlands) mit seinemPlädoyer für die rote Fahne allein bleibt und die Mehrheitssozialdemokraten(SPD) den Entwurf verteidigen, treten dieVertreter der neu gebildeten Deutschen Volkspartei (DVP)und der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), derenVorläufer die Eliten des Kaiserreiches repräsentierten, fürdie Beibehaltung von <strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong> ein und begründendies mit zwei Argumenten: Zum einen sei die geplanteBeseitigung von <strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong> ein Verstoß gegendie „nationale Würde“, weil das deutsche Volk unter diesenFarben einen „großartigen Aufschwung“ erlebt habe. Zumanderen nehmen sie darauf Bezug, dass Schifffahrts- und69


Revolution und RepublikHandelskreise auf die schlechte Sichtbarkeit von <strong>Schwarz</strong>­<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> auf See hingewiesen hätten. Diese fadenscheinigeArgumentation wird ergänzt durch den Hamburger SenatorEdmund Sthamer, der im Namen der drei Hansestädte dieBefürchtung äußert, dass ein Flaggenwechsel das Ansehen,das sich die deutsche Schifffahrt erworben habe, gefährdenund so den wirtschaftlichen Wiederaufbau beeinträchtigenkönnte.Der Abgeordnete Bruno Ablaß von der Deutschen DemokratischenPartei (DDP) schlägt daraufhin als Kompromissvor, <strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong> neben der schwarz-rot-goldenenNationalfahne als Schifffahrts-, Marine- und Kolonialflaggebeizubehalten. Die SPD-Abgeordneten HermannMolkenbuhr und Max Quarck stellen schließlich folgendenKompromissantrag, der am 4. Juni 1919 mehrheitlich angenommenwird: „Die Reichsfarben sind schwarz-rot-gold. DieHandelsflagge wird durch Reichsgesetz bestimmt.“Am 2. und 3. Juli 1919 folgt die Beratung und endgültigeBeschlussfassung des Flaggenartikels der Verfassung in derNationalversammlung. Es wird schließlich ein vom SPD-Abgeordneten Max Quarck und vom ZentrumsabgeordnetenAdolf Gröber zu Beginn der Beratungen eingebrachterVermittlungsantrag mit 213 gegen 90 Stimmen angenommen.Danach lautete Art. 3 der Reichsverfassung:„Die Reichsfarben sind schwarz-rot-gold. Die Handelsflagge istschwarz-weiß-rot mit den Reichsfarben in der oberen Ecke.“70


Revolution und RepublikIn der vorangegangenen hitzigen Debatte hatte derVorsitzende des Rechtsauschusses und DVP-AbgeordneteWilhelm Kahl alle wesentlichen Bedenken zusammengefasstund ausgeführt, dass er „nicht in erster Linie gegen<strong>Schwarz</strong>rotgold, sondern gegen den Farbenwechsel alssolchen“ sei. Dieser sei unzweckmäßig, weil er die deutschenHandelsinteressen verletze, denn das Ausland habe sichschon auf <strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong> eingestellt. Auch sei unterdiesen Farben und nicht unter <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> die nationaleEinheit verwirklicht worden. Des Weiteren erforderedie Achtung vor den Opfern des Weltkrieges, dass die Flagge,unter der „unsere Helden“ gefallen seien, nicht gewechseltwerde: „Vor allem aber fordert es die Selbstachtung vor uns alsDeutsche. In den Augen unserer Feinde würde der Wechsel eineSelbstentwertung sein, die uns geradezu verächtlich macht.“Zuvor hatte der Reichsminister des Inneren, EduardDavid (SPD), in einer begeisternden Rede im Namen derReichsregierung dem später dann auch angenommenenparteiübergreifenden Kompromissvorschlag zugestimmtund unter anderem ausgeführt:„Wir müssen nach einem Symbol suchen, das über alleParteigegensätze und alle Parteifahnen hinaus von möglichstallen Parteien als der Ausdruck der Zusammengehörigkeit zurVolksgemeinschaft, die höher ist als alle Parteien, angesehen undempfunden wird. Das ist die Aufgabe. Als Symbol für diese innereEinheit, für dieses nationale Gemeinschaftsgefühl, glaube ich, istdas <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> durch seine eigene Geschichte gegeben...“71


Revolution und RepublikDie gleiche Motivation ist dem Aufruf des sozialdemokratischenReichspräsidenten Friedrich Ebert zum Verfassungstagam 11. August 1922 zu entnehmen, in dem er dieBestimmung des Deutschlandliedes zur Nationalhymneankündigte und dabei insbesondere auf die dritte Stropheeinging:„Einigkeit und Recht und Freiheit! Dieser Dreiklang aus demLiede des Dichters gab in Zeiten innerer Zersplitterung undUnterdrückung der Sehnsucht aller Deutschen Ausdruck; es sollauch jetzt unseren harten Weg zu einer besseren Zukunft begleiten.Sein Lied, gesungen gegen Zwietracht und Willkür, soll nichtMissbrauch finden im Parteikampf, es soll nicht der Kampfgesangderer werden, gegen die er gerichtet war; es soll auch nicht dienenals Ausdruck nationalistischer Überhebung. Aber so, wie einst derDichter, so lieben wir heute ‚Deutschland über alles‘. In Erfüllungseiner Sehnsucht soll unter den schwarz-rot-goldenen Fahnen derSang von Einigkeit und Recht und Freiheit der festliche Ausdruckunserer vaterländischen Gefühle sein.“Ein Jahr später verteilte das Reichsinnenministerium zehntausendeschwarz-rot-goldene Flaggen und Kokarden unterder Bevölkerung.72


FlaggenstreitTrotz vielfältiger Bemühungen gelang es nicht, die allgemeineAkzeptanz von <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> zu erreichen.Vielmehr blieb diese Farbkombination für die rechtsgerichtetenGegner der demokratischen Weimarer Republik derenverhasstes Symbol und daher flaggten sie zu öffentlichenFeierlichkeiten demonstrativ <strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong>. DieseAblehnung der Reichsfarben erfuhr noch eine Steigerung,als im Februar 1924 in Magdeburg der republikanischeFrontkämpferverband „Reichsbanner <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>“ gegründetwurde. Damit sollte zwar ein überparteilichesBekenntnis zum demokratischen Nationalstaat und zurRepublik symbolisiert werden. Doch dem Verband gehörtenfast ausschließlich Mitglieder der sogenannten WeimarerKoalition, d.h. der SPD, DDP und des Zentrums an, und erwurde von den Sozialdemokraten dominiert, die stets denBundesvorsitzenden stellten. Für einen großen Teil derBevölkerung wurde das Reichsbanner daher als eine Art sozialdemokratischerKriegerverband und <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>dementsprechend auch als eine Parteifahne wahrgenommen,was die Väter der Weimarer Verfassung gerade hattenvermeiden wollen. Dies führte nun zu den schlimmstenVerunglimpfungen der Reichsfarben.Nationalsozialisten pflegten von der „Judenfahne“ zu reden.Beliebt war auch die Erklärung <strong>Schwarz</strong> = Rom, <strong>Rot</strong>= Moskau und <strong>Gold</strong> = Jerusalem. Andere Angriffe richtetensich lediglich gegen die Farbe <strong>Gold</strong>. So sprach man diffamie­73


Flaggenstreitrend von „Gelb“, „Hühnereigelb“, „Senf“, „Mostrich“ oder schlichtvon „Scheiße“. Die Hitlerjugend in Berlin und <strong>Brandenburg</strong>verwendete Parolen von Horst Wessel, dem nach seinem Todvon der NS-Propaganda zum Märtyrer hochstilisierten Führerdes berüchtigten Berliner „SA-Sturms 5“, auch „Prügelsturm“genannt. Zunächst wurde gebrüllt: „An Havel, Oder, Spreeund Neiße ist alles unter <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-Scheiße!“, dann abruptabgebrochen und feierlich intoniert: „Wa-a-a-a-s tut unsnot? Das Hakenkreuz ist schwarz-weiß-rot!“.Bei der strafrechtlichen Verfolgung derartiger Flaggenschmähungenverteidigten sich viele Angeklagte damit,nicht die Reichsfahne, sondern nur das Reichsbanner gemeintzu haben, was oft zu einer sehr milden Ahndungführte.Zu einer Verschärfung des Flaggenstreits kam es, nachdemam 26. April 1925 als Nachfolger des verstorbenen sozialdemokratischenReichspräsidenten Friedrich Ebert derkonservative ehemalige Generalfeldmarschall Paul vonHindenburg gewählt worden war. Dieser erließ nämlich am5. Mai 1926 eine vom damaligen Reichskanzler Hans Luthergegengezeichnete Zweite Verordnung über die deutschenFlaggen, wonach die „auswärtigen Missionen, Botschaften,Gesandtschaften und Konsulate an außereuropäischen Plätzen undan solchen europäischen Plätzen, die von Seehandelsschiffen angelaufenwerden“, neben der schwarz-rot-goldenen Reichsflaggeauch „die Handelsflagge“ führen sollten.Am 11. und 12. Mai 1926 folgte daraufhin eine erbitterteAuseinandersetzung über die Flaggenfrage im Reichstag.74


