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<strong>HIV</strong> und AIDS<br />
Ein <strong>Leitfaden</strong> für Ärzte,<br />
Apotheker, Helfer und Betroffene<br />
Dr. Martin Hartmann<br />
Universitätshautklinik Heidelberg<br />
Mit freundlicher Unterstützung von<br />
ABCD
<strong>HIV</strong> und AIDS<br />
Ein <strong>Leitfaden</strong> für Ärzte, Apotheker, Helfer und Betroffene<br />
Textfassung der Onlineversion des <strong>HIV</strong>-<strong>Leitfaden</strong>s (www.hivleitfaden.de) herausgegeben<br />
vom <strong>HIV</strong>-Arbeitskreis Südwest, Karlsruhe.<br />
Stand 17.05.2010
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort .. 5<br />
Autorenverzeichnis .. 6<br />
1. Grundlagen .. 8<br />
1.1 ...Epidemiologie .. 8<br />
1.2 ...Das Virus .. 8<br />
1.3 ...Infektionsverlauf .. 17<br />
2. Diagnostik .. 21<br />
2.1 ...Laboruntersuchungen.. 21<br />
3. Vom Symptom zur Diagnose .. 27<br />
3.1 ...Fieber und/oder Gewichtsverlust .. 28<br />
3.2 ...Pulmonaler Symptomenkomplex .. 30<br />
3.3 ...Gastrointestinaler Symptomenkomplex .. 31<br />
3.4 ...Neurologisch- psychiatrischer Symptomenkomplex .. 33<br />
3.5 ...Ophtalmologischer Symptomenkomplex .. 34<br />
4. Vorgehen bei diagnostizierter <strong>HIV</strong>-Infektion .. 35<br />
5. Therapie .. 37<br />
5.1 ...Antiretrovirale Therapie .. 37<br />
5.2 ...Spezifische Nebenwirkungen.. 92<br />
5.3 ...Resistenz und Tropismus .. 99<br />
5.4 ...Antiretrovirale Therapie bei <strong>HIV</strong>-infizierten Drogenkonsumenten .. 111<br />
5.5 ...Besonderheiten bei Migrationshintergrund .. 125<br />
5.6 ...Komplementäre Therapieformen bei <strong>HIV</strong> .. 128<br />
5.7 ...Immunglobuline bei <strong>HIV</strong> .. 131<br />
5.8 ...Schmerztherapie bei <strong>HIV</strong> .. 133<br />
5.9 ...Psychotherapie bei <strong>HIV</strong>-Patienten .. 134<br />
6. <strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder .. 136<br />
6.1 ...Orale Haarleukoplakie .. 137<br />
6.2 ...Candida-Infektionen .. 138<br />
6.3 ...Herpes simplex-Infektionen .. 140<br />
6.4 ...Varizella zoster-Infektionen .. 141<br />
6.5 ...CMV-Infektionen .. 142<br />
6.6 ...Pneumocystis jirovecii-Pneumonie (PjP) .. 144<br />
6.7 ...Zerebrale Toxoplasmose .. 146<br />
6.8 ...Tuberkulose .. 148<br />
6.9 ...Atypische Mykobakteriose .. 150
6.10 ...Kryptosporidiose .. 151<br />
6.11 ...Aspergillose .. 152<br />
6.12 ...Kryptokokkose .. 153<br />
6.13 ...Wasting-Syndrom .. 154<br />
6.14 ...<strong>HIV</strong>-Enzephalopathie (AIDS-Demenz-Komplex) .. 155<br />
6.15 ...Syphilis .. 156<br />
7. <strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien .. 159<br />
7.1 ...Epidemiologie .. 160<br />
7.2 ...Kaposi-Sarkom (KS) .. 164<br />
7.3 ...Lymphome .. 174<br />
7.4 ...Andere Malignome .. 184<br />
8. Organspezifische Erkrankungen .. 187<br />
8.1 ...Dermatologische Krankheitsbilder .. 188<br />
8.2 ...Hepatitis .. 193<br />
8.3 ...HNO-Manifestationen .. 207<br />
8.4 ...Zahnärztliche Krankheitsbilder .. 211<br />
8.5 ...Neurologische Manifestationen .. 213<br />
9. Ernährung bei <strong>HIV</strong>-Infektion .. 214<br />
Adressen und Webadressen .. 216<br />
Literaturliste .. 218
Vorwort<br />
Mitte 1990 gründeten wir den <strong>HIV</strong>-Arbeitskreis Südwest, um den Erfahrungsaustausch<br />
aller mit der <strong>HIV</strong>-Thematik betrauten Personen unserer Region zu verbessern. Unser Ziel<br />
war es daher, eine übersichtliche, individuell strukturierbare und einfach zu<br />
aktualisierende Arbeitshilfe für Ärzte, Helfer und Betroffene zu erstellen. Seit fast 20<br />
Jahren besteht der <strong>HIV</strong>-<strong>Leitfaden</strong> im Internet, seit 2004 werden die Inhalte von den<br />
Autoren selbst per Content-Management-System (www.CMSconnect.de) gepflegt und<br />
dabei von Iconmed bzw. Michael Hägele und Christian Leopold unterstützt. Einmal pro<br />
Jahr findet eine Redaktionssitzung statt, in der nochmals alle Beiträge auf Vollständigkeit<br />
und Aktualität überprüft und ggf. ausgetauscht werden.<br />
Anregungen und Verbesserungen von Ihrer Seite sind deswegen herzlich willkommen.<br />
Jeder Benutzer kann zudem seine Ergänzungen per E-Mail an die Herausgeber schicken<br />
(Dr. Martin Hartmann: Martin_Hartmann@krzmail.krz.uni-heidelberg.de).<br />
Erstmalig wird 2010 eine kitteltaschengerechte hard-copy des <strong>Leitfaden</strong>s hergestellt, um<br />
im täglichen Alltag auch off-line alle <strong>HIV</strong>-relevanten Informationen bei sich zu haben.<br />
Insofern stellt der <strong>Leitfaden</strong> die ideale Ergänzung zum <strong>HIV</strong>-Buch (ehemals hiv.net) dar.<br />
Dank gilt allen, die an der Entstehung dieses Kompendiums mitgearbeitet haben.<br />
Ein besonderer Dank gilt der Firma Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co KG, die<br />
die Onlineversion unterstützt und die Printversion erst möglich macht.<br />
Martin Hartmann<br />
Sprecher des Redaktionskomitees<br />
5
6<br />
Autorenverzeichnis (alphabetisch)<br />
● Dr. med. Jörg Bechtold<br />
Facharzt für Innere Medizin, Ernährungsmediziner DAEM/DGEM<br />
Nowackanlage 15-17<br />
76137 Karlsruhe<br />
● Dr. med. Heiko Billing<br />
Universitätsklinikum Kinderklinik<br />
Im Neuenheimer Feld 430<br />
69120 Heidelbergl<br />
● Dr. phil. nat. Jürgen Brust<br />
Mannheimer Onkologie Praxis<br />
Q5, 14-22<br />
68161 Mannheim<br />
● Dr. med. Bernd Buchholz<br />
<strong>HIV</strong>-Ambulanz der Universitätskinderklinik am Klinikum Mannheim<br />
Theodor-Kutzer-Ufer<br />
68167 Mannheim<br />
● Dr. med. dent. Gernot Eigel<br />
Neuer Markt 9<br />
76275 Ettlingen<br />
● Dr. med. Stefan Esser<br />
Universitätsklinikum Essen<br />
Klinik für Dermatologie und Venerologie<br />
Hufelandstr. 55<br />
45122 Essen<br />
● Dr. Joachim Goldbach<br />
Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG<br />
Abteilung Medizinische Wissenschaft<br />
55216 Ingelheim am Rhein<br />
● Dr. med. Jörg Gölz<br />
Praxiszentrum Kaiserdamm<br />
Kaiserdamm 24<br />
14057 Berlin<br />
● PD Dr. med. Martin Hartmann<br />
Universitätsklinikum Hautklinik<br />
Voßstr. 2<br />
69115 Heidelberg<br />
● Prof. Dr. med. Manfred Hensel<br />
Mannheimer Onkologie Praxis<br />
Q5, 14-22<br />
68161 Mannheim<br />
● Prof. Dr. med. Hartwig Klinker<br />
Universitätsklinikum, Medizinische Klinik und Poliklinik II<br />
Schwerpunkt Infektiologie und Hepatologie<br />
Oberdürrbacherstr. 6<br />
97080 Würzburg
● Dr. med. Heribert Knechten<br />
Blondelst. 9<br />
52064 Aachen<br />
● Petra Losse-Brust<br />
H1, 6-7<br />
68159 Mannheim<br />
● Dr. med. Franz Mosthaf<br />
Gemeinschaftspraxis für Hämatologie, Onkologie und Infektiologie<br />
Kriegsstr. 236<br />
76135 Karlsruhe<br />
● Hannelore Mosthaf<br />
Fachapothekerin für Offizinpharmazie<br />
Schillerstr. 53<br />
76135 Karlsruhe<br />
● Markus Müller<br />
Schwabstr. 26<br />
70197 Stuttgart<br />
● Dr. med. Wilfried Pfitzer<br />
Facharzt für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde<br />
Georg-Friedrich-Str. 24<br />
67131 Karlsruhe<br />
● Dr. med. Maria Procaccianti<br />
Gemeinschaftspraxis für Hämatologie, Onkologie und Infektiologie<br />
Kriegsstr. 236<br />
76135 Karlsruhe<br />
● Dr. med. Katja Römer<br />
Gemeinschaftspraxis Gotenring<br />
Gotenring 27<br />
50679 Köln<br />
● Prof. Dr. P. Schnitzler<br />
Universitätsklinikum<br />
Inst. für Virologie<br />
INF 324<br />
69120 Heidelberg<br />
● Dr. med. Dieter Schuster<br />
Mannheimer Onkologie Praxis<br />
Q5, 14-22<br />
68161 Mannheim<br />
● Dr. med. Susanne Usadel<br />
<strong>HIV</strong>-Schwerpunktpraxis<br />
Medizinische Klinik<br />
Hugstetter Str. 55<br />
79106 Freiburg<br />
● Prof. Dr. med. Brigitte Wildemann<br />
Neurologische Klinik<br />
INF 410<br />
69120 Heidelberg<br />
7
Grundlagen<br />
8<br />
Aktuelle Zahlen Epidemiologie<br />
Die aktuellsten Zahlen für Deutschland bekommen Sie beim<br />
● Robert-Koch-Institut<br />
(www.rki.de)<br />
Die aktuellsten internationalen Zahlen finden Sie bei<br />
● UNAIDS-<strong>HIV</strong> DATA<br />
(www.unaids.org/en/KnowledgeCentre/<strong>HIV</strong>Data/default.asp)<br />
● oder bei der WHO<br />
(www.who.int/hiv/en)<br />
Das Virus - Aufbau<br />
Das HI-Virus gehört zur Gruppe der Retroviren. Es trägt seine genetische Information auf<br />
der RNA und benötigt somit zur Vermehrung in der menschlichen Wirtszelle ein Enzym,<br />
die reverse Transkriptase (RT), das diese Information in proteincodierende DNA<br />
umschreibt.<br />
Den Großteil des Virusgenoms bilden drei Strukturgene: gag, pol und env. Diese werden<br />
ergänzt durch diverse Regulatorgene (tat, ref, nef, vif, vpu, vpr), die für die Kontrolle der<br />
Virusreplikation wichtig sind.<br />
Die terminalen Enden des Genoms bilden LTR-Sequenzen, die Start und Ende der<br />
Transkription steuern. Die viralen Gene codieren für die Virusproteine, Protease,<br />
Integrase, Reverse Transkriptase (pol), die Capsid-, Matrix- und Nukleocapsidproteine<br />
(gag), sowie die <strong>HIV</strong>-Hüllproteine gp120 (Glycoprotein) und gp41 (env). gp120 ermöglicht<br />
die Ankoppelung des Virus an die CD4-Moleküle der menschlichen Zielzellen.
Grundlagen<br />
Schematische Darstellung des <strong>HIV</strong>-Virus: Auf der linken Seite sind die am Aufbau<br />
des Viruspartikels beteiligten Moleküle und auf der rechten Seite die daraus<br />
resultierenden Viruskomponenten aufgeführt<br />
9
Grundlagen<br />
10<br />
Virusgenom
Das Virus - Vermehrung<br />
Replikationszyklus und Angriffspunkte der verfügbaren Medikamente<br />
Stufen der <strong>HIV</strong>-Replikation (Vermehrung) Wirkmechanismen der antiretroviralen<br />
Medikamente<br />
1 Zielzellen vom HI-Virus sind vornehmlich<br />
die CD4-Zellen. Die CD4-Zellen tragen auf<br />
ihrer Zelloberfläche ein Protein, das zum<br />
Hüllprotein des HI-Virus gp 120 paßt.<br />
Weitere Korezeptoren wie CXCR4, auch<br />
Fusin genannt, und CCR5 sind an der<br />
Einschleusung des Virus an die Zielzelle<br />
beteiligt.<br />
2 Das Virus "dockt" an und verliert seine<br />
Hülle. Die virale genetische Information<br />
wird mit Hilfe der Reversen-Transkriptase in<br />
DNA umgeschrieben und in das<br />
Wirtsgenom integriert. Für die Integration<br />
wird ein viruseigenes Protein, die Integrase<br />
verwendet.<br />
<strong>HIV</strong> ist ein Retrovirus, d. h., seine<br />
genetischen Informationen sind auf einer<br />
Einzelstrang-RNA statt auf einer<br />
Doppelstrang-DNA wie beim Menschen<br />
gespeichert. Das Virus muss seine<br />
genetische Information also umschreiben.<br />
Dafür bringt es ein Enzym (Werkzeug) mit,<br />
die Reverse-Transkriptase.<br />
Grundlagen<br />
Eintritts-/Entry-Inhibitoren<br />
Korezeptor-Antagonist: Korezeptor-Antagonisten<br />
verhindern die Interaktion zwischen den<br />
Oberflächenrezeptoren der Zelle und dem viralen<br />
Hüllprotein, indem sie die Rezeptorenstellen<br />
blockieren oder verändern. Das Virus kann so nicht<br />
in die Wirtszelle eindringen.<br />
Fusions-Inhibitoren: Fusions-Inhibitoren arbeiten<br />
ebenfalls außerhalb der Zelle. Sie hindern <strong>HIV</strong><br />
daran, in eine CD4-Zelle einzudringen, indem sie<br />
eine Verschmelzung der äußeren Membran des<br />
Virus mit der Zellmembran blockieren.<br />
Nukleosid-/Nukleotidanaloga (NRTI): Die erste<br />
effektive Klasse von antiretroviralen Medikamenten<br />
waren die Nukleosidanaloga. Beim Umschreiben<br />
der RNA in DNA werden sie als falsche Bausteine<br />
eingesetzt. Dies führt zum Abbruch der<br />
Erbinformationskette und damit wird wiederum die<br />
<strong>HIV</strong>-Replikation verhindert. Nukleotide arbeiten in<br />
einer ähnlichen Weise wie Nukleoside, besitzen<br />
aber eine unterschiedliche chemische Struktur.<br />
Nicht-nukleosidale Reverse-Transkriptase-<br />
Inhibitoren (NNRTI): Nicht-nukleosidale Reverse-<br />
Transkriptase-Inhibitoren binden an die Reverse-<br />
Transkriptase und hemmen das Enzym. So kann<br />
die Umschreibung von RNA in DNA nicht<br />
stattfinden. Ein wichtiges Werkzeug fehlt. Diese<br />
Medikamente werden nicht-nukleosidale Inhibitoren<br />
genannt, weil sie am gleichen Ort, aber in einer<br />
grundlegend anderen Art wirken als die<br />
sogenannten Nukleosidanaloga.<br />
11
Grundlagen<br />
12<br />
3 Die <strong>HIV</strong>-DNA dringt in den Nukleus<br />
(Zellkern) der CD4-Zelle ein. Die <strong>HIV</strong>-DNA<br />
leitet dann die Zelle an, viele Kopien des<br />
Virus zu machen.<br />
4 Der Zellstoffwechsel wird aktiviert und<br />
produziert Virusbestandteile. Am Ende der<br />
Virusreplikation steht die<br />
Zusammensetzung der neuen Viren aus<br />
den einzelnen viralen Proteinen. Das HI-<br />
Virus bringt wieder ein Enzym(Werkzeug)<br />
mit: die Protease. Mit Hilfe dieser Protease<br />
werden die Viruspartikel zusammengesetzt<br />
und als neue HI-Viren durch die<br />
Zellmembran geschleust.<br />
Integrase-Inhibitoren: Hier wird die vom Virus<br />
mitgebrachte Integrase, ein weiteres Enzym<br />
(Werkzeug), blockiert. Damit kann die <strong>HIV</strong>-DNA<br />
nicht in die DNA des Zellkerns integriert werden.<br />
Protease-Inhibitoren: Protease-Inhibitoren<br />
arbeiten am Ende des Replikationszyklus. Sie<br />
binden an die Protease und verhindern so, dass<br />
neue, infektiöse Viruspartikel zusammengesetzt<br />
werden und die CD4-Zelle verlassen können.
Das Virus - Zielzellen für <strong>HIV</strong><br />
Grundlagen<br />
sind die CD4-Rezeptor tragenden Zellen des Menschen: T-Zellen und Zellen des<br />
Monozyten-Makrophagen-Systems (Langerhans’sche-Zellen der Epidermis, follikuläre<br />
dendritische Zellen, antigenpräsentierende Zellen, Gehirnmikroglia, sowie CD4-Zellen des<br />
Darms).<br />
<strong>HIV</strong>-Zielzellen (Die Therapie der <strong>HIV</strong>-Infektion 1993. Hrsg. H.W. Busch / L. Gürtler)<br />
13
Grundlagen<br />
14<br />
Das Virus - Übertragung<br />
<strong>HIV</strong> ist außerhalb von Körperflüssigkeiten sehr instabil.<br />
<strong>HIV</strong> kann übertragen werden durch:<br />
● ungeschützten Geschlechtsverkehr<br />
● gemeinsamen Gebrauch von kontaminierten Nadeln und Spritzen<br />
● Nadelstichverletzungen, offene Hautwunden und Schleimhautkontakte (siehe<br />
Kapitel Postexpositionsprophylaxe)<br />
● Schwangerschaft, Geburt und Stillen<br />
● Gabe von Blut oder Blutprodukte<br />
● Transplantation infizierter Organe<br />
<strong>HIV</strong> wird nicht übertragen durch:<br />
● Toilettensitze, Schwimmbecken, Wasserhähne, Duschen<br />
● Berühren und Umarmen von <strong>HIV</strong>-Infizierten<br />
● Küssen<br />
● Geschirr, Bettwäsche oder sonstige von <strong>HIV</strong>-Infizierten benutzte Gegenstände<br />
● Nahrungsmittel, die von <strong>HIV</strong>-Infizierten zubereitet wurden<br />
● Tröpfcheninfektion<br />
● Mücken oder andere Insekten<br />
● nichtsexuellen Sozial- und Körperkontakt<br />
● Schmierinfektion (fäkal-oral)
Das Virus - <strong>HIV</strong>-Subtypen<br />
Aufgrund umfangreicher Sequenzanalysen von <strong>HIV</strong>-1 wurden die Subtypen A bis J (<strong>HIV</strong>-1<br />
Gruppe M) und das entfernt verwandte <strong>HIV</strong>-O (<strong>HIV</strong>-1 Gruppe O) nachgewiesen. Die<br />
Hauptsubtypen sind 1A, 1B, 1C und 1D. Die Subtypen 1E, 1G und 1H sind eng mit <strong>HIV</strong>-<br />
1A verwandt. Auch <strong>HIV</strong>-1A und 1C sowie 1B und 1D zeigen untereinander Homologien,<br />
so daß eine gemeinsame Abstammung des <strong>HIV</strong> angenommen wird. <strong>HIV</strong>-O ist<br />
heterogener in den einzelnen Virusisolaten als <strong>HIV</strong>-1. Eine Einteilung in Subtypen läßt<br />
sich nicht vornehmen.<br />
Die derzeitige Einteilung der Subtypen wird in naher Zukunft revidiert. <strong>HIV</strong>-2 kann in die<br />
Subtypen A bis E unterteilt werden. Es hat eine mildere Pathogenität als <strong>HIV</strong>-1 und hat<br />
sich deshalb langsamer verbreitet.<br />
Die genetische Variabilität führt zu Änderungen der externen Hüllproteine. Der Einfluß auf<br />
den Zelltropismus, sowie die Frage, in wie weit das mit unterschiedlichen<br />
Transmissionswahrscheinlichkeiten einher geht, ist nicht ausreichend geklärt. Auch<br />
hinsichtlich der Entwicklung von Vakzinen ist noch kein allen Subtypen gemeinsamer<br />
Angriffspunkt gefunden worden. Doppelinfektionen mit verschiedenen Subtypen (z.B. B<br />
und E) wurden beobachtet.<br />
Sämtliche <strong>HIV</strong>-1-, <strong>HIV</strong>-2- und <strong>HIV</strong>-0-Subtypen werden durch die gängigen Routine-<br />
Testmethoden erfaßt.<br />
Subtyp Ausbreitung<br />
<strong>HIV</strong>-1 (GruppeM)<br />
A<br />
B<br />
C<br />
D<br />
E<br />
F<br />
G<br />
H<br />
I<br />
<strong>HIV</strong>-1 (Gruppe O)<br />
Zentral- und Ost-Afrika,<br />
selten Nordamerika, Europa<br />
Zentral-Afrika, Nordamerika, Südamerika, hauptsächlich Europa, Indien, Indochina<br />
Zentral- und Süd-Afrika, Europa, Indien,<br />
Indochina<br />
Zentral-Afrika, Europa<br />
Zentral-, Ost- und Süd-Afrika, Europa,<br />
Indien, Indochina<br />
Zentral-Afrika, Südamerika, Europa<br />
Zentral- und West-Afrika, Europa<br />
Zentral-Afrika, Europa<br />
Nahost<br />
Grundlagen<br />
15
Grundlagen<br />
16<br />
O<br />
<strong>HIV</strong>-2<br />
A<br />
B<br />
C, D, E<br />
West-Afrika (Kamerun)<br />
vereinzelt Europa, USA<br />
Weltweit<br />
West-Afrika, Europa, Indien<br />
West-Afrika<br />
Subtyp Ausbreitung
Klinischer Verlauf<br />
(ohne medikamentöse Therapie)<br />
Grundlagen<br />
Beispielhafter Verlauf häufig auftretender Erkrankungen in Abhängigkeit vom<br />
Immunstatus. Komplette klinische Krankheitsbilder siehe Kapitel CDC Klassifikation<br />
17
Grundlagen<br />
18<br />
Laborverlauf<br />
(ohne medikamentöse Therapie)<br />
Mögliche Laborverlaufskurve der <strong>HIV</strong>-Infektion. Eine kontinuierliche <strong>HIV</strong>-Replikation<br />
findet in allen Phasen der Infektion statt.
