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HIV-Leitfaden - Virawoche

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<strong>HIV</strong> und AIDS<br />

Ein <strong>Leitfaden</strong> für Ärzte,<br />

Apotheker, Helfer und Betroffene<br />

Dr. Martin Hartmann<br />

Universitätshautklinik Heidelberg<br />

Mit freundlicher Unterstützung von<br />

ABCD


<strong>HIV</strong> und AIDS<br />

Ein <strong>Leitfaden</strong> für Ärzte, Apotheker, Helfer und Betroffene<br />

Textfassung der Onlineversion des <strong>HIV</strong>-<strong>Leitfaden</strong>s (www.hivleitfaden.de) herausgegeben<br />

vom <strong>HIV</strong>-Arbeitskreis Südwest, Karlsruhe.<br />

Stand 17.05.2010


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort .. 5<br />

Autorenverzeichnis .. 6<br />

1. Grundlagen .. 8<br />

1.1 ...Epidemiologie .. 8<br />

1.2 ...Das Virus .. 8<br />

1.3 ...Infektionsverlauf .. 17<br />

2. Diagnostik .. 21<br />

2.1 ...Laboruntersuchungen.. 21<br />

3. Vom Symptom zur Diagnose .. 27<br />

3.1 ...Fieber und/oder Gewichtsverlust .. 28<br />

3.2 ...Pulmonaler Symptomenkomplex .. 30<br />

3.3 ...Gastrointestinaler Symptomenkomplex .. 31<br />

3.4 ...Neurologisch- psychiatrischer Symptomenkomplex .. 33<br />

3.5 ...Ophtalmologischer Symptomenkomplex .. 34<br />

4. Vorgehen bei diagnostizierter <strong>HIV</strong>-Infektion .. 35<br />

5. Therapie .. 37<br />

5.1 ...Antiretrovirale Therapie .. 37<br />

5.2 ...Spezifische Nebenwirkungen.. 92<br />

5.3 ...Resistenz und Tropismus .. 99<br />

5.4 ...Antiretrovirale Therapie bei <strong>HIV</strong>-infizierten Drogenkonsumenten .. 111<br />

5.5 ...Besonderheiten bei Migrationshintergrund .. 125<br />

5.6 ...Komplementäre Therapieformen bei <strong>HIV</strong> .. 128<br />

5.7 ...Immunglobuline bei <strong>HIV</strong> .. 131<br />

5.8 ...Schmerztherapie bei <strong>HIV</strong> .. 133<br />

5.9 ...Psychotherapie bei <strong>HIV</strong>-Patienten .. 134<br />

6. <strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder .. 136<br />

6.1 ...Orale Haarleukoplakie .. 137<br />

6.2 ...Candida-Infektionen .. 138<br />

6.3 ...Herpes simplex-Infektionen .. 140<br />

6.4 ...Varizella zoster-Infektionen .. 141<br />

6.5 ...CMV-Infektionen .. 142<br />

6.6 ...Pneumocystis jirovecii-Pneumonie (PjP) .. 144<br />

6.7 ...Zerebrale Toxoplasmose .. 146<br />

6.8 ...Tuberkulose .. 148<br />

6.9 ...Atypische Mykobakteriose .. 150


6.10 ...Kryptosporidiose .. 151<br />

6.11 ...Aspergillose .. 152<br />

6.12 ...Kryptokokkose .. 153<br />

6.13 ...Wasting-Syndrom .. 154<br />

6.14 ...<strong>HIV</strong>-Enzephalopathie (AIDS-Demenz-Komplex) .. 155<br />

6.15 ...Syphilis .. 156<br />

7. <strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien .. 159<br />

7.1 ...Epidemiologie .. 160<br />

7.2 ...Kaposi-Sarkom (KS) .. 164<br />

7.3 ...Lymphome .. 174<br />

7.4 ...Andere Malignome .. 184<br />

8. Organspezifische Erkrankungen .. 187<br />

8.1 ...Dermatologische Krankheitsbilder .. 188<br />

8.2 ...Hepatitis .. 193<br />

8.3 ...HNO-Manifestationen .. 207<br />

8.4 ...Zahnärztliche Krankheitsbilder .. 211<br />

8.5 ...Neurologische Manifestationen .. 213<br />

9. Ernährung bei <strong>HIV</strong>-Infektion .. 214<br />

Adressen und Webadressen .. 216<br />

Literaturliste .. 218


Vorwort<br />

Mitte 1990 gründeten wir den <strong>HIV</strong>-Arbeitskreis Südwest, um den Erfahrungsaustausch<br />

aller mit der <strong>HIV</strong>-Thematik betrauten Personen unserer Region zu verbessern. Unser Ziel<br />

war es daher, eine übersichtliche, individuell strukturierbare und einfach zu<br />

aktualisierende Arbeitshilfe für Ärzte, Helfer und Betroffene zu erstellen. Seit fast 20<br />

Jahren besteht der <strong>HIV</strong>-<strong>Leitfaden</strong> im Internet, seit 2004 werden die Inhalte von den<br />

Autoren selbst per Content-Management-System (www.CMSconnect.de) gepflegt und<br />

dabei von Iconmed bzw. Michael Hägele und Christian Leopold unterstützt. Einmal pro<br />

Jahr findet eine Redaktionssitzung statt, in der nochmals alle Beiträge auf Vollständigkeit<br />

und Aktualität überprüft und ggf. ausgetauscht werden.<br />

Anregungen und Verbesserungen von Ihrer Seite sind deswegen herzlich willkommen.<br />

Jeder Benutzer kann zudem seine Ergänzungen per E-Mail an die Herausgeber schicken<br />

(Dr. Martin Hartmann: Martin_Hartmann@krzmail.krz.uni-heidelberg.de).<br />

Erstmalig wird 2010 eine kitteltaschengerechte hard-copy des <strong>Leitfaden</strong>s hergestellt, um<br />

im täglichen Alltag auch off-line alle <strong>HIV</strong>-relevanten Informationen bei sich zu haben.<br />

Insofern stellt der <strong>Leitfaden</strong> die ideale Ergänzung zum <strong>HIV</strong>-Buch (ehemals hiv.net) dar.<br />

Dank gilt allen, die an der Entstehung dieses Kompendiums mitgearbeitet haben.<br />

Ein besonderer Dank gilt der Firma Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co KG, die<br />

die Onlineversion unterstützt und die Printversion erst möglich macht.<br />

Martin Hartmann<br />

Sprecher des Redaktionskomitees<br />

5


6<br />

Autorenverzeichnis (alphabetisch)<br />

● Dr. med. Jörg Bechtold<br />

Facharzt für Innere Medizin, Ernährungsmediziner DAEM/DGEM<br />

Nowackanlage 15-17<br />

76137 Karlsruhe<br />

● Dr. med. Heiko Billing<br />

Universitätsklinikum Kinderklinik<br />

Im Neuenheimer Feld 430<br />

69120 Heidelbergl<br />

● Dr. phil. nat. Jürgen Brust<br />

Mannheimer Onkologie Praxis<br />

Q5, 14-22<br />

68161 Mannheim<br />

● Dr. med. Bernd Buchholz<br />

<strong>HIV</strong>-Ambulanz der Universitätskinderklinik am Klinikum Mannheim<br />

Theodor-Kutzer-Ufer<br />

68167 Mannheim<br />

● Dr. med. dent. Gernot Eigel<br />

Neuer Markt 9<br />

76275 Ettlingen<br />

● Dr. med. Stefan Esser<br />

Universitätsklinikum Essen<br />

Klinik für Dermatologie und Venerologie<br />

Hufelandstr. 55<br />

45122 Essen<br />

● Dr. Joachim Goldbach<br />

Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG<br />

Abteilung Medizinische Wissenschaft<br />

55216 Ingelheim am Rhein<br />

● Dr. med. Jörg Gölz<br />

Praxiszentrum Kaiserdamm<br />

Kaiserdamm 24<br />

14057 Berlin<br />

● PD Dr. med. Martin Hartmann<br />

Universitätsklinikum Hautklinik<br />

Voßstr. 2<br />

69115 Heidelberg<br />

● Prof. Dr. med. Manfred Hensel<br />

Mannheimer Onkologie Praxis<br />

Q5, 14-22<br />

68161 Mannheim<br />

● Prof. Dr. med. Hartwig Klinker<br />

Universitätsklinikum, Medizinische Klinik und Poliklinik II<br />

Schwerpunkt Infektiologie und Hepatologie<br />

Oberdürrbacherstr. 6<br />

97080 Würzburg


● Dr. med. Heribert Knechten<br />

Blondelst. 9<br />

52064 Aachen<br />

● Petra Losse-Brust<br />

H1, 6-7<br />

68159 Mannheim<br />

● Dr. med. Franz Mosthaf<br />

Gemeinschaftspraxis für Hämatologie, Onkologie und Infektiologie<br />

Kriegsstr. 236<br />

76135 Karlsruhe<br />

● Hannelore Mosthaf<br />

Fachapothekerin für Offizinpharmazie<br />

Schillerstr. 53<br />

76135 Karlsruhe<br />

● Markus Müller<br />

Schwabstr. 26<br />

70197 Stuttgart<br />

● Dr. med. Wilfried Pfitzer<br />

Facharzt für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde<br />

Georg-Friedrich-Str. 24<br />

67131 Karlsruhe<br />

● Dr. med. Maria Procaccianti<br />

Gemeinschaftspraxis für Hämatologie, Onkologie und Infektiologie<br />

Kriegsstr. 236<br />

76135 Karlsruhe<br />

● Dr. med. Katja Römer<br />

Gemeinschaftspraxis Gotenring<br />

Gotenring 27<br />

50679 Köln<br />

● Prof. Dr. P. Schnitzler<br />

Universitätsklinikum<br />

Inst. für Virologie<br />

INF 324<br />

69120 Heidelberg<br />

● Dr. med. Dieter Schuster<br />

Mannheimer Onkologie Praxis<br />

Q5, 14-22<br />

68161 Mannheim<br />

● Dr. med. Susanne Usadel<br />

<strong>HIV</strong>-Schwerpunktpraxis<br />

Medizinische Klinik<br />

Hugstetter Str. 55<br />

79106 Freiburg<br />

● Prof. Dr. med. Brigitte Wildemann<br />

Neurologische Klinik<br />

INF 410<br />

69120 Heidelberg<br />

7


Grundlagen<br />

8<br />

Aktuelle Zahlen Epidemiologie<br />

Die aktuellsten Zahlen für Deutschland bekommen Sie beim<br />

● Robert-Koch-Institut<br />

(www.rki.de)<br />

Die aktuellsten internationalen Zahlen finden Sie bei<br />

● UNAIDS-<strong>HIV</strong> DATA<br />

(www.unaids.org/en/KnowledgeCentre/<strong>HIV</strong>Data/default.asp)<br />

● oder bei der WHO<br />

(www.who.int/hiv/en)<br />

Das Virus - Aufbau<br />

Das HI-Virus gehört zur Gruppe der Retroviren. Es trägt seine genetische Information auf<br />

der RNA und benötigt somit zur Vermehrung in der menschlichen Wirtszelle ein Enzym,<br />

die reverse Transkriptase (RT), das diese Information in proteincodierende DNA<br />

umschreibt.<br />

Den Großteil des Virusgenoms bilden drei Strukturgene: gag, pol und env. Diese werden<br />

ergänzt durch diverse Regulatorgene (tat, ref, nef, vif, vpu, vpr), die für die Kontrolle der<br />

Virusreplikation wichtig sind.<br />

Die terminalen Enden des Genoms bilden LTR-Sequenzen, die Start und Ende der<br />

Transkription steuern. Die viralen Gene codieren für die Virusproteine, Protease,<br />

Integrase, Reverse Transkriptase (pol), die Capsid-, Matrix- und Nukleocapsidproteine<br />

(gag), sowie die <strong>HIV</strong>-Hüllproteine gp120 (Glycoprotein) und gp41 (env). gp120 ermöglicht<br />

die Ankoppelung des Virus an die CD4-Moleküle der menschlichen Zielzellen.


Grundlagen<br />

Schematische Darstellung des <strong>HIV</strong>-Virus: Auf der linken Seite sind die am Aufbau<br />

des Viruspartikels beteiligten Moleküle und auf der rechten Seite die daraus<br />

resultierenden Viruskomponenten aufgeführt<br />

9


Grundlagen<br />

10<br />

Virusgenom


Das Virus - Vermehrung<br />

Replikationszyklus und Angriffspunkte der verfügbaren Medikamente<br />

Stufen der <strong>HIV</strong>-Replikation (Vermehrung) Wirkmechanismen der antiretroviralen<br />

Medikamente<br />

1 Zielzellen vom HI-Virus sind vornehmlich<br />

die CD4-Zellen. Die CD4-Zellen tragen auf<br />

ihrer Zelloberfläche ein Protein, das zum<br />

Hüllprotein des HI-Virus gp 120 paßt.<br />

Weitere Korezeptoren wie CXCR4, auch<br />

Fusin genannt, und CCR5 sind an der<br />

Einschleusung des Virus an die Zielzelle<br />

beteiligt.<br />

2 Das Virus "dockt" an und verliert seine<br />

Hülle. Die virale genetische Information<br />

wird mit Hilfe der Reversen-Transkriptase in<br />

DNA umgeschrieben und in das<br />

Wirtsgenom integriert. Für die Integration<br />

wird ein viruseigenes Protein, die Integrase<br />

verwendet.<br />

<strong>HIV</strong> ist ein Retrovirus, d. h., seine<br />

genetischen Informationen sind auf einer<br />

Einzelstrang-RNA statt auf einer<br />

Doppelstrang-DNA wie beim Menschen<br />

gespeichert. Das Virus muss seine<br />

genetische Information also umschreiben.<br />

Dafür bringt es ein Enzym (Werkzeug) mit,<br />

die Reverse-Transkriptase.<br />

Grundlagen<br />

Eintritts-/Entry-Inhibitoren<br />

Korezeptor-Antagonist: Korezeptor-Antagonisten<br />

verhindern die Interaktion zwischen den<br />

Oberflächenrezeptoren der Zelle und dem viralen<br />

Hüllprotein, indem sie die Rezeptorenstellen<br />

blockieren oder verändern. Das Virus kann so nicht<br />

in die Wirtszelle eindringen.<br />

Fusions-Inhibitoren: Fusions-Inhibitoren arbeiten<br />

ebenfalls außerhalb der Zelle. Sie hindern <strong>HIV</strong><br />

daran, in eine CD4-Zelle einzudringen, indem sie<br />

eine Verschmelzung der äußeren Membran des<br />

Virus mit der Zellmembran blockieren.<br />

Nukleosid-/Nukleotidanaloga (NRTI): Die erste<br />

effektive Klasse von antiretroviralen Medikamenten<br />

waren die Nukleosidanaloga. Beim Umschreiben<br />

der RNA in DNA werden sie als falsche Bausteine<br />

eingesetzt. Dies führt zum Abbruch der<br />

Erbinformationskette und damit wird wiederum die<br />

<strong>HIV</strong>-Replikation verhindert. Nukleotide arbeiten in<br />

einer ähnlichen Weise wie Nukleoside, besitzen<br />

aber eine unterschiedliche chemische Struktur.<br />

Nicht-nukleosidale Reverse-Transkriptase-<br />

Inhibitoren (NNRTI): Nicht-nukleosidale Reverse-<br />

Transkriptase-Inhibitoren binden an die Reverse-<br />

Transkriptase und hemmen das Enzym. So kann<br />

die Umschreibung von RNA in DNA nicht<br />

stattfinden. Ein wichtiges Werkzeug fehlt. Diese<br />

Medikamente werden nicht-nukleosidale Inhibitoren<br />

genannt, weil sie am gleichen Ort, aber in einer<br />

grundlegend anderen Art wirken als die<br />

sogenannten Nukleosidanaloga.<br />

11


Grundlagen<br />

12<br />

3 Die <strong>HIV</strong>-DNA dringt in den Nukleus<br />

(Zellkern) der CD4-Zelle ein. Die <strong>HIV</strong>-DNA<br />

leitet dann die Zelle an, viele Kopien des<br />

Virus zu machen.<br />

4 Der Zellstoffwechsel wird aktiviert und<br />

produziert Virusbestandteile. Am Ende der<br />

Virusreplikation steht die<br />

Zusammensetzung der neuen Viren aus<br />

den einzelnen viralen Proteinen. Das HI-<br />

Virus bringt wieder ein Enzym(Werkzeug)<br />

mit: die Protease. Mit Hilfe dieser Protease<br />

werden die Viruspartikel zusammengesetzt<br />

und als neue HI-Viren durch die<br />

Zellmembran geschleust.<br />

Integrase-Inhibitoren: Hier wird die vom Virus<br />

mitgebrachte Integrase, ein weiteres Enzym<br />

(Werkzeug), blockiert. Damit kann die <strong>HIV</strong>-DNA<br />

nicht in die DNA des Zellkerns integriert werden.<br />

Protease-Inhibitoren: Protease-Inhibitoren<br />

arbeiten am Ende des Replikationszyklus. Sie<br />

binden an die Protease und verhindern so, dass<br />

neue, infektiöse Viruspartikel zusammengesetzt<br />

werden und die CD4-Zelle verlassen können.


Das Virus - Zielzellen für <strong>HIV</strong><br />

Grundlagen<br />

sind die CD4-Rezeptor tragenden Zellen des Menschen: T-Zellen und Zellen des<br />

Monozyten-Makrophagen-Systems (Langerhans’sche-Zellen der Epidermis, follikuläre<br />

dendritische Zellen, antigenpräsentierende Zellen, Gehirnmikroglia, sowie CD4-Zellen des<br />

Darms).<br />

<strong>HIV</strong>-Zielzellen (Die Therapie der <strong>HIV</strong>-Infektion 1993. Hrsg. H.W. Busch / L. Gürtler)<br />

13


Grundlagen<br />

14<br />

Das Virus - Übertragung<br />

<strong>HIV</strong> ist außerhalb von Körperflüssigkeiten sehr instabil.<br />

<strong>HIV</strong> kann übertragen werden durch:<br />

● ungeschützten Geschlechtsverkehr<br />

● gemeinsamen Gebrauch von kontaminierten Nadeln und Spritzen<br />

● Nadelstichverletzungen, offene Hautwunden und Schleimhautkontakte (siehe<br />

Kapitel Postexpositionsprophylaxe)<br />

● Schwangerschaft, Geburt und Stillen<br />

● Gabe von Blut oder Blutprodukte<br />

● Transplantation infizierter Organe<br />

<strong>HIV</strong> wird nicht übertragen durch:<br />

● Toilettensitze, Schwimmbecken, Wasserhähne, Duschen<br />

● Berühren und Umarmen von <strong>HIV</strong>-Infizierten<br />

● Küssen<br />

● Geschirr, Bettwäsche oder sonstige von <strong>HIV</strong>-Infizierten benutzte Gegenstände<br />

● Nahrungsmittel, die von <strong>HIV</strong>-Infizierten zubereitet wurden<br />

● Tröpfcheninfektion<br />

● Mücken oder andere Insekten<br />

● nichtsexuellen Sozial- und Körperkontakt<br />

● Schmierinfektion (fäkal-oral)


Das Virus - <strong>HIV</strong>-Subtypen<br />

Aufgrund umfangreicher Sequenzanalysen von <strong>HIV</strong>-1 wurden die Subtypen A bis J (<strong>HIV</strong>-1<br />

Gruppe M) und das entfernt verwandte <strong>HIV</strong>-O (<strong>HIV</strong>-1 Gruppe O) nachgewiesen. Die<br />

Hauptsubtypen sind 1A, 1B, 1C und 1D. Die Subtypen 1E, 1G und 1H sind eng mit <strong>HIV</strong>-<br />

1A verwandt. Auch <strong>HIV</strong>-1A und 1C sowie 1B und 1D zeigen untereinander Homologien,<br />

so daß eine gemeinsame Abstammung des <strong>HIV</strong> angenommen wird. <strong>HIV</strong>-O ist<br />

heterogener in den einzelnen Virusisolaten als <strong>HIV</strong>-1. Eine Einteilung in Subtypen läßt<br />

sich nicht vornehmen.<br />

Die derzeitige Einteilung der Subtypen wird in naher Zukunft revidiert. <strong>HIV</strong>-2 kann in die<br />

Subtypen A bis E unterteilt werden. Es hat eine mildere Pathogenität als <strong>HIV</strong>-1 und hat<br />

sich deshalb langsamer verbreitet.<br />

Die genetische Variabilität führt zu Änderungen der externen Hüllproteine. Der Einfluß auf<br />

den Zelltropismus, sowie die Frage, in wie weit das mit unterschiedlichen<br />

Transmissionswahrscheinlichkeiten einher geht, ist nicht ausreichend geklärt. Auch<br />

hinsichtlich der Entwicklung von Vakzinen ist noch kein allen Subtypen gemeinsamer<br />

Angriffspunkt gefunden worden. Doppelinfektionen mit verschiedenen Subtypen (z.B. B<br />

und E) wurden beobachtet.<br />

Sämtliche <strong>HIV</strong>-1-, <strong>HIV</strong>-2- und <strong>HIV</strong>-0-Subtypen werden durch die gängigen Routine-<br />

Testmethoden erfaßt.<br />

Subtyp Ausbreitung<br />

<strong>HIV</strong>-1 (GruppeM)<br />

A<br />

B<br />

C<br />

D<br />

E<br />

F<br />

G<br />

H<br />

I<br />

<strong>HIV</strong>-1 (Gruppe O)<br />

Zentral- und Ost-Afrika,<br />

selten Nordamerika, Europa<br />

Zentral-Afrika, Nordamerika, Südamerika, hauptsächlich Europa, Indien, Indochina<br />

Zentral- und Süd-Afrika, Europa, Indien,<br />

Indochina<br />

Zentral-Afrika, Europa<br />

Zentral-, Ost- und Süd-Afrika, Europa,<br />

Indien, Indochina<br />

Zentral-Afrika, Südamerika, Europa<br />

Zentral- und West-Afrika, Europa<br />

Zentral-Afrika, Europa<br />

Nahost<br />

Grundlagen<br />

15


Grundlagen<br />

16<br />

O<br />

<strong>HIV</strong>-2<br />

A<br />

B<br />

C, D, E<br />

West-Afrika (Kamerun)<br />

vereinzelt Europa, USA<br />

Weltweit<br />

West-Afrika, Europa, Indien<br />

West-Afrika<br />

Subtyp Ausbreitung


Klinischer Verlauf<br />

(ohne medikamentöse Therapie)<br />

Grundlagen<br />

Beispielhafter Verlauf häufig auftretender Erkrankungen in Abhängigkeit vom<br />

Immunstatus. Komplette klinische Krankheitsbilder siehe Kapitel CDC Klassifikation<br />

17


Grundlagen<br />

18<br />

Laborverlauf<br />

(ohne medikamentöse Therapie)<br />

Mögliche Laborverlaufskurve der <strong>HIV</strong>-Infektion. Eine kontinuierliche <strong>HIV</strong>-Replikation<br />

findet in allen Phasen der Infektion statt.


Die Laborkategorien 1 bis 3:<br />

1: ab 500/µl CD4-Lymphozyten<br />

2: 200-499/µl CD4-Lymphozyten<br />

3: < 200/µl CD4-Lymphozyten<br />

CDC-Klassifikation (1993)<br />

Die klinischen Kategorien A bis C:<br />

Kategorie A<br />

● Asymptomatische <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

● persistierende generalisierte Lymphadenopathie (LAS)<br />

● akute, symptomatische (primäre) <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

(auch in der Anamnese)<br />

Kategorie B<br />

● Krankheitssymptome oder Erkrankungen, die nicht in die AIDS-definierende<br />

Kategorie C fallen, dennoch aber der <strong>HIV</strong>-Infektion ursächlich zuzuordnen sind<br />

oder auf eine Störung der zellulären Immunabwehr hinweisen<br />

● Bazilläre Angiomatose<br />

● Oropharyngeale Candida-Infektion<br />

● Vulvovaginale Candida-Infektionen, die entweder chronisch (länger als ein<br />

Monat) oder nur schlecht therapierbar sind<br />

● Zervikale Dysplasien oder Carcinoma in situ<br />

● Konstitutionelle Symptome wie Fieber über 38,5ø C oder länger als vier<br />

Wochen bestehende Diarrhöe<br />

● Orale Haarleukoplakie<br />

● Herpes Zoster bei Befall mehrerer Dermatome oder nach Rezidiven in einem<br />

Dermatom<br />

● Idiopathische Thrombozytopenische Purpura<br />

● Listeriose<br />

● Entzündungen des kleinen Beckens, besonders bei Komplikationen eines<br />

Tuben- oder Ovarialabszesses<br />

● Periphere Neuropathie<br />

Kategorie C (AIDS-definierende Erkrankungen)<br />

● Pneumocystis jirovecii-Pneumonie<br />

● Toxoplasma-Enzephalitis<br />

Grundlagen<br />

● Ösophageale Candida-Infektion oder Befall von Bronchien, Trachea oder Lunge<br />

● Chronische Herpes simplex-Ulcera oder Herpes-Bronchitis,<br />

-Pneumonie oder -Ösophagitis<br />

● CMV-Retinitis<br />

19


Grundlagen<br />

20<br />

● generalisierte CMV-Infektion (nicht von Leber oder Milz)<br />

● Rezidivierende Salmonellen-Septikämien<br />

● Rezidivierende Pneumonien innerhalb eines Jahres<br />

● Extrapulmonale Kryptokokken-Infektionen<br />

● Chronische intestinale Kryptosporidien-Infektion<br />

● Chronische intestinale Infektion mit Isospora belli<br />

● Disseminierte oder extrapulmonale Histoplasmose<br />

● Tuberkulose<br />

● Infektionen mit Mykobakterium avium complex oder M. kansasii, disseminiert<br />

oder extrapulmonal<br />

● Kaposi-Sarkom<br />

● Maligne Lymphome (Burkitt´s, immunoblastisches oder primär zerebrales<br />

Lymphom)<br />

● Invasives Zervix-Karzinom<br />

● <strong>HIV</strong>-Enzephalopathie<br />

● Progressiv multifokale Leukenzephalopathie<br />

● Wasting-Syndrom<br />

Laborkategorie<br />

(CD4-Lymphozyten)<br />

Klinische Kategorie:<br />

A B C<br />

1: (ab 500/µl) Stadium I Stadium I Stadium III<br />

2: (200 - 499/µl) Stadium I Stadium II Stadium III<br />

3: (< 200/µl) Stadium II Stadium II Stadium III<br />

Anmerkung:<br />

Aus sozial- bzw. versicherungsrechtlichen Gründen gilt in den USA jede Helferzellzahl<br />

unter 200/µl unabhängig von der klinischen Kategorie C als AIDS-definierend.


Laboruntersuchungen<br />

Jürgen Brust, Dieter Schuster<br />

Das Monitoring einer <strong>HIV</strong> Erkrankung erfordert die routinemäßige Kontrolle zahlreicher<br />

Laborparameter.<br />

Bei dem individuell unterschiedlichen Verlauf der Erkrankung kann es keine absolut<br />

gültigen Schemata geben, die jede Situation vollständig erfassen.<br />

Selbstverständlich können je nach klinischer Situation Untersuchungen weggelassen oder<br />

um eine entsprechende, weiterführende Diagnostik erweitert werden.<br />

Erstuntersuchung<br />

Bei der Erstuntersuchung müssen der Immunstatus und die Dynamik der <strong>HIV</strong> Infektion<br />

erfasst werden, sowie die Ausgangslage in Bezug auf bereits vorbestehende Resistenzen<br />

und Wirtsfaktoren (z.B. HLA B57). Dazu kommen weitere Untersuchungen zur Diagnostik<br />

von Begleiterkrankungen, weiteren Virusinfektion, sexuell übertragbaren Krankheiten (z.B.<br />

Syphilis), Prognoseparameter und Mangelzuständen.<br />

Tabelle Erstuntersuchung<br />

Parameter:<br />

Blutsenkung / CRP X<br />

Differentialblutbild X<br />

Urinstatus X<br />

alkalische Phosphatase, GPT, GOT, Gamma-GT X<br />

Laktatdehydrogenase, Elektrolyte, Lipide, Glukose, HbA1c X<br />

Kreatinin X<br />

Harnsäure, Harnstoff (X)<br />

Cholinesterase (X)<br />

Amylase (X)<br />

Lipase X<br />

Eiweißelektrophorese, IgG, IgA, IgM X<br />

Ferritin, Eisen, Zink (X)<br />

Vitamin B12, Folsäure (X)<br />

Diagnostik<br />

21


Diagnostik<br />

22<br />

Lymphozytensubpopulation X<br />

<strong>HIV</strong>-RNA quantitativ X<br />

<strong>HIV</strong>-Westernblot X<br />

AK-Hepatitis A, B, C<br />

ggf. HCV-RNA, HBV-DNA<br />

Syphilis-Serologie X<br />

Cytomegalie-, Epstein-Barr-, Herpes-simplex-Virus<br />

ggf. CMV-Antigen<br />

Varicella-Zoster-Virus X<br />

Toxoplasma IgG/IgM X<br />

HLA B57 X<br />

Resistenzbestimmung siehe Kapitel Resistenz und Tropismus<br />

( ) fakultativ<br />

Verlaufskontrolle und Untersuchungsfrequenz:<br />

Bei asymptomatischen Patienten ohne ART sollten der Immunstatus und die Viruslast in<br />

der Regel quartalsweise kontrolliert werden.<br />

Die übrigen Laborkontrollen richten sich nach klinischem Befinden, Begleiterkrankungen<br />

und den Ergebnissen der letzten Kontrolle.<br />

Entscheidend für die Häufigkeit und den Umfang der Kontrollen sind jedoch der Verlauf<br />

der Erkrankung und die Art und die Dauer der antiretroviralen Therapie.<br />

Ebenso können unter antiretroviraler Therapie Kontrollen des Routinelabors auf Grund<br />

der medikamentösen Nebenwirkungen und Toxizitäten häufiger indiziert sein.<br />

X<br />

X


Viruslastbestimmung<br />

Paul Schnitzler<br />

Bestimmung der Virusbelastung <strong>HIV</strong>-1-infizierter Patienten<br />

Seit bekannt ist, daß während der langen asymptomatischen Phase <strong>HIV</strong>-1-infizierter<br />

Patienten eine ständige, dynamische Virus-Replikation stattfindet, gilt die Anzahl der <strong>HIV</strong>-<br />

1-RNA-Kopien im Plasma der Patienten (Virusbelastung, "Viral load") als ein<br />

prognostischer Marker der <strong>HIV</strong>-1-Krankheit. In klinischen Studien konnte nachgewiesen<br />

werden, daß eine hohe Virusbelastung (> 100.000 <strong>HIV</strong>-1-RNA-Kopien/ml) sowie eine<br />

niedrige CD4-T-Zellzahl mit einer schnelleren Krankheitsprogression assoziiert ist. Daher<br />

kann die Virusbelastung <strong>HIV</strong>-1-infizierter Patienten zusammen mit der CD4- und CD8-T-<br />

Zellzahl, dem <strong>HIV</strong>-1-p24-Antigen-Gehalt und dem klinischen Krankheitsbild zur Bewertung<br />

der Krankheitsprogression oder einer antiretroviralen Chemotherapie eingesetzt werden.<br />

Von einem Therapieansprechen kann ausgegangen werden, wenn die Virusbelastung 8-<br />

12 Wochen nach Therapiestart um ein 5 bis 10-faches (0.7-1 log-Stufe) gesunken ist. Ziel<br />

der antiretroviralen Therapie ist die vollständige Senkung der Virusbelastung und die<br />

Wiederherstellung eines intakten Immunstatus der Patienten (Ansteigen der CD4-T-<br />

Zellzahl). Zum Nachweis der <strong>HIV</strong>-1-RNA-Kopien-Anzahl im Plasma <strong>HIV</strong>-1-infizierter<br />

Patienten sind verschiedene Methoden, die auf dem Prinzip der Nukleinsäure-<br />

Amplifikation (1., 2.) oder Signal-Amplifikation (3.) beruhen, anwendbar und als<br />

kommerzielle Testsysteme erhältlich (siehe auch Tabelle 1):<br />

1. Quantitative kompetitive Reverse-Transkriptase Polymerase-Kettenreaktion<br />

(<strong>HIV</strong>-1-MonitorTM; Hoffmann La Roche, Grenzach Whylen)<br />

2. Isotherme quantitative RNA-Amplifikation (NucliSense NASBA®-Methode,<br />

Organon Teknika Rockville,USA)<br />

3. "Branched"-DNA-Methode (QUANTIPLEX® <strong>HIV</strong>-1-RNA-Assay, Chiron).<br />

Diese Methoden erlauben eine direkte Bestimmung der <strong>HIV</strong>-1-RNA-Kopienzahl im<br />

Plasma der Patienten und besitzen den Vorteil, daß ein Virusnachweis noch vor<br />

Serokonversion (<strong>HIV</strong>-1 Antikörperbildung) des Patienten möglich ist. Mit Hilfe dieser<br />

Testsysteme wird eine Nachweisgrenze von 20-500 <strong>HIV</strong>-1-RNA-Kopien/ml Plasma<br />

erreicht (siehe Tabelle 1). Ein Bestreben ist es, Testverfahren zu entwickeln, mit deren<br />

Hilfe noch weniger <strong>HIV</strong>-1-RNA-Kopien im Blut der Patienten nachweisbar sind. Die<br />

Bestimmung der Virusbelastung wird bei unbehandelten <strong>HIV</strong>-1-Patienten alle 6-12<br />

Monate, bei antiretroviral behandelten <strong>HIV</strong>-1-Patienten alle 3-6 Monate empfohlen. Das<br />

Ergebnis sollte möglichst durch eine zweite Bestimmung bestätigt werden, um eventuelle<br />

technische Variationen zu vermeiden.<br />

Zusammenfassung:<br />

Diagnostik<br />

● Die Virusbelastung im Plasma <strong>HIV</strong>-1-infizierter Patienten kann als zuverlässiger<br />

Marker zur Bewertung der Krankheitsprogression und antiretroviralen Therapie<br />

eingesetzt werden. Die Bewertung sollte jedoch stets in Zusammenhang mit der<br />

CD4-T-Lymphozytenzahl und klinischen Symptomen der Patienten erfolgen.<br />

● Ein Unterdrücken der Virusbelastung unter die Nachweisgrenze zeigt einen<br />

Therapie-Erfolg an, gibt jedoch nicht an, ob das Virus vollkommen aus dem<br />

23


Diagnostik<br />

24<br />

Körper entfernt wurde.<br />

● In klinischen Patienten-Studien konnte nachgewiesen werden: je niedriger die<br />

Virusbelastung der <strong>HIV</strong>-1-Patienten zu Beginn einer Therapie ist, desto länger<br />

ist die Zeitspanne des Therapieansprechens.<br />

● Wird die Virusbelastung nicht unter die Nachweisgrenze gedrückt, können sich<br />

resistente Virusmutanten bevorzugt bilden.


Vergleich der Reduktion in log-Stufen im Vergleich zur prozentualen Reduktion vom<br />

Ausgangswert<br />

Tabelle 1: Testsysteme zum Nachweis von <strong>HIV</strong>-1-RNA-Kopien im Plasma <strong>HIV</strong>-infizierter<br />

Patienten<br />

Diagnostik<br />

25


Diagnostik<br />

26<br />

QC-PR Ultra-Sensitiv NASBA bDNA<br />

RNA-Quelle Plasma aus EDTA-Blut Plasma Plasma aus EDTA-Blut<br />

Probenvolumen 200 µl 500 µl 100-2000 µl 1000 µl a<br />

Sensitivität 200 <strong>HIV</strong>-1-<br />

RNA-Kopien/ml<br />

Linearer<br />

Meßbereich<br />

200 - 7.5 x 10 5<br />

<strong>HIV</strong>-1-RNA-<br />

Kopien/ml<br />

50 <strong>HIV</strong>-1-<br />

RNA-Kopien/ml<br />

20 - 3 x 10 4<br />

<strong>HIV</strong>-1-RNA-<br />

Kopien/ml<br />

40 <strong>HIV</strong>-1-<br />

RNA-Kopien/mlb<br />

40 - 1 x 10 7<br />

<strong>HIV</strong>-1-RNA-<br />

Kopien/ml b<br />

50 <strong>HIV</strong>-1-<br />

RNA-Kopien/ml<br />

50 - 5-8 x 10 5<br />

<strong>HIV</strong>-1-RNA-<br />

Kopien/ml<br />

a im Doppelansatz<br />

b bei einem Probenvolumen von 2000 µl, bei kleineren Probenvolumen vermindert sich<br />

die Sensitivität<br />

Bestimmung des Geno- und Phänotyps der HI-Virusisolate <strong>HIV</strong>-1-infizierter<br />

Patienten<br />

Eine hohe Virusbelastung und damit fortschreitende Virusreplikation unter antiretroviraler<br />

Therapie stellt einen kritischen Faktor dar, da die Entwicklung resistenter Virusmutanten<br />

gefördert wird. Durch die Bestimmung der Virusbelastung können resistente<br />

Virusmutanten sowie Zell-Tropismus oder Zytopathogenität des Virus jedoch nicht<br />

nachgewiesen werden.<br />

Die Langzeitbehandlung von <strong>HIV</strong>-1-Patienten mit antiretroviral wirksamen<br />

Chemotherapeutika kann zur Bildung von Punktmutationen im viralen Reverse-<br />

Transkriptase- oder Protease-Gen und zu Aminosäuresubstitutionen in den Proteinen<br />

führen. Dadurch kann sich die Empfindlichkeit gegenüber den Substanzen vermindern<br />

und die therapeutische Wirksamkeit der Medikamente versagt. Diese genotypischen<br />

Muster der HI-Virusisolate, die zur Resistenzbildung beitragen, können durch<br />

Sequenzierung des Reverse Transkriptase- oder Protease-Gens der <strong>HIV</strong>-1-RNA-<br />

Patienten-Isolate erkannt werden.<br />

Eine phänotypische Resistenzbestimmung ist notwendig, um die Beziehung zwischen<br />

dem Genotyp des <strong>HIV</strong>-1-Patienten-Isolates und des daraus resultierenden Phänotyps des<br />

Virus herzustellen. Die phänotypische Resistenzbestimmung kann mit Hilfe eines in<br />

vitroAssays (Protease-RT-AntivirogrammTM; VIRCO, Antwerpen, Belgien) nachgewiesen<br />

werden. Dazu wird ein genetisches Konstrukt des HI-Virus Typ-1, dem die Reverse-<br />

Transkriptase- und Protease-kodierende Sequenz fehlt, angewendet. Der fehlende<br />

Bereich wird aus den im Blut der Patienten zirkulierenden <strong>HIV</strong>-1-Virus-Populationen<br />

isoliert, amplifiziert und in das Konstrukt eingesetzt. Auf einer Trägerzellinie kann in vitro<br />

die Empfindlichkeit des Virus-Konstruktes gegenüber allen zur Zeit klinisch anwendbaren<br />

Reverse-Transkriptase- sowie Protease-Inhibitoren untersucht werden.


Überblick:<br />

Beachte:<br />

Vom Symptom zur Diagnose<br />

● Fieber und/oder Gewichtsverlust<br />

● Pulmonaler Symptomenkomplex<br />

Hartwig Klinker<br />

● Gastrointestinaler Symptomenkomplex<br />

● Neurologisch- psychiatrischer Symptomenkomplex<br />

● Ophtalmologischer Symptomenkomplex<br />

Vom Symptom zur Diagnose<br />

● Im Kapitel "Fieber und/oder Gewichtsverlust" ist die Differenzialdiagnose der<br />

Diagnostik und der Fragestellung zeilenweise direkt geordnet, in den übrigen<br />

Kapiteln sind die Differenzialdiagnosen zusammengefasst<br />

● Die Differentialdiagnose <strong>HIV</strong>-assoziierter Erkrankungen hängt entscheidend<br />

vom aktuellen Immunstatus ab - je niedriger die T4-Zellen, desto umfangreicher<br />

die Differentialdiagnose.<br />

● Viele Patienten mit <strong>HIV</strong>-Infektion erhalten eine Multimedikation; Medikamenten-<br />

Nebenwirkungen können opportunistische Infektionen imitieren und sind<br />

deshalb immer in differenzialdiagnostische Überlegungen einzubeziehen<br />

● Es können durchaus mehrere opportunistische Infektionen gleichzeitig<br />

vorliegen<br />

● Da insbesondere bei fortgeschrittenem Immundefekt opportunistische<br />

Infektionen rasch entstehen können, ist ggf. auch eine kurzfristige<br />

Wiederholung einzelner diagnostischer Maßnahmen sinnvoll.<br />

● Die genannten Differentialdiagnosen ergeben sich in der Regel nicht zwingend<br />

aus einzelnen Untersuchungen.<br />

● Die Reihenfolge der Diagnostik kann durchaus dem Krankheitsbild<br />

entsprechend anders erfolgen, einzelne Untersuchungen können auch<br />

entbehrlich sein.<br />

● Ein Symptom allein kann das gesamte Diagnostikspektrum erforderlich<br />

machen.<br />

● "Blockanalyse" = Elektrolyte, Nierenretentionswerte, Gesamteiweiß, Albumin,<br />

Bilirubin, Transaminasen, GGT, alk. Phosphatase, LDH, CK, Amylase, Lipase.<br />

27


Vom Symptom zur Diagnose<br />

28<br />

Fieber und/oder Gewichtsverlust<br />

Hartwig Klinker<br />

Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose<br />

a) mit<br />

Organsymptomatik<br />

→ siehe dort<br />

b) ohne<br />

Organsymptomatik<br />

CD4-Zellen ><br />

500/µl<br />

(CDC 1)<br />

CD4-Zellen<br />

200 - 500/µl<br />

(CDC 2)<br />

CD4-Zellen<br />


HHV 8-PCR Kaposi-Sarkom-<br />

Risiko? Lymphom-<br />

Risiko?<br />

→ Kaposi-Sarkom,<br />

Lymphom<br />

Kryptokokken-Ag positiv? → Kryptokokkose<br />

Serielle Blutkulturen<br />

EDTA-Blut<br />

Stuhlmikroskopie<br />

Stuhlkulturen<br />

CMV-Ak, pp 65-Ag,<br />

CMV-DNA,<br />

Augenhintergrund<br />

Bakteriennachweis? → Bakteriämie, z.B.<br />

auch atyp.<br />

Mykobakterien,<br />

Erregernachweis?<br />

(Wurmeier,<br />

Lamblien, Krypto-/<br />

Mikrosporidien,<br />

Salmonellen,<br />

Campylobacter,<br />

Shigellen)<br />

CMV-Risiko?<br />

Infiltrate?<br />

→ bakt.<br />

Darminfektion<br />

→ Lambliasis<br />

→ Wurmerkrankung<br />

→ Krypto-,<br />

Mikrosporidiose<br />

→ CMV-Infektion<br />

cranielles CT/MR Fokalläsionen? → Toxoplasmose<br />

→ Lymphom<br />

→ progr. multifok.<br />

Leukenzephalopathie<br />

Bronchoskopie<br />

mit BAL/TBB<br />

Gastroskopie<br />

mit Magennüchternsaft,<br />

Duodenalsaft,PE<br />

Duodenum<br />

→ Pathologie<br />

→ Mikrobiologie<br />

Coloskopie mit PE<br />

→ Pathologie<br />

→ Mikrobiologie<br />

Knochenmarkspunktion<br />

→ Pathologie<br />

→ Mikrobiologie<br />

diffuse<br />

Veränderungen?<br />

Erregernachweis?<br />

Histologie? (Gram-,<br />

Grocott-, Auramin-<br />

Färbung)<br />

Erregernachweis?<br />

(Mykobakterien,<br />

Lamblien,<br />

Kryptosporidien)<br />

Histologie?<br />

(CMV,<br />

Mykobakterien)<br />

Erregernachweis?<br />

Histologie?<br />

Erregernachweis?<br />

Histologie?<br />

Vom Symptom zur Diagnose<br />

→ <strong>HIV</strong>-Enzephalo-<br />

pathie<br />

→ Bakterien /<br />

Pilzinfektion<br />

→ PcP<br />

→ CMV-Pneumonie<br />

→ Mykobakteriose<br />

→ Tuberkulose/<br />

atyp. Mykobakt.<br />

→ Lambliasis<br />

→ Kryptosporidiose<br />

→ CMV-Infektion<br />

→ Kaposi-Sarkom<br />

→ CMV-Colitis<br />

→ atypische<br />

Mykobakteriose<br />

→ Kaposi-Sarkom<br />

→ <strong>HIV</strong>-Myelopathie<br />

→ Lymphominfiltration<br />

→ atypische<br />

Mykobakteriose<br />

Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose<br />

29


Vom Symptom zur Diagnose<br />

30<br />

Pulmonaler Symptomenkomplex<br />

Hartwig Klinker<br />

Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose<br />

Husten<br />

(produktiv?<br />

trocken?)<br />

CD4-Zellen ><br />

500/µl (CDC<br />

1)<br />

CD4-Zellen<br />

200 - 500/µl<br />

(CDC 2)<br />

wie bei nicht-<strong>HIV</strong>-<br />

Infizierten<br />

Klinische<br />

Untersuchung<br />

Fieber Labor mit<br />

"Blockanalyse", BB,<br />

Quick, CRP, CD4-<br />

Zellen<br />

Husten<br />

(produktiv?/<br />

trocken?)<br />

Fieber<br />

Dyspnoe<br />

CD4-Zellen<br />

< 200/µl<br />

(CDC C3)<br />

Sputumuntersuchung<br />

Blutkulturen<br />

Mendel-Mantoux-<br />

Test (GT 10), γ-<br />

Interferon-Test<br />

Inspirationstiefe?<br />

Klinisch Erguss?<br />

Infiltrat? Pleurareiben?<br />

Entzündungsreaktion? →Bakterielle<br />

Pneumonie<br />

(Hämophilus<br />

influencae,<br />

Erregernachweis?<br />

Erregernachweis?<br />

positiv?<br />

Röntgen Thorax Infiltrate? Erguss?<br />

Röntgen<br />

Nasennebenhöhlen<br />

wie CDC 2,<br />

zusätzlich<br />

Verschattung?<br />

Blutgasanalyse respiratorische Partial-/<br />

Globalinsuffizienz?<br />

HHV 8-PCR Kaposi-Sarkom-<br />

Risiko?<br />

Lymphom-Risiko?<br />

Kryptokokken-Ag positiv?<br />

Toxoplasma-Ak Toxoplasma-Risiko?<br />

CMV-Ak, pp 65 Ag,<br />

CMV-DNA<br />

Bronchoskopie<br />

mit BAL/TBB<br />

CMV-Risiko?<br />

Erregernachweis?<br />

Histologie? (Gram-,<br />

Grocott-, Auramin -<br />

Färbung)<br />

CT-Thorax Lymphome? Infiltrate?<br />

Einschmelzungen?<br />

Pneumokokken,<br />

Staphylokokken)<br />

→Virusinfekt<br />

→Tuberkulose<br />

→Sinusitis<br />

wie CDC 2, zusätzlich<br />

→P C P<br />

→CMV-Pneumonie<br />

→Aspergillose<br />

→Kaposi-Sarkom<br />

→diss. Toxoplasmose<br />

→atyp.<br />

Mykobakteriose<br />

→Kryptokokkose<br />

→malignes Lymphom


Gastrointestinaler Symptomenkomplex<br />

Hartwig Klinker<br />

Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose<br />

Inappetenz<br />

Brechreiz<br />

Abdominale<br />

Schmerzen<br />

Diarrhoe<br />

Inappetenz<br />

CD4-Zellen ><br />

500/µl (CDC<br />

1)<br />

CD4-Zellen<br />

200 - 500/µl<br />

(CDC C2)<br />

CD4-Zellen <<br />

200/µl<br />

(CDC 3)<br />

wie bei nicht-<strong>HIV</strong>-<br />

Infizierten<br />

Medikamentenanamnese<br />

Auslandsaufenthalt<br />

Klinische Untersuchung Ernährungszustand?<br />

Lipodystrophie?<br />

Abwehrspannung?<br />

path. Resistenzen?<br />

Hepato-<br />

Splenomegalie?<br />

Ascites? rektaler<br />

Befund?<br />

Labor mit<br />

"Blockanalyse", Diff-BB,<br />

Quick, CD4-Zellen, HI-<br />

Viruslast, CRP<br />

Haemoccult Positiv?<br />

Progression der <strong>HIV</strong>-<br />

Infektion?<br />

Stuhlkulturen Pathogene<br />

Darmbakterien?<br />

(Salmonellen,<br />

Campylobacter,<br />

Shigella)<br />

Noro-/Rotaviren?<br />

Clostridium difficile-<br />

Toxin?<br />

Sonographie, ggf. CT Lymphome?<br />

Hepatosplenomegalie?<br />

Cholelithiasis?<br />

Gastroskopie Refluxösophagitis?<br />

Ulcus? Helicobacter<br />

pylori?<br />

→Medikamentöse<br />

Ursachen<br />

→Tropeninfektion<br />

→Infektiöse Enteritis<br />

→malignes Lymphom<br />

→Refluxösophagitis<br />

→Gastritis Ulcus<br />

→Cholelithiasis<br />

→Virushepatitis<br />

→Pseudomembranöse<br />

Colitis nach Antibiose<br />

→Chronisch<br />

entzündliche<br />

Darmerkrankung<br />

→Pankreatitis<br />

→Ileus<br />

→Adnexitis<br />

→Lactoseintoleranz<br />

→bakterielle<br />

Fehlbesiedlung<br />

→chologene Diarrhoe<br />

→Malignom<br />

wie CDC 2, zusätzlich wie CDC 2, zusätzlich<br />

serielle Stuhlkulturen Wurmeier? path.<br />

Darmbakterien?<br />

Kryptosporidien?<br />

Lamblien?<br />

Mikrosporidien?<br />

Clostridium difficile -<br />

Toxin?<br />

Blutkulturen Erregernachweis?<br />

HHV 8-PCR Kaposi-Sarkom-<br />

Risiko? Lymphom-<br />

Risiko?<br />

Vom Symptom zur Diagnose<br />

→Soorösophagitis<br />

→virales Ulcus (CMV,<br />

Herpes)<br />

→atyp. Mykobakteriose<br />

→Kaposi-Sarkom<br />

→malignes Lymphom<br />

→Krypto-/<br />

Mikrosporidose<br />

31


Vom Symptom zur Diagnose<br />

32<br />

Brechreiz<br />

Abdominale<br />

Schmerzen<br />

Diarrhoe<br />

Fieber<br />

Ikterus<br />

Cholestase<br />

Hepatitis<br />

CD4-Zellen<br />

unabhängig<br />

Gastroskopie mit Magen-<br />

nüchternsaft,<br />

Duodenalsaft, PE<br />

Duodenum<br />

→Pathologie<br />

→Mikrobiologie<br />

Coloskopie mit PE<br />

→Pathologie<br />

→Mikrobiologie<br />

Neurologische<br />

Untersuchung<br />

Mykobakt.<br />

tuberkulosis?<br />

Kryptosporidien?<br />

Lamblien? CMV-<br />

Infektion? Herpes-<br />

Ulcus?<br />

Kaposi-Sarkom?<br />

CMV-Infektion?<br />

atypische<br />

Mykobakterien?<br />

Kaposi-Sarkom?<br />

Cerebrale<br />

Erkrankung? (mit<br />

Hirndruck?)<br />

Rö.-Abdomen Übersicht Spiegel, freie Luft?<br />

Röntgen-Dünndarm<br />

nach Sellink<br />

(Enteroklysma)<br />

Gynäkologische<br />

Untersuchung<br />

Passagehindernis?<br />

Adnexitis?<br />

Sonographie, CT Lebergröße, -struktur?<br />

Erweiterte<br />

Gallenwege?<br />

Raumforderung?<br />

Hepatitis-Serologie<br />

Lues-Serologie<br />

chron. Virushepatitis B/<br />

C/D?<br />

Floride Lues?<br />

MRCP/ERCP Abflussbehinderung?<br />

Entzündliche<br />

Veränderungen?<br />

Leberblindpunktion opportunistische<br />

Infektion? (CMV,<br />

Mykobakterien)<br />

tox. Veränderungen?<br />

Virushepatitis?<br />

→Intra-/<br />

extrahepatische<br />

Raumforderung (z.B.<br />

Lymphom)<br />

→Cholangitis (CMV,<br />

Kryptosporidien)<br />

→Hepatitis (viral,<br />

toxisch, mykobakteriell)<br />

→Medikamentöse<br />

Hyperbilirubinämie<br />

(Indinavir/Atazanavir)<br />

→Hämolyse<br />

→Lues II<br />

Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose


Neurologisch- psychiatrischer Symptomenkomplex<br />

Hartwig Klinker<br />

Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose<br />

Kopfschmerzen<br />

Fieber<br />

Parästhesien<br />

Fieber<br />

Kopfschmerzen<br />

Hirnorganisches<br />

Psychosyndrom<br />

Krampfanfälle<br />

Paresen<br />

Meningismus<br />

CD4 > 500/µl<br />

(CDC 1)<br />

CD4 200 -<br />

500/µl<br />

(CDC 2)<br />

CD4 < 200/µl<br />

(CDC 3)<br />

wie bei nicht-<strong>HIV</strong>-<br />

Infizierten<br />

Klinische Untersuchung Neurologische<br />

Defizite?<br />

Medikamentenanamnese<br />

Labor (Blockanalyse, BB,<br />

Quick, CD4-Zellen, HI-<br />

Viruslast, CRP)<br />

Röntgen<br />

Nasennebenhöhlen<br />

Progression der<br />

<strong>HIV</strong>-Infektion?<br />

Verschattung?<br />

MR/CT Raumforderung?<br />

ggf. Liquorpunktion Erregernachweis?<br />

Glukosekonzentration?<br />

Nervenleitgeschwindigkeit pathologisch?<br />

→<strong>HIV</strong>-unabhängige<br />

Erkrankungen (z.B.<br />

Migräne, art.<br />

Hypertonie, Tumore,<br />

Drogen-/<br />

Alkoholentzug u.a.)<br />

→Sinusitis<br />

→ bakt./virale<br />

Meningitis<br />

→ Medikamentös<br />

bedingte / <strong>HIV</strong>-<br />

assoziierte /<br />

Diabetische /<br />

Alkoholische<br />

periphere<br />

Neuropathie<br />

wie bei CDC 2 wie bei CDC 2,<br />

zusätzlich<br />

Blutkulturen<br />

EDTA-Blut<br />

Erregernachweis?<br />

Mykobakterien?<br />

Toxoplasmose-Ak Toxoplasmose-Risiko?<br />

Kryptokokken-Ag Kryptokokkose?<br />

CMV-Ak, pp65-Ag, CMV-<br />

DNA<br />

immer:<br />

cran. CT/MR<br />

Liquordiagnostik<br />

(Gram-, Ziehl-Neelsen-<br />

Färbung, Tuschepräparat)<br />

Glucose, Zellzahl, Lues-<br />

Serologie, JC-Virus, CMV<br />

CMV-Risiko?<br />

Fokalläsionen?<br />

Atrophie?<br />

Diffuse<br />

Veränderungen?<br />

Bakterien?<br />

Kryptokokken?<br />

Mykobakterien? Viren?<br />

Vom Symptom zur Diagnose<br />

→Zerebrale<br />

Toxoplasmose<br />

→ZNS-Lymphom<br />

→Kryptokokken-<br />

Meningitis<br />

→tuberkulöse<br />

Meningitis<br />

→<strong>HIV</strong>-<br />

Enzephalopathie<br />

→CMV-Enzephalitis<br />

→progress. multifok.<br />

Leukenzephalopathie<br />

→Neuro-Lues<br />

33


Vom Symptom zur Diagnose<br />

34<br />

Ophtalmologischer Symptomenkomplex<br />

Hartwig Klinker<br />

Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose<br />

Jegliche<br />

Sehstörungen,<br />

insbesondere<br />

Doppelbilder<br />

Verschwommensehen<br />

Schmerzen<br />

CD4 > 500/µl<br />

(CDC 1)<br />

CD4 200 -<br />

500/µl<br />

(CDC 2)<br />

CD4 < 200/µl<br />

(CDC 3)<br />

wie bei nicht-<strong>HIV</strong>-<br />

Infizierten<br />

wie bei nicht-<strong>HIV</strong>-<br />

Infizierten<br />

Medikamentenanamnese Myambutol?<br />

Inspektion Injektion?<br />

Infiltration?<br />

Fundusspiegelung Cotton-Wool-<br />

Herde?<br />

Labor: Blockanalyse, BB,<br />

CD4-Zellen, HI-Viruslast<br />

CMV-Ak, pp 65-Ag, CMV-<br />

DNA<br />

Progression<br />

der <strong>HIV</strong>-<br />

Infektion?<br />

CMV-Risiko?<br />

Toxoplasmose-Ak Toxoplasmose-<br />

Risiko?<br />

Neurolog. Untersuchung<br />

ggf. cran. CT/MR<br />

Cerebraler<br />

Prozess?<br />

Glaukom,<br />

Netzhautablösung,<br />

Diabetische<br />

Retinopathie, Lues,<br />

Migraine<br />

accompagné u.a.<br />

→Medikamentöse<br />

Ursache<br />

→CMV-Retinitis<br />

→ Toxoplasmose<br />

des Auges<br />

→ZNS-Erkrankungen


Vorgehen bei diagnostizierter <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

I. Anamnese<br />

A. Aktuelle Anamnese<br />

Jürgen Brust, Dieter Schuster<br />

derzeitige Beschwerden (z.B. Nachtschweiß, Fieber, Gewichtsverlust, neurologische<br />

Auffälligkeiten)<br />

B. Eigenanamnese<br />

generelles Befinden<br />

Kinderkrankheiten<br />

Vorerkrankungen (z.B. Tbc)<br />

Krankenhausaufenthalte<br />

Erhalt von Blutprodukten<br />

sexuell übertragbare Krankheiten (z.B. Syphilis, Gonorrhoe, Hepatitis)<br />

Impfungen<br />

psychisches Befinden/Krankheitsverarbeitung<br />

C. Medikamente- und Drogenanamnese<br />

Medikamente<br />

Drogen (Heroin, Kokain, Alkohol etc.)<br />

komplementäre Behandlungen<br />

D. Sozialanamnese<br />

Partnerschaft<br />

Beruf<br />

soziales Umfeld<br />

finanzielle Situation<br />

Krankenversicherung,<br />

Anspruch auf Renten- und Pflegeversicherung<br />

E. Familienanamnese<br />

Tumorerkrankungen<br />

Tbc<br />

F. Tierkontakte<br />

G. Auslandsanamnese<br />

Vorgehen bei diagnostizierter <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

35


Vorgehen bei diagnostizierter <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

36<br />

II. Untersuchung<br />

1. Erstuntersuchung<br />

Körperlicher Untersuchungsstatus incl.<br />

Lymphknotenstatus<br />

Neurologischer Status<br />

Inspektion der anogenitalen Region incl. rektaler Untersuchung<br />

Größe und Gewicht<br />

Augenhintergrund<br />

gynäkologischer Status<br />

2. Folgeuntersuchung (symptomorientiert)<br />

Gewicht<br />

Bei weiblichen Patienten: regelmäßiger Gyn-Status<br />

Bei männlichen Patienten Inspektion der anogenital Region, ggfs. weitere proktologische<br />

Untersuchung Bei CD4 < 200/µl: regelmäßige Augenfunduskontrolle, regelmäßiger<br />

Neurostatus<br />

3. Labor (siehe Kapitel Laboruntersuchungen)<br />

4. Technische Untersuchungen<br />

A: Initial<br />

Rö-Thorax<br />

EKG<br />

Oberbauchsonographie (Milzgröße, LK)<br />

B: Folgeuntersuchungen<br />

Symptom-klinikorientiert bei fortgeschrittenem Immundefekt, evtl.<br />

regelmäßige Kontrolle auf opportunistische Erreger (z.B. MAI etc.)


Therapiebeginn<br />

Franz Mosthaf<br />

Prognose in Abhängikeit von der Viruslast<br />

Studienteilnehmer der Multicenter Aids Cohort Study (MACS) wurden im Mittel über 10,6<br />

Jahre beobachtet. Keiner der Studienteilnehmer bekam eine antiretrovirale Therapie zum<br />

Zeitpunkt der Studienaufnahme oder zum Zeitpunkt des Follow-up-Besuches nach 6<br />

Monaten. Nur 41% der Patienten erhielten eine antiretrovirale Therapie im weiteren<br />

Verlauf der Beobachtung. Die Viruslast lag zu Beginn der Studie bei den Teilnehmern<br />

zwischen 10<br />

500 - 3.000 > 10<br />

3.000 - 10.000 8,3<br />

10.000 - 30.000 5,5<br />

> 30.000 2,8<br />

Mediane Zeit bis AIDS oder Tod<br />

(Jahre)<br />

Nach Mellors et al. XI. Int. Conf. on Aids, 1996.<br />

Erweiterte Analyse der Daten aus der MACS-Studie mit 1604 Teilnehmern.<br />

Literatur:<br />

● Die Basiswerte der <strong>HIV</strong>-1 RNA-Konzentration sind wichtige Indikatoren für die<br />

Prognose.<br />

● Es gibt eine enge zeitabhängige prognostische Beziehung zwischen <strong>HIV</strong>-1<br />

RNA-Konzentration und Progression.<br />

● Verringerte Konzentrationen von <strong>HIV</strong>-1 RNA als Ergebnis einer antiretroviralen<br />

Therapie weisen auf eine verbesserte Prognose.<br />

● Mellors J.W., Rinaldo Jr. C.R., Gupta P. et al.: Prognosis in <strong>HIV</strong>-1 Infection Predicted by<br />

the Quantity of Virus in Plasma. Science 272: 1167-1170, 1996<br />

● Egger M, May M, Chene G, Phillips AN, Ledergerber B, Dabis F, Costagliola D,<br />

D'Arminio Monforte A, de Wolf F, Reiss P, Lundgren JD, Justice AC, Staszewski S,<br />

Leport C, Hogg RS, Sabin CA, Gill MJ, Salzberger B, Sterne JA; ART Cohort<br />

Collaboration. Prognosis of <strong>HIV</strong>-1-infected patients starting highly active antiretroviral<br />

therapy: a collaborative analysis of prospective studies. Lancet. 2002 Jul 13;360<br />

(9327):119-29.<br />

Therapie<br />

37


Therapie<br />

38<br />

Wann mit der Therapie beginnen?<br />

Obwohl es weiter keinen "Goldstandard" für den Therapieginn der <strong>HIV</strong>-Infektion gibt,<br />

können die folgenden Empfehlungen gegeben werden. Zu beachten ist, dass die Therapie<br />

immer individuell gestaltet werden sollte. Hierbei kommt neben den klinischen und<br />

immunologischen Gesichtspunkten insbesondere dem Gespräch mit dem Patienten eine<br />

große Bedeutung zu.<br />

Eine antiretrovirale Therapie ist empfohlen<br />

● bei jeder symptomatischen <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

● bei jeder asymptomatischen <strong>HIV</strong>-Infektion unter 350/µl Helferzellen (kontrolliert)<br />

● bei Patienten mit 350-500/µl Helferzellen und Koinfektion mit Hepatitis C;<br />

behandlungsbedürftiger Hepatitis B; <strong>HIV</strong>-assoziierter Nephropathie oder<br />

anderer spezifischer Organerkrankung<br />

Eine antiretrovirale Therapie sollte erwogen werden<br />

● bei asymptomatischen Patienten mit Helferzellen von 350- 500/µl und einer<br />

Viruslast über 100 000 Viruskopien/ml<br />

● bei asymptomatischen Patienten mit Helferzellen von 350- 500/µl und einer<br />

schnellen Helferzellzahlabnahme von 50-100/µl/Jahr oder Alter > 50 Jahre oder<br />

Schwangerschaft oder hohem kardivaskulärem Risiko oder <strong>HIV</strong>-assoziierten<br />

Malignomen<br />

Die Strenge der Therapieindikation richtet sich zum Einen nach der individuellen<br />

Prognose in Abhängigkeit von Viruslast und Geschwindigkeit des Helferzellabfalls. Zum<br />

Anderen nach der zu erwartenden Compliance bzw. Adherence, auch in Hinsicht auf die<br />

Lebensqualität des Patienten unter der Therapie.<br />

Einen Sonderfall stellt die akute <strong>HIV</strong>-Infektion dar. Sie ist gekennzeichnet durch Fieber,<br />

eine Lymphadenopathie und in der Hälfte der Fälle durch ein Exanthem. Hier sollte die<br />

Behandlung falls möglich noch vor der Serokonversion oder je nach klinischer<br />

Einschätzung bis zu 12 Wochen danach begonnen werden.<br />

Regeln für den Beginn der Therapie<br />

In der Regel erfolgt der Therapiebeginn mit einer 3-fach Therapie aus zwei NRTI<br />

(Nukleosidaler Reverse Transkriptasehemmer) und einem NNRTI (Nicht-Nukleosidaler<br />

Reverse Transkriptasehemmer), bzw. zwei NRTI und einem oder zwei PI<br />

(Proteaseinhibitor). Weiterhin kann auch der Einsatz eines Integrasehemmers oder<br />

Fusionsinhibitors notwendig werden. Vor der Therapie muss in einem ausführlichen<br />

Gespräch zwischen Arzt und Patienten besprochen werden, dass die Therapie<br />

● komplex ist<br />

● über einen sehr langen Zeitraum (wahrscheinlich lebenslänglich) durchgeführt<br />

werden muss<br />

● Nebenwirkungen haben kann.