FlaggenstreitSeitens der Sozialdemokraten wurde der Vorwurf erhoben,dass die Feinde der Republik mangels der für dieÄnderung des Art. 3 der Reichsverfassung erforderlichenZweidrittelmehrheit mit der Verordnung den Versuch unternommenhätten, die Verfassungsänderung auf kaltemWege zu erreichen. Die Debatte endete mit der Annahmeeines Misstrauensantrags gegen die Reichsregierung. Siehabe „in sorgenvoller Zeit einen neuen Konflikt ohne Not heraufbeschworen“.Zugleich begrüßte der Reichstag die Absicht desReichspräsidenten, „alle Kräfte zur Schaffung der Einheitsflaggeim versöhnenden Sinne einzusetzen“.Dies gelang aber nicht mehr, und Hindenburg ließ trotz seinesbis 1933 formal verfassungstreuen Verhaltens so gutwie keine Gelegenheit aus, seine verdeckte Obstruktion gegendie republikanischen Farben zu zeigen. So verspotteteauch er das Nationalsymbol, indem er demonstrativ von<strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-Gelb sprach. Weiter wird berichtet, dass einmaleine private Bootsfahrt auf dem Wannsee zu scheiterndrohte, weil an dem kleinen Kahn eine schwarz-rot-goldeneFahne angebracht worden war. Davon, so bemerkteder Reichspräsident, würden ihm die Augen flimmern.Schließlich entschied der 1. Strafsenat des Reichsgerichtsam 15. Januar 1929 auch noch, dass die bloße Ersetzungdes Wortes „<strong>Gold</strong>“ durch „Hühnereigelb“, „Senf“ oder „Mostrich“bei der Bezeichnung der Reichsfarben noch nicht derenBeschimpfung i. S. d. § 8 Abs. 2 Reichsschutzgesetz darstelle,weil derartige Zusatz- oder Ersatzworte „an sich bedenkenfrei“seien. Diese Hetze gegen <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> hatte zumBeispiel zur Folge, dass am Verfassungstag desselben Jahres75


Flaggenstreitin Goslar Oberprimaner bei der Siegerehrung für sportlicheLeistungen die Schleifen mit den Reichsfarben von denKränzen rissen und darauf herumtrampelten.Bereits eine Woche nach dem knappen Wahlsieg derNationalsozialisten erließ Reichspräsident Hindenburgdann am 12. März 1933 eine entlarvende, von ReichskanzlerHitler gegengezeichnete vorläufige Regelungder Flaggenhissung, die einen klaren Verstoß gegen denFlaggenartikel der Reichsverfassung bedeutete. Der ErlassHindenburgs sah vor,„daß vom morgigen Tage bis zur endgültigen Regelung derReichsfarben die schwarz-weiß-rote Fahne und die Hakenkreuzfahnegemeinsam zu hissen sind. Die Flaggen verbinden dieruhmreiche Vergangenheit des Deutschen Reichs und die kraftvolleWiedergeburt der Deutschen Nation. Vereint sollen sie die Machtdes Staates und die innere Verbundenheit aller nationalen Kreisedes deutschen Volkes verkörpern!“Die Niederholung der schwarz-rot-goldenen Flaggen, diedann vielfach durch den Schmutz gezogen oder verbranntwurden, war von hämischen Kommentaren derantirepublikanischen Presse begleitet und stellte dieUmsetzung des ersten Verfassungsbruchs unter dem legalan die Macht gekommenen Reichskanzler Hitler dar.Die rechtliche Grundlage folgte dann allerdings wenigeTage später mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März1933. Die Anhänger der kaiserlichen schwarz-weiß-rotenFlagge konnten sich allerdings nur kurze Zeit freuen. Der76


FlaggenstreitDualismus mit der Hakenkreuzfahne wurde bereits durchdas Reichsflaggengesetz vom 15. September 1935 beendet.Dieses erste der drei berüchtigten „Nürnberger Gesetze“ bestimmte:Artikel 1: Die Reichsfarben sind schwarz-weiß-rot.Artikel 2: Reichs- und Nationalflagge ist die Hakenkreuzfahne.Sie ist zugleich Handelsflagge.SA-Männer ziehen nach der Machtergreifung 1933 eine schwarz-rot-goldeneFahne in Neustadt (an der Weinstraße) durch den Schmutz (StadtarchivLandau, Sammlung Kohl, Abbildung mit freundlicher Genehmigung derStadt Landau).77


Die Entwicklung nach 1945Nach dem Ende der Nazidiktatur war die Frage der künftigenNationalfarben verständlicherweise zunächst nicht vongroßem Interesse. So ging auch der für die Beratung desersten Entwurfs einer Verfassung für einen westdeutschenBundesstaat in Herrenchiemsee versammelte Konvent dieseProblematik zögerlich an, war dann aber mit überwiegenderMehrheit der Ansicht, „daß es trotz des provisorischenund fragmentarischen Charakters des Bundes aus technischen undauch politischen Gründen erforderlich sei, dem Bund eine Flaggezu geben.“Es bestand auch Einigkeit, dass diese Flagge die Farben<strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> aufweisen sollte und ein Flaggenstreitim neuen Deutschland auf jeden Fall vermieden werdenmüsse. Diese Einigkeit setzte sich in dem ab 1. September1948 in Bonn tagenden Parlamentarischen Rat fort, wodie Flaggenfrage zunächst im Hauptausschuss und imAusschuss für Grundsatzfragen sowie einem gemeinsamenUnterausschuss, dem sogenannten Flaggenausschuss, behandeltwurde. Am 5. November 1948 schlug die CDU/CSUim Grundsatzausschuss folgende Fassung des entsprechendenVerfassungsartikels vor: „Die Flagge des Bundes zeigt aufrotem Grunde ein schwarzes liegendes Kreuz und auf dieses aufgelegtein goldenes Kreuz.“Dieser sich an der Gestaltung der norwegischen Nationalflaggeorientierende Vorschlag entsprach weitgehend einem78


Die Entwicklung nach 1945Flaggenentwurf des hingerichteten WiderstandskämpfersJosef Wirmer und soll bei den Männern des 20. Juli 1944starken Anklang gefunden haben. Zur Begründung desVorschlags wurde angeführt, dass es einer neuen Formbedürfe, um ein Wiederaufleben des Flaggenstreits derWeimarer Republik zu vermeiden. Auch sei die Verwendungder einfachen schwarz-rot-goldenen Fahne bereits zweimalin der deutschen Geschichte nicht von Erfolg begleitetgewesen. Auf das Kreuz in der Flagge lege die CDU/CSU-Fraktion wert, weil dieses ein Symbol für das sei, was heutedie Kulturländer des Abendlandes einige. Der AbgeordneteTheodor Heuss, der spätere erste Bundespräsident, wandtefür die FDP-Fraktion ein, dass man mit diesem Vorschlag„etwas in das Kunstgewerbliche hineingeraten“ sei, und plädiertewie die Sozialdemokraten für die einfache schwarz-rot-goldeneFlagge. Die Verhandlungen in den Ausschüssen führtenschließlich zu dem Ergebnis, dass nur eine Einigung überdie Farben, nicht aber über die Gestaltung der Bundesflaggezu erreichen war.Daraufhin beschloss der Hauptausschuss auf Anregung seinesVorsitzenden Carlo Schmid (SPD), dass die Abstimmungüber den entsprechenden Verfassungsartikel, die nach seinerAuffassung „ein elementarer Akt“ sei, bei der letzten Lesungdes Grundgesetzes im Plenum des Parlamentarischen Rateserfolgen solle. Die entscheidende Sitzung, bei der zweiAnträge zur Abstimmung gestellt waren, fand demgemäßam 8. Mai 1949 statt. Der Antrag des Abgeordneten RobertLehr (CDU) lautete: „Die Bundesfarben sind schwarz-rot-gold.Über die Gestaltung der Flagge entscheidet ein Bundesgesetz.“79


Die Entwicklung nach 1945Nach dem Antrag des Abgeordneten Schmid (SPD) sollteArtikel 22 des Grundgesetzes folgende Fassung erhalten:„Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.“Zur Begründung dieses Antrages brachte der AbgeordneteLudwig Bergsträsser den Wunsch der SPD zum Ausdruck,dass der Bund die Flagge führen solle, „die in Weimar gesetzlichfestgelegt wurde“ und „die zum ersten Male vor 100Jahren durch das Frankfurter Parlament in die Gesetzgebung einging“.Als Symbol für das neue Staatswesen enthalte sie diebeiden wesentlichen Elemente einer Flagge: das Symbolder Tradition und eine innere Willenserklärung. Diese innereWillenserklärung sei das Bekenntnis zur „Einheitin der Freiheit“. Die Entscheidung über die Flagge einemBundesgesetz vorzubehalten bedeute, den Wahlkampf zumersten Bundesparlament zu einem großen Teil zu einemFlaggenstreit und damit zu einer Angelegenheit des Gefühlszu machen. Bei der anschließenden Abstimmung wurdezunächst der Antrag des Abgeordneten Lehr mit 34 zu 23Stimmen abgelehnt und dann der Antrag des AbgeordnetenSchmid mit 49 gegen eine Stimme angenommen, sodassmit dieser Fassung des Art. 22 das Grundgesetz am 23. Mai1949 in Kraft trat. Erwähnt sei noch, dass die Bevölkerungan dieser Entscheidungsfindung so regen Anteil genommenhatte, dass die Eingaben an den Parlamentarischen Rat zurFlaggenfrage acht Bände füllen.Der Bundesgerichtshof gewährte <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> einengrößeren strafrechtlichen Schutz als das Reichsgericht, wobeisein 3. Strafsenat in einem Urteil vom 16. November 195980