Die Laborkategorien 1 bis 3:<br />
1: ab 500/µl CD4-Lymphozyten<br />
2: 200-499/µl CD4-Lymphozyten<br />
3: < 200/µl CD4-Lymphozyten<br />
CDC-Klassifikation (1993)<br />
Die klinischen Kategorien A bis C:<br />
Kategorie A<br />
● Asymptomatische <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
● persistierende generalisierte Lymphadenopathie (LAS)<br />
● akute, symptomatische (primäre) <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
(auch in der Anamnese)<br />
Kategorie B<br />
● Krankheitssymptome oder Erkrankungen, die nicht in die AIDS-definierende<br />
Kategorie C fallen, dennoch aber der <strong>HIV</strong>-Infektion ursächlich zuzuordnen sind<br />
oder auf eine Störung der zellulären Immunabwehr hinweisen<br />
● Bazilläre Angiomatose<br />
● Oropharyngeale Candida-Infektion<br />
● Vulvovaginale Candida-Infektionen, die entweder chronisch (länger als ein<br />
Monat) oder nur schlecht therapierbar sind<br />
● Zervikale Dysplasien oder Carcinoma in situ<br />
● Konstitutionelle Symptome wie Fieber über 38,5ø C oder länger als vier<br />
Wochen bestehende Diarrhöe<br />
● Orale Haarleukoplakie<br />
● Herpes Zoster bei Befall mehrerer Dermatome oder nach Rezidiven in einem<br />
Dermatom<br />
● Idiopathische Thrombozytopenische Purpura<br />
● Listeriose<br />
● Entzündungen des kleinen Beckens, besonders bei Komplikationen eines<br />
Tuben- oder Ovarialabszesses<br />
● Periphere Neuropathie<br />
Kategorie C (AIDS-definierende Erkrankungen)<br />
● Pneumocystis jirovecii-Pneumonie<br />
● Toxoplasma-Enzephalitis<br />
Grundlagen<br />
● Ösophageale Candida-Infektion oder Befall von Bronchien, Trachea oder Lunge<br />
● Chronische Herpes simplex-Ulcera oder Herpes-Bronchitis,<br />
-Pneumonie oder -Ösophagitis<br />
● CMV-Retinitis<br />
19
Grundlagen<br />
20<br />
● generalisierte CMV-Infektion (nicht von Leber oder Milz)<br />
● Rezidivierende Salmonellen-Septikämien<br />
● Rezidivierende Pneumonien innerhalb eines Jahres<br />
● Extrapulmonale Kryptokokken-Infektionen<br />
● Chronische intestinale Kryptosporidien-Infektion<br />
● Chronische intestinale Infektion mit Isospora belli<br />
● Disseminierte oder extrapulmonale Histoplasmose<br />
● Tuberkulose<br />
● Infektionen mit Mykobakterium avium complex oder M. kansasii, disseminiert<br />
oder extrapulmonal<br />
● Kaposi-Sarkom<br />
● Maligne Lymphome (Burkitt´s, immunoblastisches oder primär zerebrales<br />
Lymphom)<br />
● Invasives Zervix-Karzinom<br />
● <strong>HIV</strong>-Enzephalopathie<br />
● Progressiv multifokale Leukenzephalopathie<br />
● Wasting-Syndrom<br />
Laborkategorie<br />
(CD4-Lymphozyten)<br />
Klinische Kategorie:<br />
A B C<br />
1: (ab 500/µl) Stadium I Stadium I Stadium III<br />
2: (200 - 499/µl) Stadium I Stadium II Stadium III<br />
3: (< 200/µl) Stadium II Stadium II Stadium III<br />
Anmerkung:<br />
Aus sozial- bzw. versicherungsrechtlichen Gründen gilt in den USA jede Helferzellzahl<br />
unter 200/µl unabhängig von der klinischen Kategorie C als AIDS-definierend.
Laboruntersuchungen<br />
Jürgen Brust, Dieter Schuster<br />
Das Monitoring einer <strong>HIV</strong> Erkrankung erfordert die routinemäßige Kontrolle zahlreicher<br />
Laborparameter.<br />
Bei dem individuell unterschiedlichen Verlauf der Erkrankung kann es keine absolut<br />
gültigen Schemata geben, die jede Situation vollständig erfassen.<br />
Selbstverständlich können je nach klinischer Situation Untersuchungen weggelassen oder<br />
um eine entsprechende, weiterführende Diagnostik erweitert werden.<br />
Erstuntersuchung<br />
Bei der Erstuntersuchung müssen der Immunstatus und die Dynamik der <strong>HIV</strong> Infektion<br />
erfasst werden, sowie die Ausgangslage in Bezug auf bereits vorbestehende Resistenzen<br />
und Wirtsfaktoren (z.B. HLA B57). Dazu kommen weitere Untersuchungen zur Diagnostik<br />
von Begleiterkrankungen, weiteren Virusinfektion, sexuell übertragbaren Krankheiten (z.B.<br />
Syphilis), Prognoseparameter und Mangelzuständen.<br />
Tabelle Erstuntersuchung<br />
Parameter:<br />
Blutsenkung / CRP X<br />
Differentialblutbild X<br />
Urinstatus X<br />
alkalische Phosphatase, GPT, GOT, Gamma-GT X<br />
Laktatdehydrogenase, Elektrolyte, Lipide, Glukose, HbA1c X<br />
Kreatinin X<br />
Harnsäure, Harnstoff (X)<br />
Cholinesterase (X)<br />
Amylase (X)<br />
Lipase X<br />
Eiweißelektrophorese, IgG, IgA, IgM X<br />
Ferritin, Eisen, Zink (X)<br />
Vitamin B12, Folsäure (X)<br />
Diagnostik<br />
21
Diagnostik<br />
22<br />
Lymphozytensubpopulation X<br />
<strong>HIV</strong>-RNA quantitativ X<br />
<strong>HIV</strong>-Westernblot X<br />
AK-Hepatitis A, B, C<br />
ggf. HCV-RNA, HBV-DNA<br />
Syphilis-Serologie X<br />
Cytomegalie-, Epstein-Barr-, Herpes-simplex-Virus<br />
ggf. CMV-Antigen<br />
Varicella-Zoster-Virus X<br />
Toxoplasma IgG/IgM X<br />
HLA B57 X<br />
Resistenzbestimmung siehe Kapitel Resistenz und Tropismus<br />
( ) fakultativ<br />
Verlaufskontrolle und Untersuchungsfrequenz:<br />
Bei asymptomatischen Patienten ohne ART sollten der Immunstatus und die Viruslast in<br />
der Regel quartalsweise kontrolliert werden.<br />
Die übrigen Laborkontrollen richten sich nach klinischem Befinden, Begleiterkrankungen<br />
und den Ergebnissen der letzten Kontrolle.<br />
Entscheidend für die Häufigkeit und den Umfang der Kontrollen sind jedoch der Verlauf<br />
der Erkrankung und die Art und die Dauer der antiretroviralen Therapie.<br />
Ebenso können unter antiretroviraler Therapie Kontrollen des Routinelabors auf Grund<br />
der medikamentösen Nebenwirkungen und Toxizitäten häufiger indiziert sein.<br />
X<br />
X
Viruslastbestimmung<br />
Paul Schnitzler<br />
Bestimmung der Virusbelastung <strong>HIV</strong>-1-infizierter Patienten<br />
Seit bekannt ist, daß während der langen asymptomatischen Phase <strong>HIV</strong>-1-infizierter<br />
Patienten eine ständige, dynamische Virus-Replikation stattfindet, gilt die Anzahl der <strong>HIV</strong>-<br />
1-RNA-Kopien im Plasma der Patienten (Virusbelastung, "Viral load") als ein<br />
prognostischer Marker der <strong>HIV</strong>-1-Krankheit. In klinischen Studien konnte nachgewiesen<br />
werden, daß eine hohe Virusbelastung (> 100.000 <strong>HIV</strong>-1-RNA-Kopien/ml) sowie eine<br />
niedrige CD4-T-Zellzahl mit einer schnelleren Krankheitsprogression assoziiert ist. Daher<br />
kann die Virusbelastung <strong>HIV</strong>-1-infizierter Patienten zusammen mit der CD4- und CD8-T-<br />
Zellzahl, dem <strong>HIV</strong>-1-p24-Antigen-Gehalt und dem klinischen Krankheitsbild zur Bewertung<br />
der Krankheitsprogression oder einer antiretroviralen Chemotherapie eingesetzt werden.<br />
Von einem Therapieansprechen kann ausgegangen werden, wenn die Virusbelastung 8-<br />
12 Wochen nach Therapiestart um ein 5 bis 10-faches (0.7-1 log-Stufe) gesunken ist. Ziel<br />
der antiretroviralen Therapie ist die vollständige Senkung der Virusbelastung und die<br />
Wiederherstellung eines intakten Immunstatus der Patienten (Ansteigen der CD4-T-<br />
Zellzahl). Zum Nachweis der <strong>HIV</strong>-1-RNA-Kopien-Anzahl im Plasma <strong>HIV</strong>-1-infizierter<br />
Patienten sind verschiedene Methoden, die auf dem Prinzip der Nukleinsäure-<br />
Amplifikation (1., 2.) oder Signal-Amplifikation (3.) beruhen, anwendbar und als<br />
kommerzielle Testsysteme erhältlich (siehe auch Tabelle 1):<br />
1. Quantitative kompetitive Reverse-Transkriptase Polymerase-Kettenreaktion<br />
(<strong>HIV</strong>-1-MonitorTM; Hoffmann La Roche, Grenzach Whylen)<br />
2. Isotherme quantitative RNA-Amplifikation (NucliSense NASBA®-Methode,<br />
Organon Teknika Rockville,USA)<br />
3. "Branched"-DNA-Methode (QUANTIPLEX® <strong>HIV</strong>-1-RNA-Assay, Chiron).<br />
Diese Methoden erlauben eine direkte Bestimmung der <strong>HIV</strong>-1-RNA-Kopienzahl im<br />
Plasma der Patienten und besitzen den Vorteil, daß ein Virusnachweis noch vor<br />
Serokonversion (<strong>HIV</strong>-1 Antikörperbildung) des Patienten möglich ist. Mit Hilfe dieser<br />
Testsysteme wird eine Nachweisgrenze von 20-500 <strong>HIV</strong>-1-RNA-Kopien/ml Plasma<br />
erreicht (siehe Tabelle 1). Ein Bestreben ist es, Testverfahren zu entwickeln, mit deren<br />
Hilfe noch weniger <strong>HIV</strong>-1-RNA-Kopien im Blut der Patienten nachweisbar sind. Die<br />
Bestimmung der Virusbelastung wird bei unbehandelten <strong>HIV</strong>-1-Patienten alle 6-12<br />
Monate, bei antiretroviral behandelten <strong>HIV</strong>-1-Patienten alle 3-6 Monate empfohlen. Das<br />
Ergebnis sollte möglichst durch eine zweite Bestimmung bestätigt werden, um eventuelle<br />
technische Variationen zu vermeiden.<br />
Zusammenfassung:<br />
Diagnostik<br />
● Die Virusbelastung im Plasma <strong>HIV</strong>-1-infizierter Patienten kann als zuverlässiger<br />
Marker zur Bewertung der Krankheitsprogression und antiretroviralen Therapie<br />
eingesetzt werden. Die Bewertung sollte jedoch stets in Zusammenhang mit der<br />
CD4-T-Lymphozytenzahl und klinischen Symptomen der Patienten erfolgen.<br />
● Ein Unterdrücken der Virusbelastung unter die Nachweisgrenze zeigt einen<br />
Therapie-Erfolg an, gibt jedoch nicht an, ob das Virus vollkommen aus dem<br />
23
Diagnostik<br />
24<br />
Körper entfernt wurde.<br />
● In klinischen Patienten-Studien konnte nachgewiesen werden: je niedriger die<br />
Virusbelastung der <strong>HIV</strong>-1-Patienten zu Beginn einer Therapie ist, desto länger<br />
ist die Zeitspanne des Therapieansprechens.<br />
● Wird die Virusbelastung nicht unter die Nachweisgrenze gedrückt, können sich<br />
resistente Virusmutanten bevorzugt bilden.
Vergleich der Reduktion in log-Stufen im Vergleich zur prozentualen Reduktion vom<br />
Ausgangswert<br />
Tabelle 1: Testsysteme zum Nachweis von <strong>HIV</strong>-1-RNA-Kopien im Plasma <strong>HIV</strong>-infizierter<br />
Patienten<br />
Diagnostik<br />
25
Diagnostik<br />
26<br />
QC-PR Ultra-Sensitiv NASBA bDNA<br />
RNA-Quelle Plasma aus EDTA-Blut Plasma Plasma aus EDTA-Blut<br />
Probenvolumen 200 µl 500 µl 100-2000 µl 1000 µl a<br />
Sensitivität 200 <strong>HIV</strong>-1-<br />
RNA-Kopien/ml<br />
Linearer<br />
Meßbereich<br />
200 - 7.5 x 10 5<br />
<strong>HIV</strong>-1-RNA-<br />
Kopien/ml<br />
50 <strong>HIV</strong>-1-<br />
RNA-Kopien/ml<br />
20 - 3 x 10 4<br />
<strong>HIV</strong>-1-RNA-<br />
Kopien/ml<br />
40 <strong>HIV</strong>-1-<br />
RNA-Kopien/mlb<br />
40 - 1 x 10 7<br />
<strong>HIV</strong>-1-RNA-<br />
Kopien/ml b<br />
50 <strong>HIV</strong>-1-<br />
RNA-Kopien/ml<br />
50 - 5-8 x 10 5<br />
<strong>HIV</strong>-1-RNA-<br />
Kopien/ml<br />
a im Doppelansatz<br />
b bei einem Probenvolumen von 2000 µl, bei kleineren Probenvolumen vermindert sich<br />
die Sensitivität<br />
Bestimmung des Geno- und Phänotyps der HI-Virusisolate <strong>HIV</strong>-1-infizierter<br />
Patienten<br />
Eine hohe Virusbelastung und damit fortschreitende Virusreplikation unter antiretroviraler<br />
Therapie stellt einen kritischen Faktor dar, da die Entwicklung resistenter Virusmutanten<br />
gefördert wird. Durch die Bestimmung der Virusbelastung können resistente<br />
Virusmutanten sowie Zell-Tropismus oder Zytopathogenität des Virus jedoch nicht<br />
nachgewiesen werden.<br />
Die Langzeitbehandlung von <strong>HIV</strong>-1-Patienten mit antiretroviral wirksamen<br />
Chemotherapeutika kann zur Bildung von Punktmutationen im viralen Reverse-<br />
Transkriptase- oder Protease-Gen und zu Aminosäuresubstitutionen in den Proteinen<br />
führen. Dadurch kann sich die Empfindlichkeit gegenüber den Substanzen vermindern<br />
und die therapeutische Wirksamkeit der Medikamente versagt. Diese genotypischen<br />
Muster der HI-Virusisolate, die zur Resistenzbildung beitragen, können durch<br />
Sequenzierung des Reverse Transkriptase- oder Protease-Gens der <strong>HIV</strong>-1-RNA-<br />
Patienten-Isolate erkannt werden.<br />
Eine phänotypische Resistenzbestimmung ist notwendig, um die Beziehung zwischen<br />
dem Genotyp des <strong>HIV</strong>-1-Patienten-Isolates und des daraus resultierenden Phänotyps des<br />
Virus herzustellen. Die phänotypische Resistenzbestimmung kann mit Hilfe eines in<br />
vitroAssays (Protease-RT-AntivirogrammTM; VIRCO, Antwerpen, Belgien) nachgewiesen<br />
werden. Dazu wird ein genetisches Konstrukt des HI-Virus Typ-1, dem die Reverse-<br />
Transkriptase- und Protease-kodierende Sequenz fehlt, angewendet. Der fehlende<br />
Bereich wird aus den im Blut der Patienten zirkulierenden <strong>HIV</strong>-1-Virus-Populationen<br />
isoliert, amplifiziert und in das Konstrukt eingesetzt. Auf einer Trägerzellinie kann in vitro<br />
die Empfindlichkeit des Virus-Konstruktes gegenüber allen zur Zeit klinisch anwendbaren<br />
Reverse-Transkriptase- sowie Protease-Inhibitoren untersucht werden.