Anmerkung: Die Therapieeinstellung oder -umstellung sollte immer in Zusammenarbeit<br />

mit einem in der <strong>HIV</strong>-Therapie erfahrenen Arzt erfolgen.<br />

Links zu offiziellen Therapieleitlinien:<br />

● Seite des Robert-Koch-Institutes zu den Deutsch-Österreichischen<br />

Therapieleitlinien http://www.rki.de/cln_011/nn_334524/DE/Content/InfAZ/H/<br />

<strong>HIV</strong>AIDS/Therapie/Leitlinien/leitlinien__node.html__nnn=true<br />

● Seite der Europäischen Leitlinien [EACS] http://www.<br />

europeanaidsclinicalsociety.org/guidelines.asp<br />

● Seite der aktuellen US-amerikanischen Leitlinien http://aidsinfo.nih.gov<br />

Therapie<br />

39


Therapie<br />

40<br />

Therapie beim nicht vorbehandelten Patienten<br />

Franz Mosthaf<br />

Einsatz der einzelnen Medikamente immer unter Beachtung der Neben- und<br />

Wechselwirkungen, sowie der Begleiterkrankungen!<br />

mindestens 2 nukleosidale Reverse<br />

Transkriptasehemmer (NRTI):<br />

TDF 1 (Viread) + FTC 1 (Emtriva)<br />

bzw.<br />

Abacavir 2 (Ziagen) + 3TC 2 (Epivir)<br />

bzw.<br />

AZT 3 (Retrovir) + 3TC 3 (Epivir)<br />

bzw.<br />

TDF (Viread) + 3TC (Epivir)<br />

bzw.<br />

ddI (Videx) + FTC (Emtriva)<br />

bzw.<br />

ddI (Videx) + TDF (Viread) 4<br />

in Kombination mit<br />

oder<br />

einem nicht-nukleosidalem<br />

Reversen Transkriptasehemmer<br />

(NNRTI):<br />

Nevirapine 5,6 (Viramune)<br />

bzw.<br />

Efavirenz 6 (Sustiva)<br />

Proteaseninhibitoren (PI):<br />

in alphabet. Reihenfolge<br />

Atazanavir (Reyataz 300) + Ritonavir<br />

(Norvir)<br />

bzw.<br />

Darunavir (Prezista 800) + Ritonavir<br />

(Norvir)<br />

bzw.<br />

Fosamprenavir (Telzir) + Ritonavir<br />

(Norvir)<br />

bzw.<br />

Lopinavir (Kaletra) - enthält Ritonavir<br />

bzw.<br />

Saquinavir (Invirase 500) + Ritonavir<br />

(Norvir)<br />

oder Integrasehemmer<br />

Raltegravir (Isentress)<br />

1 in Truvada<br />

2 in Kivexa (Einsatz von Abacavir nur bei negativem HLA B5701 Test!<br />

3 in Combivir<br />

4 Anwendung bei hoher Viruslast und niedriger CD4-Zellzahl nicht empfohlen. Falls<br />

diese Kombination unbedingt notwendig: sorgfältige Beachtung der DDI-bedingten<br />

Nebenwirkungen<br />

5 bei Männern nur wenn CD-4 Zellzahl < 400/µl; bei Frauen nur wenn CD-4 Zellzahl <<br />

250/µl<br />

6 wirkt nicht bei <strong>HIV</strong>-2 und <strong>HIV</strong>-1 Gruppe O


Wechsel der Therapie bei:<br />

● Anstieg der Viruslast unter Therapie (kontrolliert)<br />

● CD-4 Zellzahl-Abfall (kontrolliert)<br />

● ungenügendem Abfall der Viruslast unter Therapie (Abfall < 1 log)<br />

● bei klinischer Progression<br />

-> Austausch von mindestens zwei Substanzen<br />

● Unverträglichkeit<br />

-> Austausch der nicht tolerierten Substanz<br />

Empfehlungen zum Therapiewechsel der International AIDS<br />

Society - USA Panel<br />

Grund des Therapiewechsels Art der Therapieänderung<br />

Nebenwirkungen oder Unverträglichkeit<br />

<strong>HIV</strong>-RNA unterhalb der Nachweisgrenze Austausch der nicht tolerierten Substanz<br />

<strong>HIV</strong>-RNA niedrig aber oberhalb der<br />

Nachweisgrenze und Therapiedauer kürzer als 8-<br />

16 Wochen*<br />

<strong>HIV</strong>-RNA oberhalb der Nachweisgrenze und<br />

Therapiedauer länger als 8-16Wochen** oder<br />

früherer Therapieerfolg***<br />

Adhärenzprobleme<br />

<strong>HIV</strong>-RNA unterhalb der Nachweisgrenze und neu<br />

aufgetretene Adhärenzprobleme<br />

<strong>HIV</strong>-RNA unterhalb der Nachweisgrenze und<br />

Therapiedauer kürzer als 8-16 Wochen<br />

<strong>HIV</strong>-RNA oberhalb der Nachweisgrenze und<br />

Therapiedauer länger als 8-16 Wochen** oder<br />

früherer Therapieerfolg ***<br />

Virologisches Therapieversagen<br />

Kein Abfall der Viruslast unter die<br />

Nachweisgrenze innerhalb von 8-16 Wochen**<br />

nach Therapiebeginn<br />

Kein Abfall der Viruslast unter die<br />

Nachweisgrenze innerhalb von 24-36 Wochen<br />

nach Therapiebeginn<br />

Austausch der nicht tolerierten Substanz<br />

Wechsel der gesamten Kombination<br />

Wechsel zu einfacherem Therapieschema mit<br />

gleicher Potenz, oder falls möglich Austausch der<br />

nicht tolerierten Substanz<br />

Wechsel zu einfacherem Therapieschema mit<br />

gleicher Potenz, oder falls möglich Austausch der<br />

nicht tolerierten Substanz<br />

Wechsel der gesamten Kombination<br />

Therapieregime beibehalten, Adhärenz<br />

überprüfen, evtl. Medikamentendosis steigern****<br />

Wechsel der gesamten Kombination<br />

Therapie<br />

41


Therapie<br />

42<br />

früherer Therapieerfolg***, jetzt aber kontrolliertes<br />

virologisches Therapieversagen<br />

Wechsel der gesamten Kombination<br />

*Zunächst sollte versucht werden die Nebenwirkung zu beeinflussen, nur bei Erfolglosigkeit sollte die<br />

entsprechende Substanz ausgetauscht werden (Dies gilt nicht für eine vermutete Abacavir-<br />

Unverträglichkeit!)<br />

**Die Zeit bis zum Abfall der Viruslast unter die Nachweisgrenze (z.B. <strong>HIV</strong>-RNA1,5 log) ohne bislang die Nachweisgrenze zu erreichen. Vor einer Dosisintensivierung<br />

muss die Therapietreue genau überprüft werden.<br />

Links zu offiziellen Therapieleitlinien:<br />

● Seite des Robert-Koch-Institutes zu den Deutsch-Österreichischen<br />

Therapieleitlinien (http://www.rki.de/cln_011/nn_334524/DE/Content/InfAZ/H/<br />

<strong>HIV</strong>AIDS/Therapie/Leitlinien/leitlinien__node.html__nnn=true<br />

● Seite der Europäischen Leitlinien [EACS] (http://www.<br />

europeanaidsclinicalsociety.org/guidelines.asp)<br />

● Seite der aktuellen US-amerikanischen Leitlinien (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/<br />

sites/entrez/18677028


Einnahmehinweise für Medikamente zur<br />

antiretroviralen Therapie<br />

(in alphabetischer Reihenfolge)<br />

Hannelore Mosthaf<br />

In bestimmten Kombinationen können abweichende Tagesdosierungen erforderlich sein!<br />

Name, (Freiname)<br />

Darreichungsform<br />

Aptivus® (Tipranavir)<br />

Weichkapseln<br />

Atripla® (Efavirenz/Emtricitabin/<br />

Tenofovir)<br />

Filmtabletten<br />

Celsentri® (Maraviroc)<br />

Filmtabletten<br />

Combivir® (Lamivudin/Zidovudin)<br />

Tbl.<br />

Crixivan® (Indinavir)<br />

Kps.<br />

Emtriva® (Emtricitabin)<br />

Kps., Lösung<br />

Epivir® (Lamivudin)<br />

Tbl., Lösung<br />

Fuzeon® (Enfuvirtid)<br />

Injektionslösung<br />

Intelence® (Etravirin)<br />

Tbl.<br />

Einnahmeintervall,<br />

Dosierung<br />

2 x tgl. 500mg zusammen<br />

mit 2 x tgl. 200mg Ritonavir<br />

Einnahmehinweise, bzw.<br />

Applikationshinweise<br />

zusammen mit einer Mahlzeit,<br />

dann ist die Vertäglichkeit<br />

besser!<br />

1 x tgl. 1 Tbl. 2 Std. nach dem Abendessen<br />

2 x tgl. ( 12stdl.) 150 - 600<br />

mg<br />

2 x tgl. 1 Tbl. keine<br />

3 x tgl. (8stdl.)<br />

800 mg<br />

1 x tgl. 200 mg keine<br />

2 x tgl. (12stdl.)<br />

150 mg oder<br />

1 x tgl. 300 mg<br />

2 x tgl. 90mg subkutan (in<br />

die Haut) injizieren<br />

unabhängig von einer Mahlzeit,<br />

Dosierung ist abhängig von<br />

antiretroviralen<br />

Kombinationspartnern<br />

nüchtern bis 1 Std. vor den<br />

Mahlzeiten; möglich ist die<br />

Einnahme mit einer leichten,<br />

fettfreien Mahlzeit; auf<br />

ausreichende Flüssigkeitszufuhr<br />

achten (2 - 3 Liter pro Tag)!<br />

keine<br />

Injektionsstellen: Haut am<br />

Oberarm, am vorderen<br />

Oberschenkel, am Bauch;<br />

Injektionsstelle bei jeder<br />

Injektion wechseln!<br />

2 x tgl. 200mg nach dem Essen, bei<br />

Schluckschwierigkeiten dürfen<br />

die Tabletten in Wasser<br />

aufgelöst werden.<br />

Therapie<br />

43


Therapie<br />

44<br />

Invirase® (Saquinavir)<br />

Tbl.<br />

Isentress® (Raltegravir)<br />

Filmtabletten<br />

Kaletra® (Lopinavir 133mg/<br />

Ritonavir 33mg)<br />

Kps., Lösung, Filmtabletten mit<br />

200mg Lopinavir und 50mg<br />

Ritonavir<br />

Kivexa® (Lamivudin/Abacavir)<br />

Tbl.<br />

Norvir® (Ritonavir)<br />

Kps., Lösung<br />

Prezista® (Darunavir)<br />

Filmtabletten<br />

Retrovir® (Zidovudin)<br />

Kps., Lösung<br />

Reyataz® (Atazanavir)<br />

Kps.<br />

Sustiva® (Efavirenz)<br />

Kps. , Lösung<br />

Telzir® (Fosamprenavir)<br />

Tbl.<br />

Trizivir® (Abacavir/Lamivudin/<br />

Zidovudin)<br />

Tbl.<br />

Truvada® (Tenofovir/Emtricitabin)<br />

Tbl.<br />

Videx® (Didanosin)<br />

Kps., Pulver<br />

Viracept® (Nelfinavir)<br />

Kps., Granulat<br />

2 x tgl. (12stdl.)<br />

1000 mg<br />

2 x tgl. 400mg<br />

2 x tgl. (12stdl.) 3 Kps.<br />

400/100mg oder 2 x tgl. 2<br />

Filmtabletten<br />

unmittelbar bis zwei Std. nach<br />

den Mahlzeiten, immer<br />

zusammen mit 2 x 100mg<br />

Ritonavir<br />

keine<br />

1 x tgl. 1 Tbl. 300/600mg keine<br />

2 x tgl. (12stdl.)<br />

600 mg<br />

2 x tgl. 600mg zusammen<br />

mit 2 x tgl. 100mg Ritonavir<br />

2 x tgl. (12stdl.)<br />

250 mg - 300 mg<br />

1 x tgl. 300mg zusammen<br />

mit 100mg Ritonavir<br />

zu den Mahlzeiten<br />

zu den Mahlzeiten, Therapie<br />

einschleichend beginnen: 1.<br />

Tag 2 x 300 mg, 2. u. 3. Tag 2 x<br />

400 mg, 4. Tag 2 x 500 mg,<br />

dann 2 x 600 mg, zusammen mit<br />

Saquinavir innerhalb 2 Std. nach<br />

einer Mahlzeit<br />

zu den Mahlzeiten<br />

keine<br />

zum Essen, eventuell nötige<br />

magensäurebindende<br />

Arzneimittel erst 2 Std. nach<br />

Reyataz/Ritonavir einnehmen!<br />

1 x tgl. 600 mg vor dem Schlafengehen, mind. 2<br />

Std. nach einer Mahlzeit<br />

2 x tgl. 700 mg, geboostert<br />

mit 2 x tgl. 100 mg<br />

Ritonavir<br />

2 x tgl. (12stdl.) 1 Tbl. keine<br />

1 x tgl. 1 Tbl. zum Essen<br />

tgl. 250 - 400 mg, aufgeteilt<br />

in 1 oder 2 Einnahmen<br />

3 x tgl. (8 stdl.)<br />

750 mg<br />

für Fosamprenavir keine,<br />

Ritonavir zu den Mahlzeiten<br />

nüchtern<br />

zu den Mahlzeiten; zur<br />

Einnahme sollte immer eine<br />

Kleinigkeit gegessen werden


Viramune® (Nevirapin)<br />

Kps., Suspension<br />

Viread® (Tenofovir)<br />

Tbl.<br />

Zerit® (Stavudin)<br />

Kps.<br />

Ziagen® (Abacavir)<br />

Tbl., Lösung<br />

Name, (Freiname)<br />

Darreichungsform<br />

2 x tgl. (12 stdl.) 200 mg Therapie einschleichend<br />

beginnen: 14 Tage 1 x 200 mg,<br />

dann 2 x 200 mg, sonst keine<br />

Hinweise<br />

1 x tgl. 300 mg zum Essen<br />

2 x tgl. (12stdl.) 15-40 mg<br />

(gewichtsabhängig)<br />

2 x tgl. (12stdl.)<br />

300 mg<br />

Einnahmeintervall,<br />

Dosierung<br />

keine<br />

keine<br />

Einnahmehinweise, bzw.<br />

Applikationshinweise<br />

Therapie<br />

45


Therapie<br />

46<br />

Nukleosidale Reverse Transkriptaseinhibitoren<br />

(NRTI)<br />

Hannelore Mosthaf<br />

Bei allen NRTI kann selten eine gefährliche Lactatazidose und schwere Hepatomegalie<br />

mit Steatose auftreten!<br />

Combivir ® (Lamivudin 150 mg/Zidovudin 300 mg), OP à 60 Tbl.<br />

● Dosierung: 2 x tgl. (12 stdl.)1 Tbl.<br />

● Kontraindikationen: siehe Epivir und Retrovir, Patienten mit KG


● Dosierung: 2 x tgl. (12-stdl.) 250 - 300 mg<br />

● Kontraindikationen: Neutropenie (< 750 µl); Anämie (Hb 8 mg/dl)<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Übelkeit, Anämie, Leukopenie, Myalgie<br />

● Wechselwirkungen: Ganciclovir verstärkt myelotox. Wirkung; bei gleichzeitiger<br />

Einnahme von Clarithromycin kann die antiretrovirale Wirkung von AZT<br />

abgeschwächt sein; Methadon oder Fluconazol können die unerwünschten<br />

Wirkungen von AZT verstärken<br />

Trizivir® (Abacavir 300mg/Lamivudin 150 mg/Zidovudin 300 mg), OP à 60 Tbl.<br />

● Dosierung: 2 x tgl. 1 Tbl.<br />

● Kontraindikationen, häufige Nebenwirkungen und Wechselwirkungen:<br />

siehe Epivir, Retrovir und Ziagen;<br />

Truvada® (Emtricitabin 200 mg + Tenofovir 300mg) OP à 30 Tbl.<br />

● Dosierung: 1 x tgl. 1 Tbl.;<br />

● Kontraindikationen, häufige Nebenwirkungen und Wechselwirkungen:<br />

siehe Emtriva und Viread<br />

Videx® (Didanosin) OP à 60 Kps zu 125, 200, 250 und 400mg, Pulver 2g u. 4 g für<br />

Suspension 2mg/ml<br />

● Dosierung: tgl. 200 - 400 mg (gewichtsabhängig), verteilt auf 1 oder 2<br />

Einnahmen;<br />

● Kontraindikationen: Pankreatitis in der Anamnese; Vorsicht bei<br />

eingeschränkter Leber- u. Nierenfunktion;<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Pankreatitis, Neuropathie, Durchfall<br />

● Wechselwirkungen: bei Kombination mit Tenofovir DDI-Dosis senken; bei<br />

Kombi mit Ribavirin erhöhtes Risiko eine Lactatacidose; bei Kombination mit<br />

Retrovir und Epivir erhöhte Hämatotoxizität von Retrovir und Epivir; nicht mit<br />

AM kombinieren, die Neuropathie oder Pankreatitis hervorrufen können;<br />

Wirkungsverstärkung durch Allopurinol,<br />

Viread®* (Tenofovir, PMPA) OP à 30 Tbl. zu 300 mg;<br />

● *Neue Substanzklasse: Nukleotidaler- Reverse- Transkriptasehemmer<br />

● Dosierung: 1 x tgl. 300 mg<br />

● Kontraindikationen: Vorsicht bei Niereninsuffizienz<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Hypophosphatämie<br />

● Wechselwirkungen: möglich mit Arzneimitteln, die renal ausgeschieden<br />

werden; in Kombination mit Didanosin ist eine Dosisanpassung von Didanosin<br />

nötig;<br />

Zerit® (Stavudin = D4T) OP à 56 Kps. zu 15, 20, 30 u. 40 mg, Pulver für Suspension 1mg/<br />

ml<br />

● Dosierung: 2 x tgl. (12-stdl.) 15-40 mg gewichtsabhängig<br />

Therapie<br />

47


Therapie<br />

48<br />

● Kontraindikationen: Pankreatitis in der Anamnese, Polyneuropathie;<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Polyneuropathie<br />

● Wechselwirkungen: WW möglich mit Arzneimitteln, die renal ausgeschieden<br />

werden; nicht kombinieren mit Medikamenten, die selbst Polyneuropathie<br />

hervorrufen können<br />

Ziagen® (Abacavir = ABC) OP à 60 Tbl. zu 300 mg, Lösung 20mg/ml<br />

● Dosierung: 2 x tgl. 300 mg<br />

● Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber der Substanz<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Übelkeit, Kopfschmerzen, respiratorische<br />

Symptome, bei ca. 5% der Patienten "ABC- Überempfindlichkeits-syndrom", tritt<br />

meistens innerhalb der ersten 4 Wochen auf: Fieber, Hautausschlag, Übelkeit,<br />

Transaminasenanstieg, bei Reexposition lebensbedrohliche allerg. Reaktion,<br />

● Wechselwirkungen: Keine schwerwiegenden Wechselwirkungen, vgl. andere<br />

NRTI


Nicht-Nukleosidale Reverse<br />

Transkriptaseinhibitoren (NNRTI)<br />

Hannelore Mosthaf<br />

Die Wechselwirkungen sind vielfältig, weshalb zum Teil ganze Arzneistoffgruppen<br />

erwähnt werden. Einzelheiten sind den einzelnen Fachinformationen zu entnehmen.<br />

Intelence® (Etravirin), OP à 120 Tbl. zu 100 mg<br />

● Dosierung: 2 x tgl. 200 mg, nach einer Mahlzeit; bei Schluckschwierigkeiten<br />

können die Tabletten in Wasser aufgelöst werden<br />

● Kontraindikationen: NNRTI-assoziierte Hautreaktionen in der Vorgeschichte,<br />

Vorsicht bei Leberfunktionsstörungen oder Hepatitis-B oder -C-Koinfektion<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Hautausschlag, der nach 1 - 2 Wochen meist<br />

abklingt; Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit,<br />

Thrombozytopenie, Anstieg der Blutfette<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: andere NNRTI, Nelfinavir, Fosamprenavir, Indinavir, Raltegravir,<br />

Tipranavir, keine Kombi mit anderen NNRTI, Rifampicin, Clarithromycin,<br />

Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Johanniskraut;<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich: Antimykotika, Rifabutin, Antiarrythmika, Statine, PDE-<br />

5-Hemmer<br />

Viramune® (Nevirapin) OP à 60 Tbl. und 120Tbl. zu 200 mg, Suspension 10mg/ml<br />

● Dosierung: 2 x tgl. (12-stdl.)200 mg oder 1 x tgl. 400mg, Therapie unbedingt<br />

einschleichend beginnen: 14 Tage 1 x 200 mg, dann 2 x 200 mg, unabhängig<br />

von den Mahlzeiten<br />

● Kontraindikationen: Vorsicht bei Nieren- und Leberinsuffizienz<br />

● Häufige Nebenwirkungen: allerg. Hautreaktionen bis hin zu Stevens-Johnson-<br />

Syndrom, Transaminasenerhöhung<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: Efavirenz, Atazanavir, Clarithromycin, Rifampicin, Johanniskaraut,<br />

Ketokonazol,<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich: Itraconazol, Fluconazol, Rifabutin, Methadon<br />

● Nevirapin senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere oder<br />

zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!<br />

Rescriptor TM (Delarvidine) OP à 360 Tbl. zu 100 mg<br />

● Dosierung: 3 x tgl. 400 mg (8-stdl.), in mind. 75 ml Wasser auflösen, möglich<br />

ist auch Cola oder Orangensaft<br />

Therapie<br />

49


Therapie<br />

50<br />

● Kontraindikationen: Vorsicht bei Leberinsuffizienz<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Hautausschläge, Übelkeit, Durchfall<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: Rifabutin, Rifampicin<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich: Videx gepuffert 1 h zeitversetzt einnehmen, Antazida<br />

ebenfalls zeitversetzt einnehmen<br />

Sustiva® (Efavirenz = EFV) OP à 30 Kps. zu 50 mg, 100 mg, 600 mg, OP à 90 Kps. zu<br />

200 mg, Lösung 30 mg/ml<br />

● Dosierung: 1 x tgl. 600 mg oder 3 x tgl. 200 mg, Einnahme vor dem<br />

Schlafengehen, um NW zu umgehen! Einnahme nüchtern oder mind. 2 Std.<br />

nach einer Mahlzeit! vor allem bei Therapiebeginn<br />

● Kontraindikationen: schwere Leberschädigung<br />

● Häufige Nebenwirkungen: ZNS-Symptome, Schwindel, Schlaftrunkenheit,<br />

Alpträume, nach längerer Einnahme Depression, Efavirenz kann zu einem<br />

falsch positiven Canabisnachweis führen!<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: Saquinavir, Ritonavir hochdosiert, andere NNRTI, Clarithromycin,<br />

Carbamazepin,<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich: Fosamprenavir, Darunavir, Indinavir, Lopinavir,<br />

Rifabutin, Rifampicin, Ketoconazol, Itraconazol, Phenytoin, Phenobarbital,<br />

Methadon<br />

● Efavirenz senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere<br />

kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!


Proteaseinhibitoren<br />

Hannelore Mosthaf<br />

Proteaseinhibitoren besitzen eine hohe Affinität zu dem Cytochrom-P450-Enzymsystem.<br />

Deshalb sind zahlreiche Wechselwirkungen mit allen Arzneimitteln zu erwarten, die<br />

ebenfalls über dieses Enzymsystem abgebaut werden: Antimykotika, Antibiotika,<br />

Tuberkulostatika, Antiarrhythmika, Antihistaminika, Steroide, Statine, Antidepressiva,<br />

Neuroleptika, Protonenpumpenhemmer, Immunsuppressiva, Ca-Antagonisten,<br />

Benzodiazepine, Hypnotika, Methadon, Fentanyl, Warfarin, Mutterkornalkaloide, PDE-5-<br />

Hemmer, Johanniskraut (noch wenig dokumentiert, in Packungsbeilagen oft keine<br />

Hinweise auf Wechselwirkungen; von einer gleichzeitigen Einnahme wird abgeraten!),<br />

(Viagra und ähnliche). Die Wirkung von "Exstacy" kann verstärkt werden!<br />

In der Aufstellung werden Substanzen aufgezählt, bei denen Wechselwirkungen zu<br />

erwarten sind, die eine Kombination verbieten oder eine Dosisanpassung erfordern.<br />

Einzelheiten bitte aus der Information für Fachkreise entnehmen.<br />

Unter Therapie mit Proteaseinhibitoren können Lipodystrophie, Hyperlipoproteinämien<br />

oder Störungen des Glucosestoffwechsels auftreten. Deshalb regelmäßig Blutfette und<br />

Blutglucose kontrollieren!<br />

Aptivus® (Tipranavir) OP à 120 Weichkapseln, OP à 95ml Lösung mit 100mg Tipranavir/<br />

ml, eine Kapsel enthält 100mg Ethanol! Die Lösung ist alkoholfrei.<br />

● Dosierung: 2 x tgl. 500 mg immer zusammen mit 2 x tgl. 200mg Ritonavir als<br />

pharmakokinetischen Verstärker (Booster), Einnahme zusammen mit einer<br />

Mahlzeit, um die Verträglichkeit zu verbessern!<br />

● Kontraindikationen: mittelgradige bis schwere Leberfunktionsstörung<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Hypertriglyderidämie, Hyperlipidämie,<br />

Kopfschmerzen, Übelkeit, Durchfall, Hautausschlag, selten erhöhtes<br />

Blutungsrisiko<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: Zidovudin, Abacavir (eine Kombination mit anderen<br />

Proteasehemmern ist nicht kontraindiziert, wird aber nicht empfohlen),<br />

Fluconazol, Voriconazol, Rifampicin, Antiarrhythmika, Antihistaminika,<br />

Glucocorticoide (auch inhalative), Atorvastatin,Simvastatin, Lovastatin,<br />

Neuroleptika (Pimozid, Sertindol), Protonenpumpenhemmer,<br />

Mutterkornalkaloide, Cisaprid, Disulfiram (da Tipranavirkapseln 7% Alkohol<br />

enthalten), Midazolam oral, Triazolam, Johanniskraut, Vitamin E bei einer<br />

Dosierung von mehr als 1200I.E./Tag,<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich:<br />

Itraconazol, Clarithromycin, Rifabutin, Antikonvulsiva (Carbamazepin,<br />

Phenytoin, Phenobarbital), Pravastatin, Omeprazol, Warfarin, ASS, PDE5-<br />

Hemmer, Methadon, Midazolam iv., Östrogene zur Hormonersatztherapie,<br />

● Tipranavir senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere oder<br />

zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!<br />

Therapie<br />

51


Therapie<br />

52<br />

Crixivan® (Indinavir) OP à 360 Kps. zu 200 mg, OP à 180 Kps. zu 400 mg<br />

● Dosierung: 3 x tgl. 800 mg (8-stdl.), nüchtern bis 1 Std. vor den Mahlzeiten;<br />

möglich ist die Einnahme mit einer leichten, fettfreien Mahlzeit; auf<br />

ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten (2-3 Liter pro Tag)!<br />

● Kontraindikationen: Vorsicht bei schweren Leberfunktionsstörungen und<br />

Patienten mit Hämophilie!<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Nierensteine, Kristallurie, Magen-<br />

Darmbeschwerden, Kopfschmerz, Hyperglykämie, selten, aber schwerwiegend:<br />

hämolyt. Anämie; bei Hämophilen steigt die Blutungsneigung<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: Fosamprenavir, Efavirenz, andere Proteaseinhibitoren, Rifampicin,<br />

Rifabutin, Chinidin bei mit Lopinavir geboostetem Indinavir, Lovastatin,<br />

Simvastatin, Rosuvastatin, Midazolam oral, Johanniskraut<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich: Nevirapin, gepuffertes Didanosin, Delavirdin,<br />

Itraconazol, Ketoconazol, Antikonvulsiva (Carbamazepin, Phenytoin,<br />

Phenobarbital), Antihistaminika, Ca-Antagonisten, Dexamethason, Atorvastatin,<br />

Pravastatin, Fluvastatin, Warfarin, PDE5-Hemmer, Midazolam iv; bei mit<br />

Lopinavir geboostetem Indinavir außerdem Digoxin und Trazodon,<br />

Invirase® (Saquinavir-Mesylat) OP à 120 Tbl. zu 500 mg<br />

● Dosierung: 2 x tgl. (12-stdl.) 1000 mg in Kombination mit 2 x tgl. 100mg<br />

Ritonavir zu den Mahlzeiten<br />

● Kontraindikationen: bei Hämophilen steigt die Blutungsneigung! Vorsicht bei<br />

schweren Leberfunktionsstörungen<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Magendarmbeschwerden, Ausschlag, Neuropathie,<br />

selten, aber schwerwiegend: hämolytische Anämie, Stevens-Johnsons-<br />

Syndrom<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: Tipranavir, Ketoconazol über 200mg/Tag, Fluconazol (nicht<br />

untersucht), Rifampicin, Antiarrhythmika (Amiodaron, Flecainid, Propafenon),<br />

Antikonvulsiva (nicht untersucht), Antihistaminika, Simvastatin, Lovastatin,<br />

Pimozid, Mutterkornalkaloide, Cisaprid, Midazolam oral, Triazolam,<br />

Johanniskraut. Knoblauch<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich: Delavirdin, Itraconazol, Rifabutin, Antiarrhythmika<br />

(Chinidin, Lidocain, Bepridil), Ca-Antagonisten, Corticoide (auch inhlative),<br />

Pravastatin, Fluvastatin , Atorvastatin, Antidepressiva,<br />

Protonenpumpenhemmer, Herzglykoside, Immunsupressiva, Warfarin, PDE5-<br />

Hemmer, Benzodiazepine, Midazolam iv.,<br />

● Saqiunavir senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere oder<br />

zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!


Kaletra® (Lopinavir /Ritonavir ) OP à 120, 360 Tbl. zu 200mg/50mg oder 60 Tbl. zu<br />

100mg/25mg, Lösung 5 x 60ml mit 80mg/20mg pro ml<br />

● Dosierung: 2 x tgl. (12-stdl.) 400/100 mg zu den Mahlzeiten<br />

● Kontraindikationen: schwere Leberfunktionsstörung<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, bei Hämophilen steigt die<br />

Blutungsneigung!<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: Itraconazol und Ketoconazol in Dosierungen über 200mg/Tag,<br />

Voriconazol, Rifampicin, Flecainid, Propafenon, Terfenadin, Lovastatin,<br />

Simvastatin, Rosuvastatin, Mutterkornalkaloide, Cisaprid, Vardenafil, Triazolam,<br />

Midazolam oral, Johanniskraut<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich: andere Proteaseinhibitoren, Efavirenz, Nevirapin,<br />

Rifabutin, Clarithromycin, Antiarrhythmika (Chinidin, Bepridil, Lidocain),<br />

Antikonvulsiva, Ca-Antagonisten, Corticoide (auch inhalative), Fluvastatin,<br />

Pravastatin, Atorvastatin, Bupropion, Trazodon, Herzglykoside, Ciclosporin,<br />

Warfarin, Sildenafil, Tadalafil, Vinkaalkaloide, Methadon, Midazolam iv.<br />

● Lopinavir/Ritonavir senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere<br />

oder zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!<br />

Norvir® (Ritonavir) OP à 84 und 336 Kps. zu 100 mg, OP à 30 Tbl. Zu 100mg, Lösung<br />

80mg/ml<br />

Therapie<br />

● Dosierung: 2 x tgl. (12-stdl.) 600 mg, in Kombination mit Saquinavir 2 x tgl. 400<br />

mg, zu den Mahlzeiten, Therapie einschleichend beginnen: 1. Tag 2 x 300 mg,<br />

2. und 3. Tag 2 x 400 mg, 4. Tag 2 x 500 mg, dann 2 x 600 mg<br />

● Kontraindikationen: schwere Leberfunktionsstörung<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Ausschlag,<br />

Geschmacksstörungen, Parästhesien, bei Hämophilen steigt die<br />

Blutungsneigung!<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: Voriconazol, Rifabutin, Antiarrhythmika, Antihistaminika<br />

(Terfenadin), Statine außer Pravastatin und Fluvastatin, Clozapin, Pimozid,<br />

Mutterkornalkaloide, Cisaprid, Sildenafil, Benzodiazepine, Hypnotika,<br />

Midazolam oral, Johanniskraut<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich: Delavirdin, Itraconazol, Ketoconazol, Loratadin,<br />

Antikonvulsiva, Ca-Antagonisten, Steroide (auch inhalative), Haloperidol,<br />

Risperidon, Antidepressiva, Vinkaalkaloide, Immunsuppressiva, Warfarin,<br />

Tadalafil, Vardenafil, Methadon, Midazolam iv., Zolpidem<br />

● Ritonavir senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere<br />

kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!<br />

53


Therapie<br />

54<br />

Prezista® (Darunavir) OP à 120 Filmtabletten<br />

● Dosierung: 2 x tgl. 600mg zusammen mit 2 x tgl. 100mg Ritonavir zu den<br />

Mahlzeiten<br />

● Kontraindikationen: schwere Leberfunktionsstörung, Vorsicht bei<br />

Sulfonamidallergie!<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen,<br />

Hypertriglyderidämie, Schlaflosigkeit<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: weitere Proteaseinhibitoren, Voriconazol, Rifampicin,<br />

Antiarrhythmika, Antihistaminika, Steroide (auch inhalative), Simvastatin,<br />

Lovastatin, Neuroleptika, Mutterkornalkaloide, Cisaprid, Triazolam, Midazolam<br />

oral, Vinkaalkaloide, Johanniskraut<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich: Efavirenz, Maraviroc, Itraconazol und Ketoconazol bis<br />

200mg/Tag, Rifabutin, Clarithromycin, Antikonvulsiva, Calciumantagonisten,<br />

Dexamethason, Atorvastatin, Pravastatin, Digoxin, Immunsuppressiva,<br />

Östrogene zur Hormonersatztherapie, Methadon, Warfarin, PDE5-Hemmer,<br />

Midazolam iv.,<br />

● Darunavir senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere oder<br />

zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!<br />

Telzir® (Fosamprenavir) OP à 60 Tbl. zu 700 mg<br />

● Dosierung: 2 x tgl. 700mg mit 2 x tgl. 100mg Ritonavir<br />

● Kontraindikationen: schwere Leberfunktionsstörung, Vorsicht bei<br />

Sulfonamidallergie!<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen,<br />

Hautreaktionen bei Hämophilen steigt die Blutungsneigung, selten Steven-<br />

Johnson-Syndrom<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: Tenofovir, Lopinavir, Rifampicin, Ketoconazol, Itraconazol,<br />

Antiarrhythmika, Carbamazepin, Phenobarbital, Antihistaminika, Simvastatin,<br />

Lovastatin, Neuroleptika, Mutterkornalkaloide, Cisaprid, Halofantrin, Lidocain<br />

systemisch, inhalative Glucocorticoiddde außer Beclomethason, PDE5-<br />

Hemmer (SIldenafil u.a.), Östrogene zur Hormonersatztherapie, Triazolam,<br />

Midazolam oral, Johanniskraut, Dexamethason<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich: Rifabutin, Clarithromycin, Phenytoin,<br />

Immunsuppressiva, Warfarin, Pravastain, Fluvastatin, Atorvastatin, trizykl.<br />

Antidepressiva, Paroxetin, Midazolam iv., Methadon<br />

● Fosamprenavir senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere,<br />

nicht hormonelle kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!


Reyataz® (Atazanavir), OP à 60 Kps. zu 150mg, 200mg, OP à 30 Kps. Zu 300mg<br />

● Dosierung: 1 x tgl. 300mg, zusammen mit 100mg Ritonavir, zu den Mahlzeiten<br />

● Kontraindikationen: Leberinsuffizienz, Vorsicht bei Patienten mit<br />

Reizleitungsstörungen am Herzen<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Übelkeit, Kopfschmerzen, Hautausschlag, bei<br />

Hämophilen steigt die Blutungsneigung!<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: andere Proteasehemmer, Efavirenz, Nevirapin, Voriconazol,<br />

Clarithromycin, Rifampicin, Chinidin, Terfenadin, Warfarin, Bepridil, Omeprazol,<br />

Benzodiazepine, Mutterkornalkaloiden, Cisaprid, Pimozid, inhalative<br />

Corticosteroide außer Beclomethason, Simvastain, Lovastatin, Midazolam oral,<br />

Triazolam, Johanniskraut, hormonelle Kontrazeptiva<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich: Rifabutin, Ketoconazol und Itraconazol bis 200mg/<br />

Tag, Amiodaron, Lidocain systemisch, Ca-Antagonisten, Pravastatin,<br />

Fluvastatin, Atorvastatin, Irinotecan, Immunsuppressiva, Midazolam iv., PDE5-<br />

Hemmer, Antazida, H2-Rezeptorantagonisten<br />

Viracept® (Nelfinavir) OP à 300 Tbl. zu 250 mg, OP à 144 g Granulat mit 50 mg /g<br />

● Dosierung: 3 x tgl. (8-stdl.) 750 mg oder 2 x tgl. 1000mg - 1250 mg, zu den<br />

Mahlzeiten; zur Einnahme sollte immer eine Kleinigkeit gegessen werden<br />

● Kontraindikationen: schwere Leberfunktionsstörung<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Exanthem, Panzytopenie<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen: Indinavir, Delavirdin, Rifampicin, Terfenadin, Amiodaron, Chinidin,<br />

Carbamazepin, Phenobarbital, Pimozid, Cisaprid, Simvastatin, Lovastatin,<br />

Omeprazol, Triazolam, Sildanefil, Midazolam oral, Johanniskraut, hormonelle<br />

Kontrazeptiva<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich: Rifabutin, Phenytoin, Atorvastatin, Pravastatin,<br />

Fluvastatin, Methadon, Midazolam iv.<br />

Therapie<br />

55


Therapie<br />

56<br />

Entry-Inhibitoren<br />

Hannelore Mosthaf<br />

Fuzeon® (Enfuvirtid) OP à 60 Durchstechflaschen mit 108mg Enfuvirtid Trockensubstanz<br />

zur Injektion, die fertige Lösung enthält 90mg/ml<br />

● Dosierung: 2 x tgl. 90mg subcutan injizieren, Injektionsorte sind Bauch,<br />

Oberschenkel, Oberarm, Injektionsstelle immer wechseln!<br />

● Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen die Substanz, Vorsicht bei<br />

Patienten mit chron. Hepatitis!<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Juckreiz, Schwellung, Rötung an der Einstichstelle,<br />

lassen im Laufe der Therapie nach, Neurpoathie, Gewichtsabnahme<br />

● Wechselwirkungen: es wurden bisher keine schwerwiegenden<br />

Wechselwirkungen beobachtet<br />

Celsentri® (Maraviroc) OP à 60 Filmtabletten mit 150mg oder 300mg<br />

● Dosierung: 2 x tgl. 150mg - 600 mg, unabhängig von den Mahlzeiten,<br />

Dosierung ist abhängig von weiteren antiretroviralen Kombinationspartnern<br />

● Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen die Substanz, Erdnussallergie,<br />

Sojaeiweissallergie, Vorsicht bei eingeschränkter Nierenfunktion und<br />

gleichzeitiger Gabe von PI<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, Husten, Hautausschlag,<br />

Schwindel, Schlaflosigkeit<br />

● Wechselwirkungen:<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />

empfohlen:<br />

Efavirenz und Rifampicin gleichzeitig, Proteaseinhibitor und Rifabutin<br />

gleichzeititg, Johanniskraut<br />

● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />

Überwachung möglich:<br />

Proteaseninhibitoren, Efavirenz, Rifampicin, Rifabutin, Ketoconazol,<br />

Itraconazol, Clarithromycin


Integrase-Inhibitoren<br />

Hannelore Mosthaf<br />

Isentress® (Raltegravir)OP à 60 Filmtabletten mit 400mg Raltegravir<br />

● Dosierung: 2 x tgl. 400mg, unabhängig von den Mahlzeiten<br />

● Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen die Substanz, Vorsicht bei<br />

Leberfunktionsstörung!<br />

● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Schwindel, Pruritus, Müdigkeit,<br />

Arthralgie<br />

● Wechselwirkungen: AM, die den PH-Wert im Magen erhöhen, erhöhen<br />

Raltegravirspiegel (z.B. H2-Rezeptorantagonisten, Protonenpumpen-hemmer),<br />

Rifampicin senkt Raltegravirspiegel, d.h. Dosis anpassen.<br />

Therapie<br />

57


Therapie<br />

58<br />

Pharmakokinetik und Wechselwirkungen<br />

antiretroviraler Substanzen<br />

Hartwig Klinker<br />

In der Behandlung der <strong>HIV</strong>-Infektion sind in den vergangenen 15 Jahren große<br />

Fortschritte erzielt worden. Derzeit stehen 22 Einzel-Medikamente aus 6 Substanzklassen<br />

zur Verfügung, zusätzlich 5 Präparate mit Fixkombinationen.<br />

Angesichts der Notwendigkeit einer ständigen Kombination mehrerer antiretroviraler<br />

Wirkstoffe und lebenslanger Medikation sowie oft gleichzeitiger Gabe weiterer Pharmaka<br />

zur Behandlung opportunistischer Infektionen oder von Begleiterkrankungen spielen<br />

pharmakologische Wechselwirkungen und die Beachtung der Pharmakokinetik (PK) der<br />

einzelnen Substanzen eine überragende Rolle im Langzeit-Management der <strong>HIV</strong>-<br />

Infektion. Hierzu zählen auch geschlechtsspezifische Unterschiede in der <strong>HIV</strong>-Therapie<br />

(Florida et al., 2008).<br />

Der nachfolgende Artikel gibt einen Überblick über pharmakokinetische Kenngrößen der<br />

derzeit verfügbaren antiretroviralen Wirkstoffe sowie über wichtige<br />

Medikamenteninteraktionen. Wegen der Vielzahl möglicher Interaktionen ist ein<br />

zusätzlicher Rückgriff auf bestehende Datenbanken häufig von großem Nutzen.<br />

Mechanismen pharmakologischer Interaktionen<br />

Arzneimittelinteraktionen können pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Natur<br />

sein. Die Einflüsse eines Pharmakons auf den Organismus werden mit dem Begriff<br />

Pharmakodynamik beschrieben. Die Wirksamkeit einer Therapie ist für die <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

durch Senkung der HI-Viruslast und Anstieg der CD4-Zellzahl definiert.<br />

Pharmakodynamische Interaktionen beeinhalten, dass mehrere Pharmaka potenzierend,<br />

synergistisch, additiv oder antagonistisch in dasselbe biologische System, hier also die<br />

<strong>HIV</strong>-Replikation und seine Folgen für den Organismus, einwirken. Bei Kenntnis der<br />

Wirkmechanismen der beteiligten Substanzen sind diese Effekte meist vorhersagbar.<br />

Unter dem Begriff Pharmakokinetik werden alle Einflüsse des Organismus auf ein<br />

Pharmakon zusammengefasst, die letztlich das Schicksal der Substanz im Organismus<br />

bestimmen. Pharmakokinetische Interaktionen sind oft schwieriger zu erkennen und<br />

beziehen sich auf Alterationen der Absorption, des Transportes, der Verteilung, des<br />

Metabolismus und der Elimination. Dadurch kommt es zu Konzentrationsänderungen<br />

eines Pharmakons in Plasma und Geweben, oft mit der Folge einer Wirkungsverstärkung<br />

oder -abschwächung sowie Änderung des Nebenwirkungsprofils.<br />

Bereits eine Beeinflussung des gastralen pH, eine Komplexbildung, eine Hemmung der<br />

Magenentleerung, die Beeinflussung der gastrointestinalen Motilität oder des intestinalen<br />

Blutflusses kann durch eine Variation der Absorption eine signifikante Veränderung der<br />

Plasmaspiegel einer Substanz zur Folge haben.<br />

Medikamenteninteraktionen, die auf einer Beeinflussung der renalen Elimination durch<br />

Änderung der tubulären Sekretion oder glomerulären Funktion beruhen, spielen in Bezug<br />

auf die antiretrovirale Therapie eine untergeordnete Rolle. Lediglich für Nukleosidanaloga


ist mit einer gewissen Beeinflussung durch eine Komedikation mit Probenecid,<br />

Trimethoprim oder Aminoglykosid-Antibiotika zu rechnen.<br />

Dagegen kommt in der <strong>HIV</strong>-Therapie der Alteration des Transmembrantransportes und<br />

des Metabolismus durch Arneimittelinteraktionen eine große Bedeutung zu. Wesentlich<br />

beteiligt sind hier das Cytochrom P-450-System in der Darmmukosa und in der Leber<br />

sowie das P-Glykoprotein.<br />

Betroffen hiervon sind vor allem NNRTI und PI.<br />

Cytochrom P450<br />

Der für viele Pharmaka entscheidende hepatische Metabolismus erfolgt in einer Phase I -<br />

Reaktion vorwiegend als Oxidation am Cytochrom P450-Enzymsystem (CYP) des<br />

endoplasmatischen Retikulums. Die weitere Metabolisierung durch eine Phase II-Reaktion<br />

besteht z. B. aus einer Konjugation mit Schwefelsäure oder Glucuronsäure, die eine<br />

Ausscheidung des Substrates ermöglicht.<br />

Das mikrosomale Cytochrom P450-Enzymsystem mit über 70 Isoenzymen<br />

unterschiedlicher Genfamilien spielt eine bedeutende Rolle im Arzneimittel-Metabolismus.<br />

Besondere Bedeutung kommt den Isoenzymen CYPIA2, CYPIIC9, CYPIIC19, CYPIID6,<br />

CYPIIE1 und CYPIIIA4 zu, wobei über 50% des CYP-Gehaltes der Leber durch CYPIIIA4<br />

gebildet wird. Eine Auswahl wichtiger Substrate ist Tabelle 1 zu entnehmen.<br />

CYP IIIA4 CYP IID6 CYP IIC19<br />

Clarithromycin Codein Diazepam<br />

Cyclosporin Haloperidol Omeprazol<br />

Dapson Imipramin Proguanil<br />

Efavirenz Methadon<br />

Erythromycin Morphin<br />

Etravirin Paroxetin<br />

Fentanyl Propafenon<br />

Midazolam Tropisetron<br />

Nifedipin<br />

Östrogene<br />

Prednison<br />

Proteaseinhibitoren<br />

Sildenafil<br />

Tacrolimus<br />

Therapie<br />

59


Therapie<br />

60<br />

CYP IIC9 CYP IA2 CYP IIE1<br />

Celecoxib Coffein Äthanol<br />

Diclofenac Theophyllin Halothan<br />

Tab. 1: Substrate wichtiger Cytochrom P450 Isoenzyme (Auswahl)<br />

Cytochrom P450 kann durch Fremdstoffe (z. B. Pharmaka, auch Nahrungsbestandteile<br />

wie Grapefruitsaft-Komponenten), Hormone und Metabolite in seiner Aktivität moduliert<br />

werden. Eine Enzyminduktion führt zu einer erhöhten Clearance von Cytochrom P450 -<br />

abhängigen Pharmaka, was in der Regel mit einer verkürzten Halbwertszeit und<br />

niedrigeren Plasmakonzentrationen einhergeht. Die Inhibition des Enzymsystems geht<br />

umgekehrt mit einer Verringerung der Clearance, einer Verlängerung der Halbwertszeit<br />

und höheren Plasmaspiegeln einher. Tabelle 2 zeigt Inhibitoren und Induktoren einzelner<br />

Cytochrom P450-Isoenzyme.<br />

Inhibitor<br />

CYP-<br />

Isoenzym<br />

Induktor<br />

CYP-<br />

Isoenzym<br />

Amprenavir IIIA4 Carbamazepin IIIA4, IA2<br />

Atazanavir IIIA4 Efavirenz IIIA4<br />

Ciprofloxacin IA2 Johanniskraut IIIA4<br />

Clarithromycin IIIA4, IA2 Nevirapin IIIA4<br />

Fluconazol IIIA4, IIC19 Phenytoin IIIA4, IA2<br />

Indinavir IIIA4 Phenobarbital IIIA4, IA2<br />

traconazol IIIA4 Rauchen IA2<br />

Ketoconazol IIIA4 Rifampicin IIIA4, IIC19<br />

Lopinavir IIIA4 Rifabutin IIIA4<br />

Naringin (Grapefruitsaft) IIIA4 Ritonavir IA2<br />

Nelfinavir IIIA4 Tipranavir IIIA4<br />

Omeprazol IIC19<br />

Paroxetin IID6, IA2<br />

Ritonavir IIIA4<br />

Saquinavir IIIA4<br />

Tipranavir IIIA4<br />

Tab. 2: Wichtige Cytochrom P-450-Inhibitoren und -Induktoren<br />

Medikamente, die intensiv am Cytochrom P450 System (häufig handelt es sich um das<br />

Cytochrom P450IIIA4 - Isoenzym) verstoffwechselt werden, sind vielfältigen Interaktionen<br />

mit anderen Pharmaka unterworfen. Dies führt dazu, dass die Plasmakonzentrationen der<br />

verschiedenen Pharmaka intra- und interindividuell außerordentlich stark schwanken


können. Zu niedrige Plasmaspiegel sind häufig mit einem Wirkverlust der betreffenden<br />

Substanz, zu hohe Konzentrationen mit einer vermehrten Toxizität assoziiert.<br />

Allgemein werden pharmakokinetische Interaktionen für klinisch relevant erachtet, wenn<br />

eine zumindest 30%ige Änderung in der maximalen oder minimalen Substanz-<br />

Konzentration oder eine entsprechende Änderung der Fläche unter der Konzentrations-<br />

Zeit-Kurve (Area under curve = AUC) resultiert.<br />

Medikamenten-Wechselwirkungen am Cytochrom P-450-System sind allerdings nicht<br />

ausschließlich unerwünscht, sie können, gerade im Rahmen einer HAART, auch<br />

therapeutisch genutzt werden ('Ritonavir-Booster', s. u.). Veränderungen der Aktivität des<br />

Cytochrom P450 - Systems spielen nicht nur im Arneimittelmetabolismus in der Leber,<br />

sondern bereits in der Darmwand in Rolle. So wird die Konzentrationserhöhung von<br />

Saquinavir durch Ritonavir oder auch Grapefruitsaftkomponenten zum erheblichen Teil<br />

auf eine CYPIIIA4-Inhibition in der intestinalen Mukosa zurückgeführt.<br />

p-Glykoprotein<br />

P-Glykoprotein (P-GP) stellt ein wichtiges zelluläres Transportprotein dar. Es ist ein<br />

Produkt des multi drug resistance 1 (MDR 1) - Gens und wirkt ATP-abhängig als zelluläre<br />

"Efflux-Pumpe". P-Glykoprotein weist eine hohe Substratspezifität für diverse, strukturell<br />

unterschiedliche Pharmaka auf und kommt in verschiedenen epithelialen Zellen u.a. des<br />

Endothels, im Darm, in der Niere, der Leber oder in Lymphozyten vor. Es wurde gezeigt,<br />

dass u. a. <strong>HIV</strong>-Protease-Inhibitoren (PI) Substrate von P-GP sind.<br />

Im Gastrointestinaltrakt bewirkt P-Glykoprotein eine verminderte Absorption durch<br />

Zurückpumpen von Pharmaka in das Darmlumen. In der Leber führt P-GP zu einer<br />

verstärkten Elimination in die Galle, in der Niere wird die renale Elimination gefördert.<br />

Daneben wird P-GP im Bereich der Blut-Hirn-Schranke exprimiert und wirkt hier einer<br />

intracerebralen Penetration von Substanzen entgegen.<br />

Das Ausmaß der zellulären Expression entscheidet über die intrazelluläre Akkumulation<br />

des Wirkstoffes. So konnten bei einer erhöhten Expression von P-GP erniedrigte Spiegel<br />

von Saquinavir und Ritonavir in PBMC (peripheral blood mononuclear cells) <strong>HIV</strong>-infizierter<br />

Patienten gemessen werden.<br />

Der Polymorphismus des MDR1-Gens (C3435T des Exon 26) korreliert mit der<br />

Expression von P-GP, wobei Homozygote des T-Allels eine signifikant geringere<br />

Expression des P-GP zeigen als Homozygote für das C-Allel. Bei Afrikanern überwiegt<br />

das homozygote C Allel, während Europäer zu je 25% homozygot für T bzw. C sind, und<br />

zu 50% das heterzygote Allel vorliegt.<br />

P-GP-Substrate sind u. a. diverse Zytostatika, Digoxin, Chinidin, Cyclosporin A,<br />

Tacrolimus, Ondansetron, Loperamid, Erythromycin, Levofloxacin, Dexamethason,<br />

Atorvastatin, Lovastatin, Diltiazem, Verapamil, Terfenadin, Ranitiden, Losartan, Morphin,<br />

Phenytoin oder Rifampicin. P-GP kann induziert oder inhibiert werden. Damit scheint eine<br />

direkte Einflussnahme auf den intrazellulären Wirkspiegel möglich.<br />

Therapie<br />

61


Therapie<br />

62<br />

Pharmakokinetische Charakteristika<br />

antiretroviraler Medikamente<br />

Die Pharmakokinetik der einzelnen antiretroviralen Substanzen zeigt zwischen den<br />

Wirkstoffklassen, aber auch innerhalb dieser Klassen erhebliche Unterschiede (Tab 3 und<br />

4). Dies betrifft auch ihr Interaktionspotenzial.<br />

Wirkung Generic<br />

(Kürzel)<br />

FI<br />

CCR5-I<br />

NRTI<br />

NRTI<br />

NRTI<br />

NRTI<br />

Enfuvirtide (T-<br />

20)<br />

Maraviroc<br />

(MVC)<br />

Abacavir<br />

(ABC)<br />

Didanosin<br />

(ddI)<br />

Emtricitabin<br />

(FTC)<br />

Lamivudin<br />

(3TC)<br />

Handelsname Proteinbdg.<br />

(%)<br />

Fuzeon® 97 - 98<br />

T1/2<br />

(h)<br />

3,8 ±<br />

0,6<br />

Spitzenspiegel<br />

(ng/ml)<br />

Talspiegel<br />

(ng/ml)<br />

4.700 ± 500 1.400 ± 300<br />

Celsentri® 76 13,2 600 - 1.200 40 - 80<br />

Ziagen® ~ 50 20,5 * *<br />

Videx® < 5<br />

25 -<br />

40<br />

* *<br />

Emtriva® < 5 39 * *<br />

Epivir® < 35 12 * *<br />

NRTI Stavudin (d4T) Zerit® < 5 3,5 * *<br />

NRTI<br />

NRTI<br />

NtRTI<br />

NNRTI<br />

NNRTI<br />

Zalcitabin<br />

(ddC)<br />

Zidovudin<br />

(ZDV, AZT)<br />

Tenofovir<br />

(TDF)<br />

Efavirenz<br />

(EFV)<br />

Nevirapin<br />

(NVP)<br />

<strong>HIV</strong>ID® < 4 1 -3 * *<br />

Retrovir® 34 - 38 3 * *<br />

Viread® < 0,7 - 7,2<br />

Sustiva® > 99<br />

Viramune® ~ 60<br />

12 -<br />

18<br />

40 -<br />

55<br />

25 -<br />

30<br />

* *<br />

4.000 ± 1.100<br />

5.700<br />

NNRTI Etravirin (ETV) Intelence® 99,9 30-40 600 300<br />

II<br />

Raltegravir<br />

(RGV)<br />

Isentress® 83 9 2.050 65<br />

FI = Fusions-Inhibitor<br />

CCR5-I = CCR5-Korezeptor-Inhibitor<br />

NRTI = Nukleosidischer Reverse Transkriptase-Inhibitor<br />

NtRTI = Nukleotidischer Reverse Transkriptase-Inhibitor<br />

NNRTI = Nicht Nukleosidischer Reverse Transkriptase-Inhibitor<br />

1.700 ±<br />

1.000<br />

4.500 ±<br />

1.900


II = Integrase-Inhibitor<br />

* = Prodrugs, intrazelluläre Konzentration entscheidend<br />

Tab. 3: Charakteristika von Fusions-Inhibitoren, CCR5-Inhibitoren, Reverse Transkriptase-<br />

Inhibitoren und Integrase-Inhibitoren<br />

Fusionsinhibitoren (FI)<br />

Der einzige Fusions-Inhibitor, Enfurvitid, ist kein CYP-Substrat und beeinflusst dieses<br />

auch nicht. Daher spielen Wechselwirkungen hier keine Rolle.<br />

Es wird erwartet, dass Enfurvitid als Peptid in einem katabolen Prozess in seine<br />

Aminosäuren verstoffwechselt wird, wobei nachfolgend eine Wiederverwertung der<br />

Aminosäuren in der Gesamtkörperbilanz erfolgt.<br />

Nukleosidische Reverse Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) / Nukleotidische Reverse<br />

Transkriptase-Inhibitoren (NtRTI)<br />

Nukleosidische Reverse Transkriptase Inhibitoren werden durch Phosphorylierung erst<br />

intrazellulär in ihre wirksame Form überführt. Plasmakonzentrationen von NRTI<br />

korrelieren daher nicht mit Wirksamkeit (Kappelhoff et al. 2004). Eine Korrelation zur<br />

Wirksamkeit konnte dagegen mit intrazellulären Konzentrationen der entsprechenden<br />

Triphosphate nachgewiesen werden. Die Messung intrazellulärer NRTI-Konzentrationen<br />

ist allerdings methodisch sehr aufwendig und nicht etabliert.<br />

Die in der ART eingesetzten NRTI Abacavir, Azidothymidin, Didanosin, Emcitricitabin,<br />

Lamivudin, Stavudin und Tenofovir werden weder nennenswert am Cytochrom P450-<br />

System metabolisiert noch induzieren oder inhibieren sie die CYP-Enzyme. Es ist deshalb<br />

bei Kombination mit diesen Substanzen nicht mit relevanten Wechselwirkungen zu<br />

rechnen.<br />

Eine Ausnahme stellt die Kombination von Tenofovir mit Didanosin dar, hier muss die DDI-<br />

Dosierung von 400 mg/d auf 250 mg/d reduziert werden (s. u.).<br />

Die Ausscheidung erfolgt in erster Linie renal. Wechselwirkungen sind daher mit<br />

Substanzen möglich, die die renale Clearance oder die intrazelluläre Phosphorylierung<br />

beeinflussen (z. B. Amphotericin B, Cidofovir, Foscarnet, Tobramycin).<br />

Nicht Nukleosidische Reverse Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI)<br />

Im Gegensatz zu NRTIs werden NNRTIs nicht in die provirale DNA inkorporiert, sondern<br />

binden direkt und nicht-kompetitiv an die Reverse Transkriptase. Durch eine<br />

Komplexbildung wird eine katalytisch aktive Bindungsstelle des Enzyms blockiert.<br />

NNRTI werden intestinal gut und gleichmäßig resorbiert und erreichen eine<br />

Bioverfügbarkeit von 85 - 95%. Interindividuell können jedoch erhebliche Schwankungen<br />

auftreten. Die Metabolisierung erfolgt unter wesentlicher Beteiligung des Cytochrom P450<br />

Systems, weshalb es zu klinisch relevanten Interaktionen mit PI und anderer<br />

Begleitmedikation kommen kann (Smith et al., 2001).<br />

Die Halbwertszeiten der in Deutschland zugelassenen NNRTI Nevirapin (NVP), Efavirenz<br />

(EFV) und Etravirin (ETV) sind relativ lang (s. Tab. 3). Dies ermöglicht einerseits eine<br />

einmal (bis zweimal) tägliche Einnahme, andererseits können Arzneimittel-Interaktionen<br />

einen längerfristigen Einfluss auf die Plasmakonzentrationen der Substanzen haben.<br />

Efavirenz und Nevirapin sind moderate Induktoren von CYPIIIA4, sie induzieren hier auch<br />

Therapie<br />

63


Therapie<br />

64<br />

ihren eigenen Metabolismus. Auf CYPIIC9 und CYPIIC19 wirkt Efavirenz dagegen leicht<br />

inhibitorisch, weshalb es bei Substraten dieser Isoenzyme zu einer (meist geringen)<br />

Konzentrationssteigerung kommen kann. Etravirin ist ein Substrat und schwacher Induktor<br />

von CYPIIIa4 sowie Substrat und schwacher Inhibitor von CYPIIC9 und CYPIIC19.<br />

Protease-Inhibitoren (PI)<br />

Die Hemmung der viral codierten <strong>HIV</strong>-Protease, die das gag-pol-Polyprotein in seine<br />

Untereinheiten spaltet, führt zu einer Reifungshemmung der Viruspartikel, die somit nicht<br />

mehr infektiös sind.<br />

Die antivirale Aktivität von Protease-Inhibitoren ist gut korreliert mit der<br />

Plasmakonzentration der Substanzen (Kappelhoff et al. 2004). Die derzeit verfügbaren PI<br />

Atazanavir, Darunavir, Fosamprenavir, Indinavir, Lopinavir, Ritonavir, Saquinavir und<br />

Tipranavir unterliegen einem besonders ausgeprägten CYP-Metabolismus und sind<br />

außerdem in unterschiedlichem Ausmaß P-Glykoprotein-Substrate. Am CYP-System<br />

wirken sie vor allem inhibierend, an einigen Isoenzymen aber auch induzierend. Daher<br />

sind Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten in dieser Substanzklasse besonders<br />

häufig.<br />

Jeder PI hat sein eigenes Profil bezüglich seines CYP-Metabolismus und seiner CYPinhibierenden<br />

oder -induzierenden Eigenschaften. Prinzipiell werden alle Substanzen<br />

jedoch am CYP3A4 metabolisiert. Dieses CYP-Isoenzym wird auch in unterschiedlichem<br />