Die Entwicklung nach 1945(3 StR 45/59) ausführte, die „Bezeichnung der Bundesfarbenals schwarz-rot-gelb, verbunden mit der sich harmlos gebendenErörterung, ob ‚<strong>Gold</strong> eine Farbe’ sei, ... stellt ... – auf demHintergrund des Zeitgeschehens betrachtet – das Wiederhervorholeneiner der hämischsten Goebbelsschen Kampfparolen gegen diedurch die Bundesfarben verkörperten Verfassungsgedanken derfreiheitlichen Demokratie dar. Die Redewendung ‚schwarz-rot-gelb’hat...durch jahrelange nationalsozialistische Hetze die Bedeutungeiner bösartigen Beschimpfung des demokratischen Staatssymbolserlangt.“Die von den Vätern des Grundgesetzes noch befürchteteNeuauflage des erbitterten Flaggenstreites der WeimarerRepublik blieb in der Bundesrepublik aus. Allerdings verhehltedie immerhin bis 1960 in den von der CDU geführtenBundesregierungen vertretene rechtskonservative DeutschePartei (DP) ihre Sympathie für <strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong> nicht,was bereits das Parteilogo aus dem Jahr 1949 verriet. EinenVerbündeten fand sie anfangs in der FDP, die daran Anstoßnahm, dass die bundesrepublikanische Flagge auch zumSymbol des „totalitären volksdemokratischen Systems“ der DDRgeworden war.Überhaupt dürfte zu Beginn der Bundesrepublik Deutschlandder Anteil derer recht groß gewesen sein, die während desKaiserreichs, der Weimarer Republik und des Dritten Reichsnoch antidemokratisch gesonnen waren und sich erst inder Bundesrepublik zu konservativen Demokraten gewandelthatten. Nach meinen persönlichen Wahrnehmungenvermochten viele Angehörige dieser im Laufe der Zeit aus81


Die Entwicklung nach 1945biologischen Gründen schrumpfenden Bevölkerungsgruppekeine emotionale Bindung zu der Bundesflagge herzustellen,sondern trauerten still der Farbkombination <strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong> nach. Vielleicht ist dies eine Erklärung dafür, dass diestets um die Vereinnahmung nationaler Substanz bemühteCDU erst seit dem Bundestagswahlkampf 1976 auf ihrenWahlplakaten die Farben <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> systematischeinsetzt. Einfluss darauf dürfte auch gehabt haben, dassdie SPD im vorausgegangene Bundestagswahlkampf 1972,der mit dem größten Sieg ihrer Geschichte endete, zur völligenÜberraschung der CDU in der zentralen Wahlbroschüre,in Illustriertenanzeigen und auf Wahlplakaten „ganz selbstverständlichdie Farben der deutschen Demokratie <strong>Schwarz</strong>­<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>“ nutzte (so ihr damaliger WahlkampfmanagerAlbrecht Müller), wobei der Spitzenkandidat auf einem derWahlplakate mit den Worten: „Deutsche. Wir können stolz seinauf unser Land. Wählt Willy Brandt“ abgebildet wurde.Nunmehr hat die CDU in ihr am 3. Dezember 2007 verabschiedetesneues Grundsatzprogramm das ausdrücklicheBekenntnis „zu unserer schwarz-rot-goldenen Fahne“ aufgenommen,was nach 58-jähriger Geltungsdauer des Art. 22GG ein bemerkenswerter Umstand ist. Auf ein derartigesBekenntnis konnte die SPD schon deshalb verzichten, weilsie als älteste demokratische Partei Deutschlands stets füreine schwarz-rot-goldene Nationalflagge in ihrer heutigenGestalt eingetreten ist.Auch die DDR entschied sich in ihrer Verfassung vom 7.Oktober 1949 wegen der noch angestrebten Wiederverei­82


Die Entwicklung nach 1945nigung für eine schwarz-rot-goldene Staatsflagge (Art. 2Abs. 1). Allerdings waren zuvor Widerstände der Sowjets zuüberwinden, die dieses Symbol zu sehr an die gescheiterteWeimarer Republik erinnerte, sodass zunächst die schwarzweiß-roteReichsflagge favorisiert wurde, die das im Juni1943 in der Sowjetunion gegründete Nationalkomitee FreiesDeutschland als ihr Symbol im Kampf gegen das DritteReich unter der Hakenkreuzflagge auserwählt hatte. In derSitzung des Verfassungsausschusses des Volksrates am 18.Mai 1948 erklärte dessen Vorsitzender Otto Grotewohl (SED),der spätere erste Ministerpräsident der DDR, jedoch:„Niemand kann uns hindern, nach einem Symbol zu suchen, dasalle Deutschen, gleich welcher Klasse, Religion oder Partei, an denBegriff der Nation fesselt. Weder <strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong> noch <strong>Rot</strong> könnendieses Symbol sein, sondern nur <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>.“Friedrich Ebert (SED), Sohn des früheren Reichspräsidentenund Präsident des Landtags <strong>Brandenburg</strong>, stellte den danneinstimmig angenommenen Antrag, diese Farben als die derDeutschen Demokratischen Republik in den Entwurf einerVerfassung aufzunehmen und führte zur Begründung aus:„Ich bin der Meinung, daß es kein besseres, in der deutschenGeschichte tiefer begründetes Zeichen der deutschen Einheit gibt,als die alten Reichsfarben <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>. Um dieses Bannerscharten sich zu allen Zeiten die Kämpfer für Deutschlands Einheit,für eine glückliche Zukunft des Landes und des Volkes. Ihr Tuchdeckte die Leiber jener, die im Kampf gegen die feudale despotischeMonarchie Preußens für Deutschlands Einheit und Freiheitihr Leben gaben. Diese Stunde gebietet, die große Tradition derdeutschen Geschichte wieder aufzunehmen und das Banner derdeutschen Einheit über dem ganzen Land zu entrollen. Damit voll­83


Die Entwicklung nach 1945strecken wir auch das revolutionäre Ergebnis der Kämpfe vomJahre 1848.“Nachdem beide deutsche Staaten zehn Jahre die gleicheFlagge verwendet hatten wurde in der DDR mit Wirkungvom 1. Oktober 1959 das Staatswappen in die Staatsflaggeeingefügt. Dieses bestand bekanntlich aus einem goldenenÄhrenkranz, um den sich ein schwarz-rot-goldenes Tuchschlang, und in dem ein geöffneter Zirkel und ein Hammerabgebildet waren. Die drei Symbole standen für das Bündnisvon Bauern, Arbeitern und wissenschaftlicher Intelligenz.Innenminister Karl Maron (SED) erklärte am selben Tag vorder Volkskammer in der Sprache des Kalten Krieges, dieErgänzung der Staatsflagge um die „Symbole unseres friedlichenAufbaus“ sei erforderlich „damit sich die DDR als dereinzige rechtmäßige deutsche Staat auch in der Flaggenführungsichtbar von dem westzonalen Separatstaat unterscheidet.“ Dadie neue Staatsflagge somit die von der DDR nun propagierteZwei-Staaten-Theorie untermauern sollte, wurde sie inder Bundesrepublik auch als „Spalterflagge“ bezeichnet.Doch da die Staatsflagge der DDR sich aus denselben Farbenzusammensetzte wie die der Bundesrepublik, wurde durchsie auch dann noch ein unfreiwilliger Beitrag geleistet, dasBewusstsein von der Einheit der deutschen Nation wach zuhalten, als sich die Staats- und Parteiführung der DDR davonschon längst zugunsten einer eigenen „sozialistischenNation“ verabschiedet hatte und deshalb auch nach 1968 dieSportler aus beiden deutschen Staaten an den OlympischenSpielen nicht mehr unter einer gemeinsamen Flagge teil­84


Die Entwicklung nach 1945nahmen, die seit 1960 aus der deutschen Trikolore mitweißen olympischen Ringen im roten Streifen bestandenhatte. Jedenfalls brauchten die Bürger der DDR während derWende lediglich das Staatswappen von ihrer Staatsflaggeabzutrennen oder aus dem Fahnentuch herauszuschneiden,um ihrem Wunsch nach Überwindung der deutschenTeilung Ausdruck zu verleihen.Die friedliche Revolution von 1989 war daher wie die blutigevon 1848/49 auf das Engste mit den Farben <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> verknüpft. In beiden Fällen haben die Bürger letztlichfür dieselben Werte gekämpft. Aber die Revolution von1989 war zudem erfolgreich und auch die parlamentarischeDemokratie der Bundesrepublik hat sich – anders als die derWeimarer Republik – bewährt.Der Bedeutung von <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> für das wiedervereinigteDeutschland entspricht, dass seit der Nacht zum3. Oktober 1990 auf dem Platz der Republik in Berlin vordem Westeingang des Reichstagsgebäudes Tag und Nachtdie sechs mal zehn Meter große „Fahne der Einheit“ weht, dieals Denkmal von der Dienstanweisung zur Beflaggung desDienstgebäudes des Deutschen Bundestages grundsätzlichausgenommen ist.85