Überblick:<br />
Beachte:<br />
Vom Symptom zur Diagnose<br />
● Fieber und/oder Gewichtsverlust<br />
● Pulmonaler Symptomenkomplex<br />
Hartwig Klinker<br />
● Gastrointestinaler Symptomenkomplex<br />
● Neurologisch- psychiatrischer Symptomenkomplex<br />
● Ophtalmologischer Symptomenkomplex<br />
Vom Symptom zur Diagnose<br />
● Im Kapitel "Fieber und/oder Gewichtsverlust" ist die Differenzialdiagnose der<br />
Diagnostik und der Fragestellung zeilenweise direkt geordnet, in den übrigen<br />
Kapiteln sind die Differenzialdiagnosen zusammengefasst<br />
● Die Differentialdiagnose <strong>HIV</strong>-assoziierter Erkrankungen hängt entscheidend<br />
vom aktuellen Immunstatus ab - je niedriger die T4-Zellen, desto umfangreicher<br />
die Differentialdiagnose.<br />
● Viele Patienten mit <strong>HIV</strong>-Infektion erhalten eine Multimedikation; Medikamenten-<br />
Nebenwirkungen können opportunistische Infektionen imitieren und sind<br />
deshalb immer in differenzialdiagnostische Überlegungen einzubeziehen<br />
● Es können durchaus mehrere opportunistische Infektionen gleichzeitig<br />
vorliegen<br />
● Da insbesondere bei fortgeschrittenem Immundefekt opportunistische<br />
Infektionen rasch entstehen können, ist ggf. auch eine kurzfristige<br />
Wiederholung einzelner diagnostischer Maßnahmen sinnvoll.<br />
● Die genannten Differentialdiagnosen ergeben sich in der Regel nicht zwingend<br />
aus einzelnen Untersuchungen.<br />
● Die Reihenfolge der Diagnostik kann durchaus dem Krankheitsbild<br />
entsprechend anders erfolgen, einzelne Untersuchungen können auch<br />
entbehrlich sein.<br />
● Ein Symptom allein kann das gesamte Diagnostikspektrum erforderlich<br />
machen.<br />
● "Blockanalyse" = Elektrolyte, Nierenretentionswerte, Gesamteiweiß, Albumin,<br />
Bilirubin, Transaminasen, GGT, alk. Phosphatase, LDH, CK, Amylase, Lipase.<br />
27
Vom Symptom zur Diagnose<br />
28<br />
Fieber und/oder Gewichtsverlust<br />
Hartwig Klinker<br />
Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose<br />
a) mit<br />
Organsymptomatik<br />
→ siehe dort<br />
b) ohne<br />
Organsymptomatik<br />
CD4-Zellen ><br />
500/µl<br />
(CDC 1)<br />
CD4-Zellen<br />
200 - 500/µl<br />
(CDC 2)<br />
CD4-Zellen<br />
HHV 8-PCR Kaposi-Sarkom-<br />
Risiko? Lymphom-<br />
Risiko?<br />
→ Kaposi-Sarkom,<br />
Lymphom<br />
Kryptokokken-Ag positiv? → Kryptokokkose<br />
Serielle Blutkulturen<br />
EDTA-Blut<br />
Stuhlmikroskopie<br />
Stuhlkulturen<br />
CMV-Ak, pp 65-Ag,<br />
CMV-DNA,<br />
Augenhintergrund<br />
Bakteriennachweis? → Bakteriämie, z.B.<br />
auch atyp.<br />
Mykobakterien,<br />
Erregernachweis?<br />
(Wurmeier,<br />
Lamblien, Krypto-/<br />
Mikrosporidien,<br />
Salmonellen,<br />
Campylobacter,<br />
Shigellen)<br />
CMV-Risiko?<br />
Infiltrate?<br />
→ bakt.<br />
Darminfektion<br />
→ Lambliasis<br />
→ Wurmerkrankung<br />
→ Krypto-,<br />
Mikrosporidiose<br />
→ CMV-Infektion<br />
cranielles CT/MR Fokalläsionen? → Toxoplasmose<br />
→ Lymphom<br />
→ progr. multifok.<br />
Leukenzephalopathie<br />
Bronchoskopie<br />
mit BAL/TBB<br />
Gastroskopie<br />
mit Magennüchternsaft,<br />
Duodenalsaft,PE<br />
Duodenum<br />
→ Pathologie<br />
→ Mikrobiologie<br />
Coloskopie mit PE<br />
→ Pathologie<br />
→ Mikrobiologie<br />
Knochenmarkspunktion<br />
→ Pathologie<br />
→ Mikrobiologie<br />
diffuse<br />
Veränderungen?<br />
Erregernachweis?<br />
Histologie? (Gram-,<br />
Grocott-, Auramin-<br />
Färbung)<br />
Erregernachweis?<br />
(Mykobakterien,<br />
Lamblien,<br />
Kryptosporidien)<br />
Histologie?<br />
(CMV,<br />
Mykobakterien)<br />
Erregernachweis?<br />
Histologie?<br />
Erregernachweis?<br />
Histologie?<br />
Vom Symptom zur Diagnose<br />
→ <strong>HIV</strong>-Enzephalo-<br />
pathie<br />
→ Bakterien /<br />
Pilzinfektion<br />
→ PcP<br />
→ CMV-Pneumonie<br />
→ Mykobakteriose<br />
→ Tuberkulose/<br />
atyp. Mykobakt.<br />
→ Lambliasis<br />
→ Kryptosporidiose<br />
→ CMV-Infektion<br />
→ Kaposi-Sarkom<br />
→ CMV-Colitis<br />
→ atypische<br />
Mykobakteriose<br />
→ Kaposi-Sarkom<br />
→ <strong>HIV</strong>-Myelopathie<br />
→ Lymphominfiltration<br />
→ atypische<br />
Mykobakteriose<br />
Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose<br />
29
Vom Symptom zur Diagnose<br />
30<br />
Pulmonaler Symptomenkomplex<br />
Hartwig Klinker<br />
Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose<br />
Husten<br />
(produktiv?<br />
trocken?)<br />
CD4-Zellen ><br />
500/µl (CDC<br />
1)<br />
CD4-Zellen<br />
200 - 500/µl<br />
(CDC 2)<br />
wie bei nicht-<strong>HIV</strong>-<br />
Infizierten<br />
Klinische<br />
Untersuchung<br />
Fieber Labor mit<br />
"Blockanalyse", BB,<br />
Quick, CRP, CD4-<br />
Zellen<br />
Husten<br />
(produktiv?/<br />
trocken?)<br />
Fieber<br />
Dyspnoe<br />
CD4-Zellen<br />
< 200/µl<br />
(CDC C3)<br />
Sputumuntersuchung<br />
Blutkulturen<br />
Mendel-Mantoux-<br />
Test (GT 10), γ-<br />
Interferon-Test<br />
Inspirationstiefe?<br />
Klinisch Erguss?<br />
Infiltrat? Pleurareiben?<br />
Entzündungsreaktion? →Bakterielle<br />
Pneumonie<br />
(Hämophilus<br />
influencae,<br />
Erregernachweis?<br />
Erregernachweis?<br />
positiv?<br />
Röntgen Thorax Infiltrate? Erguss?<br />
Röntgen<br />
Nasennebenhöhlen<br />
wie CDC 2,<br />
zusätzlich<br />
Verschattung?<br />
Blutgasanalyse respiratorische Partial-/<br />
Globalinsuffizienz?<br />
HHV 8-PCR Kaposi-Sarkom-<br />
Risiko?<br />
Lymphom-Risiko?<br />
Kryptokokken-Ag positiv?<br />
Toxoplasma-Ak Toxoplasma-Risiko?<br />
CMV-Ak, pp 65 Ag,<br />
CMV-DNA<br />
Bronchoskopie<br />
mit BAL/TBB<br />
CMV-Risiko?<br />
Erregernachweis?<br />
Histologie? (Gram-,<br />
Grocott-, Auramin -<br />
Färbung)<br />
CT-Thorax Lymphome? Infiltrate?<br />
Einschmelzungen?<br />
Pneumokokken,<br />
Staphylokokken)<br />
→Virusinfekt<br />
→Tuberkulose<br />
→Sinusitis<br />
wie CDC 2, zusätzlich<br />
→P C P<br />
→CMV-Pneumonie<br />
→Aspergillose<br />
→Kaposi-Sarkom<br />
→diss. Toxoplasmose<br />
→atyp.<br />
Mykobakteriose<br />
→Kryptokokkose<br />
→malignes Lymphom
Gastrointestinaler Symptomenkomplex<br />
Hartwig Klinker<br />
Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose<br />
Inappetenz<br />
Brechreiz<br />
Abdominale<br />
Schmerzen<br />
Diarrhoe<br />
Inappetenz<br />
CD4-Zellen ><br />
500/µl (CDC<br />
1)<br />
CD4-Zellen<br />
200 - 500/µl<br />
(CDC C2)<br />
CD4-Zellen <<br />
200/µl<br />
(CDC 3)<br />
wie bei nicht-<strong>HIV</strong>-<br />
Infizierten<br />
Medikamentenanamnese<br />
Auslandsaufenthalt<br />
Klinische Untersuchung Ernährungszustand?<br />
Lipodystrophie?<br />
Abwehrspannung?<br />
path. Resistenzen?<br />
Hepato-<br />
Splenomegalie?<br />
Ascites? rektaler<br />
Befund?<br />
Labor mit<br />
"Blockanalyse", Diff-BB,<br />
Quick, CD4-Zellen, HI-<br />
Viruslast, CRP<br />
Haemoccult Positiv?<br />
Progression der <strong>HIV</strong>-<br />
Infektion?<br />
Stuhlkulturen Pathogene<br />
Darmbakterien?<br />
(Salmonellen,<br />
Campylobacter,<br />
Shigella)<br />
Noro-/Rotaviren?<br />
Clostridium difficile-<br />
Toxin?<br />
Sonographie, ggf. CT Lymphome?<br />
Hepatosplenomegalie?<br />
Cholelithiasis?<br />
Gastroskopie Refluxösophagitis?<br />
Ulcus? Helicobacter<br />
pylori?<br />
→Medikamentöse<br />
Ursachen<br />
→Tropeninfektion<br />
→Infektiöse Enteritis<br />
→malignes Lymphom<br />
→Refluxösophagitis<br />
→Gastritis Ulcus<br />
→Cholelithiasis<br />
→Virushepatitis<br />
→Pseudomembranöse<br />
Colitis nach Antibiose<br />
→Chronisch<br />
entzündliche<br />
Darmerkrankung<br />
→Pankreatitis<br />
→Ileus<br />
→Adnexitis<br />
→Lactoseintoleranz<br />
→bakterielle<br />
Fehlbesiedlung<br />
→chologene Diarrhoe<br />
→Malignom<br />
wie CDC 2, zusätzlich wie CDC 2, zusätzlich<br />
serielle Stuhlkulturen Wurmeier? path.<br />
Darmbakterien?<br />
Kryptosporidien?<br />
Lamblien?<br />
Mikrosporidien?<br />
Clostridium difficile -<br />
Toxin?<br />
Blutkulturen Erregernachweis?<br />
HHV 8-PCR Kaposi-Sarkom-<br />
Risiko? Lymphom-<br />
Risiko?<br />
Vom Symptom zur Diagnose<br />
→Soorösophagitis<br />
→virales Ulcus (CMV,<br />
Herpes)<br />
→atyp. Mykobakteriose<br />
→Kaposi-Sarkom<br />
→malignes Lymphom<br />
→Krypto-/<br />
Mikrosporidose<br />
31
Vom Symptom zur Diagnose<br />
32<br />
Brechreiz<br />
Abdominale<br />
Schmerzen<br />
Diarrhoe<br />
Fieber<br />
Ikterus<br />
Cholestase<br />
Hepatitis<br />
CD4-Zellen<br />
unabhängig<br />
Gastroskopie mit Magen-<br />
nüchternsaft,<br />
Duodenalsaft, PE<br />
Duodenum<br />
→Pathologie<br />
→Mikrobiologie<br />
Coloskopie mit PE<br />
→Pathologie<br />
→Mikrobiologie<br />
Neurologische<br />
Untersuchung<br />
Mykobakt.<br />
tuberkulosis?<br />
Kryptosporidien?<br />
Lamblien? CMV-<br />
Infektion? Herpes-<br />
Ulcus?<br />
Kaposi-Sarkom?<br />
CMV-Infektion?<br />
atypische<br />
Mykobakterien?<br />
Kaposi-Sarkom?<br />
Cerebrale<br />
Erkrankung? (mit<br />
Hirndruck?)<br />
Rö.-Abdomen Übersicht Spiegel, freie Luft?<br />
Röntgen-Dünndarm<br />
nach Sellink<br />
(Enteroklysma)<br />
Gynäkologische<br />
Untersuchung<br />
Passagehindernis?<br />
Adnexitis?<br />
Sonographie, CT Lebergröße, -struktur?<br />
Erweiterte<br />
Gallenwege?<br />
Raumforderung?<br />
Hepatitis-Serologie<br />
Lues-Serologie<br />
chron. Virushepatitis B/<br />
C/D?<br />
Floride Lues?<br />
MRCP/ERCP Abflussbehinderung?<br />
Entzündliche<br />
Veränderungen?<br />
Leberblindpunktion opportunistische<br />
Infektion? (CMV,<br />
Mykobakterien)<br />
tox. Veränderungen?<br />
Virushepatitis?<br />
→Intra-/<br />
extrahepatische<br />
Raumforderung (z.B.<br />
Lymphom)<br />
→Cholangitis (CMV,<br />
Kryptosporidien)<br />
→Hepatitis (viral,<br />
toxisch, mykobakteriell)<br />
→Medikamentöse<br />
Hyperbilirubinämie<br />
(Indinavir/Atazanavir)<br />
→Hämolyse<br />
→Lues II<br />
Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose
Neurologisch- psychiatrischer Symptomenkomplex<br />
Hartwig Klinker<br />
Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose<br />
Kopfschmerzen<br />
Fieber<br />
Parästhesien<br />
Fieber<br />
Kopfschmerzen<br />
Hirnorganisches<br />
Psychosyndrom<br />
Krampfanfälle<br />
Paresen<br />
Meningismus<br />
CD4 > 500/µl<br />
(CDC 1)<br />
CD4 200 -<br />
500/µl<br />
(CDC 2)<br />
CD4 < 200/µl<br />
(CDC 3)<br />
wie bei nicht-<strong>HIV</strong>-<br />
Infizierten<br />
Klinische Untersuchung Neurologische<br />
Defizite?<br />
Medikamentenanamnese<br />
Labor (Blockanalyse, BB,<br />
Quick, CD4-Zellen, HI-<br />
Viruslast, CRP)<br />
Röntgen<br />
Nasennebenhöhlen<br />
Progression der<br />
<strong>HIV</strong>-Infektion?<br />
Verschattung?<br />
MR/CT Raumforderung?<br />
ggf. Liquorpunktion Erregernachweis?<br />
Glukosekonzentration?<br />
Nervenleitgeschwindigkeit pathologisch?<br />
→<strong>HIV</strong>-unabhängige<br />
Erkrankungen (z.B.<br />
Migräne, art.<br />
Hypertonie, Tumore,<br />
Drogen-/<br />
Alkoholentzug u.a.)<br />
→Sinusitis<br />
→ bakt./virale<br />
Meningitis<br />
→ Medikamentös<br />
bedingte / <strong>HIV</strong>-<br />
assoziierte /<br />
Diabetische /<br />
Alkoholische<br />
periphere<br />
Neuropathie<br />
wie bei CDC 2 wie bei CDC 2,<br />
zusätzlich<br />
Blutkulturen<br />
EDTA-Blut<br />
Erregernachweis?<br />
Mykobakterien?<br />
Toxoplasmose-Ak Toxoplasmose-Risiko?<br />
Kryptokokken-Ag Kryptokokkose?<br />
CMV-Ak, pp65-Ag, CMV-<br />
DNA<br />
immer:<br />
cran. CT/MR<br />
Liquordiagnostik<br />
(Gram-, Ziehl-Neelsen-<br />
Färbung, Tuschepräparat)<br />
Glucose, Zellzahl, Lues-<br />
Serologie, JC-Virus, CMV<br />
CMV-Risiko?<br />
Fokalläsionen?<br />
Atrophie?<br />
Diffuse<br />
Veränderungen?<br />
Bakterien?<br />
Kryptokokken?<br />
Mykobakterien? Viren?<br />
Vom Symptom zur Diagnose<br />
→Zerebrale<br />
Toxoplasmose<br />
→ZNS-Lymphom<br />
→Kryptokokken-<br />
Meningitis<br />
→tuberkulöse<br />
Meningitis<br />
→<strong>HIV</strong>-<br />
Enzephalopathie<br />
→CMV-Enzephalitis<br />
→progress. multifok.<br />
Leukenzephalopathie<br />
→Neuro-Lues<br />
33
Vom Symptom zur Diagnose<br />
34<br />
Ophtalmologischer Symptomenkomplex<br />
Hartwig Klinker<br />
Symptom Immunstatus Diagnostik Fragestellung Differentialdiagnose<br />
Jegliche<br />
Sehstörungen,<br />
insbesondere<br />
Doppelbilder<br />
Verschwommensehen<br />
Schmerzen<br />
CD4 > 500/µl<br />
(CDC 1)<br />
CD4 200 -<br />
500/µl<br />
(CDC 2)<br />
CD4 < 200/µl<br />
(CDC 3)<br />
wie bei nicht-<strong>HIV</strong>-<br />
Infizierten<br />
wie bei nicht-<strong>HIV</strong>-<br />
Infizierten<br />
Medikamentenanamnese Myambutol?<br />
Inspektion Injektion?<br />
Infiltration?<br />
Fundusspiegelung Cotton-Wool-<br />
Herde?<br />
Labor: Blockanalyse, BB,<br />
CD4-Zellen, HI-Viruslast<br />
CMV-Ak, pp 65-Ag, CMV-<br />
DNA<br />
Progression<br />
der <strong>HIV</strong>-<br />
Infektion?<br />
CMV-Risiko?<br />
Toxoplasmose-Ak Toxoplasmose-<br />
Risiko?<br />
Neurolog. Untersuchung<br />
ggf. cran. CT/MR<br />
Cerebraler<br />
Prozess?<br />
Glaukom,<br />
Netzhautablösung,<br />
Diabetische<br />
Retinopathie, Lues,<br />
Migraine<br />
accompagné u.a.<br />
→Medikamentöse<br />
Ursache<br />
→CMV-Retinitis<br />
→ Toxoplasmose<br />
des Auges<br />
→ZNS-Erkrankungen
Vorgehen bei diagnostizierter <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
I. Anamnese<br />
A. Aktuelle Anamnese<br />
Jürgen Brust, Dieter Schuster<br />
derzeitige Beschwerden (z.B. Nachtschweiß, Fieber, Gewichtsverlust, neurologische<br />
Auffälligkeiten)<br />
B. Eigenanamnese<br />
generelles Befinden<br />
Kinderkrankheiten<br />
Vorerkrankungen (z.B. Tbc)<br />
Krankenhausaufenthalte<br />
Erhalt von Blutprodukten<br />
sexuell übertragbare Krankheiten (z.B. Syphilis, Gonorrhoe, Hepatitis)<br />
Impfungen<br />
psychisches Befinden/Krankheitsverarbeitung<br />
C. Medikamente- und Drogenanamnese<br />
Medikamente<br />
Drogen (Heroin, Kokain, Alkohol etc.)<br />
komplementäre Behandlungen<br />
D. Sozialanamnese<br />
Partnerschaft<br />
Beruf<br />
soziales Umfeld<br />
finanzielle Situation<br />
Krankenversicherung,<br />
Anspruch auf Renten- und Pflegeversicherung<br />
E. Familienanamnese<br />
Tumorerkrankungen<br />
Tbc<br />
F. Tierkontakte<br />
G. Auslandsanamnese<br />
Vorgehen bei diagnostizierter <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
35
Vorgehen bei diagnostizierter <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
36<br />
II. Untersuchung<br />
1. Erstuntersuchung<br />
Körperlicher Untersuchungsstatus incl.<br />
Lymphknotenstatus<br />
Neurologischer Status<br />
Inspektion der anogenitalen Region incl. rektaler Untersuchung<br />
Größe und Gewicht<br />
Augenhintergrund<br />
gynäkologischer Status<br />
2. Folgeuntersuchung (symptomorientiert)<br />
Gewicht<br />
Bei weiblichen Patienten: regelmäßiger Gyn-Status<br />
Bei männlichen Patienten Inspektion der anogenital Region, ggfs. weitere proktologische<br />
Untersuchung Bei CD4 < 200/µl: regelmäßige Augenfunduskontrolle, regelmäßiger<br />
Neurostatus<br />
3. Labor (siehe Kapitel Laboruntersuchungen)<br />
4. Technische Untersuchungen<br />
A: Initial<br />
Rö-Thorax<br />
EKG<br />
Oberbauchsonographie (Milzgröße, LK)<br />
B: Folgeuntersuchungen<br />
Symptom-klinikorientiert bei fortgeschrittenem Immundefekt, evtl.<br />
regelmäßige Kontrolle auf opportunistische Erreger (z.B. MAI etc.)