Ausmaß von den PI inhibiert, wobei Ritonavir die höchste inhibitorische Aktivität besitzt<br />

(>> Atazanavir > Indinavir = Amprenavir > Saquinavir). Diese wird seit einiger Zeit in der<br />

Durchführung einer PI-haltigen HAART regelmäßig therapeutisch genutzt: Ritonavir<br />

verbessert auch in geringer Dosierung (100-200 mg/d) dank seiner ausgeprägten CYP-<br />

Inhibition die Pharmakokinetik gleichzeitig gegebener anderer PI, sodass diese überhaupt<br />

erst ausreichend wirksam sind bzw. in geringerer Dosierung und/oder größerem zeitlichen<br />

Abstand verabreicht werden können.<br />

Dieser 'Booster-Effekt' führt zu einer erheblichen Verbesserung eines PI-haltigen HAART-<br />

Regimes und über die Verminderung der 'Pillenlast' auch der Therapie-Adhärenz.<br />

Ritonavir führt neben seiner CYP3A4-Inhibition auch zu einer CYP2D6-Inhibition,<br />

daneben induziert Ritonavir CYP1A2.<br />

Tipranavir, ein nicht-peptidischer PI, ist im Gegensatz zu den anderen Protease-<br />

Inhibitoren vornehmlich ein CYP3A4-Induktor.<br />

Wirkung Generic (Kürzel) Handelsname Proteinbdg.<br />

(%)<br />

PI<br />

Fosamprenavir<br />

(FAPV)<br />

T1/2<br />

(h)<br />

Spitzenspiegel<br />

(ng/ml)<br />

Talspiegel<br />

(ng/ml)<br />

Telzir® 90 ~ 7 6.800 2.100<br />

PI Darunavir (DRV) Prezista® 95 15 5.200 ± 1.600<br />

PI Atazanavir (ATV) Reyataz® 87 > 12 5.000 ± 2.000<br />

PI Indinavir (IDV) Crixivan® 60 - 65<br />

1,5 -<br />

2<br />

2.200 ±<br />

1.100<br />

2.000 ±<br />

1.000<br />

9.000 ± 2.900 180 ± 130


PI<br />

Lopinavir/RTV<br />

(LPV/r)<br />

PI Nelfinavir (NFV) Viracept® > 98<br />

Kaletra® 98 - 99 5 - 6 9.600 ± 4.400<br />

3,5 -<br />

5<br />

5.500 ±<br />

4.000<br />

4.000 ± 800 700 ± 400<br />

PI Ritonavir (RTV) Norvir® 89 -99 3 - 5 11.200 ± 3.600<br />

PI<br />

Saquinavir<br />

(SQV)<br />

3.700 ±<br />

2.600<br />

Invirase® 98 ~ 4 1.200 230<br />

PI Tipranavir (TPV) Aptivus® > 99,9 5 - 6 60 -100 µg/ml<br />

PI = Protease-Inhibitor<br />

* = Dosierung bei nicht vorbehandelten Patienten. Dosierung bei vorbehandelten<br />

Patienten 2 x 600 mg + 2 x 100 RTV<br />

Tab. 4: Charakteristika von Protease-Inhibitoren<br />

20 - 45 µg/<br />

ml<br />

CCR5- Korezeptor-Inhibitoren (CCR5-I)<br />

Maraviroc ist der bislang einzige zugelassene CCR5-Inhibitor. Die Substanz ist ein<br />

Substrat des CYP P450 3A4-Isoenzyms und kann durch Stoffe, die dieses CYP-Isoenzym<br />

induzieren oder inhibieren, in seiner Pharmakokinetik erheblich verändert werden. Daher<br />

wird eine Dosisanpassung von Maraviroc empfohlen, wenn gleichzeitig CYP3A4-<br />

Induktoren oder -inhibitoren gegeben werden.<br />

Nur unwesentlich zum Metabolismus von Maraviroc tragen die CYP-Isoenzyme CYP2C9,<br />

CYP2D6 und CYP2C19 bei.<br />

Studien an Lebermikrosomen und rekombinanten Enzymsystemen haben gezeigt, dass<br />

Maraviroc in klinisch relevanten Konzentrationen die CYP-Isoenzyme 1A2, 2B6, 2C8,<br />

2C9, 2C19, 2D6 und 3A4 nicht inhibiert.<br />

Integrase-Inhibitoren (II)<br />

Raltegravir wurde vor kurzer Zeit als erster Integrase-Inhibitor eingeführt. Der Wirkstoff<br />

wird nicht am CYP-System metabilisiert und führt weder zu einer Induktion von CYP3A4<br />

noch zu einer Inhibition der wichtigsten Cytochrom P450-Isoenzyme 1A2, 2B6, 2C8, 2C9,<br />

2C19, 2D6 oder 3A.<br />

Wie Studien mit Isoform-selektiven chemischen Hemmsubstanzen und cDNAexprimierten<br />

UDP-Glucuronosyltransferasen (UGT) gezeigt haben, wird Raltegravir<br />

hauptsächlich über die Glucuronosyltransferase 1A1 zum Raltegravir-Glucuronid<br />

abgebaut. Wesentliche Interaktionen mit Substanzen, die einem CYP-Metabolismus<br />

unterliegen, sind demnach nicht zu erwarten.<br />

Aus praktischen Erwägungen heraus erscheint es sinnvoll, pharmakologische<br />

Interaktionen zwischen den einzelnen <strong>HIV</strong>-Therapeutika selbst und solche zwischen<br />

antiretroviraler und sonstiger Medikation separat zu betrachten.<br />

Therapie<br />

65


Therapie<br />

66<br />

Pharmakologische Interaktionen zwischen antiretroviralen<br />

Substanzen<br />

Pharmakologische Interaktionen antiretroviraler Pharmaka mit NRTIs/NtRTIs sind<br />

insgesamt eher selten.<br />

Mit dem breiten Einsatz von Tenofovir sind jedoch überraschenderweise verschiedene<br />

Interaktionen offenkundig geworden, mit denen aufgrund des pharmakokinetischen Profils<br />

der Substanz nicht gerechnet worden war. So kommt es in Kombination mit Didanosin zu<br />

einer Erhöhung der Didanosin-Konzentrationen um fast 50%, weshalb eine<br />

Dosisreduktion von 400 mg auf 250 mg Didanosin erfolgen sollte, um eine vermehrte<br />

Didanosin-Toxizität zu verhindern (s.o.).<br />

Hingegen werden die Plasmakonzentrationen von Atazanavir um ca. 25% vermindert.<br />

Daher sollte bei Kombination mit Tenofovir Atazanavir nur in 'geboosteter' (s. o.) Form<br />

zusammen mit Ritonavir gegeben werden.<br />

Die NNRTI Efavirenz, Etravirin und Nevirapin sind Substrate von CYPIIIA4 und haben<br />

eine überwiegend induzierende Wirkung auf dieses Isoenzym.<br />

Nevirapin senkt die Plasmakonzentrationen von Lopinavir, Indinavir und Saquinavir<br />

deutlich, geringfügig die von Ritonavir, während die Konzentrationen von Nelfinavir etwas<br />

ansteigen (Tab. 5). Die Nevirapin-Konzentrationen bleiben weitgehend unbeeinflusst.<br />

Nevirapin<br />

Efavirenz<br />

Saquinavir Ritonavir Indinavir Nelfinavir Fosamprenavir<br />

SQV↓ 25% NVP<br />

↔<br />

SQV↓ 62% EFV↓<br />

12%<br />

RTV↓ 15%<br />

NVP ↔<br />

RTV↑ 18%<br />

EFV↓ 21%<br />

Etravirin SQV ↓ 5% ETV ↓ 46%<br />

IDV↓ 28%<br />

NVP ↔<br />

NFV↑ 10%<br />

NVP↓ 10%<br />

IDV↓ 31% NFV↑ 20% APV↓ 36%<br />

IDV ↓ 46%<br />

ETV ↑50%<br />

? APV ↑ 69%<br />

Lopinavir Atazanavir Darunavir Tipranavir<br />

Nevirapin LPV↓ 55% ATV↓ (?) DRV ↔ NVP ↑ 27% ?<br />

Efavirenz LPV↓ 40% EFV↔ ATV↓ 74% EFV↔<br />

Etravirin<br />

LPV ↓ 20% ETV ↑<br />

17%<br />

ATV ↓ 14-17% ETV ↑<br />

30%<br />

DRV ↓ 13% EFV ↑<br />

21%<br />

DRV ↑ 6% ETV ↓<br />

37%<br />

?<br />

TPV ↔ EFV ↔<br />

TPV ↑ 18% ETV ↓<br />

76%<br />

Tab. 5: Interaktionen zwischen NNRTI und PI (Fettdruck: klinisch relevante Interaktionen)<br />

Efavirenz induziert oder inhibiert die Aktivität von CYP abhängig von der jeweiligen<br />

Begleitmedikation. Die Konzentrationen von Fosamprenavir, Indinavir, Lopinavir und<br />

Saquinavir werden durch den induzierenden Einfluss von Efavirenz auf CYPIIIA4<br />

abgesenkt, die Konzentrationen von Ritonavir und Nelfinavir steigen um ca. 20% an,<br />

möglicherweise durch Inhibition von CYPIIC9 oder CYPIIC19. Die Efavirenz-


Konzentrationen ändern sich unwesentlich (Tab. 5). Bei einer Kombination von Efavirenz<br />

mit Nevirapin muss mit einer Verminderung der Efavirenz-Exposition um 22% gerechnet<br />

werden.<br />

Die Therapie mit PI ist mit zahlreichen, klinisch bedeutsamen Interaktionen behaftet.<br />

Ritonavir ist einer der potentesten CYP P450-Inhibitoren überhaupt und interagiert<br />

deshalb mit einer großen Zahl von Pharmaka, so auch mit anderen PI und mit NNRTI.<br />

Allerdings ist auch bei den anderen <strong>HIV</strong>-Protease-Inhibitoren mit Wechselwirkungen<br />

untereinander zu rechnen (Tab. 6).<br />

SQV ·<br />

RTV<br />

IDV<br />

NFV<br />

Saquinavir Ritonavir Indinavir Nelfinavir Fosamprenavir<br />

SQV ↑ 2000%<br />

RTV↔<br />

SQV + 400-<br />

700% IDV ↔<br />

SQV↑ 300-<br />

500% NFV↑<br />

20%<br />

SQV ↑ 2000%<br />

RTV↔<br />

SQV ↑ 400-700%<br />

IDV ↔<br />

· IDV↑ 200-500%<br />

IDV↑ 200-500% ·<br />

NFV↑ 150%<br />

RTV↔<br />

FPV APV↓ 32% APV↑ 500%<br />

LPV SQV↑ (%?)<br />

LPV↑ (%?) (fixe<br />

Kombination)<br />

ATV SQV↑ 449% ATV↑ 238%<br />

DRV<br />

SQV ↔ DRV<br />

↓ 26%<br />

DRV ↑ 14000%<br />

IDV↑ 50% NFV↑<br />

80%<br />

APV↑ 33% IDV↓<br />

27%<br />

LPV↑ (%?) IDV ↑<br />

(%?)<br />

Keine<br />

Komedikation<br />

indiziert<br />

IDV ↑ 23% DRV ↑<br />

24%<br />

SQV ↑ 300-<br />

500% NFV↑<br />

20%<br />

NFV↑ 150%<br />

RTV↔<br />

IDV↑ 50%<br />

NFV↑ 80%<br />

APV↓ 32%<br />

APV↑ 500%<br />

APV↑ 33% IDV↓<br />

27%<br />

· APV ↑ 150%<br />

APV ↑ 150% ·<br />

? APV↑ (%?)<br />

? ?<br />

? ?<br />

TPV SQV ↓ 78% TPV ↑ (%?) ? ? APV ↓55%<br />

Lopinavir Atazanavir Darunavir Tipranavir<br />

SQV SQV↑ (%?) SQV↑ 449%<br />

RTV<br />

LPV↑ (%?) (fixe<br />

Kombination)<br />

IDV LPV↑ (%?) IDV ↑ (%?)<br />

SQV ↔ DRV ↓<br />

26%<br />

SQV ↓ 78%<br />

ATV↑ 238% DRV ↑ 14000% TPV ↑ (%?)<br />

Keine Komedikation<br />

indiziert<br />

IDV ↑ 23% DRV ↑<br />

24%<br />

NFV LPV↓ 27% NFV↑ 25%? ? ? ?<br />

FPV APV↑ (%?) ? ? APV ↓55%<br />

?<br />

Therapie<br />

67


Therapie<br />

68<br />

LPV · ?<br />

DRV ↓ 38% LPV<br />

↔<br />

ATV ? · ATV ↔ DRV ↔<br />

DRV DRV ↓ 38% LPV ↔ ATV ↔ DRV ↔ . ?<br />

TPV LPV ↓ 70% TPV ↑ 75% ATV ↓ 70% ? .<br />

LPV ↓ 70%<br />

TPV ↑ 75% ATV ↓<br />

70%<br />

Tab. 6: Interaktionen zwischen Protease-Inhibitoren (Fettdruck: klinisch relevante<br />

Interaktionen)<br />

Zu beachten ist, dass im Rahmen der Einführung neuer Substanzen immer mit neuartigen<br />

Wechselwirkungen zu rechnen ist, weshalb in diesen Fällen eine besonders genaue<br />

Beobachtung von Therapieerfolg einerseits und Nebenwirkungen andererseits angezeigt<br />

ist.<br />

Komplexe, bisher nicht bekannte Interaktionen in der antiretroviralen Therapie können<br />

jedoch auch bei neuartiger Kombination mit bereits bekannten Substanzen, z. B. Doppel-<br />

PI-Medikation in der Salvage-Therapie, auftreten. So wurden unter einer APV/LPV/r-<br />

Therapie sowohl die APV- als auch die LPV-Plasmakonzentrationen deutlich erniedrigt<br />

gefunden.<br />

Raltegravir als derzeit einziger Integrase-Inhibitor wird nicht am CYP-System metabilisiert<br />

und führt weder zu einer Induktion von CYP3A4 noch zu einer Inhibition der wichtigsten<br />

Cytochrom P450-Isoenzyme IA2, IIB6, IIC8, IIC9, IIC19, IID6 oder IIIA (s.o.). Bei<br />

gleichzeitiger Anwendung von geboostertem Atazanavir oder Tipranavir wird ebenso<br />

wenig eine Dosisanpassung empfohlen wie für die Kombination mit Tenofovir und<br />

Efavirenz. Die Datenlage ist insgesamt aber noch begrenzt.<br />

Der CCR5-Inhibtor Maraviroc ist ein Substrat des CYP P450 3A4-Isoenzyms und kann<br />

durch Stoffe, die dieses CYP-Isoenzym induzieren oder inhibieren, in seiner<br />

Pharmakokinetik erheblich verändert werden. So ist die Standarddosierung von 2 x 300<br />

mg/d bei gleichzeitiger Gabe eines Protease-Inhibitors infolge der CYPIIIA4-Hemmung<br />

auf 2 x 150 mg/d zurück zu nehmen. Ausnahmen stellen geboostertes Fosamprenavir und<br />

Tipranavir dar, hier kann die normale Maraviroc-Dosierung gegeben werden.<br />

In Kombination mit NRTIs wurden keine wesentlichen Interaktionen beobachtet, auch bei<br />

Kombination mit Nevirapin ist die Maraviroc-Dosierung 2 x 300 mg/d. Dagegen muss die<br />

Dosierung bei Kombination mit Efavirenz wegen der deutlichen CYPIIIA4-Induktion auf 2 x<br />

600 mg/d erhöht werden.<br />

Für den Fusions-Inhibitor Enfuvirtid sind bislang keine relevanten Arzneimittel-<br />

Interaktionen bekannt.<br />

Pharmakologische Interaktionen zwischen antiretroviralen<br />

Medikamenten und anderen Substanzklassen<br />

Wechselwirkungen zwischen NRTIs/NtRTIs und anderen Substanzen sind vor allem<br />

möglich, wenn die renale Clearance oder die intrazelluläre Phosphorylierung beeinflusst<br />

werden. So kommt es z. B. bei einer Komedikation mit Probenecid zu einer


Ausscheidungshemmung von AZT.<br />

In vitro konnte gezeigt werden, dass Ribavirin die Phosphorylierung von AZT und d4T<br />

herabsetzt. Auf eine Kombination sollte daher, ebenso wie auf die Kombination von DDI<br />

mit Ribavirin, verzichtet werden.<br />

Die NNRTI Efavirenz und Nevirapin sind Substrate des CYP-Systems, beeinflussen seine<br />

Aktivität und haben daher ein erhebliches Interaktionspotenzial.<br />

Nevirapin senkt die Konzentration von Ketonazol um ca. 60% bei gleichzeitiger Nevirapin-<br />

Konzentrationserhöhung um 15-30%, weshalb diese Kombination nicht empfohlen wird.<br />

Zur Komedikation von Efavirenz mit Ketoconazol gibt es kaum Daten, hier muss allerdings<br />

ebenso mit Interaktionen gerechnet werden wie bei einer Kombination von Efavirenz oder<br />

Nevirapin mit Voriconazol.<br />

Die Nevirapin-Konzentration ist unter einer Begleittherapie mit Rifampicin um 20-60%,<br />

unter einer Medikation mit Rifabutin um 16% abgesenkt, was die antivirale Wirksamkeit<br />

von NVP absenken kann. Andererseits ist eine additive Lebertoxizität zu beachten. Unter<br />

Rifampicin ist die Efavirenz-Konzentration um ca. 25% erniedrigt. Es ist deshalb eine<br />

Dosiserhöhung von EFV auf 800 mg/d in Erwägung zu ziehen. Rifabutin verändert die<br />

EFV-Konzentration kaum.<br />

Clarithromycin-Plasmakonzentrationen werden unter NVP um ca. 26%, unter EFV um ca.<br />

39% abgesenkt.<br />

Eine Interaktion zeigt sich auch zwischen oralen Kontrazeptiva und NNRTI. So ist unter<br />

NVP der Ethinylestradiol-Spiegel um 20% erniedrigt. Es sollten daher zum sicheren<br />

Konzeptionsschutz andere oder zusätzliche Maßnahmen angewendet werden. EFV<br />

erhöht hingegen die Estradiol-Spiegel um ca. 37%.<br />

Antikonvulsiva wie Carbamazepin, Phenobarbital oder Phenytoin sollten mit Vorsicht unter<br />

regelmäßiger Kontrolle des Serumspiegels angewendet werden, wenngleich zu<br />

Interaktionen mit NNRTI bislang nur wenige Daten vorliegen. Eine Interaktion von NVP<br />

mit Antikoagulantien wie Warfarin ist dagegen beschrieben; es wird eine Erhöhung der<br />

Warfarindosis empfohlen.<br />

Berücksichtigt werden muss in jedem Fall eine Wechselwirkung mit Methadon. Sowohl<br />

NVP als auch EFV führen zu Erniedrigungen der Methadon-Konzentration, so dass ohne<br />

eine entsprechende Dosisanpassung Entzugssymptome auftreten können.<br />

Etravirin als neu eingeführter NNRTI ist hinsichtlich relevanter Arzneimittel-Interaktionen<br />

noch nicht sehr umfangreich untersucht. Aufgrund seines Metabolismus muss mit<br />

zahlreichen Wechselwirkungen gerechnet werden und ein genaues Monitoring bei<br />

verschiedenster Komedikation erfolgen.<br />

Nicht empfohlen wird eine Kombination mit Diazepam, Johanniskraut-Präparaten, den<br />

Antikonvulsiva Carmamazepin, Phenobarbital und Phenytoin sowie Rifampicin. Vorsicht<br />

ist geboten bei der gleichzeitigen Anwendung von Clarithromycin, Rifabutin,<br />

Dexamethason, diversen Antiarrhythmika, HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren, den<br />

Immunsuppressiva Ciclosporin, Sirolimus und Tacrolimus, sowie den Phosphodiesterase-<br />

Inhibitoren Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil.<br />

Keine Dosisanpassungen werden derzeit für die Komedikation mit Digoxin, Azithromycin,<br />

Azol-Antimykotika, Ribavirin, östrogen- und/oder progesteronhaltigen Kontrazeptiva,<br />

Therapie<br />

69


Therapie<br />

70<br />

Ranitidin, Omeprazol, Methadon und Paroxetin für notwendig gehalten.<br />

Protease-Inhibitoren werden intensiv am CYP-System in der Darmmukosa und in der<br />

Leber metabolisiert, daneben sind sie Substrate des P-Glykoproteins. Pharmakologische<br />

Interaktionen mit anderen Substanzen sind daher geradezu an der Tagesordnung. Dabei<br />

müssen nicht nur Einflüsse der PI auf die Komedikation, sondern auch umgekehrt z. T.<br />

erhebliche Einflüsse der Komedikation auf die PI-Plasmakonzentrationen<br />

Berücksichtigung finden.<br />

Wegen der Vielzahl der Pharmaka und der möglichen Interaktionen ist dabei häufig ein<br />

Rückgriff auf die Medikamenten-Fachinformation, Übersichtsartikel (Aberg 2008, Antoniou<br />

et al. 2002, Dasgupta et al. 2001, de Maat et al. 2003, Piscitelli et al. 2001, Robertson et<br />

al. 2007, Warnke et al. 2007) oder entsprechende pharmakologische Datenbanken<br />

notwendig. Für den Bereich der <strong>HIV</strong>-Therapie relevante Datenbanken finden sich unter:<br />

● http://www.hiv-druginteractions.org<br />

● http://www.hivinsite.com<br />

● http://www.aidsinfo.nih.gov<br />

● http://www.drug-interactions.com<br />

● http://www.hivmedicationguide.com<br />

● http://www.hivpharmacology.com/<br />

An dieser Stelle kann nur exemplarisch auf einige, wichtige Interaktionen eingegangen<br />

werden. Unter einer Begleitmedikation mit Rifampicin ist mit einer drastischen<br />

Verminderung von PI-Plasmakonzentrationen um 80-90% zu rechnen. Diese<br />

Komedikation ist deshalb zu vermeiden, allenfalls kann unter PI-Boosterung mit RTV und<br />

ggf. zusätzlicher Dosisanpassung unter engmaschigem Therapeutischen Drug Monitoring<br />

ein therapeutischer PI-Spiegel erreicht werden.<br />

Rifabutin erniedrigt die PI-Konzentrationen um durchschnittlich ca. 30%, es kommt<br />

allerdings zu einer Erhöhung des Rifabutin-Spiegels um das 2 -4fache. Es ist deshalb<br />

eine Dosisreduktion von Rifabutin auf 1 x 150 mg/d oder 1 x 300 mg dreimal pro Woche<br />

erforderlich.<br />

Ein erhebliches Interaktionspotenzial ist auch bei einer Komedikation mit Statinen zur<br />

Cholesterinsenkung gegeben. Insbesondere ist hier mit einem deutlichen Anstieg der<br />

Statinkonzentration zu rechnen. Dies betrifft vor allem Atorvastatin, Lovastatin und<br />

Simvastatin. Aufgrund ihres weitgehend CYP P450 - unabhängigen Metabolismus ist<br />

diese Interaktion bei Pravastatin und Fluvastatin nur gering ausgeprägt.<br />

Die AUC von Sildenafil ist unter einer Begleitmedikation mit PI um das 2 - 11fache, die<br />

AUC von Vardenafil unter IDV um das 16fache, unter RTV um das 49fache erhöht. Diese<br />

Substanzen sollten deshalb einschleichend mit einer niedrigen Dosis (Sildenafil 25 mg in<br />

48 Stunden, Vardenafil 2,5 mg in 72 Stunden) gegeben werden, daneben eine genaue<br />

Beobachtung unerwünschter Wirkungen erfolgen.<br />

Beachtet werden sollten Interaktionen mit oralen Kontrazeptiva. Überwiegend kommt es<br />

unter PI zur Absenkung von Ethinylestradiol um bis zu 40%, was zusätzliche<br />

Kontrazeptionsmaßnahmen erforderlich macht. IDV und ATV führen jedoch zu einer


Erhöhung der Ethinylestradiol-AUC.<br />

Bei der gleichzeitigen Anwendung von Benzodiazepinen ist mit<br />

Konzentrationserhöhungen dieser Substanzgruppe mit konsekutiver Wirkungsverstärkung<br />

zu rechnen. So kann es z. B. im Rahmen einer Midazolam- Medikation vor<br />

endoskopischen Eingriffen o. ä. zu einer relevanten Atemdepression kommen, weshalb<br />

die Kombination entweder ganz zu vermeiden ist oder die Möglichkeit einer lückenlosen<br />

klinischen Überwachung gegeben sein sollte.<br />

Die Konzentrationen von Methadon werden von den einzelnen PI ebenfalls<br />

unterschiedlich beeinflusst. Erniedrigungen sind unter einer Komedikation mit RTV<br />

beschrieben, ebenso mit FPV. Hier kann es zu Entzugserscheinungen kommen.<br />

Insgesamt existieren hierzu jedoch noch wenige verlässliche Daten, was sicherlich auch<br />

auf das oft schwierige Umfeld dieser Patienten zurückzuführen ist.<br />

Dies trifft auch zu auf die Interaktion von PI mit diversen Designerdrogen. Beschrieben<br />

sind Wechselwirkungen mit u. a. Amphetaminen, Lysergsäurediethylamid (LSD),<br />

Gammahydroxybutyrat (GHB), Ketamin und Phencyclidine (PCP) (Antoniou et al. 2002).<br />

Zu rechnen ist insbesondere mit einer Inhibition des Metabolismus dieser Substanzen mit<br />

der konsekutiven Möglichkeit einer Überdosierung. Die Patienten sollten bei Beginn einer<br />

PI-, aber auch NNRTI-Therapie unbedingt auf diese Gefahren hingewiesen werden.<br />

Allgemein unterschätzt werden pharmakologische Interaktionen diverser Pharmaka mit<br />

Nahrungsbestandteilen und pflanzlichen Arzneimitteln.<br />

So kann der Genuss von Grapefruitsaft über eine Inhibition von CYPIIIA4 in der<br />

Darmmukosa zu einer erheblichen Erhöhung von Saquinavir-Plasmakonzentrationen<br />

führen (s. o.), Indinavir-Spiegel finden sich dagegen eher erniedrigt (26%).<br />

Die Einnahme von Knoblauch kann, überwiegend über eine Hemmung der CYP-Systeme,<br />

in geringerem Ausmaß auch über eine Inhibition des P-GP, erhöhte PI-Wirkspiegel<br />

bewirken.<br />

Besonders intensive Interaktionen bestehen zwischen Johanniskraut (St. John’s wort) und<br />

Protease-Inhibitoren. Über eine Induktion von CYPIIIA4 und eine erhöhte Expression von<br />

P-Glykoprotein resultiert eine deutliche Erniedrigung von PI-Plasmakonzentrationen.<br />

Durch Johanniskraut werden darüber hinaus viele andere CYPIIIA4-Substrate (s. o.) in<br />

ihrer Aktivität beeinflusst.<br />

Da sich PI und NNRTI sehr unterschiedlich in Bezug auf Interaktionen mit diversen<br />

Substanzen verhalten und die Vielfalt möglicher Wechselwirkungen immens ist, sollten<br />

vor Beginn einer Interaktions-wahrscheinlichen Komedikation Interaktionstabellen<br />

(Literatur, Internetadressen s. o.) zu Rate gezogen werden.<br />

Denkbar sind Interaktionen besonders bei Koadministration von Azolantimykotika,<br />

Tuberkulostatika, Makrolidantibiotika, Calciumantagonisten, oralen Kontrazeptiva, CSE-<br />

Inhibitoren, Antiepileptika, Immunsuppressiva, Methadon, Pharmaka zur Therapie der<br />

erektilen Dysfunktion und Johanniskraut-haltigen Präparaten.<br />

Für den Fusions-Inhibitor Enfuvirtid sind bislang keine relevanten Arzneimittel-<br />

Interaktionen bekannt.<br />

Der Integrase-Inhibitor Raltegravir wird hauptsächlich über UGT1A1 verstoffwechselt und<br />

ist weder Substrat noch Induktor oder Inhibitor der CYP-Enzyme, weshalb das<br />

Interaktionspotenzial generell gering ist.<br />

Rifampicin ist allerdings nicht nur ein CYP-Enzym-, sondern auch ein starker UGT1A1-<br />

Therapie<br />

71


Therapie<br />

72<br />

Induktor. Es ist deshalb mit einer Erniedrigung der Raltegravir-Plasmaspiegel zu rechnen.<br />

Ggf. ist eine Verdoppelung der Raltegravir-Dosis vorzunehmen. Die Kombination mit<br />

magensäurehemmenden Medikamenten kann zu einer erheblichen Erhöhung der AUC<br />

von Raltegravir (z. B. 312% unter Omeprazol) führen und sollte deshalb vermieden<br />

werden. Inhibitoren der UGT1A1 (z. B. Atazanavir) können die Raltegravir-Plasmaspiegel<br />

erhöhen.<br />

Bei Komedikation mit Midazolam ist keine Dosisanpassung notwendig.<br />

Interaktionen mit dem CCR5-Inhibitor Maraviroc sind häufig, da die Substanz ein<br />

CYPIIIA4-Substrat ist. Bei Gabe von Rifampicin muss die Maraviroc-Dosierung auf 2 x<br />

600 mg/d erhöht. Eine Komedikation mit Johanniskraut sollte unterbleiben, da mit einem<br />

deutlichen Abfall der Maraviroc-Konzentration zu rechnen ist. Bei gleichzeitiger<br />

Behandlung mit Clarithromycin, Telithromycin, Ketoconazol oder Itraconazol ist die<br />

Maraviroc-Dosierung auf 2 x 150 mg/d zurück zu nehmen. Keine Dosisanpassung ist<br />

erforderlich bei Komedikation mit Sulfamethoxazol/Trimethoprim, Fluconazol, HCV-<br />

Therapeutika, Methadon, Buprenorphin, CSE-Inhibitoren, Ethinylestradiol oder<br />

Midazolam. Diese Empfehlungen beruhen allerdings mehr auf Annahmen als auf<br />

durchgeführten pharmakokinetischen Untersuchungen. Vorsicht ist also in jedem Fall<br />

angebracht.<br />

Da in der antiviralen Therapie der <strong>HIV</strong>-Infektion kontinuierlich ausreichende Wirkspiegel<br />

der Medikamente notwendig sind, um die Entstehung von Resistenzmutationen des Virus<br />

zu verhindern, andererseits vielfältige Beeinflussungen dieser Wirkspiegel durch z. B.<br />

pharmakologische Interaktionen möglich sind, sind zusätzliche Instrumente zur<br />

Therapieüberwachung und -optimierung notwendig. Eine Möglichkeit hierzu eröffnet das<br />

Therapeutische Drug Monitoring (TDM).<br />

Literatur:<br />

● Aberg JA. Perspective: Drug-drug interactions with newer antiretroviral agents. Top <strong>HIV</strong><br />

Med 2008; 16: 146-150<br />

● Antoniou T, Lin-in Tseng A. interactions between recreational drugs and antiretroviral<br />

agents. Ann Pharmacother 2002; 36: 1598-1613<br />

● Dasgupta A, Okhuysen PC. Pharmakokinetic and other drug interactions in patients with<br />

AIDS. Ther Drug Monit 2001; 23: 591-605<br />

● de Maat MMR, Ekhart GC, Huitema ADR, Koks CHW et al.. Drug interactions between<br />

antiretroviral drugs and comedicated agents. Clin Pharmacokinet 2003;42: 223-282<br />

● Florida M, Giuliano M, Palmisano L, Vella S. Gender differences in the treatment of <strong>HIV</strong>infection.<br />

Pharmacol Res 2008; 58: 173-182<br />

● Klinker H. Pharmakologische Interaktionen bei der antiretroviralen Therapie.<br />

Arzneimitteltherapie 2005; 23: 80-88<br />

● Piscitelli SC, Gallicano KD. Drug therapy: Interactions among drugs for <strong>HIV</strong> and<br />

opportunistic infections. N Engl J Med 2001; 344: 984-996<br />

● Robertson SM, Penzak SR, Pau A. drug interactions in the management of <strong>HIV</strong><br />

infection: an update. Expert Opin Pharmacother 2007; 8: 2947-2963<br />

● Smith PF, DiCenzo R, Morse GD. Clinical pharmacokinetics of non-nucleoside reverse<br />

transcriptase inhibitors. Clin Pharmacokinet 2001; 40: 893-905<br />

● Warnke D, Barreto J, Temesgen Z. Antiretroviral Drugs. J Clin Pharmacol 2007; 47:<br />

1570-1579


Therapeutisches Drug Monitoring<br />

Hartwig Klinker<br />

Als Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) bezeichnet man die Messung der<br />

systemischen Wirkkonzentration eines Pharmakons und eine auf dieser<br />

Konzentrationsmessung beruhende Dosisanpassung einer Medikation.<br />

Im Bereich der <strong>HIV</strong>-Therapie hat sich ein TDM von Protease-Inhibitoren und Nicht<br />

Nukleosidischen Reverse Transkriptase Inhibitoren als hilfreich erwiesen (Übersichten<br />

Aarnoutse et al. 2003, Clevenbergh et al. 2004, Klinker und Langmann 2003, Rendón et<br />

al. 2005).<br />

Plasmakonzentrationen von NRTI korrelieren unzureichend mit der virologischen<br />

Wirksamkeit, da sie erst intrazellulär in ihre wirksame Form überführt werden müssen.<br />

Eine direkte Beziehung des Erfolgs der antiretroviralen Therapie und der systemischen<br />

Wirkstoffmenge ist dagegen für PI und NNRTI belegt. Andererseits besteht auch ein<br />

Zusammenhang zum Auftreten von toxischen Wirkungen. Daher ist unter klinischen<br />

Bedingungen eine Messung von NNRTI- und PI-Plasmakonzentrationen grundsätzlich<br />

sinnvoll, nicht jedoch ein TDM von NRTI.<br />

Zum TDM von NNRTI und PI stehen vor allem HPLC-basierte Methoden zur Verfügung.<br />

Indikationen<br />

Ein TDM von NNRTI und PI sollte immer dann durchgeführt werden, wenn ein<br />

Wahrscheinlichkeitsprofil für besonders niedrige oder besonders hohe<br />

Wirkstoffkonzentrationen besteht. Es steht somit ein Instrument zur Verfügung,<br />

Risikosituationen für ein Therapieversagen oder eine ART-Toxizität frühzeitig zu erkennen<br />

und zu reagieren, bevor manifeste klinisch-laborchemische Veränderungen auftreten<br />

(Abb. 1).<br />

Therapeutisches Drug Monitoring<br />

ermöglicht eine Orientierung über die individuellen Wirkspiegel<br />

einzelner Medikamente und damit einen<br />

wertvollen Informationsgewinn für die Therapieführung.<br />

Entsprechend der gültigen nationalen Leitlinien (s. www.daignet.de/site-content/hivtherapie/leitlinien-1)<br />

ist eine Medikamentenspiegelkontrolle bei folgenden therapeutischen<br />

Situationen indiziert:<br />

● komplexen Wirkstoffkombinationen und Begleitmedikationen, die zu<br />

Interaktionen führen können<br />

● mangelnder Wirksamkeit eines Wirkstoffes oder einer Wirkstoffkombination (DD<br />

Resistenz)<br />

● Hinweisen auf eine Absorptionsstörung<br />

● dem Auftreten toxischer Effekte<br />

● deutlich eingeschränkter Leberfunktion (z. B. bei chronischer Hepatitis)<br />

Therapie<br />

73


Therapie<br />

74<br />

● Umstellungen von Nahrungsgewohnheiten oder Drogengebrauch<br />

Unterstützend kann ein TDM in der Beurteilung der Therapieadhärenz sein. Sinnvoll<br />

erscheint ein TDM darüber hinaus bei der Einführung jeglicher neuer Substanzen in das<br />

Behandlungsregime, da in dieser Situation immer mit neuen Wechselwirkungen (auch<br />

bisher unbekannten!) zu rechnen ist. Ein Nutzen könnte weiterhin möglich sein im<br />

Rahmen einer HAART bei Kindern oder in der Schwangerschaft.<br />

Ein Drug Monitoring der neuen Substanzen Raltegravir, Etravirin und Maraviroc ist bislang<br />

noch nicht etabliert. Aufgrund des Metabolismus und der bisher bekannten<br />

pharmakokinetischen Kenngrößen erscheint vornehmlich die Bestimmung von Etravirin<br />

und Maraviroc sinnvoll.<br />

Eine besondere Bedeutung kommt einem TDM sicherlich bei der Evaluation<br />

pharmakologischer Interaktionen zu. Es sollte daher besonders bei der Integration neuer<br />

Substanzen in ein Therapieregime Bestandteil der Therapie-begleitenden Diagnostik sein<br />

(s.o.).<br />

Durchführung<br />

Abnahmezeitpunkt<br />

Für die Beurteilung der Wirksamkeit ist der 'Talspiegel' (Blutentnahme am Ende eines<br />

Dosierungsintervalls, in der Regel also vor Einnahme der regulären Morgendosis) der<br />

wichtigste Parameter. Ein effizienter Plasmaspiegel zu diesem Zeitpunkt zeigt an, dass<br />

mutmaßlich über den gesamten Tag eine ausreichende virustatische Wirksamkeit besteht.<br />

Diese ist erforderlich, um nicht eine - auch kurzzeitige - Virusreplikation und damit die<br />

Entwicklung von Resistenzmutationen zu ermöglichen.<br />

Für die Einschätzung des Toxizitätspotentials muss eher der Gesamtverlauf der<br />

Medikamentenspiegel betrachtet werden. Die Durchführung einer kompletten<br />

Pharmakokinetik ist wegen der notwendigen, häufigen Blutentnahmen über 24 Stunden<br />

allerdings sehr aufwendig und im ambulanten Setting kaum durchführbar.<br />

Ein Anhaltspunkt ergibt sich aus einer Bestimmung des Spitzenspiegels.<br />

Diese Information ist zu erhalten aus der zusätzlichen Bestimmung einer PI-/NNRTI-<br />

Plasmakonzentration 1-3 Stunden nach Einnahme der Medikation, was in der Regel<br />

auch unter den Bedingungen eines Ambulanzbetriebes möglich ist. Zusätzlich kann diese<br />

Untersuchung auch Aufschluss über evtl. vorliegende Resorptionsstörungen als Ursache<br />

sehr niedriger Talspiegel geben ("Resorptionstest").<br />

Nach Neubeginn einer Medikation oder Therapieumstellung/-ergänzung dauert es einige<br />

Zeit, bis sich ein Konzentrationsgleichgewicht ("steady state") eingestellt hat. Dies beträgt<br />

ca. 4 - 5 Halbwertszeiten der betreffenden Substanz (bei NNRTI also durchaus 7 -12<br />

Tage!). Dies ist bei der Wahl des Zeitpunktes einer Spiegelmessung zu berücksichtigen,<br />

da ein TDM in der Regel nur im steady state sinnvoll zu beurteilen ist.<br />

Technische Durchführung<br />

Entnahme von ca. 8 ml Vollblut. Zentrifugation bei ca. 4.000 U/min. Überführen des<br />

Serums (mindestens 2 -3 ml) in ein bruchsicheres, eindeutig beschriftetes<br />

Probenröhrchen. Dieses Probenröhrchen einfrieren oder direkt im Sicherheitscontainer<br />

auf dem normalen Postweg einsenden.


Bei der Anforderung sollten neben der Fragestellung die gesamte Medikation, die<br />

Dosierung, der letzte Einnahmezeitpunkt und der genaue Zeitpunkt der Blutentnahme<br />

unbedingt angegeben werden!<br />

Weitere Informationen und Anforderungsformulare sind z. B. zu erhalten unter:<br />

● www.medpoli.uni-wuerzburg.de/hepinf, Wiss. Labor Infektiologie/<br />

Therapeutisches Drug Monitoring, Prof. Dr. Klinker, PD Dr. Langmann, Dr. W.<br />

Heinz, Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum<br />

Würzburg, Haus A4, Oberdürrbacherstr. 6, 97080 Würzburg. Tel.: 0931/201-<br />

40734. Fax: 0931/201-640734<br />

Interpretation<br />

Über die notwendige Höhe ausreichend wirksamer PI- und NNRTI-Plasmaspiegel<br />

herrscht noch keine vollständige Einigkeit.<br />

In vitro-Daten zur notwendigen minimalen Höhe von PI-Plasmakonzentrationen können<br />

nur sehr bedingt auf die Situation in vivo übertragen werden. Zu berücksichtigen ist<br />

insbesondere, dass bei <strong>HIV</strong>-Infizierten in der Regel nicht allein HI-Wildvirus, sondern eine<br />

heterogene Viruspopulation vorliegt mit entsprechend eingeschränkter Sensitivität<br />

gegenüber einer antiretroviralen Therapie. Die notwendige Wirkstoffkonzentration kann<br />

also je nach individueller Resistenzsituation unterschiedlich sein (ggf. zusätzliche<br />

Durchführung eines Resistenztest!).<br />

Therapieziel ist ferner eine Absenkung der HI-Viruslast unter die Nachweisgrenze von 10-<br />

20 Kopien/ml, im Idealfall eine vollständige Hemmung der Virusreplikation. Aus diesem<br />

Grund ist die Angabe einer IC95 (erforderliche Konzentration eines Medikamentes, um die<br />

Virusreplikation um 95% zu reduzieren) nur von begrenzter Aussagekraft.<br />

Wiederholt wurde zur Beurteilung der "Potenz" eines antiretroviralen Pharmakons die<br />

Angabe des "IQ" = Inhibitorischer Quotient vorgeschlagen. Dieser stellt den Quotienten<br />

aus der im Konzentrations-Zeit-Verlauf minimalen Plasmakonzentration (Cmin) und der<br />

notwendigen inhibitorischen Konzentration (IC50, 90 oder 95) dar.<br />

Die konkrete Verwendung des inhibitorischen Quotienten ist allerdings aus mehreren<br />

Gründen problematisch. So ist die Bestimmung von Cmin und IC50-95 abhängig von den<br />

angenommenen Voraussetzungen, der Methode und den statistischen Verfahren. Es<br />

kann daher für ein Medikament eine Vielzahl verschiedener Annahmen zum Cmin/IC50-<br />

95-Verhältnis gemacht werden. Da bislang keine Standardisierung der Daten erfolgte,<br />

können "best case" und "worst case" erheblich differieren (z. T. bis zum Faktor 120!!). Es<br />

ist deshalb nicht verwunderlich, dass von den Pharmafirmen der IQ "ihres" Medikamentes<br />

jeweils als mit Abstand am besten dargestellt wird.<br />

Aufgrund der obigen Ausführungen sollten Plasmakonzentrationen angestrebt werden, die<br />

um ein Mehrfaches über der aus in vitro Versuchen ermittelten IC95 liegen. Im Falle von<br />

PI-Therapien ist dies in der Regel nur mit einer Ritonavir-haltigen Kombination erreichbar.<br />

Allerdings bestehen noch einige Limitationen bei der Interpretation von NNRTI-und PI-<br />

Plasmakonzentrationen.<br />

Hier sind die erheblichen intraindividuellen Schwankungen der Plasmakonzentrationen<br />

trotz gleich bleibender Medikation, die noch nicht hinreichend definierten therapeutischen<br />

Therapie<br />

75


Therapie<br />

76<br />

Bereiche und auch die Variation der Plasmaeiweiß-Bindung zu nennen.<br />

Daher sind Dosisanpassungen aufgrund von Plasmakonzentrationsmessungen von PI<br />

und NNRTI noch mit Vorsicht durchzuführen.<br />

Aufgrund der publizierten pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Daten und<br />

der Auswertung eigener Ergebnisse (ca. 30.000 untersuchte Proben) halten wir derzeit<br />

folgende minimale PI-/NNRTI - Konzentrationen (Talspiegel) unter klinischen<br />

Bedingungen für erreichbar und ausreichend effizient:<br />

PI/NNRTI<br />

PI<br />

Untere Grenze (ng/<br />

ml)<br />

Amprenavir (APV) 750 2.500<br />

Atazanavir (ATV) 150 1.000<br />

Darunavir (DRV) 2.400 4.600<br />

Indinavir (IDV) 300 800<br />

Lopinavir (LPV) 3.500 6.000<br />

Nelfinavir (NLV) 1.000 2.500<br />

Saquinavir (SQV) 100 800<br />

Tipranavir (TPV) 20.000 45.000<br />

NNRTI<br />

Efavirenz (EFV) 1.000 4.000<br />

Nevirapin (NVP) 3.000 5.000<br />

Obere Grenze (ng/<br />

ml)<br />

Diese Angaben sind als Richtwerte zu verstehen. Bei Plasmakonzentrationen im<br />

angegebenen Bereich sind eine ausreichende Wirksamkeit bei Vorliegen von HI-Wildvirus<br />

und ein 'normales' Nebenwirkungsprofil zu erwarten.<br />

Bei Plasmakonzentrationen unterhalb des als 'untere Grenze' angegebenen Wertes ist mit<br />

häufigerem Therapieversagen zu rechnen. Plasmakonzentrationen oberhalb des als<br />

'obere Grenze' angegebenen Wertes erhöhen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten<br />

von unerwünschten Wirkungen.<br />

Bei Vorliegen von Resistenzmutationen können erheblich höhere Plasmakonzentrationen<br />

erforderlich sein. Hier ist im Einzelfall abzuwägen, ob eine Dosiserhöhung die<br />

Wirksamkeit wiederherstellen kann und vom Nebenwirkungsprofil her vertretbar ist oder<br />

ein Umsetzen der Medikation erfolgen muss.<br />

Weitere Erfahrungen, insbesondere mit komplexen und/oder neuen Substanz-<br />

Kombinationen, können durchaus eine Korrektur der angegebenen Werte erforderlich<br />

machen. Derzeit erlaubt es die Datenlage noch nicht, PI-Plasmakonzentrationen auf<br />

bestimmte Werte 'einzustellen', wie es z. B. bei Immunsuppressiva- oder Antibiotika-<br />

Spiegeln möglich ist.


Die Interpretation von Plasmakonzentrationen erfordert immer eine Gesamtbetrachtung<br />

des Krankheitsgeschehens, der Komedikation, der (mutmaßlichen)<br />

Compliance und der Resistenzsituation.<br />

Es ist wird von großem Nutzen sein, TDM in der antiretroviralen Therapie in Verbindung<br />

mit virologischen und klinischen Endpunkten in weiteren Studien zu untersuchen.<br />

Abb. 1: Klinische Einsatzmöglichkeiten von TDM<br />

Literatur:<br />

● Aarnoutse RE, Schapiro JM, Boucher CA et al.. Therapeutic drug monitoring:<br />

an aid to optimising response to antiretroviral drugs? Drugs 2003; 741-753<br />

● Clevenbergh P, Mouly S, Sellier P et al.. Improving <strong>HIV</strong> infection management<br />

using antiretroviral plasma drug levels monitoring: a clinicians point of view.<br />

Curr <strong>HIV</strong> Res 2004; 2: 309-321<br />

● Kappelhoff BS, Crommentuyn KM, de Maat MM et al.. Practical guidelines to<br />

interpret plasma concentrations of antiretroviral drugs. Clin Pharmacokinet<br />

2004; 43: 845-853<br />

● Klinker H, Langmann P. Therapeutisches Drug Monitoring in der <strong>HIV</strong>-Therapie.<br />

In: H. Jäger (Hrsg.): AIDS und <strong>HIV</strong>-Infektionen. Handbuch und Atlas für Klinik<br />

und Praxis. Ecomed Verlagsgesellschaft 1987ff (2003), II - 5.3, 1-18<br />

● Rendón AL, Núòez M, Jiménez-Nácher I et al.. Clinical benefit of interventions<br />

driven by therapeutic drug monitoring. <strong>HIV</strong> Medicine 2005; 6: 360-365<br />

Therapie<br />

77


Therapie<br />

78<br />

Neue Antiretrovirale Substanzen<br />

Dieses Kapitel ist nur in der Internet-Version, damit wir gewährleisten können, dass nur<br />

die aktuellsten Informationen zu finden sind. Dort haben Sie immer den neuesten Stand:<br />

http://www.hivleitfaden.de/cms/index.asp?inst=hivleitfaden&snr=2352


Postexpositionsprophylaxe (PEP)<br />

Martin Hartmann<br />

Zusammenfassung<br />

● Bei Nadelstichverletzungen ist ein Ausbluten der Wunde anzustreben.<br />

● Desinfektion der Wunde mit PVP-Jod oder alkoholischen Präparaten.<br />

● Kontaminierte Schleimhäute mit Schleimhautantiseptikum (Augen mit<br />

geeigneter Pufferlösung) waschen bzw. spülen.<br />

● Unfallmeldung! / BG-Meldung!<br />

● Eine Klärung der <strong>HIV</strong>-Serologie des Patienten bzw. des <strong>HIV</strong>-<br />

Krankheitsstadiums (Viruslast) und durchgeführte antiretrovirale Therapien des<br />

Patienten sind zu empfehlen. Gleichzeitig sollte die Hepatitisdiagnostik<br />

durchgeführt werden.<br />

● Nach dem derzeitigen Wissensstand ist möglichst die sofortige Einleitung einer<br />

antiretroviralen Postexpositionsprophylaxe (PEP) zu beginnen: Aktuelle<br />

Therapieempfehlung der medikamentösen PEP:<br />

Truvada ® (300mg TDF+200mg FTC) plus Kaletra Tbl. ® (2x400/100mg LPV/r)<br />

oder Sustiva ® (600mg EFV), siehe auch unten.<br />

Da diese Behandlungen nicht zugelassen sind, muss der Patient darüber und<br />

über mögliche Nebenwirkungen (z.B. Sustiva ® und Schwangerschaft!)<br />

umfassend aufgeklärt werden.<br />

Indikation und Therapie<br />

Die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen erworbenen <strong>HIV</strong>-Infektion ist gering. Nur in 0,3%<br />

der Fälle bei beruflichen <strong>HIV</strong>-Expositionen ist mit einer Serokonversion zu rechnen. In<br />

Deutschland sind 41 beruflich erworbene <strong>HIV</strong>-Infektionen bekannt (Stand: 2001, RKI).<br />

Dabei ist das Risiko u.a. von der Art der Exposition, der Menge und der<br />

Viruskonzentration abhängig. Trotz PEP kann es zur <strong>HIV</strong>-Übertragung kommen (Cordes<br />

2004).<br />

Ein höheres Risiko besteht - nach einer multizentrischen, retrospektiven Fallkontrollstudie-<br />

unter folgenden Bedingungen:<br />

1. bei tiefen Stich- oder Schnittverletzungen mit einem ca. 10-fach erhöhten<br />

Infektionsrisiko<br />

2. bei sichtbaren Blutspuren auf dem verletzenden Instrument mit einem etwa 5fach<br />

erhöhten Infektionsrisiko<br />

3. bei Verletzung durch eine Kanüle, die zuvor in einem Blutgefäß eines <strong>HIV</strong>-<br />

Patienten lag, mit einem etwa 5-fach erhöhten Infektionsrisiko<br />

4. bei hoher Viruskonzentration im Blut von <strong>HIV</strong>-Patienten, wie sie im Primär- und<br />

im Finalstadium vorliegt, mit einem mehr als 6-fach erhöhten Infektionsrisiko.<br />

Tabelle 1: Indikation zur <strong>HIV</strong>-PEP bei beruflicher <strong>HIV</strong>-Exposition<br />

Therapie<br />

79


Therapie<br />

80<br />

Perkutane Verletzung mit Injektionsnadel oder anderer Hohlraumnadel<br />

(Körperflüssigkeit mit hoher Viruskonzentration: Blut, Liquor,<br />

Punktatmaterial, Organmaterial, Viruskulturmaterial)<br />

--> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />

Tiefe Verletzung (meist Schnittverletzung), sichtbares Blut --> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />

Nadel nach intravenöser Injektion --> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />

Oberflächliche Verletzung (z. B. mit chirurgischer Nadel) --> <strong>HIV</strong>-PEP Anbieten<br />

- ggf. Ausnahme, falls Indexpatient AIDS oder eine hohe HI-<br />

Viruskonzentration hat<br />

Kontakt zu Schleimhaut oder verletzter/geschädigter Haut mit<br />

Flüssigkeiten mit hoher Viruskonzentration<br />

Perkutaner Kontakt mit anderen Körperflüssigkeiten als Blut<br />

(wie Urin oder Speichel)<br />

--> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />

--> <strong>HIV</strong>-PEP Anbieten<br />

--> <strong>HIV</strong>-PEP Nicht empfehlen<br />

Kontakt von intakter Haut mit Blut (auch bei hoher Viruskonzentration) --> <strong>HIV</strong>-PEP Nicht empfehlen<br />

Haut- oder Schleimhautkontakt mit Körperflüssigkeiten wie Urin und<br />

Speichel<br />

Tabelle 2: Indikation zur <strong>HIV</strong>-PEP bei nicht-beruflicher <strong>HIV</strong>-Exposition<br />

Transfusion von <strong>HIV</strong>-haltigen Blutkonserven oder Erhalt von mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit <strong>HIV</strong>-haltigen Blutprodukten oder Organen<br />

Ungeschützter vaginaler oder analer Geschlechtsverkehr mit einer<br />

<strong>HIV</strong>-infizierten Person<br />

Nutzung <strong>HIV</strong>-kontaminierten Injektionsbestecks durch mehrere<br />

Drogengebrauchende<br />

ungeschützter oraler Geschlechtsverkehr mit der Aufnahme von<br />

Sperma des <strong>HIV</strong>-infizierten Partners in den Mund<br />

Verletzung an gebrauchten Spritzenbesteck zur Injektion von Drogen,<br />

Medikamenten oder Insulin<br />

* bei zusätzlichen Risikofaktoren anbieten<br />

--> <strong>HIV</strong>-PEP Nicht empfehlen<br />

--> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />

--> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />

--> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />

--> <strong>HIV</strong>-PEP Nicht empfehlen*<br />

--> <strong>HIV</strong>-PEP Nicht empfehlen<br />

Die Wirksamkeit der antiretroviralen Therapie ist durch die Einführung neuer<br />

Medikamente wesentlich erhöht worden. Mit der gleichzeitigen Verabfolgung dieser<br />

Substanzen ergeben sich hinsichtlich der Reduktion der Viruslast im Blut wesentlich<br />

bessere Ergebnisse als unter der AZT-Monotherapie. Üblich ist die Kombination von 2<br />

reverse Transskriptaseinhibitoren (NRTI´s) und zwei Proteinaseinhibitoren (PI´s) oder<br />

einem nichtnukleosidalen reversen Transkriptaseinhibitor (NNRTI).


Bei hohem Risiko ist folgende Postexpositionsprophylaxe (PEP) zu empfehlen:<br />

Risiko Medikamente<br />

Risiko bei <strong>HIV</strong>-Exposition<br />

(z.B. tiefer Nadelstich mit aufgelagertem Blut)<br />

Truvada ® (Viread ® ,Tenofovir 300mg + Emtriva ® ,<br />

Emtricitabin 200mg)<br />

oder<br />

Combivir ® (Retrovir ® , AZT 2x300mg + Epivir ® ,<br />

Lamivudin 2x150mg)<br />

und<br />

Kaletra Tbl. ® (Lopinavir/r, 2x400/100mg)<br />

oder<br />

Sustiva ® (Efavirenz 600mg)<br />

Truvada ® und Combivir ® werden in der Regel gut vertragen. Kaletra ®<br />

(Kombinationspräparat mit 2 Proteaseinhibitoren) hat ein günstiges Resistenzprofil. An<br />

Nebenwirkungen treten am häufigsten Diarrhoen auf. Der nicht nukleosidale reverse<br />

Transskriptaseinhibitor (NNRTI) Sustiva ® (Efavirenz) ist eine gleichwertige Alternative. Es<br />

kann einmal täglich gegeben werden, an Nebenwirkungen sind Exantheme und<br />

zentralnervöse Nebenwirkungen am häufigsten. Wegen schweren Nebenwirkungen bei<br />

der Postexpositionsprophylaxe kann Viramune ® (1 Kps. = 200mg Nevirapin) trotz guter<br />

Daten bei Mutter-Kind Übertragung nur in der Einmaldosis empfohlen werden (CDC<br />

2001). Am häufigsten ist ebenfalls mit Diarrhoen zu rechnen. Andere<br />

Proteinaseinhibitoren kommen wegen des ungünstigeren Nebenwirkungsprofil eher nicht<br />

in Frage.<br />

Die Therapie sollte möglichst schnell eingeleitet werden. Wenn mehr als 24 Stunden<br />

verstrichen sind, sollte Rat von in der PEP erfahrenen Ärzten eingeholt werden. Nach<br />

mehr als 72 Stunden kann nach heutigen Wissensstand keine Prophylaxe mehr<br />

empfohlen werden. Die Prophylaxe sollte 4 Wochen durchgeführt werden. An<br />

Laboruntersuchungen sollten Blutbild, Leberenzyme und Blutzucker (Proteaseinhibitoren)<br />

durchgeführt werden. 3TC und TDF wirken zusätzlich gegen Hepatitis B. Durch die<br />

Metabolisierung der Proteaseinhibitoren im Cytochrom-P-450-Stoffwechsel bestehen<br />

zahlreiche Medikamenteninteraktionen.<br />

Falls das Blut bei der Stichverletzung von einem antiretroviral vorbehandelten <strong>HIV</strong>-<br />

Patienten stammt, sollte umgehend eine <strong>HIV</strong>-Schwerpunkteinrichtung aufgesucht werden,<br />

um eine alternative Postexpositionsprophylaxe zu erwägen. Eine geno- und/oder<br />

phänotypische Resistenzuntersuchung kann im Einzelfalle durchgeführt werden.<br />

Interferon scheint nach einer Publikation in der Postexpositionsprophylaxe der Hepatitis C<br />

wirksam zu sein (Jäckel 2001).<br />

Da sofortige Behandlungsbeginn für den Erfolg der Postexpositionsprophylaxe von großer<br />

Bedeutung. Deshalb sollte in Klinik und Praxis Klarheit darüber bestehen, wo die<br />

Medikamente für den Notfall bereitgehalten werden. Serologische Kontrolluntersuchungen<br />

sollten nach 6 Wochen, 12 Wochen und 6 Monaten durchgeführt werden.<br />

Bei beruflicher Exposition werden die Kosten durch die Träger der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung übernommen, bei nichtberuflicher Exposition können die<br />

Therapie<br />

81


Therapie<br />

82<br />

Kosten nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.<br />

PEP-Guidelines:<br />

Literatur:<br />

● Deutsch-Östereichische Empfehlungen:<br />

http://www.daignet.de/site-content/hiv-therapie/leitlinien-1/Leitlinien%20zur%<br />

20postexpositionellen%20Prophylaxe%20der%20<strong>HIV</strong>-Infektion.pdf (Stand<br />

2008)<br />

● Europäische Empfehlungen:<br />

http://www.europeanaidsclinicalsociety.org/<br />

guidelinespdf/1_Treatment_of_<strong>HIV</strong>_Infected_Adults.pdf (Stand 2008, Seite 12)<br />

● Amerikanische Empfehlungen:<br />

http://www.cdc.gov/mmwr/pdf/rr/rr5409.pdf (CDC 2005)<br />

● Cardo DM et al. A case-Control Study of <strong>HIV</strong> Serokonversion in Health Care<br />

Workers after Percutaneous Exposure. New Engl J Med: 1485 (1997)<br />

● Cordes C, Marcus U. <strong>HIV</strong> transmission despite <strong>HIV</strong> post-exposure prophylaxis<br />

after non-occupational exposure. AIDS 18: 582-584 (2004)<br />

● CDC-Empfehlungen: CDC. Serious Adverse Events Attributed to Nevirapine<br />

Regimes for Postexposure Prophylaxis after <strong>HIV</strong> Exposures-Worldwide, 1997-<br />

2000. MMWR 49: 1153-1156 (2001)<br />

● Henderson DK. Postexposure Chemoprophylaxis for Occupational Exposures<br />

to the Immunodeficiency Virus. JAMA: 931 (1999)<br />

● Jäckel E et al. Treatment of Acute Hepatitis C with Interferon alpha-2b. New<br />

Engl J Med: 345: 1452-1457 (2001)<br />

● Petzoldt D, Hartmann M. Neue Möglichkeiten der medikamentösen Prophylaxe<br />

der beruflichen <strong>HIV</strong>-Infektion. Hautarzt 48: 295 (1997)<br />

● RKI Berufsbedingte <strong>HIV</strong>-Infektionen bei medizinischem Personal. Epi Bull 42:<br />

319-321 (2001)<br />

● Young TN et al. Antiretroviral post-exposure prophylaxis (PEP) for occupational<br />

<strong>HIV</strong>. Cochrane Database system Rev 1: CD002835 (2007)


Strukturierte Therapiepausen<br />

Jürgen Brust<br />

Es ist ein wesentlicher Bestandteil der Patientenaufklärung und Patientenführung, vor und<br />

während der Durchführung einer antiretroviralen Therapie immer wieder auf die<br />

Bedeutung einer korrekten und zuverlässigen Einnahme der Medikamente hin zu weisen.<br />

Die unzuverlässige Einnahme der Medikamente führt zu einem erhöhten Risiko der<br />

Resistenzentwicklung und damit zum viralen Therapieversagen. Medikamentenpausen<br />

bedingen zwangsläufig einen raschen Anstieg der Viruslast auf das Niveau vor der<br />

antiretroviralen Therapie und in der Folge eine Verschlechterung des Immunstatus.<br />

Dennoch gab es aus unterschiedlichen Gründen klinische Situationen, bei denen<br />

Therapiepausen eingelegt werden müssen, z. B. bei<br />

● Medikamentennebenwirkungen,<br />

● dem Auftreten unerwünschter Begleiterscheinungen,<br />

● ungenügender Compliance / Adhärenz,<br />

● schweren Begleiterkrankungen, z. B. Tbc, akute Hepatitis.<br />

Im Gegensatz dazu versteht man unter strukturierten Therapiepausen (STI, structured<br />

therapy interruption) Pausen, die unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt werden,<br />

weil sie aus theoretischen Überlegungen in besonderen klinischen Situationen von Vorteil<br />

sein könnten.<br />

Therapiepausen bei multiresistenten Viren<br />

Bei Patienten mit resistenten Viren gegen alle verfügbaren Medikamente führt ein<br />

Unterbrechen der Therapie zum wieder Auftreten des nicht mutierten Wildtyps, während<br />

die resisten­ten Viruspopulationen nach und nach abnehmen. Aus diesem Grund wurden<br />

strukturierte Therapiepausen für diese Patienten vorgeschlagen, um ein erneutes<br />

Therapieansprechen zu induzieren. Es kommt jedoch nicht zur vollständigen Elimination<br />

der resistenten Viren. Hoch empfindliche selektive PCR-Untersuchungen konnten nach<br />

drei Monaten immer noch einen Anteil von 0,05 % an resistenten Viren nachweisen. Aus<br />

diesem Reservoir rekrutieren sich bei einer erneuten Therapie nach einiger Zeit wieder<br />

die dominant werdenden multiresistenten Virusstämme.<br />

Bei entsprechenden Versuchen konnte ein vorübergehendes Ansprechen und eine<br />

klinische Verbesserung gesehen werden, andererseits kann es unter der Therapiepause<br />

zu einer raschen Verminderung der CD4-Zellzahlen sowie zum Auftreten von<br />

opportunistischen Infektionen kom­men. Das erhebliche Risiko einer strukturierten<br />

Therapiepause ist daher gegen die möglichen Vorteile abzuwägen und es muss wieder<br />

eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die Prophylaxe opportunistischer Infektionen verwandt<br />

werden.<br />

Diese Vorgehensweise ist heute nur noch in den seltensten Fällen notwendig. Durch die<br />

Verfügbarkeit neuer antiretroviraler Medikamente die bestehende Resistenzen<br />

überwinden oder das Virus an neuen Angriffspunkten hemmen, gelingt es in den meisten<br />

Fällen, auch Patienten mit multiresistenten Viren erfolgreich zu behandeln.<br />

Therapie<br />

83


Therapie<br />

84<br />

Stimulierung der Immunantwort gegen das HI-Virus<br />

Es ist nachgewiesen, dass es nach vollständiger Unterdrückung der Viruslast durch eine<br />

antiretrovirale Therapie zu einem Verlust der spezifischen Immunantwort gegen das Virus<br />

kommt. Therapieunterbrechungen könnten daher durch das wieder Auftreten einer<br />

geringen Virenzahl zu einer Stimulation des Immunsystems und der Generierung <strong>HIV</strong>spezifischer<br />

Effektorzellen führen. Unter dieser Vorstellung wurden in verschiedenen<br />

Pilotstu­dien unterschiedliche Konzepte einer intermittierenden Therapieunterbrechung<br />

bei Patienten mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze untersucht.<br />

Tatsächlich kam es nur bei einem Teil der Patienten zu einem Anstieg der Viruslast auf<br />

geringere Werte als die Ausgangswerte vor der Therapie. Offensichtlich können bei der<br />

chronischen Infektion keine neuen T -Zellklone generiert werden. Es kommt zwar zu einer<br />

Proliferation von präexistenten CTL-Spezifitäten, aber es fehlt die Möglichkeit, auf escape-<br />

Varianten immunologisch reagieren zu können. Lediglich bei der primären <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

scheint sich die Hoffnung zu erfüllen, dass durch diese Vorgehensweise die <strong>HIV</strong>spezifische<br />

Immunität stimuliert werden kann. Langzeitergbnisse und der Vergleich mit<br />

Kontrollgruppen fehlen noch, aber die immunologischen Untersuchungen stützten bisher<br />

das Konzept.<br />

So attraktiv das Konzept der strukturierten Therapiepause für einige Patienten ist, die sich<br />

davon eine Reduktion der Langzeittoxizitäten versprechen oder die einfach erlaubter<br />

Weise 'Drug Holidays' genießen möchten, so sehr muss auf die möglichen Risiken einer<br />

Resistenzentwicklung hingewiesen werden. Ein weiterer Grund, der gegen die<br />

Durchführung von Therapiepausen spricht, ist die Beobachtung in entsprechenden<br />

Studien, dass sowohl <strong>HIV</strong>-assoziierte als auch nicht <strong>HIV</strong>-assoziierte Erkrankungen in den<br />

Patientengruppen, die die Therapie pausieren, häufiger auftreten, als in den Gruppen, die<br />

die Therapie kontinuierlich fortführen. Außerhalb von Studien sollten Therapiepausen nur<br />

im begründeten Einzelfall unter Abwägung der Risiken und des potentiellen Nutzens unter<br />

engmaschigen Verlaufskontrollen von erfahrenen <strong>HIV</strong>-Behandlern durchgeführt werden.