ResümeeNach alledem meine ich, den Beweis für meine anfangsaufgestellte These geführt zu haben, dass die schwarz-rotgoldeneBundesflagge über ihre Repräsentationsfunktionhinaus Werte symbolisiert, die zum Kernbereich unserernationalen Identität gehören sollten: Freiheit, Einheit undDemokratie. Sie ergeben einen deutschen Patriotismus, vordem sich keine andere Nation zu fürchten braucht und dersich in die Europäische Union problemlos einfügt. Auchkann unserem wichtigsten Staatssymbol heute nicht mehrentgegengehalten werden, dass es unter <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>in der deutschen Geschichte nur zu Misserfolgen gekommensei. Das Wissen um diese Misserfolge sollte sich mitder Bundesflagge aber auch verbinden, um zu vermitteln,wie schwer der Weg zu einem geeinten und demokratischenDeutschland gewesen ist. Somit steht <strong>Schwarz</strong>­<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> für einen Patriotismus der Demokraten, der demNationalismus der Rechtsextremen entgegenzuhalten ist,die eine durch die Farben <strong>Schwarz</strong>-Weiß-<strong>Rot</strong> symbolisiertenationale Identität propagieren.Dieser hohe Stellenwert der Bundesflagge für unserendemokratischen Rechtsstaat wird jedoch selbst vondessen höchsten Funktionsträgern nicht immer gesehen.Das gilt bedauerlicherweise auch für Mitglieder desBundesverfassungsgerichts, in dessen Großen Sitzungssaaleine der erhalten gebliebenen Hambacher Fahnenhing. Nach einem Beschluss des 1. Senats vom 7. März1990 (BVerfGE 81, 278) ist nämlich die Strafbarkeit der86


ResümeeDarstellung einer Collage, die einen Männertorso zeigt,der bei einem öffentlichen Soldatengelöbnis auf dieBundesflagge uriniert, durch das Grundrecht auf Freiheitder Kunst (Art. 5 Abs. 3 S.1 GG) ausgeschlossen. Vielleichtfiel es dem Bundesverfassungsgericht deshalb auch leicht,die ihm am 14. Oktober 1987 als Dauerleihgabe übergebeneHambacher Fahne (Erstbesitzer: Johann Ziegler ausMaikammer/Pfalz) am 7. Februar 1996 dem DeutschenHistorischen Museum in Berlin zu überlassen, nachdem derLeihgeber, Staatsminister a. D. Dieter Ziegler, mit Schreibenvom 12. Juni 1995 hierzu sein Einverständnis erklärt hatte.Als „peinliche Geschichte“ bezeichnete das „Pfälzer Tageblatt“in seiner Ausgabe vom 1. März 1968 zu Recht, wie der frühereBundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) mit einerweiteren Hambacher Fahne verfuhr, die ihm aufwändig restauriertam 5. Juni 1953 von einer rheinland-pfälzischenDelegation im Bonner Palais Schaumburg übergeben wordenwar. Adenauer hatte versprochen, die Fahne „hoch inEhren“ halten und ihr einen Platz im Kabinettssaal zuweisenzu wollen: „Der Geist von Hambach verpflichtet und wirmüssen uns dieses Geistes würdig erweisen!“ Auf Nachfrageeines Delegationsmitglieds stellte sich Anfang 1968 heraus,dass die Fahne, die 1832 auf den Zinnen des HambacherSchlosses geweht haben soll, auf einem Speicher desBundeskanzleramtes in Bonn gelandet war, von wo sie ineinem Paket per Einschreiben an den Historischen Vereinder Pfalz nach Neustadt zurückgesandt wurde, der sieder Stadtverwaltung in einem nicht mehr ausstellungsfähigenZustand übergab. Da versöhnt, dass eine dritte87


ResümeeHambacher Fahne seit 1955 den Plenarsaal des LandtagsRheinland-Pfalz schmückt, eine vierte sich seit Ersteigerungin einem Münchener Auktionshaus im Mai 1990 im gemeinsamenBesitz des Historischen Museums der Pfalz inSpeyer und des Hauses der Geschichte der BundesrepublikDeutschland in Bonn befindet (Erstbesitzer: Johann Ziegeraus Weyher/Pfalz), eine fünfte 2002 von der KreisverwaltungBad Dürkheim zur Stiftung Hambacher Schloss gelangt ist(Erstbesitzer: Franz Anton und Magdalene Heiligenthal, geb.Peters, damals Betreiber des Gasthauses „Zur goldenen Krone“in Hambach) und schließlich die Hambacher Hauptfahne,eine Leihgabe des Stadtmuseums Neustadt, nach Abschlussder zurzeit laufenden Baumaßnahmen im Schloss dort wiederzu besichtigen sein wird.Leider sieht man in der Öffentlichkeit meistens nur<strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-Gelb, seltener den metallischen Farbton „goldfarben“im Sinne der „Anordnung über die deutschen Flaggen“vom 13. November 1996 (BGBl. I, 1729) und noch seltenerdas von der Verfassung vorgeschriebene <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>. Eine Flagge mit einem goldenen dritten Streifen findetsich allerdings im Gebäude des Deutschen Bundestags.Im Jahre 1949 hatte nämlich die Regierung des LandesNordrhein-Westfalen dem Parlament anlässlich des erstenZusammentretens des Deutschen Bundestags eineschwarz-rot-goldene Flagge als Nachbildung der HambacherHauptfahne von 1832 geschenkt, die neben dem Präsidiumim Plenarsaal ihren Platz fand, zunächst in Bonn und dannim April 1999 im Reichstagsgebäude in Berlin. Da die FlaggeVerschleißerscheinungen aufwies, wurde sie während der88


Resümeeparlamentarischen Sommerpause 1999 durch eine originalgetreueNachbildung ersetzt.Im Übrigen begegnet man einer schwarz-rot-goldenenFlagge wohl nur noch als Ausstellungsstück, wie etwa derHambacher Hauptfahne oder der im Stadtmuseum Rastattverwahrten Fahne aus dem Jahr 1848, bei denen der dritteStreifen mit <strong>Gold</strong>fäden gewebt ist.Obwohl nach heraldischer Regel <strong>Gold</strong> durch Gelb ersetztwerden und damit auch eine kostengünstigere Flaggenproduktionermöglicht wird, hatte ich wegen der Bedeutungunserer Bundesflagge in einem in der Ausgabe der NeuenJuristischen Wochenschrift vom 9. Juli 2001 erschienenenBeitrag („Farbe bekennen!“) angeregt, an wichtigen Amtssitzenvon Bundesbehörden künftig schwarz-rot-goldene Flaggen zuhissen. Dem die heraldische Regel entgegenzuhalten, dassFlaggen keine großflächigen Anteile metallischer Farbtöneenthalten dürfen und daher ein gelber Streifen geboten sei,überzeugt nicht. Denn die deutsche Nationalflagge stelltschon deshalb einen heraldischen Verstoß dar, weil nichtFarbe an Farbe grenzen darf, sodass der für das Metall <strong>Gold</strong>stehende gelbe Streifen der mittlere hätte sein müssen.Da jedoch niemand daran denkt, die Farbfolge zu ändern,um Heraldiker zu befriedigen, wird deutlich, dass wichtigerals heraldische Regeln die Tradition ist, die sich letztlichauf die schwarz-rot-goldene Hauptfahne des HambacherFestes zurückführen lässt. Allerdings vermag ich dieAblehnung meines Vorschlags durch BundespräsidentHorst Köhler durchaus nachzuvollziehen: Wie mir das89


ResümeeBundespräsidialamt mit Schreiben vom 23. August 2007mitgeteilt hat, liegt diese „zum einen in der jahrzehntelangenPraxis der Bundesrepublik Deutschland begründet, zum anderenauch darin, dass er keine ‚Zweiklassen-Bundesflaggengesellschaft’einführen möchte, die einem vom Bundespräsidenten gewünschtenpositiven Nationalbewusstsein abträglich sein könnte.“Ein gewisses Verständnis habe ich auch für die deutschenPolitiker, die sich davor scheuen, unserer Bundesflaggeüberhaupt eine große Bedeutung beizumessen, weil mitdeutschen Nationalsymbolen in der Vergangenheit vielMissbrauch getrieben worden ist. Allerdings muss ich einwenden,dass man die Form nicht ablehnen sollte, weil sieauch einen falschen Inhalt aufzunehmen vermag. Bei unsererNationalflagge ist das unzweifelhaft nicht der Fall,denn sie steht eben nicht für nationalistische Verirrungen,sondern für einen demokratischen deutschen Rechtsstaat.Nicht vergessen werden darf, dass für die Mehrheit dereuropäischen Bevölkerung die Nationalflagge als Identifikationssymboltrotz und wahrscheinlich sogar geradewegen der fortschreitenden europäischen Einigungals unverzichtbar empfunden wird. Das gilt auch für dieBundesflagge, die von der weit überwiegenden Mehrheitder deutschen Bevölkerung akzeptiert wird und an die seitder Fußballweltmeisterschaft 2006 viele Deutsche eineemotionale Bindung entwickelt haben. Nach der anfangserwähnten Umfrage des Meinungsforschungsinstitut „forsa“während der diesjährigen Fußballeuropameisterschaftist die Begeisterung für <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> bei den unter29-jährigen mit 73 % besonders hoch. Daher sollte die90