Therapiebeginn<br />
Franz Mosthaf<br />
Prognose in Abhängikeit von der Viruslast<br />
Studienteilnehmer der Multicenter Aids Cohort Study (MACS) wurden im Mittel über 10,6<br />
Jahre beobachtet. Keiner der Studienteilnehmer bekam eine antiretrovirale Therapie zum<br />
Zeitpunkt der Studienaufnahme oder zum Zeitpunkt des Follow-up-Besuches nach 6<br />
Monaten. Nur 41% der Patienten erhielten eine antiretrovirale Therapie im weiteren<br />
Verlauf der Beobachtung. Die Viruslast lag zu Beginn der Studie bei den Teilnehmern<br />
zwischen 10<br />
500 - 3.000 > 10<br />
3.000 - 10.000 8,3<br />
10.000 - 30.000 5,5<br />
> 30.000 2,8<br />
Mediane Zeit bis AIDS oder Tod<br />
(Jahre)<br />
Nach Mellors et al. XI. Int. Conf. on Aids, 1996.<br />
Erweiterte Analyse der Daten aus der MACS-Studie mit 1604 Teilnehmern.<br />
Literatur:<br />
● Die Basiswerte der <strong>HIV</strong>-1 RNA-Konzentration sind wichtige Indikatoren für die<br />
Prognose.<br />
● Es gibt eine enge zeitabhängige prognostische Beziehung zwischen <strong>HIV</strong>-1<br />
RNA-Konzentration und Progression.<br />
● Verringerte Konzentrationen von <strong>HIV</strong>-1 RNA als Ergebnis einer antiretroviralen<br />
Therapie weisen auf eine verbesserte Prognose.<br />
● Mellors J.W., Rinaldo Jr. C.R., Gupta P. et al.: Prognosis in <strong>HIV</strong>-1 Infection Predicted by<br />
the Quantity of Virus in Plasma. Science 272: 1167-1170, 1996<br />
● Egger M, May M, Chene G, Phillips AN, Ledergerber B, Dabis F, Costagliola D,<br />
D'Arminio Monforte A, de Wolf F, Reiss P, Lundgren JD, Justice AC, Staszewski S,<br />
Leport C, Hogg RS, Sabin CA, Gill MJ, Salzberger B, Sterne JA; ART Cohort<br />
Collaboration. Prognosis of <strong>HIV</strong>-1-infected patients starting highly active antiretroviral<br />
therapy: a collaborative analysis of prospective studies. Lancet. 2002 Jul 13;360<br />
(9327):119-29.<br />
Therapie<br />
37
Therapie<br />
38<br />
Wann mit der Therapie beginnen?<br />
Obwohl es weiter keinen "Goldstandard" für den Therapieginn der <strong>HIV</strong>-Infektion gibt,<br />
können die folgenden Empfehlungen gegeben werden. Zu beachten ist, dass die Therapie<br />
immer individuell gestaltet werden sollte. Hierbei kommt neben den klinischen und<br />
immunologischen Gesichtspunkten insbesondere dem Gespräch mit dem Patienten eine<br />
große Bedeutung zu.<br />
Eine antiretrovirale Therapie ist empfohlen<br />
● bei jeder symptomatischen <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
● bei jeder asymptomatischen <strong>HIV</strong>-Infektion unter 350/µl Helferzellen (kontrolliert)<br />
● bei Patienten mit 350-500/µl Helferzellen und Koinfektion mit Hepatitis C;<br />
behandlungsbedürftiger Hepatitis B; <strong>HIV</strong>-assoziierter Nephropathie oder<br />
anderer spezifischer Organerkrankung<br />
Eine antiretrovirale Therapie sollte erwogen werden<br />
● bei asymptomatischen Patienten mit Helferzellen von 350- 500/µl und einer<br />
Viruslast über 100 000 Viruskopien/ml<br />
● bei asymptomatischen Patienten mit Helferzellen von 350- 500/µl und einer<br />
schnellen Helferzellzahlabnahme von 50-100/µl/Jahr oder Alter > 50 Jahre oder<br />
Schwangerschaft oder hohem kardivaskulärem Risiko oder <strong>HIV</strong>-assoziierten<br />
Malignomen<br />
Die Strenge der Therapieindikation richtet sich zum Einen nach der individuellen<br />
Prognose in Abhängigkeit von Viruslast und Geschwindigkeit des Helferzellabfalls. Zum<br />
Anderen nach der zu erwartenden Compliance bzw. Adherence, auch in Hinsicht auf die<br />
Lebensqualität des Patienten unter der Therapie.<br />
Einen Sonderfall stellt die akute <strong>HIV</strong>-Infektion dar. Sie ist gekennzeichnet durch Fieber,<br />
eine Lymphadenopathie und in der Hälfte der Fälle durch ein Exanthem. Hier sollte die<br />
Behandlung falls möglich noch vor der Serokonversion oder je nach klinischer<br />
Einschätzung bis zu 12 Wochen danach begonnen werden.<br />
Regeln für den Beginn der Therapie<br />
In der Regel erfolgt der Therapiebeginn mit einer 3-fach Therapie aus zwei NRTI<br />
(Nukleosidaler Reverse Transkriptasehemmer) und einem NNRTI (Nicht-Nukleosidaler<br />
Reverse Transkriptasehemmer), bzw. zwei NRTI und einem oder zwei PI<br />
(Proteaseinhibitor). Weiterhin kann auch der Einsatz eines Integrasehemmers oder<br />
Fusionsinhibitors notwendig werden. Vor der Therapie muss in einem ausführlichen<br />
Gespräch zwischen Arzt und Patienten besprochen werden, dass die Therapie<br />
● komplex ist<br />
● über einen sehr langen Zeitraum (wahrscheinlich lebenslänglich) durchgeführt<br />
werden muss<br />
● Nebenwirkungen haben kann.
Anmerkung: Die Therapieeinstellung oder -umstellung sollte immer in Zusammenarbeit<br />
mit einem in der <strong>HIV</strong>-Therapie erfahrenen Arzt erfolgen.<br />
Links zu offiziellen Therapieleitlinien:<br />
● Seite des Robert-Koch-Institutes zu den Deutsch-Österreichischen<br />
Therapieleitlinien http://www.rki.de/cln_011/nn_334524/DE/Content/InfAZ/H/<br />
<strong>HIV</strong>AIDS/Therapie/Leitlinien/leitlinien__node.html__nnn=true<br />
● Seite der Europäischen Leitlinien [EACS] http://www.<br />
europeanaidsclinicalsociety.org/guidelines.asp<br />
● Seite der aktuellen US-amerikanischen Leitlinien http://aidsinfo.nih.gov<br />
Therapie<br />
39
Therapie<br />
40<br />
Therapie beim nicht vorbehandelten Patienten<br />
Franz Mosthaf<br />
Einsatz der einzelnen Medikamente immer unter Beachtung der Neben- und<br />
Wechselwirkungen, sowie der Begleiterkrankungen!<br />
mindestens 2 nukleosidale Reverse<br />
Transkriptasehemmer (NRTI):<br />
TDF 1 (Viread) + FTC 1 (Emtriva)<br />
bzw.<br />
Abacavir 2 (Ziagen) + 3TC 2 (Epivir)<br />
bzw.<br />
AZT 3 (Retrovir) + 3TC 3 (Epivir)<br />
bzw.<br />
TDF (Viread) + 3TC (Epivir)<br />
bzw.<br />
ddI (Videx) + FTC (Emtriva)<br />
bzw.<br />
ddI (Videx) + TDF (Viread) 4<br />
in Kombination mit<br />
oder<br />
einem nicht-nukleosidalem<br />
Reversen Transkriptasehemmer<br />
(NNRTI):<br />
Nevirapine 5,6 (Viramune)<br />
bzw.<br />
Efavirenz 6 (Sustiva)<br />
Proteaseninhibitoren (PI):<br />
in alphabet. Reihenfolge<br />
Atazanavir (Reyataz 300) + Ritonavir<br />
(Norvir)<br />
bzw.<br />
Darunavir (Prezista 800) + Ritonavir<br />
(Norvir)<br />
bzw.<br />
Fosamprenavir (Telzir) + Ritonavir<br />
(Norvir)<br />
bzw.<br />
Lopinavir (Kaletra) - enthält Ritonavir<br />
bzw.<br />
Saquinavir (Invirase 500) + Ritonavir<br />
(Norvir)<br />
oder Integrasehemmer<br />
Raltegravir (Isentress)<br />
1 in Truvada<br />
2 in Kivexa (Einsatz von Abacavir nur bei negativem HLA B5701 Test!<br />
3 in Combivir<br />
4 Anwendung bei hoher Viruslast und niedriger CD4-Zellzahl nicht empfohlen. Falls<br />
diese Kombination unbedingt notwendig: sorgfältige Beachtung der DDI-bedingten<br />
Nebenwirkungen<br />
5 bei Männern nur wenn CD-4 Zellzahl < 400/µl; bei Frauen nur wenn CD-4 Zellzahl <<br />
250/µl<br />
6 wirkt nicht bei <strong>HIV</strong>-2 und <strong>HIV</strong>-1 Gruppe O
Wechsel der Therapie bei:<br />
● Anstieg der Viruslast unter Therapie (kontrolliert)<br />
● CD-4 Zellzahl-Abfall (kontrolliert)<br />
● ungenügendem Abfall der Viruslast unter Therapie (Abfall < 1 log)<br />
● bei klinischer Progression<br />
-> Austausch von mindestens zwei Substanzen<br />
● Unverträglichkeit<br />
-> Austausch der nicht tolerierten Substanz<br />
Empfehlungen zum Therapiewechsel der International AIDS<br />
Society - USA Panel<br />
Grund des Therapiewechsels Art der Therapieänderung<br />
Nebenwirkungen oder Unverträglichkeit<br />
<strong>HIV</strong>-RNA unterhalb der Nachweisgrenze Austausch der nicht tolerierten Substanz<br />
<strong>HIV</strong>-RNA niedrig aber oberhalb der<br />
Nachweisgrenze und Therapiedauer kürzer als 8-<br />
16 Wochen*<br />
<strong>HIV</strong>-RNA oberhalb der Nachweisgrenze und<br />
Therapiedauer länger als 8-16Wochen** oder<br />
früherer Therapieerfolg***<br />
Adhärenzprobleme<br />
<strong>HIV</strong>-RNA unterhalb der Nachweisgrenze und neu<br />
aufgetretene Adhärenzprobleme<br />
<strong>HIV</strong>-RNA unterhalb der Nachweisgrenze und<br />
Therapiedauer kürzer als 8-16 Wochen<br />
<strong>HIV</strong>-RNA oberhalb der Nachweisgrenze und<br />
Therapiedauer länger als 8-16 Wochen** oder<br />
früherer Therapieerfolg ***<br />
Virologisches Therapieversagen<br />
Kein Abfall der Viruslast unter die<br />
Nachweisgrenze innerhalb von 8-16 Wochen**<br />
nach Therapiebeginn<br />
Kein Abfall der Viruslast unter die<br />
Nachweisgrenze innerhalb von 24-36 Wochen<br />
nach Therapiebeginn<br />
Austausch der nicht tolerierten Substanz<br />
Wechsel der gesamten Kombination<br />
Wechsel zu einfacherem Therapieschema mit<br />
gleicher Potenz, oder falls möglich Austausch der<br />
nicht tolerierten Substanz<br />
Wechsel zu einfacherem Therapieschema mit<br />
gleicher Potenz, oder falls möglich Austausch der<br />
nicht tolerierten Substanz<br />
Wechsel der gesamten Kombination<br />
Therapieregime beibehalten, Adhärenz<br />
überprüfen, evtl. Medikamentendosis steigern****<br />
Wechsel der gesamten Kombination<br />
Therapie<br />
41
Therapie<br />
42<br />
früherer Therapieerfolg***, jetzt aber kontrolliertes<br />
virologisches Therapieversagen<br />
Wechsel der gesamten Kombination<br />
*Zunächst sollte versucht werden die Nebenwirkung zu beeinflussen, nur bei Erfolglosigkeit sollte die<br />
entsprechende Substanz ausgetauscht werden (Dies gilt nicht für eine vermutete Abacavir-<br />
Unverträglichkeit!)<br />
**Die Zeit bis zum Abfall der Viruslast unter die Nachweisgrenze (z.B. <strong>HIV</strong>-RNA1,5 log) ohne bislang die Nachweisgrenze zu erreichen. Vor einer Dosisintensivierung<br />
muss die Therapietreue genau überprüft werden.<br />
Links zu offiziellen Therapieleitlinien:<br />
● Seite des Robert-Koch-Institutes zu den Deutsch-Österreichischen<br />
Therapieleitlinien (http://www.rki.de/cln_011/nn_334524/DE/Content/InfAZ/H/<br />
<strong>HIV</strong>AIDS/Therapie/Leitlinien/leitlinien__node.html__nnn=true<br />
● Seite der Europäischen Leitlinien [EACS] (http://www.<br />
europeanaidsclinicalsociety.org/guidelines.asp)<br />
● Seite der aktuellen US-amerikanischen Leitlinien (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/<br />
sites/entrez/18677028
Einnahmehinweise für Medikamente zur<br />
antiretroviralen Therapie<br />
(in alphabetischer Reihenfolge)<br />
Hannelore Mosthaf<br />
In bestimmten Kombinationen können abweichende Tagesdosierungen erforderlich sein!<br />
Name, (Freiname)<br />
Darreichungsform<br />
Aptivus® (Tipranavir)<br />
Weichkapseln<br />
Atripla® (Efavirenz/Emtricitabin/<br />
Tenofovir)<br />
Filmtabletten<br />
Celsentri® (Maraviroc)<br />
Filmtabletten<br />
Combivir® (Lamivudin/Zidovudin)<br />
Tbl.<br />
Crixivan® (Indinavir)<br />
Kps.<br />
Emtriva® (Emtricitabin)<br />
Kps., Lösung<br />
Epivir® (Lamivudin)<br />
Tbl., Lösung<br />
Fuzeon® (Enfuvirtid)<br />
Injektionslösung<br />
Intelence® (Etravirin)<br />
Tbl.<br />
Einnahmeintervall,<br />
Dosierung<br />
2 x tgl. 500mg zusammen<br />
mit 2 x tgl. 200mg Ritonavir<br />
Einnahmehinweise, bzw.<br />
Applikationshinweise<br />
zusammen mit einer Mahlzeit,<br />
dann ist die Vertäglichkeit<br />
besser!<br />
1 x tgl. 1 Tbl. 2 Std. nach dem Abendessen<br />
2 x tgl. ( 12stdl.) 150 - 600<br />
mg<br />
2 x tgl. 1 Tbl. keine<br />
3 x tgl. (8stdl.)<br />
800 mg<br />
1 x tgl. 200 mg keine<br />
2 x tgl. (12stdl.)<br />
150 mg oder<br />
1 x tgl. 300 mg<br />
2 x tgl. 90mg subkutan (in<br />
die Haut) injizieren<br />
unabhängig von einer Mahlzeit,<br />
Dosierung ist abhängig von<br />
antiretroviralen<br />
Kombinationspartnern<br />
nüchtern bis 1 Std. vor den<br />
Mahlzeiten; möglich ist die<br />
Einnahme mit einer leichten,<br />
fettfreien Mahlzeit; auf<br />
ausreichende Flüssigkeitszufuhr<br />
achten (2 - 3 Liter pro Tag)!<br />
keine<br />
Injektionsstellen: Haut am<br />
Oberarm, am vorderen<br />
Oberschenkel, am Bauch;<br />
Injektionsstelle bei jeder<br />
Injektion wechseln!<br />
2 x tgl. 200mg nach dem Essen, bei<br />
Schluckschwierigkeiten dürfen<br />
die Tabletten in Wasser<br />
aufgelöst werden.<br />
Therapie<br />
43
Therapie<br />
44<br />
Invirase® (Saquinavir)<br />
Tbl.<br />
Isentress® (Raltegravir)<br />
Filmtabletten<br />
Kaletra® (Lopinavir 133mg/<br />
Ritonavir 33mg)<br />
Kps., Lösung, Filmtabletten mit<br />
200mg Lopinavir und 50mg<br />
Ritonavir<br />
Kivexa® (Lamivudin/Abacavir)<br />
Tbl.<br />
Norvir® (Ritonavir)<br />
Kps., Lösung<br />
Prezista® (Darunavir)<br />
Filmtabletten<br />
Retrovir® (Zidovudin)<br />
Kps., Lösung<br />
Reyataz® (Atazanavir)<br />
Kps.<br />
Sustiva® (Efavirenz)<br />
Kps. , Lösung<br />
Telzir® (Fosamprenavir)<br />
Tbl.<br />
Trizivir® (Abacavir/Lamivudin/<br />
Zidovudin)<br />
Tbl.<br />
Truvada® (Tenofovir/Emtricitabin)<br />
Tbl.<br />
Videx® (Didanosin)<br />
Kps., Pulver<br />
Viracept® (Nelfinavir)<br />
Kps., Granulat<br />
2 x tgl. (12stdl.)<br />
1000 mg<br />
2 x tgl. 400mg<br />
2 x tgl. (12stdl.) 3 Kps.<br />
400/100mg oder 2 x tgl. 2<br />
Filmtabletten<br />
unmittelbar bis zwei Std. nach<br />
den Mahlzeiten, immer<br />
zusammen mit 2 x 100mg<br />
Ritonavir<br />
keine<br />
1 x tgl. 1 Tbl. 300/600mg keine<br />
2 x tgl. (12stdl.)<br />
600 mg<br />
2 x tgl. 600mg zusammen<br />
mit 2 x tgl. 100mg Ritonavir<br />
2 x tgl. (12stdl.)<br />
250 mg - 300 mg<br />
1 x tgl. 300mg zusammen<br />
mit 100mg Ritonavir<br />
zu den Mahlzeiten<br />
zu den Mahlzeiten, Therapie<br />
einschleichend beginnen: 1.<br />
Tag 2 x 300 mg, 2. u. 3. Tag 2 x<br />
400 mg, 4. Tag 2 x 500 mg,<br />
dann 2 x 600 mg, zusammen mit<br />
Saquinavir innerhalb 2 Std. nach<br />
einer Mahlzeit<br />
zu den Mahlzeiten<br />
keine<br />
zum Essen, eventuell nötige<br />
magensäurebindende<br />
Arzneimittel erst 2 Std. nach<br />
Reyataz/Ritonavir einnehmen!<br />
1 x tgl. 600 mg vor dem Schlafengehen, mind. 2<br />
Std. nach einer Mahlzeit<br />
2 x tgl. 700 mg, geboostert<br />
mit 2 x tgl. 100 mg<br />
Ritonavir<br />
2 x tgl. (12stdl.) 1 Tbl. keine<br />
1 x tgl. 1 Tbl. zum Essen<br />
tgl. 250 - 400 mg, aufgeteilt<br />
in 1 oder 2 Einnahmen<br />
3 x tgl. (8 stdl.)<br />
750 mg<br />
für Fosamprenavir keine,<br />
Ritonavir zu den Mahlzeiten<br />
nüchtern<br />
zu den Mahlzeiten; zur<br />
Einnahme sollte immer eine<br />
Kleinigkeit gegessen werden
Viramune® (Nevirapin)<br />
Kps., Suspension<br />
Viread® (Tenofovir)<br />
Tbl.<br />
Zerit® (Stavudin)<br />
Kps.<br />
Ziagen® (Abacavir)<br />
Tbl., Lösung<br />
Name, (Freiname)<br />
Darreichungsform<br />
2 x tgl. (12 stdl.) 200 mg Therapie einschleichend<br />
beginnen: 14 Tage 1 x 200 mg,<br />
dann 2 x 200 mg, sonst keine<br />
Hinweise<br />
1 x tgl. 300 mg zum Essen<br />
2 x tgl. (12stdl.) 15-40 mg<br />
(gewichtsabhängig)<br />
2 x tgl. (12stdl.)<br />
300 mg<br />
Einnahmeintervall,<br />
Dosierung<br />
keine<br />
keine<br />
Einnahmehinweise, bzw.<br />
Applikationshinweise<br />
Therapie<br />
45
Therapie<br />
46<br />
Nukleosidale Reverse Transkriptaseinhibitoren<br />
(NRTI)<br />
Hannelore Mosthaf<br />
Bei allen NRTI kann selten eine gefährliche Lactatazidose und schwere Hepatomegalie<br />
mit Steatose auftreten!<br />
Combivir ® (Lamivudin 150 mg/Zidovudin 300 mg), OP à 60 Tbl.<br />
● Dosierung: 2 x tgl. (12 stdl.)1 Tbl.<br />
● Kontraindikationen: siehe Epivir und Retrovir, Patienten mit KG
● Dosierung: 2 x tgl. (12-stdl.) 250 - 300 mg<br />
● Kontraindikationen: Neutropenie (< 750 µl); Anämie (Hb 8 mg/dl)<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Übelkeit, Anämie, Leukopenie, Myalgie<br />
● Wechselwirkungen: Ganciclovir verstärkt myelotox. Wirkung; bei gleichzeitiger<br />
Einnahme von Clarithromycin kann die antiretrovirale Wirkung von AZT<br />
abgeschwächt sein; Methadon oder Fluconazol können die unerwünschten<br />
Wirkungen von AZT verstärken<br />
Trizivir® (Abacavir 300mg/Lamivudin 150 mg/Zidovudin 300 mg), OP à 60 Tbl.<br />
● Dosierung: 2 x tgl. 1 Tbl.<br />
● Kontraindikationen, häufige Nebenwirkungen und Wechselwirkungen:<br />
siehe Epivir, Retrovir und Ziagen;<br />
Truvada® (Emtricitabin 200 mg + Tenofovir 300mg) OP à 30 Tbl.<br />
● Dosierung: 1 x tgl. 1 Tbl.;<br />
● Kontraindikationen, häufige Nebenwirkungen und Wechselwirkungen:<br />
siehe Emtriva und Viread<br />
Videx® (Didanosin) OP à 60 Kps zu 125, 200, 250 und 400mg, Pulver 2g u. 4 g für<br />
Suspension 2mg/ml<br />
● Dosierung: tgl. 200 - 400 mg (gewichtsabhängig), verteilt auf 1 oder 2<br />
Einnahmen;<br />