Therapieerfolg und Therapieversagen<br />

Franz Mosthaf<br />

Große Kohortenanalysen und Meta-Analysen haben entscheidend dazu beigetragen,<br />

Faktoren zu erkennen, die die Wirksamkeit einer antiretroviralen Therapie beeinflussen.<br />

Die Erfolgsrate (Anteil der Patienten mit einer Virusbeladung unter der Nachweisgrenze)<br />

von HAART (highly active antiretroviral therapy) lag in diesen Analysen nach 12 Monaten<br />

Therapie bei 60 bis 80%.<br />

Faktoren, die diese Erfolgrate positiv beeinflussten:<br />

● unvorbehandelte Patienten<br />

● möglichst hohe CD 4 Zellzahl zu Beginn der Therapie<br />

● möglichst niedrige Virusbeladung zu Beginn der Therapie<br />

● sehr gute Adhärenz (Therapietreue)<br />

● möglichst geringe Anzahl von Tabletten, einfache Einnahmemodalität<br />

● kurze Zeitspanne bis zum Erreichen des Nadirs (= Virusbeladung unter der<br />

Nachweisgrenze)<br />

● lange Zeitspanne mit einer Virusbeladung unter 500 Kopien/ml<br />

● bei vorbehandelten Patienten: Einsatz von ≥ 3 Substanzen, die in<br />

Resistenzanalysen eine Wirksamkeit gegen das Virus zeigten<br />

Faktoren, die diese Erfolgrate negativ beeinflussten:<br />

● hohe Virusbeladung zu Beginn der Therapie<br />

● gleichzeitiger i.v. Drogengebrauch<br />

● mangelnde Adhärenz (Compliance)<br />

● hohe Tablettenanzahl und komplizierte Einnahme einer Therapie<br />

Der Therapieerfolg wird zudem durch das CDC Stadium zu Beginn der Therapie<br />

beeinflusst. Insgesamt deuten diese Analysen daraufhin, dass ein möglichst früher<br />

Therapiebeginn mit einer verbesserten Ansprechrate korreliert und somit sinnvoll ist.<br />

Gründe für ein Therapieversagen<br />

Etwa 20% bis 33% aller Patienten, die initial auf eine Kombinationstherapie angesprochen<br />

hatten, zeigten im Verlauf von 6 bis 12 Monaten einen Anstieg der Virusbeladung.<br />

Die Ursachen für ein solches Therapieversagen sind vielschichtig:<br />

Therapie<br />

● etwa 20% bis 40% der Patienten brechen die Therapie wegen Nebenwirkungen<br />

ab<br />

● bei ca. 8% ist eine mangelnde Adhärenz (Compliance) feststellbar, diese ist<br />

häufig durch Nebenwirkungen verursacht<br />

● andere Gründe sind in etwa 3% der Fälle zu finden<br />

● in klinischen Studien trat ein weiterer Faktor auf: etwa 10% bis 15% der<br />

85


Therapie<br />

86<br />

Patienten erschienen nach einer gewissen Zeit nicht mehr bei den<br />

behandelnden Ärzten (sog. "lost-to-follow up")<br />

● rein virologisches Versagen: lediglich 1% bis 8%<br />

Es wird deutlich, dass der Hauptgrund für ein Therapieversagen in dem Abbruch der<br />

Therapie aufgrund von Nebenwirkungen liegt. Damit unmittelbar in Zusammenhang steht<br />

die Adhärenz als Ursache für ein Versagen der Therapie. Ein rein virologisches Versagen<br />

war nur in wenigen Fällen die Ursache für ein Therapieversagen. Die ICONA Kohorte<br />

konnte nachweisen, dass Frauen ein um 50% höheres Risiko haben, eine Therapie<br />

aufgrund von Nebenwirkungen abzubrechen.<br />

Vorgehen bei einem Therapieversagen<br />

1. Ursachenanalyse<br />

→ Adhärenz<br />

→ Nebenwirkungen<br />

→ Wirksamkeit der Kombinationstherapie<br />

→ Resorptionsstörungen (z.B. Erbrechen, Durchfall)<br />

→ Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten<br />

→ Resistenzen<br />

2. Diagnostische Maßnahmen<br />

→ ausführliche Anamnese<br />

❍ praktische Probleme bei der Einnahme der Medikamente<br />

■ Tablettenzahl<br />

■ Integration der Therapie in den Tagesablauf<br />

❍ ausreichende Aufklärung des Patienten<br />

■ Einstellung des Patienten gegenüber der Therapie<br />

■ Einstellung des Arztes gegenüber der Therapie<br />

❍ Begleiterkrankungen<br />

■ Malabsorptionsprobleme<br />

■ Stoffwechselstörungen<br />

❍ Begleitmedikation<br />

→ körperliche Untersuchung<br />

■ Medikamenteninteraktionen<br />

■ Lipodystrophie-Zeichen<br />

■ Begleiterkrankungen<br />

→ Routinelabor, z.B.


■ CD4 Zellzahl<br />

■ Virusbeladung (quantitative <strong>HIV</strong>-1 RNA PCR)<br />

■ Blutbild<br />

■ Leber- und Nierenwerte<br />

■ Lipide und Glukosestoffwechsel (nüchtern)<br />

→ Resistenzanalysen<br />

→ Pharmakokinetische Untersuchungen (sinnvoll in Kombination mit<br />

Resistenzanalysen)<br />

■ Spiegelbestimmungen der eingesetzten antiretroviralen Medikamente<br />

■ Spiegelbestimmungen von Begleitmedikamenten<br />

Quellen:<br />

EUROSIDA Kohorte, ICONA Kohorte, Swiss Cohort, Frankfurter Kohorte, Aquitaine Kohorte,<br />

CNA3005 Studie, DMP266-006 Studie, Atlantic-Studie, Meta Anaylse Bartlett et al. (Wold AIDS<br />

Conference, Durban 2004)<br />

Therapie<br />

87


Therapie<br />

88<br />

Der ältere/Langzeit-infizierte/Langzeittherapierte<br />

<strong>HIV</strong>-Patient<br />

Hartwig Klinker<br />

Die Behandlungserfolge der Hochaktiven Antiretroviralen Therapie (HAART) haben sich in<br />

den vergangenen Jahren durch die Zulassung neuer Substanzen, effektivere<br />

Kombinationsregime und ein optimiertes Therapiemanagement weiter verbessert.<br />

Die klassischen, <strong>HIV</strong>-assoziierten Erkrankungen gehen kontinuierlich zurück, die<br />

Lebenserwartung von Patienten mit <strong>HIV</strong>-Infektion gleicht sich der Lebenserwartung der<br />

'Normalbevölkerung' immer mehr an.<br />

Nach einer großen Metaanalyse aus 14 Kohorten-Studien aus den Zeiträumen 1996-<br />

1999, 2000-2002 und 2003-2005 mit insgesamt mehr als 43.000 Patienten sank die<br />

Mortalitätsrate von 16,3 Todesfällen/1.000 Patientenjahre im Zeitraum 1996-1999 auf 10,0<br />

Todesfälle/1.000 Patientenjahre im Zeitraum 2003-2005. Die Lebenserwartung eines 20jährigen<br />

<strong>HIV</strong>-Patienten stieg im gleichen Zeitraum von 36,1 auf 49,4 Jahre.<br />

Im Einzelnen ergaben sich folgende Daten:<br />

Ausgangsbedingung Lebenserwartung (Jahre)<br />

Lebensalter 20 Jahre alle 49,4 (Zeitraum 2003-2005)<br />

Lebensalter 35 Jahre alle 37,3 (Zeitraum 2003-2005)<br />

gesamter Zeitraum 1996-<br />

2005<br />

Lebensalter 20 Jahre alle 43,1<br />

Lebensalter 35 Jahre alle 31,7<br />

Lebensalter 20 Jahre<br />

Mann 42,8<br />

Frau 44,2<br />

Intravenöser Drogenabusus (IVDA) 32,6<br />

Non-IVDA 44,7<br />

CD4-Zellen < 100/µl 32,4<br />

CD4-Zellen 100-199/µl 42,0<br />

CD4-Zellen > 200/µl 50,4<br />

Lebensalter 35 Jahre<br />

Mann 31,7


Frau 32,5<br />

Intravenöser Drogenabusus (IVDA) 23,4<br />

Non-IVDA 33,0<br />

CD4-Zellen < 100/µl 27,0<br />

CD4-Zellen 100-199/µl 30,4<br />

Lebensalter 20 Jahre, CD4-Zellen > 200/µl 37,2<br />

Infolge der verbesserten Lebensperspektive nimmt der Anteil älterer <strong>HIV</strong>-Patienten stetig<br />

zu. Bereits jetzt sind in Deutschland mehr als 25% der Patienten älter als 50 Jahre, mehr<br />

als 10% älter als 60 Jahre (Daten aus der deutschen <strong>HIV</strong>-Kohorte).<br />

Die klinische Präsentation von Patienten mit <strong>HIV</strong>-Infektion hat sich in den letzten Jahren<br />

durch diese Entwicklung deutlich verändert.<br />

In zunehmendem Maße treten bei Langzeit-infizierten und/oder Langzeit-therapierten und/<br />

oder älteren Patienten gehäuft nicht unmittelbar <strong>HIV</strong>-assoziierte Erkrankungen auf. Zu<br />

nennen sind hier Leber- und Nierenerkrankungen, kardiovaskuläre Erkrankungen,<br />

Stoffwechselstörungen, Osteoporose und verschiedene Malignome.<br />

Pathogenetisch handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen, wobei neben<br />

individueller Disposition Lifestyle-Faktoren (Rauchen, Alkohol-/Drogenkonsum), Toxizität<br />

antiretroviraler Dauermedikation, physiologische Alterungsprozesse und möglicherweise<br />

eine persistierende <strong>HIV</strong>-assoziierte immunologische Dysfunktion und chronische<br />

Inflammation eine Rolle spielen.<br />

Bei vielen <strong>HIV</strong>-Infizierten entwickelt sich im langjährigen Verlauf auf diese Weise eine<br />

erhebliche Multimorbidität mit komplexen Auswirkungen auf notwendige Diagnostik und<br />

Therapie.<br />

Damit hat sich das Aufgabenspektrum in der Betreuung <strong>HIV</strong>-infizierter Patienten<br />

bedeutend erweitert. Gerade bei Langzeit-infizierten und/oder Langzeit-therapierten und/<br />

oder älteren Patienten ist außer der Kontrolle <strong>HIV</strong>-assoziierter Parameter eine<br />

kontinuierliche und aktive Surveillance im Hinblick auf genannten, vielfältigen<br />

Krankheitsbilder notwendig.<br />

Therapie<br />

Für viele Situationen stehen dabei geeignete Screeningverfahren zur Verfügung, die<br />

nachfolgend tabellarisch aufgeführt sind. Neben apparativer Diagnostik finden sich hier<br />

diverse Laborparameter und Biomarker.<br />

Selbstverständlich ersetzen diese Untersuchungen nicht die gezielte Anamneseerhebung<br />

und körperliche Untersuchung. Die Auswahl der erforderlichen Diagnostik und geeignete<br />

Zeitintervalle sollten sich stets an individuellen Gesichtspunkten und Risikokonstellationen<br />

orientieren.<br />

89


Therapie<br />

90<br />

Erkrankung Screening-Diagnostik<br />

Lebererkrankungen/Hepatotoxizität<br />

(insbesondere bei Hepatitis B/C-Koinfektion)<br />

Nierenerkrankungen/Nephrotoxizität<br />

Diabetes mellitus/Insulinresistenz<br />

Bilirubin, GOT, GPT, GGT, AP, Quick,<br />

Albumin,<br />

Sonographie, Elastographie,<br />

Ösophagogastros-kopie, AFP<br />

Kreatinin, MDRD, Cystatin C, Sediment,<br />

anorg. Phosphat, Sonographie<br />

BZ, Urin-Glucose, HBA1C, HOMA<br />

(Homeostatic Model Analysis, BZ x<br />

Insulin/22,5)<br />

Fettstoffwechselstörung Cholesterin, HDL, LDL, Triglyceride<br />

Mitochondriale Toxizität Lactat<br />

Koronarrisiko Lipoprotein (a), Homocystein, CRP<br />

Herzinsuffizienz<br />

Osteoporose/Osteopenie<br />

Nicht-AIDS-assoziierte Malignome<br />

(z. B. Lungen-Karzinom, Haut-Malignome,<br />

Kolorektales Karzinom, Prostata-Karzinom, Anal-<br />

Karzinom)<br />

Literatur:<br />

BNP (B-Typ Natriuretisches Polypeptid)/NTproBNP,<br />

Echokardiographie<br />

Osteodensitrometrie, Kalzium, Phosphat, ggf.<br />

25-Hydroxy-Vitamin D3<br />

Klinischer Aspekt, Rö-Thorax/CT, Endoskopie,<br />

Sonographie, PSA<br />

● Baker J. V., Peng G. Et al.. CD4+ count and risk of non-AIDS diseases<br />

following initial treatment for <strong>HIV</strong> infection. AIDS 2008; 22: 841-848<br />

● Deeks S. G., Phillips A. N.. <strong>HIV</strong> infection, antiretroviral treatment, ageing, and<br />

non-AIDS related morbidity. BMJ 2009; 338: 288-292<br />

● Lohse N., Hansen A. B. et al.. Survival of persons with and without <strong>HIV</strong> infection<br />

in Denmark, 1995-2005. Ann Intern Med 2007; 146: 87-95<br />

● Mocroft A., Brettle R. et al.. Changes in the cause of death among <strong>HIV</strong> positive<br />

subjects across Europe: results from the EuroSIDA study. AIDS 2002; 16: 1663-<br />

1671<br />

● The Antiretroviral Therapy Cohort Collaboration. Life expectancy of individuals<br />

on combination antiretroviral therapy in high-income countries: a collaborative<br />

analysis of 14 cohort studies. Lancet 2008; 372: 293-299


Antiretrovirale Therapie in der Kombination mit<br />

Maraviroc oder Raltegravir<br />

Jürgen Brust, Dieter Schuster<br />

In Kombination nur mit einem NRTI backbone gelten die Standarddosierungen für<br />

Maraviroc und Raltegravir.<br />

Maraviroc in Kombination mit geboosteten Proteaseinhibitoren (Atazanavir, Darunavir,<br />

Lopinavir, Saquinavir):<br />

Dosisreduktion auf 2x150mg<br />

Ausnahme: in Kombination mit fosAmprenavir, Tipranavir:<br />

Standarddosierung 2x300mg<br />

Maraviroc mit Efavirenz ohne Proteasinhibitor:<br />

Dosiserhöhung auf 2x600mg<br />

Maraviroc mit Nevirapine ohne Proteaseinhibitor:<br />

Standarddosierung 2X300mg<br />

Maraviroc mit Etravirine: Zulassung nur in Kombination mit einen Proteaseinhibitor, Dosis<br />

richtet sich nach dem Proteaseinhibitor<br />

Raltegravir: Standarddosierung von Raltegravir gilt für alle Kombinationen<br />

Therapie<br />

91


Therapie<br />

92<br />

Metabolisches Syndrom<br />

Spezifische Nebenwirkungen<br />

Metabolisches und Lipodystrophie-Syndrom<br />

Martin Hartmann<br />

Unter einer Therapie mit PIs und geringer ausgeprägt den NNRTIs werden immer wieder<br />

metabolische Veränderungen beobachtet. Am häufigsten sind Triglycerid-, LDL-Erhöhung<br />

und HDL-Cholesterinerniedrigung, nicht selten eine Insulinresistenz mit<br />

Blutzuckererhöhung oder ein Diabetes mellitus. Dabei sind Hypertriglyceridämien häufiger<br />

als Hypercholesterinämien. Geringer ausgeprägt sind diese Veränderungen auch bei <strong>HIV</strong>positiven<br />

Patienten ohne antiretroviraler Therapie zu finden. Stoffwechselstörungen<br />

werden am häufigsten unter einer Therapie mit Proteaseinhibitoren (PIs), speziell bei den<br />

mit Ritonavir geboosterten Regimen gesehen und geringer ausgeprägt mit nicht<br />

nukleosidalen reverse Transkriptaseinhibitoren (NNRTIs) beobachtet.<br />

Insulinresistenz mit Blutzuckererhöhungen oder Diabetes mellitus treten bei knapp 10%<br />

der Patienten mit proteaseinhibitorhaltigen Therapie auf. Die Insulinresistenz ist<br />

gekennzeichnet durch eine geringere Insulinwirkung bei der hepatischen Glukoneogenese<br />

und der Glukoseaufnahme in den Muskel. Bei Therapie mit PIs, insbesondere mit<br />

Indinavir oder Lopinavir, sollte auf diese Nebenwirkung geachtet werden. Deshalb sollten<br />

Blutfett- und Blutzuckerwerte vor und während der antiretroviralen Therapie regelmäßig<br />

untersucht werden. Das kardiovaskuläre Risiko steigt bei zusätzlichen Risikofaktoren<br />

an (Blutdruckerhöhung oder Nikotingenuss, s. a.: http://hin.nhlbi.nih.gov/atpiii/calculator.<br />

asp).<br />

Durch Umsetzen auf Nevirapin (Viramune®), Efavirenz (Sustiva®) oder Abacavir<br />

(Ziagen®) können die Fettstoffwechselstörungen wie auch die Glucosetoleranz häufig<br />

gebessert werden. An spezifischen (fettsenkenden) Medikamenten werden<br />

eingesetzt: Atorvastin (Sortis®), Fluvastin (Cranoc®, Locol®) und Pravastasin<br />

(Pravasin®). Da die HMG-CoA-Reduktaseinhibitoren (Statine) über Cytochrom P450<br />

verstoffwechselt werden, muss auf Wechselwirkungen geachtet werden. Auf<br />

Nikotinkarenz und ausreichende Bewegung sollte geachtet werden. Ggf. muss der<br />

Proteaseinhibitor abgesetzt werden. Bei Insulinresistenz kann Metformin (Glucophage®)<br />

versucht werden.<br />

Das Lipodystrophie-Syndrom<br />

Das Lipodystrophie-Syndrom bei <strong>HIV</strong>-Infektion wurde nach Einführung hochaktiven<br />

antiretroviralen Therapie (HAART) und dem Einsatz der Proteinaseinhibitoren (PI) nach<br />

1996 häufiger beobachtet. Die <strong>HIV</strong>-assoziierte Lipodystrophie (LD) ist eine<br />

Fettverteilungsstörung mit einer Kombination von Abbau des Fettgewebes (Gesicht, Arme<br />

und Beine) und einer Fettzunahme (Bauch, Brust und Nacken) oft verbunden mit<br />

Fettstoffwechselstörungen oder einer Insulinresistenz. Die Lipodystrophie wird nicht<br />

selten als erstes durch den Patienten wahrgenommen ("die Hose passt nicht mehr"). Sie<br />

können von zusätzlichen Beschwerden, wie z.B. Kopfschmerzen beim "buffalo hump (s.<br />

u.)" begleitet sein. Klinisch können folgende Fettverteilungsstörungen beobachtet werden:


Buffalo hump. Unter Buffalo hump versteht man eine Fettvermehrung im Nackenbereich.<br />

Bislang waren solche Fettvermehrungen ein bekanntes reversibles Krankheitsbild bei<br />

endogenem oder exogenem Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom). Bei <strong>HIV</strong>-Patienten<br />

mit einem "Buffalo hump" bestehen jedoch normale Kortisonwerte. Die Triglyceride sind<br />

bei diesen Patienten nicht erhöht, zugleich mit dem dorsozervikalen Fettzuwachs wurden<br />

eine abdominale Fettzunahme.<br />

Abdominelle Fettzunahme. Ein weiterer charakteristischer Fettumbau ist die zentrale<br />

Adipositas. Im Computer-Tomogramm zeigt sich häufig eine tiefe viszerale Beteiligung,<br />

dabei ist das Omentum bzw. das mesenteriale und retroperitoneale Fettgewerbe<br />

betroffen. Klinisch zeigt sich die abdominale Fettzunahme oft als Bauchumfangszunahme.<br />

Die zentrale Adipositas scheint ein Symptom des metablischen Syndroms zu sein.<br />

Fettzunahme der Brust. Bei Frauen tritt ein in ähnlich hohen Prozentsätzen wie die<br />

abdominelle Fettvermehrung eine Brustvergrößerung auf, ohne daß auffällige<br />

Hormonwerte bestehen.<br />

Lipoatrophie. Neben der Fettvermehrung wird auch ein Fettabbau beobachtet. Dieser ist<br />

an Armen und Beinen besonders deutlich, charakteristisch ist auch eine Verminderung<br />

des bukkalen Fettgewebes (Bichat'scher Fettpfropf) und des Fettgewebes der<br />

Glutealregion. Prominente Venen führen die Patienten nicht selten zum Arzt.<br />

Bis heute besteht keine gültige Definition des Lipodystrophie-Syndroms. Eine australische<br />

Arbeitsgruppe hat Diagnosekriterien vorgeschlagen. Neben den Angaben des Patienten<br />

werden die körperliche Untersuchung und ggf. anthropometrische Messungen<br />

hinzugezogen. Eine Objektivierung kann im Computertomogramm, in der<br />

Magnetresonanztherapie oder der "dual energy x-ray absorptiometry" (DEXA) erfolgen.<br />

Eine Rolle für das Auftreten der Lipodystrophie spielen sowohl die fortgeschrittene <strong>HIV</strong>-<br />

Infektion, die Dauer der antiretroviralen Therapie, Fettstoffwechselstörungen, niedrige<br />

CD4-Zellzahlen und das Alter des Patienten.<br />

Die Pathogenese der LD ist komplex. Diskutiert werden Störungen der<br />

Adipozytendifferenzierung, proinflammatorische Cytokine (TNF-α) und eine mitochondrale<br />

Schädigung der Zellen. Das für Replikation mitochondrialer DNA (mtDNA) verantwortliche<br />

Enzym Polymerase-γ ist der reversen Transkriptase ähnlich und wird beim Einsatz der<br />

NRTIs gehemmt. In vitro-Studien zeigen folgende Reihenfolge der Polymerase-Inhibition:<br />

ddC > DDI > d4T > AZT > 3TC = ABC = TDF. Da die Lipatrophie am häufigsten bei einer<br />

Therapie mit NRTI´s auftritt, wird eine NRTI-freie Therapie versucht. Den stärksten<br />

Einfluss auf die Lipoatrophie hat D4T. Zusätzlich wirken sich gesunde Ernährung und<br />

Bewegung positiv aus. Auch hormonelle Therapien (Testosteron) sind mit Erfolg<br />

eingesetzt worden. Bei Lipatrophie kann die Injektion von Poly-L-Milchsäure eine<br />

Besserung bringen. In letzter Zeit wurde Uridin mit Erfolg eingesetzt. Bei umschriebenen<br />

Fettverteilungsstörungen kann auch eine Fettabsaugung bzw. Fettimplantation versucht<br />

werden.<br />

Literatur<br />

Therapie<br />

● Carr A, Cooper DA. Adverse effects of antiretroviral therapy. Lancet 356:1423-<br />

1430 (2000)<br />

● Carr A, Emery S, Powderly WG. An objective case definition of lipodystrophy in<br />

<strong>HIV</strong>-infected adults: a case-control study. Lancet 361:726-735 (2003)<br />

● Chen D, Misra A, Garg A. Lipodystrophy in Human Immunodeficiency virusinfected<br />

patients. J Clin Endocrinol Metab 87: 4845-4856 (2002)<br />

93


Therapie<br />

94<br />

● Dube MP, Stein JH, Guidelines for the evaluation and management of<br />

dyslipidemia in human immunodeficiency virus (<strong>HIV</strong>)-infected adults receiving<br />

antiretroviral therapy: recommendations of the <strong>HIV</strong> Medical Association of the<br />

Infectious Disease Society of America and the Adult AIDS Clinical Trials Group.<br />

Clin Infect Dis 37:613-627 (2003)<br />

● Friis-Moller N, Weber R, Lundgren JD (2003) Cardiovascular disease risk<br />

factors in <strong>HIV</strong> patients--association with antiretroviral therapy. Results from the<br />

DAD study. AIDS 17:1179-1193 (2003)<br />

● Hartmann M. Arzneimittelnebenwirkungen unter antiretroviraler Therapie.<br />

Hautarzt 57: 969-974 (2006)<br />

● Schambelan M, Benson CA, Carr A, Currier JS, Dubé MP, Gerber JG,<br />

Grinspoon SK, Grunfeld C, Kotler DP, Mulligan K, Powderly WG, Saag MS.<br />

Management of metabolic complications associated with antiretroviral therapy<br />

for <strong>HIV</strong>-1 infection: Recommendations of an International AIDS Society -USA<br />

Panel. JAIDS 31: 257-275 (2002)


Dermatologische Nebenwirkungen unter<br />

antiretroviraler Therapie<br />

Exantheme<br />

Martin Hartmann<br />

Typische Arzneimittelnebenwirkungen sind makulopapulöse Exantheme, die am<br />

häufigsten zwischen dem 10. und 14. Tag der Therapie auftreten. Klinisch imponieren<br />

stammbetonte, symmetrisch verteilte makulöse bis makulopapulöse exanthematische<br />

Eruptionen mit teils ausgeprägten Juckreiz. Vor der Zeit der hochaktiven antiretroviralen<br />

Therapie (HAART) waren makulopapulöse Arzneimittelexantheme bei der Therapie der<br />

opportunistischen Infektionen z.B. nach Sulfonamidgabe bei Pneumocystis-jiorveci<br />

Pneumonie (PjP) häufig. Nachdem die PjP und die zerebrale Toxoplasmose unter HAART<br />

immer mehr abnahmen, wurden diese Exantheme selten. Erst mit zunehmenden Einsatz<br />

der nicht nukleosidalen reverse Transkriptaseinhibitoren (NNRTs) ab 1995 wurden<br />

Arzneimittelexantheme in bis zu 30% Patienten beobachtet. Zu den NNRTI zählen<br />

Efavirenz (EFV, Sustiva®) , Nevirapin (NVP, Viramune®) und Etravirin (ETV, Intelence®).<br />

In späteren prospektiven Studien traten diese Hautreaktionen bei nur noch ca. 5% der<br />

Patienten auf. Nicht selten besteht bei diesen Patienten anamnestisch eine<br />

Sulfonamidallergie. Während die ersten PIs nur sehr selten allergische Reaktionen<br />

auslösten, werden bei Fosamprenavir (fAPV) und Atazanavir (ATV) in ca. 5%<br />

makulopapulöse Arzneimittelreaktionen beschrieben.<br />

Schwere Hautreaktionen sind am häufigsten bei Nevirapin, seltener bei Delavirdin und<br />

Efavirenz. Diese werden eingeteilt in Stevens-Johnson-Syndrom (SJS), früher auch<br />

Erythema exsudativum multiforme majus genannt, SJS/TEN-Übergangsform und toxischepidermale<br />

Nekrolyse (TEN). Am Integument werden multiforme Erytheme beobachtet,<br />

die meist nicht die konzentrische Ringform des Erythema exsudativum multiforme (EEM)<br />

haben, Erosionen an den Schleimhäuten, den Körperöffnungen mit Krustenauflagerungen<br />

oder weißlichen Pseudomembranen. Typisch ist eine Mundschleimhautbeteiligung. Bei<br />

SJS/TEN-Übergangsform sind 10 bis 30 % der Haut betroffen, bei der TEN mehr als 30 %<br />

der Haut. Die Therapie besteht im Absetzen des Medikamentes und entspricht der einer<br />

schweren Verbrennung. Die Mortalität steigt bei der TEN im Gegensatz zum SJS steil an.<br />

Grundsätzlich kann erwogen werden, die Therapie bei Arzneimittelexanthemen<br />

fortzusetzen, wenn keine urtikariellen oder bullösen Hautveränderungen vorliegen, die<br />

Schleimhaut nicht betroffen ist und keine systemische Zeichen auftreten. Therapeutisch<br />

können bei Juckreiz Anithistaminika gegeben werden, Hyposensibilisierungen wurden<br />

erfolgreich durchgeführt.<br />

Weitere Nebenwirkungen:<br />

Reaktionen an der Einstichstelle<br />

Therapie<br />

In den Zulassungsstudien (TORO) des Fusion-Inhibitors Enfuvirtide (T20), der subkutan<br />

gegeben werden muss, wurde bei insgesamt 98 % der Patienten über Rötungen,<br />

Verhärtungen oder auch subkutanen Knoten (76%) an der Einstichstelle geklagt. Bei 3%<br />

der Patienten musste die Therapie deswegen abgebrochen werden. Sie zählen nicht zu<br />

den allergischen Reaktionen, da für diese Reaktion Zytokine verantwortlich sind, die durch<br />

hohe Konzentrationen des Fusion-Inhibitors freigesetzt werden. Massagen der<br />

95


Therapie<br />

96<br />

Einstichstelle und Umgebung können die Symptome lindern. Solche Reaktionen an der<br />

Eintrittstelle treten auch bei anderen Immuntherapeutika (zum Beispiel TNF-alpha<br />

Inhibitoren) auf.<br />

Retinoid ähnliche Nebenwirkungen (PIs)<br />

Unter der Therapie mit Proteaseinhibitoren wurden schon während der Zulassungsstudien<br />

Xerosis, Haarausfall oder Unguis incarnatus (eingewachsene Zehennägel) beobachtet.<br />

Diese Nebenwirkungen wurden vor Jahren bei der Therapie mit Retinoiden beobachtet<br />

und deshalb so genannt. Unter der Therapie mit Indinavir (Crixivan®) wird diese<br />

Nebenwirkungen am häufigsten beobachtet. Wird Indinavir mit Ritonavir "geboostert" sinkt<br />

die Häufigkeit dieser Nebenwirkung. Die anderen Proteaseinhibitoren deutlich seltener<br />

diese Nebenwirkung.<br />

Verschiedenes<br />

Schon seit Jahren sind als Nebenwirkung bei der Therapie mit NRTIs (AZT,<br />

Retrovir®) longitutinale Melanoonychien (streifige Verfärbung der Nägel) oder palmare<br />

Hyperpigmentierung unter Emtricitabin (TDF, Emtriva®), seltener auch Wachstum der<br />

Augenwimpern bekannt (AZT).<br />

Literatur<br />

● Barner A, Myers M. Nevirapine and Rashes. Lancet 351: 1133 (1998)<br />

● Carr A, Cooper DA. Adverse effects of antiretroviral therapy. Lancet 356: 1423-<br />

1430 (2000)<br />

● Hartmann M. Arzneimittelexantheme bei Therapie der <strong>HIV</strong>-Infektion mit<br />

Nevirapin und Efavirenz. Hautarzt (2005)<br />

● Hartmann M, Enk A. Hautveränderungen bei der medikamentösen <strong>HIV</strong>-<br />

Therapie. Dtsch Arztebl 104 (16): A1098-1103 (2007)<br />

● Perez-Molina JA. Safety and tolerance of Efavirenz. <strong>HIV</strong> Clin Trials 3: 279-286<br />

(2002)<br />

● Rotunda A, Hirsch RJ, Scheinfeld N, Weinberg JM. Severe cutaneous reactions<br />

associated with the use of human immunodeficiency virus medications. Acta<br />

Derm Venereol 83:1-9 (2003)<br />

● Philipps EJ, Knowles SR. Efavirenz-induced skin eruption and successful<br />

desensitation. Clin Ther 20: 1071-1092 (2002)<br />

● van Leth, Phanuphak P, .Lange JM..Comparison of first-line antiretroviral<br />

therapy with regimens including nevirapine, efavirenz, or both drugs, plus<br />

stavudine and lamivudine: a randomised open-label trial, the 2NN Study. Lancet<br />

363:1253-1263 (2004)


Die Hypersensitivitätsreaktion unter Abacavir<br />

Martin Hartmann<br />

Die Hypersensitivitätsreaktion (HSR) zählt zu den systemischen Arzneimittelreaktionen.<br />

Bei der HSR werden neben makulopapulösen Exantheme Temperaturerhöhungen, eine<br />

grippale Symptomatik oder Laborabweichungen (z. B. Transaminasenerhöhung)<br />

beobachtet.<br />

Inzidenz<br />

Eine Hypersensitivitätsreaktion (HSR) tritt bei etwa 5% der Patienten mit einer Abacavirhaltigen<br />

Kombinationstherapie auf. Bislang wurden etwas 1015 Reaktionen (bei 26769<br />

Patienten) dokumentiert. Darunter sind 112 Fälle, in denen die Hypersensitivitätsreaktion<br />

nach einer Reexposition auftrat.<br />

Symptomatik und Diagnose<br />

Mehr als 93% der Fälle traten innerhalb der ersten 6 Wochen, im Mittel nach 11 Tagen bei<br />

der Therapie mit Abacavir (enthalten in: Ziagen ® , Trizivir ® , Kivexa ® ) auf. Am häufigsten<br />

reagiert der Körper mit einem Exanthem (Hautausschlag), das nicht selten an Masern<br />

oder Röteln erinnert, aber erst im späteren Verlauf auftritt. Frühe Symptome sind unter<br />

anderem Fieber, Krankheitsgefühl und gastrointestinale Symptome. Respiratorische<br />

Symptome werden in etwa 20% der Fälle beobachtet. Gelegentlich treten auch Übelkeit,<br />

Erbrechen oder Bauchschmerzen auf. Jeder 3. Patient mit einer Hypersensitivitätsreaktion<br />

hat keine Hauterscheinungen. Die Symptome nehmen mit jeder Tabletteneinnahme zu.<br />

An Laborabweichungen sind Leberenzym- und CK-Erhöhungen beschreiben. Nach<br />

Absetzen von Abacavir verschwinden die Symptome rasch. bei einer Reexposition sind<br />

die Symptome ähnlich wie bei der Erstexposition, verlaufen jedoch schwerer,<br />

Blutdruckabfall und Tachykardie sind deutlich häufiger.<br />

Zwei oder mehr der folgenden Symptome müssen vorhanden sein:<br />

Exanthem, grippeähnliche Beschwerden wie Fieber, Müdigkeit, Muskel- oder<br />

Kopfschmerzen oder eine Rachenentzündung, Husten oder Kurzatmigkeit.<br />

Bei jedem zweiten Patienten traten 3 oder 4 Symptome zusammen auf.<br />

Bei Verdacht auf eine Hypersensitivitätsreaktion sollte Abacavir abgesetzt werden.<br />

Weitere Maßnahmen sind nur selten nötig. Bei Juckreiz können Antihistaminika<br />

eingenommen werden. Die Beschwerden bessern sich innerhalb von 1 -2 Tagen, der<br />

Hautausschlag bildet sich etwas langsamer zurück.<br />

Diagnostik und Prävention<br />

In spezialisierten Zentren kann bei Verdacht auf eine Hypersensitivitätsreaktion ein<br />

Epikutantest durchgeführt werden. In retrospektiven Untersuchungen mit HSR konnte<br />

gezeigt werden, dass bei fast 90% der Patienten das Allel HLA-B5701* vorhanden ist. Bei<br />

diesen Patienten kommt es bei einer Therapie mit Abacavir zu einer CD8-Proliferation mit<br />

Freisetzung von Tumor Nekrose Faktor-α (TNF-α) und Interferon-γ (IFN-γ). Deshalb<br />

sollten vor Beginn einer abacavirhaltigen Therapie die Patienten auf dieses Allel<br />

untersucht werden.<br />

Literatur<br />

● Hartmann M. Arzneimittelnebenwirkungen unter antiretroviraler Therapie.<br />

Hautarzt 57: 969-974 (2006)<br />

Therapie<br />

97


Therapie<br />

98<br />

● Hewitt RG. Abacavir hypersensitivity reaction. Clin Infect Dis 34:1137-1142<br />

(2002)<br />

● Hughes CA, Lechelt KE.Abacavir hypersensitivity reaction: an update. Ann<br />

Pharmacother. 2008 42(3):387-96 (2008)<br />

● Mallal S, Benbow A; PREDICT-1 Study Team.HLA-B*5701 screening for<br />

hypersensitivity to abacavir. N Engl J Med. 358(6):568-79 (2008)


<strong>HIV</strong>-1 Resistenz und Tropismus<br />

Patrick Braun / Heribert Knechten<br />

Das primäre Ziel einer antiretroviralen Therapie besteht in einer maximalen<br />

Viruslastreduktion. Wird dieses Ziel nicht erreicht, kann bei medikamentösem<br />

Selektionsdruck das Virus gegen Bestandteile der Therapie resistent werden.<br />

1. Grundlagen der Resistenzentwicklung<br />

Das Erbmaterial des <strong>HIV</strong> besteht aus je 2 RNA-(Ribonukleinsäure)-Strängen, die die<br />

genetischen Informationen des Virus beinhalten. Drei Nukleotide bilden ein sogenanntes<br />

Codon und codieren jeweils für eine Aminosäure der Proteinsequenz. Eine Veränderung<br />

der Nukleotidfolge eines Codons, eine Mutation, kann den Einbau einer anderen<br />

Aminosäure zur Konsequenz haben, was die Proteinfunktion beeinträchtigen kann.<br />

Zur Bezeichnung werden 'Zahlen-Buchstaben-Kombinationen' verwendet, die die<br />

ursprüngliche Aminosäure (Wildtyp), die Position innerhalb des Proteins und die<br />

ausgetauschte Aminosäure (Variante) beinhalten.<br />

Position der Aminosäure auf dem Gen (hier die <strong>HIV</strong>-Protease)<br />

I84V<br />

Wildtyp-Aminosäure Aminosäure der Mutante<br />

Isoleucin (ATA) Valin (GTA)<br />

Eine Strukturveränderung der viralen Proteine durch untypische Aminosäuresequenzen<br />

kann dazu führen, dass antiretrovirale Wirkstoffe gar nicht oder nur noch teilweise<br />

wirksam sind. Man spricht von einem Wirkverlust der antiretroviralen Medikamente oder<br />

einer Resistenz.<br />

2. Wie entstehen Resistenzen?<br />

Eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Mutationen im <strong>HIV</strong>-Genom und der daraus<br />

resultierenden Resistenz spielt das viruseigene Enzym Reverse Transkriptase (RT). Es<br />

handelt sich dabei um ein Protein, welches die virale RNA in DNA umschreibt, die dann<br />

ins Zellgenom integriert wird. Hierbei werden relativ häufig andere Nukleotide als in der<br />

Originalsequenz vorgegeben eingebaut, wodurch Aminosäureaustausche in der<br />

letztendlich resultierenden Proteinsequenz entstehen können. Bedingt durch die hohe<br />

Therapie<br />

99


Therapie<br />

100<br />

Vermehrungsrate des HI-Viruses (es werden in unbehandelten Patienten täglich ca. 10<br />

Milliarden neue Viren gebildet) und der fehlerhaft arbeitenden RT, kann theoretisch jede<br />

Position des ca. 10.000 Nukleotide umfassenden <strong>HIV</strong> Genoms täglich ausgetauscht<br />

werden. Die ist ein Hauptgrund für die hohe Variabilität des HI-Virus.<br />

Es gibt unterschiedliche Arten von Mutationen:<br />

● stille Mutationen, die keine Auswirkung auf die Proteinstruktur haben;<br />

● Mutationen, die eine Veränderung in der Proteinstruktur bewirken und z.B. zu<br />

Resistenzen gegen Medikamente führen können;<br />

● letale Mutationen, die dazu führen, daß sich dieses Virus nicht weiter vermehrt.<br />

Die Entwicklung einer <strong>HIV</strong>-1 Resistenz im Individuum hängt von der Generierung und<br />

Selektion entsprechender resistenzrelevanter Mutationen ab.<br />

Hat ein Virus einmal eine oder mehrere resistenzassoziierte Mutationen erlangt, die ihm<br />

eine verminderte Empfindlichkeit gegen antiretrovirale Medikamente verleiht, so hat er<br />

gegenüber dem Virus-Urtyp (Wildtyp) einen Vermehrungsvorteil.<br />

Der Selektionsvorteil für das mutierte Virus resultiert in einer dominierenden<br />

Viruspopulation von resistenten Viren (Abb.1). Die Resistenzentwicklung verläuft oftmals<br />

nicht nach dem 'Alles-oder-Nichts-Prinzip', sondern stellt einen graduellen Prozeß dar. Bei<br />

vielen antiretroviralen Substanzen wird eine vollständig ausgeprägte Resistenz erst durch<br />

die Anhäufung von mehreren Mutationen bewirkt. Man verwendet daher neben den<br />

Einstufungen resistent und sensitiv noch ein bis zwei intermediär resistente<br />

Graduierungen.<br />

Abb.1: Auswirkung des medikamentösen Selektionsdrucks auf unterschiedliche<br />

Viruspopulationen<br />

<strong>HIV</strong> ohne Therapie<br />

Hauptpopulation (meist bestehend aus Wildtyp) vermehrt sich.<br />

Mögliche Ausnahme: gleichzeitige Präsenz von primär resistenten Viren und Wildtyp


<strong>HIV</strong> unter effizienter Therapie<br />

Eine effiziente Therapie senkt die Viruslast unter die Nachweisgrenze<br />

<strong>HIV</strong> unter ineffizienter Therapie<br />

Eine ineffiziente Therapie fördert die Auslese von resistenten Viren<br />

Therapie<br />

Je effektiver die Virusreplikation durch antiretrovirale Medikamente unterdrückt wird, desto<br />

weniger Mutationen können durch Fehler der Reversen Transkriptase in das Virus-Genom<br />

integriert werden und desto länger bleibt die Wirksamkeit antiretroviraler Wirkstoffe<br />

bestehen.<br />

101


Therapie<br />

102<br />

3. Wie sind Resistenzen meßbar?<br />

Die Viruslast im Plasma kann durch molekularbiologische Methoden quantitativ bestimmt<br />

werden und ist einer der wichtigsten Laborparameter zur Kontrolle des Therapieerfolges.<br />

Das Therapieziel ist die Viruslast unter die Nachweisgrenze von 40 -25 <strong>HIV</strong> Kopien (je<br />

nach System) pro Milliliter Plasma zu senken.<br />

Ein frühes Indiz einer sich etablierenden Resistenz ist ein Anstieg der Viruslast des unter<br />

antiretroviraler Therapie stehenden Patienten.<br />

Bevor eine Resistenzanalyse durchgeführt wird, sollte abgeklärt werden, ob die meßbare<br />

Viruslast nicht nur ein einmaliges Ereignis ist. Insbesondere niedrige Werte von bis zu<br />

wenigen Hundert Kopien pro Milliliter, auch 'Blip' genannt, sollten kontrolliert werden. Eine<br />

messbare Viruslast kann auch bedingt durch eine Medikamentenabsorbtionsstörung oder<br />

durch eine unzureichende Adhärenz seitens des Patienten verursacht sein.<br />

Zur Messung der viralen Resistenzentwicklung können zwei Methoden verwendet<br />

werden: die genotypische und die phänotypische Resistenzanalyse.<br />

3.1 Genotypische Resistenzanalyse<br />

Bei der genotypischen Resistenzanalyse werden Nukleotidsequenzbereiche des<br />

Protease-, des Reverse Transkriptase-, des Integrase- und des gp41-Gens<br />

molekularbiologisch analysiert. Lediglich die Untersuchung der Protease und der<br />

Reversen Transkriptase sind derzeit EBM-Leistungen. Die Analyse des Integrasegens<br />

und des gp41-Gens, sowie die Tropismusbestimmung durch Sequenzierung des V3loops-<br />

(s. Kapitel 8), sind derzeit noch keine Kassenleistung.<br />

Die Methodik der genotypischen Resistenzanalyse läßt sich grob unterteilen in:<br />

● Isolierung der Virus RNA<br />

● Umschreiben der Virus-RNA in DNA (Reverse Transkription)<br />

● Vervielfältigung (Amplifikation) des zu analysierenden Teilbereiches der DNA<br />

mittels der Polymerase-Kettenreaktion (PCR)<br />

● Sequenzierungsschritt mit der Generierung markierter Nukleotidsequenzstücke<br />

unterschiedlicher Länge (s. Abb.2)<br />

● Elektrophoretische Auftrennung der einzelnen Nukleotidsequenzstücke<br />

● Elektronische Aufarbeitung und Lesen der Nukleotidsequenz<br />

Im letzten Schritt lassen sich vorliegende Veränderungen (Mutationen) im Vergleich zu<br />

einer Wildtypsequenz unter anderem an resistenzrelevanten Stellen ausmachen. Anhand<br />

der Mutationen werden Vorhersagen über die Wirksamkeit von antiretroviralen<br />

Substanzen getroffen.<br />

Bei der Bestätigung einer Medikamentenresistenz muß anschließend entschieden<br />

werden, ob die bestehende Therapie auf andere Wirkstoffe und Medikamente umgestellt<br />

oder entsprechend ergänzt werden soll.


Abb.2: Vereinfachte Darstellung der Sequenzierungs-Technik<br />

Die Vorteile einer genotypischen Resistenzanalyse liegen in einer schnellen Verfügbarkeit<br />

der Ergebnisse. Des weiteren können hier Mutationen identifiziert werden, die Aufschluss<br />

über eine in der Vergangenheit bestandene oder eine sich entwickelnde Resistenz geben<br />

können (Transitionsmutation).<br />

Bedingt durch die mögliche Komplexität der Mutationsmuster kann der Phänotyp nicht<br />

immer einheitlich vorhergesagt werden (s. Kapitel Interpretation).<br />

Einige Vor- und Nachteile der genotypischen- bzw. der phänotypischen Resistenzanalyse<br />

sind in Tab.1 aufgeführt.<br />

3.2 Phänotypische Resistenzanalyse<br />

Im Rahmen der phänotypischen Resistenzanalyse wird das Maß der Empfindlichkeit des<br />

Virus gegenüber einer Medikamentensubstanz bestimmt. Dabei werden unterschiedliche<br />

Verdünnungsreihen antiretroviraler Wirkstoffe an einem rekombinierten <strong>HIV</strong>-Isolat,<br />

welches den zu analysierenden Genbereich des Patienten-Isolates molekularbiologisch<br />

integriert bekommen hat, getestet.<br />

Therapie<br />

Die durch Mutationen bedingte verminderte Empfindlichkeit des <strong>HIV</strong> auf bestimmte<br />

Substanzen wird üblicherweise als x-fache Erhöhung des IC50 (entspricht der<br />

Konzentration einer Substanz, die nötig ist um eine 50%ige Hemmung der Virusreplikation<br />

zu erzielen) im Vergleich zur Wildtyp-Referenz als phänotypischer Resistenzfaktor (RF)<br />

angegeben (s. Abb.3).<br />

103


Therapie<br />

104<br />

Abb.3: Darstellung des IC50 von Wildtyp und Mutante<br />

Ein wesentlicher Vorteil der phänotypischen Resistenzanalyse liegt durch die direktere<br />

Messung in der Beurteilung von Kreuzresistenzen und in der Abwägung der Resistenz<br />

von neuen antiretroviralen Substanzen.<br />

Zur Beurteilung der Resistenzeinstufung wurden hierbei unterschiedliche Schwellenwerte<br />

(Cut offs) entwickelt:<br />

● der technische Cut Off ist ein Maß für die maximale Variationsbreite eines<br />

Testergebnisses, wenn ein Isolat mehrfach analysiert wird, ein meßtechnischer<br />

Wert<br />

● der biologische Cut Off spiegelt die phänotypische Schwankungsbreite von<br />

Isolaten therapienaiver Patienten (also wahrscheinlich Wildtyp Viren) wieder.<br />

● der klinische Cut Off gibt den Resistenzfaktor an, bei dem ein Medikament<br />

meist nicht mehr erfolgreich Viruslast-senkend eingesetzt werden kann.<br />

Der klinische Cut Off ist der wichtigste und aussagekräftigste Schwellenwert. Es werden<br />

meist ein oberer und ein unterer Cut-off definiert. Am unteren Cut-off ist das virologische<br />

Ansprechen bereits leicht vermindert, ab dem oberen Cut-off-Wert ist, wenn überhaupt,<br />

nur noch ein geringes virologisches Ansprechen zu erwarten. Für neuere Medikamente<br />

fehlt oftmals aus Datenmangel dieser Schwellenwert.<br />

Es ist zu berücksichtigen, dass die phänotypische Resistenzanalyse keine EBM-Leistung<br />

ist. Die Durchführung kann somit nur im Rahmen von Studien und Projekten oder nach<br />

vorheriger Antragsstellung und genehmigter Kostenübernahme seitens der Krankenkasse<br />

stattfinden.


GENOTYPISIERUNG<br />

Identifikation spezifischer<br />

Mutationen,<br />

welche mit Resistenz<br />

assoziiert sind<br />

(Sequenzanalyse des<br />

resistenzrelevanten<br />

Nukleotidbereiches)<br />

PHÄNOTYPISIERUNG<br />

Charakterisierung eines<br />

viralen Isolats<br />

(Messung der benötigten<br />

Konzentration um 50%<br />

der Virusproduktion zu<br />

unterdrücken)<br />

Vorteile Nachteile<br />

● gut verfügbar/EBM<br />

● Ergebnis in wenigen<br />

Tagen<br />

● Detektion von<br />

Transitionsmutationen (s.<br />

3.1)<br />

● Subtypangabe<br />

● EBM-Leistung (s. 3.1)<br />

● direkte Messung<br />

● Daten zur Kreuzresistenz<br />

● Analyse von neuen<br />

Substanzen<br />

und non-B-Subtypen<br />

Tab.1: Einige Vor- und Nachteile der genotypischen bzw. phänotypischen<br />

Resistenzanalyse<br />

● indirekte Messung<br />

● komplexe Analyse<br />

mit diversen<br />

Interpretations-<br />

Systemen<br />

(subjektiv)<br />

● unbekannte<br />

Mutationen, neue<br />

Substanz<br />

● Mischpopulation <<br />

20%<br />

● klin. Cut-Offs bisher<br />

nur<br />

von einigen<br />

Medikamenten<br />

bekannt<br />

● nicht im EBM<br />

● wird nur von<br />

wenigen Laboren<br />

durchgeführt<br />

● zeitaufwendig/teuer<br />

● Mischpopulation <<br />

20%<br />

Zur Durchführung der Resistenzanalyse muss eine Mindestmenge an Viren vorhanden<br />

sein. Bei einer Viruslast von weniger als 200 Kopien/ml kann die Resistenzanalyse häufig<br />

nicht durchgeführt werden.<br />

4. Interpretation von genotypischen Resistenzergebnissen<br />

Aufgrund der Verfügbarkeit von zahlreichen antiretroviralen Substanzen und der<br />

Komplexität der möglichen Mutationsmuster wurden Interpretationshilfen (Algorithmen)<br />

entwickelt.<br />

Diese Interpretationssysteme erstellen auf Basis der variablen Gewichtung von<br />

vorliegenden Mutationen Vorhersagen über die verbleibende Wirksamkeit der<br />

antiretroviralen Substanzen.<br />

Es existieren derzeit zwei grundlegende Varianten zur Interpretation der Ergebnisse von<br />

genotypischen Resistenzanalysen, regelbasierte und bioinformatische Systeme.<br />

Therapie<br />

105


Therapie<br />

106<br />

Regelbasierte Algorithmen beinhalten meist in vitro und in vivo Daten basierend auf<br />

Studienveröffentlichungen und Expertenwissen.<br />

Zur Zeit sind diverse Interpretations-Systeme aus diesem Bereich im Internet frei<br />

zugänglich. Einige von ihnen ermöglichen die direkte Analyse der DNA-Sequenz und/oder<br />

die Möglichkeit manuell Mutationen einzutragen. Als Beispiel seien nachfolgende frei<br />

verfügbare Interpretationshilfen genannt:<br />

● <strong>HIV</strong>-Grade: http://www.hiv-grade.de<br />

● Los Alamos: http://www.lanl.gov/<br />

● Stanford-<strong>HIV</strong>db: http://hivdb.stanford.edu/pages/asi/<br />

● ANRS: http://www.anrs.fr/<br />

Bioinformatische Systeme hingegen stützen sich auf mathematische Modelle, die auf<br />

Geno- und Phänotyp Korrelationen basieren. Da der phänotypische Resistenzfaktor<br />

berechnet/ermittelt wird, spricht man hier vom virtuellen Phänotyp.<br />

Als Beispiel sei hier Geno2Pheno http://www.geno2pheno.org/ und der kommerziell<br />

erhältliche Virtual Phenotype der Firma Virco genannt.<br />

5. Andere Faktoren, die einen Einfluß auf die<br />

Resistenzentwicklung haben<br />

5.1 Primärresistenz<br />

Von Primärresistenz spricht man, wenn eine Person mit einem bereits resistenten Virus<br />

infiziert wird. Die Wahrscheinlichkeit mit einem primär resistenten Stamm infiziert zu<br />

werden liegt in Deutschland je nach Region etwa zwischen 10% und 15%. Diesbezüglich<br />

ist es empfehlenswert vor dem Start der ersten Therapie eine Resistenzanalyse<br />

durchzuführen, damit sichergestellt wird, daß nur aktive Substanzen eingesetzt werden.<br />

5.2 Vortherapie und Quasispezies<br />

Mit und ohne antiretroviraler Therapie entstehen täglich unterschiedliche Virusvarianten.<br />

Somit existiert im Organismus nicht nur eine einheitliche Viruspopulation, sondern es<br />

entstehen viele unterschiedliche Viren (Quasispezies), deren Anzahl im Laufe des<br />

Infektionszeitraums zunimmt. Im Blut sind meist nur die Virusvarianten mit den höchsten<br />

Wachstumsraten nachweisbar. Die Detektionsgrenze liegt mit der weitverbreiteten<br />

Sequenzierungstechnik bei 20%. Wenn medikamentöser Selektionsdruck gesetzt wird,<br />

können sich resistente Viren entwickeln oder schon existierende resistente Viren aus dem<br />

zellulären Reservoir, in dem sie in Form von proviraler DNA integriert sind, erneut<br />

heranwachsen.<br />

Somit sollte ein Resistenzbefund immer unter Berücksichtigung der Vortherapie bewertet<br />

werden.<br />

5.3 <strong>HIV</strong> non- B Subtypen<br />

Während der Ausbreitung von <strong>HIV</strong>, haben sich weltweit zahlreiche Subtypen entwickelt,<br />

die sich teilweise stark voneinander unterscheiden können.