ResümeeChance genutzt werden, mit der durch die Farben <strong>Schwarz</strong>­<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> symbolisierten patriotischen Substanz das gefährlicheinhaltliche Vakuum des Begriffs der deutschenIdentität zu füllen, um so eine Okkupation mit nationalistischenInhalten durch die Rechtsextremisten zu verhindern.Darin sehe ich einen wesentlichen Bestandteildes Kampfes gegen den Rechtsextremismus, für den ichim Land <strong>Brandenburg</strong> seit 1996 als nunmehr dienstältesterdeutscher Generalstaatsanwalt Mitverantwortung trageund der für mich weiterhin höchste Priorität hat.Dieser Kampf ist allein mit staatlichen Maßnahmen nichtzu gewinnen, sondern es bedarf hierfür einer gesamtgesellschaftlichenAnstrengung. Als ich im Juli 1996 in einemInterview mit dem „Tagesspiegel“ diese Einsicht zumAusdruck brachte, indem ich „eine breite Front, die vom strammKonservativen bis zum linksautonomen Spektrum reicht“ forderteund den Kampf gegen den gewalttätigen Rechtsextremismusals „patriotische Pflicht“ bezeichnete, sahen das viele<strong>Brandenburg</strong>er noch als eine Form der Nestbeschmutzungan. Der Eisenhüttenstädter Rechtsanwalt Rolf Henrich, immerhinals Gründungsmitglied des Neuen Forums Trägerdes Deutschen Nationalpreises, warf mir in der „NeuenJuristischen Wochenschrift“ in einem Kommentar, der mit „DerFeind steht rechts! Oder: Was <strong>Brandenburg</strong>s Generalstaatsanwaltunter Patriotismus versteht“ überschrieben war, vor, „über eineverschwindende Minderheit Jugendlicher und Heranwachsenderund deren gewalttätigen Rechtsextremismus wie über eine soebenauferstandene SA“ geredet und gegen sie sozusagen die „Faschismuskeule“geschwungen zu haben. Umso mehr habe ich91


Resümeemich darüber gefreut, dass in <strong>Brandenburg</strong> dann im Mai1997 das „Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismusund Fremdenfeindlichkeit“ gegründet wurde, als dessenMitglied seit 2000 ich auf der Feier aus Anlass des 10-jährigenBestehens das im Internet abrufbare Impulsreferat„Die Demokratie verwurzeln!“ gehalten habe. Im Juni 1998 beschlossdie Landesregierung zudem das Handlungskonzept„Tolerantes <strong>Brandenburg</strong>“. Durch intensive Vernetzung undKooperation aller staatlichen und nichtstaatlichen Stellensowie bürgergesellschaftlichen Akteure soll eine starke, lebendigeDemokratie und Zivilgesellschaft erreicht werden.Kein anderes Bundesland hat sich früher als <strong>Brandenburg</strong>zu dem Problem des Rechtsextremismus offen bekannt unddie erforderlichen Gegenmaßnahmen ergriffen; der bundesweiteAufruf zum „Aufstand der Anständigen“ durch dendamaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder erfolgte übrigenserst im Sommer 2000. Der Bundespräsident hat diesesEngagement <strong>Brandenburg</strong>s durch seine Anwesenheit bei derFeier zum 10-jährigen Bestehen des Handlungskonzepts am24. Juni 2008 gewürdigt.Die Einsicht, dass ein erfolgreicher Kampf gegen denRechtsextremismus auch das Bekenntnis aller Demokratenzum Patriotismus erfordert, ist aber leider noch nicht zumAllgemeingut geworden. Umso wichtiger war, dass derJournalist Frank Jansen, der sich seit Jahren intensiv undengagiert mit der Problematik des Rechtsextremismusbefasst, in der Ausgabe des „Tagesspiegel“ vom 2. Oktober2005 zum Tag der Deutschen Einheit den programmatischenArtikel „Mehr Patriotismus wagen!“ publiziert hat, der92


Resümeedie Frage, wie der Kampf gegen den Rechtsextremismusgeführt werden sollte, mit folgender Kernthese beantwortete:„Die Demokraten müssen den Rechtsextremisten den emotionalenStützpfeiler ihrer Ideologie wegnehmen – das Bekenntniszum Land.“Dieses Bekenntnis zum Land ist während der Fußballweltmeisterschaft2006 auf unverkrampfte Weise durchVerwendung von so vielen schwarz-rot-goldenen Flaggenwie niemals zuvor erfolgt. Am 13. Juni 2006 erschien in der„Berliner Morgenpost“ der Artikel „Deutschland, einig Fahnenland“,in dem von „<strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> als neuem Selbstverständnisund Zeichen für eine weltoffene Haltung“ die Rede war, und inder „Neuen Züricher Zeitung“ wurde am 25. Juni 2006 unterder Überschrift „Ein Land badet in <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>“ ausgeführt:„Ganz Deutschland wundert sich und die Welt ringsumerst Recht. So viel fröhlichen Patriotismus und schwarz-rot-goldeneBegeisterung, gepaart mit offenherziger Gastfreundschaft,hätte den Gastgebern der Fußballweltmeisterschaft niemandzugetraut“. Den meisten deutschen Fahnenträgern dürfteallerdings nicht bewusst gewesen sein, dass sie sich mit<strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> auch zu unserem freiheitlich-demokratischenRechtsstaat bekannt haben. Daher kann miteiner gewissen Berechtigung davon gesprochen werden,dass während des „Sommermärchens“ lediglich ein „Party-Patriotismus“ oder „Ersatz-Patriotismus“ zum Ausdruck gekommenist (so die Ausgabe des „Focus“ vom 5. Juni 2006),was auch auf dessen Fortsetzung während der diesjährigenFußballeuropameisterschaft („Sommermärchen reloaded“) zutreffendürfte.93


ResümeeDie „Fußballpatrioten“ haben sowohl im rechten als auch imlinken Lager Verwirrung gestiftet, worüber in einem am 29.Juni 2006 in der „taz“ erschienen Artikel („Patrioten verwirrenRechte“ ) wie folgt berichtet wurde:„Die sächsische Landtagsabgeordnete der Linkspartei, Julia Bonk,handelte sich heftige Schelte von ihrer eigenen Partei ein, als siesich kritisch über die Deutschlandfahne äußerte und vorschlug,diese durch Antifa-T-Shirts zu tauschen. Ähnlich ging es hessischenMitgliedern der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft(GEW), die eine Broschüre wieder auflegten, die sich kritisch mitdem Deutschlandlied befasste. Nach wütenden Reaktionen rudertendie Gewerkschafter zurück und der GEW-Vorsitzende entschuldigtesich bei der Fußballnation. Doch es sind nicht nur linkeNationalismuskritiker, sondern auch bekennende Rechte, die vomneuen deutschen Patriotismus die Nase voll haben.“So sei die Empfehlung des „ehemaligen NPD-Cheftheoretikers“Jürgen Schwab, den neuen Patriotismus durch die Förderungdes Mitbringens von schwarz-rot-goldenen Fahnenzu rechtsextremistischen Demos zu nutzen, auf scharfenWiderspruch gestoßen: „Das Reich hieß nur einmal ‚Großdeutschland’,und da war die Fahne schwarz-weiß-rot.“ Auch „denbekennenden Nationalsozialisten Axel Reitz aus Köln“ habe dies„auf die Palme“ gebracht: „Überall keimt die schwarz-rot-goldeneSumpfblüte des Patriotismus auf, gedeiht im Morast der bundesrepublikanischenGesellschaft und durchseucht langsam sämtlicheBereiche des öffentlichen Lebens.“In der Tat unterscheidet sich dieser neue unbeschwertePatriotismus unter <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>, so oberfläch­94