● Kontraindikationen: Pankreatitis in der Anamnese; Vorsicht bei<br />
eingeschränkter Leber- u. Nierenfunktion;<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Pankreatitis, Neuropathie, Durchfall<br />
● Wechselwirkungen: bei Kombination mit Tenofovir DDI-Dosis senken; bei<br />
Kombi mit Ribavirin erhöhtes Risiko eine Lactatacidose; bei Kombination mit<br />
Retrovir und Epivir erhöhte Hämatotoxizität von Retrovir und Epivir; nicht mit<br />
AM kombinieren, die Neuropathie oder Pankreatitis hervorrufen können;<br />
Wirkungsverstärkung durch Allopurinol,<br />
Viread®* (Tenofovir, PMPA) OP à 30 Tbl. zu 300 mg;<br />
● *Neue Substanzklasse: Nukleotidaler- Reverse- Transkriptasehemmer<br />
● Dosierung: 1 x tgl. 300 mg<br />
● Kontraindikationen: Vorsicht bei Niereninsuffizienz<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Hypophosphatämie<br />
● Wechselwirkungen: möglich mit Arzneimitteln, die renal ausgeschieden<br />
werden; in Kombination mit Didanosin ist eine Dosisanpassung von Didanosin<br />
nötig;<br />
Zerit® (Stavudin = D4T) OP à 56 Kps. zu 15, 20, 30 u. 40 mg, Pulver für Suspension 1mg/<br />
ml<br />
● Dosierung: 2 x tgl. (12-stdl.) 15-40 mg gewichtsabhängig<br />
Therapie<br />
47
Therapie<br />
48<br />
● Kontraindikationen: Pankreatitis in der Anamnese, Polyneuropathie;<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Polyneuropathie<br />
● Wechselwirkungen: WW möglich mit Arzneimitteln, die renal ausgeschieden<br />
werden; nicht kombinieren mit Medikamenten, die selbst Polyneuropathie<br />
hervorrufen können<br />
Ziagen® (Abacavir = ABC) OP à 60 Tbl. zu 300 mg, Lösung 20mg/ml<br />
● Dosierung: 2 x tgl. 300 mg<br />
● Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber der Substanz<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Übelkeit, Kopfschmerzen, respiratorische<br />
Symptome, bei ca. 5% der Patienten "ABC- Überempfindlichkeits-syndrom", tritt<br />
meistens innerhalb der ersten 4 Wochen auf: Fieber, Hautausschlag, Übelkeit,<br />
Transaminasenanstieg, bei Reexposition lebensbedrohliche allerg. Reaktion,<br />
● Wechselwirkungen: Keine schwerwiegenden Wechselwirkungen, vgl. andere<br />
NRTI
Nicht-Nukleosidale Reverse<br />
Transkriptaseinhibitoren (NNRTI)<br />
Hannelore Mosthaf<br />
Die Wechselwirkungen sind vielfältig, weshalb zum Teil ganze Arzneistoffgruppen<br />
erwähnt werden. Einzelheiten sind den einzelnen Fachinformationen zu entnehmen.<br />
Intelence® (Etravirin), OP à 120 Tbl. zu 100 mg<br />
● Dosierung: 2 x tgl. 200 mg, nach einer Mahlzeit; bei Schluckschwierigkeiten<br />
können die Tabletten in Wasser aufgelöst werden<br />
● Kontraindikationen: NNRTI-assoziierte Hautreaktionen in der Vorgeschichte,<br />
Vorsicht bei Leberfunktionsstörungen oder Hepatitis-B oder -C-Koinfektion<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Hautausschlag, der nach 1 - 2 Wochen meist<br />
abklingt; Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit,<br />
Thrombozytopenie, Anstieg der Blutfette<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: andere NNRTI, Nelfinavir, Fosamprenavir, Indinavir, Raltegravir,<br />
Tipranavir, keine Kombi mit anderen NNRTI, Rifampicin, Clarithromycin,<br />
Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Johanniskraut;<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich: Antimykotika, Rifabutin, Antiarrythmika, Statine, PDE-<br />
5-Hemmer<br />
Viramune® (Nevirapin) OP à 60 Tbl. und 120Tbl. zu 200 mg, Suspension 10mg/ml<br />
● Dosierung: 2 x tgl. (12-stdl.)200 mg oder 1 x tgl. 400mg, Therapie unbedingt<br />
einschleichend beginnen: 14 Tage 1 x 200 mg, dann 2 x 200 mg, unabhängig<br />
von den Mahlzeiten<br />
● Kontraindikationen: Vorsicht bei Nieren- und Leberinsuffizienz<br />
● Häufige Nebenwirkungen: allerg. Hautreaktionen bis hin zu Stevens-Johnson-<br />
Syndrom, Transaminasenerhöhung<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: Efavirenz, Atazanavir, Clarithromycin, Rifampicin, Johanniskaraut,<br />
Ketokonazol,<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich: Itraconazol, Fluconazol, Rifabutin, Methadon<br />
● Nevirapin senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere oder<br />
zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!<br />
Rescriptor TM (Delarvidine) OP à 360 Tbl. zu 100 mg<br />
● Dosierung: 3 x tgl. 400 mg (8-stdl.), in mind. 75 ml Wasser auflösen, möglich<br />
ist auch Cola oder Orangensaft<br />
Therapie<br />
49
Therapie<br />
50<br />
● Kontraindikationen: Vorsicht bei Leberinsuffizienz<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Hautausschläge, Übelkeit, Durchfall<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: Rifabutin, Rifampicin<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich: Videx gepuffert 1 h zeitversetzt einnehmen, Antazida<br />
ebenfalls zeitversetzt einnehmen<br />
Sustiva® (Efavirenz = EFV) OP à 30 Kps. zu 50 mg, 100 mg, 600 mg, OP à 90 Kps. zu<br />
200 mg, Lösung 30 mg/ml<br />
● Dosierung: 1 x tgl. 600 mg oder 3 x tgl. 200 mg, Einnahme vor dem<br />
Schlafengehen, um NW zu umgehen! Einnahme nüchtern oder mind. 2 Std.<br />
nach einer Mahlzeit! vor allem bei Therapiebeginn<br />
● Kontraindikationen: schwere Leberschädigung<br />
● Häufige Nebenwirkungen: ZNS-Symptome, Schwindel, Schlaftrunkenheit,<br />
Alpträume, nach längerer Einnahme Depression, Efavirenz kann zu einem<br />
falsch positiven Canabisnachweis führen!<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: Saquinavir, Ritonavir hochdosiert, andere NNRTI, Clarithromycin,<br />
Carbamazepin,<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich: Fosamprenavir, Darunavir, Indinavir, Lopinavir,<br />
Rifabutin, Rifampicin, Ketoconazol, Itraconazol, Phenytoin, Phenobarbital,<br />
Methadon<br />
● Efavirenz senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere<br />
kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!
Proteaseinhibitoren<br />
Hannelore Mosthaf<br />
Proteaseinhibitoren besitzen eine hohe Affinität zu dem Cytochrom-P450-Enzymsystem.<br />
Deshalb sind zahlreiche Wechselwirkungen mit allen Arzneimitteln zu erwarten, die<br />
ebenfalls über dieses Enzymsystem abgebaut werden: Antimykotika, Antibiotika,<br />
Tuberkulostatika, Antiarrhythmika, Antihistaminika, Steroide, Statine, Antidepressiva,<br />
Neuroleptika, Protonenpumpenhemmer, Immunsuppressiva, Ca-Antagonisten,<br />
Benzodiazepine, Hypnotika, Methadon, Fentanyl, Warfarin, Mutterkornalkaloide, PDE-5-<br />
Hemmer, Johanniskraut (noch wenig dokumentiert, in Packungsbeilagen oft keine<br />
Hinweise auf Wechselwirkungen; von einer gleichzeitigen Einnahme wird abgeraten!),<br />
(Viagra und ähnliche). Die Wirkung von "Exstacy" kann verstärkt werden!<br />
In der Aufstellung werden Substanzen aufgezählt, bei denen Wechselwirkungen zu<br />
erwarten sind, die eine Kombination verbieten oder eine Dosisanpassung erfordern.<br />
Einzelheiten bitte aus der Information für Fachkreise entnehmen.<br />
Unter Therapie mit Proteaseinhibitoren können Lipodystrophie, Hyperlipoproteinämien<br />
oder Störungen des Glucosestoffwechsels auftreten. Deshalb regelmäßig Blutfette und<br />
Blutglucose kontrollieren!<br />
Aptivus® (Tipranavir) OP à 120 Weichkapseln, OP à 95ml Lösung mit 100mg Tipranavir/<br />
ml, eine Kapsel enthält 100mg Ethanol! Die Lösung ist alkoholfrei.<br />
● Dosierung: 2 x tgl. 500 mg immer zusammen mit 2 x tgl. 200mg Ritonavir als<br />
pharmakokinetischen Verstärker (Booster), Einnahme zusammen mit einer<br />
Mahlzeit, um die Verträglichkeit zu verbessern!<br />
● Kontraindikationen: mittelgradige bis schwere Leberfunktionsstörung<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Hypertriglyderidämie, Hyperlipidämie,<br />
Kopfschmerzen, Übelkeit, Durchfall, Hautausschlag, selten erhöhtes<br />
Blutungsrisiko<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: Zidovudin, Abacavir (eine Kombination mit anderen<br />
Proteasehemmern ist nicht kontraindiziert, wird aber nicht empfohlen),<br />
Fluconazol, Voriconazol, Rifampicin, Antiarrhythmika, Antihistaminika,<br />
Glucocorticoide (auch inhalative), Atorvastatin,Simvastatin, Lovastatin,<br />
Neuroleptika (Pimozid, Sertindol), Protonenpumpenhemmer,<br />
Mutterkornalkaloide, Cisaprid, Disulfiram (da Tipranavirkapseln 7% Alkohol<br />
enthalten), Midazolam oral, Triazolam, Johanniskraut, Vitamin E bei einer<br />
Dosierung von mehr als 1200I.E./Tag,<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich:<br />
Itraconazol, Clarithromycin, Rifabutin, Antikonvulsiva (Carbamazepin,<br />
Phenytoin, Phenobarbital), Pravastatin, Omeprazol, Warfarin, ASS, PDE5-<br />
Hemmer, Methadon, Midazolam iv., Östrogene zur Hormonersatztherapie,<br />
● Tipranavir senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere oder<br />
zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!<br />
Therapie<br />
51
Therapie<br />
52<br />
Crixivan® (Indinavir) OP à 360 Kps. zu 200 mg, OP à 180 Kps. zu 400 mg<br />
● Dosierung: 3 x tgl. 800 mg (8-stdl.), nüchtern bis 1 Std. vor den Mahlzeiten;<br />
möglich ist die Einnahme mit einer leichten, fettfreien Mahlzeit; auf<br />
ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten (2-3 Liter pro Tag)!<br />
● Kontraindikationen: Vorsicht bei schweren Leberfunktionsstörungen und<br />
Patienten mit Hämophilie!<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Nierensteine, Kristallurie, Magen-<br />
Darmbeschwerden, Kopfschmerz, Hyperglykämie, selten, aber schwerwiegend:<br />
hämolyt. Anämie; bei Hämophilen steigt die Blutungsneigung<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: Fosamprenavir, Efavirenz, andere Proteaseinhibitoren, Rifampicin,<br />
Rifabutin, Chinidin bei mit Lopinavir geboostetem Indinavir, Lovastatin,<br />
Simvastatin, Rosuvastatin, Midazolam oral, Johanniskraut<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich: Nevirapin, gepuffertes Didanosin, Delavirdin,<br />
Itraconazol, Ketoconazol, Antikonvulsiva (Carbamazepin, Phenytoin,<br />
Phenobarbital), Antihistaminika, Ca-Antagonisten, Dexamethason, Atorvastatin,<br />
Pravastatin, Fluvastatin, Warfarin, PDE5-Hemmer, Midazolam iv; bei mit<br />
Lopinavir geboostetem Indinavir außerdem Digoxin und Trazodon,<br />
Invirase® (Saquinavir-Mesylat) OP à 120 Tbl. zu 500 mg<br />
● Dosierung: 2 x tgl. (12-stdl.) 1000 mg in Kombination mit 2 x tgl. 100mg<br />
Ritonavir zu den Mahlzeiten<br />
● Kontraindikationen: bei Hämophilen steigt die Blutungsneigung! Vorsicht bei<br />
schweren Leberfunktionsstörungen<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Magendarmbeschwerden, Ausschlag, Neuropathie,<br />
selten, aber schwerwiegend: hämolytische Anämie, Stevens-Johnsons-<br />
Syndrom<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: Tipranavir, Ketoconazol über 200mg/Tag, Fluconazol (nicht<br />
untersucht), Rifampicin, Antiarrhythmika (Amiodaron, Flecainid, Propafenon),<br />
Antikonvulsiva (nicht untersucht), Antihistaminika, Simvastatin, Lovastatin,<br />
Pimozid, Mutterkornalkaloide, Cisaprid, Midazolam oral, Triazolam,<br />
Johanniskraut. Knoblauch<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich: Delavirdin, Itraconazol, Rifabutin, Antiarrhythmika<br />
(Chinidin, Lidocain, Bepridil), Ca-Antagonisten, Corticoide (auch inhlative),<br />
Pravastatin, Fluvastatin , Atorvastatin, Antidepressiva,<br />
Protonenpumpenhemmer, Herzglykoside, Immunsupressiva, Warfarin, PDE5-<br />
Hemmer, Benzodiazepine, Midazolam iv.,<br />
● Saqiunavir senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere oder<br />
zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!
Kaletra® (Lopinavir /Ritonavir ) OP à 120, 360 Tbl. zu 200mg/50mg oder 60 Tbl. zu<br />
100mg/25mg, Lösung 5 x 60ml mit 80mg/20mg pro ml<br />
● Dosierung: 2 x tgl. (12-stdl.) 400/100 mg zu den Mahlzeiten<br />
● Kontraindikationen: schwere Leberfunktionsstörung<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, bei Hämophilen steigt die<br />
Blutungsneigung!<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: Itraconazol und Ketoconazol in Dosierungen über 200mg/Tag,<br />
Voriconazol, Rifampicin, Flecainid, Propafenon, Terfenadin, Lovastatin,<br />
Simvastatin, Rosuvastatin, Mutterkornalkaloide, Cisaprid, Vardenafil, Triazolam,<br />
Midazolam oral, Johanniskraut<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich: andere Proteaseinhibitoren, Efavirenz, Nevirapin,<br />
Rifabutin, Clarithromycin, Antiarrhythmika (Chinidin, Bepridil, Lidocain),<br />
Antikonvulsiva, Ca-Antagonisten, Corticoide (auch inhalative), Fluvastatin,<br />
Pravastatin, Atorvastatin, Bupropion, Trazodon, Herzglykoside, Ciclosporin,<br />
Warfarin, Sildenafil, Tadalafil, Vinkaalkaloide, Methadon, Midazolam iv.<br />
● Lopinavir/Ritonavir senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere<br />
oder zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!<br />
Norvir® (Ritonavir) OP à 84 und 336 Kps. zu 100 mg, OP à 30 Tbl. Zu 100mg, Lösung<br />
80mg/ml<br />
Therapie<br />
● Dosierung: 2 x tgl. (12-stdl.) 600 mg, in Kombination mit Saquinavir 2 x tgl. 400<br />
mg, zu den Mahlzeiten, Therapie einschleichend beginnen: 1. Tag 2 x 300 mg,<br />
2. und 3. Tag 2 x 400 mg, 4. Tag 2 x 500 mg, dann 2 x 600 mg<br />
● Kontraindikationen: schwere Leberfunktionsstörung<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Ausschlag,<br />
Geschmacksstörungen, Parästhesien, bei Hämophilen steigt die<br />
Blutungsneigung!<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: Voriconazol, Rifabutin, Antiarrhythmika, Antihistaminika<br />
(Terfenadin), Statine außer Pravastatin und Fluvastatin, Clozapin, Pimozid,<br />
Mutterkornalkaloide, Cisaprid, Sildenafil, Benzodiazepine, Hypnotika,<br />
Midazolam oral, Johanniskraut<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich: Delavirdin, Itraconazol, Ketoconazol, Loratadin,<br />
Antikonvulsiva, Ca-Antagonisten, Steroide (auch inhalative), Haloperidol,<br />
Risperidon, Antidepressiva, Vinkaalkaloide, Immunsuppressiva, Warfarin,<br />
Tadalafil, Vardenafil, Methadon, Midazolam iv., Zolpidem<br />
● Ritonavir senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere<br />
kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!<br />
53
Therapie<br />
54<br />
Prezista® (Darunavir) OP à 120 Filmtabletten<br />
● Dosierung: 2 x tgl. 600mg zusammen mit 2 x tgl. 100mg Ritonavir zu den<br />
Mahlzeiten<br />
● Kontraindikationen: schwere Leberfunktionsstörung, Vorsicht bei<br />
Sulfonamidallergie!<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen,<br />
Hypertriglyderidämie, Schlaflosigkeit<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: weitere Proteaseinhibitoren, Voriconazol, Rifampicin,<br />
Antiarrhythmika, Antihistaminika, Steroide (auch inhalative), Simvastatin,<br />
Lovastatin, Neuroleptika, Mutterkornalkaloide, Cisaprid, Triazolam, Midazolam<br />
oral, Vinkaalkaloide, Johanniskraut<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich: Efavirenz, Maraviroc, Itraconazol und Ketoconazol bis<br />
200mg/Tag, Rifabutin, Clarithromycin, Antikonvulsiva, Calciumantagonisten,<br />
Dexamethason, Atorvastatin, Pravastatin, Digoxin, Immunsuppressiva,<br />
Östrogene zur Hormonersatztherapie, Methadon, Warfarin, PDE5-Hemmer,<br />
Midazolam iv.,<br />
● Darunavir senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere oder<br />
zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!<br />
Telzir® (Fosamprenavir) OP à 60 Tbl. zu 700 mg<br />
● Dosierung: 2 x tgl. 700mg mit 2 x tgl. 100mg Ritonavir<br />
● Kontraindikationen: schwere Leberfunktionsstörung, Vorsicht bei<br />
Sulfonamidallergie!<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen,<br />
Hautreaktionen bei Hämophilen steigt die Blutungsneigung, selten Steven-<br />
Johnson-Syndrom<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: Tenofovir, Lopinavir, Rifampicin, Ketoconazol, Itraconazol,<br />
Antiarrhythmika, Carbamazepin, Phenobarbital, Antihistaminika, Simvastatin,<br />
Lovastatin, Neuroleptika, Mutterkornalkaloide, Cisaprid, Halofantrin, Lidocain<br />
systemisch, inhalative Glucocorticoiddde außer Beclomethason, PDE5-<br />
Hemmer (SIldenafil u.a.), Östrogene zur Hormonersatztherapie, Triazolam,<br />
Midazolam oral, Johanniskraut, Dexamethason<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich: Rifabutin, Clarithromycin, Phenytoin,<br />
Immunsuppressiva, Warfarin, Pravastain, Fluvastatin, Atorvastatin, trizykl.<br />
Antidepressiva, Paroxetin, Midazolam iv., Methadon<br />
● Fosamprenavir senkt Östrogenspiegel oraler Kontrazeptiva, deshalb andere,<br />
nicht hormonelle kontrazeptive Maßnahmen ergreifen!