Antiretrovirale Substanzen, die heute zum Einsatz kommen, wurden im<br />

nordamerikanischen und europäischen Raum entwickelt und am hier prädominanten <strong>HIV</strong>-<br />

1 Subtyps verifiziert. Daher sind auch die meisten vorliegenden Daten zur<br />

Resistenzentwicklung aus den Beobachtungen mit diesem Subtyp generiert worden.<br />

Jedoch macht dieser Subtyp in der Populationsdynamik nur 10% der globalen <strong>HIV</strong>-<br />

Pandemie aus (s. Abb. 4).<br />

In einigen europäischen Ländern mit hohem Migrationsanteil in der Bevölkerung, wie zum<br />

Beispiel in Belgien und Portugal, ist der Anteil an non-B Subtypen schon größer als 40%.<br />

In Deutschland je nach Region bis zu 25 %.<br />

Globales Paradox<br />

Abb. 4: Globale Prävalenz des <strong>HIV</strong>-Subtyps B mit entsprechendem Anteil an derzeitigen<br />

Kenntnissen über <strong>HIV</strong><br />

Es ist bekannt, dass unter Umständen das gleiche Medikament bei verschieden <strong>HIV</strong>-<br />

Subtypen unterschiedliche Mutationen hervorrufen kann. Manche dieser Mutationswege<br />

können eine breitere Kreuzresistenz bewirken. Des weiteren können durch genetische<br />

Prädisposition bei einigen <strong>HIV</strong>-non B Subtypen Mutationen leichter entstehen. Dieses<br />

sollte nach neuesten Erkenntnissen auch bei der Resistenzinterpretation berücksichtigt<br />

werden.<br />

Diesbezüglich sollte bei der Resistenzanalyse routinemäßig der <strong>HIV</strong> Subtyp mit ermittelt<br />

werden. Das ist via Internet anhand der Reversen Transkriptase und Protease Sequenz<br />

für den weit überwiegenden Teil der Sequenzen schnell und kostenfrei möglich.<br />

5.4 Kreuzresistenz, kompensatorische Mutationen und Interaktionen<br />

Kreuzresistenz: Einige Mutationen, die unter einem bestimmten Medikament generiert<br />

werden, resultieren in einer verminderten Wirksamkeit oder sogar dem vollständigen<br />

Wirkungsverlust von mehreren oder allen Substanzen einer Klasse. Therapeutische<br />

Folgeoptionen können dadurch stark limitiert werden.<br />

Kompensatorische Mutationen: Oft vermindern Resistenz-assoziierte Mutationen die<br />

virale Fitneß. Das Virus versucht dies mit der Akkumulation von weiteren spezifischen<br />

Mutationen, die die Vermehrungsrate des Virus wieder erhöhen, zu kompensieren<br />

Therapie<br />

107


Therapie<br />

108<br />

Interaktionen: Mutationen, die das Virus für eine oder mehrere antiretrovirale Substanzen<br />

resistent machen, können dazu führen, daß andere Substanzen (wieder) sensitiver<br />

werden. Ein Beispiel ist die Mutation M184V die Resistenz gegen 3TC und FTC bewirkt,<br />

aber eine bestehende Resistenz gegen AZT minimieren oder je nach Resistenzgrad<br />

wieder aufheben kann.<br />

Derartige Interaktionen sollten in der Interpretation von Mutationsmustern berücksichtigt<br />

werden.<br />

6. Genetische Barriere und antiretrovirale Substanzen<br />

Die Resistenzentwicklung ist ein gradueller Prozess. Je nach antiretroviraler Substanz<br />

sind eine, wenige oder zahlreiche Mutationen zum Erreichen einer starken Resistenz<br />

notwendig. Unter genetischer Barriere versteht man die Anzahl an Mutationen die zur<br />

Resistenzbildung in Abhängigkeit von der Zeit notwendig sind. Geboostete Protease<br />

Inhibitoren besitzen die höchste genetische Barriere. Unter einer Ersttherapie mit<br />

Protease Inhibitoren entstehen bei virologischem Versagen äusserst selten Resistenzassoziierte<br />

Protease Mutationen. Durch den 'Booster-Effekt' mit Ritonavir wird die<br />

Resistenzbildung bei Protease Inhibitoren wahrscheinlich erschwert. Für die Medikamente<br />

der anderen Substanzklasse reichen meist ein bis zwei Mutationen zur vollständigen<br />

Resistenzbildung aus. Doch auch hier gibt es Entwicklungen. So hat der neue NNRTI<br />

Etravirin eine höhere genetische Barriere als die alten Substanzen dieser Klasse. Bei der<br />

neuen Substanklasse der Integrase Inhibitoren reichen zum Wirkverlust ein bis zwei<br />

spezifische Resistenzmutationen. Und bei den Fusions Inhibitoren ist eine<br />

Resistenzmutation oftmals für ein virologisches Versagen ausreichend. Die Datenlage zur<br />

Resistenzbildung bei den CCR5 Antagonisten ist noch unklar (s. Kap. 7).<br />

Jedoch ist die genetische Barriere alleine nicht für einen Therapieerfolg aussagekräftig,<br />

wie anhand des Beispiels von Retrovir, welches eine höhere genetische Barriere als<br />

Abacavir oder Tenofovir besitzt, verdeutlicht wird. So war Retrovir im Rahmen von<br />

klinischen Studien dem Abacavir oder Tenofovir unterlegen. Vertäglichkeit und Potenz<br />

sind zwei weitere Parameter, die zum Therapieerfolg beitragen.<br />

Weiterhin soll im klinischen Alltag die Einzelsubstanz nicht alleine betrachtet, sondern<br />

immer unter Berücksichtigung der Kombinationspartner beurteilt werden.<br />

7. Tropismusbestimmung und Resistenzentstehung unter CCR5-<br />

Antagonisten<br />

CCR5-Antagonisten, wie Maraviroc oder Vicriviroc, sind nur wirksam, wenn CCR5-trope<br />

HI-Viren vorliegen und keine CXCR4-tropen beziehungsweise dual-tropen Viren<br />

nachweisbar sind. Somit muss vor dem Einsatz von CCR5-Antagonisten ein<br />

Tropismustest durchgeführt werden.<br />

In Analogie zur Resistenzanalyse kann die Tropismusbestimmung genotypisch oder<br />

phänotypisch durchgeführt werden. Ein wesentlicher Vorteil des kostengünstigeren<br />

genotypischen Verfahrens ist die schnelle Ergebnismitteilung. In Akutsituationen kann ein<br />

Ergebnis binnen weniger Arbeitstage vorliegen. Die Interpretation der genotypischen<br />

Tropismusbestimmung erfolgt mittels einer bioinformatischen Analyse (http://www.<br />

geno2pheno.org). Der kommerzelle phänotypische 'Trofile'-Test ist sensitiver, dafür ist die<br />

genotypische Analyse auch bei einer niedrigen Viruslast von beispielsweise 200 Kopien/


ml möglich. Weiterhin ist mittels des genotypischen Verfahrens eine Resistenzanalyse<br />

aus proviraler DNA, also bei nicht nachweisbarer Viruslast durchführbar. Die<br />

Übereinstimmung zwischen genotypischen (geno2pheno) und phänotypischen<br />

Testergebnissen (Standard Trofile) beträgt ca. 85%.<br />

In Deutschland setzt sich mehr und mehr der genotypische Test durch. Der<br />

phänotypische Test wird bei unklaren Ergebnissen als Bestätigungstest eingesetzt.<br />

Mittels einer erneuten Tropismusanalyse kann überprüft werden, ob ein Therapieversagen<br />

durch die Selektion von CXCR4- bzw. Misch- oder dual-tropen HI-Viren beruht. Falls dies<br />

der Fall ist, ist ein erneuter Einsatz des gleichen oder eines anderen CCR5-Antagonisten<br />

nicht mehr sinnvoll.<br />

Therapieversagen mit CCR5 Anatagonisten kann sowohl durch Tropismuswechsel als<br />

auch durch Resistenzentwicklung bedingt. Durch die genotypische Analyse des V3<br />

Bereiches und anderer Bereiche des gp120 Gens kann man untersuchen, ob das<br />

Versagen bei Vorliegen von R5-tropen Viren durch die Entstehung von resistenten <strong>HIV</strong>-<br />

Varianten zu erklären ist. Denn ein CCR5-tropes Virus kann der Inhibition durch einen<br />

CCR5-Antagonisten durch Mutationen innerhalb des env-Gens ausweichen. Hierbei wird<br />

es dem Virus ermöglicht, den CCR5-Rezeptor zu nutzen, obwohl ein CCR5-Antagonist<br />

daran gebunden ist. Es wurden bisher keine typischen Muster zur Resistenzentstehung<br />

identifiziert.<br />

Der Tropismustest und die Resistenzanalyse des env-Gens sind derzeit noch keine<br />

Kassenleitung.<br />

Therapie<br />

109


Therapie<br />

110<br />

8. Deutsch-Österreichische Leitlinien (Stand September 2008)<br />

Primäre/kürzliche<br />

Infektion<br />

Chronische Infektion,<br />

vor Beginn einer<br />

Therapie<br />

Nach erstem<br />

Therapieversagen<br />

Mit unfangreicherer<br />

antiretroviraler<br />

Vorbehandlung<br />

In oder nach einer<br />

Therapiepause<br />

Empfehlung<br />

Empfehlungs-<br />

Grad<br />

Bisher unbehandelte Patienten<br />

Resistenztestung<br />

empfohlen, wenn eine<br />

antiretrovirale Therapie<br />

begonnen wird<br />

Resistenztestung<br />

empfohlen<br />

A II<br />

A II<br />

Behandelte Patienten<br />

Resistenztestung generell<br />

empfohlen vor Therapie<br />

wechsel3<br />

Resistenztestung2,3<br />

generell empfohlen vor<br />

Therapiewechsel<br />

Resistenztestung derzeit<br />

nur im Rahmen<br />

wissenschaftlicher<br />

Fragestellungen zu<br />

empfehlen<br />

A II<br />

A II<br />

D III<br />

Kommentare<br />

Archivierung einer<br />

Plasmaprobe empfohlen,<br />

auch wenn keine<br />

antiretrovirale Therapie<br />

eingeleitet wird; Meldung<br />

and das<br />

Serokonverterregister des<br />

RKI1<br />

Archivierung einer<br />

Plasmaprobe, die möglichst<br />

nahe am<br />

Infektionszeitpunkt liegen<br />

sollte<br />

Abklärung der weiteren<br />

Ursachen des<br />

Therapieversagens<br />

unerlässlich<br />

Abklärung der weiteren<br />

Ursachen des<br />

Therapieversagens<br />

unerlässlich<br />

Feststellung eienr<br />

Reversion zum Wildtyp


Antiretrovirale Therapie bei <strong>HIV</strong>-infizierten<br />

Drogenkonsumenten<br />

1. Basisdiagnostik<br />

Jörg Gölz<br />

benötigt man eine mehrdimensionale Basisdiagnostik.<br />

Tabelle 1: Elemente der Basisdiagnostik<br />

● biographische Anamnese<br />

● medizinische Anamnese<br />

● Suchtanamnese<br />

● aktuelle sozialmedizinische Situation (vor allem Haftbefehle,<br />

Bewährungsstrafen)<br />

● körperlicher Status<br />

● psychiatrischer Status<br />

● Labordiagnostik<br />

2. Integrierte Therapieplanung der sozialen, toxicomanen,<br />

psychiatrischen und somatischen Syndrome<br />

Erst nachdem alle oben dargestellten Befunde und Daten erhoben sind, kann eine<br />

sinnvolle Reihenfolge der therapeutischen Maßnahmen gefunden werden. In der Regel<br />

zeigt sich die in Tabelle 2 dargestellte Dringlichkeit der therapeutischen Aufgaben.<br />

Tabelle 2: Reihenfolge der wichtigsten Maßnahmen nach Schädigungssyndrom<br />

● Akut bedrohliche somatische oder psychiatrische Erkrankung<br />

● soziales Syndrom<br />

● toxikomanes Syndrom<br />

● chronische psychiatrische Erkrankungen<br />

● chronische Infektionskrankheiten<br />

● Desintegrationssyndrom in Ausbildung / Beruf<br />

3. Compliance<br />

Die in der Frühphase auftretenden Störungen der Compliance verlieren sich mit der Dauer<br />

der Substitutionsbehandlung. Insgesamt können die Störungen gut durch ein<br />

professionelles Management beeinflußt werden. Die Compliance von<br />

Drogenkonsumenten in einem professionellen setting unterscheidet sich nicht von der<br />

Compliance in der Normalbevölkerung.<br />

Tabelle 3: Typische Ursachen der gestörten Compliance in der Frühphase der<br />

Substitution<br />

Therapie<br />

111


Therapie<br />

112<br />

● Tagesablaufstörungen im Wohnheim / Notschlafstätte<br />

● Unruhe durch Wohnungssuche<br />

● Unruhe durch illegalen Gelderwerb<br />

● Fehlende Umstellung auf normales Tageszeitraster<br />

● Medikamenteninteraktionen mit Methadon, Alkohol und Benzodiazepinen<br />

● Überforderung im Konfliktmanagement mit Partnern und Kindern<br />

● keine stabile Objektbeziehung zum Arzt<br />

Daneben gibt es Faktoren, die dauerhaft die Compliance stören und in der Regel auch<br />

schwer therapeutische beeinflußbar sind.<br />

Tabelle 4: Typische Ursachen für eine dauerhafte Störung der Compliance<br />

● unprofessioneller ärztlicher Umgang mit Drogenabhängigen<br />

schwere psychiatrische Komorbidität ( Ich-Struktur-Defekte)<br />

● bedrohlich erlebte Interaktion von ART und Methadonspiegel<br />

● Angst und Mißtrauen gegenüber dem medizinischen Versorgungssystem<br />

● Fehlende Strukturierung in Zeit und Raum<br />

● soziale Perspektivlosigkeit mit verringertem Interesse an körperlicher<br />

Gesundheit<br />

4. Somatische Komorbidität und Komedikation<br />

Die somatische Komorbidität kann zeitweilig oder dauerhaft die Optionen der<br />

antiretroviralen Therapie einschränken:<br />

● gestörte Stoffwechselfunktiuon der Leber<br />

● gestörte Ausscheidungsfunktion der Nieren<br />

● interagierende Begleitmedikation ( Marcumar, Diuretika, pegylierte Interferone,<br />

Ribavirin, Tuberkulostatika, Antiepileptika, Antidepressiva, Neuroleptika )<br />

Zwischen antiretroviralen Medikamenten und Methadon bestehen spiegelbeeinflussenden<br />

Interaktionen.<br />

Tabelle 5: Interaktionen zwischen Methadon und antiretroviralen Medikamenten<br />

ART-<br />

Substanz<br />

Veränderung<br />

Methadonspiegel<br />

Nevirapine ↓↓↓<br />

Efavirenz ↓↓↓<br />

Nelfinavir ↓↓↓<br />

Darunavir ↓↓<br />

Tipranavir ↓↓


Die Interaktionen mit Methadon sind im bei mehreren Substanzen nicht voraussagbar.<br />

Solche Substanzen verändern die Aktivität mehrerer Cytochrome der P-450-Familie, die<br />

beim Abbau des Methadons beteiligt sind. Bei diesen Medikamenten hängt der<br />

spiegelsenkende oder -hebende Effekt offenbar mit genetisch festgelegten Konstanten<br />

zusammen.<br />

5. Antiretrovirale Therapiestrategien bei Drogenabhängigen<br />

5.1 Vorbereitung, Beginn , Monitoring der antiretroviralen<br />

Therapie<br />

Die Qualität der erzielten Compliance hängt wesentlich von der professionellen<br />

Therapiebegleitung durch den Arzt ab.<br />

Tabelle 6 : Vorbereitung der antiretroviralen Therapie<br />

● Therapiebeginn nicht<br />

❍ unvermittelt<br />

❍ in aktuellen Lebenskrisen<br />

❍ kurz vor wichtigen Ereignissen<br />

❍ kurz nach Beginn der Substitution<br />

❍ ohne soziale Basisversorgung<br />

● Erklären der Therapieziele<br />

● Analyse des durchschnittlichen Tagesablaufs<br />

● Reale Demonstration der täglichen Medikamentenmenge<br />

● Erläuterung des Einnahmemodus<br />

● Anweisungen schriftlich mitgeben<br />

● auf mögliche Nebenwirkungen hinweisen<br />

● Medikamente gegen Nebenwirkungen verordnen<br />

● auf Interaktionen mit anderen Medikamenten beim Gebrauch von Drogen<br />

hinweisen<br />

● aus juristischen Gründen Aufklärung über potentiell lebensbedrohliche<br />

Nebenwirkungen (NVP, ABC) in Krankenakte notieren<br />

Therapie<br />

113


Therapie<br />

114<br />

5.2 Die einzelnen Therapieoptionen im Überblick<br />

Gesichtspunkte bei der Auswahl von Therapieregimes<br />

Die Auswahl aus den möglichen Therapieoptionen wird bei Drogenabhängigen häufig<br />

durch Begeleitmedikation, Begleiterkrankungen und Defekten der Organfunktionen<br />

eingeschränkt.<br />

Tabelle 7: Therapieeinschränkende Faktoren<br />

Begleiterkrankungen:<br />

● chronische HCV-Infektion<br />

● chronische HBV-Infektion<br />

● chronische Osteomyelitis<br />

● Tuberkulose<br />

Defekte Organfunktion :<br />

● eingeschränkte Nierenfunktion<br />

● eingeschränkte Leberfunktion<br />

● posttraumatische Krampfleiden<br />

● Störungen der kardialen Reizleitung<br />

● Störungen der kardialen Klappenfunktion<br />

● Zust . n. kardialen und peripheren By-pass-Operationen<br />

Interaktionen mit Begleitmedikation<br />

● Methadon und Buprenorphin<br />

● klassische Neuroleptika<br />

● atypischen Neutroleptika<br />

● tri - und tetrazyklischen Antidepressiva<br />

● Antidepressiva vom SSRI- und SNRI-Typ<br />

● Anxiolytika<br />

● Benzodiazepine<br />

● Antiepileptika<br />

● pegyliertes Interferon<br />

● Ribavirin<br />

Das bedeutet, daß in nahezu der Hälfte der Fälle die Auswahl einer antiretroviralen<br />

Therapie nicht ganz spontan nach den jeweils geltenden Richtlinien begonnen werden<br />

kann, sondern daß jede Substanz daraufhin geprüft werden muß, ob sie zur<br />

Begleitmedikation und zu den Begleiterkrankungen und Organdefekten paßt.<br />

Geeignete Therapieregimes<br />

Im Gegensatz zu den ersten Jahren der antiretroviralen Therapie sind die Regimes


inzwischen sehr viel einfacher geworden. Sie besitzen außerdem sehr viel weniger<br />

Nebenwirkungen. Einer der Marksteine dieser Vereinfachung war die Verabreichung einer<br />

Dreifachtherapie mit nur jeweils einer Tablette morgens und abends ( Trizivir®). Dies ist<br />

bei compliancegestörten Patienten sicher auch heute noch ein empfehlenswerter<br />

Standard bei einer Viruslast unter 100 000 Kopien / ml.<br />

Inzwischen gibt es weitere wesentliche Vereinfachungen der Therapie durch eine Fülle<br />

von Substanzen, die einmal täglich gegeben werden können. Zusätzlich gibt es einige<br />

dieser Substanzen als fixed-dose Kombinationen ( Truvada®, Kivexa® ), so daß es<br />

Dreifachregimes gibt, bei denen nur einmal täglich ein bis zwei Tabletten eingenommen<br />

werden müssen. Da inzwischen alle Stoffklassen mindestens einen für die Einmalgabe<br />

geeigneten Vertreter haben sind auch alle wichtigen Regimetypen in einmal täglicher<br />

Dosierung zu verabreichen.<br />

Tabelle 7 : Überblick zur einmal täglichen Gabe<br />

Substanzgruppe geeignete Substanzen / Substanzkombinationen<br />

NRTI: DDI, 3TC, FTC , ABC<br />

NtRTI: TDF<br />

NNRTI: EFV, NVP<br />

geboosterte PI: FPV/RTV, SQV500/RTV, LPV/RTV<br />

geboosterte Doppel-<br />

PI:<br />

ATV/SQV/RTV, LPV/SQV/RTV<br />

Tabelle 8: wichtige Fix-Dose-Kombinationen<br />

2 NRTI Combivir® AZT + 3TC<br />

2 x<br />

täglich<br />

Kivexa® ABC + 3TC 1x täglich<br />

NRTI+NtRTI Truvada® FTC + TDF 1 x täglich<br />

NRTI+NtRTI+NNRTI Atripla® FTC+TDF+EFV 1 x täglich<br />

3 NRTI Trizivir®<br />

AZT+3TC<br />

+ABC<br />

2 x täglich<br />

geboosterter PI Kaletra® LPV + RTV 2 x täglich<br />

Drei der einmal täglich verabreichten NRTI-Regimes haben hohe Raten an virologischem<br />

Therapieversagen gezeigt. Es sind dies folgende Kombinationen:<br />

● TDF + ABC + 3TC<br />

● TDF + DDI + 3TC<br />

Diese beiden Regimes sollten also nicht angewandt werden.<br />

Im folgenden wird eine Synopsis über die problemlosesten Erst - und Zweit-Regimes bei<br />

Drogenkonsumenten gegeben. Selbstverständlich sind im Einzelfall auch andere hier<br />

Therapie<br />

115


Therapie<br />

116<br />

nicht genannte Regimes denkbar.<br />

Tabelle 9: Empfohlene Regimes bei IVDU und ihre Indikationen<br />

Regimetyp Kombinationspartner Dosierung Indikation<br />

2 NRTI + 1<br />

NNRTI<br />

TDF + FTC + EFV 0-0-1 Tabl Standard-Erstregimes<br />

ABC + 3TC + EFV 0-0-2 Tabl<br />

ABC + 3TC + NVP 2-0-1 Tabl<br />

TDF + FTC + NVP 2-0-1 Tabl<br />

AZT + 3TC + EFV 1-0-2 Tabl<br />

AZT + 3TC + NVP 2-0-2 Tabl<br />

2 NRTI + PI ABC + 3TC + ATV 300/r 3-0-0 Tabl Standard-Erstregimes<br />

ABC + 3TC + LPV/r 3-0-2 Tabl<br />

ABC + 3TC + SQV500/r 4-0-3 Tabl<br />

ABC + 3TC + FPV/r 3-0-2 Tabl<br />

TDF + FTC + ATV300/r 3-0-0 Tabl<br />

TDF + FTC + LPV/r 3-0-2 Tabl<br />

TDF + FTC + SQV500/r 4-0-3 Tabl<br />

TDF + FTC + FPV/r 3-0-2 Tabl<br />

AZT + 3TC + ATV 300/r 3-0-1 Tabl<br />

AZT + 3TC + LPV/r 3-0-2 Tabl<br />

AZT + 3TC + SQV500/r 4-0-3 Tabl.<br />

AZT + 3TC + FPV/r 3-0-3 Tabl<br />

2 PI LPV/r + SQV 500 4-0-4 Tabl Regimes für Patienten mit Lactatazidose<br />

ATV/r +SQV 500 4-0-2 Tabl<br />

Regimes für Patienten mit Ribavirin-<br />

Komedikation<br />

3 NRTI AZT+3TC+ABC 1-0-1 Tabl Regime für Patienten mit Tbc-Therapie<br />

Das breite Spektrum der geeigneten Substanzen ermöglicht es inzwischen, alle<br />

Standardsituationen des antiretroviralen Behandelns mit einmaliger Tagesgabe zu<br />

beherrschen. Der Einfachheit halber sollte das Rückgrat des Regimes feste<br />

Kombinationen von 2 NRTI enthalten ( Combivir®, Truvada®, Kivexa® ). Die Bedeutung<br />

der einmal täglichen Verabreichung im Vergleich zu zweimal täglich verabreichten<br />

Regimes scheint für die Compliance nicht von so herausragender Bedeutung zu sein , wie<br />

oft suggeriert wird. Allerdings sind einmal-täglich-Regimes bei psychiatrisch Kranken mit<br />

konfusem Lebensstil sicher von Vorteil.


<strong>HIV</strong>-infizierte Drogenkonsumenten<br />

Jörg Gölz<br />

2. Therapeutische Besonderheiten bei der antiretroviralen<br />

Therapie<br />

ALLGEMEINE REGELN:<br />

● Akzeptanz der antiretroviralen Therapie ist gut<br />

● Behandlungergebnisse hängen überwiegend von der psychiatrischen<br />

Komorbidität ab<br />

● die Koinfektion mit Hepatitis C führt häufig in der 2. oder 3.<br />

Kombinationstherapie zu einer toxischen Hepatitis<br />

● nach Möglichkeit Therapieversuch der chronischen HCV-Infektion vor der<br />

antiretroviralen Therapie<br />

● Leberversagen bei <strong>HIV</strong>/HCV-Koinfizierten ist heute zweithäufigste<br />

Todesursache<br />

● die überdurschnittliche Komedikation ( Opiate, Neuroleptika, Antidepressiva)<br />

bei Behandlungsbeginn erschwert die Auswahl der therapeutischen Optionen<br />

SPEZIELLE REGELN<br />

● Frühestens zwei bis drei Monate nach Substitutionsbeginn antiretroviralen<br />

Therapie verordnen (Gefahr der Überforderung, häufig Abfall von <strong>HIV</strong>-RNA und<br />

Anstieg der CD4-Zellen unter Methadonbehandlung)<br />

● nicht mehrere potentiell lebertoxische Substanzen bei chronischer HCV-<br />

Infektion ( z.B. nicht D4T+DDI+NVP)<br />

● größere Neigung zu Pankreatitis unter HAART<br />

Therapiemonitoring bei Drogenkonsumenten immer mit alpha-Amylase/Lipase<br />

● Antiretrovirale Therapie bei gleichzeitiger chronischer HBV-Infektion vorrangig<br />

mit den Kombinationen AZT/3TC oder D4T/3TC (Anti-HBV-Wirkung von 3TC)<br />

● Protease-Inhibitoren und NNRTI werden über Isoenzyme des Cytochrom P 450<br />

abgebaut. Deshalb komplexe Interaktionen mit Methadon, Benzodiazepinen,<br />

Barbituraten, Antiepileptika, Neuroleptika, Antidepressiva<br />

● Compliance zur antiretroviralen Therapie durch ausführliche Erläuterungen von<br />

Wirkung und Nebenwirkungen stärken. Sonst häufig früher Therapieabbruch<br />

● Bei psychiatrischer Komorbidität mit Ich-Struktur-Defekten (Psychose,<br />

Borderline, dissoziale Persönlichkeit) Versuch einer Einmal-Täglich Gabe der<br />

ART ( z.B. DDI+3TC +EFV oder NVP)<br />

● bei vorraussehbar schlechter Compliance, möglichst keine Substanzen mit<br />

rascher Resistenzbildung ( z.B. NNRTI, 3TC )<br />

● Regime-Auswahl nach Schwere der psychiatrischen Komorbidität<br />

● DOT- once-daily-Regimes bei instabilen Objektbeziehungen<br />

● PI-Regimes nur mit 2 x täglicher Verabreichung<br />

● rasche Dosisnachregulierung von D/L-Methadon, L-Methadon, LAAM bei PI<br />

Therapie<br />

117


Therapie<br />

118<br />

und NNRTI oder Umstellung auf Buprenorphin ,DHC, retardierte Morphium<br />

● ART/HAART-Pause in sozialen/psychischen Konfliktsituationen<br />

Interaktion von Methadon mit anderen Medikamenten<br />

gesteigerter Abbau verlangsamter Abbau<br />

Rifampicin Cimetidin<br />

Rifabutin Chinidin<br />

Phenytoin b-Blocker<br />

Phenobarbital Antidepressiva<br />

Carbamazepin Antiarrhythmika<br />

Nelvinavir Kontrazeptiva<br />

Nevirapin Fluconazol<br />

Dexamethason Ketoconazol<br />

Spironolakton Ritonavir, Indinavir<br />

Saquinavir<br />

Delavirdine<br />

Erythromycin<br />

Clarithromycin<br />

Günstige Therapieschemata bei Drogenkonsumenten<br />

Kombination Darreichung<br />

DDI/HU:<br />

D4T/DDI<br />

AZT/DDI<br />

AZT/3TC/NFV<br />

AZT/3TC/IDV<br />

RTI -- Monotherapie<br />

1 x 40 ml Videx-Suspension<br />

2 x 500 mg Hydroxyurea<br />

RTI -- Zweifachtherapie<br />

2 x 1 Zerit 40<br />

1 x 40 ml Videx-Suspension<br />

2 x 1 Retrovir 250<br />

1 x 40 ml Videx-Suspension<br />

RTI+PI -- Dreifachtherapie<br />

twise-daily-dosing<br />

2 x 1 Combivir<br />

2 x 5 Viracept<br />

2 x 1 Combivir<br />

2 x 3 Crixivan 400


AZT/3TC/RTV<br />

AZT/3TC/RTV/SQV<br />

2 x 1 Combivir<br />

2 x 5 Norvir<br />

2 x 1 Combivir<br />

2 x 4 Norvir<br />

2 x 2 Fortovase<br />

oder Ersetzen von AZT/3TC durch D4T/DDI<br />

DDI/3TC/NVP<br />

DDI/3TC/EFV<br />

RTI+NNRTI -- Dreifachtherapie<br />

once-daily-dosing<br />

40 ml Videx-Suspension<br />

300 mg Epivir<br />

400 mg Viramune<br />

40 ml Videx-Suspension<br />

300 mg Epivir<br />

600 mg Sustiva<br />

Kombination Darreichung<br />

Spezielle Vorsicht<br />

Methadon<br />

Lebererkrankungen<br />

Pankreas-Erkrankungen<br />

Polyneuropathie<br />

ddI<br />

Protease-Inhibitoren<br />

NNRTI<br />

Protease-Inhibitoren<br />

NNRTI<br />

ddI<br />

d4T<br />

ddC<br />

d4T<br />

Tranquilizer-Beikonsum Ritonavir<br />

Therapie<br />

119


Therapie<br />

120<br />

<strong>HIV</strong>-infizierte Drogenkonsumenten<br />

Jörg Gölz<br />

3. Die antiretroviralen Optionen im Überblick<br />

Tabelle 1: ART/HAART-Optionen bei IVDU ohne PI<br />

Therapieform Kombinationen Indikation<br />

NRTI - Zweifachtherapie: D4T / DDI toxische Hepatitis auf PI / NNRTI<br />

AZT / DDI psychiatrische Komorbidität<br />

ABC / AZT<br />

ABC / D4T<br />

NRTI - Dreifachtherapie AZT / 3TC /<br />

ABC<br />

D4T / DDI / 3TC<br />

NRTI / NNRTI 2 x täglich 2 NRTI + NVP<br />

2 NRTI + EFV<br />

Standardregimes<br />

NRTI / NNRTI 1x täglich DDI/3TC/NVP Notwendigkeit von DOT<br />

DDI/3TC/EFV<br />

Tabelle 2: Beispiele für die Therapiefolge bei typischem Erstregimes:<br />

Erst-Regime 1. Salvage-Regime 2. Salvage Regime<br />

Beispiele: AZT/3TC/ABC D4T/DDI/ NVP oder<br />

EFV<br />

NRTI nach Resistenzbestimmung<br />

+DDC+PI<br />

AZT/3TC/NVP D4T/DDI + PI ABC/DDC + PI<br />

AZT/3TC/EFV D4T/DDI + PI ABC/DDC +PI<br />

DDI/3TC/NVP D4T/ABC +PI AZT/DDC + PI<br />

oder AZT/DDC+PI D4T/ ABC + PI<br />

D4T/DDI/3TC ABC/ NVP +PI AZT/DDC + PI<br />

ABC/ EFV +PI AZT/DDC + PI<br />

AZT/3TC/NFV D4T/DDI/ RTV/IDV ABC/NVP/LPV oder APV<br />

ABC/ EFV/LPV oder APV<br />

AZT/3TC/ RTV/IDV D4T/DDI/ NFV/SQV ABC/DDC/LPV oderAPV/NVP<br />

AZT/3TC/ RTV/SQV D4T/DDI/ IDV/NFV ABC/DDC/LPV oder APV/NVP


AZT/3TC/ LPV D4T/DDI/RTV/IDV ABC/DDC/RTV/AVP/NVP<br />

Tabelle 3: Screening der antiretroviralen Therapie bei Drogenabhängigen<br />

Standard:<br />

Beginn 4.<br />

Woche<br />

8.<br />

Woche<br />

alle 3<br />

Monate<br />

BB X X X X Alle<br />

GOT X X X X Alle<br />

GPT X X X X Alle<br />

Amylase X X X X Alle<br />

Lipase X X X X Alle<br />

Bilirubin X X X X Alle<br />

<strong>HIV</strong>-RNA X X X Alle<br />

CD4/CD8 X X X Alle<br />

Zusätzlich:<br />

Kreatinin X X X AZT/DDC/<br />

IDV<br />

LDH X X X AZT/NFV<br />

AP X X X DDI/NFV<br />

Harnsäure X X X DDI/alle PI<br />

Fette / BZ X X X Alle PI +<br />

NNRTI<br />

CPK X X X RIT/AZT/ABC/<br />

NFV<br />

Therapie<br />

121


Therapie<br />

122<br />

<strong>HIV</strong>-infizierte Drogenkonsumenten<br />

4. Substitutionsbehandlung<br />

Ermittlung der Anfangsdosis:<br />

Jörg Gölz<br />

(Der Berechnung liegt zugrunde, daß 1g auf der Szene gekauftes Heroin ca 100 mg<br />

reines Heroin enthält. )<br />

Straßenheroinmenge in mg : 10 = Reines Heroin in mg<br />

reine Heroinmenge/Tag in mg : 3,0 = Levomethadonmenge in mg<br />

reine Heroinmenge/Tag in mg : 1,5 = Methadonmenge in mg<br />

reine Heroinmenge/Tag in mg x 10 = DHC-Menge in mg<br />

Tabelle 4: Dosisanpassung bei Medikamenten-Interaktionen ( in Prozent der<br />

Ausgangsdosis )<br />

Medikament Methadondosis<br />

Rifampicin + 100 - 150%<br />

Rifabutin + 20 - 30%<br />

Antiepileptika + 10 - 40%<br />

Barbiturate + 20 - 40%<br />

Nelfinavir + 20 - 30%<br />

Nevirapine + 20 - 30%<br />

selektive Serotonin-<br />

Wiederaufnahmehemmer<br />

- 10 - 30%<br />

Ritonavir - 10 - 50%<br />

Indinavir - 10 - 30%<br />

Delavirdine - 10 - 20%<br />

Saquinavir - 5 - 10%<br />

Kontrolle des Beikonsums<br />

Urinkontrollen auf Beigebrauch<br />

Tabelle : Nachweisdauer von Drogen / Medikamenten<br />

Amphetamine 1-3 Tage<br />

Opiate 1-4 Tage


Kokain 1-2 Tage<br />

Secobarbital 1-2 Tage<br />

Phenobarbital 7 Tage<br />

Benzodiazepine 1-4 Tage<br />

Tabelle 5 : Maßnahmen gegen manipulierte Urinproben<br />

● Urinabgabe unregelmäßig und unangekündigt<br />

● Kontrolle des Urin auf Körpertemperatur<br />

● Kontrolle auf verfälschende Substanzen<br />

❍ Urin trübe: Flüssigseife verhindert Nachweis von Benzodiazepinen<br />

und Barbituraten<br />

❍ Urin-pH über 7: Bleichmittel/Augentropfen verhindert Nachweis aller<br />

Substanzen<br />

❍ Spez. Gewicht über 1030: NaCl verhindert Nachweis von Kokain,<br />

Opiaten, Amphetaminen<br />

Therapie<br />

123


Therapie<br />

124<br />

<strong>HIV</strong>-infizierte Drogenkonsumenten<br />

Jörg Gölz<br />

Indikationen zur Methadonsubstitution nach AUB als Leistung<br />

der GKV<br />

§3 - Indikationen<br />

Unbefristet<br />

AUB 1.1 maligne Tumoren<br />

AUB 1.2 <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

AUB 1.3 CAH B , CAH C<br />

auf 12 Monate befristet<br />

AUB 2.1 rezidivierende Abszesse<br />

AUB 2.2 rezidivierende Pneumonien<br />

AUB 2.3 Tuberkulose<br />

AUB 2.4 Suchtbegleit- und Folgeerkrankungen<br />

AUB 2.5 Schwangerschaft bis 6 Monate nach Geburt<br />

auf 6 Monate befristet<br />

AUB 3.1 Herstellung stationärer Behandlungsfähigkeit<br />

AUB 3.2 Überbrückung bis zur stationären Entgiftung<br />

§ 3a-Indikationen<br />

auf 12 Monate befristet<br />

AUB 3a.1 drogenfreie Therapie aus medizinischen Gründen<br />

nicht durchführbar<br />

AUB 3a2a Stabilisierung des Gesundheitszustands<br />

AUB 3a2b Abdosierung zur Abstinenz<br />

weitere Literatur:<br />

● Gölz,Mayr,Heise: <strong>HIV</strong> und AIDS. Behandlung Beratung Betreuung<br />

Urban und Fischer, 3.Aufl. 1999<br />

● Gölz, Jörg: Der drogenabhängige Patient.<br />

Urban und Fischer, 2. Auflage 1999<br />

● Gölz,Rockstroh: Compliance in der <strong>HIV</strong>-Therapie<br />

UNI MED science, 2000


Einleitung<br />

Besonderheiten bei Patienten mit<br />

Migrationshintergrund<br />

Markus Müller<br />

Ca. 7300 der <strong>HIV</strong> - positiven Menschen in Deutschland haben einen<br />

Migrationshintergrund und sind unter anderem in osteuropäischen und afrikanischen<br />

Ländern aufgewachsen. Für viele dieser Patienten stellen Sprache und Kultur in<br />

Deutschland Barrieren dar, die eine optimale medizinische Versorgung erschweren. In<br />

<strong>HIV</strong> - Schwerpunktpraxen werden diese Barrieren besonders deutlich, da intensive<br />

Aufklärung, Untersuchung und eine ungewöhnlich hohe Therapieadhärenz unerlässlich<br />

sind. Die Angst vor der Stigmatisierung ist eine zusätzliche Belastung, die <strong>HIV</strong> - Patienten<br />

aus ethnischen Minderheiten besonders schwer trifft und die Inanspruchnahme von<br />

Gesundheitseinrichtungen erschwert.<br />

Medizinische Aspekte<br />

Bei Patienten, die die Infektion in West- und Zentralafrika erworben haben, kann in<br />

wenigen Fällen auch ein <strong>HIV</strong>-2 Virus, oder ein <strong>HIV</strong>-1 Subtyp O vorliegen. Durch den<br />

Westernblot.- Test kann eine <strong>HIV</strong>-2 - Infektion differenziert werden, die marktüblichen<br />

Viruslast - Testmethoden können jedoch nicht <strong>HIV</strong> - 2 und <strong>HIV</strong>-1 Subtyp O RNA messen.<br />

Kürzlich wurde jedoch von der FDA der erste Test zugelassen, der den qualitativen<br />

Direktnachweis dieser seltenen Typen erlaubt (2). <strong>HIV</strong>-2 Infektionen verlaufen klinisch<br />

langsamer und werden auch weniger effektiv übertragen (3,4). Bei der Therapie einer <strong>HIV</strong>-<br />

2 - Infektion ist zu beachten, dass NNRTI’s keine Wirkung zeigen.<br />

Auch tropenmedizinische Erkrankungen sind besonders nach Reisen in die Heimatländer<br />

der Patienten zu beachten. Eine sorgfältige Reiseberatung muss empfohlen werden,<br />

besonders bei fortgeschrittener Immundefizienz. Impfungen gegen Gelbfieber sollten aus<br />

Sicherheitsgründen nicht erfolgen, wenn bei Patienten eine CD4 - Anzahl unter 200/µl<br />

vorliegt. Bei Fieber nach Rückkehr aus den Tropen muss auch an Malaria, Bilharziose<br />

und Virusfiebererkrankungen (Dengue, Chikungunya, andere) gedacht und eine<br />

stationäre Diagnostik eingeleitet werden.<br />

Kulturelle Aspekte<br />

Viele Konflikte zwischen Behandlern und Patienten sind auf dem Hintergrund der<br />

zeitorientieren Kultur speziell in Europa und einer ereignisorientierten Kultur<br />

beispielsweise in afrikanischen Ländern zu erklären. Typischerweise bestehen<br />

unterschwellige Vorwürfe bei Ärzten ('Dieser Patient kommt nie zu den vereinbarten<br />

Kontrolluntersuchungen und kommt immer ohne Termin!') und Patient ('Immer wenn ich<br />

wirklich krank bin, hat dieser Arzt keine Zeit, warum soll ich kommen, wenn es mir gut<br />

geht'), die durch den Zeitdruck in Praxen und Ambulanzen verstärkt wird. Weitere<br />

Missverständnisse können sich aus einer rein kausalen Betrachtungsweise des<br />

Behandlers ergeben, die auf eine mehr ganzheitliche Betrachtungsweise des Patienten<br />

trifft, die religiösen und zwischenmenschlichen Erklärungsmustern folgt (zum Beispiel<br />

'Tabubruch' oder der 'böser Blick').<br />

Daran zu denken ist auch, dass das Konzept präventiver Therapien (ART - Beginn,<br />

Therapie<br />

125


Therapie<br />

126<br />

obwohl Patient/Patientin noch nicht klinisch krank ist) in armen Ländern praktisch nicht<br />

existent ist und deshalb gut erklärt werden muss.<br />

Auch die Erwartungen von Migranten an den Arzt als Person unterscheiden sich oft von<br />

den Erwartungen deutscher Patienten. Während letztere häufig informiert über<br />

therapeutische Entscheidungen mit dem Arzt diskutieren wollen, sehen Migranten häufig<br />

im Arzt eher eine Autoritätsperson, die Entscheidungen alleine treffen soll. Diskussionen<br />

über Therapiealternativen und die Einbeziehung der Entscheidung des Patienten können<br />

bei manchen Patienten Verunsicherung hervorrufen ('Der Doktor weiß es auch nicht<br />

genau').<br />

Außerdem besteht manchmal das Vorurteil, dass ein Arzt, der keine Medikamente<br />

verschreibt, kein guter Arzt sein kann.<br />

Die interkulturelle Kompetenz erfordert von Behandlern Empathie, Zuhörbereitschaft und<br />

oft auch die Fähigkeit, sich an vorgegebene Zeitrahmen nicht zu streng zu halten.<br />

Religiöse Aspekte<br />

Religiöse Gründe können bei einzelnen Patienten auch zur völligen<br />

Therapieverweigerung führen ( 'Strafe Gottes' ) oder auch zu Therapieunterbrechungen<br />

führen. Letzteres tritt häufiger im Zusammenhang mit Fastentagen auf, beispielsweise<br />

während des Ramadanmonats oder den Wochen vor Ostern. Fastentage sollten offen<br />

angesprochen werden, da jede der drei monotheistischen Religionen kranke Menschen<br />

ausdrücklich von den Fastengeboten ausnimmt.<br />

Traumata<br />

Patienten mit Migrationshintergrund, die von Folter und anderen Gewalttaten traumatisiert<br />

sind, finden sich gehäuft in <strong>HIV</strong> - Schwerpunktpraxen. Häufig kommen diese<br />

Traumatisierungen gar nicht zur Sprache. Diese Patientinnen und Patienten wirken dann<br />

auf den Untersucher flach und emotionslos, auch wenn sie eigentlich belastende<br />

Erlebnisse beschreiben (5). Die möglichst frühe Erkennung von Traumatisierungen ist<br />

aber für den Therapieerfolg entscheidend (6). Die Behandlung und Begutachtung sollte in<br />

die Hände erfahrener Zentren gelegt werden. In der 'Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft<br />

der Behandlungszentren für Flüchtlinge' sind bislang 38 psychosoziale Zentren vereinigt,<br />

in denen diese Patienten qualifizierte Hilfe finden können (7).<br />

Sprache<br />

Unzureichende Sprachkenntnisse sind der häufigste Grund für Missverständnisse<br />

zwischen Behandlern und Patienten. Die Übersetzung durch Familienangehörige oder<br />

Freunde ist meistens unzureichend. Auf einen von den Sozialkassen oder Krankenkassen<br />

bezahlten Dolmetscherdienst haben die Patienten bei ambulanten Sprechstunden keinen<br />

Anspruch. Lediglich vor operativen Eingriffen in Krankenhäusern können<br />

Dolmetscherdienste eingefordert werden (8). Durch die Initiative des 'Ethnomedizinischen<br />

Zentrums e. V.' wurde in Hannover der erste öffentliche medizinische Dolmetscherservice<br />

aufgebaut (9). Ein weiteres Beispiel ist der Gemeindedolmetscherdienst in Berlin, wo<br />

Dolmetscherdienste in circa 70 Sprachen angeboten werden (10). Bei der<br />

fremdsprachlichen Beratung über <strong>HIV</strong>/AIDS und andere sexuell übertragbare Krankheiten<br />

können unter Umständen auch die Gesundheitsämter hinzugezogen werden.<br />

Patienten im Asylverfahren


Patienten, die als Asylsuchende nach Deutschland kommen und dort die Diagnose <strong>HIV</strong><br />

erfahren, stehen unter einem besonderen psychischen Druck. Häufig wird die <strong>HIV</strong> -<br />

Infektion als das kleinere Problem angesehen, was die Therapieadhärenz beeinträchtigen<br />

kann. Zusätzlich verschärft wird die Versorgungssituation durch die Regelung, nach der<br />

Migranten im Asylverfahren den Landkreis des Unterbringungsortes nicht verlassen<br />

dürfen, Dies erschwert regelmäßige Kontakte weil - sofern keine<br />

Behandlungsmöglichkeiten vor Ort bestehen - zunächst Ausnahmegenehmigungen und<br />

Kostendeckungsbescheinigungen der Landratsämter beantragt werden müssen.<br />

Häufig werden <strong>HIV</strong> - Behandler auch aufgefordert, Gutachten zu schreiben, die als<br />

Grundlage für Gerichtsentscheidungen über das Aufenthaltsrecht des Patienten<br />

Verwendung finden. In diesen Gutachten wird nach dem CDC - Stadium der Infektion, der<br />

Anzahl der CD4 - Zellen, der Viruslast und der Therapiekombination gefragt. Wichtig ist<br />

auch zu beschreiben, welche opportunistischen Infektionen bereits aufgetreten sind,<br />

welche Komplikationen bei der Therapie aufgetreten sind ( Resistenzen,<br />

Unverträglichkeiten) und welche zusätzlichen Erkrankungen beachtet werden müssen.<br />

Auch Angaben über die Behandlungsmöglichkeiten im Gastland können für<br />

Gerichtsentscheidungen eine wichtige Rolle spielen. Aktuelle Angaben dazu sind auf den<br />

Webseiten von UNAIDS (11) oder des UN Office for the Coordination of Humanitarian<br />

Affairs (12).<br />

Literatur und Links<br />

Therapie<br />

1. Robert Koch-Institut (2008) Epidemiologisches Bulletin Nr. 47<br />

2. FDA (2008) http://www.fda.gov/bbs/topics/NEWS/2008/NEW01936.html<br />

3. Marlink R, Kanki P, Thior I, et al. (1994) Reduced rate of disease development<br />

after <strong>HIV</strong>2 infection as compared to <strong>HIV</strong>-1. Science. 265:1587-1590.<br />

4. Popper SJ, Sarr AD, Travers KU, et al. (1999) Lower human immunodeficiency<br />

virus (<strong>HIV</strong>) type 2 viral load reflects the difference in pathogenicity of <strong>HIV</strong>-1 and<br />

<strong>HIV</strong>-2. J Infect Dis. 180:1116-1121.<br />

5. Haasen C (2000) Kultur und Psychopathologie. In: Haasen C, Yagdiran O<br />

(Hrsg) Beurteilung psychischer Störungen in einer multikulturellen Gesellschaft.<br />

Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau, S 13-28<br />

6. Kuch K, Cox BJ (1992) Symptoms of PTSD in 124 survivors of the Holocaust.<br />

Am J Psychiatry 149 (3): 337-340<br />

7. Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Behandlungszentren für Flüchtlinge.<br />

http://www.baff-zentren.org/<br />

8. Oberlandesgericht Düsseldorf, Aktenzeichen 8 U 60/88 in Wolfgang Hausotter,<br />

Meryam Schouler-Ocak (2006) Begutachtung von Menschen mit<br />

Migrationshintergrund und Arbeitnehmern nichtdeutscher Herkunft unter<br />

medizinischen und psychologischen Aspekten: Unter medizinischen und<br />

psychologischen Aspekten Urban&FischerVerlag, München, S 89<br />

9. http://www.ethno-medizinisches-zentrum.de/<br />

10. http://www.gemeindedolmetschdienst-berlin.de/<br />

11. http://www.unaids.org/en/CountryResponses/Countries/default.asp<br />

12. http://www.irinnews.org/<br />

127


Therapie<br />

128<br />

Komplementäre Therapieformen bei <strong>HIV</strong><br />

Jürgen Brust<br />

Bei allen chronischen und letztlich nicht heilbaren Erkrankungen besteht ein großes<br />

Interesse seitens der Patienten an ergänzenden Therapien aus dem Bereich der<br />

Naturheilkunde und Alternativmedizin. Dies gilt für die <strong>HIV</strong>-Infektion ebenso wie z.B. für<br />

Tumorerkrankungen oder rheumatische Erkrankungen. Schätzungen über das Ausmaß<br />

des Gebrauchs solcher Mittel liegen, je nach Definition was man unter alternativer<br />

Therapie versteht, bei 30-70 %. Lag früher ein Schwerpunkt auf pflanzlichen Extrakten,<br />

von denen man sich eine direkte Senkung der Viruslast erhoffe (Beispiel Hypericin), so<br />

liegt er heute eher bei Nahrungsergänzungsmitteln und bei Substanzen, die der<br />

Lipodystrophie und Lipoatrophie vorbeugen.<br />

Besonders in der symptomfreien Phase der klinischen Latenz entsteht bei vielen<br />

Patienten der nahe liegende Wunsch, zunächst eine Stärkung des Immunsystems mit<br />

naturheilkundlichen Mitteln zu versuchen, bevor sie sich zu einer antiretroviralen Therapie<br />

entschließen können. Wird hier nur kategorisch der frühzeitige Einsatz einer<br />

antiretroviralen Therapie empfohlen, fühlen sich die Patienten unverstanden und mit ihren<br />

verständlichen Bedürfnissen alleine gelassen. Auch wenn man selbst dem<br />

therapeutischen Nutzen der angebotenen Verfahren skeptisch gegenübersteht<br />

(methodisch korrekte Studien gibt es auf diesem Gebiet aus verschiedenen Gründen<br />

leider kaum), sollte man bedenken, dass die meisten komplementärmedizinischen<br />

Maßnahmen in der Lage sind, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern, da sie<br />

emotional positiv besetzt werden.<br />

Dem gegenüber besteht allerdings die Gefahr, dass sich Patienten auf die komplementäre<br />

Therapie verlassen und die Einleitung einer dringend notwendigen ART verzögert oder<br />

verhindert wird. Eine weitere Gefahr besteht in unbekannten Wechselwirkungen zwischen<br />

den komplementären Heilmitteln und den <strong>HIV</strong>-spezifischen Medikamenten. So führt z. B.<br />

die gleichzeitige Einnahme von Hypericin und Indinavir zu einer deutlichen Verringerung<br />

der Indinavir-Plasmaspiegel und kann zu einem Wirkverlust der ART führen. Ebenso<br />

können Knoblauchpräparate mit antiretroviralen Medikamenten interagieren und z. B. den<br />

Serumspiegel von Saquinavir deutlich verringern. Diese Beobachtungen lassen vermuten,<br />

dass es noch weitere bisher unbekannte Wechselwirkungen pflanzlicher Präparate mit<br />

<strong>HIV</strong>-spezifischen Medikamenten gibt. Bei einigen pflanzlichen Präparaten wurden zudem<br />

ernst zu nehmende Nebenwirkungen - insbesondere Hepatotoxizitäten - beschrieben (z.<br />

B. Kava Kava). Zu der Erhebung der Medikamentenanamnese gehört daher unbedingt<br />

auch das gezielte Fragen nach dem Gebrauch von komplementären Therapieverfahren,<br />

insbesondere pflanzlicher Präparate.<br />

Die folgende Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll lediglich eine<br />

Orientierung über die häufig angewandten Verfahren und Heilmittel geben:


Therapieverfahren Postulierte Wirkungen Bemerkungen<br />

Substitution von Vitaminen<br />

(v.a. Vitamine A, C, E )<br />

Substitution von<br />

Spurenelementen<br />

(v.a. Selen, Zink )<br />

Pflanzliche Immunstimulantien<br />

(Echinacin, Taigawurzel, Krallendorn)<br />

Pflanzliche Extrakte mit direkter<br />

Anti-<strong>HIV</strong>-Wirkung<br />

Hypericin (Johanniskraut),<br />

Glycyrrhizin,<br />

Curcumin, Prunella vulg.,<br />

Castanospermin, Compound Q<br />

Symbioselenkung<br />

(Symbioflor®, Omniflora®, Mutaflor®)<br />

Enzympräparate<br />

(Wobenzym®, Phlogenzym®,<br />

Wobemugos® etc.)<br />

Mistelpräparate<br />

(Iscador®, Abnoba viscum®,<br />

Helixor® etc.)<br />

Thymuspräparate<br />

(Thymuvocal®, Thymoinjekt®,<br />

Thymophysin® etc.)<br />

Homöopathie<br />

(Einzelsubstanzen,<br />

Konstitutionsmittel,<br />

Komplexpräparate )<br />

Antioxidative Wirkung gegen<br />

schädigende Sauerstoffradikale<br />

Notwendig für antioxidative<br />

Enzyme, immunregulatorische<br />

Wirkung,<br />

Wirkung auf Thymushormone<br />

Stimulation der unspezifischen<br />

Immunantwort<br />

Direkte Wirkung auf die<br />

verschiedenen Schritte der<br />

Virusreplikation<br />

Korrektur einer bakteriellen<br />

Fehlbesiedlung des Darmes soll<br />

dessen Funktion als<br />

immunologisches Organ<br />

optimieren<br />

Proteolytische Enzyme sollen<br />

zirkulierende Immunkomplexe<br />

inaktivieren und die<br />

Zytokinaktivitäten modulieren<br />

Immunmodulierende Wirkung,<br />

Stabilisierung der TH1-Antwort<br />

Restauration der<br />

beeinträchtigten Thymusfunktion<br />

Regulationstherapie mit<br />

potenzierten Arzneimitteln nach<br />

der Theorie Hahnemanns oder<br />

der Homotoxinlehre<br />

Korrektur von<br />

Mangelzuständen sinnvoll<br />

Vorsicht vor Überdosierung!<br />

Korrektur von<br />

Mangelzuständen sinnvoll<br />

Vorsicht vor Überdosierung!<br />

Bei fortgeschrittener<br />

Erkrankung und Hochdosis-<br />

Therapie negative Effekte<br />

durch Stimulation infizierter<br />

Zellen nicht auszuschließen.<br />

Teilweise hervorragende<br />

Wirkung gegen <strong>HIV</strong> in vitro.<br />

Bisher kein sicherer<br />

Wirkungsnachweis bei<br />

Anwendung im<br />

menschlichen Organismus.<br />

Positive Effekte bei<br />

Allergien,<br />

Hauterkrankungen und<br />

unspezifischen Diarrhöen<br />

möglich<br />

Wirkung nicht<br />

nachgewiesen<br />

Bisher keine negativen<br />

Effekte auf das<br />

Immunsystem in offenen<br />

Phase II Studien<br />

beobachtet, dennoch<br />

immunstimulierende<br />

Dosierungen vermeiden.<br />

Allenfalls stabilisierende<br />

Wirkung möglich, keine<br />

Verbesserung hinsichtlich<br />

Viruslast oder Helferzellen.<br />

Zahlreiche verschiedene<br />

Präparate, die nicht<br />

miteinander vergleichbar<br />

sind. Widersprüchliche<br />

Studienergebnisse.<br />

Als Begleittherapie in der<br />

Regel unbedenklich<br />

Therapie<br />

129


Therapie<br />

130<br />

Anthroposophische Medizin<br />

Einsatz von speziellen<br />

anthroposophischen Medikamenten,<br />

zusätzlich Kunsttherapie (Malen,<br />

Plastizieren, Musiktherapie),<br />

Sprachgestaltung, Heileurythmie,<br />

rhythmische Massage,<br />

Biographiearbeit<br />

Pseudowissenschaftliche<br />

Verfahren<br />

z.B. obskure Immuntherapien,<br />

Bioresonanz, etc.<br />

Ganzheitlicher Therapieansatz<br />

nach der Lehre von Rudolf<br />

Steiner.<br />

Die Einseitigkeit der<br />

naturwissenschaftlichen Medizin<br />

soll durch Einwirken auf Körper,<br />

Seele und Geist des Patienten<br />

überwunden werden.<br />

Teils virtuos den<br />

naturwissenschaftlichen<br />

Sprachschatz nutzende<br />

Begründungen<br />

Glutamin, Acetylcysterin Erhöhung des<br />

Gluthationsspiegels<br />

Carnithin Verbesserung der<br />

Lipodystrophie/Lipatrophie<br />

Muskelaufbau<br />

Patientenorientierte<br />

Therapie mit oft günstigen<br />

Auswirkungen auf das<br />

Befinden und den Verlauf.<br />

Eigenaktivität des Patienten<br />

gefragt<br />

Skepsis angebracht,<br />

insbesondere bei<br />

unrealistischen<br />

Heilversprechungen, hohen<br />

Kosten und Medienrummel<br />

Wirksamkeit nicht<br />

nachgewiesen.<br />

Wirksamkeit nicht<br />

nachgewiesen.<br />

Therapieverfahren Postulierte Wirkungen Bemerkungen


Immunglobuline bei <strong>HIV</strong><br />

Martin Hartmann<br />

Im Verlauf der <strong>HIV</strong>-Infektion kommt es bei niedrigen CD4-Helferzellzahlen auch zu einer<br />

deutlichen Einschränkung der B-Zell-Aktivierung. Deshalb bewirken Immunglobuline bei<br />

<strong>HIV</strong>-infizierten Kindern eine Verminderung der Infektionsrate und der Letalität. Da auch<br />

bei Erwachsenen ein Mangel an spezifischen Antikörpern besteht wurden schon frühzeitig<br />

Immunglobuline eingesetzt. Die Dosis beträgt in der Regel 0,2g/kg alle 14 Tage.<br />

Verschiedene Studien versuchten die Wirksamkeit bei Erwachsenen nachzuweisen.<br />

Schrappe-Bächer zeigte 1990 bei 30 Patienten mit ARC und Walter-Reed-Klassifikation 5<br />

weniger konstitutionelle Symptome wie Fieber und Müdigkeit in der mit Immunglobulin<br />

behandelten Gruppe. Im gleichen Jahr sah Brunkhorst bei 40 Patienten eine verminderte<br />

Mortalität bei mit Immunglobulin behandelten Patienten der Walter Reed Gruppen 5-6. De<br />

Simone konnte 1991 eine Abnahme der opportunistischen Infektion bei gleichzeitiger<br />

Immunglobulingabe und AZT sehen. Dass die Immunglobulintherapie die stationären<br />

Aufnahmen verringern kann, zeigt Williams bei überwiegend drogenabhängigen<br />

Patienten. Kiehl wies 1993 bei 66 Patienten mit ARC und AIDS in der mit Immunglobulin<br />

behandelten Gruppe signifikant weniger Krankenhausaufenthalte nach. In einer zweiten<br />

Auswertung zeigten sich signifikant weniger Fieberschübe und Diarrhoen in der mit<br />

Immunglobulinen behandelten Gruppe. Saint-Marc sah 1994 bei 39 Patienten mit ARC<br />

weniger AIDS-definierende Erkrankungen, wenn sie gleichzeitig mit Immunglobulinen<br />

behandelt wurden. In einer prospektiven Untersuchung bei 24 Patienten wies er ebenfalls<br />

einen signifikanten Überlebensvorteil nach. Bekannt ist seit langem ein gutes Ansprechen<br />

der Immunglobulintherapie (0.4g/kg über 2-5 Tage) auf die thrombozytopenische Purpura<br />

(ITP) bei <strong>HIV</strong>-Infektion (Bussel). Ebenfalls kann bei <strong>HIV</strong>-assoziierter Polyneuropathie ein<br />

Versuch der Therapie mit Immunglobulinen durchgeführt werden. Bei 83 % der Patienten<br />

wurde von Bauer eine Verbesserung der peripheren Polyneuropathie beobachtet. Auch<br />

bei schweren Arzneimittelreaktionen hat sich die Immunglobulingabe bei <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

bewährt (Sanwo). Diese Untersuchungen zeigen, daß die Behandlung mit<br />

Immunglobulinen nicht generell empfohlen werden kann und auf Subgruppen speziell im<br />

fortgeschrittenen Stadium oder mit besonderen Kranheitsbildern beschränkt werden<br />

sollte, die durch andere Therapien nicht ausreichend behandelbar sind (s. auch<br />

Empfehlungen der DAGNÄ, Dtsch. Ärzteblatt 1996: 2233; Rechtmann; Rockstroh).<br />

Literatur<br />

● Bauer G. ICA Vancouver: # 4258 (1996)<br />

● Bussel JB. Vox Sanguinis 52: 206-211 (1987)<br />

● Brunkhorst U, Stürner M, Willers H, Deicher H, Schedel I. Infection 18: 28-32<br />

(1990)<br />

● Kiehl MG, Stoll R, Domschke W. Immun Infekt 22: 53-55 (1994)<br />

● Kiehl MG, Stoll R, Broder M, Mueller C, Foerster EC, Domschke W. Arch Int<br />

Med 156 : 2545-2550 (1996)<br />

● Rechtmann DJ. Use of Intravenous Immune Globulin in Adults with <strong>HIV</strong><br />

Disease, in: Lee ML, Strand V (Hrsg.), Intravenous Immunoglobulins in clinical<br />

practise: 167-174. Dekker 1997<br />

● Rockstroh JK. Einsatz von Immunglobulinen bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten, in:<br />

Jäger H (Hrsg.), AIDS: 269-271. MI 2000<br />

Therapie<br />

131


Therapie<br />

132<br />

● Rubinstein A. Die gelben Hefte XXXI: 109-117 (1991)<br />

● Sanwo M, Nwadiuko, Beall G. J Allergy Clin Immunol 98: 1112-1115 (1996)<br />

● Saint-Marc T, Berra N, Perraud P, Livrozet JM, Fournier F, Touraine JL. ICA<br />

Yokohama: # PB0330 (1994)<br />

● Saint-Marc T, Touraine JL, Berra N. Lancet 340: 1347 (1992)<br />

● De Simone C, Tzantzoglou S, Santini G, Vullo V, Orio F, Leuter C, Jirillo E,<br />

Delia S. Immunopharmacology and Immunotoxicology, 13: 447-459 (1991)<br />

● Schrappe-Bächer M et al. Vox Sang 59 (Suppl 1): 3-14 (1990)<br />

● Williams PE, Thompson C, Yap PL, Brettle RP. Vox Sang, 60: 126-127 (1991)


Schmerztherapie bei <strong>HIV</strong><br />

Dieter Schuster<br />

Im Verlauf der <strong>HIV</strong>-Infektion können, wie bei anderen chronischen Erkrankungen, akute<br />

und chronische Schmerzen auftreten. Über die Häufigkeit, die Art und Schwere des<br />

Symptoms Schmerz werden in der Literatur, abhängig von den untersuchten<br />

Patientengruppen sehr unterschiedliche Angaben aufgeführt. Der Schmerz kann auftreten<br />

als ein Symptom der <strong>HIV</strong>-Infektion oder als Symptom für andere Krankheiten / Infektionen<br />

oder auch als Nebenwirkungen der <strong>HIV</strong>-Therapie. Zu den häufigsten Arten von<br />

Schmerzen gehören:<br />

● periphere Neuropathien: sensorische Nervenschäden, vor allem an Händen<br />

und Füßen, kann Folge der <strong>HIV</strong>-Medikation sein oder Begleiterkrankung z.B.<br />

Diabetes und als Symptom der <strong>HIV</strong>-Infektion selbst.<br />

● Bauchschmerzen: NW der ART, Entzündung der Bauchspeicheldrüse,<br />

Infektionen des Darms durch Parasiten oder Bakterien<br />

● Kopfschmerzen: z.B. verursacht durch Muskelverspannungen, Streß, NW durch<br />

<strong>HIV</strong>-Medikamente; chron.Zahnherde, Entzündungen des Gehirns<br />

● Post-Zoster-Neuralgien: häufig nach Ausheilung der Gürtelrose (Herpes zoster)<br />

● Gelenk-und Muskelschmerzen: häufig in Zusammenhang mit Medikamenten<br />

oder auch als Gründe von Bewegungsmangel.<br />

Grundsätzlich erfolgt die Schmerztherapie nach den Richtlinien wie sie in den<br />

vergangenen Jahren etwa für die Therapie onkologischer Erkrankungen erarbeitet<br />

wurden. (WHO 1985).<br />

● orale Therapie hat Vorrang<br />

● Gabe der Medikamente zu festen Zeitpunkten, abhängig von der Wirkdauer.<br />

Keine Verordnung nach Bedarf<br />

● stufenweise Vorgehensweise mit rechtzeitiger Kombination von Opiaten und<br />

Nicht-Opioid-Analgetika<br />

● Einsatz von Koanalgetika entsprechend dem Schmerztyp (z.B. trizyklische<br />

Antidepressiva, Antikonvulsiva)<br />

● prophylaktische Behandlung häufiger Nebenwirkungen der Analgetika<br />

(Antiemese, Laxantien, Magenschutz)<br />

*Bei PI und NNRTI sind zahlreiche,klinisch relevante Interaktionen zu beachten, die in erster Linie<br />

auf Inhibierung und/oder Induktion des Cytochrom P450-Enzymsystem zurückzuführen sind.<br />

Carbamazepin senkt die Wirkspiegel aller Proteinaseinhibitoren,gegebenenfalls sollte ein<br />

Therapiemonitoring mit entsprechenden Spiegelbestimmungen durchgeführt werden (Verweis auf<br />

das Kapitel:drug-monitoring). Bei Opiaten muß möglicherweise die Dosis angepasst werden, da die<br />

Proteinaseinhibitoren die Opiatspiegel senken können. Für Antidepressiva ist zu beachten dass die<br />

Spiegel dieser Medikamente durch die Proteinaseinhibitoren ansteigen kann, dadurch vermehrt<br />

Nebenwirkungen der Antidepressiva. Es gibt nur wenige Kontraindikationen für bestimmte<br />

Schmerzmittel, Antidepressiva und Opiate. Bei Unklarheiten immer mit ihrem Arzt Kontakt<br />

aufnehmen.<br />

Therapie<br />

133


Therapie<br />

134<br />

Psychotherapie bei <strong>HIV</strong>-Patienten<br />

Petra Losse-Brust<br />

Die Tatsache einer <strong>HIV</strong>-Infektion stellt ein erhebliches psychisches Trauma für die<br />

Betroffenen dar. Neben der Bedrohung der körperlichen Integrität ist die soziale Existenz<br />

durch Stigmatisierung und Ausgrenzung gefährdet und die psychosexuelle Existenz durch<br />

die Möglichkeit, den Sexualpartner zu infizieren, beeinträchtigt.<br />

Die Reaktion auf das positive Testergebnis und die Bewältigungsstrategien sind abhängig<br />

von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen und den lebensgeschichtlichen Erfahrungen.<br />

Als günstig können intakte Abwehrmechanismen, ein flexibler coping-Stil und ein<br />

funktionierendes soziales Netz angesehen werden. Demgegenüber stehen totale<br />

Verleugnung, defensiv-vermeidender coping-Stil und soziale Isolierung.<br />

Schwere Depressivität und Suizidalität erfordern selbstverständlich eine sofortige<br />

Krisenintervention. Darüber hinaus sind länger dauernde Psychotherapien vor allem dann<br />

indiziert, wenn durch die Infektion frühere Traumata reaktiviert werden und sich eine<br />

manifeste neurotische Störung entwickelt. Häufige Beispiele, die eine Intervention<br />

notwendig machen, sind schwere Selbstwertkrisen, nicht zu beherrschende<br />

Schuldgefühle, Scham oder Selbsthass, Angstkrankheiten mit Panikattacken oder<br />

psychovegetativen Symptomen sowie Beziehungskonflikte.<br />

Zu beachten ist dabei die häufig ambivalente Psychotherapiemotivation bei den<br />

Betroffenen. Dem Wunsch nach Hilfe steht auf der anderen Seite die Befürchtung<br />

gegenüber, sich ständig mit der Belastung durch die Infektion konfrontieren zu müssen.<br />

Insgesamt ist das Bedürfnis nach höherfrequenter und langfristiger Psychotherapie eher<br />

gering. Eine weitaus höhere Akzeptanz haben zeitlich begrenzte Therapieangebote in<br />

Krisensituationen, wie sie im Verlauf der <strong>HIV</strong>-Infektion und AIDS-Erkrankung immer<br />

wieder auftreten können. Besonders kritisch ist der Zeitpunkt der Diagnosemitteilung, aber<br />

auch jede Verschlechterung des Immunstatus, der Beginn einer antiretroviralen Therapie,<br />

das Auftreten stigmatisierender Hautveränderungen und Verlusterlebnisse (Tod des<br />

Partners, Verlust der Arbeitsfähigkeit).<br />

Obwohl eine tiefenpsychologische, aufdeckende Therapie in Einzelfällen sinnvoll sein<br />

kann, stehen stützende und resourcenaktivierende Verfahren im Vordergrund. Da die <strong>HIV</strong>-<br />