Resümeelich er auch sein mag, erfreulich klar von dem dumpfenNationalismus der Rechtsextremisten, die sich währendder Fußballweltmeisterschaft immerhin genötigt fühlten,auf Demonstrationen unter schwarz-weiß-rotenFlaggen zu verzichten. Umso unverständlicher ist, dass derBundessprecher der „linksjugend solid“ während der diesjährigenFußballeuropameisterschaft laut einem Bericht des„Focus“ in der Ausgabe vom 30. Juni („Jagd auf Fähnchen“) dieAuffassung vertreten hat, dass Neonazis in dem „schwarzrot-goldenenFlaggenmeer einen Nährboden für ihre nationalchauvinistischePropaganda“ finden würden.Ein nachhaltiger Erfolg im Kampf gegen den Rechtsextremismussetzt meines Erachtens vielmehr voraus, dass derdurch die Farben <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> symbolisierte Kernbereichunserer nationalen Identität der Bevölkerungund insbesondere der Jugend als Teil des demokratischenGrundkonsenses vermittelt wird. Dies erfordert wiederum,dass die Politiker der demokratischen Parteien daraufverzichten, die nationale Identität in einer diesenKernbereich verletzenden Weise parteiisch überzuinterpretierenund bei der Bekämpfung eines innerhalb des demokratischenSpektrums befindlichen politischen Gegners zurPolarisierung der Bevölkerung zu instrumentalisieren.Da öffentlich ausgetragener Streit aber gerade ein Wesensmerkmalder Demokratie ist, fallen den um Profilierungbemühten Parteiführungen verständlicherweise Bekenntnissezum demokratischen Rechtsstaat ohne Abgrenzungenund Sticheleien gegenüber dem politischen Gegner schwer,95


Resümeesodass der Bevölkerung bisher der demokratische Grundkonsensnicht genügend sichtbar gemacht wird.Zur Pflege des demokratischen Grundkonsenses gehört beispielsweise,dass linke Demokraten im Kampf gegen denRechtsextremismus darauf verzichten, durch sprachlichunkorrekte Aufrufe „gegen Rechts“ rechte Demokraten in denDunstkreis der Rechtsextremisten zu rücken, denn die aufdie Sitzordnung in der französischen Nationalversammlungvon 1789 zurückgehenden Bezeichnungen „rechts“ und„links“ stellen lediglich grobe Zuordnungen innerhalb desdemokratischen Spektrums dar. Andererseits sind rechteDemokraten dazu aufgerufen, 18 Jahre nach dem Endeder SED in den neuen Bundesländern der Partei Die Linke,das heißt der Mehrheit ihrer Mitglieder, nicht länger dieZugehörigkeit zum demokratischen Spektrum abzusprechen,zumal es unglaubwürdig ist, wenn ehemaligenMitgliedern der SED und der ebenfalls staatstreuen DDR-Blockparteien zwar ein Wandel zu Demokraten in der CDU,nicht aber in der PDS bzw. deren Nachfolgepartei Die Linkeabgenommen wird.Vielleicht bedarf es sogar der Autorität des zur parteipolitischenNeutralität verpflichteten Bundespräsidenten,damit sich die demokratischen Parteien auf ihren in derAnerkennung der Grundrechte und im Bekenntnis zur demokratischenStaatsform bestehenden kleinsten gemeinsamenNenner besinnen und Wege finden können, diesenöffentlich zu bekennen.96


ResümeeIn der Weimarer Republik gelang eine eindrucksvolleDemonstration des Grundkonsenses aller Demokraten erst,als sich die Bedrohung der Demokratie 1925 nach dem überraschendenTod des Reichspräsidenten Ebert, der wegeneines Verleumdungsprozesses auf die rechtzeitige medizinischeBehandlung einer Blinddarmentzündung verzichtethatte, zuspitzte. Als sein Nachfolger wurde nämlich imzweiten Wahlgang der Kandidat des „Reichsblocks“, Paul vonHindenburg, gewählt, dem der Zentrumspolitiker WilhelmMarx als Kandidat des „Volksblocks“, also von SPD, DDP undZentrum, nur um drei Prozentpunkte unterlegen war, währendErnst Thälmann 6,4 Prozentpunkte erreichte, den dieKPD vor der Stichwahl trotz völliger Aussichtslosigkeit nichtzurückgezogen hatte, was ihr auch die Kritik der Exekutiveder Kommunistischen Internationale eintrug.In der Folgezeit wurden für den Sozialdemokraten FriedrichEbert, den christlichen Demokraten Matthias Erzberger undden Liberalen Walther Rathenau gemeinsame Denkmälererrichtet, wobei die beiden letztgenannten führendenVertreter der Weimarer Republik ihr Eintreten für die durchdie Farben <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong> symbolisierten Werte mit demLeben bezahlt hatten:Am 26. August 1921 ermordeten Rechtsextreme den früherenReichsfinanzminister und Reichstagsabgeordneten derkatholischen Zentrumspartei Matthias Erzberger, der sichwährend des Ersten Weltkrieges zu einem der prominentestenVertreter des demokratischen Staatsgedankens undeines „Verständigungsfriedens“ gewandelt hatte. Nachdem er97


Resümeeam 11. November 1918 als Leiter der deutschen Delegationseine Unterschrift unter die Waffenstillstandsvereinigungvon Compiègne gesetzt hatte, war er zur Zielscheibe derrechtextremistischen Hetze im Zusammenhang mit der sogenannten„Dolchstoßlegende“ geworden. Dass er vom damaligenmilitärischen Oberbefehlshaber, Paul von Hindenburg,in einem Telegramm vom 10. November 1918 ausdrücklichermächtigt worden war, wegen der aussichtslosen militärischenLage einem Waffenstillstand auch dann zuzustimmen,wenn keine der deutschen Forderungen würde durchgesetztwerden können, wurde unterschlagen. InsbesondereHindenburg, dessen Werk der Waffenstillstand eigentlichwar, schwieg zu der todbringenden Hetze gegen Erzberger,den der heutige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble(CDU) in einer nachlesenswerten Rede zum 80. Todestag alseinen „Wegbereiter deutscher Demokratie“ bezeichnet hat.Am 24. Juni 1922 ermordeten Rechtsextreme den Reichsaußenministerund das Mitglied der liberalen DeutschenDemokratischen Partei (DDP) Walther Rathenau, der sicherfolgreich bemüht hatte, die drückende Last des VersaillerVertrags zu mildern und dafür als „Erfüllungspolitiker“ diffamiert,aber auch wegen seines jüdischen Glaubens verunglimpftworden war.Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialistenwurden diese Denkmäler „zur Verherrlichung einstigerschwarz-rot-goldener Systemgrößen“, wie es damals hieß,zerstört. Es spricht für den Zustand des demokratischenGrundkonsenses in der Bundesrepublik, dass bis heutenoch nicht alle wiederhergestellt worden sind. Dies gilt98


Resümeeerfreulicherweise nicht für das künstlerisch wohl bedeutendste,das 1928 in Osnabrück nach Plänen des Werkbund-Architekten Justus Haarmann errichtet worden war. 1983wurde es auf Antrag der CDU-Fraktion nach einem einstimmigenBeschluss des Rates der Stadt wiederaufgebaut;im Juli 2003 fand auf Betreiben des sozialdemokratischenOberbürgermeisters eine Feierstunde aus Anlass der 75Jahre zuvor erfolgten Grundsteinlegung statt.Die Demokraten der Weimarer Republik, die wegen ihrerÜberzeugung ermordet oder verfolgt worden waren,haben jedenfalls ein ehrenvolles Gedenken unter derschwarz-rot-goldenen Flagge als ihrem viel geschmähtengemeinsamen Symbol mindestens ebenso verdientwie die Attentäter des 20. Juli 1944, von denen viele dieWeimarer Republik abgelehnt hatten und nur wenige dieNS-Diktatur beseitigen wollten, um an deren Stelle einendemokratischen Rechtsstaat zu errichten, wie er1949 mit der Bundesrepublik entstanden ist. Der frühereBundespräsident Johannes Rau beurteilte zwar meinenVorschlag, künftig am Verfassungstag der WeimarerRepublik, dem 11. August, einen „Tag des Gedenkens an dieDemokraten der Weimarer Republik“ zu begehen, „skeptisch“,konzedierte mir aber in seinem Antwortschreiben vom 9.Januar 2003: „Ich halte es für wichtig, stärker an diese Menschenzu erinnern – und zwar nicht nur an die, die für ihre demokratischeGesinnung mit dem Leben bezahlt haben. Junge Menschenbrauchen positive Vorbilder, wenn wir sie für die Demokratie alsStaats- und Gesellschaftsform begeistern wollen.“99


ResümeeEines dieser Vorbilder ist für mich etwa der frühereOberbürgermeister der Stadt <strong>Brandenburg</strong> an der Havel,Franz, genannt Frank, Schleusener, dessen Bild ich imEingangsbereich meines Dienstgebäudes aufgehängt habe,wo auch an Erzberger erinnert wird. Der bekennende evangelischeChrist und überzeugte Demokrat stieg als Mitglied derDeutschen Demokratischen Partei in der Weimarer Republikbis zum Staatssekretär im preußischen Finanzministeriumauf. Von den Nazis aus dem Amt gejagt, gehörte er nachdem Krieg als Mitglied der CDU dem ersten frei gewähltenbrandenburgischen Landtag an und war Vorsitzender desVerfassungssausschusses. Schleusener widersetzte sichder Gleichschaltung seiner Partei durch die SED, die imEinvernehmen mit der damaligen Führung der brandenburgischenCDU erfolgte. Nach seinem Parteiaustritt kamer Anfang April 1950 in einem Gefängnis des sowjetischenGeheimdienstes in Potsdam unter ungeklärten Umständenums Leben, wonach seine Leiche den Angehörigen nicht zurBestattung freigegeben wurde.Keinesfalls hingenommen werden darf, dass MatthiasErzberger heute außerhalb Baden-Württembergs weitgehendunbekannt ist. Zu Recht hat daher bei der Eröffnungder Wanderausstellung „Matthias Erzberger: Reichsministerin Deutschlands schwerster Zeit“ am 19. Februar 2002 in derLandesvertretung Baden-Württemberg in Berlin dessenLeiter angeprangert, dass bisher in der Hauptstadt unsererRepublik weder eine Straße noch ein Platz nach demermordeten schwäbischen Reichstagsabgeordneten benanntist. Berlin sollte sich an <strong>Brandenburg</strong> ein Beispiel100