Reyataz® (Atazanavir), OP à 60 Kps. zu 150mg, 200mg, OP à 30 Kps. Zu 300mg<br />
● Dosierung: 1 x tgl. 300mg, zusammen mit 100mg Ritonavir, zu den Mahlzeiten<br />
● Kontraindikationen: Leberinsuffizienz, Vorsicht bei Patienten mit<br />
Reizleitungsstörungen am Herzen<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Übelkeit, Kopfschmerzen, Hautausschlag, bei<br />
Hämophilen steigt die Blutungsneigung!<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: andere Proteasehemmer, Efavirenz, Nevirapin, Voriconazol,<br />
Clarithromycin, Rifampicin, Chinidin, Terfenadin, Warfarin, Bepridil, Omeprazol,<br />
Benzodiazepine, Mutterkornalkaloiden, Cisaprid, Pimozid, inhalative<br />
Corticosteroide außer Beclomethason, Simvastain, Lovastatin, Midazolam oral,<br />
Triazolam, Johanniskraut, hormonelle Kontrazeptiva<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich: Rifabutin, Ketoconazol und Itraconazol bis 200mg/<br />
Tag, Amiodaron, Lidocain systemisch, Ca-Antagonisten, Pravastatin,<br />
Fluvastatin, Atorvastatin, Irinotecan, Immunsuppressiva, Midazolam iv., PDE5-<br />
Hemmer, Antazida, H2-Rezeptorantagonisten<br />
Viracept® (Nelfinavir) OP à 300 Tbl. zu 250 mg, OP à 144 g Granulat mit 50 mg /g<br />
● Dosierung: 3 x tgl. (8-stdl.) 750 mg oder 2 x tgl. 1000mg - 1250 mg, zu den<br />
Mahlzeiten; zur Einnahme sollte immer eine Kleinigkeit gegessen werden<br />
● Kontraindikationen: schwere Leberfunktionsstörung<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Exanthem, Panzytopenie<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen: Indinavir, Delavirdin, Rifampicin, Terfenadin, Amiodaron, Chinidin,<br />
Carbamazepin, Phenobarbital, Pimozid, Cisaprid, Simvastatin, Lovastatin,<br />
Omeprazol, Triazolam, Sildanefil, Midazolam oral, Johanniskraut, hormonelle<br />
Kontrazeptiva<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich: Rifabutin, Phenytoin, Atorvastatin, Pravastatin,<br />
Fluvastatin, Methadon, Midazolam iv.<br />
Therapie<br />
55
Therapie<br />
56<br />
Entry-Inhibitoren<br />
Hannelore Mosthaf<br />
Fuzeon® (Enfuvirtid) OP à 60 Durchstechflaschen mit 108mg Enfuvirtid Trockensubstanz<br />
zur Injektion, die fertige Lösung enthält 90mg/ml<br />
● Dosierung: 2 x tgl. 90mg subcutan injizieren, Injektionsorte sind Bauch,<br />
Oberschenkel, Oberarm, Injektionsstelle immer wechseln!<br />
● Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen die Substanz, Vorsicht bei<br />
Patienten mit chron. Hepatitis!<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Juckreiz, Schwellung, Rötung an der Einstichstelle,<br />
lassen im Laufe der Therapie nach, Neurpoathie, Gewichtsabnahme<br />
● Wechselwirkungen: es wurden bisher keine schwerwiegenden<br />
Wechselwirkungen beobachtet<br />
Celsentri® (Maraviroc) OP à 60 Filmtabletten mit 150mg oder 300mg<br />
● Dosierung: 2 x tgl. 150mg - 600 mg, unabhängig von den Mahlzeiten,<br />
Dosierung ist abhängig von weiteren antiretroviralen Kombinationspartnern<br />
● Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen die Substanz, Erdnussallergie,<br />
Sojaeiweissallergie, Vorsicht bei eingeschränkter Nierenfunktion und<br />
gleichzeitiger Gabe von PI<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, Husten, Hautausschlag,<br />
Schwindel, Schlaflosigkeit<br />
● Wechselwirkungen:<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist kontraindiziert/nicht<br />
empfohlen:<br />
Efavirenz und Rifampicin gleichzeitig, Proteaseinhibitor und Rifabutin<br />
gleichzeititg, Johanniskraut<br />
● Die Kombination mit folgenden Arzneimitteln ist unter Dosisanpassung/<br />
Überwachung möglich:<br />
Proteaseninhibitoren, Efavirenz, Rifampicin, Rifabutin, Ketoconazol,<br />
Itraconazol, Clarithromycin
Integrase-Inhibitoren<br />
Hannelore Mosthaf<br />
Isentress® (Raltegravir)OP à 60 Filmtabletten mit 400mg Raltegravir<br />
● Dosierung: 2 x tgl. 400mg, unabhängig von den Mahlzeiten<br />
● Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen die Substanz, Vorsicht bei<br />
Leberfunktionsstörung!<br />
● Häufige Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Schwindel, Pruritus, Müdigkeit,<br />
Arthralgie<br />
● Wechselwirkungen: AM, die den PH-Wert im Magen erhöhen, erhöhen<br />
Raltegravirspiegel (z.B. H2-Rezeptorantagonisten, Protonenpumpen-hemmer),<br />
Rifampicin senkt Raltegravirspiegel, d.h. Dosis anpassen.<br />
Therapie<br />
57
Therapie<br />
58<br />
Pharmakokinetik und Wechselwirkungen<br />
antiretroviraler Substanzen<br />
Hartwig Klinker<br />
In der Behandlung der <strong>HIV</strong>-Infektion sind in den vergangenen 15 Jahren große<br />
Fortschritte erzielt worden. Derzeit stehen 22 Einzel-Medikamente aus 6 Substanzklassen<br />
zur Verfügung, zusätzlich 5 Präparate mit Fixkombinationen.<br />
Angesichts der Notwendigkeit einer ständigen Kombination mehrerer antiretroviraler<br />
Wirkstoffe und lebenslanger Medikation sowie oft gleichzeitiger Gabe weiterer Pharmaka<br />
zur Behandlung opportunistischer Infektionen oder von Begleiterkrankungen spielen<br />
pharmakologische Wechselwirkungen und die Beachtung der Pharmakokinetik (PK) der<br />
einzelnen Substanzen eine überragende Rolle im Langzeit-Management der <strong>HIV</strong>-<br />
Infektion. Hierzu zählen auch geschlechtsspezifische Unterschiede in der <strong>HIV</strong>-Therapie<br />
(Florida et al., 2008).<br />
Der nachfolgende Artikel gibt einen Überblick über pharmakokinetische Kenngrößen der<br />
derzeit verfügbaren antiretroviralen Wirkstoffe sowie über wichtige<br />
Medikamenteninteraktionen. Wegen der Vielzahl möglicher Interaktionen ist ein<br />
zusätzlicher Rückgriff auf bestehende Datenbanken häufig von großem Nutzen.<br />
Mechanismen pharmakologischer Interaktionen<br />
Arzneimittelinteraktionen können pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Natur<br />
sein. Die Einflüsse eines Pharmakons auf den Organismus werden mit dem Begriff<br />
Pharmakodynamik beschrieben. Die Wirksamkeit einer Therapie ist für die <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
durch Senkung der HI-Viruslast und Anstieg der CD4-Zellzahl definiert.<br />
Pharmakodynamische Interaktionen beeinhalten, dass mehrere Pharmaka potenzierend,<br />
synergistisch, additiv oder antagonistisch in dasselbe biologische System, hier also die<br />
<strong>HIV</strong>-Replikation und seine Folgen für den Organismus, einwirken. Bei Kenntnis der<br />
Wirkmechanismen der beteiligten Substanzen sind diese Effekte meist vorhersagbar.<br />
Unter dem Begriff Pharmakokinetik werden alle Einflüsse des Organismus auf ein<br />
Pharmakon zusammengefasst, die letztlich das Schicksal der Substanz im Organismus<br />
bestimmen. Pharmakokinetische Interaktionen sind oft schwieriger zu erkennen und<br />
beziehen sich auf Alterationen der Absorption, des Transportes, der Verteilung, des<br />
Metabolismus und der Elimination. Dadurch kommt es zu Konzentrationsänderungen<br />
eines Pharmakons in Plasma und Geweben, oft mit der Folge einer Wirkungsverstärkung<br />
oder -abschwächung sowie Änderung des Nebenwirkungsprofils.<br />
Bereits eine Beeinflussung des gastralen pH, eine Komplexbildung, eine Hemmung der<br />
Magenentleerung, die Beeinflussung der gastrointestinalen Motilität oder des intestinalen<br />
Blutflusses kann durch eine Variation der Absorption eine signifikante Veränderung der<br />
Plasmaspiegel einer Substanz zur Folge haben.<br />
Medikamenteninteraktionen, die auf einer Beeinflussung der renalen Elimination durch<br />
Änderung der tubulären Sekretion oder glomerulären Funktion beruhen, spielen in Bezug<br />
auf die antiretrovirale Therapie eine untergeordnete Rolle. Lediglich für Nukleosidanaloga
ist mit einer gewissen Beeinflussung durch eine Komedikation mit Probenecid,<br />
Trimethoprim oder Aminoglykosid-Antibiotika zu rechnen.<br />
Dagegen kommt in der <strong>HIV</strong>-Therapie der Alteration des Transmembrantransportes und<br />
des Metabolismus durch Arneimittelinteraktionen eine große Bedeutung zu. Wesentlich<br />
beteiligt sind hier das Cytochrom P-450-System in der Darmmukosa und in der Leber<br />
sowie das P-Glykoprotein.<br />
Betroffen hiervon sind vor allem NNRTI und PI.<br />
Cytochrom P450<br />
Der für viele Pharmaka entscheidende hepatische Metabolismus erfolgt in einer Phase I -<br />
Reaktion vorwiegend als Oxidation am Cytochrom P450-Enzymsystem (CYP) des<br />
endoplasmatischen Retikulums. Die weitere Metabolisierung durch eine Phase II-Reaktion<br />
besteht z. B. aus einer Konjugation mit Schwefelsäure oder Glucuronsäure, die eine<br />
Ausscheidung des Substrates ermöglicht.<br />
Das mikrosomale Cytochrom P450-Enzymsystem mit über 70 Isoenzymen<br />
unterschiedlicher Genfamilien spielt eine bedeutende Rolle im Arzneimittel-Metabolismus.<br />
Besondere Bedeutung kommt den Isoenzymen CYPIA2, CYPIIC9, CYPIIC19, CYPIID6,<br />
CYPIIE1 und CYPIIIA4 zu, wobei über 50% des CYP-Gehaltes der Leber durch CYPIIIA4<br />
gebildet wird. Eine Auswahl wichtiger Substrate ist Tabelle 1 zu entnehmen.<br />
CYP IIIA4 CYP IID6 CYP IIC19<br />
Clarithromycin Codein Diazepam<br />
Cyclosporin Haloperidol Omeprazol<br />
Dapson Imipramin Proguanil<br />
Efavirenz Methadon<br />
Erythromycin Morphin<br />
Etravirin Paroxetin<br />
Fentanyl Propafenon<br />
Midazolam Tropisetron<br />
Nifedipin<br />
Östrogene<br />
Prednison<br />
Proteaseinhibitoren<br />
Sildenafil<br />
Tacrolimus<br />
Therapie<br />
59
Therapie<br />
60<br />
CYP IIC9 CYP IA2 CYP IIE1<br />
Celecoxib Coffein Äthanol<br />
Diclofenac Theophyllin Halothan<br />
Tab. 1: Substrate wichtiger Cytochrom P450 Isoenzyme (Auswahl)<br />
Cytochrom P450 kann durch Fremdstoffe (z. B. Pharmaka, auch Nahrungsbestandteile<br />
wie Grapefruitsaft-Komponenten), Hormone und Metabolite in seiner Aktivität moduliert<br />
werden. Eine Enzyminduktion führt zu einer erhöhten Clearance von Cytochrom P450 -<br />
abhängigen Pharmaka, was in der Regel mit einer verkürzten Halbwertszeit und<br />
niedrigeren Plasmakonzentrationen einhergeht. Die Inhibition des Enzymsystems geht<br />
umgekehrt mit einer Verringerung der Clearance, einer Verlängerung der Halbwertszeit<br />
und höheren Plasmaspiegeln einher. Tabelle 2 zeigt Inhibitoren und Induktoren einzelner<br />
Cytochrom P450-Isoenzyme.<br />
Inhibitor<br />
CYP-<br />
Isoenzym<br />
Induktor<br />
CYP-<br />
Isoenzym<br />
Amprenavir IIIA4 Carbamazepin IIIA4, IA2<br />
Atazanavir IIIA4 Efavirenz IIIA4<br />
Ciprofloxacin IA2 Johanniskraut IIIA4<br />
Clarithromycin IIIA4, IA2 Nevirapin IIIA4<br />
Fluconazol IIIA4, IIC19 Phenytoin IIIA4, IA2<br />
Indinavir IIIA4 Phenobarbital IIIA4, IA2<br />
traconazol IIIA4 Rauchen IA2<br />
Ketoconazol IIIA4 Rifampicin IIIA4, IIC19<br />
Lopinavir IIIA4 Rifabutin IIIA4<br />
Naringin (Grapefruitsaft) IIIA4 Ritonavir IA2<br />
Nelfinavir IIIA4 Tipranavir IIIA4<br />
Omeprazol IIC19<br />
Paroxetin IID6, IA2<br />
Ritonavir IIIA4<br />
Saquinavir IIIA4<br />
Tipranavir IIIA4<br />
Tab. 2: Wichtige Cytochrom P-450-Inhibitoren und -Induktoren<br />
Medikamente, die intensiv am Cytochrom P450 System (häufig handelt es sich um das<br />
Cytochrom P450IIIA4 - Isoenzym) verstoffwechselt werden, sind vielfältigen Interaktionen<br />
mit anderen Pharmaka unterworfen. Dies führt dazu, dass die Plasmakonzentrationen der<br />
verschiedenen Pharmaka intra- und interindividuell außerordentlich stark schwanken
können. Zu niedrige Plasmaspiegel sind häufig mit einem Wirkverlust der betreffenden<br />
Substanz, zu hohe Konzentrationen mit einer vermehrten Toxizität assoziiert.<br />
Allgemein werden pharmakokinetische Interaktionen für klinisch relevant erachtet, wenn<br />
eine zumindest 30%ige Änderung in der maximalen oder minimalen Substanz-<br />
Konzentration oder eine entsprechende Änderung der Fläche unter der Konzentrations-<br />
Zeit-Kurve (Area under curve = AUC) resultiert.<br />
Medikamenten-Wechselwirkungen am Cytochrom P-450-System sind allerdings nicht<br />
ausschließlich unerwünscht, sie können, gerade im Rahmen einer HAART, auch<br />
therapeutisch genutzt werden ('Ritonavir-Booster', s. u.). Veränderungen der Aktivität des<br />
Cytochrom P450 - Systems spielen nicht nur im Arneimittelmetabolismus in der Leber,<br />
sondern bereits in der Darmwand in Rolle. So wird die Konzentrationserhöhung von<br />
Saquinavir durch Ritonavir oder auch Grapefruitsaftkomponenten zum erheblichen Teil<br />
auf eine CYPIIIA4-Inhibition in der intestinalen Mukosa zurückgeführt.<br />
p-Glykoprotein<br />
P-Glykoprotein (P-GP) stellt ein wichtiges zelluläres Transportprotein dar. Es ist ein<br />
Produkt des multi drug resistance 1 (MDR 1) - Gens und wirkt ATP-abhängig als zelluläre<br />
"Efflux-Pumpe". P-Glykoprotein weist eine hohe Substratspezifität für diverse, strukturell<br />
unterschiedliche Pharmaka auf und kommt in verschiedenen epithelialen Zellen u.a. des<br />
Endothels, im Darm, in der Niere, der Leber oder in Lymphozyten vor. Es wurde gezeigt,<br />
dass u. a. <strong>HIV</strong>-Protease-Inhibitoren (PI) Substrate von P-GP sind.<br />
Im Gastrointestinaltrakt bewirkt P-Glykoprotein eine verminderte Absorption durch<br />
Zurückpumpen von Pharmaka in das Darmlumen. In der Leber führt P-GP zu einer<br />
verstärkten Elimination in die Galle, in der Niere wird die renale Elimination gefördert.<br />
Daneben wird P-GP im Bereich der Blut-Hirn-Schranke exprimiert und wirkt hier einer<br />
intracerebralen Penetration von Substanzen entgegen.<br />
Das Ausmaß der zellulären Expression entscheidet über die intrazelluläre Akkumulation<br />
des Wirkstoffes. So konnten bei einer erhöhten Expression von P-GP erniedrigte Spiegel<br />
von Saquinavir und Ritonavir in PBMC (peripheral blood mononuclear cells) <strong>HIV</strong>-infizierter<br />
Patienten gemessen werden.<br />
Der Polymorphismus des MDR1-Gens (C3435T des Exon 26) korreliert mit der<br />
Expression von P-GP, wobei Homozygote des T-Allels eine signifikant geringere<br />
Expression des P-GP zeigen als Homozygote für das C-Allel. Bei Afrikanern überwiegt<br />
das homozygote C Allel, während Europäer zu je 25% homozygot für T bzw. C sind, und<br />
zu 50% das heterzygote Allel vorliegt.<br />
P-GP-Substrate sind u. a. diverse Zytostatika, Digoxin, Chinidin, Cyclosporin A,<br />
Tacrolimus, Ondansetron, Loperamid, Erythromycin, Levofloxacin, Dexamethason,<br />
Atorvastatin, Lovastatin, Diltiazem, Verapamil, Terfenadin, Ranitiden, Losartan, Morphin,<br />
Phenytoin oder Rifampicin. P-GP kann induziert oder inhibiert werden. Damit scheint eine<br />
direkte Einflussnahme auf den intrazellulären Wirkspiegel möglich.<br />
Therapie<br />
61
Therapie<br />
62<br />
Pharmakokinetische Charakteristika<br />
antiretroviraler Medikamente<br />
Die Pharmakokinetik der einzelnen antiretroviralen Substanzen zeigt zwischen den<br />
Wirkstoffklassen, aber auch innerhalb dieser Klassen erhebliche Unterschiede (Tab 3 und<br />
4). Dies betrifft auch ihr Interaktionspotenzial.<br />
Wirkung Generic<br />
(Kürzel)<br />
FI<br />
CCR5-I<br />
NRTI<br />
NRTI<br />
NRTI<br />
NRTI<br />
Enfuvirtide (T-<br />
20)<br />
Maraviroc<br />
(MVC)<br />
Abacavir<br />
(ABC)<br />
Didanosin<br />
(ddI)<br />
Emtricitabin<br />
(FTC)<br />
Lamivudin<br />
(3TC)<br />
Handelsname Proteinbdg.<br />
(%)<br />
Fuzeon® 97 - 98<br />
T1/2<br />
(h)<br />
3,8 ±<br />
0,6<br />
Spitzenspiegel<br />
(ng/ml)<br />
Talspiegel<br />
(ng/ml)<br />
4.700 ± 500 1.400 ± 300<br />
Celsentri® 76 13,2 600 - 1.200 40 - 80<br />
Ziagen® ~ 50 20,5 * *<br />
Videx® < 5<br />
25 -<br />
40<br />
* *<br />
Emtriva® < 5 39 * *<br />
Epivir® < 35 12 * *<br />
NRTI Stavudin (d4T) Zerit® < 5 3,5 * *<br />
NRTI<br />
NRTI<br />
NtRTI<br />
NNRTI<br />
NNRTI<br />
Zalcitabin<br />
(ddC)<br />
Zidovudin<br />
(ZDV, AZT)<br />
Tenofovir<br />
(TDF)<br />
Efavirenz<br />
(EFV)<br />
Nevirapin<br />
(NVP)<br />
<strong>HIV</strong>ID® < 4 1 -3 * *<br />
Retrovir® 34 - 38 3 * *<br />
Viread® < 0,7 - 7,2<br />
Sustiva® > 99<br />
Viramune® ~ 60<br />
12 -<br />
18<br />
40 -<br />
55<br />
25 -<br />
30<br />
* *<br />
4.000 ± 1.100<br />
5.700<br />
NNRTI Etravirin (ETV) Intelence® 99,9 30-40 600 300<br />