Infektion für jeden Betroffenen eine Erschütterung des Selbstwertgefühles und die<br />

Notwendigkeit einer Umorientierung hinsichtlich der Lebens- und Beziehungsperspektiven<br />

darstellt, ist die Hilfe bei der Wiederherstellung des psychischen und sozialen<br />

Gleichgewichts ein vordringliches Therapieziel. Nicht analytische und nicht<br />

behavioristische Angebote mit humanistischen und systemischen Ansätzen gewinnen hier<br />

zunehmend an Bedeutung.<br />

Eine wichtige Rolle spielt für die Betroffenen eigenaktivierende Therapieangebote, die zur<br />

Verbesserung der Lebensqualität und zur besseren Krankheitsbewältigung beitragen<br />

können, ohne eine Psychotherapie ersetzen zu wollen. Entspannungstechniken wie<br />

Autogenes Training oder Muskelrelaxation nach Jacobsen, kreative und künstlerische<br />

Therapien, körperorientierte Verfahren wie die konzentrative Bewegungstherapie, aktive<br />

Imaginationstechniken etc. führen zu einem neuen positiven Selbstbezug, erschließen


"gesunde" Bereiche als Gegengewicht, verbessern die Körperwahrnehmung und führen<br />

mit Hilfe von Gruppentherapien aus der sozialen Isolation. Notwendig ist hier eine genaue<br />

Kenntnis des Therapieangebots und der Qualifikation des Therapeuten, um bei der<br />

Auswahl beraten und die Betroffenen vor unseriösen Angeboten schützen zu können.<br />

Voraussetzungen auf Seiten des Therapeuten sind u. A. Toleranz gegenüber der<br />

Lebenswelt der Betroffenen sowie ein aktuelles medizinisches Basiswissen über die<br />

Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten.<br />

Therapie<br />

135


<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

136<br />

Überblick:<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

● Orale Haarleukoplakie<br />

● Candida-Infektionen<br />

● Herpes simplex-Infektionen<br />

● Varizella zoster-Infektionen<br />

● CMV-Infektionen<br />

● Pneumocystis jirovecii-Pneumonie (PjP oder PcP)<br />

● Zerebrale Toxoplasmose<br />

● Tuberkulose<br />

● Atypische Mykobakteriose<br />

● Kryptosporidiose<br />

● Aspergillose<br />

● Kryptokokkose<br />

● Wasting-Syndrom<br />

● <strong>HIV</strong>-Enzephalopathie (AIDS-Demenz-Komplex)<br />

● Syphilis


Erreger / Epidemiologie<br />

Klinik<br />

Diagnose<br />

Therapie<br />

Prophylaxe<br />

Orale Haarleukoplakie<br />

Maria Procaccianti<br />

● durch Epstein-Barr-Virus (EBV) hervorgerufene Marker-Erkrankung für <strong>HIV</strong>-<br />

Infektion<br />

Einteilung in Stadium B der CDC-Klassifikation<br />

● grau-weißliche, papillomatöse, nicht abstreifbare Plaques, meist an seitlichen<br />

Zungenrändern mit wechselnder Intensität, in der Regel symptomlos,<br />

gelegentlich Brennen und Geschmacksstörungen<br />

● klinischer Aspekt<br />

● in der Regel nicht erforderlich, Rückbildung meist unter ART, ggf. Versuch mit<br />

z.B. Tretinoin lokal<br />

● keine<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

137


<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

138<br />

Erreger/Epidemiologie<br />

Klinik<br />

Diagnose<br />

Therapie<br />

Candida-Infektionen<br />

Maria Procaccianti<br />

● Candida spezies, meist C.albicans häufigste Pilzinfektion bei <strong>HIV</strong>-Patienten<br />

Auftreten auch bei CD4 > 200/µl<br />

systemische Soormykosen sowie Soorösophagitiden i.d. Regel erst ab<br />

CD4 < 100/µl<br />

in den letzten Jahren Verschiebung des Erregerspektrums auch hin zu nicht<br />

Candida albicans Spezies<br />

● oral: stippchenförmige oder flächige weiß-graue abstreifbare Beläge häufig<br />

begleitend anguläre Cheilitis, im Spätstadium borkige Umwandlungen,<br />

manchmal nur schmerzhaftes Erythem der Schleimhäute<br />

Subjektiv: Geschmacksstörungen, pelzige und brennende Zunge, später<br />

retrosternale Schmerzen, Kloßgefühl<br />

genital: Vulvovaginitis: Brennen, Juckreiz, weißl. Ausfluß, Dysurie,<br />

Dyspareunie<br />

Soorbalanitis: Brennen, Juckreiz, Rötung, evtl. grau-weißl. Beläge perianaler<br />

Soor: scharf begrenztem Erythem, Pruritus<br />

invasive Candidosen: z.B. Endokarditis, Meningitis, Peritonitis<br />

● klinisch durch typischen Aspekt<br />

Erregernachweis: Durch Abstrich, Mundspülflüssigkeit.<br />

Endoskopie zeigt Ösophagusbefall<br />

● topisch: Nystatin 4 x 2 ml/d Amphotericin B Lutschtbl. 5 x 1/d Miconazol 4 x 0,5-<br />

1 ml Mundgel<br />

in der Regel aber systemische Therapie:<br />

Fluconazol 1 x 100 - 400 mg/d (max 800 mg/d) Itraconazol 1 x 100 - 400 mg/d<br />

bei Azolresistenz und schweren systemischen Mykosen:<br />

Amphotericin B i.v. 0,3 - 0,6 mg/kg/d (Steigerung nach Schema) u/o Flucytosin<br />

i.v. 50 - 75 mg/kg/d liposomales Amphotericin B 1-3 mg/kg KG<br />

i.v. weitere Reservemedikamente bei Fluconazolresistenz:<br />

Caspofungin 70mg i.v. Tag 1, dann 50mg/d (Cave Leberinsuffizienz)<br />

Voriconazol 400 mg p.o. 2xtgl Tag 1, dann 200mg p.o. 2xtgl (Pt>40kg), bzw.<br />

6mg/kg KG i.v. Tag 1, dann 4mg/kg KG i.v.<br />

Posaconazol 200 mg 1xtgl p.o. dann 100 mg 1xtgl p.o. (max 400 mg 2xtgl bei


Prophylaxe<br />

invasiven Mykosen) Cave WW<br />

● weitere Substanzen sind inzwischen zugelassen worden: z.B. Micafungin<br />

● in der Regel nicht sinnvoll, ggf.:<br />

Fluconazol 1 x 50 mg/d - 3 x 100 mg/ Woche<br />

oder<br />

Itraconazol 1 x 100 mg/d<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />

Adult_OI_041009.pdf<br />

139


<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

140<br />

Erreger / Epidemiologie<br />

Klinik<br />

Diagnose<br />

Therapie<br />

Prophylaxe<br />

Herpes simplex-Infektionen<br />

Maria Procaccianti<br />

● Herpes-Viren Typ 1 u. 2 (HSV1 und HSV2) weltweit verbreiteter Erreger<br />

Durchseuchung mit HSV1 meist in ersten Lebensjahren, Übertragung von<br />

HSV2 überwiegend durch Sexualkontakt. Latente Infektion bei nahezu 100 %<br />

der sexuell infizierten <strong>HIV</strong>-positiven Patienten. Im Spätstadium durch<br />

Reaktivierung ausgedehnte Haut- und Schleimhautulzerazionen (oral, perianal,<br />

rektal, selten Ösophagus)<br />

● je nach Lokalisation variabler Verlauf<br />

oral: charakteristische Bläschen auf Lippe, Mundschleimhaut, weicher<br />

Gaumen, teilweise ulzerierend, Aphten, evtl. subfebrile Temperaturen<br />

genital: Papeln, Bläschen, wie ausgestanzt wirkende Ulzera, Läsionen<br />

schmerzhaft juckend, evtl. regionale Lymphome und subfebrile Temperaturen<br />

Ösophagitis: retrosternaler Schmerz und Odynophagie (Schluckschmerzen)<br />

selten Herpes-Enzephalitiden<br />

Proktitis: Ulcera, Ausfluß<br />

● typischer Aspekt bei Hautläsionen, evtl. Abstrich zur Virusdiagnostik (PCR),<br />

Gastroskopie mit Biopsie, Rektoskopie<br />

Ausschluß: Ulzera anderer Genese, (z.B. CMV-Ulkus)<br />

● Aciclovir 5 x 800 mg/d für mindestens 7 Tage oder<br />

Valaciclovir 3 x 1000 mg/d oder<br />

Famciclovir 2x250-500 mg/d<br />

bei ausgedehnten Läsionen:<br />

Aciclovir 3 x 5-10 mg/kg/d i.v. in 500 ml NaCl über 1h<br />

bei Therapieversagen:<br />

Foscarnet 3 x 40-60 mg/kg/d i.v. in 500 ml NaCl über 2h<br />

● Rezidivprophylaxe:<br />

Aciclovir 2 x 400 mg/d (auch mit Valaciclovir oder Famciclovir möglich)<br />

Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />

Adult_OI_041009.pdf


Erreger / Epidemiologie<br />

Klinik<br />

Diagnose<br />

Therapie<br />

Prophylaxe<br />

Varizella zoster-Infektionen<br />

Maria Procaccianti<br />

● Varizella Zoster-Virus aus Herpes Gruppe, persistiert in Nervenzellen.<br />

Erstinfektion ruft Windpocken hervor, Reaktivierung die Herpes-Zoster<br />

Erkrankung<br />

10x häufiger bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten<br />

● Primärinfektion (selten beim Erwachsenen): Windpocken, im <strong>HIV</strong>-Spätstadium<br />

evtl. Zoster generalisatus radikulärer Schmerz, dann Entstehung typischer,<br />

gruppiert stehender Bläschen über ein oder mehrere Dermatome<br />

● klinisch durch typischen Aspekt und Verlauf. Bei unklarem Bild: Serologie,<br />

Abstrich oder Bx mittels PCR untersuchen<br />

● Aciclovir 5 x 800 mg/d für 7-14 Tage oder<br />

Valaciclovir 3 x 1000 mg/d oder<br />

Famciclovir 3 x 250 mg/d oder<br />

Brivudin 1 x 125 mg/d (nicht bei Chemotherapie, nicht bei Hepatitis, nicht bei<br />

gleichzeitiger Flucytosingabe)<br />

schwere Fälle:<br />

Aciclovir 3 x 10 mg/kg/d i.v. in 500 ml NaCl über 1 h für 14 Tage<br />

Valaciclovir 3 x 1000 mg/d<br />

zusätzlich Analgetika, Carbamazepin evtl. Thymoleptika<br />

bei Resistenz:<br />

Foscarnet i.v.<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

● Schutz vor Erstinfektion im Erwachsenenalter (Expositionsprophylaxe).<br />

Impfung nur bei CD4 > 200<br />

● nach Exposition:<br />

Varizellen-Hyperimmunglobulin (innerhalb von 96 Std) - Dosierung siehe<br />

Fachinformation der jeweiligen Präparate<br />

Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />

Adult_OI_041009.pdf<br />

141


<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

142<br />

Erreger / Epidemiologie<br />

Klinik<br />

Diagnose<br />

Therapie<br />

CMV-Infektionen<br />

Maria Procaccianti<br />

● Zytomegalievirus<br />

Reaktivierung einer latenten Infektion, hohe Durchseuchungsrate<br />

Übertragung: Muttermilch, Blut, Schleimhautkontakte, Urin<br />

häufig CMV-Retinitis, seltener Kolitiden, Ösophagitiden, Pneumonien,<br />

Enzephalitiden, Hepatitiden<br />

● CMV-Retinitis:<br />

Leitsymptome: verschwommenes Sehen, herabgesetzte Sehschärfe,<br />

Gesichtsfeldausfälle, Punkte-Sehen, keine Schmerzen. Beginn meist auf einem<br />

Auge.<br />

Augenhintergrund: weißliche Exsudate, Blutungen<br />

CMV-Ösophagitis:<br />

retrosternales Brennen, Schluckbeschwerden endoskopisch diffuse,<br />

submuköse Blutungen, Ulzerationen<br />

CMV-Pneumonie:<br />

Dyspnoe, trockener Reizhusten, Hypoxämie interstitielle Infiltrate der gesamten<br />

Lunge<br />

CMV-Enterokolitis:<br />

Fieber, Gewichtsverlust, Diarrhöen, abdominelle Krämpfe<br />

● Antikörper nicht beweisend, negative Serologie schließt CMV-Infektion<br />

weitgehend aus, meist klinische Diagnose.<br />

PP 65-Antigen, early Antigen, PCR (Bronchiallavage);<br />

Beweis durch Histologie: Eulenaugenzellen Bronchiallavage<br />

immunhistochemisch<br />

● Akuttherapie i.d. Regel 3 Wochen, dann Erhaltungstherapie mit<br />

unterschiedlicher Dauer<br />

A Ganciclovir 2 x 5 mg/kg/d i.v. für 3 Wochen Valganciclovir 2 x 900mg/d p.o.<br />

für 3 Wo<br />

B Foscarnet 2 x 90 mg/kg/d i.v. für 3 Wochen<br />

C Kombinationstherapie mit Ganciclovir und Foscarnet (begleitende Gabe von<br />

Probenecid)


Prophylaxe<br />

D Cidofovir (Cave: Nephrotoxizität) 1 x 5 mg/kg i.v. pro Woche<br />

E ggf. Intravitreale Injektionen von Gangiclovir oder Foscarnet; Implantation von<br />

Ganciclovit Pellets<br />

● primär:<br />

i.d. Regel keine<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

sekundär:<br />

immer; Absetzen bei CD4 mind. 6 Monate > 100-150/µl möglich unter<br />

regelmässigen Verlaufskontrollen (Retinitisrezidive auch bei hoher CD4 Zahl<br />

beschrieben!)<br />

A Valganciclovir 2x450mg/d p.o.<br />

B Foscarnet 90 - 120 mg/kg/d. i.v. 5 Tage/Wo<br />

C Cidofovir 1 x 5 mg/kg i.v. alle 14 Tage<br />

Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />

Adult_OI_041009.pdf<br />

143


<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

144<br />

Pneumocystis jirovecii (früher carinii)-<br />

Pneumonie (PjP) bzw. (PcP)<br />

Erreger/Epidemiologie<br />

Klinik<br />

Diagnose<br />

Therapie<br />

Maria Procaccianti<br />

● Pneumocystis jirovecii, früher carinii<br />

Protozoon (pilzähnlich)<br />

häufigste pulmonale Komplikation<br />

häufigste opportunistische Infektion (ohne Prophylaxe)<br />

Auftreten meist bei CD4 < 200/µl endogene Reinfektion<br />

Übertragung: Tröpfchen, Staub<br />

● Trias:<br />

trockener Husten, Fieber, progrediente Belastungsdyspnoe, Gewichtsverlust,<br />

deutlicher Leistungsknick Auskultation meist o.B.<br />

● interstitielle Zeichnungsvermehrung im Rö.-Thorax; meist Mittel- und<br />

Unterfelder (unter Pentamidin-Prophylaxe oft Oberlappeninfiltrat) Hypoxämie,<br />

6-10% Zystenbildung<br />

Erregernachweis: direkt oder PCR im induzierten Sputum, Bronchoskopie mit<br />

Bronchiallavage und transbronchialer Biopsie LDH/BKS-Erhöhung<br />

Nachweis von Resistenzen: Sulfonamidresistenz (DHPS-Gen),<br />

Trimethoprimresistenz (DHFR-Gen), Atovaquonresistenz (Cytochrom-b-Gen)<br />

● leichter Verlauf:<br />

A Cotrimoxazol 3 x 3 Tbl oder 4 x 2 Tbl a 960mg p.o. für 3 Wo<br />

B Pentamidin-Inhalation 2 x 300 mg/d für 3 Wo<br />

C Atovaquon 3 x 750 mg/d für 3 Wo<br />

mittelschwerer oder schwerer Verlauf: (paO2 < 70 mm Hg)<br />

A Cotrimoxazol 100mg Sulfamethoxazol + 20 mg Trimethoprim/kg/d unterteilt in<br />

3-4 Dosen in 500 ml NaCl i.v. für 3 Wo zusätzlich Folinsäure 1x15 mg/d i.v.<br />

zusätzlich Prednison 2 x 30-50mg/d für 5-10 Tage<br />

B Pentamidin (bei Cotrimoxazol-Allergie) 4 mg/kg/d i.v. für 3 Wo, zusätzlich<br />

Prednison 2 x 30-50 mg/d für 5-10 Tage


Prophylaxe<br />

● primär: bei CD4 < 200/µl<br />

sekundär: immer! Kann jedoch bei 3-6 Monate stabilen CD4-Zellen über 200/µl<br />

und supprimierter UL pausiert werden<br />

A Cotrimoxazol 960 mg 3x/Wo<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

B Pentamidin-Inhalation 200 mg alle 2 Wo oder 300 mg alle 4 Wo, vorher:<br />

Bronchodilatator<br />

Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />

Adult_OI_041009.pdf<br />

145


<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

146<br />

Erreger/Epidemiologie<br />

Klinik<br />

Diagnose<br />

Therapie<br />

Prophylaxe<br />

Zerebrale Toxoplasmose<br />

Maria Procaccianti<br />

Opportunistische Infektion; endogene Reaktivierung einer latenten Infektion mit<br />

dem Protozoon Toxoplasma gondii<br />

Häufigste neurologische OI, nicht selten Erstmanifestation. Durch HAART<br />

Inzidenz um 50-60% rückläufig. Meist erst bei CD4-Zellen < 100/µl<br />

Subakute fokale Symptome (Mono- oder Hemiparesen, Sensibilitätsstörungen,<br />

Gesichtsfelddefekte, Aphasie, Ataxie), Vigilanzminderung, Wesensänderung,<br />

Kopfschmerzen, Fieber, epileptische Anfälle<br />

Craniales CT oder MRT mit KM: solitäre oder multifokale raumfordernde<br />

Läsionen mit ring- oder nodulärer KM-Aufnahme und perifokalem Ödem<br />

Liquor: unspezifisch verändert oder normal<br />

Erregernachweis durch PCR unzuverlässig<br />

Serologie: meist nur IgG-Durchseuchungstiter (85-10%%) nachweisbar, oft<br />

kein IgM, oft kein Anstieg von IgG-Titern;<br />

Wichtigste Differentialdiagnose: ZNS-Lymphom. Diagnosesicherung durch<br />

Ansprechen auf empirische antibiotische Therapie; ggf. PET (i.d. Regel reichert<br />

ein Lymphom stärker an als Toxoplasmoseherde); ggf. stereotaktische Bx<br />

A Pyrimethamin 2x50 mg/d (nach 3 Tagen 50-100mg/d weiter)<br />

+ Sulfadiazin 4x2 Tbl. à 500 mg/d<br />

+ Folinsäure 1x1 Tbl. à 15 mg/d<br />

B statt Sulfadiazin:<br />

Clindamycin 4x 1Amp. à 600 mg i.v. oder 4x1 Tbl. à 600 mg<br />

C Alternative bei schwerer Unverträglichkeit von Sulfadiazin:<br />

Atovaquone 2x10 ml (2x1500 mg) Akuttherapie über 4 bis 6 Wochen<br />

Sekundärprophylaxe: wie Akuttherapie, aber halbe Dosierungen. Absetzen ab<br />

CD4-Zellen > 200/µl > 6 Monate (Voraussetzung: MRT normal bzw. kein KM-<br />

Enhancement)


Primärprophylaxe: immer bei CD4-Zellen < 100/µl und Durchseuchungstiter<br />

für Toxoplasmose; Absetzen ab CD4-Zellen > 200/µl > 6 Monate<br />

Cotrimoxazol 960 mg 3 x pro Wo,<br />

alternativ:<br />

Dapson 1x2 Tbl. à 50 mg, oder Dapson 1x1 Tbl. à 50 mg<br />

+ Pyrimethamin 1x2 Tbl. à 25 mg/Wo<br />

+ Folinsäure 1x2 Tbl. à 15 mg/Wo<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />

Adult_OI_041009.pdf<br />

147


<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

148<br />

Erreger/Epidemiologie<br />

Klinik<br />

Diagnose<br />

Therapie<br />

Tuberkulose<br />

Maria Procaccianti<br />

● Mykobakterium tuberkulosis, bovis, africanum<br />

Tröpfcheninfektion bzw. kontaminierte Milch (M.bovis)<br />

meist Reaktivierung einer latenten Infektion<br />

erheblich höhere Erkrankungsrate als Normalbevölkerung<br />

Prävalenz zwischen 10% und 25%<br />

Beginn oft bei gutem Immunstatus, dann Verlauf wie bei klassischer Lungen-<br />

Tbc (Tuberkulintest zu 20% positiv), später Bakteriämie mit multiplen<br />

Organmanifestationen<br />

AIDS-definierende Erkrankung<br />

● Lungen-Tbc: Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust<br />

später: Husten, Dyspnoe, Hämoptysen<br />

bei exrapulmonaler Organmanifestation (Lymphknoten, Knochen, Darm,<br />

Leber, Milz, tuberkulöse Meningitis): buntes Bild<br />

cave: sofortiger Therapiebeginn bei rasch auftretender Leukopenie, Anämie,<br />

Thrombopenie mit Hyperthermie, abdominellen Lymphomen sowie Infiltration<br />

von Leber und Milz<br />

● Suchtest: Tuberkulin-Hauttest oft falsch negativ bei immunsupprimierten Pt.<br />

Sensitiver: Blutprobe für IGRA (Interferon-Gamma-Release Assay)<br />

● Rö-Thorax: initial Oberlappen- infiltrate mit oder ohne Kavernenbildung,<br />

Hiluslymphome, bei Bakteriämie interstitielle Unterlappeninfiltrate<br />

● CT-Thorax zeigt kleine Einschmelzungen<br />

● Erregernachweis mikroskopisch und kulturell in allen Körpersekreten und<br />

gezielten Organbiopsien: besonders mehrfach morgendlich abgehustetes<br />

Sputum oder Bronchial- lavage<br />

● bei isolierter Lungen- Tbc: für 3 Monate Vierfach- Therapie (ggf. +<br />

Streptomycin im 1. Monat bei diss. Verlauf und schlechter Immunitätslage),


Prophylaxe<br />

dann für weitere 6-9 Monate Zweifach-Therapie (vorzugsweise INH und<br />

Rifampicin)<br />

bei extrapulmonalem Befall: für 3 Monate mind. Vierfach-Therapie (ggf. +<br />

Streptomycin im 1. Monat), dann Zwei-bis Dreifach-Therapie für mind. weitere 9<br />

Monate<br />

1. Wahl:<br />

Ethambutol 20 mg/kg/d<br />

Isoniazid 5 mg/kg/d<br />

Rifampicin 10 mg/kg/d;<br />

Pyrazinamid 25 mg/kg/d<br />

Rifabutin 300-450 mg/d<br />

Streptomycin 1x1 g/d i.v. oder 2-tägige Gabe<br />

zusätzlich<br />

Pyridoxin 100 mg/d,<br />

Allopurinol 300 mg/d<br />

bei INH- und Rifampicin Resistenz:<br />

Ethambutol 20 mg/kg/d<br />

Protionamid 10 mg/kg/d<br />

Ciprofloxacin 3 x 750 mg/d;<br />

Pyrazinamid 25 mg/kg/<br />

D-Cycloserin 15 mg/kg/d<br />

Streptomycin 1g/ i.v. (max. 30 g);<br />

zusätzlich<br />

Pyridoxin 100 mg/d + Allopurinol 300 mg/d<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

● Cave: WW mit antiretroviraler Medikation beachten - ggf. Dosismodifikationen<br />

oder auch Therapieumstellungen erforderlich!!<br />

● normalerweise keine medikamentöse Prophylaxe empfohlen, ggf. INH<br />

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<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

150<br />

Erreger / Epidemiologie<br />

Klinik<br />

Diagnose<br />

Therapie<br />

Prophylaxe<br />

Atypische Mykobakteriose<br />

Maria Procaccianti<br />

● meist Mykobakterium avium complex, selten: M.fortuitum, genovese,<br />

kansasii, xenopii. Ubiquitär vorkommende Erreger<br />

Auftreten meist bei CD4 < 50/µl<br />

● unspezifisch<br />

Fieber (oft subfebril), Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Diarrhöen,<br />

Abdominalschmerzen (Pneumonie bei M. kansasii, xenopii),<br />

Wasting-Syndrom bei Multiorganbefall, Knochenmarks-Infiltration mit<br />

transfusionspflichtiger Störung der Hämatopoese<br />

● Erregernachweis durch mikroskopische Untersuchung in Geweben und<br />

Körpersekreten: Blut, Leber, ZNS beweisend. Sputum, Magensaft, Stuhl<br />

unsicherer<br />

● therapeutische Intervention abhängig von Gesamtsituation:<br />

Beginn mit Dreifach-Kombination: Clarithromycin 2 x 500 mg/d +<br />

Ethambutol 1 x 20 mg/kg/d + Rifabutin 1 x 300 mg/d (bei PI Therapie max<br />

150mg/d) (in seltenen Fällen 4fach mit z.B. zusätzlich Amikacin; Streptomycin)<br />

Erhaltungstherapie: Clarithromycin + Ethambutol (bis CD4> 100/µl mind.<br />

6 Monate)<br />

bei Allergie oder Unverträglichkeit: Ciprofloxacin 3 x 750 mg/d<br />

weitere Medikamente: Azithromycin 500-1000mg/d Rifampicin 10mg/kg/d<br />

Pyrazinamid 25 mg/kg/d<br />

● Clarithromycin<br />

Azithromycin<br />

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Erreger / Epidemiologie<br />

Klinik<br />

Diagnose<br />

Therapie<br />

Prophylaxe<br />

● Cryptosporidium parvum<br />

Weltweit verbreitetes Protozoon<br />

Übertragung: fäkal-oral (Tierkot)<br />

Auftreten: meist bei CD4 < 50/µl<br />

Kryptosporidiose<br />

Maria Procaccianti<br />

● wäßrige Diarrhöen mit zunehmender Frequenz (20-30 Stühle/d), Tenesmen,<br />

Exsikkose, Elektrolytverlust<br />

oft chronischer, lebensbedrohlicher Verlauf; Allenfalls subfebrile Temperaturen;<br />

gelegentlich Cholezystitis-Cholangitis, selten Befall des Respirationstrakts<br />

● Kryptosporidien-Darstellung im Stuhl (Spezialfärbung) mehrfach, histologischer<br />

Nachweis aus Rekto-Duodenoskopie<br />

● Verbesserung des Immunstatus durch antiretrovirale Therapie<br />

symptomatisch: Elektrolyt-Flüssigkeitssubstitution, parenterale Ernährung,<br />

Motilitäts / Sekretionshemmung z.B. mit Mucofalk®, Diphenoxylat, Loperamid,<br />

Tinctura Opii, Octreotid;<br />

Versuch einer Kausaltherapie: Paromomycin, Spiramycin, Albendazol,<br />

Azithromycin; Nitazoxanide (USA)<br />

● keine<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

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<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

152<br />

Erreger / Epidemiologie<br />

Klinik<br />

Diagnostik<br />

Therapie<br />

Prophylaxe<br />

Aspergillose<br />

Maria Procaccianti<br />

● Aspergillus fumigatus<br />

ubiquitär vorkommender Schimmelpilz (abgestorbene Pflanzen, Kompost,<br />

feuchte Tapeten usw.) Erkrankung der Spätphase, oft CD4 < 20/µl;<br />

meist bestehende Vorschädigung der Lungen (PcP, CMV-Pneumonie, KS)<br />

Infektion durch Sporeninhalation, anschließend langsame Besiedlung des<br />

Bronchialsystems<br />

● Fieber, Husten, Dyspnoe, evtl.Hämoptoe<br />

Tracheitis mit nachfolgender nekrotisierender Pneumonie<br />

Befall anderer Organe selten, evtl. metastatische Absiedlungen im Gehirn mit<br />

entsprechender Klinik<br />

● Erregernachweis: mikroskopisch, kulturell oder histologisch aus Sputum,<br />

Bronchialsekret, BAL oder Biopsat<br />

im CT peribronchiale Verschattungen mit Einschmelzungen, Kavernen<br />

● Voriconazol 2x400mg p.o.Tag 1, dann 2x200 mg p.o. bzw. 2x6mg/kg KG i.v.<br />

Tag 1 dann 2x4mg/kg KG i.v.<br />

Amphotericin B i.v.oder liposomales Amphotericin B i.v. 1 x 0.5 - 0.75 mg/<br />

kg/d bis Gesamtdosis von 2g!<br />

bei Resistenzen: Caspofungin 70 mg i.v. Tag 1, dann 50 mg/d, Cave bei<br />

Leberinsuffizienz<br />

Posaconazol 400 mg (10ml) 2xtgl p.o.; bei Pt., die keine Nahrung zu sich<br />

nehmen können 200 mg 4xtgl p.o.<br />

● weitere second-line Präparate: z.B. Micafungin, Anidulafungin<br />

● sekundär: lebenslang<br />

Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />

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Erreger / Epidemiologie<br />

Klinik<br />

Diagnose<br />

Therapie<br />

Prophylaxe<br />

Kryptokokkose<br />

Maria Procaccianti<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

● Cryptococcus neoformans<br />

Weltweit verbreiteter Hefepilz, besonders Vogelexkremente (Tauben)<br />

Erkrankung der Spätphase (CD4 < 50/µl) durch Inhalation von erregerhaltigem<br />

Staub mit pulmonaler Infektion und anschließender hämatogener Streuung,<br />

häufigste Manifestation: Meningitis AIDS-definierende Erkrankung<br />

● zwei unterschiedliche Verlaufsformen:<br />

1. Protrahierte Infektion: (Tage bis Wochen) mit Befall verschiedener<br />

Organsysteme (Lunge, Haut, Augen und in der Regel Meningen)<br />

2. Foudroyanter Verlauf: (wenige Tage) als Meningoenzephalitis und Sepsis;<br />

Fieber, Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Meningismus (25 %)<br />

Somnolenz bis Koma, Krampfanfälle, Hirnnervenausfälle häufig: Begleitsinusitis<br />

● serologisch: Kryptokokken-Antigennachweis (bei Meningitis in nahezu 100%)<br />

in Serum und Liquor; Erregernachweis im Tuschepräparat aus Liquor;<br />

kulturell aus Sputum und Hautinfiltraten bei extra- kraniellem Befall<br />

CT-Schädel zum Ausschluß anderer Ursachen<br />

● Therapiebeginn beim Nachweis von Kryptokokkenantigen!<br />

Amphotericin B 1 x 0,3 mg - 0,8 mg/kg/d i.v. oder liposomales Amphotericin B<br />

1 x 3 mg/kg und Fluconazol 1 x 400 mg/d i.v. und Flucytosin 150 mg/kg/d<br />

verteilt auf 4 Dosen für 6 Wo<br />

● neuere Antimykotika (Posaconazol, Voriconazol u.a.) mit noch geringer<br />

Datenlage<br />

● nur sekundär!<br />

Fluconazol 1 x 200-400 mg/d (Itraconazol 2 x 200mg/d weniger wirksam als<br />

Fluconazol)<br />

bei guter Immunrekonstitution (CD4>200/µl und neg. VL über 3-6 Monate) und<br />

negativem Ag kann nach ausreichender Erhaltung die Sekundärprophylaxe<br />

abgesetzt werden. Bei Verschlechterung des Immunstatus muss<br />

Sekundärprophylaxe wieder eingeleitet werden.<br />

Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />

Adult_OI_041009.pdf<br />

153


<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

154<br />

Epidemiologie und Definition<br />

Ätiologie<br />

Therapie<br />

Prophylaxe<br />

Wasting-Syndrom<br />

Maria Procaccianti<br />

● Gewichtsabnahme von > 10 % des Körpergewichts, zusätzlich Fieber und/oder<br />

Diarrhöen ohne Erregernachweis bei <strong>HIV</strong>-Infektion;<br />

rezidivierende Infekte, Therapienebenwirkungen (Inappetenz, gastrointestinale<br />

Beschwerden, Diarrhöen) als mögliche Triggermechanismen<br />

AIDS-definierende Erkrankung<br />

● allgemeine körperliche Schwäche<br />

erhöhter Grundumsatz (Fieber, Infektionen, Tumoren)<br />

Geschmacksstörungen; Diarrhoe, Malabsorption, Maldigestion, Medikamenten-<br />

nebenwirkungen orgopsychische Veränderungen<br />

● individuell angepaßt<br />

neben Behandlung der Grunderkrankung: mehrere kleine Mahlzeiten,<br />

bestimmte Gewürze, Astronautenkost, Substitution von Spurenelementen,<br />

Vitaminen; enterale Ernährung über Magensonde, Gastrostomie; passager<br />

parenterale Ernährung<br />

● sorgfältige Diagnostik bei Symptombeginn (immer atypische Mykobakteriose<br />

ausschließen!)


<strong>HIV</strong>-Enzephalopathie (AIDS-Demenz-Komplex)<br />

siehe Kapitel: Organspezifische Infektionen -> Neurologische Manifestationen<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

155


<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

156<br />

Syphilis<br />

Martin Hartmann<br />

Die Syphilis gehört wie die Tuberkulose oder Lepra zu den chronisch zyklischen<br />

Infektionskrankheiten und verläuft unbehandelt über Jahrzehnte. Sie wird eingeteilt in eine<br />

Frühsyphilis (bis 1 Jahr nach Infektion) mit den Stadien Syphilis I, in der die<br />

Krankheitsmanifestationen lokalisiert sind und Syphilis II mit generalisierten<br />

Krankheitserscheinungen sowie eine Spätsyphilis oder tertiäre Syphilis. Der Verlauf der<br />

unbehandelten Syphilis wurde 1890 in der 'Oslo-Studie' untersucht, in der 1978 Patienten<br />

verfolgt wurden. Eine Spontanheilung der Syphilis wurde in ca. 30% der Fälle beobachtet.<br />

In ca. 7.5% trat eine Neurosyphilis auf.<br />

Ansteckend ist vorwiegend die Syphilis I und II, weniger die Syphilis III. Ungeschützter<br />

Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Partner mit genitalen Läsionen führt in ca. 30%<br />

zur Infektion.<br />

Der Erreger<br />

Treponema pallidum gehört zur Familie der Spirochaeten mit den humanpathogenen<br />

Gattungen Treponema, Borrelia und Leptospira. Der Name rührt daher, daß sich diese<br />

Treponemen nur wenig anfärben. Die Treponeme ist ein spiralig gewundenes, an den<br />

Enden zugespitzes Bakterium, dessen Länge zwischen 4 und 14 µm und dessen<br />

Durchmesser von 0,13 bis 0,25 µm schwankt. Die Teilung erfolgt ca. alle 30 Stunden.<br />

Eine Anzüchtung kann im Kaninchenhoden erfolgen.<br />

Diagnostik<br />

Die Untersuchung muß aus dem sogenannten Reizsekret im Dunkelfeld erfolgen. Durch<br />

vorsichtiges Ausstreichen des Primäraffekts oder anderer Hauterscheinigungen kann<br />

interstitieller Gewebssaft gewonnen werden.<br />

Bei der Serodiagnostik (Antikörperdiagnostik) der Syphilis werden grundsätzlich zwei<br />

Antikörpergruppen unterschieden: Antikörper, die gegen ein unspezifisches Antigen<br />

(Cardiolipin) gerichtet sind und spezifische treponemale Antikörper. Der bekannteste<br />

unsprezifische Test, der VDRL-Test (Veneral Disease Research Laboratories) wird<br />

quantitativ durchgeführt und dient auch zur Therapiekontrolle. Er wird zwischen der 5. - 6.<br />

Woche positiv.<br />

Beim spezifischen TPPA-Test (Treponema-pallidum-Partikel-Test) agglutinieren mit<br />

Treponemen beschichtete Partikel nach Zugabe von antikörperpositivem Serum. Dieser<br />

Test wird auch quantitativ durchgeführt und ist 3 bis 4 Wochen nach Infektion positiv.<br />

Beim FTA-Test (Treponema-pallidum-Antikörper-Fluoreszenztest) werden Treponema<br />

pallidum beschichtete Objektträger mit Serum inkubiert. Der gebildete Antigen-<br />

Antikörperkomplex wird mit einem fluoreszeinmarkierten antihumanen Immunglobulin<br />

sichtbar gemacht. Der FTA-ABS-Test wird ca. 4 Wochen nach Infektion positiv.<br />

Inzwischen stehen auch kommerzielle Antikörper-EIA-Teste und Western Blot Teste zur<br />

Verfügung.<br />

Für die serologische Diagnose sollte zunächst ein Such-Test durchgeführt werden<br />

(geeignet: TPPA oder EIA). Falls dieser positiv ausfällt, sollte ein Bestätigungs-Test<br />

veranlasst werden (geeignet: FTA-ABS, IgG-Western Blot, oder TPPA-Test bei positivem<br />

EIA-Test und umgekehrt). Bei bestätigter Syphilisdiagnose sollten die Aktivitätsparameter<br />

(VDRL oder KBR quantitativ) bestimmt werden und/oder ein IgM-Nachweis (ab der 2.<br />

Woche positiv) durchgeführt werden.


<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

Klinik der Syphilis<br />

Erste Krankheitserscheinungen treten an Stellen mit meist unbemerkten Gewebsdefekten<br />

nach direktem Kontakt mit Treponema pallidum auf. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis<br />

vier Wochen. Der Primäraffekt beginnt als Papel, daraus entsteht das Ulcus durum mit<br />

einem scharfen abgesetzten wallartigen Rand. Das Ulcus selber ist schmerzarm. Beim<br />

Mann ist meist die glans penis betroffen. In etwa 10% finden sich extragenitale<br />

Primäraffekte an den Lippen und in der Mundhöhle. Der Primäraffekt heilt nach 4-6<br />

Wochen spontan ab. Gleichzeitig oder kurz nach Auftreten des Primäraffektes kommt es<br />

zu einer regionalen Lymphknotenschwellung im zugehörigen Abflußgebiet. Die<br />

klassischen Seroreaktionen fallen frühestens 2-3 Wochen nach Auftreten des<br />

Primäraffektes positiv aus.<br />

Im Rahmen der immunologischen Reaktion können vor Auftreten des Exanthems Fieber,<br />

Müdigkeit, Kopf-, Gelenk- oder Muskelschmerzen auftreten (Syphilis II). Das<br />

Sekundärstadium beginnt etwa 9 Wochen nach Infektion mit einer hämatogenen und<br />

lymphogenen Streuung der Treponemen. Gleichzeitig besteht fast immer eine<br />

Polyskleradenitis. Die spezifischen Exantheme und Enantheme werden Syphilide genannt<br />

und zeichnet sich durch eine hohe Variabilität aus. Typischerweise tritt ein erst<br />

stammbetontes oft kaum erkenntliches masernähnliches Exanthem ohne Juckreiz auf<br />

(makulöses Syphilid oder Roseola).<br />

Im Kopfhaarbereich kann es zu mottenfraßartigem Haarausfall kommen (Alopecia<br />

specifica areolaris). Im Bereich des behaarten Kopfes und besonders im Bartbereich<br />

treten himbeer- bis blumenkohlähnliche Papillome auf (frambösiformes Syphilid). Neben<br />

den Syphiliden der Hohlhand oder der Fußsohlen (Palmoplantarsyphilide) beobachtet<br />

man häufiger übermäßige Hornhautbildung (Clavi syphilitici). Im Bereich der<br />

intertriginösen Areale könen sich bis markstückgroße derbe Papeln bilden, die später zu<br />

erregerreichen vegetierenden Papelbeeten konfluieren (Condylomata lata). Etwa zwei<br />

Jahre nach Infektion klingen die Hauterscheinungen in der Regel ab (seropositive latente<br />

Syphilis).<br />

Durch die Penicillintherapie sind die klassischen klinischen Bilder des Tertiärstadiums nur<br />

noch selten zu sehen. Kommt es nicht zu einem spontanen Ausheilen der Erkrankung,<br />

treten ca. 5 Jahre nach Infektion Manifestationen der tertiären Syphilis auf. Die<br />

Hautveränderungen imponieren als Syphilis tuberosa und gummosa. An kardiovaskulären<br />

Komplikationen kann 10-30 Jahre nach Infektion die Spontanruptur luischer Aneurysmen<br />

der Aorta lebensgefährliche Folgen haben. Die Spätsyphilis des zentralen Nervensystems<br />

wird unterschieden in Tabes dorsalis und progressive Paralyse.<br />

Therapie<br />

Die Therapie der ersten Wahl ist in allen Stadien bis heute Penicillin. Eine Resistenz<br />

gegen Penicillin ist bisher nicht bekannt. Die deutschen (http://www.uni-duesseldorf.de/<br />

AWMF/ll/059-002.htm) und europäischen Richtlinien (http://www.iusti.org/regions/europe/<br />

IUSTI%20syphillis%20guideline%202008.pdf) sowie die der amerikanischen<br />

Gesundheitsbehörde (http://www.cdc.gov/mmwr/pdf/rr/rr5511.pdf) weichen nur<br />

geringfügig voneinander ab. Wegen des langsamen Reproduktionszyklus von Spirochäten<br />

ist zur erfolgreichen Therapie der Syphilis ein kontinuierlicher Serumspiegel des<br />

Antibiotikums notwendig. Die empfohlenen Therapien sollten dies gewährleisten.<br />

Das Mittel der Wahl bei Frühsyphilis ist einmalig Benzathin-Penicillin (Pendysin®, 2,4 Mio.<br />

IE intramuskulär (2x1,2 Mio IE gluteal bds.). Bei raschem Erregerzerfall kann es zu<br />

toxischen systemischen Reaktionen kommen (Schüttelfrost, Fieber und Kopfschmerzen).<br />

Bei der Therapie der Spätsyphilis wird Benzathin-Penicillin 2,4 Mio. IE pro Woche über 3<br />

157


<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />

158<br />

Wochen empfohlen.<br />

Bei Penicillinallergie ist eine Hyposensibilisierung mit Penicillin fast immer erfolgreich.<br />

Obwohl Ceftriaxon und Azithromycin bei der Syphilis wirksam sind, fehlen größere<br />

kontrollierte Studien, so dass diese Präparate allenfalls Therapien 2. Wahl sind.<br />

Inzwischen wurden erste Resistenzen gegen Azithromycin beobachtet. Die Therapie der<br />

Neurosyphilis besteht in einer Infusion- und Injektionsbehandlung: Für 10 Tage Penicillin<br />

G-Infusionen mit 6 x 5 Mio. IE und anschließend Benzathin-Penicillin 2,4 Mio. IE pro<br />

Woche über 3 Wochen.<br />

Eine Therapiekontrolle sollte alle 3 Monate mit TPPA und KBR/VDRL (quantitativ) und/<br />

oder IgM-Nachweis erfolgen.<br />

Syphilis und <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

In einer retrospektiven deutschen Untersuchung fiel bei den <strong>HIV</strong>-positiven Patienten an<br />

klinischen Manifestationen die Syphilis maligna mit 7,25% und die Neurosyphilis mit<br />

19,7% auf. Die sonst selten gesehene Syphilis maligna wurde bei <strong>HIV</strong>-Infektion bisher<br />

unter dem Bild eines pustulo-nekrotischen Syphilids, einer Rupia syphilitica<br />

(austernschalenartige Krustenbildung) oder am häufigsten eines Ecthyma syphiliticum<br />

beschrieben. Gleichzeitig bestehen nicht selten Allgemeinsymptome wie erhöhte<br />

Temperaturen oder Abgeschlagenheit, eine Skleradenitis fehlt. Die Syphilis maligna<br />

spricht meist gut auf eine Penicillintherapie an.<br />

Vor allem im Latenzstadium der <strong>HIV</strong>-Infektion sind sehr hohe Titer in den quantitativen<br />

Testen der Syphilisserologie bekannt. Diese können im Suchtest sogar ein falsch<br />

negatives Testergebnis bewirken (Prozonen-Phänomen). Bei bis zu 10% der Patienten ist<br />

mit einer falsch negativen Syphilisserologie zu rechnen.<br />

Die Benzathin-Penicillinbehandlung ist auch bei <strong>HIV</strong>-assoziierter Frühsyphilis nicht immer<br />

ausreichend. Eine schnelle Progression zu tertiärer Syphilis wurde trotz regelrecht<br />

durchgeführter Penicillintherapie beobachtet. Trotz adäquater Therapie einer Frühsyphilis<br />

kann die Entwicklung einer Neurosyphilis bei <strong>HIV</strong>-Infektion nicht immer verhindert werden.<br />

Im Einzelfall kommt es auch unter einer hochdosierten intravenösen Penicillingabe zur<br />

Neurosyphilis. <strong>HIV</strong>-Patienten, die rechtzeitig eine antiretrovirale Therapie (HAART)<br />

erhalten haben, zeigen diese Besonderheiten nicht mehr. Bei bestehendem Immundefekt<br />

sollte auch bei einer Frühsyphilis eine 3-wöchige Therapie erwogen werden (s. o.).<br />

Literatur<br />

● Hartmann M. Therapie der Syphilis. Hautarzt 55: 215-216 (2004)<br />

● Körper A. et al. Syphilis bei <strong>HIV</strong>-Koinfektion. JDDG 2: 833-840 (2004)


Überblick:<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

● Epidemiologie und Vorsorgeempfehlungen<br />

● Kaposi-Sarkom (KS)<br />

● Lymphome<br />

● Andere Malignome<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

159


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

Einleitung:<br />

Epidemiologie <strong>HIV</strong>-assoziierter Malignome<br />

Franz Mosthaf, Manfred Hensel<br />

Mit Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) 1996 kam es zu einem<br />

dramatischen Rückgang der AIDS-definierenden Malignome insbesondere des Kaposi-Sarkoms<br />

und der primären ZNS-Lymphome. Eine Ausnahme stellen die aggressiven B-Zell-Lymphome dar.<br />

Inzidenz und Verlauf der AIDS-definierenden Tumoren sind gut beschrieben. Daten über die nicht<br />

AIDS-definierenden Malignome liegen insgesamt nur wenige vor (Melbye et al. 1994; Lyter et al<br />

1995; Goedert et al. 1998; Herida et al. 2003; Bonett et al 2004).<br />

Detaillierte Gesichtspunkte:<br />

Im Jahre 2002 wurde von der Kerngruppe <strong>HIV</strong> und Onkologie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft<br />

niedergelassener Ärzte in der Versorgung <strong>HIV</strong>-Infizierter (DAGNAE) in Kooperation mit dem<br />

Berufsverband der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO) ein<br />

Projekt initiiert zur Schaffung einer Datenbank <strong>HIV</strong>-assoziierter Malignome. Ziel des<br />

Forschungsprojektes war Daten zur Epidemiologie, Diagnose und Therapie von AIDS und nicht<br />

AIDS-definierenden Malignomen bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten in Deutschland zu erheben. Die<br />

Ergebnisse sollten einen epidemiologischen Überblick geben und als Basis für weitere<br />

Forschungsprojekte und evtl. Therapierichtlinien dienen.<br />

"Im Zeitraum zwischen 2000 und 2007 wurden alle auf die Behandlung von <strong>HIV</strong>-Patienten<br />

spezialisierten Arztpraxen (n=189) und Klinikambulanzen (n=35) in Deutschland angeschrieben. Sie<br />

wurden in mehreren Beobachtungsperioden mittels eines strukturierten Fragebogens zur Inzidenz<br />

von Malignomen bei <strong>HIV</strong>-Patienten befragt.<br />

Ergebnisse:<br />

Die Rücklaufquote der Fragebögen betrug 49.5 %. Im Beobachtungszeitraum wurden Daten zu 542<br />

Patienten mit 552 evaluierbaren Datensätzen mit inzidenten Malignomen gemeldet. 253 (45.8%)<br />

der gemeldeten Malignome waren AD. Unter den 299 Fällen (54.2%) von NAD Malignomen waren<br />

214 solide Tumoren einschließlich 71 Analkarzinome (entsprechend 23.7% aller NAD Malignome)<br />

und 85 Hämoblastosen einschließlich 29 Hodgkin-Lymphome (entsprechend 9.6% aller NAD<br />

Malignome). Der hohe Anteil der NAD Malignome war konstant über alle Beobachtungsperioden.<br />

Interessanterweise wurde nach 2001 nur noch ein Fall (von insgesamt acht Fällen) eines primär<br />

zerebralen Lymphoms registriert. Die Anzahl der Patienten mit Hodgkin-Lymphom stieg von 2000-<br />

2007 konstant an.<br />

Diskussion:<br />

Das Spektrum der <strong>HIV</strong>-assoziierten Malignome hat sich gegenüber der Frühzeit der <strong>HIV</strong>-Epidemie<br />

gewandelt. In Deutschland haben die NAD Malignome die Häufigkeit der AD Malignome<br />

überstiegen. Insbesondere Analkarzinome und Hodgkin-Lymphome treten bei <strong>HIV</strong>-Infizierten<br />

deutlich häufiger auf als in der Normalbevölkerung. Für <strong>HIV</strong>-Infizierte ist eine intensivere<br />

Krebsvorsorge als bei nichtinfizierten Menschen erforderlich."<br />

160<br />

Die detaillierten Zahlen sind in den beiden aufgeführten Grafiken dargestellt:


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

Fazit und Empfehlung zur Krebsvorsorge bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten:<br />

Neben der Weiterentwicklung der antiretroviralen Therapie und der Entwicklung von kurativen<br />

Therapiestrategien spielt wegen der weiter zunehmenden Lebenserwartung der <strong>HIV</strong>-Infizierten in<br />

Zukunft die Vermeidung und Behandlung von <strong>HIV</strong>-assoziierten Begleiterkrankungen, insbesondere<br />

Krebs, eine immer größere Rolle. Das Tumorscreening sowie die Krebsprävention sollte intensiviert<br />

und gewissenhaft durchgeführt werden. Besonderes Augenmerk sollte hierbei auf das<br />

Analkarzinom gelegt werden.<br />

161


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

Empfehlungen zur Krebsvorsorge<br />

Manfred Hensel, Franz Mosthaf<br />

Von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland generell empfohlene und bezahlte<br />

Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (Quelle: AOK 2009). Von den Autoren unter Berücksichtigung<br />

der Leitlinien der European AIDS Clinical Society 11/09 angepasst für <strong>HIV</strong>-positive Patienten<br />

162<br />

Problem Patient/Alter Prozedur Evidenz für Nutzen Intervall Kommentar<br />

Zervixkarzinom<br />

Mammakarzinom<br />

Analkarzinom<br />

Hautkrebs<br />

Kolorektalkarzinom<br />

Prostatakarzinom<br />

Quellen:<br />

Frauen ≥ 20<br />

J.<br />

Frauen 50-69<br />

J.<br />

Homosexuelle<br />

Männer<br />

Männer und<br />

Frauen ≥ 35<br />

J.<br />

Männer und<br />

Frauen ≥ 45<br />

J.<br />

Männer > 45<br />

J.<br />

gynäkologische<br />

Genitaluntersuchung,<br />

Abstrich und<br />

zytologische<br />

Untersuchung<br />

Zervixkarzinommortalität<br />

↓<br />

1 Jahr -<br />

Mammographie Brustkrebsmortalität ↓ 2 Jahre -<br />

Inspektion von Anus<br />

und Genitale, Digital<br />

rektale<br />

Untersuchung<br />

(DRU), bei<br />

auffälligem Befund<br />

hochauflösende<br />

Anoskopie und<br />

Proktoskopie<br />

Unbekannt, von einigen<br />

Experten empfohlen;<br />

(Wertigkeit des<br />

Abstriches mit Zytologie<br />

noch nicht ausreichend<br />

validiert)<br />

1 Jahr<br />

Hautkrebsscreening Kontrovers - -<br />

Koloskopie (in<br />

zweiter Linie:<br />

Stuhluntersuchung<br />

auf occultes Blut)<br />

Digital rektale<br />

Untersuchung ± PSA-<br />

Test<br />

bei <strong>HIV</strong>-negativen<br />

kolorektale<br />

Krebsmortalität ↓<br />

5-10<br />

Jahre<br />

Kontrovers 1 Jahr<br />

bei <strong>HIV</strong>negativen<br />

in<br />

Deutschland<br />

bisher nicht<br />

empfohlen<br />

bei <strong>HIV</strong>negativen<br />

in<br />

Deutschland<br />

erst ab 55<br />

LJ.<br />

empfohlen<br />

bei <strong>HIV</strong>negativen<br />

in<br />

Deutschland<br />

nur DRU<br />

empfohlen<br />

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163


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

164<br />

Kaposi-Sarkom (Übersicht)<br />

Franz Mosthaf, Dieter Schuster<br />

Erreger / Epidemiologie Klinik/Stadieneinteilung Diagnose Therapie<br />

Ätiopathogenese<br />

Existenz infektiöser<br />

Kofaktoren, (humanes<br />

Herpes Virus 8)<br />

Proliferation von<br />

Endothelzellen und<br />

Fibroblasten durch<br />

Dysregulation der<br />

Zytokinbildung, evtl.<br />

genetische Disposition<br />

vier Formen:<br />

A: Klassisches KS<br />

B: Afrikanisches bzw.<br />

Endemisches KS<br />

C: KS bei Patienten unter<br />

Immunsuppressiva<br />

D: Epidemisches KS bei<br />

<strong>HIV</strong>-Infektion.<br />

Überwiegendes Auftreten<br />

bei homosexuellen<br />

Männern in allen Stadien<br />

der <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

Lokalisation:<br />

Haut und Schleimhäute<br />

(Mundschleimhaut in 30 %<br />

beteiligt), Lunge (final in<br />

30-40 % beteiligt),<br />

Lymphknoten, GI-Trakt,<br />

Leber<br />

Verlauf:<br />

multifokales Geschehen<br />

mit Entstehung von bis zu<br />

100 und mehr einzelnen<br />

Knoten,<br />

initial makulöse, längliche,<br />

rötlich-livide Flecke,<br />

Plaques oder Knoten, mit<br />

dem Glasspatel nicht<br />

wegdrückbar.<br />

Ausrichtung entlang der<br />

Hautspaltlinien; später<br />

Konfluenz, Neigung zu<br />

Exulzeration, reaktiven<br />

Hyperkeratosen sowie<br />

ausgedehnten Ödemen<br />

(Gesicht, Genitale,<br />

Extremitäten), individuell<br />

sehr variabler Verlauf<br />

Stadien:(n. Mitsuyasu<br />

1986):<br />

I Kutan limitiert (< 10<br />

Herde/ein anatomischer<br />

Bereich)<br />

II Kutan disseminiert (>10<br />

Herde/zwei und mehr<br />

anatomische Bereiche)<br />

III Viszeral<br />

IV Kutan und viszeral<br />

Klinisch, oder bei<br />

nicht typischem<br />

Befund histologisch<br />

Rö-Thorax:<br />

evtl. diffuse, streifige<br />

Verschattungen<br />

Immer zuerst ART! Falls<br />

hierunter keine Remission:<br />

systemische Therapie:<br />

A: liposomales Anthrazyklin:<br />

Caelyx® i. v. 20 mg/m² 14tägig<br />

oder<br />

(B: Vincristin 2mg i.v +<br />

Bleomycin 15mg i.v/14-tägig,<br />

maximal 6 Zyklen)<br />

C: bei Therapieresistenz<br />

Paclitaxel (Taxol®)<br />

lokal:<br />

Kryotherapie, intraläsionale<br />

Injektionen von<br />

Chemotherapeutika,<br />

Bestrahlung, Lasertherapie<br />

Excision nur in anderweitig<br />

nicht therapierbaren<br />

Notsituationen, da oft<br />

Rezidive im Narbenbereich.


Einleitung<br />

Das Kaposi Sarkom<br />

Synonym: Sarcoma idiopathicum multiplex hemorrhagicum<br />

Franz Mosthaf, Stefan Esser<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

1872 beschrieb Moriz Kaposi, ein ungarischer Hautarzt, fünf Patienten mit einem<br />

aggressiven idiopathischen pigmentierten Sarkom der Haut ('sarcoma idiopathicum<br />

multiplex hemorrhagicum'). Einer dieser Patienten starb 15 Monate nach der Erstdiagnose<br />

der Hautveränderungen an einer gastrointestinalen Blutung und die Biopsie zeigte<br />

viszerale Läsionen der Lunge und des Gastrointestinaltraktes.<br />

Mittlerweile wurden vier verschiedene epidemologisch-klinische Varianten beschrieben,<br />

welche in spezifischen Populationen vorkommen oder unterschiedliche Manifestation bzw.<br />

Progressionsraten aufweisen.<br />

Aufgrund von Forschungsergebnissen der letzten 15 Jahre muß man heute davon<br />

ausgehen, daß diese Varianten unterschiedliche Verlaufsformen auf der Basis des selben<br />

Pathomechanismus repräsentieren.<br />

Pathogenese - die Rolle des humanen Herpesvirus (HHV-8) bzw.<br />

dem Kaposi-Sarkom-assoziiertem Herpesvirus<br />

Die Pathogenese des KS wird heute besser verstanden, ist jedoch nicht abschließend<br />

geklärt.<br />

Mit molekularbiologischen Methoden ('represental difference analysis') und PCRunterstützter<br />

In-situ-Hybridisierung gelang in Endothelzellen und Spindelzellen sowohl in<br />

AIDS-assoziierten Kaposi-Sarkomen, als auch in Kaposi-Sarkomen von <strong>HIV</strong>-negativen<br />

Patienten in > 95 % der Fälle der Nachweis von DNS Sequenzen eines als KSassoziiertes<br />

(KSHV) bzw. HHV-8 bezeichneten humanen Herpesvirus, weshalb HHV-8<br />

eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von KS zugewiesen wurde. HHV-8 findet<br />

sich nicht nur regelmäßig im KS, sondern auch in bestimmten B-Zell-Lymphomen ('body<br />

cavity-based large B-cell lymphoma') und im multizentrischen Morbus Castleman, jedoch<br />

nicht in anderen vaskulären Tumoren. Zudem wurden im peripheren Blut von <strong>HIV</strong>positiven<br />

KS-Patienten sowohl mit HHV-8 infizierte Leukozyten als auch KS-Zellen<br />

gefunden. In manchen Regionen, in Italien oder Zentralafrika, ist HHV-8 auch bei bis zu<br />

50 % der Normalbevölkerung nachweisbar.<br />

Für die Entstehung von Kaposi-Sarkomen ist HHV-8 notwendige aber nicht hinreichende<br />

Voraussetzung. Kofaktoren sind z.B. das <strong>HIV</strong> tat-Gen und Zytokine (Interferon-gamma,<br />

vascular endothelial cell growth factor (VEGF)). Im Genom von HHV-8 konnten Gene mit<br />

onkogenen Eigenschaften (c-myc, bcl-2) (transformierend, chemoattraktiv,<br />

wachstumsfördernd, anti-apoptotisch) und andere, die die Bindung, das Zellwachstum, die<br />

Inflammation und die Angiogenese beeinflussen, identifiziert werden. Die Expression<br />

dieser Genprodukte in KS-Spindelzellen in vivo trägt entscheidend zur KS-Entwicklung<br />

bei.<br />

165


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

166<br />

Die mit Infektionen einhergehende Immunaktivierung führt zum Anstieg der<br />

Serumkonzentrationen inflammatorischer Zytokine wie IL-1, TNF-alpha und Interferon<br />

Gamma. Ebenso stimuliert die Auseinandersetzung mit Alloantigenen bei<br />

Transplantationspatienten, trotz medikamentöser Immunsuppression, das Immunsystem.<br />

Neben der genetischen Disposition liegt bei Risikogruppen für die Entwicklung eines KS<br />

also häufig eine CD8+ T-Zellaktivierung mit erhöhter Produktion inflammatorischer<br />

Zytokine vor, die eine chronische Endothelschädigung und verstärkte<br />

Monozytenanlagerung an das Endothel verursachen können. Die Gabe von TNF-alpha<br />

und Interferon Gamma führt bei AIDS-KS-Patienten zur Krankheitsprogression. Die<br />

Inzidenz von KS ist bei <strong>HIV</strong>-Infizierten höher und der klinische Verlauf aggressiver. Bei<br />

<strong>HIV</strong>-Patienten mit KS wird häufig nach Einleitung einer hoch aktiven antiretroviralen<br />

Therapie im Rahmen der Immunrekonstitution eine Regredienz der Läsionen beobachtet.<br />

Die Beziehung zwischen klinischem Verlauf und Immunsuppression im Wirt (besonders<br />

bei <strong>HIV</strong>-infizierten oder organtransplantierten Patienten) und die ungewöhnliche<br />

Pathologie legen nahe, dass KS keine konventionellen Neoplasien sind.<br />

Epidemiologisch-klinische Varianten<br />

1. Das klassische Kaposi-Sarkom<br />

Das klassische Kaposi-Sarkom betrifft in erster Linie ältere Männer (Männer-zu-Frauen-<br />

Verhältnis ca. 15:1) aus dem osteuropäisch-mediterranen Bereich oder jüdischer Herkunft<br />

mit einem Altersgipfel im 7. Lebensjahrzehnt.<br />

Hierbei finden sich vor allem im Bereich der unteren Extremitäten oft multiple, rötlichbläulich-bräunliche<br />

Plaques und Knötchen. Der Verlauf ist insgesamt wenig progredient<br />

über Jahre oder Jahrzehnte und zeigt nur selten Manifestationen in anderen Organen.<br />

Manchmal finden sich Lymphödeme oder eine Hyperkeratose.<br />

Histologisch zeigen sich Infiltrate aus spindelzelligen Endothelien, schlitzförmige neue<br />

dünnwandige z. T. unvollständige Blutgefäße mit Erythrozytenextravasaten und<br />

Hämosiderinablagerungen. Weiterhin ein lymphozytäres Entzündungsinfiltrat.<br />

2. Das endemische Kaposi-Sarkom<br />

Seit Mitte des letzten Jahrhunderts wurde zunehmend über das Auftreten von Kaposi-<br />

Sarkomen in Subsahara-Afrika berichtet. 1971 betrug der Anteil des Kaposi-Sarkoms an<br />

allen Krebserkrankungen in Uganda 3 bis 9 %.<br />

1983 wurde über einen dramatischen Inzidenzanstieg des Kaposi-Sarkoms in Zambia<br />

berichtet. Nachdem das erworbene Immunschwächesyndrom (AIDS) zuverlässig<br />

diagnostiziert werden konnte, war es möglich, das <strong>HIV</strong>-negative endemische Kaposi-<br />

Sarkom <strong>HIV</strong>-positiven epidemischen Kaposi-Sarkom zu unterscheiden. Beschrieben<br />

werden beim endemischen afrikanischen Kaposi-Sarkom vier klinische Verlaufsformen:<br />

A: Eine relativ gutartige mit nodulären Hautveränderungen ähnlich denen beim<br />

klassischen Kaposi-Sarkom. Hiervon sind vor allem junge Männer im Alter um 35 Jahre<br />

betroffen.