Resümeenehmen, wo auf meine Anregung die Gemeinde Schorfheideam 8. Dezember 2004 den Platz vor ihrem Hauptverwaltungsgebäudeim Ortsteil Finowfurt nach Erzberger benannt hat,nachdem dort zuvor die von der damaligen brandenburgischenFinanzministerin Dagmar Ziegler (SPD) und dem damaligenbaden-württembergischen Staatsministers RudolfKöberle (CDU) gemeinsam eröffnete Wanderausstellungüber Erzberger zu sehen war.Auch die Freiheitskämpfer von 1848 stehen in der Traditionunseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates. Ihnenwidmet sich dankenswerter Weise die Bürgerinitiative„Aktion 18. März“ (www.maerzrevolution.de), die 1978 unterder Schirmherrschaft der Schriftstellerin Ingeborg Drewitzund des früheren Westberliner Regierenden BürgermeistersHeinrich Albertz gegründet wurde und – damals von vielenbelächelt – „Konservative, Christen, Antifaschisten, Sozialisten,Kommunisten, Parteilose, Liberale und Unabhängige“ dazu aufrief,sich für den 18. März als „Nationalfeiertag in beiden deutschenStaaten“ und ein „demokratisches friedliebendes und vereintesDeutschland“ einzusetzen. Seit 1990 verfolgt sie das Ziel, dassder 18. März als „Tag der Märzrevolution“ zum Gedenk- undFeiertag erklärt wird, durch eine Unterschriftensammlungweiter. Zudem pflegt sie unter dem Motto „Für demokratischeTradition und revolutionären Geist“ das Erbe der 48er, indemsie an jedem 18. März gemeinsam mit den Bezirken Mitteund Friedrichshain eine Gedenkstunde am <strong>Brandenburg</strong>erTor und eine Kranzniederlegung auf dem „Friedhof derMärzgefallenen“ organisiert, wobei ich 2007 am <strong>Brandenburg</strong>erTor den Anteil der Polen am deutschen Freiheitskampf wür­101


Resümeedigen durfte. Erreicht hat die Bürgerinitiative mit dem unermüdlichenVolker Schröder an der Spitze, dass der Platzvor dem <strong>Brandenburg</strong>er Tor seit dem 15. Juni 2000 „Platz des18. März“ heißt, womit nicht nur an die Revolution von 1848,sondern auch an die ersten freien Volkskammerwahlen inder DDR am 18. März 1990 erinnert werden soll. WeitereErfolge sind, dass der Berliner Senat am 20. Februar 2007beschlossen hat, den 18. März in den Beflaggungskalenderaufzunehmen und am 3. Juni 2008 nach einstimmig erfolgterAufforderung durch das Abgeordnetenhaus am 13.März 2008 den Beschluss gefasst hat, eine Initiative in denBundesrat einzubringen, damit der 18. März zum nationalenGedenktag erklärt wird.Mein kleiner Dauerbeitrag zur Pflege dieses Aspekts unsererDemokratiegeschichte besteht darin, dass ich seitsechs Jahren auf meinem Grundstück am Ufer der Haveleine Nachbildung der schwarz-rot-goldenen Flagge derReichsflotte – die von der Nationalversammlung in Frankfurtam Main am 4. Juni 1848 gegründet worden war und biszum 2. April 1852 bestand – wehen lasse. Diese weist aufder dem Fahnenmast zugewandten Seite in der oberen Eckeein goldfarbenes Quadrat auf, in der sich das Reichswappen,ein schwarzer Doppeladler, befindet. Die mir bisher zuOhren gekommenen Kommentare der Insassen passierenderSchiffe belegen, dass diese Flagge völlig in Vergessenheitgeraten ist. Ich habe die Hoffnung, dass einige der Irritiertensich auf Spurensuche begeben und sich so mit den Wurzelnunserer Demokratie befassen werden.102


ResümeeDie Geschichte der deutschen Freiheitsbewegungen derersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist im Übrigen einAusstellungsschwerpunkt der „Erinnerungsstätte für dieFreiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte“ in Rastatt(www.bundesarchiv.de/erinnerungsstaette). Ein Besuch dieserEinrichtung des Bundesarchivs sollte – wie der des HambacherSchlosses als „Denkmal der deutschen Demokratie“ (www.hambacher-schloss.de)und der Frankfurter Paulskirche – zueinem Hauptziel von Klassenfahrten deutscher Schulenwerden, denn mittels der dort vorhandenen, wohldurchdachtenMuseumspädagogik dürfte die Vermittlung desder Immunisierung gegen den Rechtsextremismus dienendenStoffes besser gelingen als allein in den Schulen, wo derErfolg zu sehr von den Fähigkeiten und dem Engagementder einzelnen Lehrer abhängt.Die Eröffnung der Erinnerungsstätte in Rastatt am 26. Juni1974 war eine der letzten Amtshandlungen des BundespräsidentenGustav W. Heinemann, der den Namenszusatz„W.“ zu Ehren seines Urgroßvaters Carl Walter, einemTeilnehmer der 1848er Revolution, führte. Heinemann hattedie Erinnerungsstätte 1969 mit der Begründung initiiert,dass ein freiheitlich demokratisches Deutschland seine freiheitlichdemokratischen Traditionen pflegen müsse. Dies geschiehtleider heute trotz Zunahme der Bedrohung durchden Rechtsextremismus immer noch nicht in ausreichendemUmfang.Um so erfreulicher ist, dass am 7. September 2007 auf demHambacher Schloss unter der Schirmherrschaft des baden­103


Resümeewürttembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger(CDU) und des rheinland-pfälzischen MinisterpräsidentenKurt Beck (SPD) der Startschuss für das Projekt „Straßeder Demokratie“ (www.strasse-der-demokratie.de) gegebenworden ist, das dazu ermuntern will, auf einer Reise vonFrankfurt am Main nach Lörrach an „12 Revolutionsstätten“die besondere Bedeutung des deutschen Südwestens für unsereDemokratiegeschichte kennen zu lernen.Meines Erachtens bedarf es zur Pflege unserer freiheitlich-demokratischenErinnerungskultur neben dem 18.März als Tag der Märzrevolution – und der ersten freienVolkskammerwahlen – eines weiteren bundesweit zu begehendenGedenktages. In der Ausgabe der „MärkischenAllgemeinen Zeitung“ vom 2./3. Oktober 2007 („MAZ-spezial“,S.V2) habe ich dargelegt, dass an diesem Tag aller Vorkämpferunserer freiheitlich demokratischen Grundordnung gedachtwerden sollte. Diese stehen letztlich gemeinsamnicht in der Tradition des nationalistischen Wartburgfestesvon 1817, sondern in der des patriotischen HambacherFestes vom 27. Mai 1832, das als die Geburtsstunde unsererDemokratie gilt und auf das sich in Gestalt der HambacherHauptfahne auch unsere Bundesflagge zurückführen lässt.Altbundespräsident Richard von Weizsäcker sprach in seinerRede zum 175-jährigen Jubiläum des Festes davon, dass„seine großen Ziele Freiheit – Einheit – Europa… heute wie niezuvor mit Leben erfüllt“ sind. Man könnte aber sogar nocheinen Schritt weiter gehen und sagen, dass diese Ziele gemeinsamerst von dem in die Europäische Union integriertenwiedervereinigten Deutschland erreicht worden sind,104


Resümeedas auch insoweit an die Tradition des Hambacher Festesanknüpft, als ein gutes Verhältnis zu Frankreich und Polenein Hauptanliegen der deutschen Außenpolitik ist, wobeidie Zusammenarbeit „mit dem polnischen Nachbarn“ im Land<strong>Brandenburg</strong> sogar von der Verfassung eingefordert wird(Art. 2 Abs. 1).Der Festredner der Hundertjahrfeier, der spätere BundespräsidentTheodor Heuss, bezeichnete das HambacherFest als „die erste politische Volksversammlung der neuerendeutschen Geschichte“. Dass die Nationalsozialisten ein Jahrvor ihrer Machtübernahme in ihren Presseorganen gegendiese Veranstaltung als „Fest des ersterbenden Systems“,als „Leichenfeier der Demokratie“, als „jüdisch-demokratischerBluff“ hetzten und dabei hervorhoben, mit Ludwig Börneund Heinrich Heine seien seinerzeit zwei Juden zu literarischenWortführern auserkoren worden, ist ein weiteresArgument für einen derartigen Gedenktag. Da der 27. Mai1832 ein Sonntag war, könnte der Gedenktag immer am letztenSonntag des Monats Mai begangen werden, sodass dafürkein Arbeitsstag geopfert werden müsste. Der Traditionentsprechend sollten an diesem Tag Bürgerfeste veranstaltetwerden, zu denen auch Gäste aus unseren größtenNachbarländern Frankreich und Polen eingeladen werdensollten und auf denen das Bekenntnis zur Demokratie durchdas Tragen schwarz-rot-goldener Kokarden erfolgen könnte,wie sie auf dem Hambacher Schloss bereits erhältlich sind.Mit einem derartigen Tag des Gedenkens an die deutscheDemokratiegeschichte könnte auch dem in der anfangs erwähntenStudie „Deutsch-Sein im Alltag“ festgestellten, der105