II<br />
Raltegravir<br />
(RGV)<br />
Isentress® 83 9 2.050 65<br />
FI = Fusions-Inhibitor<br />
CCR5-I = CCR5-Korezeptor-Inhibitor<br />
NRTI = Nukleosidischer Reverse Transkriptase-Inhibitor<br />
NtRTI = Nukleotidischer Reverse Transkriptase-Inhibitor<br />
NNRTI = Nicht Nukleosidischer Reverse Transkriptase-Inhibitor<br />
1.700 ±<br />
1.000<br />
4.500 ±<br />
1.900
II = Integrase-Inhibitor<br />
* = Prodrugs, intrazelluläre Konzentration entscheidend<br />
Tab. 3: Charakteristika von Fusions-Inhibitoren, CCR5-Inhibitoren, Reverse Transkriptase-<br />
Inhibitoren und Integrase-Inhibitoren<br />
Fusionsinhibitoren (FI)<br />
Der einzige Fusions-Inhibitor, Enfurvitid, ist kein CYP-Substrat und beeinflusst dieses<br />
auch nicht. Daher spielen Wechselwirkungen hier keine Rolle.<br />
Es wird erwartet, dass Enfurvitid als Peptid in einem katabolen Prozess in seine<br />
Aminosäuren verstoffwechselt wird, wobei nachfolgend eine Wiederverwertung der<br />
Aminosäuren in der Gesamtkörperbilanz erfolgt.<br />
Nukleosidische Reverse Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) / Nukleotidische Reverse<br />
Transkriptase-Inhibitoren (NtRTI)<br />
Nukleosidische Reverse Transkriptase Inhibitoren werden durch Phosphorylierung erst<br />
intrazellulär in ihre wirksame Form überführt. Plasmakonzentrationen von NRTI<br />
korrelieren daher nicht mit Wirksamkeit (Kappelhoff et al. 2004). Eine Korrelation zur<br />
Wirksamkeit konnte dagegen mit intrazellulären Konzentrationen der entsprechenden<br />
Triphosphate nachgewiesen werden. Die Messung intrazellulärer NRTI-Konzentrationen<br />
ist allerdings methodisch sehr aufwendig und nicht etabliert.<br />
Die in der ART eingesetzten NRTI Abacavir, Azidothymidin, Didanosin, Emcitricitabin,<br />
Lamivudin, Stavudin und Tenofovir werden weder nennenswert am Cytochrom P450-<br />
System metabolisiert noch induzieren oder inhibieren sie die CYP-Enzyme. Es ist deshalb<br />
bei Kombination mit diesen Substanzen nicht mit relevanten Wechselwirkungen zu<br />
rechnen.<br />
Eine Ausnahme stellt die Kombination von Tenofovir mit Didanosin dar, hier muss die DDI-<br />
Dosierung von 400 mg/d auf 250 mg/d reduziert werden (s. u.).<br />
Die Ausscheidung erfolgt in erster Linie renal. Wechselwirkungen sind daher mit<br />
Substanzen möglich, die die renale Clearance oder die intrazelluläre Phosphorylierung<br />
beeinflussen (z. B. Amphotericin B, Cidofovir, Foscarnet, Tobramycin).<br />
Nicht Nukleosidische Reverse Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI)<br />
Im Gegensatz zu NRTIs werden NNRTIs nicht in die provirale DNA inkorporiert, sondern<br />
binden direkt und nicht-kompetitiv an die Reverse Transkriptase. Durch eine<br />
Komplexbildung wird eine katalytisch aktive Bindungsstelle des Enzyms blockiert.<br />
NNRTI werden intestinal gut und gleichmäßig resorbiert und erreichen eine<br />
Bioverfügbarkeit von 85 - 95%. Interindividuell können jedoch erhebliche Schwankungen<br />
auftreten. Die Metabolisierung erfolgt unter wesentlicher Beteiligung des Cytochrom P450<br />
Systems, weshalb es zu klinisch relevanten Interaktionen mit PI und anderer<br />
Begleitmedikation kommen kann (Smith et al., 2001).<br />
Die Halbwertszeiten der in Deutschland zugelassenen NNRTI Nevirapin (NVP), Efavirenz<br />
(EFV) und Etravirin (ETV) sind relativ lang (s. Tab. 3). Dies ermöglicht einerseits eine<br />
einmal (bis zweimal) tägliche Einnahme, andererseits können Arzneimittel-Interaktionen<br />
einen längerfristigen Einfluss auf die Plasmakonzentrationen der Substanzen haben.<br />
Efavirenz und Nevirapin sind moderate Induktoren von CYPIIIA4, sie induzieren hier auch<br />
Therapie<br />
63
Therapie<br />
64<br />
ihren eigenen Metabolismus. Auf CYPIIC9 und CYPIIC19 wirkt Efavirenz dagegen leicht<br />
inhibitorisch, weshalb es bei Substraten dieser Isoenzyme zu einer (meist geringen)<br />
Konzentrationssteigerung kommen kann. Etravirin ist ein Substrat und schwacher Induktor<br />
von CYPIIIa4 sowie Substrat und schwacher Inhibitor von CYPIIC9 und CYPIIC19.<br />
Protease-Inhibitoren (PI)<br />
Die Hemmung der viral codierten <strong>HIV</strong>-Protease, die das gag-pol-Polyprotein in seine<br />
Untereinheiten spaltet, führt zu einer Reifungshemmung der Viruspartikel, die somit nicht<br />
mehr infektiös sind.<br />
Die antivirale Aktivität von Protease-Inhibitoren ist gut korreliert mit der<br />
Plasmakonzentration der Substanzen (Kappelhoff et al. 2004). Die derzeit verfügbaren PI<br />
Atazanavir, Darunavir, Fosamprenavir, Indinavir, Lopinavir, Ritonavir, Saquinavir und<br />
Tipranavir unterliegen einem besonders ausgeprägten CYP-Metabolismus und sind<br />
außerdem in unterschiedlichem Ausmaß P-Glykoprotein-Substrate. Am CYP-System<br />
wirken sie vor allem inhibierend, an einigen Isoenzymen aber auch induzierend. Daher<br />
sind Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten in dieser Substanzklasse besonders<br />
häufig.<br />
Jeder PI hat sein eigenes Profil bezüglich seines CYP-Metabolismus und seiner CYPinhibierenden<br />
oder -induzierenden Eigenschaften. Prinzipiell werden alle Substanzen<br />
jedoch am CYP3A4 metabolisiert. Dieses CYP-Isoenzym wird auch in unterschiedlichem<br />
Ausmaß von den PI inhibiert, wobei Ritonavir die höchste inhibitorische Aktivität besitzt<br />
(>> Atazanavir > Indinavir = Amprenavir > Saquinavir). Diese wird seit einiger Zeit in der<br />
Durchführung einer PI-haltigen HAART regelmäßig therapeutisch genutzt: Ritonavir<br />
verbessert auch in geringer Dosierung (100-200 mg/d) dank seiner ausgeprägten CYP-<br />
Inhibition die Pharmakokinetik gleichzeitig gegebener anderer PI, sodass diese überhaupt<br />
erst ausreichend wirksam sind bzw. in geringerer Dosierung und/oder größerem zeitlichen<br />
Abstand verabreicht werden können.<br />
Dieser 'Booster-Effekt' führt zu einer erheblichen Verbesserung eines PI-haltigen HAART-<br />
Regimes und über die Verminderung der 'Pillenlast' auch der Therapie-Adhärenz.<br />
Ritonavir führt neben seiner CYP3A4-Inhibition auch zu einer CYP2D6-Inhibition,<br />
daneben induziert Ritonavir CYP1A2.<br />
Tipranavir, ein nicht-peptidischer PI, ist im Gegensatz zu den anderen Protease-<br />
Inhibitoren vornehmlich ein CYP3A4-Induktor.<br />
Wirkung Generic (Kürzel) Handelsname Proteinbdg.<br />
(%)<br />
PI<br />
Fosamprenavir<br />
(FAPV)<br />
T1/2<br />
(h)<br />
Spitzenspiegel<br />
(ng/ml)<br />
Talspiegel<br />
(ng/ml)<br />
Telzir® 90 ~ 7 6.800 2.100<br />
PI Darunavir (DRV) Prezista® 95 15 5.200 ± 1.600<br />
PI Atazanavir (ATV) Reyataz® 87 > 12 5.000 ± 2.000<br />
PI Indinavir (IDV) Crixivan® 60 - 65<br />
1,5 -<br />
2<br />
2.200 ±<br />
1.100<br />
2.000 ±<br />
1.000<br />
9.000 ± 2.900 180 ± 130
PI<br />
Lopinavir/RTV<br />
(LPV/r)<br />
PI Nelfinavir (NFV) Viracept® > 98<br />
Kaletra® 98 - 99 5 - 6 9.600 ± 4.400<br />
3,5 -<br />
5<br />
5.500 ±<br />
4.000<br />
4.000 ± 800 700 ± 400<br />
PI Ritonavir (RTV) Norvir® 89 -99 3 - 5 11.200 ± 3.600<br />
PI<br />
Saquinavir<br />
(SQV)<br />
3.700 ±<br />
2.600<br />
Invirase® 98 ~ 4 1.200 230<br />
PI Tipranavir (TPV) Aptivus® > 99,9 5 - 6 60 -100 µg/ml<br />
PI = Protease-Inhibitor<br />
* = Dosierung bei nicht vorbehandelten Patienten. Dosierung bei vorbehandelten<br />
Patienten 2 x 600 mg + 2 x 100 RTV<br />
Tab. 4: Charakteristika von Protease-Inhibitoren<br />
20 - 45 µg/<br />
ml<br />
CCR5- Korezeptor-Inhibitoren (CCR5-I)<br />
Maraviroc ist der bislang einzige zugelassene CCR5-Inhibitor. Die Substanz ist ein<br />
Substrat des CYP P450 3A4-Isoenzyms und kann durch Stoffe, die dieses CYP-Isoenzym<br />
induzieren oder inhibieren, in seiner Pharmakokinetik erheblich verändert werden. Daher<br />
wird eine Dosisanpassung von Maraviroc empfohlen, wenn gleichzeitig CYP3A4-<br />
Induktoren oder -inhibitoren gegeben werden.<br />
Nur unwesentlich zum Metabolismus von Maraviroc tragen die CYP-Isoenzyme CYP2C9,<br />
CYP2D6 und CYP2C19 bei.<br />
Studien an Lebermikrosomen und rekombinanten Enzymsystemen haben gezeigt, dass<br />
Maraviroc in klinisch relevanten Konzentrationen die CYP-Isoenzyme 1A2, 2B6, 2C8,<br />
2C9, 2C19, 2D6 und 3A4 nicht inhibiert.<br />
Integrase-Inhibitoren (II)<br />
Raltegravir wurde vor kurzer Zeit als erster Integrase-Inhibitor eingeführt. Der Wirkstoff<br />
wird nicht am CYP-System metabilisiert und führt weder zu einer Induktion von CYP3A4<br />
noch zu einer Inhibition der wichtigsten Cytochrom P450-Isoenzyme 1A2, 2B6, 2C8, 2C9,<br />
2C19, 2D6 oder 3A.<br />
Wie Studien mit Isoform-selektiven chemischen Hemmsubstanzen und cDNAexprimierten<br />
UDP-Glucuronosyltransferasen (UGT) gezeigt haben, wird Raltegravir<br />
hauptsächlich über die Glucuronosyltransferase 1A1 zum Raltegravir-Glucuronid<br />
abgebaut. Wesentliche Interaktionen mit Substanzen, die einem CYP-Metabolismus<br />
unterliegen, sind demnach nicht zu erwarten.<br />
Aus praktischen Erwägungen heraus erscheint es sinnvoll, pharmakologische<br />
Interaktionen zwischen den einzelnen <strong>HIV</strong>-Therapeutika selbst und solche zwischen<br />
antiretroviraler und sonstiger Medikation separat zu betrachten.<br />
Therapie<br />
65
Therapie<br />
66<br />
Pharmakologische Interaktionen zwischen antiretroviralen<br />
Substanzen<br />
Pharmakologische Interaktionen antiretroviraler Pharmaka mit NRTIs/NtRTIs sind<br />
insgesamt eher selten.<br />
Mit dem breiten Einsatz von Tenofovir sind jedoch überraschenderweise verschiedene<br />
Interaktionen offenkundig geworden, mit denen aufgrund des pharmakokinetischen Profils<br />
der Substanz nicht gerechnet worden war. So kommt es in Kombination mit Didanosin zu<br />
einer Erhöhung der Didanosin-Konzentrationen um fast 50%, weshalb eine<br />
Dosisreduktion von 400 mg auf 250 mg Didanosin erfolgen sollte, um eine vermehrte<br />
Didanosin-Toxizität zu verhindern (s.o.).<br />
Hingegen werden die Plasmakonzentrationen von Atazanavir um ca. 25% vermindert.<br />
Daher sollte bei Kombination mit Tenofovir Atazanavir nur in 'geboosteter' (s. o.) Form<br />
zusammen mit Ritonavir gegeben werden.<br />
Die NNRTI Efavirenz, Etravirin und Nevirapin sind Substrate von CYPIIIA4 und haben<br />
eine überwiegend induzierende Wirkung auf dieses Isoenzym.<br />
Nevirapin senkt die Plasmakonzentrationen von Lopinavir, Indinavir und Saquinavir<br />
deutlich, geringfügig die von Ritonavir, während die Konzentrationen von Nelfinavir etwas<br />
ansteigen (Tab. 5). Die Nevirapin-Konzentrationen bleiben weitgehend unbeeinflusst.<br />
Nevirapin<br />
Efavirenz<br />
Saquinavir Ritonavir Indinavir Nelfinavir Fosamprenavir<br />
SQV↓ 25% NVP<br />
↔<br />
SQV↓ 62% EFV↓<br />
12%<br />
RTV↓ 15%<br />
NVP ↔<br />
RTV↑ 18%<br />
EFV↓ 21%<br />
Etravirin SQV ↓ 5% ETV ↓ 46%<br />
IDV↓ 28%<br />
NVP ↔<br />
NFV↑ 10%<br />
NVP↓ 10%<br />
IDV↓ 31% NFV↑ 20% APV↓ 36%<br />
IDV ↓ 46%<br />
ETV ↑50%<br />
? APV ↑ 69%<br />
Lopinavir Atazanavir Darunavir Tipranavir<br />
Nevirapin LPV↓ 55% ATV↓ (?) DRV ↔ NVP ↑ 27% ?<br />
Efavirenz LPV↓ 40% EFV↔ ATV↓ 74% EFV↔<br />
Etravirin<br />
LPV ↓ 20% ETV ↑<br />
17%<br />
ATV ↓ 14-17% ETV ↑<br />
30%<br />
DRV ↓ 13% EFV ↑<br />
21%<br />
DRV ↑ 6% ETV ↓<br />
37%<br />
?<br />
TPV ↔ EFV ↔<br />
TPV ↑ 18% ETV ↓<br />
76%<br />
Tab. 5: Interaktionen zwischen NNRTI und PI (Fettdruck: klinisch relevante Interaktionen)<br />
Efavirenz induziert oder inhibiert die Aktivität von CYP abhängig von der jeweiligen<br />
Begleitmedikation. Die Konzentrationen von Fosamprenavir, Indinavir, Lopinavir und<br />
Saquinavir werden durch den induzierenden Einfluss von Efavirenz auf CYPIIIA4<br />
abgesenkt, die Konzentrationen von Ritonavir und Nelfinavir steigen um ca. 20% an,<br />
möglicherweise durch Inhibition von CYPIIC9 oder CYPIIC19. Die Efavirenz-
Konzentrationen ändern sich unwesentlich (Tab. 5). Bei einer Kombination von Efavirenz<br />
mit Nevirapin muss mit einer Verminderung der Efavirenz-Exposition um 22% gerechnet<br />
werden.<br />
Die Therapie mit PI ist mit zahlreichen, klinisch bedeutsamen Interaktionen behaftet.<br />
Ritonavir ist einer der potentesten CYP P450-Inhibitoren überhaupt und interagiert<br />
deshalb mit einer großen Zahl von Pharmaka, so auch mit anderen PI und mit NNRTI.<br />
Allerdings ist auch bei den anderen <strong>HIV</strong>-Protease-Inhibitoren mit Wechselwirkungen<br />
untereinander zu rechnen (Tab. 6).<br />
SQV ·<br />
RTV<br />
IDV<br />
NFV<br />
Saquinavir Ritonavir Indinavir Nelfinavir Fosamprenavir<br />
SQV ↑ 2000%<br />
RTV↔<br />
SQV + 400-<br />
700% IDV ↔<br />
SQV↑ 300-<br />
500% NFV↑<br />
20%<br />
SQV ↑ 2000%<br />
RTV↔<br />
SQV ↑ 400-700%<br />
IDV ↔<br />
· IDV↑ 200-500%<br />
IDV↑ 200-500% ·<br />
NFV↑ 150%<br />
RTV↔<br />
FPV APV↓ 32% APV↑ 500%<br />
LPV SQV↑ (%?)<br />
LPV↑ (%?) (fixe<br />
Kombination)<br />
ATV SQV↑ 449% ATV↑ 238%<br />
DRV<br />
SQV ↔ DRV<br />
↓ 26%<br />
DRV ↑ 14000%<br />
IDV↑ 50% NFV↑<br />
80%<br />
APV↑ 33% IDV↓<br />
27%<br />
LPV↑ (%?) IDV ↑<br />
(%?)<br />
Keine<br />
Komedikation<br />
indiziert<br />
IDV ↑ 23% DRV ↑<br />
24%<br />
SQV ↑ 300-<br />
500% NFV↑<br />
20%<br />
NFV↑ 150%<br />
RTV↔<br />
IDV↑ 50%<br />
NFV↑ 80%<br />
APV↓ 32%<br />
APV↑ 500%<br />
APV↑ 33% IDV↓<br />
27%<br />
· APV ↑ 150%<br />
APV ↑ 150% ·<br />
? APV↑ (%?)<br />
? ?<br />
? ?<br />
TPV SQV ↓ 78% TPV ↑ (%?) ? ? APV ↓55%<br />
Lopinavir Atazanavir Darunavir Tipranavir<br />
SQV SQV↑ (%?) SQV↑ 449%<br />
RTV<br />
LPV↑ (%?) (fixe<br />
Kombination)<br />
IDV LPV↑ (%?) IDV ↑ (%?)<br />
SQV ↔ DRV ↓<br />
26%<br />
SQV ↓ 78%<br />
ATV↑ 238% DRV ↑ 14000% TPV ↑ (%?)<br />
Keine Komedikation<br />
indiziert<br />
IDV ↑ 23% DRV ↑<br />
24%<br />
NFV LPV↓ 27% NFV↑ 25%? ? ? ?<br />
FPV APV↑ (%?) ? ? APV ↓55%<br />
?<br />
Therapie<br />
67
Therapie<br />
68<br />
LPV · ?<br />
DRV ↓ 38% LPV<br />
↔<br />
ATV ? · ATV ↔ DRV ↔<br />
DRV DRV ↓ 38% LPV ↔ ATV ↔ DRV ↔ . ?<br />
TPV LPV ↓ 70% TPV ↑ 75% ATV ↓ 70% ? .<br />
LPV ↓ 70%<br />
TPV ↑ 75% ATV ↓<br />
70%<br />
Tab. 6: Interaktionen zwischen Protease-Inhibitoren (Fettdruck: klinisch relevante<br />
Interaktionen)<br />
Zu beachten ist, dass im Rahmen der Einführung neuer Substanzen immer mit neuartigen<br />
Wechselwirkungen zu rechnen ist, weshalb in diesen Fällen eine besonders genaue<br />
Beobachtung von Therapieerfolg einerseits und Nebenwirkungen andererseits angezeigt<br />
ist.<br />
Komplexe, bisher nicht bekannte Interaktionen in der antiretroviralen Therapie können<br />
jedoch auch bei neuartiger Kombination mit bereits bekannten Substanzen, z. B. Doppel-<br />
PI-Medikation in der Salvage-Therapie, auftreten. So wurden unter einer APV/LPV/r-<br />
Therapie sowohl die APV- als auch die LPV-Plasmakonzentrationen deutlich erniedrigt<br />
gefunden.<br />
Raltegravir als derzeit einziger Integrase-Inhibitor wird nicht am CYP-System metabilisiert<br />
und führt weder zu einer Induktion von CYP3A4 noch zu einer Inhibition der wichtigsten<br />
Cytochrom P450-Isoenzyme IA2, IIB6, IIC8, IIC9, IIC19, IID6 oder IIIA (s.o.). Bei<br />
gleichzeitiger Anwendung von geboostertem Atazanavir oder Tipranavir wird ebenso<br />
wenig eine Dosisanpassung empfohlen wie für die Kombination mit Tenofovir und<br />
Efavirenz. Die Datenlage ist insgesamt aber noch begrenzt.<br />
Der CCR5-Inhibtor Maraviroc ist ein Substrat des CYP P450 3A4-Isoenzyms und kann<br />
durch Stoffe, die dieses CYP-Isoenzym induzieren oder inhibieren, in seiner<br />
Pharmakokinetik erheblich verändert werden. So ist die Standarddosierung von 2 x 300<br />
mg/d bei gleichzeitiger Gabe eines Protease-Inhibitors infolge der CYPIIIA4-Hemmung<br />
auf 2 x 150 mg/d zurück zu nehmen. Ausnahmen stellen geboostertes Fosamprenavir und<br />
Tipranavir dar, hier kann die normale Maraviroc-Dosierung gegeben werden.<br />
In Kombination mit NRTIs wurden keine wesentlichen Interaktionen beobachtet, auch bei<br />
Kombination mit Nevirapin ist die Maraviroc-Dosierung 2 x 300 mg/d. Dagegen muss die<br />
Dosierung bei Kombination mit Efavirenz wegen der deutlichen CYPIIIA4-Induktion auf 2 x<br />
600 mg/d erhöht werden.<br />
Für den Fusions-Inhibitor Enfuvirtid sind bislang keine relevanten Arzneimittel-<br />