B: Eine aggressive lokalisierte kutane Verlaufsform mit Infiltration in das Weichteilgewebe<br />

und die Knochen mit fatalem Ausgang innerhalb von fünf bis sieben Jahren.<br />

C: Ein diffuser mukokutaner Befall und viszeraler Befall und schließlich<br />

D: eine fulminant verlaufende Form mit Lymphadenopathie und Beteilung der viszeralen<br />

Organe in der Regel ohne Hautbeteiligung, vor allem auftretend bei Kindern im<br />

Kindergartenalter.<br />

3. Das iatrogen- immunsuppressiv bedingte Kaposi-Sarkom<br />

Als Folge einer iatrogen-Immunsuppression, in der Regel in Zusammenhang mit<br />

Organtransplantationen, aber auch bei sonstiger Art der Immunsuppression sind Kaposi-<br />

Sarkome beschrieben.<br />

Hierbei scheint ein erhöhtes Risiko in bestimmten ethnischen Gruppen zu bestehen,<br />

welche ebenfalls ein erhöhtes Risiko für das klassische Kaposi-Sarkom aufweisen.<br />

Obwohl der Verlauf sowohl chronisch als auch schnell progredient sein kann, kommt es in<br />

der Regel nach Beendigung der immunsuppressiven Therapie zu einer Remission.<br />

4. Das epidemische oder Aids-assoziierte Kaposi-Sarkom<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

Friedmann-Kien et al. beschrieben 1981 fünfzig bis dahin gesunde junge homosexuelle<br />

Männer mit Kaposi-Sarkom, wobei Lymphknoten und die viszeralen Organe und<br />

Schleimhäute genauso betroffen waren wie die Haut.<br />

Gleichzeitig lagen lebensbedrohliche opportunistische Infektionen vor in Verbindung mit<br />

einem massiven Defekt in der T-Zellvermittelten Immunität.<br />

Nur kurze Zeit später wurde diese Erkrankung als erworbenes Immundefektsyndrom<br />

(acquired immunodeficiency syndrome- AIDS) beschrieben und als Ursache die <strong>HIV</strong>-<br />

Infektion nachgewiesen.<br />

Obwohl die Inzidenz des Kaposi-Sarkoms als Folge der effektiven antiretroviralen<br />

Therapie der <strong>HIV</strong>-Infektion mittlerweile deutlich zurückgegangen ist, stellt dieser Tumor<br />

nach wie vor das häufigste AIDS-assoziierte Malignom in den USA dar.<br />

Das gleiche gilt für Deutschland, wie eine vom Mosthaf et. al. auf der Welt-Aids-Konferenz<br />

in Bangkok 2004 vorgestellte Kohortenstudie der DAGNÄ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft<br />

niedergelassener Ärzte in der Versorgung <strong>HIV</strong>-Infizierter) für den Inzidenzzeitraum 2000-<br />

2002 zeigt:<br />

Insgesamt ist das Risiko für <strong>HIV</strong>-Patienten an einem Kaposi-Sarkom zu erkranken 20.000fach<br />

erhöht im Vergleich zur Normalbevölkerung und 300-fach erhöht im Vergleich zu<br />

anderen immunsupprimierten Patienten.<br />

Bei den verschiedenen <strong>HIV</strong>-Transmissionsgruppen ist das Risiko ein Kaposi-Sarkom zu<br />

entwickeln bei homosexuellen Männern 20-fach höher als bei Patienten mit einer<br />

Hämophilie. Bei Frauen tritt das Kaposi-Sarkom selten auf.<br />

167


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

168<br />

Gewöhnlich findet sich bei Erstdiagnose - in der Regel bei bislang nicht antiretroviral<br />

behandelten <strong>HIV</strong>-Infizierten -, ein multilokuläres Geschehen. Die typischen Läsionen<br />

können schnell, innerhalb weniger Tage sich entwickeln. Sie beginnen als Makeln in den<br />

Hautspaltenlinien und entwickeln sich weiter zu Papeln oder papulösen Tumoren. Vor der<br />

HART (hochaktive antiretrovirale Therapie) fanden sich bei vielen Patienten orale<br />

Läsionen als Primärmanifestation, aber auch typischerweise am Penis.<br />

Auch wenn die Hautveränderungen für den betroffenen Patienten stark stigmatisierend<br />

sind, ist die Organbeteiligung klinisch von noch größerer Bedeutung. Da so gut wie alle<br />

Organe, wie der gesamte Gastrointestinaltrakt aber auch das Herz und die Lungen<br />

betroffen werden können, kann es schnell zu lebensbedrohlichen Situationen kommen.<br />

Selten sind allerdings Beteiligungen des Hirns und der Augen.<br />

Diagnostik und Klinik<br />

Meist symmetrisch an den distalen Extremitäten treten anfangs zunächst indurierte rötlichbraune<br />

bis violettrote Makulae oft im Verlauf der Hautspaltlinien auf, die sich in flächenhaft<br />

infiltrierte Plaques und harte schmerzhafte Knoten verwandeln. Die Ausbreitung erfolgt<br />

proximalwärts, zunehmend disseminiert mit häufiger Beteiligung der Schleimhäute.<br />

Spontanregressionen führen zu hämorrhagischen Hyperpigmentierungen, Einblutungen<br />

zu periläsionalen Verfärbungen (ockergelbe Purpura). KS können die regionalen<br />

Lymphbahnen ummauern, was Ödeme bis hin zu elephantiastischen Anschwellungen im<br />

betroffenen Abflussgebiet verursacht. Mechanische Belastungen und Traumen können<br />

gerade an den Füßen zum ulzerösen Zerfall führen. Differentialdiagnostisch muss an eine<br />

Akroangiodermatitis bei chronischer Veneninsuffizienz, Hämangiome, andere<br />

Angiosarkome, eine bazilläre Angiomatose, einen Morbus Gougerot-Blum,<br />

Melanommetastasen aber auch an ein Erythema elevatum et diutinum gedacht werden. In<br />

Zweifelsfällen sollte eine Exzisionsbiopsie zur histologischen Diagnosesicherung erfolgen.<br />

Auch innere Organe wie Lymphknoten, Gastrointestinaltrakt, Leber, Lunge, Niere und Milz<br />

können betroffen sein. Neben der kompletten Inspektion inklusive der Schleimhäute des<br />

Patienten dient eine sonographische Erhebung des Lymphknotenstatus, eine Röntgen-<br />

Thorax-Untersuchung und eine abdominelle Sonographie der Ausbreitungsdiagnostik.<br />

Fallweise sind eine CT-Thorax- und CT-Abdomen-Untersuchung sowie Endoskopien des<br />

Gastrointestinaltraktes und der Bronchien zusätzlich erforderlich.<br />

Bei entsprechender Anamnese und passendem Befund sollte ein <strong>HIV</strong>-Test durchgeführt<br />

werden.<br />

Histologie<br />

Das KS ist ein mesenchymaler Tumor der Blut- und Lymphgefäße. Das histologische<br />

Erscheinungsbild des KS ist vielgestaltig und verändert sich mit dem klinischen Verlauf.<br />

KS bestehen aus drei Komponenten:<br />

1. Angiomatöse Phase<br />

2. Spindelzellige Phase<br />

3. Entzündliche Phase


Fleck-(Patch-)Stadium<br />

Unmittelbar neben größeren Plexusgefäßen im mittleren und oberen Stratum reticulare<br />

der Dermis finden sich beim frühen KS multizentrisch diskrete perivaskuläre<br />

Spindelzellproliferationen mit schlitzförmigen Spalten begleitet von<br />

lymphoplasmozellulären Infiltraten, extravasalen Erythrozyten, Hämosiderinablagerungen<br />

und Siderophagen ('Pseudogranulomatöses Muster'), wobei zunächst Papillarkörper und<br />

seine Gefäße ausgespart werden. Daneben können endothelausgekleidete Gefäßspalten<br />

mit leeren Lumina dominieren. Adnexen und präexistente vaskuläre Strukturen werden<br />

von den neu gebildeten Gefäßspalten und -lakunen halbinselförmig partiell umfasst<br />

('Promontoriumszeichen'). Im Frühstadium des KS sind Mitosen und endotheliale<br />

Apoptosen selten, Zell- und Kernatypien fehlen.<br />

Plaquestadium<br />

Auf den Papillarkörper übergreifend durchsetzen Spindelzellen zu kurzen, zellreichen<br />

Faszikeln oder Strängen gebündelt das gesamte Korium. Siebartig werden die<br />

Spindelzellaggregate durch schlitzförmige erythrozytenreiche Spalten aufgelockert.<br />

In der Tumorperipherie dominieren gestaute mit Erythrozyten angeschoppte, erweiterte<br />

serumfreie Gefäße, die wie ausgestopft erscheinen ('stuffing'). Spindelzellapoptosen<br />

jedoch keine signifikanten Kernatypien werden beobachtet. Intra- und extrazellulär liegen<br />

erythrozytäre Abbaustufen in Form von hyalinen PAS-positiven Globi ('hyaline globules').<br />

Knoten- oder Tumorstadium<br />

Mitosereiche, dicht gepackte, Faktor XIIIa positiv, CD 31+ und CD 34+, faszikulär<br />

strukturierte Spindelzelltumore mit eingeschlossenen erythrozytenreichen Spalten,<br />

moderaten Kernatypien (Ausnahme mit ausgeprägten Atypien: Anaplastischen<br />

äquatorialafrikanische Varianten) werden bei exophytischem Wachstum oft von einer<br />

epithelialen Collerette, bei expansiv nodulären Varianten von einer bindegewebigen<br />

Pseudokapsel eingefasst. PAS-postive hyaline erythrozytäre Globi und apoptotische<br />

Spindelzellen treten gehäuft auf. Ältere Läsionen zeigen neben Hämorrhagien und<br />

Eisenspeicherung Nekrosen.<br />

Bei Regression zeigt sich ein plasmazellreiches entzündliches Rundzellinfitrat.<br />

Immunhistologie<br />

Differenzialdiagnostisch hilfreich ist der molekularbiologische Nachweis des KS-<br />

Herpesvirus HHV-8.<br />

Stadien- und prognostische Einteilung<br />

Stadien: (n. Mitsuyasu 1986):<br />

I Kutan limitiert (< 10 Herde/ein anatomischer Bereich)<br />

II Kutan disseminiert (< 10 Herde/zwei und mehr anatomische Bereiche)<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

169


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

170<br />

III Viszeral<br />

IV Kutan und viszeral<br />

TIS-Einteilung nach ACTG, Tumor Immunstatus, Systembeteiligung<br />

Günstige Prognose:<br />

T nur Haut/Lymphknotenbefall (minimale Gaumenbeteiligung)<br />

I CD4 > 200/µl<br />

S keine opportunistische Infektion, keine B-Symptomatik und Karnofsky > 70 %<br />

Schlechte Prognose:<br />

T Tumor mit Ödembildung oder Ulzeration, ausgedehnter oraler Befall, innerer Befall<br />

ausgenommen Lymphknoten<br />

I CD4 > 200µl<br />

S opportunistische Infektionen, andere AIDS-definierte Erkrankungen, B-Symptomatik<br />

oder Karnofsky < 70<br />

Therapie<br />

Therapiemanagement<br />

Die Therapie sollte individuell in Abhängigkeit von der Form des Kaposi-Sarkoms und<br />

dem Ausbreitungsstatus durchgeführt werden. Bei dem klassischen Kaposi-Sarkom sind<br />

in aller Regel lokale chirurgische oder medikamentöse Therapiemaßnahmen ausreichend.<br />

Ggf. kann auch eine Strahlentherapie eingesetzt werden.<br />

Da das klassische Kaposi-Sarkom zu Rezidiven neigt, muß eine regelmäßige<br />

Überwachung erfolgen.<br />

Beim iatrogen-immunsuppressiv bedingten Kaposi-Sarkom bilden sich die Tumorherde<br />

meistens nach Beendigung der Immunsuppression vollständig zurück.<br />

Das endemische afrikanische Kaposi-Sarkom spricht mit Ausnahme der<br />

lymphadenopathischen Verlaufsform in der Regel gut auf systemische<br />

Therapiemaßnahmen an.<br />

Beim epidemischen, AIDS-assoziierten Kaposi-Sarkom führt oft, in nicht weit<br />

fortgeschrittenen Fällen, bei vorher nicht antiretroviral behandelten Patienten die<br />

Einleitung einer hochaktiven antiretroviralen Therapie zum Progressionsstillstand bzw.<br />

häufig sogar zum vollständigen Verschwinden der Sarkomherde.<br />

Deswegen sollte immer mit Auftreten eines Kaposi-Sarkoms beim <strong>HIV</strong>-Patienten eine<br />

antiretrovirale Therapie eingeleitet werden.<br />

Wird bei bereits antiretroviral therapiertem Patienten ein Kaposi-Sarkom diagnostiziert,<br />

sollte die Effektivität der antiretroviralen Therapie überprüft und diese auch mit Hilfe der<br />

Resistenztestung optimiert werden.


Bei Neudiagnose eines fortgeschrittenen Kaposi-Sarkoms und gleichzeitiger Neudiagnose<br />

einer <strong>HIV</strong>-Infektion empfehlen wir eine gleichzeitige Einleitung der antiretroviralen und<br />

einer systemischen Kaposi-Sarkom-Therapie wie unten beschrieben.<br />

Lokale Therapie<br />

Mit der Verbesserung der systemischen Therapie des Kaposi-Sarkoms sowie der<br />

assoziierten Grunderkrankungen (<strong>HIV</strong>) haben die Indikationen für Lokaltherapien<br />

abgenommen. Die häufig nach erfolgreicher Behandlung zurückbleibenden<br />

postinflammatorischen Hyperpigmentierungen im Bereich der ehemaligen Läsionen<br />

sollten nicht zur Fortführung der gewählten KS-Therapie führen. Nach Beendigung der<br />

Therapie kann abgewartet werden, ob die Hyperpigmentierungen spontan abblassen.<br />

Einzelne, ästhetisch störende oder stigmatisierende Hyperpigmentierungen können durch<br />

verschiedene Möglichkeiten der ästhetischen Medizin (Laser, Exzision) angegangen<br />

werden.<br />

Die lokale Radiatio, lokale Chemo- und Immuntherapie sowie Exzisionen von KS haben<br />

gegenüber systemischen Anwendungen den Vorteil geringerer bis fehlender systemischer<br />

Nebenwirkungen. Vor Beginn der Lokaltherapie sollte mittels Staging ein systemischer KS-<br />

Befall über die einsehbaren Haut- und Schleimhäute hinaus ausgeschlossen werden.<br />

Im Tumor können durch direkte lokale Injektionen hohe, direkt antiproliferativ wirksame<br />

Konzentrationen von Interferonen und Chemotherapeutika erreicht werden.<br />

Lokaltherapien sind ambulant durchführbar und verursachen geringere Kosten. Je nach<br />

Größe und Lokalisation werden unterschiedliche Verfahren eingesetzt: Kryotherapie,<br />

Lasertherapie, Vincaalkaloide, Bleomycin, Interferon-alpha intraläsional, konventionelle<br />

Chirurgie, Lasertherapie, Röntgenweichstrahltherapie, schnelle Elektronen, Kobalt-<br />

Bestrahlung (fraktioniert), Retinoide, (9-cis-Retinoinsäure), Camouflage.<br />

Das Kaposi-Sarkom ist eine multilokuläre Systemerkrankung.<br />

Palliative Lokalbehandlungen sind nur Therapien der Wahl bei<br />

1. wenigen oder flachen Hautläsionen,<br />

2. einzelnen funktionell oder ästhetisch störenden und stigmatisierenden Läsionen<br />

3. Lymphödemen durch lokalisierte Tumoren und<br />

4. einzelnen resistenten Tumoren nach Systemtherapie<br />

Lokaltherapie des Kaposi-Sarkoms in Abhängigkeit von Tumorgröße<br />

Größe Therapie<br />

Kleinflächig, < 1 cm 2<br />

(makulös, nodulär)<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

Exzision<br />

Kryochirurgie<br />

Lasertherapie (Argon, Kohlendioxyd, Neodym-YAG)<br />

z.B. Vincristin oder Vinblastin intraläsional<br />

0,1 mg/cm 2<br />

Interferone intraläsional 0,5 x 106 U/cm<br />

Alitretinoin Gel, 0,1%-Retinsäure<br />

Camouflage<br />

171


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

172<br />

Mittelgroß 1-4 cm Durchmesser<br />

(makulös, nodulär)<br />

Großflächig > 4 cm Durchmesser<br />

(knotig, infiltrierend, oral)<br />

Intraoral;<br />

Andere und experimentelle<br />

Lokaltherapien<br />

Lasertherapie<br />

Dermopan-Bestrahlung (fraktioniert bis 30 Gy)<br />

Exzision<br />

Vincaalkaloide 0,2 mg/ cm 2<br />

Schnelle Elektronen,<br />

Kobaltbestrahlung (fraktioniert bis 30 Gy, oral bis 15 Gy)<br />

Vinblastin intraläsional<br />

3 % Sodiumtetradecylsulfat intraläsional<br />

Photodynamische Therapie entweder mit einer<br />

systemischen Gabe von Ethyl-Etiopurpurin i.v.<br />

oder Lokalbehandlung mit δ -Aminolävulinsäure,<br />

jeweils kombiniert mit einer Lichtbestrahlung (640 nm) bei<br />

einer Gesamtdosis von 150 J/cm 2<br />

Die einzelnen Verfahren haben verschiedene Vor- und Nachteile, die bei der Auswahl<br />

berücksichtigt werden sollten: Die intraläsionale Gabe von Interferonen ist teuer und von<br />

Chemotherapien ist schmerzhaft und kann zu schlecht heilenden Ulzerationen führen.<br />

Intraoral stellt die intraläsionale Chemotherapie eine Behandlungsoption dar. Das Kaposi-<br />

Sarkom ist auffallend strahlensensibel. Die Strahlentherapien können mit einem akuten<br />

oder chronischen Radioderm einhergehen. Exzisonen sind nur für kleinere Läsionen und<br />

Lasertherapien ausschließlich für flache KS geeignet. Kryotherapien sind häufig mit einem<br />

hohen Zeitaufwand verbunden.<br />

Die funktionellen und ästhetischen Ergebnisse, sowie die Remmissionsraten der<br />

Lokaltherapien sind in den meisten Fällen trotz häufig verbleibender<br />

postinflammatorischer Hyperpigmentierungen zufrieden stellend. Histologisch finden sich<br />

dennoch häufig dermal noch KS-Zellen, so dass die histologischen Remissionsraten<br />

wesentlich geringer sind. Nach fast allen klinisch erfolgreichen Lokaltherapien sind selbst<br />

in loco Rezidive keine Seltenheit.<br />

Systemische Therapie<br />

Unabhängig von der Verlaufsform sollten fortgeschrittene Kaposi-Sarkome systemisch<br />

behandelt werden. In der Vergangenheit wurden hierfür eine Vielzahl von Substanzen<br />

eingesetzt. Zu nennen sind Interferon, Vincaalkaloide, Bleomycin und Anthrazykline.<br />

Zum Teil wurden diese Substanzen als Monotherapie, aber auch in Kombination<br />

verabreicht, wie z. B. Vincristin 2 mg Tag 1, 8 und 15 in Kombination mit Bleomycin 0,3<br />

mg/kg Körpergewicht am Tag 1 und 8 mit monatlicher Wiederholung. An Nebenwirkungen<br />

waren die Neurotoxizität durch Vincristin und die Gefahr einer irreversiblen Lungenfibrose<br />

bei einer kumulativen Bleomycindosis von mehr als 400 mg zu beachten.<br />

Mit Verfügbarkeit der liposomalen Anthrazykline traten die genannten Medikamente in den<br />

Hintergrund, da mit den liposomalen Anthrazyklinen hocheffektive Substanzen mit sehr<br />

günstigem Nebenwirkungsprofil bzw. klinisch kaum bedeutenden Nebenwirkungen<br />

eingesetzt werden konnten.<br />

Somit besteht im Moment die Standardtherapie des fortgeschrittenen Kaposi-Sarkoms in<br />

der Gabe von liposomalem Doxorubicin (Caelyx) in einer Dosis von 20 mg pro m² im


Abstand von zwei Wochen bis zur vollständigen klinischen Remission.<br />

Wie vor jeder Einleitung einer Anthrazyklin-Therapie sollte vorher die kardiale Situation<br />

überprüft werden, da zumindest theoretisch ein kardiotoxisches Risiko vorliegt oder aber<br />

eine vorbestehende <strong>HIV</strong>-assoziierte Kardiomyopathie ausgeschlossen werden sollte.<br />

Als Zweitlinientherapie steht das Taxan Paclitaxel zur Verfügung. In der Originalarbeit von<br />

Gill et al. wurde eine Dosis von 100 mg/m² alle zwei Wochen eingesetzt. Da sich aber bei<br />

anderen Erkrankungen wie dem Mamma-Karzinom mittlerweile die wöchentliche Gabe in<br />

reduzierter Dosis als besser verträglich und mindestens genauso effektiv erwiesen hat,<br />

kann unseres Erachtens auch beim Kaposi-Sarkom eine wöchentliche Gabe diskutiert<br />

werden<br />

Weiterführende Literatur:<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

● Chang Y., Cesarman E., Pessin M. S., Lee F., Culpepper J., Knowles D. M., Moore P.<br />

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● Blasig C., Zietz C., Haar B., Neipel F., Esser S., Brockmeyer N. H., Tschachler E.,<br />

Colombini S., Ensoli B., Stürzl M., Monocytes in Kaposi`s Sarcoma lesions are<br />

productively infected by human Herpesvirus 8, J Virol.; 71(10): 7963-7968, Oct 1997<br />

● Antman K., Chang Y., Kaposi's sarcoma. N Engl J Med. 2000 Apr 6;342(14):1027-38.<br />

Review.<br />

● Hengge U. R., Esser S., Rudel H. P., Goos M., Long-term chemotherapy of <strong>HIV</strong>associated<br />

Kaposi's sarcoma with liposomal doxorubicin. Eur J Cancer; 37(7):878-83,<br />

May 2001<br />

● Hengge U. R., Ruzickka T., S. K. Tyring, Stuschke M., Roggendorf M., Schwartz R. A.,<br />

Seeber S.: Update on Kaposis’s Sarcoma and other HHV8 associated diseases The<br />

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● Kutzner H., Gefäßtumoren der Haut, In: Kerl H., Garbe C., Cerroni L., Wolff H. (Hrsg.):<br />

Histopathologie der Haut; Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York, 2003, S. 795-<br />

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● Schöfer H, Brockmeyer N. H., Kaposi-Sarkom, In: Korting H. C., Callies R., Reusch M.,<br />

Schlaeger M., Sterry W., Deutsche Dermatologische Gesellschaft (Hrsg.):<br />

Dermatologische Qualitätssicherung - Leitlinien und Empfehlungen; ABW<br />

Wissenschaftsverlag, Berlin, 4. Auflage 2005: 241-253<br />

173


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

174<br />

Erreger /<br />

Epidemiologie<br />

Erkrankungsrisiko für<br />

<strong>HIV</strong>-Infizierte ist 100-<br />

200 x höher als für<br />

Normalbevölkerung<br />

Mit 34% die häufigste<br />

aller <strong>HIV</strong>-assoziierten<br />

Tumorerkrankungen in<br />

Deutschland (Hensel<br />

2009)<br />

Die Häufigkeit sinkt<br />

durch ART<br />

Meist:<br />

aggressive B-Zell-<br />

Non-Hodgkin-<br />

Lymphome<br />

histologisch:<br />

Diffus-großzellig<br />

(DLBCL)<br />

(darunter<br />

zentroblastische und<br />

immunoblastische)<br />

Burkitt-Typ<br />

Burkitt-like Typ<br />

primäre ZNS-<br />

Lymphome<br />

seltener, auch bei<br />

gutem Immunstatus:<br />

Hodgkin-Lymphom<br />

Lymphome<br />

Manfred Hensel, Dieter Schuster, Franz Mosthaf<br />

Klinik Diagnose Therapie<br />

unspezifische<br />

Symptome:<br />

subfebrile<br />

Temperaturen,<br />

Nachtschweiß,<br />

Gewichtsverlust<br />

Lymphadenopathie<br />

Diarrhoe<br />

ansonsten je nach<br />

befallenem<br />

Organsystem<br />

z.B. Krampfanfall,<br />

Hemiparese oder<br />

Sehstörung bei ZNS-<br />

Lymphomen<br />

Histologie aus<br />

Gewebeprobe, wenn<br />

möglich ganzer<br />

Lymphknoten<br />

(gleichzeitige<br />

Untersuchung auf CMV<br />

und Mykobakterien!)<br />

CT Hals/Thorax/<br />

Abdomen,<br />

Knochenmarksbiopsie,<br />

Sonographie Abdomen,<br />

je nach Klinik ggf.<br />

Endoskopie (Lymphome<br />

häufig vom GI-Trakt<br />

ausgehend), ggf. Liquor<br />

Staging entsprechend<br />

den Empfehlungen für<br />

Lymphome bei<br />

immunkompetenten<br />

Patienten<br />

wie bei<br />

immunkompetenten<br />

Patienten:<br />

R-CHOP-Schema<br />

(Rituximab +<br />

Cyclophosphamid,<br />

Adriamycin,Vincristin,<br />

Prednisolon, G-CSF) 6<br />

Zyklen alle (14-) 21<br />

Tage (evtl. + 2 x<br />

Rituximab)<br />

(bei schlechtem<br />

Allgemeinzustand oder<br />

sehr niedriger<br />

Helferzellzahl (


und weiterhin wesentlich häufiger auftreten als in der gesunden Normalbevölkerung.<br />

Große, aktuelle Studien haben eine 1,7 - 3 fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung nicht-<br />

AIDS-definierender Krebsarten (Hodgkin-Lymphom, Bronchial-Ca, Anal-Ca, Kopf-Hals-<br />

Tumoren,Leukämien) bei <strong>HIV</strong>-Patienten ergeben im Vergleich zur Normalbevölkerung,<br />

ohne Nachweis eines signifikanten Einflusses der ART auf diese Entwicklung (Clifford<br />

2005, Patel 2008, Long 2008). Alle in der entsprechenden Alters- und Risikogruppe<br />

(Raucher) zu erwartenden Tumorerkrankungen werden mindestens gleich häufig gesehen<br />

und nehmen zum Teil ungewöhnlich aggressive Verläufe (Mosthaf 2006). Bei weiter<br />

abnehmenden opportunistischen Infektionen werden insbesondere <strong>HIV</strong>-assoziierte<br />

Lymphome einen zunehmend größeren Anteil der Morbidität und Mortalität unserer<br />

Patienten verursachen (Kirk 2001). Schon jetzt sind Krebserkrankungen die häufigste<br />

Todesursache (ca. 1/3 aller Todesfälle) bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten (Bonnet 2008).<br />

Setting für die Behandlung <strong>HIV</strong>-assoziierter Tumorerkrankungen<br />

Die Therapie <strong>HIV</strong>-assoziierter Tumorerkrankungen erfordert vom Therapierenden<br />

gleichermaßen onkologischen und <strong>HIV</strong>-medizinischen Sachverstand. Ein den jeweiligen<br />

Patientenbedürfnissen gerecht werdendes Individualkonzept wird daher vielfach nur in<br />

interdisziplinärer Zusammenarbeit angemessen erarbeitet und umgesetzt werden können.<br />

Aus diesem Grund sind in der Bundesrepublik an den verschiedenen Zentren der <strong>HIV</strong>-<br />

Behandlung unterschiedliche Modelle der interdisziplinären Zusammenarbeit gewachsen.<br />

Einmal werden onkologische <strong>HIV</strong>-Patienten primär durch Onkologen, einmal durch<br />

Infektiologen geführt. Wichtig ist, dass es einen sich persönlich verantwortlich fühlenden<br />

Arzt gibt, der auf der Basis eines interdisziplinären Konzeptes zusammen mit dem<br />

Patienten entscheidet.<br />

Non-Hodgkin-Lymphome<br />

Anforderungen an den Behandler<br />

Aufgrund der potentiellen Kurabilität verlangt die Erkrankung vom Behandlungsteam ein<br />

besonderes Maß an Wissen und Erfahrung. Abweichungen von der empfohlenen Dosis<br />

nach unten verschlechtern die Heilungsraten. Bereits geringe Abweichungen nach oben<br />

erhöhen die Toxizität und verursachen therapiebedingte zusätzliche Morbidität bzw.<br />

Mortalität. Die Behandlung <strong>HIV</strong>-assoziierter Lymphome sollte deshalb in Institutionen<br />

erfolgen, in denen regelmäßig (mehrfach täglich) onkologische Therapien appliziert<br />

werden, die typischen Nebenwirkungen einer Polychemotherapie dem Therapeuten<br />

präsent sind und die Besonderheiten dieser Probleme bei Patienten mit <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

geläufig sind. Unverzichtbar ist die enge Zusammenarbeit zwischen <strong>HIV</strong>-Behandler und<br />

Hämatoonkologen. Ideal sind Einrichtungen in denen Expertise auf beiden Gebieten<br />

vorliegen.<br />

Diagnostik<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

Die notwendigen Untersuchungen unterscheiden sich nicht von den Empfehlungen für<br />

Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen ohne <strong>HIV</strong>-Infektion. Hinzu kommen<br />

Untersuchungen, die eine Einschätzung der <strong>HIV</strong>-Infektion gestatten. Wegen des häufig<br />

sehr raschen und aggressiven Krankheitsverlaufs sollte die u.g. Staging-Diagnostik ohne<br />

Zeitverzug, möglichst innerhalb einer Woche erfolgen.<br />

175


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

176<br />

In Ergänzung zum allgemeinen Standard der NHL-Diagnostik sollten im Rahmen der <strong>HIV</strong>-<br />

Infektion folgende Aspekte beachtet werden:<br />

● Histologie einschließlich Immunhistologie<br />

Wenn immer möglich sollte die Entnahme eines vollständigen Lymphknotens<br />

angestrebt werden, da dies am ehesten eine sichere Lymphomklassifikation,<br />

die von therapeutischer und prognostischer Relevanz ist, erlaubt. Nur in<br />

Ausnahmefällen, z.B. Erreichbarkeit des Lymphoms nur durch großen<br />

chirurgischen Eingriff, kann z.B. eine sonographie- oder CT-gesteuerte<br />

Stanzbiopsie mit ausreichend großer Nadel erwogen werden. Eine zytologische<br />

Untersuchung ist obsolet. Eine Referenzuntersuchung durch ein spezialisiertes<br />

Zentrum (z.B. Universitätsinstitute für Pathologie in Berlin, Kiel, Frankfurt,<br />

Würzburg, Ulm) ist immer anzustreben.<br />

● Körperliche Untersuchung einschließlich neurologischem Status<br />

insbesondere genaue Inspektion der Haut (Kaposi-Sarkom) sowie des<br />

Analringes, Augenhintergrund (Ausschluss CMV-Retinitis), endoskopische<br />

Untersuchungen (fakultativ).<br />

● Bildgebenden Verfahren<br />

CT Hals, Abdomen und Thorax sowie ggf. anderer involvierter<br />

Manifestationsorte. )Es sollte besonderes Augenmerk auf extranodale<br />

Manifestationen gelegt werden (cave ungewöhnliche Lokalisationen).<br />

Sonographie des Abdomens und weiterer möglicher Manifestationorte (Axilla,<br />

Halsweichteile, Leisten) mit dem Ziel, einen Ausgangsbefund mittels eines<br />

schnell für Zwischenstagings verfügbaren Verfahrens zu schaffen.<br />

● Punktionen<br />

Knochenmark-Histologie,-und -Zytologie, (ggf. zusätzlich<br />

Immunphänotypisierung und Molekulargenetik) vor dem ersten Zyklus. Eine<br />

Liquorpunktion ist bei klinisch vermutetem ZNS-Befall oder Vorliegen eines<br />

Burkitt-Lymphomen / B-ALL erforderlich. Eine zeitgleiche intrathekale<br />

Prophylaxe mit MTX ist bei letzteren Patienten (mit Burkitt-Lymphomen / B-ALL)<br />

wegen des hohen Risikos eines ZNS-Rezidivs ebenfalls obligat. Die Indikation<br />

zur diagnostischen Liquorpunktion bei den übrigen Patienten wird seit den<br />

aktuellen Publikationen von 2008 u.a. der DSHNHL kontrovers diskutiert. Die<br />

Mehrzahl der Zentren führt weiterhin bei allen Patienten mit den Risikofaktoren<br />

KM-Befall, hoher LDH, Hodenbefall, hochcervikalem Befall und Extranodalbefall<br />

eine diagnostische Punktion durch. Die prophylaktische intrathekale MTX-<br />

Therapie bei dieser Risikogruppe war allerdings in einer retrospektiven Analyse<br />

der DSHNHL bei nicht-<strong>HIV</strong>-infizierten Patienten bei R-CHOP-Behandlung nicht<br />

vorteilhaft. Daher führen inzwischen einige Zentren bei Hochrisikopatienten<br />

(definiert durch Extranodalbefall) eine diagnostische Punktion sowie eine MRT<br />

des ZNS durch. Bei unauffälligem Ergebnis in beiden Untersuchung wird auf<br />

eine ZNS-Therapie verzichtet. Bei pathologischen Befund in einer oder beiden<br />

Untersuchungen sollte eine effektive ZNS-wirksame Therapie eingeleitet<br />

werden, z.B. das B-ALL-Protokoll (s.u.).<br />

● Apparative Untersuchungen<br />

EKG, Echokardiographie, (Lungenfunktionsuntersuchungen bei spezieller<br />

Indikation)<br />

● Ergänzend zu den Standard-Laboruntersuchungen<br />

Bestimmung der T-Lymphoyzten-Subsets und der <strong>HIV</strong>-Viruslast;


Therapie<br />

Serologie: Hepatitis B, C, CMV, HSV, VZV, EBV, Toxoplasmose, Candida,<br />

Aspergillus, TPHA.<br />

Seit der Einführung von HAART hat sich die Therapierbarkeit maligner Lymphome<br />

dramatisch geändert. Besson et al. konnten zeigen, dass Patienten mit NHL unter HAART<br />

ein mittleres Überleben von 21,2+ Monaten erreichen konnten, im Gegensatz zu 6,3<br />

Monaten bei Patienten vor Einführung von HAART (Besson 2001). Die deutsche Gruppe<br />

von Hoffmann et al. demonstrierten ein Gesamtüberleben von 60% nach 5 Jahren bei 159<br />

Patienten durch Chemotherapie mit HAART im vergleich zu ca. 20% bei denen, die nur 1<br />

antiretrovirales Medikament erhielten und weniger als 5% bei denen ohne antiretrovirale<br />

Therapie (Hoffmann 2003).<br />

Die individuelle Prognose eines Patienten mit <strong>HIV</strong> und NHL kann am besten durch den<br />

'International Prognostic Index' (IPI), der bei Patienten mit aggressiven Lymphomen ohne<br />

<strong>HIV</strong>-Infektion evaluiert wurde, in Zusammenhang mit der CD4-Zellzahl abgeschätzt<br />

werden (Lim JCO 2005, Bower 2005, Navarro 2007). Der IPI beinhaltet 5 Variablen<br />

(Alter>60, Stadium III oder IV, LDH>normal, ECOG 2,3 oder 4, >1 Extranodalbefall),<br />

daraus setzten sich 3 Risikogruppen mit unterschiedlichem Überleben zusammen (low<br />

risk 0-1 Punkt - 5-J.-Überleben 73%; Low-intermediate risk 2 Punkte - 5-J.-Überleben<br />

51%; High-intermediate risk 3 Punkte - 5-J.-Überleben 43%; High risk 4-5 Punkte - 5-J.-<br />

Überleben 26%). Die Kombination aus IPI high- oder high-intermediate risk und einer CD4-<br />

Zahl


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

178<br />

Kontrollen der Helferzellen nicht hilfreich, da die Leukozytenwerte durch die Toxizität der<br />

Chemotherapie erheblichen Schwankungen unterworfen sind. Sinnvoller ist ein Monitoring<br />

der Serumspiegel der ART und der Viruslast.<br />

Auswahl der Chemotherapie<br />

Derzeit konkurrieren 2 Therapieprotokolle bei der Behandlung der <strong>HIV</strong>-assoziierten diffusgroßzelligen<br />

B-NHL. Zum einen das in USA häufig verwendete dosis-adjustierte EPOCH-<br />

Protokoll (da-EPOCH), zum anderen das im deutschsprachigen Raum favorisierte und bei<br />

den nicht-<strong>HIV</strong>-Lymphomen übliche CHOP-Protokoll.<br />

Da-EPOCH:<br />

CHOP:<br />

● Etoposid 50 mg/m2/Tag+ Vincristin 0,4 mg/m2/Tag+ Doxorubicin 10 mg/m2/<br />

Tag als Dauer-Infusion über 4 Tage<br />

● Prednison 60 mg/m2/Tag oral Tag 1-5<br />

● Cyclophosphamid dosisadjustiert, basierend auf CD4-Zahl bei<br />

Therapiebeginn, Bolus Tag 5 (187 mg/m2 bei CD4100/µl) G-CSF ab Tag 6 bis Neutrophilenzahl >5000/µl.<br />

● Cyclophosphamid 750 mg/m2 Infusion Tag 1<br />

● Vincristin 1,4 mg/m2 Injektion Tag 1<br />

● Doxorubicin 50 mg/m2 Infusion Tag 1<br />

● Prednison 60 mg/m2/Tag oral Tag 1-5<br />

● G-CSF ab Tag 6 bis Neutrophilenzahl >5000/l oder Pegfilgrastim einmalig<br />

Tag 4<br />

2 amerikanische Studien haben excellente Remissions- und Überlebensraten für das da-<br />

EPOCH-Protokoll zeigen können. Bei 39 Patienten einer Single-center-Studie konnte eine<br />

CR-Rate von 74% erreicht werden, darunter eine CR-Rate von 56% bei 16 Patienten mit<br />

CD4-Zah 100/µl. Das Gesamtüberleben war in der<br />

Gesamtgruppe 60% nach 53 Monaten, in der Subgruppe CD4>100 jedoch eindrucksvolle<br />

87% (Little 2003). Eine weitere, multizentrische Studie mit ebenfalls guten Ergebnissen<br />

wird weiter unten in Zusammenhang mit Rituximab beschrieben (Levine 2008). Die<br />

meisten Daten gibt es für anthrazyklinhaltige Therapieschemata, insbesondere für CHOP<br />

(Weiss 1998, Oksenhendler 1999, Ratner 2001, Vaccher 2001, Kaplan 2005, Ribera<br />

2003). Durch das CHOP-Protokoll konnte im Rituximab-freien Arm der randomisierten<br />

AMC-Studie eine CR-Rate von 47% erreicht werden (Kaplan 2005). Für das CHOP-<br />

Protokoll spricht in Europa die weitaus größere Erfahrung bei nicht-<strong>HIV</strong>-Lymphomen,<br />

außerdem die einfachere Anwendbarkeit an nur 1 Tag, ohne Dauerinfusion. Darüber<br />

hinaus haben komplexere Protokolle, wie das da-EPOCH-Protokoll, bei nicht-<strong>HIV</strong>-<br />

Lymphomen in randomisierten Studien keine bessere Wirksamkeit, jedoch höhere<br />

Komplikationsraten gezeigt. Bis heute gibt es keine randomisierte Studie, die eine<br />

Überlegenheit eines Regimes bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten eindeutig gezeigt hat.<br />

Kombination mit Rituximab?<br />

Voraussetzung für den Einsatz von Rituximab ist der Nachweis einer CD20-Expression<br />

des Lymphomgewebes. Nicht-<strong>HIV</strong>-assoziierte DLBCL werden auf Grund der Studiendaten


der GELA sowie der DSHNHL (Coiffier NEJM 2002, Pfreundschuh Lancet Oncol 2008)<br />

standardmäßig mit Rituximab-CHOP behandelt. Die Zugabe von Rituximab erhöhte die<br />

Remmissions- und Überlebensraten ohne relevante, zusätzlich Toxizität. Die Wertigkeit<br />

von Rituximab bei <strong>HIV</strong>-assoziierten Lymphomen wurde in 3 Studien evaluiert. In 3 Phase<br />

II-Studien wurden sehr hohe Remissionsraten (69-77%) erzielt (Boue 2003, Spina 2003,<br />

Ribera Br J Hematol2008):<br />

Autor Jahr n CR PFS OS<br />

Spina, Blood 2005 74 70% 64% (2J.) 59% (2J.)<br />

Boué, JCO 2006 61 40/52 75% (2J.)<br />

Ribera, Br J Hematol 2008 81 69% 56% (3J.) 77% (3J.)<br />

Eine vierte Studie mit prospektiv-randomisiertem Design (Kaplan 2003) zeigte keine<br />

Überlegenheit des R-CHOP Arms. Allerdings weist diese Studie einige konzeptionelle<br />

Schwächen auf. So wurde (ausschließlich) in der Rituximab-Gruppe G-CSF bereits am<br />

Tag nach CHOP gegeben. Im Rituximab-Arm wurden deutlich mehr Patienten mit<br />

schlechtem Immunstatus behandelt. Rituximab wurde bei jedem Zyklus CHOP sowie<br />

zusätzlich monatlich 3 mal nach Abschluß der Chemotherapie gegeben, woraus eine<br />

höhere kumulative R-Dosis als bei den Studien der GELA und der DSHNHL resuliert. 14%<br />

der Patienten, die R-CHOP erhielten, starben an Infektionen, die Mehrzahl davon<br />

Patienten mit CD4-Zahl 100/nl. Zusätzlich sollte routinemäßig G-CSF ab Tag 6 oder<br />

Pegfilgrastim an Tag 4-6 gegeben werden. Mindestens für die Dauer der Chemotherapie<br />

und 1 Monat darüber hinaus sollte bei allen Patienten ungeachtet des Immunstatus eine<br />

PCP-Prophylaxe mit z.B. Pentamidine oder Cotrimoxazol durchgeführt werden. Patienten<br />

mit einer CD4-Zahl


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

180<br />

AZ kann eine intensive Chemotherapie in Anlehnung an die nationalen Protokolle für nicht<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte ZNS-Lymphome (Hochdosis-MTX) erwogen werden. Entscheidend für<br />

den Behandlungserfolg ist die rasche Einleitung einer ART.<br />

M. Hodgkin<br />

Die Inzidenz des Hodgkin-Lymphoms (HL) hat seit der Einführung der ART<br />

überraschenderweise zugenommen. Es tritt im Gegensatz zu den NHLs meist bei<br />

Patienten unter ART auf, häufig ist bei Erstdiagnose des HL die Viruslast unter der<br />

Nachweisgrenze. Die Ursache hierfür ist möglicherweise die durch eine erfolgreiche ART<br />

ermöglichte längere Lebenserwartung sowie die Schaffung eines funktionierenden<br />

Immunsystems, welches offenbar für die Entstehung des HL notwendig ist. Entsprechend<br />

den Therapien bei Non Hodgkin Lymphomen soll neben den Lymphom-assoziierten<br />

Risikogruppen eine Unterscheidung nach infektiologischen Risikogruppen (s.o.) erfolgen.<br />

Wenn möglich sollten alle Patienten mit <strong>HIV</strong> und M. Hodgkin innerhalb innerhalb eines<br />

stadienadaptierten nationalen Studienprotokolls (Dr. Hentrich, München; http://www.<br />

lymphome.de/Gruppen/GHSG/Protokolle/<strong>HIV</strong>-Hodgkin/index.jsp) behandelt werden.<br />

Außerhalb von Studien können Patienten mit limitierten oder intermediären Stadien (I-II)<br />

mit ABVD behandelt werden. In fortgeschrittenen Stadien ist bei ausgewählten, fitten<br />

Patienten auch das BEACOPP-Schema zu erwägen.<br />

Besondere Probleme bei einzelnen Subtypen<br />

von <strong>HIV</strong>-asoziierten Lymphomen:<br />

Burkitt-Lymphom<br />

Drei Varianten des sporadischen Burkitt-Lymphoms (in Abgrenzung vom in Afrika<br />

vorkommenden endemischen Burkitt-Lymphoms) werden bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten<br />

unterschieden:<br />

● die klassische Form<br />

● das Burkitt-Lymphom mit plasmazytoider Differenzierung<br />

● das atypische Burkitt-Lymphom (Burkitt-Like).<br />

Bei allen 3 Varianten findet sich in 30-50% der Fälle eine Assoziation mit EBV, bei <strong>HIV</strong>-<br />

Patienten noch häufiger. Ein definierendes Merkmal des Burkitt-Lymphoms ist das<br />

Vorhandensein einer Translokation zwischen dem c-myc Gen und dem IgH Gen (in 80% d.<br />

F. [t(8;14)]) oder zwischen c-myc und dem Gen für die kappa oder lambda Leichtkette<br />

(IgL) in den übrigen 20% [t(2;8) bzw. t(8;22)]. Typisch ist auch eine sehr hohe<br />

Proliferationsrate (KI-67 >95%). Die Diagnose sollte durch ein Referenzzentrum (s.o.)<br />

bestätigt werden. Patienten mit Burkitt/Burkitt-like-Lymphomen sollten, sofern es der<br />

Allgemeinzustand zulässt, mit intensivierten Chemo- oder<br />

Chemoimmuntherapieprotokollen behandelt werden. Hierdurch können höhere<br />

Remissions- und Heilungsraten erreicht werden als mit CHOP (Hoffmann 2006). Durch<br />

das intensivierte Protokoll konnte eine CR-Rate von 75% erreicht werden im Vergleich zu<br />

40% durch CHOP (p=0.02). Das 1-Jahres-Überleben lag bei 65% vs. 44% (p=0.1).<br />

Nach dem Beispiel der erfolgreichen Behandlung von Patienten mit Burkitt-Lymphom


ohne <strong>HIV</strong>-Infektion sollte Rituximab auch hier in die Behandlung integriert werden.<br />

In einer sehr aktuellen, retrospektiven Untersuchung unterschieden sich die Heilungsraten<br />

nicht zwischen <strong>HIV</strong>-negativen und positiven Patienten mit Burkitt-Lymphom, die mit<br />

intersivierter Chemotherapie unter Einschluß von Rituximab behandelt wurden (Oriol<br />

2008).<br />

Primäres Körperhöhlenerguss-Lymphom<br />

Dieses Lymphom ist mit dem humanen Herpes Virus Typ 8 (HHV8) assoziiert. Es<br />

manifestiert sich klinisch mit Körperhöhlenergüssen, gelegentlich aber auch mit soliden<br />

Tumormassen im Bereich des Gastrointestinaltraktes. Die Therapie erfolgt nach den<br />

selben Grundsätzen wie beim diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom. Die Prognose ist<br />

sehr schlecht.<br />

Plasmablastisches Lymphom der Mundhöhle<br />

Dieser Subtyp ist morphologisch und klinisch gut charakterisiert. Meist sind die<br />

Tumorzellen CD20-negativ. Klinisch wichtig ist die differentialdiagnostische Abgrenzung<br />

gegenüber entzündlichen Prozessen in der Mundhöhle. Die besten<br />

Behandlungsergebnisse lassen sich auch hier mit der für großzellige B-Zell-Lymphome<br />

empfohlenen CHOP-Therapie erreichen (Carbone 2009).<br />

Multizentrische Castleman Erkrankung<br />

In Zusammenhang mit der <strong>HIV</strong>-Infektion ist die multizentrische Castleman-Erkrankung<br />

(MCD) zwar eine seltene aber fast immer tödliche verlaufende lymphoproliferative<br />

Erkrankung (Mylona 2008). Wie beim Kaposi-Sarkom besteht eine Assoziation zur<br />

Infektion mit dem humanen Herpes-Virus 8 (HHV-8). Beide Erkrankungen treten oft<br />

gemeinsam auf. Der Verlauf der MCD ist gekennzeichnet durch Schübe mit ausgeprägter<br />

B-Symptomatik und Lymphadenopathie, sowie Spleno- und Hepatomegalie. Nur sehr<br />

selten kommt es zu Spontanremissionen. Histologisch findet man in den Lymphknoten<br />

atrophe Keimzentren mit vaskulärer Hyperplasie und Plasmazellinfiltraten. Mit Einführung<br />

der HAART ist es zwar zu einem dramatischen Rückgang der Inzidenz der Kaposi-<br />

Sarkome gekommen, aber die MCD wird weiterhin beobachtet - auch bei kontrollierter<br />

Viruslast. Auch aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ist eine Standardtherapie bislang<br />

nicht etabliert. Die Symptomatik kann beeinflusst werden durch eine Monochemotherapie,<br />

wobei häufig Etoposid oder Vinblastin eingesetzt werden, aber auch wie beim Kaposi-<br />

Sarkom liposomale Anthrazykline. Das Absetzen der Zytostatika führt meist sehr schnell<br />

zu einem Rezidiv. Aktuelle Studien haben eine hohe Effektivität von Rituximab, alleine<br />

oder nach einer Chemotherapie, gezeigt (Bowers 2007, Gerard 2007).<br />

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183


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

184<br />

Epidemiologie<br />

Andere Malignome<br />

Franz Mosthaf<br />

Wegen längerer Überlebenszeit aufgrund von HAART:<br />

● längerdauernde Immunsuppression<br />

● langerdauernde Exposition gegenüber kanzerogenen Einflüssen wie HPV,<br />

HCV, EBV, inhalatives Rauchen, Alkohol<br />

dadurch erhöhte Inzidenz von:<br />

● Cervixcarzinomen<br />

● Analkarzinomen<br />

● M. Hodgkin<br />

● Lungenkarzinomen<br />

● Leberzellkarzinomen<br />

● Hauttumoren?<br />

Evtl. aggressiverer Verlauf von anderen soliden Tumoren wie Lungenkarzinom etc.<br />

Tumorentität Diagnostik Klinik Therapie<br />

Cervixcarzinom halbjährliche<br />

gynäkologische<br />

Kontrolle mit<br />

Cervixzytologie<br />

Analkarzinom regelmässige<br />

Inspektion<br />

insbesondere bei<br />

vorbekannten<br />

Condylomen, ggfs.<br />

Proktoskopie,<br />

Biopsie verdächtiger<br />

Bezirke, ggfs. CT oder<br />

MRT<br />

Blutig tingierter<br />

vaginaler Ausfluss,<br />

Kontaktblutung,<br />

Zwischenblutung<br />

Juckreiz, Schmerzen,<br />

Kontinenzstörung,<br />

Blutauflagerung auf<br />

Stuhl, nicht abheilende<br />

Fisteln, Vergrösserung<br />

der Leistenlymphknoten<br />

OP, bei Kontraindikation<br />

Bestrahlung,<br />

bei fortgeschrittenen<br />

Stadien<br />

Radiochemotherapie<br />

Radiochemotherapie,<br />

nur bei großem<br />

Resttumor<br />

Rektumexstirpation


M. Hodgkin entsprechend den<br />

Empfehlungen der<br />

Deutschen Hodgkin-<br />

Lymphomstudie<br />

Andere<br />

Malignome :<br />

Bei guter Abwehrlage<br />

Bei aufgrund von<br />

<strong>HIV</strong> stark<br />

eingeschränkter<br />

Lebenserwartung<br />

Wie bei nicht <strong>HIV</strong>-<br />

Infizierten Patienten<br />

Symptomorientierte<br />

Diagnostik<br />

Lymphadenopthie, B-<br />

Symptomatik, selten:<br />

Alkoholschmerz<br />

Tumorentität Diagnostik Klinik Therapie<br />

<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

Im Rahmen der "Studie<br />

zur Therapieoptimierung<br />

des <strong>HIV</strong>-assoziierten<br />

Mobrbus<br />

Hodgkin" (Kontakt: PD<br />

Dr. Hentrich, München,<br />

Tel. 089-6210-3362 email:<br />

tumorzentrum.<br />

hentrich@khmh.de)<br />

oder in Analogie zur<br />

Deutschen Hodgkin-<br />

Lymphomstudie<br />

bei rein palliativer<br />

Situation: evtl.<br />

Gemcitabine mono<br />

Wie bei nicht <strong>HIV</strong>-<br />

Infizierten Patienten<br />

Symptomorientierte,<br />

palliative Therapie<br />

185


<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />

186<br />

Analkarzinom<br />

Franz Mosthaf<br />

Aufgrund der ausgesprochen hohen und weiter zunehmenden Inzidenz des<br />

Analkarzinoms hat die DAGNAE-Kerngruppe <strong>HIV</strong> und Onkologie folgende Empfehlungen<br />

erarbeitet. Diese wurden im Deutschen Ärzteblatt am 16.04.2004 veröffentlicht (Mosthaf<br />

et al 2004):<br />

Eine regelmäßige Tumorvorsorge im Sinne eines Screenings, analog zum Cervixkarzinom<br />

der Frau, ist bei <strong>HIV</strong>-Infizierten sinnvoll. HPV-assoziierte Erkrankungen, wie Condylomata<br />

accuminata, weisen auf ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Analkarzinomen hin<br />

(Palefsky et al. 2000, Frisch 2002). Da in der Regel zwischen <strong>HIV</strong>/HPV-Infektion und der<br />

Manifestation des Analkarzinoms eine mehrjährige Latenzphase liegt, hat die<br />

Tumorvorsorge einen hohen Stellenwert.<br />

Empfehlungen zum Screening bzw. Diagnostik des <strong>HIV</strong>assoziierten<br />

Analkarzinoms<br />

Situation Empfehlung<br />

Bei Erstvorstellung des Patienten immer Inspektion von Genitale und Anus<br />

einschließlich rektal digitaler Untersuchung<br />

Bei klinisch unauffälligem Befund einmal pro Jahr Kontrolle mit Inspektion von<br />

Genitale und Anus einschließlich rektal digitaler<br />

Untersuchung<br />

Bei anogenitalen oder auch oralen spitzen<br />

Kondylomen oder anderen klinischen<br />

Auffälligkeiten wie nicht heilenden Analfissuren,<br />

Schmerzen, Blut- oder Schleimabgang<br />

zusätzlich Proktoskopie - in der Regel in<br />

Narkose, gegebenenfalls mit Biopsie für<br />

Histologie und HPV-Nachweis. Evtl. zusätzlich<br />

Infektions-Serologie (Syphilis, Chlamydien, etc.)<br />

Empfehlungen zur Therapie und Nachsorge des <strong>HIV</strong>-assoziierten<br />

Analkarzinoms<br />

Bei analem Carcinoma in situ: → Exzision im Gesunden, mindestens jährliche Kontrolle mit<br />

Proktoskopie<br />

Bei manifestem Analkarzinom: → Radiochemotherapie, mindestens jährliche Kontrolle mit<br />

Proktoskopie<br />

Bei Tumorrezidiv: → Operation, falls möglich kontinenzerhaltend<br />

Der Zusammenhang zwischen <strong>HIV</strong>-Infektion und einem erhöhten Risiko für<br />

Analkarzinomen weißt darauf hin, dass eine effektive Tumorvorsorge gezielt eingesetzt<br />

werden kann. Wir empfehlen bei allen <strong>HIV</strong>-positiven Patienten diese Tumorvorsorge<br />

jährlich durchzuführen.


Überblick:<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

● Dermatologische Krankheitsbilder<br />

● Hepatitis<br />

● HNO-Manifestationen<br />

● Zahnärztliche Krankheitsbilder<br />

● Neurologische Manifestationen<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

187


Organspezifische Erkrankungen<br />

188<br />

Überblick:<br />

Dermatologische Krankheitsbilder<br />

● Bakterien<br />

● Pilze<br />

● Viren<br />

Dermatose<br />

(Erreger)<br />

Impetigo<br />

contagiosa,<br />

Ekthyma<br />

(Staphylococcus<br />

aureus,<br />

Streptokokken)<br />

Erysipel<br />

(Streptococcus<br />

pyogenes)<br />

Bazilläre<br />

Angiomatose<br />

(Bartonella<br />

henselae)<br />

Tuberkulosis<br />

cutis colliquativa<br />

(Mycobacterium<br />

tuberculosis)<br />

Atypische<br />

Mykobakteriose<br />

(v.a.<br />

Mykobacterium<br />

aviumintracellulare)<br />

Bakterien<br />

Martin Hartmann<br />

Klinik Diagnose Therapie Bemerkung<br />

Blase, Follikulitis,<br />

Furunkel<br />

Rötung,<br />

Schwellung,<br />

Überwärumng,<br />

gel. Blasenbildung<br />

ulzerierte<br />

Knötchen oder<br />

dermale lividrötliche<br />

Infiltrate<br />

Ulzerationen über<br />

betroffenen<br />

Lymphknoten<br />

(supraclavikulär)<br />

blaurote<br />

Knötchen,<br />

Ekthymata<br />

Klinik, Kultur z.B. Amoxicillin<br />

+Clavulansäure<br />

(Augmentan ® ,<br />

3x500mg)<br />

Klinik, Kultur Penicillin-G 3x10<br />

Mio. IE i.v. ,<br />

Clarithromycin<br />

(Klacid ® ,<br />

2x500mg)<br />

Histologie,<br />

Direktnachweis<br />

Klinik, Histologie,<br />

PCR<br />

Histologie, Kultur<br />

(Blut)<br />

Erythromycin<br />

4x500 mg oder<br />

Doxycyclin<br />

2x100 mg für > 8<br />

Wochen<br />

Isoniazid 300mg<br />

+ Rifampicin 600<br />

mg<br />

+ Pyrazinamid<br />

25mg/kg<br />

(Ethambutol<br />

15mg/kg)<br />

s. <strong>HIV</strong>assoziierte<br />

Krankheitbilder<br />

DD: Kaposi-<br />

Sarkom,<br />

Granuloma<br />

pediculatum,<br />

Hämangiome<br />

cave:<br />

Multiresistenzen


Syphilis<br />

(Treponema<br />

pallidum)<br />

Dermatose<br />

(Erreger)<br />

Primäraffekt<br />

(Syphilis I),<br />

makulopapulöses<br />

Syphilid (Syphilis<br />

II), Neurosyphilis<br />

(Syphilis III)<br />

Dunkelfeld, (PCR)<br />

Serologie,<br />

Liquoruntersuchung<br />

Früh- und<br />

Spätsyphilis:<br />

Benzathin-<br />

Penicillin 2,4<br />

Mio. IE<br />

(Pendysin ® ) für<br />

1 (Syphilis I)-3<br />

Wochen<br />

(Syphilis II, III)<br />

Neurolues:<br />

Penicillin G 4x6<br />

Mio IE i.v. für 10<br />

Tage, dann i.m.<br />

(s.o., 21 Tage)<br />

Klinik Diagnose Therapie Bemerkung<br />

Dosierungen, falls nicht anders angegeben, pro Tag<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

189


Organspezifische Erkrankungen<br />

190<br />

Dermatose<br />

(Erreger)<br />

Orale<br />

Candidose<br />

(Candida<br />

albicans,<br />

seltener:<br />

Candida krusei)<br />

Kryptokokkose<br />

(Cryptococcus<br />

neoformans)<br />

Histoplasmose<br />

(Histoplasma<br />

capsulatum)<br />

Tinea,<br />

Onychomykose<br />

(meist:<br />

Trichophyton<br />

rubrum, T.<br />

mentagrophytes)<br />

Pilze<br />

Martin Hartmann<br />

Klinik Diagnose Therapie Bemerkung<br />

weißliche abstreifbare<br />

Schleimhautauflagerungen,<br />

seltener atrophe Formen<br />

Klinik,<br />

Nativpräparat,<br />

Kultur<br />

meist molluskoide Papeln Histologie,<br />

Serologie<br />

(Antigennachweis)<br />

variabel Histologie, Kultur<br />

(Knochenmark)<br />

randbetontes Erythem mit<br />

Schuppung,<br />

Onychodystrophie<br />

Klinik,<br />

Nativpräparat,<br />

Kultur<br />

Dosierungen falls nicht anders angegeben, pro Tag<br />

Fluconazol<br />

(Diflucan ® ,<br />

100-200mg),<br />

Itraconazol<br />

(Sempera liq.<br />

® , 100-<br />

200mg),<br />

Prophylaxe:<br />

Fluconazol<br />

100mg<br />

s.<br />

azolresistente<br />

Candidosen +<br />

Fluconazol<br />

(Diflucan ® ,<br />

400 mg)<br />

s.<br />

Kryptokokkose<br />

Itraconazol<br />

(Sempera ® ,<br />

100-200 mg),<br />

Terbinafin<br />

(Lamisil ® , 250<br />

mg)<br />

Bei<br />

azolresistenten<br />

Mykosen:<br />

Amphotericin B<br />

(0,3-1,0 mg/kg)<br />

+Flucytosin<br />

(Ancotil ® , 4x150<br />

mg/kg),<br />

Voriconazol<br />

(Vfend ® , 2x200-<br />

400mg)<br />

10-20%<br />

Hautbeteiligung<br />

bei diss.<br />

Kryptokokkose<br />

Reiseanamnese:<br />

USA<br />

bei<br />

Onychomykose<br />

ausreichend<br />

hoch und lange<br />

(3-6 Monate)<br />

therapieren,<br />

Pulstherapie:<br />

Itraconazol<br />

400mg für 7<br />

Tage über 3<br />

Monate,<br />

ggf. zusätzlich<br />

antimykotischen<br />

Lack (Loceryl ® )


Dermatose<br />

(Erreger)<br />

Herpes simplex<br />

recidivans<br />

(Herpes simplex<br />

Virus, HSV-1/2)<br />

Varizellen, Herpes<br />

Zoster<br />

(Varicella-Zoster-<br />

Virus, VZV)<br />

CMV-Ulzeration<br />

(Cytomegalievirus,<br />

CMV)<br />

Orale<br />

Haarleukoplakie<br />

(Epstein-Barr-Virus,<br />

EBV)<br />

Mollusca contagiosa<br />

(Poxvirus)<br />

Viren<br />

Martin Hartmann<br />

Klinik Diagnose Therapie Bemerkung<br />

gruppierte Bläschen<br />

auf erythematösem<br />

Grund<br />

Exanthem, später<br />

segmentale und<br />

polyzyklisch begrenzte<br />

Bläschen, Schmerzen<br />

meist ovale Ulcera<br />

(häufig perianal)<br />

weißliche festhaftende<br />

"haarige"<br />

Auflagerungen an den<br />

Zungenseiten<br />

stecknadelkopfgroße<br />

zentral gedellte<br />

Papeln, häufig genital<br />

Klinik, IFT,<br />

PCR<br />

Aciclovir (Zovirax ® )<br />

5x200-800mg oral,<br />

in schweren Fällen<br />

30mg/kg i.v.,<br />

alternativ:<br />

Famciclovir<br />

(Famvir ® 3x500<br />

mg) oder<br />

Valaciclovir<br />

(Valtrex ® 3x1g),<br />

ggf. einmalig bei<br />

erneuter Eruption<br />

1g zur<br />

Suppression des<br />

Rezidivs<br />

s. HSV 5x800mg Aciclovir<br />

(oder: 30mg/kg i.<br />

v.), Famciclovir/<br />

Valciclovir,<br />

Brivudin (Zostex ®<br />

1x125mg)<br />

histologisch,<br />

PCR<br />

Klinik,<br />

Histologie<br />

Klinik,<br />

Histologie<br />

Ganciclovir<br />

(Cymeven ® ) 2x5<br />

mg/kg KG i.v. oder<br />

Foscarnet<br />

(Foscavir ® ) 3x60<br />

mg/kg i.v., ggf.<br />

Cidofovir (Vistide ® )<br />

5mg/kg i.v.<br />

Retinoide lokal,<br />

antiretrovirale<br />

Therapie (HAART)<br />

Excochleation,<br />

Kryotherapie,<br />

Imiquimod<br />

(Aldara ® )<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

Therapie bei<br />

Aciclovirresistenz:<br />

Foscarnet<br />

(Foscavir ® )<br />

3x40mg/kg i.v.<br />

cave: Zoster<br />

generalisatus<br />

CMV-Retinitis<br />

ausschließen;<br />

ggf.<br />

Valganciclovir<br />

(Valcyte ® ) 450-<br />

900mg<br />

DD orale<br />

Candidose,<br />

Leukoplakie,<br />

Lichen ruber<br />

DD:<br />

systemisch<br />

Mykosen<br />

(kutane<br />

Krytokokkose)<br />

191


Organspezifische Erkrankungen<br />

192<br />

Verruca vulgaris,<br />

Condylomata<br />

acuminata<br />

(Humane<br />

Papillomviren, HPV)<br />

Dermatose<br />

(Erreger)<br />

verruköse Papeln,<br />

papillomatöse<br />

exophythisch<br />

wachsende Beete an<br />

der Schleimhaut<br />

genital und perianal<br />

Klinik,<br />

Histologie,<br />

(HPV-<br />

Typisierung)<br />

Dosierungen, falls nicht anders angegeben, pro Tag<br />

Exzision,<br />

Elektrokaustische<br />

Abtragung, Laser,<br />

Kryotherapie, lokal:<br />

Podophyllin<br />

(Condylox ® ,<br />

Wartec ® ),<br />

Imiquimod<br />

(Aldara ® )<br />

DD:<br />

Bowenoide<br />

Papulose,<br />

cave:<br />

Analkarzinom,<br />

Klinik Diagnose Therapie Bemerkung


Hepatitis<br />

(Hepatitis B-, Hepatitis C-Monoinfektion)<br />

Hartwig Klinker<br />

Epidemiologie der Hepatitis B und C<br />

Die Hepatitis B gehört zu den weltweit häufigsten Infektionserkrankungen. Ca. 300<br />

Millionen Menschen sind chronisch HBV-infiziert. Eine besonders hohe Prävalenz besteht<br />

in Asien. In Deutschland wird die Zahl der Menschen mit einer übertragungsfähigen<br />

Hepatitis B auf 300.000-500.000 geschätzt.<br />

Eine replikative C-Hepatitis besteht weltweit bei ca. 1-3% der Bevölkerung, entsprechend<br />

60-180 Millionen Menschen. In Deutschland dürfte die Zahl der HCV-Infizierten bei<br />

500.000-800.000 liegen.<br />

Übertragungswege<br />

Sowohl das Hepatitis B- als auch das Hepatitis C-Virus wird parenteral übertragen. In<br />

Westeuropa sind die wichtigsten Übertragungswege Sexualkontakte, die besonders bei<br />

der B-Hepatitis eine Rolle spielen, und kontaminierte Nadeln bei z. B. intravenös<br />

Drogenabhängigen. In Asien ist die vertikale Transmission von der infizierten Mutter auf<br />

ihr Kind im Rahmen der Geburt sehr häufig.<br />

Die Kontagiosität des Hepatitis B-Virus ist besonders hoch, z. B. ca. 30-40 höher als die<br />

Kontagiosität von <strong>HIV</strong>. Dies hängt u. a. mit der oft sehr ausgeprägten Virämie bei HBV-<br />

Infizierten zusammen. Nicht selten finden sich bis 109 infektiöse Partikel/ml Plasma (also<br />

etwa 1.000 mal soviel wie bei HCV und <strong>HIV</strong> mit bis ca. 106 Kopien/ml).<br />

Das Restrisiko bei der Übertragung von Fremdblut ist in Deutschland sehr gering und<br />

beträgt für die Hepatitis B ca. 1:250.000 und für die Hepatitis C ca. 1:1.400.000.<br />

Prävention<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

Grundsätzlich sind zur Prävention einer Hepatitis B- oder C-Infektion alle die Maßnahmen<br />

geeignet, die auch zur Prävention der <strong>HIV</strong>-Infektion als sinnvoll erachtet werden<br />

(Kondomgebrauch, safer Sex, kein Nadeltausch, kein gemeinsamer Gebrauch von<br />

Zahnbürsten oder Rasierapparaten, im medizinischen Bereich Vermeidung von<br />

Stichverletzungen, Tragen von Einmalhandschuhen bei verletzungsträchtigen Tätigkeiten<br />

etc.).<br />

Besonders hingewiesen werden soll auf die Möglichkeit der passiven (z. B.<br />

postexpositionell) und vor allem aktiven Impfung gegen die B Hepatitis. Die WHO hat<br />

1992 empfohlen, dass in allen Ländern die HB-Impfung Bestandteil des Impfprogramms<br />

werden soll. Entsprechend wurde von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-<br />

Institut (STIKO) im Jahre 1995 die HB-Impfung der Säuglinge, Kinder und Jugendlichen in<br />

den Kalender der empfohlenen Impfungen aufgenommen. Darüber hinaus ist die aktive<br />

Hepatitits B-Impfung indiziert bei allen Menschen mit einem erhöhten Expositionsrisiko, z.<br />

193


Organspezifische Erkrankungen<br />

194<br />

B. homosexuell aktiven Männern, Drogenabhängigen, Prostituierten, HB-gefährdetem<br />

medizinischen Personal, Dialyse-Patienten, HBsAG-negativen Patienten mit chronischen<br />

Lebererkrankungen u. a..<br />

Für die Hepatitis C existiert bislang weder eine passive noch eine aktive Impfung.<br />

Natürlicher Verlauf<br />

Die Hepatitis B verläuft bei Infektion im Erwachsenenalter in 5-10% chronisch. Bei<br />

Infektion im Säuglingsalter entwickelt sich dagegen in über 90% (!) eine chronische<br />

Infektion.<br />

Der klinische Verlauf einer chronischen Hepatitis B ist interindividuell sehr unterschiedlich<br />

und reicht von blanden Verläufen bis hin zu rezidivierenden schweren<br />

Entzündungsschüben.<br />

Ca. 20-30% der Patienten mit chronischer Hepatitis B entwickeln schließlich eine<br />

Leberzirrhose, 5% ein primäres Leberzellkarzinom.<br />

In großen Kohortenstudien aus Asien konnte gezeigt werden, dass für die Prognose einer<br />

chronischen Hepatitis B-Infektion die Viruslast von entscheidender Bedeutung ist. So<br />

steigt das Leberzirrhose-Risiko bereits ab einer Viruslast von mehr als 2.000 IU/ml<br />

(10.000 Kopien/ml) deutlich an. Auch das Risiko für die Entwicklung eines<br />

hepatozellulären Karzinoms steigt Viruslast-abhängig. Die Höhe der Transaminasen ist<br />

dagegen von eher untergeordneter Bedeutung, auch bei nur geringfügig erhöhten Werten<br />

ist eine Progression zur Zirrhose möglich!<br />

Die Hepatitis C-Infektion nimmt sehr häufig, in 60-80%, einen chronischen Verlauf. Die<br />

Klinik ist hier meistens gekennzeichnet von eher unspezifischen Beschwerden wie<br />

Müdigkeit, Inappetenz und Abgeschlagenheit, ein ikterisches Krankheitsbild ist<br />

ausgesprochen selten. Dennoch führt auch die chronische Hepatitis C nach langjährigem<br />

Verlauf bei ca. 25-40% der Patienten zur Leberzirrhose und wie die chronische B-<br />

Hepatitis zum Auftreten hepatozellulärer Karzinome.<br />

Diagnostik<br />

Die Diagnostik der entzündlichen Aktivität einer chronischen Virushepatitis erfolgt über<br />

die Bestimmung der Transaminasen GOT und GPT. Die virologische Aktivität ist zu<br />

identifizieren über die Bestimmung von HBsAG, HBeAG/Anti-HBe und HBV-DNA bei der<br />

B-Hepatitis bzw. HCV-RNA bei der C-Hepatitis.<br />

Die Viruslastbestimmung ist bei der chronischen HBV-Infektion sowohl bei Therapienaϊven<br />

Patienten als auch besonders zur Therapiekontrolle fest etabliert und sollte, je<br />

nach klinischer Situation, alle 3-6 Monate durchgeführt werden.<br />

Bei der C-Hepatitis wird eine Bestimmung der Ausgangsviruslast durchgeführt, eine<br />

routinemäßige Kontrolle beim nicht behandelten Patienten erfolgt dann nicht. Unter<br />

antiviraler Therapie ist die Viruslast dagegen ein entscheidender Parameter in der<br />

Therapieführung (s. u.).