ResümeeAusbildung einer „deutschen Identität“ entgegenstehenden„Vakuum der Geschichtslosigkeit“ entgegengewirkt werden, wonachdie Zeit des Nationalsozialismus wie ein „schwarzesLoch“ wirkt, „in dem mögliche positive Anknüpfungspunkte einesweiteren geschichtlichen Horizonts geradezu aufgesogen werdenund damit dem kollektiven Gedächtnis kaum noch präsent sind.“Die festliche Begehung des „Geburtstags der deutschenDemokratie“ würde den Mitgliedern der demokratischenParteien zudem eine ideale Gelegenheit bieten, ihrenGrundkonsens gemeinsam öffentlich zu bekennen und derBevölkerung zu vermitteln, dass der gemeinsame Kampfaller Demokraten gegen den Rechtsextremismus eine patriotischePflicht ist, weil das Elend, das uns Deutsche undandere Nationen in der Vergangenheit getroffen hat, vonDeutschen mit rechtsextremistischer Gesinnung verursachtworden ist, die letztlich auch für die noch nicht sehrlange überwundene Teilung Deutschlands verantwortlichsind. Wir dürfen es als deutsche Patrioten nicht zulassen,dass sich eine Geisteshaltung bei uns breit macht, dienach dem Völkermord der Nationalsozialisten die in derGleichwertigkeit aller Menschen bestehende Grundlage unsererZivilisation wiederum leugnet und damit das Ansehendes wiedervereinigten Deutschlands in der Welt schwerschädigt. Dazu verpflichtet uns auch die nun erzählteGeschichte von <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>.106


Weiterführende Literatur:Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismusund Fremdenfeindlichkeit (Hrsg.): Was Demokraten gegenRechtsextreme tun können. Handreichungen zum Handeln.Potsdam 2008.Bauer, Frank: Horrido Lützow! Geschichte und Tradition desLützower Freikorps. München 2000.Buchner, Bernd: Um nationale und republikanische Identität.Die deutsche Sozialdemokratie und der Kampf um die politischenSymbole in der Weimarer Republik. Bonn 2001.Busch, Otto / Schernitzky, Anton: <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>.Offenbach 1952.David, Eduard: Um die Fahne der Deutschen Republik.Stuttgart, Berlin 1921.Evangelische Kirche Berlin-<strong>Brandenburg</strong>-schlesischeOberlausitz (Hrsg.): Hinsehen, Wahrnehmen, Ansprechen.Handreichung für Gemeinden zum Umgang mitRechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit.Berlin 2008.Erman, Wilhelm: <strong>Schwarz</strong>rotgold und <strong>Schwarz</strong>weißrot.Frankfurt am Main 1925.107


Weiterführende LiteraturFranke, Julia (Hrsg.): Ein Europäischer Freiheitskämpfer.Ludwik Mierosławski 1814 -1878. Katalog zur gleichnamigenAusstellung in der Alten Nationalgalerie. Berlin 2006.Guben, Berndt: <strong>Schwarz</strong>, <strong>Rot</strong> und <strong>Gold</strong>. Biographie einerFahne. Berlin, Frankfurt a.M. 1991.Hambach-Gesellschaft für historische Forschung undBildung e.V. (Hrsg.): 175 Jahre Hambacher Fest 1832 – 2007.Jahrbuch 14. Neustadt an der Weinstraße 2006.Hattenhauer, Hans: Deutsche Nationalsymbole. 4. Auflage,München 2006.Kaupp, Peter: Von den Farben der JenaischenUrburschenschaft zu den deutschen Farben. Ein Beitrag zurFrühgeschichte der Entstehung von <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>. In:Schroeter, Bernhard (Hrsg.): Für Burschenschaft und Vaterland.Festschrift für den Burschenschafter und StudentenhistorikerProf. (FH) Dr. Peter Kaupp. Norderstedt 2006, S.63 ff..Kermann, Joachim / Nestler, Gerhard / Schiffmann,Dieter (Hrsg.): Freiheit, Einheit und Europa. Das HambacherFest von 1832 – Ursachen, Ziele, Wirkungen. Ludwigshafen2006.Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz(Hrsg.): Hambach 1832. Deutsches Freiheitsfest und Vorbotedes europäischen Völkerfrühlings. 2. Auflage, Mainz 2007.108


Weiterführende LiteraturLandtag Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Symbol für Freiheit, Einheitund Demokratie. Die Hambacher Fahne im Landtag Rheinland-Pfalz. Mainz 2007.Michalka, Wolfgang (Hrsg.): Matthias ErzbergerReichsminister in Deutschlands schwerster Zeit. Potsdam 2002.Michalka, Wolfgang/ Rautenberg, Erardo Cristoforo/Vanja, Konrad/ Weiduschat, Gerhard (Hrsg.):Polenbegeisterung. Ein Beitrag im „Deutsch-Polnischen Jahr2005/2006“ zur Wanderausstellung „Frühling im Herbst. Vompolnischen November zum deutschen Mai. Das Europa derNationen 1830-1832“. Berlin 2005.Palmer, Christoph E. / Schnabel, Thomas (Hrsg.): MatthiasErzberger 1875 – 1921. Patriot und Visionär. Stuttgart, Leipzig2007.Rautenberg, Erardo Cristoforo: Solidarität gegenrechtsextremistische Gewalt! Neue Juristische Wochenschrift,1997, S. 920 ff.Rautenberg, Erardo Cristoforo: Gedanken zum 20. Juli 1944.In: Dem Ideal der Freiheit dienen, ihrer Vorkämpfer gedenken.Festgabe für Wolfgang Michalka. Rastatt 2003, S.157 ff.Rautenberg, Erardo Cristoforo: Die strafrechtlicheAufarbeitung des DDR-Systemunrechts im Land <strong>Brandenburg</strong>aus staatsanwaltlicher Sicht. In: Clavée/ Kahl/ Pisal (Hrsg.),109


Weiterführende Literatur10 Jahre <strong>Brandenburg</strong>isches Oberlandesgericht, Baden-Baden.2003, S. 97 ff.Reichel, Peter: <strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>. Kleine Geschichte deutscherNationalsymbole nach 1945. München 2005.Schoeps / Botsch / Kopke / Rensmanns (Hrsg.):Rechtsextremismus in <strong>Brandenburg</strong>. Berlin 2007.Stelzner, Axel / Stelzner, Christoph: Die deutsche Trikoloreund die Jenaer Urfahnen. „Blätter zur Landeskunde“ derLandeszentrale für politische Bildung Thüringen. Erfurt 1999.Stiftung Hambacher Schloss (Hrsg.): Zeitreise – 175 JahreHambacher Fest. Die Festschrift. Neustadt an der Weinstraße2008.Valentin, Veit / Neubecker, Ottfried: Die deutschen Farben.Leipzig 1929.Valentin, Veit: Das Hambacher Nationalfest. Berlin 1932(Nachdruck 1982).Weidinger, Dorothea (Hrsg.): Nation, Nationalismus,Nationale Identität. Schriftenreihe „Kontrovers“ derBundeszentrale für politische Bildung. Bonn 1998.Wentzke, Paul: Die deutschen Farben. Heidelberg 1927.110


Weiterführende LiteraturWördehoff, Bernhard: Flaggenwechsel. Ein Land und vieleFahnen. Berlin 1990.Zechlin, Egmont: <strong>Schwarz</strong> <strong>Rot</strong> <strong>Gold</strong> und <strong>Schwarz</strong> Weiß <strong>Rot</strong> inGeschichte und Gegenwart. Berlin 1926.111


Symbol für die nationale Identität der Deutschen!<strong>Schwarz</strong>-<strong>Rot</strong>-<strong>Gold</strong>:DasPräsentation des Sonderpostwertzeichens „175 Jahre HambacherFest“ am 2. Mai 2007 im Landtag Rheinland-Pfalz vor der dort befindlichenHambacher Fahne von 1832 (in der Bildmitte der Präsident desLandtags <strong>Brandenburg</strong> Gunter Fritsch und der Präsident des LandtagsRheinland-Pfalz Joachim Mertes, Foto: Klaus Benz, Mainz).Auf dem Titel:Hambacher Hauptfahne von 1832 (Abbildung mit freundlicher Genehmigungder Stiftung Hambacher Schloss und des StadtmuseumsNeustadt an der Weinstraße)

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