Die Gewinnung einer Leberhistologie wird insgesamt seltener als früher durchgeführt. In<br />

verschiedenen Situationen ist sie jedoch nach wie vor notwendig, um eine<br />

differenzialdiagnostische Abgrenzung zu anderen chronischen Labererkrankungen zu<br />

sichern und insbesondere die exakte entzündliche Aktivität erfassen und den Fibrose-/<br />

Zirrhosegrad der Erkrankung festlegen zu können (Grading und Staging, Hepatitis<br />

Aktivitäts Index = HAI).<br />

Ein neueres, apparatives Verfahren zur Fibrosebeurteilung stellt die Elastographie dar, bei<br />

der mittels eines speziellen Ultraschallverfahrens Aussagen zur Organsteifigkeit gemacht<br />

werden können. Recht gut evaluiert ist die Methode insbesondere bei der chronischen C-<br />

Hepatitis.<br />

Therapie der Hepatitis B<br />

Indikation:<br />

Kriterien für die Indikationsstellung zur antiviralen Therapie der chronischen Hepatitis B<br />

sind die virale Aktivität (→ Viruslastbestimmung), die entzündliche Aktivität (→ GPT, ggf.<br />

Histologie) und der Fibrosegrad (→ Nicht-invasive Verfahren, ggf. Histologie).<br />

Der den aktuellen Leitlinien entsprechende Indikationsalgorithmus für die Behandlung der<br />

chronischen Hepatitis B ist dem nachfolgenden Diagramm zu entnehmen.<br />

Auswahl der Therapie<br />

Seit vielen Jahren etabliert ist die Behandlung mit Interferon alfa.<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

Aufgrund zahlreicher Studien können günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche<br />

Interferon-alfa-Therapie bei chronischer B-Hepatitis wie folgt definiert werden: HBV-<br />

Genotyp A, weibliches Geschlecht, hohe Transaminasen (GPT mind. verdoppelt), HBV-<br />

DNA niedrig, HBeAg-Positivität (keine Prae-Core Mutante, s. u.) kurze Dauer (


Organspezifische Erkrankungen<br />

196<br />

der HBV-Infektion, keine HDV-Superinfektion, keine <strong>HIV</strong>-Koinfektion mit fortgeschrittenem<br />

Immundefekt, kompensierte Lebererkrankung.<br />

Die Interferon-alfa Therapie wird entsprechend der aktuellen Leitlinien der Deutschen<br />

Gesellschaft für Verdauungs-und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in einer Dosierung von<br />

5-6 Mio. E/d s. c. über 4-6 Monate durchgeführt, vorzugsweise inzwischen allerdings mit<br />

pegyliertem Interferon. Zugelassen ist pegyliertes Interferon-alfa 2a, hier in einer<br />

Dosierung von 180 µg/Wo über 48 Wochen.<br />

Das Therapieziel ist die Normalisierung der Transaminasen, die Serokonversion von HBs-<br />

Antigen zu Anti-HBs oder die Serokonversion von HBe-Antigen zu Anti-HBe oder (bei<br />

initial HBe-Antigen negativen Patienten) die Konversion von HBV-DNA positiv zu negativ.<br />

Unter Zugrundelegung der derzeitigen Auswahlkriterien der Patienten, der Interferon-<br />

Dosis und der Therapiedauer lässt sich eine Remission der Erkrankung bei 30-40%, eine<br />

Ausheilung (HBsAg-Elimination) lediglich bei ca. 5% der Patienten erreichen. Bei<br />

Patienten mit Nachweis einer Prae-Core-Mutante (typischer Befund: HBeAg negativ bei<br />

signifikanter Viruslast) sind die Erfolgsaussichten einer Interferon-alfa-Therapie erheblich<br />

geringer.<br />

Die Nebenwirkungen einer Interferon-alfa-Therapie sind bei der Therapie der chronischen<br />

Hepatitis C dargestellt (s. u.)<br />

Das zweite, inzwischen ebenfalls sehr gut etabliertes Therapiekonzept stellt die<br />

Behandlung mit Nukleosidanaloga dar.<br />

Aufgrund des Wirkungsmechanismus der Nukleosidanaloga ist die Effektivität dieser<br />

Substanzen nicht an immunologische Parameter gebunden. Sie sind somit auch bei<br />

immunsupprimierten Patienten ohne Einschränkungen einsetzbar. Nukleosidanaloga<br />

können auch bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung eingesetzt werden.<br />

Darüber hinaus ließ sich eine Verbesserung der Histologie sowie Verzögerung, sogar<br />

Rückgang (!) der Fibroseentwicklung zeigen.<br />

Zugelassen zur Therapie sind die Nukleosidanaloga Lamivudin, Telbivudin und Entecavir<br />

sowie die Nukleotidanaloga Adefovir und Tenofovir. Die Nebenwirkungsrate einer Nukleos<br />

(t)idanaloga-Therapie ist ausgesprochen gering, alle Präparate werden nur einmal täglich<br />

eingenommen.<br />

Unterschiede zwischen den Substanzen bestehen in ihrer virologischen Potenz und im<br />

Risiko einer Resistenzentwicklung.


Die in Studien erzielten Raten der HB-Viruslast-Absenkung unter die Nachweisgrenze<br />

zeigt folgende Tabelle.<br />

Substanz HBeAg<br />

positive<br />

Patienten (%)<br />

HBeAg<br />

negative<br />

Patienten (%)<br />

Adefovir 21 51<br />

Entecavir 67 90<br />

Lamivudin 36 72<br />

Telbivudin 60 88<br />

Tenofovir 76 94<br />

Vergleich:<br />

Peg-Interferon<br />

25 63<br />

Die kumulative Inzidenz der HBV-Resistenz beträgt für Lamivudin ca. 70% in 5 Jahren, für<br />

Adefovir ca. 29% in 5 Jahren, für Telbivudin ca. 22% in 2 Jahren, für Entecavir ca. 1% in 5<br />

Jahren und für Tenofovir bislang 0%.<br />

Da zwischen den einzelnen Substanzen Kreuzresistenzen bestehen, ist eine strategische<br />

Therapieplanung bereits vor Behandlungsbeginn für den langfristigen Erfolg sehr wichtig.<br />

Im Falle einer Resistenz kann je nach klinischer Situation und vorliegender<br />

Resistenzmutation auf ein anderes Präparat umgesetzt oder eine Kombinationstherapie<br />

eingesetzt werden.<br />

Therapieziel ist die Absenkung der Viruslast auf < 200 IU/ml, besser unter die<br />

Nachweisgrenze.<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

Eine feste Behandlungsdauer einer Nukleos(t)idanaloga-Therapie einer chronischen B<br />

Hepatitis ist derzeit nicht zu definieren. Bei HBeAg-positiven Patienten kann ein Absetzen<br />

der Behandlung 12 Monate nach einer Serokonversion zu Anti-HBe erwogen werden, bei<br />

HBeAg-negativen Patienten ist die Therapie als virustatische Dauersuppressionstherapie,<br />

wie bei der <strong>HIV</strong>-Infektion, durchzuführen.<br />

Der aktuelle Therapiealgorithmus ist in dem nachfolgenden Diagramm dargestellt.<br />

197


Organspezifische Erkrankungen<br />

198<br />

Therapie der Hepatitis C<br />

Wegen der hohen Chronifizierungsrate kann es sinnvoll sein, auch die akute C-Hepatitis<br />

antiviral zu behandeln, möglichst allerdings innerhalb von Studien. Dies insbesondere vor<br />

dem Hintergrund, dass sich selbst durch eine Interferon-Monotherapie der chronische<br />

Verlauf einer Hepatitis C-Infektion in über 90% verhindern lässt (Jaeckel et al. 2001).<br />

In der Therapie der chronischen C-Hepatitis ist seit Jahren die Kombination von PEG-<br />

Interferon-alfa und Ribavirin als Standard etabliert.<br />

Derzeit sind zwei pegylierte Interferone (pegyliertes Interferon alfa 2b = PegIntron® und<br />

pegyliertes Interferon alfa 2a = Pegasys®) zur Behandlung der chronischen Hepatitis C<br />

zugelassen. Für pegyliertes Interferon alfa 2b wird eine körpergewichtsadaptierte<br />

Dosierung von 1,5 µg/kg/Woche empfohlen. Pegyliertes Interferon alfa 2a wird in einer<br />

einheitlichen Dosis von 180 µg/Woche verabreicht.<br />

Als generell günstige Voraussetzung für ein Therapieansprechen werden angesehen ein<br />

Alter unter 50 Jahren, eine normale GGT, das Fehlen einer Leberzirrhose, eine niedrige<br />

Hepatitis C-Viruslast sowie das Vorliegen eines HCV-Genotyps 2 oder 3.<br />

Eindeutiges Ziel der Therapie der chronischen Hepatitis C ist die klinische Heilung.<br />

Entscheidend für den Behandlungserfolg ist neben der adäquaten Dosis der Medikamente<br />

und Dauer der Therapie eine optimale Therapieadhärenz.<br />

Eine herausragende prädiktive Bedeutung für die Wahrscheinlichkeit eines anhaltenden<br />

Therapieansprechens kommt der initialen Viruskinetik unter antiviraler Therapie zu, die<br />

auch Eingang in den Therapiealgorithmus gefunden hat.<br />

Entsprechend der Entwicklung der quantitativen und qualitativen HCV-RNA-Bestimmung<br />

während und nach der Therapie werden folgende Verläufe unterschieden:


Begriff/Abkürzung HCV-RNA<br />

Non Response/NR Zu allen Zeitpunkten unter Therapie positiv<br />

Relapse<br />

Unter Therapie negativ, nach Therapieende wieder<br />

positiv<br />

Rapid Virological Response/RVR Nach 4 Wochen negativ (< 10-30 IU/ml)<br />

Early Virological Response/EVR Nach 12 Wochen 2-log-Abfall<br />

● Complete Early<br />

Virological Response/cEVR<br />

● Partial early<br />

Virological Response/pEVR<br />

= Slow Virological Response<br />

Nach 12 Wochen negative (< 10-30 IU/ml)<br />

Nach 12 Wochen 2-log-Abfall, aber positive,<br />

nach 24 Wochen negative (< 10-30 IU/ml)<br />

Sustained Virological Response/SVR 24 Wochen nach Therapieende negativ<br />

Wird ein SVR erreicht, entspricht dies einer klinischen Heilung der C-Hepatitis. Die SVR-<br />

Raten bei der Behandlung einer HCV-Genotyp 1-Infektion liegen bei 42-46%, die bei<br />

Behandlung einer HCV-Genotyp 2/3-Infektion bei 76-82%.<br />

Der aktuelle Behandlungsalgorithmus für die unterschiedlichen Genotypen ist<br />

nachfolgenden Diagrammen zu entnehmen.<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

199


Organspezifische Erkrankungen<br />

200<br />

Entsprechend neuer Studiendaten ist zu erwarten, dass die Therapiedauer bei allen HCV-<br />

Genotypen gemäß dem initialen Therapieansprechen weiter individualisiert werden wird.<br />

Nebenwirkungen einer Interferon Therapie lassen sich einteilen in frühe und späte<br />

Nebenwirkungen. Frühe Nebenwirkungen sind häufig, werden von den betroffenen


Patienten intensiv empfunden, sind aber in der Regel medizinisch nicht schwerwiegend.<br />

Späte Nebenwirkungen treten wesentlich seltener auf, werden von den Patienten<br />

gelegentlich weniger gravierend empfunden, sind aber medizinisch oft von großer<br />

Relevanz.<br />

Frühe Nebenwirkungen äußern sich in Form von Schüttelfrost, Fieber wenige Stunden<br />

nach der Interferon-Injektion, Kopfschmerzen, Myalgien und Arthralgien. Diese<br />

Beschwerden können am besten mit einem ausgeprägten Grippegefühl verglichen<br />

werden. Späte Nebenwirkungen stellen die Thrombo- und/oder Leukozytopenie, die<br />

Infektneigung, die depressive Verstimmung, Haarausfall und die Induktion von<br />

Autoimmunerkrankungen, inbesondere einer Thyreoiditis, dar.<br />

Ein gutes Nebenwirkungsmanagement ist ein unerlässlicher Baustein für eine erfolgreiche<br />

HCV-Therapie!<br />

Zusätzliche Nebenwirkungen durch Ribavirin bestehen in einer dosisabhängigen,<br />

reversiblen Hämolyse. Dabei treten gelegentlich Reduktionen des Hämoglobinwertes um<br />

2-4g/dl auf, weshalb insbesondere bei älteren Patienten mit evtl. vorbestehender<br />

Gefäßsklerose Vorsicht geboten ist.<br />

Eine weitere Nebenwirkung von Ribavirin stellt die mögliche Teratogenität dar. Deshalb<br />

sollte während und bis mindestens 6 Monate nach einer Ribavirin-Therapie ein sicherer<br />

Konzeptionsschutz eingehalten werden.<br />

Für die nächsten Jahre kann mit der Zulassung neuer anti-Hepatitis C-Substanzen<br />

gerechnet werden, die sich derzeit in klinischen Studien befinden. Hierzu gehören<br />

insbesondere Medikamente gegen die Replikationsenzyme des HC-Virus wie HCV-<br />

Helicase- oder HCV-Protease-Inhibitoren. Beispiele hierfür sind Boceprevir und<br />

Telaprevir. Aufgrund der bisherigen Daten ist davon auszugehen, dass diese Substanzen<br />

nicht als Monotherapie, sondern in Kombination mit PEG-Interferon und wahrscheinlich<br />

auch Ribavirin eingesetzt werden.<br />

Literatur:<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

● Cornberg M., Protzer U., Dollinger M. M., et al.: Prophylaxe, Diagnostik und<br />

Therapie der Hepatitis-B-Virus (HBV-) Infektion. 'Upgrade' der Leitlinie, AWMFregister-Nr.:<br />

021/011. Z Gastroenterol 2007; 45: 1-50<br />

● European Association for the Study of the Liver. EASL Clinical Guidelines:<br />

Management of chronic hepatitis B. J Hepatol. 2009;50:227-42.<br />

● Jaeckel E, Cornberg M, Wedemeyer H, Santantonio T, Mayer J, Zankel M,<br />

Pastore G, Dietrich M, Trautwein C, Manns MP; German Acute Hepatitis C<br />

Therapy Group:Treatment of acute hepatitis C with interferon alfa-2b; N Engl J<br />

Med. 2001 Nov 15;345(20):1452-7<br />

● Stribling R, Sussman N, Vierling J. m.. Treatment of hepatitis C infection.<br />

Gastroenterol Clin North Am 2006; 35: 463-486 Seite zuletzt geändert am<br />

17.04.2007 12:35:00<br />

201


Organspezifische Erkrankungen<br />

202<br />

Einleitung<br />

Hepatitis-<strong>HIV</strong>-Koinfektion<br />

(Hepatitis B-, Hepatitis C-Virus)<br />

Hartwig Klinker<br />

Aufgrund gleichartiger Übertragungswege stellen Virushepatitiden häufige<br />

Begleiterkrankungen bei <strong>HIV</strong>-Infizierten dar. Hierbei spielen vor allem chronische Verläufe<br />

der B-und/oder C-Hepatitis eine Rolle.<br />

Während in früheren Jahren bei Vorliegen einer Doppelinfektion mit <strong>HIV</strong> und<br />

Hepatitisviren der Schwerpunkt der diagnostischen und therapeutischen Bemühungen<br />

(mit Recht) nahezu ausschließlich bei der <strong>HIV</strong>-Erkrankung lag, kommt heute infolge der<br />

erheblich erweiterten Therapiemöglichkeiten der <strong>HIV</strong>-Infektion und der damit verbundenen<br />

Prognoseverbesserung (s. Kapitel Langzeit <strong>HIV</strong>-Patienten) begleitenden chronischen<br />

Virushepatitiden eine wachsende Bedeutung zu.<br />

Man kann davon ausgehen, dass in Deutschland ca. 6.000 <strong>HIV</strong>-Hepatitis C (HCV)-<br />

Infizierte und ca. 3.000 <strong>HIV</strong>-Hepatitis B (HBV)-Infizierte leben.<br />

Besonderheiten des Verlaufs<br />

Nach einer Hepatitis B-Infektion ist bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten das Risiko, eine<br />

chronische HBV-Infektion zu entwickeln, gegenüber nicht <strong>HIV</strong>-Infizierten drei- bis fünfmal<br />

höher.<br />

Der chronische Verlauf wiederum ist dadurch gekennzeichnet, dass in der Regel eine<br />

signifikant höhere Virämie besteht. Daneben wird bei <strong>HIV</strong>-Infizierten mit chronischer B<br />

Hepatitis vielfach eine niedrigere GPT-Aktivität gefunden. Dies erscheint plausibel, da bei<br />

der B Hepatitis zytotoxische T-Lymphozyten eine wichtige pathogenetische Rolle für die<br />

inflammatorische Krankheitsaktivität spielen.<br />

Die Chronifizierungsrate einer Hepatitis C-Infektion ist bei <strong>HIV</strong>-Infizierten in etwa<br />

genauso hoch wie bei nicht <strong>HIV</strong>-Infizierten.<br />

In vielen Untersuchungen der letzten Jahre konnte klar gezeigt werden, dass bei <strong>HIV</strong>-<br />

Infizierten die Leber-assoziierte Morbidität und Mortalität eine besondere Bedeutung hat<br />

und hierfür chronische HBV- oder HCV-Koinfektionen eine entscheidende Rolle spielen.<br />

So ist bei HCV-<strong>HIV</strong>-koinfizierten Patienten die Leberzirrhoseentwicklung nicht nur häufiger<br />

im Vergleich zu HCV-Mono-Infizierten, sondern erfolgt auch ca. 10-15 Jahre früher. Die<br />

Leber-bezogene Mortalität ist bei HBsAg-positiven <strong>HIV</strong>-Patienten etwa 8,5 mal höher als<br />

bei HBsAg-negativen Patienten.<br />

Die chronischen Virushepatitiden führen bei <strong>HIV</strong>-Infizierten nicht nur durch den<br />

eigentlichen Hepatitis-Verlauf zu hepatischen Komplikationen, sie stellen auch den<br />

wichtigsten Kofaktor für eine Hepatotoxizität einer Hochaktiven Antiretroviralen Therapie<br />

(HAART) dar.<br />

Der Diagnostik und ggf. Therapie chronischer Virushepatitiden kommt deshalb gerade bei


Patienten mit <strong>HIV</strong>-Infektion eine große Bedeutung zu.<br />

Allgemeine Empfehlungen bei Hepatitis B-oder C/<strong>HIV</strong>-Koinfektion<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

Es ist sinnvoll, dass bei <strong>HIV</strong>-Infizierten die Hepatitis-Diagnostik (s. Kapitel 'Hepatitis') im<br />

selben Umfang wie bei Nicht-<strong>HIV</strong>-Infizierten durchgeführt wird. Bei Vorliegen einer<br />

chronischen Virushepatitis B oder C sollte auf Alkoholkonsum weitestgehend verzichtet<br />

werden, da regelmäßiger Alkoholkonsum auch in geringen Mengen zu einer rascheren<br />

Progression der Lebererkrankung führt.<br />

Zur Verhinderung einer sexuellen Transmission von Hepatitis-B oder C-Viren sollte 'safer<br />

sex' praktiziert werden. Bei Seronegativität bezüglich HAV oder HBV ist eine<br />

entsprechende aktive Immunisierung vorzunehmen.<br />

Bei Hinweisen auf eine fortgeschrittene Lebererkrankung/Leberzirrhose sollten Screening-<br />

Untersuchungen zur Frage des Vorliegens eines hepatozellulären Karzinoms (HCC)<br />

mittels AFP-Bestimmung und Sonographie erfolgen, darüber hinaus eine Endoskopie des<br />

oberen Verdauungstraktes zur Frage einer Ösophagusvarikosis.<br />

Management der chronischen Hepatitis B-Koinfektion bei <strong>HIV</strong>-<br />

Infizierten<br />

Die Indikation zur Therapie und Auswahl des Therapieschemas orientiert sich an der<br />

Höhe der Hepatitis B-Viruslast (Signifikanz der HB-Viruslast ab 2.000 IU/ml), der<br />

hepatischen Entzündungsaktivität (GPT), der Schwere der Lebererkrankung (Zirrhose?,<br />

Leberfunktion?), der CD4-Zellzahl und der Notwendigkeit einer antiviralen Behandlung der<br />

<strong>HIV</strong>-Infektion.<br />

Bei Vorliegen einer HBV-/<strong>HIV</strong>-Doppelinfektion zeigte sich in den wenigen, jeweils mit<br />

geringer Patientenzahl durchgeführten Studien im Vergleich zu <strong>HIV</strong>-negativen Patienten<br />

eine deutlich verminderte Ansprechrate auf Interferon-alfa. Dies ist gut nachvollziehbar,<br />

finden sich doch bei einer HBV-/<strong>HIV</strong>-Infektion häufig ungünstige Voraussetzungen für ein<br />

Therapieansprechen von Interferon (hohe HBV-Viruslast, niedrige Entzündungsaktivität,<br />

Immunsuppression u. a.).<br />

Dennoch sollte bei gegebener Behandlungsindikation der Hepatitis B zunächst geprüft<br />

werden, ob im Einzelfall Befunde vorliegen, die eine Interferon-Therapie, die nach wie vor<br />

die einzige zeitlich begrenzte Behandlungsform mit einer geringen Chance auf eine<br />

Heilung der B-Hepatitis darstellt, sinnvoll erscheinen lassen. Dies ist der Fall bei gutem<br />

Immunstatus (CD4-Zellen > 350/µl), hoher GPT (> 2-facher oberer Normalwert), geringer<br />

HB-Viruslast (< ca. 200.000 IU/ml), HBeAg-Positivität, HBV-Genotyp A und Nicht-<br />

Vorliegen einer Leberzirrhose.<br />

Als pegyliertes Interferon zugelassen zur HBV-Therapie bei <strong>HIV</strong>-Koinfektion ist PEG-<br />

Interferon-alfa 2a.<br />

Alle Patienten - und das ist die weit überwiegende Mehrzahl -, für die aufgrund der o. g.<br />

Kriterien eine Interferon-Therapie keine sinnvolle Behandlungsoption darstellt, sollten mit<br />

Nukleos(t)idanaloga behandelt werden.<br />

Zugelassen zur Therapie der chronischen Hepatitis B sind Adefovir, Entecavir, Lamivudin,<br />

Telbivudin und Tenofovir. Zu wesentlichen Charakteristika wie virologische Potenz und<br />

Resistenzrate der Substanzen sei auf das Kapitel 'Hepatitis' verwiesen. In Bezug auf die<br />

203


Organspezifische Erkrankungen<br />

204<br />

Nukleos(t)idanaloga-Therapie der Hepatitis B bei <strong>HIV</strong>-Koinfizierten ist von großer<br />

Bedeutung, ob die Medikamente ausschließlich HBV- oder HBV-und <strong>HIV</strong>-wirksam sind.<br />

Als ausschließlich HBV-wirksam gelten Adefovir und Telbivudin. Tenofovir und Lamivudin<br />

und auch Entecavir sind HBV-und <strong>HIV</strong>-wirksam.<br />

Somit ergeben sich für Patienten mit HBV-<strong>HIV</strong>-Koinfektion, bei denen keine Indikation für<br />

eine HAART besteht, die Behandlungsoptionen PEG-IFN-alfa 2a (nur bei Nicht-Vorliegen<br />

einer Leberzirrhose), Telbivudin, Telbivudin/Adefovir de novo-Kombination oder ein<br />

frühzeitger HAART-Beginn unter Einschluss von Tenofovir in Kombination mit Lamivudin<br />

oder Emtricitabin, welches als <strong>HIV</strong>-NRTI auch eine gute HBV-Wirksamkeit besitzt.<br />

Vieles spricht dafür, bei Hepatitis-Koinfektion eine HAART frühzeitig zu beginnen.<br />

Die Therapieziele sind identisch mit den Zielen der Therapie bei HBV-Monoinfektion.<br />

Den aktuellen Behandlungsalgorithmus der Hepatitis B bei HBV-<strong>HIV</strong>-Koinfektion zeigen<br />

die folgenden Abbildungen:<br />

nach: EACS-Guidelines 2008 (Rockstroh et al)


nach: EACS-Guidelines 2008 (Rockstroh et al.)<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

Management der chronischen Hepatitis C-Koinfektion bei <strong>HIV</strong>-<br />

Infizierten<br />

Besonders in der Situation einer HCV-/<strong>HIV</strong>-Doppelinfektion mit dem erhöhten Risiko einer<br />

raschen Fibroseentwicklung (s. o.) ist zu berücksichtigen, dass mit der Therapie mit PEG-<br />

Interferon-alfa in Kombination mit Ribavirin eine Behandlung zur Verfügung steht, mit<br />

der in einer begrenzten Therapiezeit bei einem erheblichen Anteil der Patienten eine<br />

klinische Heilung der Hepatitis C erzielt werden kann.<br />

In den neueren, druchweg randomisierten und kontrollierten Studien zum Einsatz von<br />

PEG-Interferon-alfa in Kombination mit Ribavirin bei HCV-<strong>HIV</strong>-Koinfektion konnten SVR-<br />

Raten von 35-40% beim HCV-GT 1 und 65-75% beim HCV-GT 2/3 erzielt werden.<br />

Zugelassen sind PEG-IFN-alfa 2a und PEG-IFN-alfa 2b.<br />

Neben den bei der HCV-Monoinfektion bekannten günstigen Voraussetzungen für ein<br />

Therapieansprechen (s. Kapitel 'Hepatitis') gilt bei der HCV-<strong>HIV</strong>-Koinfektion eine noch gut<br />

kompensierte Immunitätslage (CD4-Zellen > ca. 350/µl) als wichtige Bedingung für eine<br />

erfolgreiche Therapie. Liegen die CD4-Zellen deutlich darunter, sollte zunächst eine<br />

HAART eingeleitet und die HCV-Therapie erst nach einem entsprechenden CD4-Zell-<br />

Anstieg begonnen werden.<br />

Die Ribavirin-Dosierung sollte bei allen HCV-Genotypen 1.000 mg/d ( Körpergewicht < 75<br />

kg) bis 1.200 mg/d ( Körpergewicht > 75 kg) betragen.<br />

Bei gleichzeitiger Interferon/Ribavirin-Therapie und HAART ist Didanosin kontraindiziert,<br />

auf Azidothymidin und Stauvudin sollte ebenfalls verzichtet werden. Zu Abacavir liegen<br />

noch keine ausreichende Daten vor, wobei Hinweise für ein vermindertes Ansprechen der<br />

205


Organspezifische Erkrankungen<br />

206<br />

HCV-Therapie bei Abacavir-haltiger HAART bestehen.<br />

Der aktuelle Vorschlag zum Therapiealgorithmus bei HCV-<strong>HIV</strong>-Koinfektion ist dem<br />

nachfolgenden Schema zu entnehmen.<br />

Literatur:<br />

● Rockstroh, J. K. et al.. European AIDS Clinical Society (EACS) guidelines fort<br />

he clinical management and treatment of chronic hepatitis B and C coinfection<br />

in <strong>HIV</strong>-infected adults. <strong>HIV</strong> Medicine 2008; 9: 82-88<br />

● Sulkowski M. S.. Viral hepatitis and <strong>HIV</strong> coinfection. J Hepatol 2008; 48: 353-<br />

367


HNO-Manifestationen<br />

Wilfried Pfitzer<br />

Bei fortgeschrittener <strong>HIV</strong>-Infektion sollte routinemäßig eine Vorstellung beim HNO-Arzt mit<br />

Erfahrung bei <strong>HIV</strong>-Patienten erfolgen. Die Indikation zur antibiotischen Therapie und<br />

eventuellen operativen Eingriffen ist frühzeitig zu stellen. Eine normale Infektionsprophylaxe ist<br />

für den HNO-Arzt ausreichend.<br />

Äußeres Ohr / Gehörgang<br />

Erkrankung / Erreger Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />

Erysipel<br />

(ß-hämolysierende<br />

Streptokokken)<br />

Gehörgangentzündung<br />

(Staph. aureus,<br />

Streptokokken,<br />

Pseudomonas, Pilze)<br />

Kaposi Sarkom<br />

Mittelohr<br />

Erkrankung /<br />

Erreger<br />

Otitis media (Strept.<br />

Pneumoniae,<br />

Hämophylus<br />

Staphylokokken)<br />

Rötung, Schwellung,<br />

Schmerz, Fieber<br />

Tragusdruckschmerz<br />

ggf. Ohrfluß,<br />

Juckreiz, Schmerz,<br />

Hörminderung<br />

kleine rote bis livide<br />

rote, später knotige<br />

Hautverfärbungen<br />

besonders hinter<br />

den Ohren<br />

Klinik Penicillin weitere<br />

Hautinfekte z.<br />

B. Finger,<br />

Hände<br />

Klinik,<br />

Ohrmikroskopie,<br />

Abstrich<br />

fachärztliche<br />

Gehörgangreinigung,<br />

lokale ggf. orale<br />

Antibiose<br />

(Ciprofloxacin)<br />

Klinik. Histologie beim Hämato-<br />

Onkologen<br />

keine<br />

Manipulation<br />

bei rez.<br />

Infekten evtl.<br />

Ekzem<br />

Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />

Schmerz,<br />

Hörminderung,<br />

evtl. Ohrfluß<br />

Mastoiditis retroaurikulär<br />

Schmerz<br />

Paukenerguß Hörminderung<br />

Druckgefühl<br />

Innenohr<br />

Erkrankung /<br />

Erreger<br />

Klinik,<br />

Ohrmikroskopie,<br />

Audiogramm,<br />

Tympanogramm<br />

Nasentropfen,<br />

Aminopenicilline,<br />

Cephalosporine,<br />

Chinolone<br />

in Kombination<br />

Rhinitis/Sinusitis<br />

frühe Therapie<br />

Klinik Röntgen/ CT Antibiose Operation "verschleppte"<br />

Otitis media<br />

Klinik,<br />

Ohrmikroskopie,<br />

Audiogramm,<br />

Tympanogramm<br />

Nasentropfen,<br />

Schleimlöser,<br />

Antiphlogistika, evtl.<br />

Parazentese/<br />

Paukendrainage<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

Kontrolle des<br />

Nasenrachens/<br />

Tubenwülste auf<br />

Tumor, Lymphom<br />

Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />

207


Organspezifische Erkrankungen<br />

208<br />

Hörsturz Hörminderung<br />

ein- oder<br />

beidseitig, evtl.<br />

mit Tinnitus<br />

oder Schwindel<br />

Hörstörungen<br />

Cryptococcus<br />

Syphilis<br />

Ohrmikroskopie,<br />

Audiogramm,<br />

Tympanogramm,<br />

Stapediusreflexe,<br />

Hirnstammaudiometrie<br />

(BERA)<br />

Hörminderung Tonaudiogramm,<br />

Hirnstammaudiometrie<br />

(BERA), Serum, Liquor,<br />

Urin<br />

Schwindel Schwindel Vestibularisprüfung,<br />

ENG (Elektronystagmographie)<br />

Nasen- und Nasennebenhöhlen<br />

Erkrankung /<br />

Erreger<br />

Rhinitis,<br />

Sinusitis acuta<br />

(Staph. aureus,<br />

Hämophilus,<br />

Strept.<br />

Pneumoniae,<br />

Pilze<br />

Chron. Sinusitis<br />

allergische<br />

Rhinitis<br />

Nasenfurunkel<br />

(Staph. aureus)<br />

Lymphome<br />

durchblutungsfördernde<br />

Maßnahmen, evtl.<br />

Steroide, Osmotherapie<br />

in Abhängigkeit vom<br />

Audiogramm<br />

s. Hörsturz, bei<br />

Vestibularisausfall:<br />

antiinflammatorisch,<br />

rheologisch<br />

bereits in<br />

Frühphase, noch<br />

vor Serumkonv.<br />

in allen Stadien<br />

Neurotropismus,<br />

besonders<br />

Cryptococcus<br />

neoformans<br />

Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />

eitriger Nasenfluß, behinderte<br />

Nasenatmung, Kopf- und<br />

Wangenschmerz<br />

Klinik (wechselndes<br />

Druckgefühl über den<br />

Nebenhöhlen, Atmung- und<br />

Richbehinderung, Skretfluß<br />

zum Rachen)<br />

behinderte Nasenatmung,<br />

Niesreiz, Nasenfluß,<br />

Konjunktivitis<br />

schmerzhaft am<br />

Naseneingang/Nasenspitze,<br />

teils eitrige Schwellung außen<br />

Nasenatmungsbehinderung<br />

Nasenfluß<br />

Wangendruck<br />

Oberkieferschmerz<br />

Klinik,<br />

Endoskopie,<br />

Röntgen/ CT,<br />

Sono,<br />

Abstrich<br />

Endoskopie,<br />

Rö/CT<br />

Klinik,<br />

Pricktest,<br />

RAST<br />

Klinik,<br />

Endoskopie<br />

Endoskopie<br />

Röntgen/CT<br />

NMR<br />

Nasentropfen,<br />

Antibiose:<br />

Aminopenicilline,<br />

Cephalosprine,<br />

Chinolone,<br />

Antiphlogistika,<br />

Spülungen<br />

topische Steroide,<br />

Operation<br />

symptomatisch:<br />

abschwellende<br />

Tropfen,<br />

Antihistaminika<br />

(lokal,<br />

systematisch),<br />

Kortikoide lokal<br />

lokal antibiotisch z.<br />

B. Fucidine R,<br />

Turixin R, ggf.<br />

systemisch<br />

Operation<br />

Chemotherapie<br />

Bestrahlung<br />

häufige<br />

Rezidive,<br />

inadäquate<br />

Beschwerden,<br />

Focus,<br />

Prophylaxe<br />

durch<br />

Nasenpflege<br />

mittels<br />

Nasendusche<br />

evtl. auch an<br />

Pilzbesiedlung<br />

denken<br />

bereits in<br />

Frühphase,<br />

noch vor<br />

Serumkonv. in<br />

allen Stadien<br />

keine<br />

Manipulation!<br />

(lymphatischer<br />

Abfluß zum<br />

Gehirn)


Mundhöhle<br />

Erkrankung /<br />

Erreger<br />

Candida-Mykose s. dermatologischer<br />

Abschnitt<br />

Gingivitis schmerzhafte Rötung,<br />

Schwellung und<br />

ulzerierende<br />

Zahnfleischveränderung,<br />

Foetor ex ore<br />

Haarleukoplakie<br />

(EBV-Virus)<br />

Zytomegalie-<br />

Ulzerationen<br />

haarähnliche vertikale<br />

weißliche Leisten,<br />

besonders am freien<br />

Zungenrand, nicht<br />

abstreifbar<br />

Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />

große ausgestanzte<br />

Ulzerationen, nicht induriert<br />

und ohne entzündliche<br />

Begrenzung, große<br />

Schmerzhaftigkeit, gesamte<br />

Lippen / Oropharynx<br />

Kaposi-Sarkom lividrote, nicht schmerzhafte<br />

knotig umschriebene<br />

Indurationen bevorzugt am<br />

harten Gaumen und<br />

Zahnfleisch<br />

Pharynx/Larynx<br />

Erkrankung /<br />

Erreger<br />

Tonsillitis,<br />

hämolysierende<br />

Streptokokken<br />

Herpangina<br />

(Coxsackie A)<br />

Epiglottitis<br />

(Hämophilus)<br />

Adenoide<br />

(Rachenmandel)<br />

Klinik,<br />

Nativpräparat,<br />

Kultur<br />

Antimykotisch<br />

Kultur, Klinik Antibiotisch Mund- und<br />

Zahnhygiene<br />

Klinik, Histologie antiretrovirale<br />

Therapie<br />

Klinik Ganciclovir<br />

Klinik, Histologie beim Hämato-<br />

Onkologen<br />

Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />

Schluckschmerz, Fieber Klinik, Abstrich,<br />

Schnelltest<br />

kleine rötliche Bläschen<br />

an Gaumenbögen, Uvula,<br />

Tonsillen<br />

Schluckschmerz, kloßige<br />

Sprache<br />

behinderte Nasenatmung,<br />

Tubenbelüftungsstörung<br />

Penicillin,<br />

Makrolide, bei<br />

Rezidiven:<br />

Tonsillektomie<br />

Klinik symptomatisch,<br />

lokal<br />

Klinik,<br />

Spiegelbefund<br />

Endoskopie,<br />

CT, NMR<br />

Augmentan,<br />

stationäre<br />

Behandlung,<br />

antiphlogistisch<br />

PE bzw.<br />

Operation<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

häufige Mitreaktion<br />

der lokalen<br />

Halslymphknoten,<br />

auch im freien<br />

Intervall, häufige<br />

Rezidive, Focus<br />

keine Manipulation<br />

PE zur<br />

Differntialdiagnose<br />

Lymphom<br />

209


Organspezifische Erkrankungen<br />

210<br />

Pharyngitis/<br />

Laryngitis (Viren)<br />

Speicheldrüsen<br />

Erkrankung /<br />

Erreger<br />

Sialadenitis,<br />

Sialose<br />

Non-Hodgkin-<br />

Lymphom<br />

Schluckschmerz,<br />

Heiserkeit<br />

Klinik,<br />

Endoskopie<br />

symptomatisch<br />

lokal, da meist<br />

viral<br />

Endoskopie bei<br />

Heiserkeit >2<br />

Wochen zum<br />

Ausschluß<br />

Neoplasie<br />

Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />

Schwellungen der<br />

Drüsen, nicht<br />

zwingend dolent,<br />

reduzierter<br />

Speichelfluß,<br />

Mundtrockenheit<br />

Schwellungen bes.<br />

der Gl. parotis<br />

Klinik,<br />

Histologie,<br />

Sono<br />

Histologie,<br />

NMR<br />

Anregung des<br />

Speichelflusses,<br />

Antiphlogistika,<br />

Antibiose mit<br />

Cephalosporinen der<br />

1.+ 2. Generation,<br />

Clindamycin<br />

beim Hämato-<br />

Onkologen<br />

evt. Speichelsteine<br />

(Schwellung abhängig<br />

von der<br />

Nahrungsaufnahme)


Zahnärztliche Krankheitsbilder<br />

Gernot Eigel<br />

Aufgrund des frühzeitigen Auftretens intraoraler Manifestationen bei <strong>HIV</strong>-Positiven ist auch der<br />

Zahnarzt bei Diagnose und Therapie gefordert. Die häufigste <strong>HIV</strong>-assoziierte Erkrankung<br />

überhaupt ist die orale Candidainfektion. Eine regelmäßige Kontrolle ist wegen der zahl- und<br />

artenreichen Keimbesiedlungder Mundhöhle in maximal halbjährlichem Abstand zu empfehlen.<br />

Die Recallintervalle sind abhängig von der Mundhygiene zu wählen.<br />

Beim Auftreten von Symptomen ist rechtzeitig und vor allem ausreichend antibiotisch zu<br />

therapieren!<br />

Diagnose und Therapie der oralen Haarleukoplakie, Candida, des Herpes simplex, Sicca-<br />

Syndroms und des Kaposi-Sarkoms sind in den Kapiteln Dermatologische Krankheitsbilder und<br />

HNO-Manifestationen beschrieben.<br />

Die Angst vieler Zahnärzte vor einer Infektion während einer Behandlung ist<br />

unbegründet und eine normale Infektionsprophylaxe völlig ausreichend. Kein Patient ist<br />

einem erhöhten Risiko ausgesetzt, wenn die geltenden Hygienerichtlinien beachtet<br />

werden.<br />

Erkrankung Klinik Diagnose Therapie Prophylaxe<br />

Gingivitis<br />

simplex<br />

Linear gingiva<br />

erythema (auch<br />

"red-bandgingivitis")<br />

Umschriebene<br />

Schleimhautentzündung<br />

meist von einem oder<br />

mehreren Zänhnen<br />

ausgehend<br />

2-3mm breiter, meist an<br />

allen Zahnhälsen<br />

folgender Streifen stark<br />

geröteter Gingiva<br />

Stomatitis Entzündung der<br />

beweglichen<br />

Schleimhaut mit allen -<br />

itis-Zeichen, bei<br />

ulzerösen Formen<br />

Foetor ex ore, starke<br />

Schmerzen<br />

Akute<br />

Parodontitis<br />

Marginale subgingivale<br />

Entzündung des<br />

Saumepithels, erhöhte<br />

Beweglichkeit eines<br />

oder mehrerer Zähne,<br />

radiologisch verbreiteter<br />

Parodontalspalt oder<br />

vertikale<br />

Knocheneinbrüche<br />

Klinik bei<br />

pyogener<br />

Gingivitis,<br />

Kultur<br />

Klinik<br />

Klinik,<br />

Kultur<br />

Klinik,<br />

Radiologie<br />

Curettage,<br />

Wiederherstellung<br />

einer suffizienten<br />

Mundhygiene<br />

aggresive Therapie<br />

mit Antibiotika:<br />

Clindamycin,<br />

Amoxicillin oder<br />

Metronidazol<br />

s.o., 3%ige<br />

Wasserstoffperoxidlösung,<br />

Gentiana-Violett,<br />

Chlorhexidlösung, bei<br />

Desquamation<br />

Abtragung der Beläge,<br />

Analgetika<br />

Curettage, evtl.<br />

weitergehende syst.<br />

Parodontalbehandlung<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

Mundhygieneinstruktion<br />

mit regelmäßigem<br />

Recall<br />

s.o.<br />

regelmäßige Kontrolle<br />

der Mundhygiene,<br />

Recall in 3-monatigen<br />

Abständen<br />

211


Organspezifische Erkrankungen<br />

212<br />

Akute<br />

nekrotisierende<br />

ulzerierende<br />

Gingivitis<br />

(ANUG)<br />

Ulzeration und<br />

Nekrosen von den<br />

Interdentalpapillen<br />

ausgehend, bis zur<br />

Destruktion<br />

parodontalen Gewebes.<br />

Häufig<br />

Allgemeinsymptome<br />

wie z.B. Fieber und<br />

reduzierter<br />

Allgemeinzustand<br />

Klinik,<br />

Kultur<br />

Breitbandantibiotikum,<br />

sonst wie Stomatitis,<br />

nur flüssige oder<br />

weiche Kost,<br />

Analgetika<br />

Verbesserung der<br />

Mundhygiene<br />

Das im Rahmen eines Immunrekostitutionssyndroms (IRIS) auftretende Kaposi-Sarkom ist<br />

zwar selten (6-7% aller KS-Patienten), bildet sich aber häufig intraoral, so dass auch hier eine<br />

sorgfältige zahnärztliche Kontrolle vor allem in den ersten Monaten einer antiretroviralen<br />

Therapie sinnvoll ist.


"Zerebrale Erkrankungen"<br />

Das Kapitel "Zerebrale Erkrankungen" konnte aus drucktechnischen Gründen leider nicht<br />

ins Buchformat gebracht werden. Gerne können Sie sich zu diesem Thema aber unter<br />

http://www.hivleitfaden.de/cms/index.asp?inst=hivleitfaden&snr=2276<br />

eingehend informieren.<br />

"<strong>HIV</strong>-Infektion bei Kindern"<br />

Das Kapitel "<strong>HIV</strong>-Infektion bei Kindern" konnte aus drucktechnischen Gründen leider nicht<br />

ins Buchformat gebracht werden. Gerne können Sie sich zu diesem Thema aber unter<br />

http://www.hivleitfaden.de/cms/index.asp?inst=hivleitfaden&snr=2278<br />

eingehend informieren.<br />

Organspezifische Erkrankungen<br />

213


Ernährung bei <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

214<br />

Die Ernährung bei <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

Jörg Bechtold<br />

Prinzipiell gibt es für asymptomatische <strong>HIV</strong>-positive Menschen keine andere Empfehlung<br />

zur Ernährung als für <strong>HIV</strong>-negative.<br />

Die Ernährung bei einer <strong>HIV</strong>-Infektion orientiert sich, wie bei anderen Erkrankungen auch,<br />

an der individuellen Situation des Betroffenen (z.B. hohe Viruslast, akute Infektion,<br />

anhaltender Durchfall, Stoffwechselveränderungen, Appetitverlust). Entsprechend den<br />

Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ergibt sich daher ein<br />

unterschiedlicher Bedarf an Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralien, sekundäre<br />

Pflanzenstoffe) und Makronährstoffen (Eiweiß, Kohlenhydrate, Fett).<br />

Bei erhöhter Viruslast oder einer akuten Infektion besteht ein erhöhter oxidativer<br />

Stress, so dass vermehrt antioxidative Substanzen dem Körper zugeführt werden<br />

müssen. Die Kampagne '5 am Tag' der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)<br />

zeigt hier auf einfache Weise das richtige Vorgehen:<br />

2 Portionen Obst und 3 Portionen Gemüse oder Salat am Tag bieten genügend<br />

Antioxidantien. Eine Portion kann auch aus einem Glas Obst- oder Gemüsesaft<br />

bestehen. Dieser natürliche Weg ist allemal besser als 'Mega-Dosen' von Vitaminen in<br />

Kapselform einzunehmen, deren Wirkung umstritten ist. Sie sind oft überteuert und der<br />

geschmackliche Genuss fehlt gänzlich.<br />

Eine erhöhte Viruslast erfordert außerdem eine erhöhte Eiweißzufuhr. Statt Eiweißpulver<br />

sollten auch hier natürliche Eiweißquellen bevorzugt werden:<br />

Mageres Fleisch (z.B. 3x/Woche), Fisch (2x/Woche), täglich Milch und Milchprodukte<br />

(Yoghurt, Quark, Käse), Eier (2x/Woche). Außerdem Hülsenfrüchte und Soja<br />

(insbesondere für Lacto-ovo-Vegetarier). Auch Omega-3-Fettsäuren haben eine positive<br />

Wirkung auf das Immunsystem. Reichlich enthalten sind sie in Fischen wie Lachs, Hering,<br />

Makrele, Thunfisch sowie in Raps- und Olivenöl.<br />

Beim Verzehr von rohen Lebensmitteln bzw. rohen Zutaten muss dringend auf<br />

mögliche Infektionen (z.B. Toxoplasmose und Durchfallerreger wie Salmonellen etc.)<br />

geachtet werden.<br />

Zu meiden sind: Tartar, Carpaccio, Sushi, Rohmilchkäse, Dessert mit rohen Eiern wie<br />

Tiramisu und Mousse au chocolat.<br />

Fleisch, Fisch und Geflügel sollten durchgegart gegessen werden, Eier nur durchgekocht.<br />

Außerdem empfiehlt sich dringend das gründliche Händewaschen nach dem Verarbeiten<br />

von o.g. Lebensmitteln in der Küche.<br />

Als Begleitwirkung der HAART kann das so genannte Lipodystrophie-Syndrom<br />

auftreten. Dies kann auch zu Stoffwechselveränderungen wie erhöhten Blutfetten<br />

(Triglyceride und Cholesterin), Blutzuckerwerten und erhöhter Harnsäure führen.<br />

Die Auswirkung dieser erhöhten Blutwerte auf die Gesundheit lassen sich bislang nicht


eindeutig beurteilen. Aus anderen Bereichen der Medizin weiß man allerdings, dass durch<br />

erhöhte Cholesterinwerte das Risiko für Gefäßerkrankungen wie Herzinfarkt und<br />

Schlaganfall deutlich ansteigt, insbesondere bei gleichzeitigem Nikotinkonsum,<br />

Bluthochdruck, Übergewicht und Bewegungsmangel.<br />

Deshalb sollte grundsätzlich der Konsum an tierischem Fett reduziert werden. Es<br />

sollten magere Wurst- und Fleischsorten bevorzugt werden (besser magerer Schinken als<br />

Streichwürste oder Salami mit viel verstecktem Fett). Außerdem sind fettarme<br />

Milchprodukte und vorzugsweise pflanzliche Fette und Öle (Rapsöl, Olivenöl)<br />

empfehlenswert. Besonders cholesterinreich sind Krabben und Geflügelhaut.<br />

Als sehr vorteilhaft haben sich ballaststoffreiche Lebensmittel wie Vollkornprodukte,<br />

Müsli, Gemüse, Kartoffeln und Obst erwiesen. Süßigkeiten sowie Alkohol sollten nur in<br />

geringen Mengen genossen werden.<br />

Nicht zu vernachlässigen ist die günstige Wirkung von regelmäßiger Bewegung und<br />

Ausdauersport (wie z.B. Rad fahren, Joggen, Walken, Schwimmen) auf den gesamten<br />

Stoffwechsel.<br />

Durch die HAART ist das so genannte Wasting-Syndrom (ungewollter hoher<br />

Gewichtsverlust) zur Seltenheit geworden. Hier muss auf eine eiweißreiche und<br />

hochkalorische Nahrung geachtet werden. Wichtige wären hier komplexe Kohlenhydrate<br />

wie Kartoffeln, Nudeln und Reis, sowie viel hochwertiges Eiweiß (s.o.). Auch<br />

energiereiche Getränke (wie Obstsäfte, Milchshakes oder sogenannte Astronautenkost)<br />

sind sinnvoll.<br />

Bestehen Begleiterkrankungen (z.B. der Leber, der Bauchspeicheldrüse oder der Nieren)<br />

muss u. U. die Ernährung entsprechend angepasst werden, dies sollte aber nur nach<br />

Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder einer qualifizierten<br />

Ernährungsberatungsfachkraft erfolgen.<br />

Internet-Adressen zum Thema:<br />

Ernährung bei <strong>HIV</strong>-Infektion<br />

● www.5amtag.de<br />

● www.was-wir-essen.de<br />

● www.vdoe.de<br />

● www.mangelernaehrung-online.de (hier gibt es downloads in mehreren<br />

Sprachen bzgl. HAART und Ernährung)<br />

215


216<br />

Informationen zu <strong>HIV</strong> & AIDS<br />

(in Zusammenarbeit mit der Hautklinik der Universität Heidelberg<br />

und PD Dr. med. Martin Hartmann)<br />

Adresse/Link Beschreibung<br />

17. amerikanische<br />

Kongress über<br />

Retroviren und<br />

opportunistische<br />

Infektionen (CROI)<br />

in San Francisco<br />

CCO<strong>HIV</strong><br />

AIDSinfo<br />

<strong>HIV</strong>.NET<br />

MEDSCAPE<br />

<strong>HIV</strong> AND<br />

HEPATITIS<br />

Offizielle Seite des<br />

Retroviruskongresses mit<br />

virologischen<br />

Schwerpunkt, inkl. Dias,<br />

Audios, Videos und<br />

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Therapieübersichten,<br />

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allen Themen rund um<br />

<strong>HIV</strong>. Empfehlenswert!<br />

Die Seite der<br />

amerikanischen<br />

Gesundheitsbehörde<br />

bietet die offiziellen<br />

Richtlinien,<br />

Fachinformationen zu<br />

den Medikamenten und<br />

Übersicht der Klinischen<br />

Studien<br />

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ist inzwischen auf die<br />

Seite: www.hivbuch.de<br />

gewechselt<br />

Nach der kostenfreien<br />

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der Schwerpunkte<br />

können zahlreiche<br />

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Kongressberichte und<br />

Interviews nicht nur zu<br />

<strong>HIV</strong>/AIDS abgerufen<br />

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Aktuelle Informationen<br />

und Kongressberichte zu<br />

den Themen <strong>HIV</strong>/AIDS<br />

und Hepatitis B/C<br />

inhaltlicher<br />

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Kongreß 05.01.2010 10<br />

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05.01.2010 7<br />

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Deutsche AIDS-<br />

Gesellschaft<br />

UCSF<br />

STD-Guidelines<br />

(US)<br />

ROBERT-KOCH-<br />

INSTITUT<br />

UNAIDS<br />

Seite der Deutschen<br />

AIDS Gesellschaft<br />

(DAIG) mit den<br />

deutschen <strong>HIV</strong>-<br />

Therapierichtlinien<br />

Startseite der UCSF<br />

Medical School aus San<br />

Francisco mit News,<br />

zalhreichen<br />

Informationen und dem<br />

laufend aktualisierten<br />

Online Buch "<strong>HIV</strong> InSite<br />

Knowledge Base"<br />

Die amerikanischen<br />

Richtlinien (2006) zur<br />

Therapie der sexuell<br />

übertragenen<br />

Erkrankungen (STD, STI)<br />

zum Download<br />

Seite des Robert-Koch-<br />

Instituts mit<br />

epidemiologischen Daten<br />

zu <strong>HIV</strong>/AIDS in<br />

Deutschland und den<br />

Therapierichtlinien<br />

(auswählen:<br />

Infektionskrankheiten,<br />

dann <strong>HIV</strong>/AIDS)<br />

Epidemiologische Daten<br />

weltweit mit jährlicher<br />

Aktualisierung und Links<br />

zu den weltweiten<br />

Aktivitäten<br />

wird aktualisiert....<br />

Therapie<br />

Aktuelles<br />

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Epidemiologie<br />

Richtlinien<br />

Epidemiologie<br />

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Deutschsprachige Bücher:<br />

Literaturliste<br />

● Ahrens J, Bieniek B, Merkenich KU. Aktiv gegen das Virus. Infomed Berliner<br />

AIDS Hilfe 2006<br />

● Arendt G, Neurologische Komplikationen bei Menschen mit <strong>HIV</strong> und AIDS.<br />

Deutsche AIDS Hilfe 2009<br />

● Dressler S, <strong>HIV</strong>/AIDS Taschenlexikon. Berlin 2008<br />

● Exner-Freisfeld H, Soziale Absicherung bei <strong>HIV</strong> und AIDS. VAS 2004<br />

● Herkommer H. Kompaß <strong>HIV</strong> und AIDS, Ein Handbuch für Betroffene und<br />

Berater. Bremm Verlag 2000<br />

● Hösl J, Soziale und rechtliche Aspekte bei <strong>HIV</strong>. 2007<br />

● Hoffmann C; Rockstroh J, Kamps B (Hrsg.), <strong>HIV</strong>.NET 2009. Steinhäuser Verlag<br />

2009 (www.hivbuch.de)<br />

● Hoffmann C (Hrsg.), Neue Wirkprinzipien in der <strong>HIV</strong>-Therapie. Uni-Med 2008<br />

● Husstedt I W, <strong>HIV</strong> und Aids. Fachspezifische Diagnostik und Therapie.<br />

Springer Verlag 2002<br />

● Jäger H (Hrsg.), Entry Inhibitoren: Neue Formen der <strong>HIV</strong>-Therapie. Springer<br />

2008<br />

● Jessen H, Jäger H (Hrsg.), Primary <strong>HIV</strong> Infection. Thieme 2005<br />

● Jäger H; Mauss, S (Hrsg.), AIDS-Lipodystrophie. Thieme Verlag 2001<br />

● Rockstroh J, Spengler U, Opportunistische Infektionen und Tumore im<br />

Verlauf der <strong>HIV</strong>-Infektion. UNI-MED Verlag 2003<br />

● Rockstroh J, Mauss S, Jäger H (Hrsg.), Koinfektion Hepatitis und <strong>HIV</strong>.<br />

Thieme 2010<br />

● Salzberger B, Fätkenheuer G, Aktuelle <strong>HIV</strong>-Therapie. Uni-Med 2004<br />

● Wintergerst U, <strong>HIV</strong>-Infektion im Kindes- und Jugendalter. Uni-Med 2002<br />

Deutschsprachige Periodika<br />

<strong>HIV</strong>-Report<br />

Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (Hrsg.)<br />

Dieffenbachstraße 33<br />

Tel.: 030/690087-0 - Fax: 030/690087-42<br />

http://www.aidshilfe.de<br />

Projekt Information (3-4 mal jährlich)<br />

Projekt Kurzinfo (6-8 mal jährlich)<br />

Projekt Information e.V. (Hrsg.)<br />

Buttermelcherstraße 15<br />

80469 München<br />

Tel.: 089/21949620 - Fax: 089/21949620<br />

http://www.projektinfo.de


<strong>HIV</strong> & more<br />

Berg-Isel-Str. 14a<br />

81547 München<br />

E-Mail: redaktion@hivandmore.de Web: www.hivandmore.de<br />

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Mit freundlicher Unterstützung von<br />

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