Interaktionen bekannt.<br />
Pharmakologische Interaktionen zwischen antiretroviralen<br />
Medikamenten und anderen Substanzklassen<br />
Wechselwirkungen zwischen NRTIs/NtRTIs und anderen Substanzen sind vor allem<br />
möglich, wenn die renale Clearance oder die intrazelluläre Phosphorylierung beeinflusst<br />
werden. So kommt es z. B. bei einer Komedikation mit Probenecid zu einer
Ausscheidungshemmung von AZT.<br />
In vitro konnte gezeigt werden, dass Ribavirin die Phosphorylierung von AZT und d4T<br />
herabsetzt. Auf eine Kombination sollte daher, ebenso wie auf die Kombination von DDI<br />
mit Ribavirin, verzichtet werden.<br />
Die NNRTI Efavirenz und Nevirapin sind Substrate des CYP-Systems, beeinflussen seine<br />
Aktivität und haben daher ein erhebliches Interaktionspotenzial.<br />
Nevirapin senkt die Konzentration von Ketonazol um ca. 60% bei gleichzeitiger Nevirapin-<br />
Konzentrationserhöhung um 15-30%, weshalb diese Kombination nicht empfohlen wird.<br />
Zur Komedikation von Efavirenz mit Ketoconazol gibt es kaum Daten, hier muss allerdings<br />
ebenso mit Interaktionen gerechnet werden wie bei einer Kombination von Efavirenz oder<br />
Nevirapin mit Voriconazol.<br />
Die Nevirapin-Konzentration ist unter einer Begleittherapie mit Rifampicin um 20-60%,<br />
unter einer Medikation mit Rifabutin um 16% abgesenkt, was die antivirale Wirksamkeit<br />
von NVP absenken kann. Andererseits ist eine additive Lebertoxizität zu beachten. Unter<br />
Rifampicin ist die Efavirenz-Konzentration um ca. 25% erniedrigt. Es ist deshalb eine<br />
Dosiserhöhung von EFV auf 800 mg/d in Erwägung zu ziehen. Rifabutin verändert die<br />
EFV-Konzentration kaum.<br />
Clarithromycin-Plasmakonzentrationen werden unter NVP um ca. 26%, unter EFV um ca.<br />
39% abgesenkt.<br />
Eine Interaktion zeigt sich auch zwischen oralen Kontrazeptiva und NNRTI. So ist unter<br />
NVP der Ethinylestradiol-Spiegel um 20% erniedrigt. Es sollten daher zum sicheren<br />
Konzeptionsschutz andere oder zusätzliche Maßnahmen angewendet werden. EFV<br />
erhöht hingegen die Estradiol-Spiegel um ca. 37%.<br />
Antikonvulsiva wie Carbamazepin, Phenobarbital oder Phenytoin sollten mit Vorsicht unter<br />
regelmäßiger Kontrolle des Serumspiegels angewendet werden, wenngleich zu<br />
Interaktionen mit NNRTI bislang nur wenige Daten vorliegen. Eine Interaktion von NVP<br />
mit Antikoagulantien wie Warfarin ist dagegen beschrieben; es wird eine Erhöhung der<br />
Warfarindosis empfohlen.<br />
Berücksichtigt werden muss in jedem Fall eine Wechselwirkung mit Methadon. Sowohl<br />
NVP als auch EFV führen zu Erniedrigungen der Methadon-Konzentration, so dass ohne<br />
eine entsprechende Dosisanpassung Entzugssymptome auftreten können.<br />
Etravirin als neu eingeführter NNRTI ist hinsichtlich relevanter Arzneimittel-Interaktionen<br />
noch nicht sehr umfangreich untersucht. Aufgrund seines Metabolismus muss mit<br />
zahlreichen Wechselwirkungen gerechnet werden und ein genaues Monitoring bei<br />
verschiedenster Komedikation erfolgen.<br />
Nicht empfohlen wird eine Kombination mit Diazepam, Johanniskraut-Präparaten, den<br />
Antikonvulsiva Carmamazepin, Phenobarbital und Phenytoin sowie Rifampicin. Vorsicht<br />
ist geboten bei der gleichzeitigen Anwendung von Clarithromycin, Rifabutin,<br />
Dexamethason, diversen Antiarrhythmika, HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren, den<br />
Immunsuppressiva Ciclosporin, Sirolimus und Tacrolimus, sowie den Phosphodiesterase-<br />
Inhibitoren Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil.<br />
Keine Dosisanpassungen werden derzeit für die Komedikation mit Digoxin, Azithromycin,<br />
Azol-Antimykotika, Ribavirin, östrogen- und/oder progesteronhaltigen Kontrazeptiva,<br />
Therapie<br />
69
Therapie<br />
70<br />
Ranitidin, Omeprazol, Methadon und Paroxetin für notwendig gehalten.<br />
Protease-Inhibitoren werden intensiv am CYP-System in der Darmmukosa und in der<br />
Leber metabolisiert, daneben sind sie Substrate des P-Glykoproteins. Pharmakologische<br />
Interaktionen mit anderen Substanzen sind daher geradezu an der Tagesordnung. Dabei<br />
müssen nicht nur Einflüsse der PI auf die Komedikation, sondern auch umgekehrt z. T.<br />
erhebliche Einflüsse der Komedikation auf die PI-Plasmakonzentrationen<br />
Berücksichtigung finden.<br />
Wegen der Vielzahl der Pharmaka und der möglichen Interaktionen ist dabei häufig ein<br />
Rückgriff auf die Medikamenten-Fachinformation, Übersichtsartikel (Aberg 2008, Antoniou<br />
et al. 2002, Dasgupta et al. 2001, de Maat et al. 2003, Piscitelli et al. 2001, Robertson et<br />
al. 2007, Warnke et al. 2007) oder entsprechende pharmakologische Datenbanken<br />
notwendig. Für den Bereich der <strong>HIV</strong>-Therapie relevante Datenbanken finden sich unter:<br />
● http://www.hiv-druginteractions.org<br />
● http://www.hivinsite.com<br />
● http://www.aidsinfo.nih.gov<br />
● http://www.drug-interactions.com<br />
● http://www.hivmedicationguide.com<br />
● http://www.hivpharmacology.com/<br />
An dieser Stelle kann nur exemplarisch auf einige, wichtige Interaktionen eingegangen<br />
werden. Unter einer Begleitmedikation mit Rifampicin ist mit einer drastischen<br />
Verminderung von PI-Plasmakonzentrationen um 80-90% zu rechnen. Diese<br />
Komedikation ist deshalb zu vermeiden, allenfalls kann unter PI-Boosterung mit RTV und<br />
ggf. zusätzlicher Dosisanpassung unter engmaschigem Therapeutischen Drug Monitoring<br />
ein therapeutischer PI-Spiegel erreicht werden.<br />
Rifabutin erniedrigt die PI-Konzentrationen um durchschnittlich ca. 30%, es kommt<br />
allerdings zu einer Erhöhung des Rifabutin-Spiegels um das 2 -4fache. Es ist deshalb<br />
eine Dosisreduktion von Rifabutin auf 1 x 150 mg/d oder 1 x 300 mg dreimal pro Woche<br />
erforderlich.<br />
Ein erhebliches Interaktionspotenzial ist auch bei einer Komedikation mit Statinen zur<br />
Cholesterinsenkung gegeben. Insbesondere ist hier mit einem deutlichen Anstieg der<br />
Statinkonzentration zu rechnen. Dies betrifft vor allem Atorvastatin, Lovastatin und<br />
Simvastatin. Aufgrund ihres weitgehend CYP P450 - unabhängigen Metabolismus ist<br />
diese Interaktion bei Pravastatin und Fluvastatin nur gering ausgeprägt.<br />
Die AUC von Sildenafil ist unter einer Begleitmedikation mit PI um das 2 - 11fache, die<br />
AUC von Vardenafil unter IDV um das 16fache, unter RTV um das 49fache erhöht. Diese<br />
Substanzen sollten deshalb einschleichend mit einer niedrigen Dosis (Sildenafil 25 mg in<br />
48 Stunden, Vardenafil 2,5 mg in 72 Stunden) gegeben werden, daneben eine genaue<br />
Beobachtung unerwünschter Wirkungen erfolgen.<br />
Beachtet werden sollten Interaktionen mit oralen Kontrazeptiva. Überwiegend kommt es<br />
unter PI zur Absenkung von Ethinylestradiol um bis zu 40%, was zusätzliche<br />
Kontrazeptionsmaßnahmen erforderlich macht. IDV und ATV führen jedoch zu einer
Erhöhung der Ethinylestradiol-AUC.<br />
Bei der gleichzeitigen Anwendung von Benzodiazepinen ist mit<br />
Konzentrationserhöhungen dieser Substanzgruppe mit konsekutiver Wirkungsverstärkung<br />
zu rechnen. So kann es z. B. im Rahmen einer Midazolam- Medikation vor<br />
endoskopischen Eingriffen o. ä. zu einer relevanten Atemdepression kommen, weshalb<br />
die Kombination entweder ganz zu vermeiden ist oder die Möglichkeit einer lückenlosen<br />
klinischen Überwachung gegeben sein sollte.<br />
Die Konzentrationen von Methadon werden von den einzelnen PI ebenfalls<br />
unterschiedlich beeinflusst. Erniedrigungen sind unter einer Komedikation mit RTV<br />
beschrieben, ebenso mit FPV. Hier kann es zu Entzugserscheinungen kommen.<br />
Insgesamt existieren hierzu jedoch noch wenige verlässliche Daten, was sicherlich auch<br />
auf das oft schwierige Umfeld dieser Patienten zurückzuführen ist.<br />
Dies trifft auch zu auf die Interaktion von PI mit diversen Designerdrogen. Beschrieben<br />
sind Wechselwirkungen mit u. a. Amphetaminen, Lysergsäurediethylamid (LSD),<br />
Gammahydroxybutyrat (GHB), Ketamin und Phencyclidine (PCP) (Antoniou et al. 2002).<br />
Zu rechnen ist insbesondere mit einer Inhibition des Metabolismus dieser Substanzen mit<br />
der konsekutiven Möglichkeit einer Überdosierung. Die Patienten sollten bei Beginn einer<br />
PI-, aber auch NNRTI-Therapie unbedingt auf diese Gefahren hingewiesen werden.<br />
Allgemein unterschätzt werden pharmakologische Interaktionen diverser Pharmaka mit<br />
Nahrungsbestandteilen und pflanzlichen Arzneimitteln.<br />
So kann der Genuss von Grapefruitsaft über eine Inhibition von CYPIIIA4 in der<br />
Darmmukosa zu einer erheblichen Erhöhung von Saquinavir-Plasmakonzentrationen<br />
führen (s. o.), Indinavir-Spiegel finden sich dagegen eher erniedrigt (26%).<br />
Die Einnahme von Knoblauch kann, überwiegend über eine Hemmung der CYP-Systeme,<br />
in geringerem Ausmaß auch über eine Inhibition des P-GP, erhöhte PI-Wirkspiegel<br />
bewirken.<br />
Besonders intensive Interaktionen bestehen zwischen Johanniskraut (St. John’s wort) und<br />
Protease-Inhibitoren. Über eine Induktion von CYPIIIA4 und eine erhöhte Expression von<br />
P-Glykoprotein resultiert eine deutliche Erniedrigung von PI-Plasmakonzentrationen.<br />
Durch Johanniskraut werden darüber hinaus viele andere CYPIIIA4-Substrate (s. o.) in<br />
ihrer Aktivität beeinflusst.<br />
Da sich PI und NNRTI sehr unterschiedlich in Bezug auf Interaktionen mit diversen<br />
Substanzen verhalten und die Vielfalt möglicher Wechselwirkungen immens ist, sollten<br />
vor Beginn einer Interaktions-wahrscheinlichen Komedikation Interaktionstabellen<br />
(Literatur, Internetadressen s. o.) zu Rate gezogen werden.<br />
Denkbar sind Interaktionen besonders bei Koadministration von Azolantimykotika,<br />
Tuberkulostatika, Makrolidantibiotika, Calciumantagonisten, oralen Kontrazeptiva, CSE-<br />
Inhibitoren, Antiepileptika, Immunsuppressiva, Methadon, Pharmaka zur Therapie der<br />
erektilen Dysfunktion und Johanniskraut-haltigen Präparaten.<br />
Für den Fusions-Inhibitor Enfuvirtid sind bislang keine relevanten Arzneimittel-<br />
Interaktionen bekannt.<br />
Der Integrase-Inhibitor Raltegravir wird hauptsächlich über UGT1A1 verstoffwechselt und<br />
ist weder Substrat noch Induktor oder Inhibitor der CYP-Enzyme, weshalb das<br />
Interaktionspotenzial generell gering ist.<br />
Rifampicin ist allerdings nicht nur ein CYP-Enzym-, sondern auch ein starker UGT1A1-<br />
Therapie<br />
71
Therapie<br />
72<br />
Induktor. Es ist deshalb mit einer Erniedrigung der Raltegravir-Plasmaspiegel zu rechnen.<br />
Ggf. ist eine Verdoppelung der Raltegravir-Dosis vorzunehmen. Die Kombination mit<br />
magensäurehemmenden Medikamenten kann zu einer erheblichen Erhöhung der AUC<br />
von Raltegravir (z. B. 312% unter Omeprazol) führen und sollte deshalb vermieden<br />
werden. Inhibitoren der UGT1A1 (z. B. Atazanavir) können die Raltegravir-Plasmaspiegel<br />
erhöhen.<br />
Bei Komedikation mit Midazolam ist keine Dosisanpassung notwendig.<br />
Interaktionen mit dem CCR5-Inhibitor Maraviroc sind häufig, da die Substanz ein<br />
CYPIIIA4-Substrat ist. Bei Gabe von Rifampicin muss die Maraviroc-Dosierung auf 2 x<br />
600 mg/d erhöht. Eine Komedikation mit Johanniskraut sollte unterbleiben, da mit einem<br />
deutlichen Abfall der Maraviroc-Konzentration zu rechnen ist. Bei gleichzeitiger<br />
Behandlung mit Clarithromycin, Telithromycin, Ketoconazol oder Itraconazol ist die<br />
Maraviroc-Dosierung auf 2 x 150 mg/d zurück zu nehmen. Keine Dosisanpassung ist<br />
erforderlich bei Komedikation mit Sulfamethoxazol/Trimethoprim, Fluconazol, HCV-<br />
Therapeutika, Methadon, Buprenorphin, CSE-Inhibitoren, Ethinylestradiol oder<br />
Midazolam. Diese Empfehlungen beruhen allerdings mehr auf Annahmen als auf<br />
durchgeführten pharmakokinetischen Untersuchungen. Vorsicht ist also in jedem Fall<br />
angebracht.<br />
Da in der antiviralen Therapie der <strong>HIV</strong>-Infektion kontinuierlich ausreichende Wirkspiegel<br />
der Medikamente notwendig sind, um die Entstehung von Resistenzmutationen des Virus<br />
zu verhindern, andererseits vielfältige Beeinflussungen dieser Wirkspiegel durch z. B.<br />
pharmakologische Interaktionen möglich sind, sind zusätzliche Instrumente zur<br />
Therapieüberwachung und -optimierung notwendig. Eine Möglichkeit hierzu eröffnet das<br />
Therapeutische Drug Monitoring (TDM).<br />
Literatur:<br />
● Aberg JA. Perspective: Drug-drug interactions with newer antiretroviral agents. Top <strong>HIV</strong><br />
Med 2008; 16: 146-150<br />
● Antoniou T, Lin-in Tseng A. interactions between recreational drugs and antiretroviral<br />
agents. Ann Pharmacother 2002; 36: 1598-1613<br />
● Dasgupta A, Okhuysen PC. Pharmakokinetic and other drug interactions in patients with<br />
AIDS. Ther Drug Monit 2001; 23: 591-605<br />
● de Maat MMR, Ekhart GC, Huitema ADR, Koks CHW et al.. Drug interactions between<br />
antiretroviral drugs and comedicated agents. Clin Pharmacokinet 2003;42: 223-282<br />
● Florida M, Giuliano M, Palmisano L, Vella S. Gender differences in the treatment of <strong>HIV</strong>infection.<br />
Pharmacol Res 2008; 58: 173-182<br />
● Klinker H. Pharmakologische Interaktionen bei der antiretroviralen Therapie.<br />
Arzneimitteltherapie 2005; 23: 80-88<br />
● Piscitelli SC, Gallicano KD. Drug therapy: Interactions among drugs for <strong>HIV</strong> and<br />
opportunistic infections. N Engl J Med 2001; 344: 984-996<br />
● Robertson SM, Penzak SR, Pau A. drug interactions in the management of <strong>HIV</strong><br />
infection: an update. Expert Opin Pharmacother 2007; 8: 2947-2963<br />
● Smith PF, DiCenzo R, Morse GD. Clinical pharmacokinetics of non-nucleoside reverse<br />
transcriptase inhibitors. Clin Pharmacokinet 2001; 40: 893-905<br />
● Warnke D, Barreto J, Temesgen Z. Antiretroviral Drugs. J Clin Pharmacol 2007; 47:<br />
1570-1579
Therapeutisches Drug Monitoring<br />
Hartwig Klinker<br />
Als Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) bezeichnet man die Messung der<br />
systemischen Wirkkonzentration eines Pharmakons und eine auf dieser<br />
Konzentrationsmessung beruhende Dosisanpassung einer Medikation.<br />
Im Bereich der <strong>HIV</strong>-Therapie hat sich ein TDM von Protease-Inhibitoren und Nicht<br />
Nukleosidischen Reverse Transkriptase Inhibitoren als hilfreich erwiesen (Übersichten<br />
Aarnoutse et al. 2003, Clevenbergh et al. 2004, Klinker und Langmann 2003, Rendón et<br />
al. 2005).<br />
Plasmakonzentrationen von NRTI korrelieren unzureichend mit der virologischen<br />
Wirksamkeit, da sie erst intrazellulär in ihre wirksame Form überführt werden müssen.<br />
Eine direkte Beziehung des Erfolgs der antiretroviralen Therapie und der systemischen<br />
Wirkstoffmenge ist dagegen für PI und NNRTI belegt. Andererseits besteht auch ein<br />
Zusammenhang zum Auftreten von toxischen Wirkungen. Daher ist unter klinischen<br />
Bedingungen eine Messung von NNRTI- und PI-Plasmakonzentrationen grundsätzlich<br />
sinnvoll, nicht jedoch ein TDM von NRTI.<br />
Zum TDM von NNRTI und PI stehen vor allem HPLC-basierte Methoden zur Verfügung.<br />
Indikationen<br />
Ein TDM von NNRTI und PI sollte immer dann durchgeführt werden, wenn ein<br />
Wahrscheinlichkeitsprofil für besonders niedrige oder besonders hohe<br />
Wirkstoffkonzentrationen besteht. Es steht somit ein Instrument zur Verfügung,<br />
Risikosituationen für ein Therapieversagen oder eine ART-Toxizität frühzeitig zu erkennen<br />
und zu reagieren, bevor manifeste klinisch-laborchemische Veränderungen auftreten<br />
(Abb. 1).<br />
Therapeutisches Drug Monitoring<br />
ermöglicht eine Orientierung über die individuellen Wirkspiegel<br />
einzelner Medikamente und damit einen<br />
wertvollen Informationsgewinn für die Therapieführung.<br />
Entsprechend der gültigen nationalen Leitlinien (s. www.daignet.de/site-content/hivtherapie/leitlinien-1)<br />
ist eine Medikamentenspiegelkontrolle bei folgenden therapeutischen<br />
Situationen indiziert:<br />
● komplexen Wirkstoffkombinationen und Begleitmedikationen, die zu<br />
Interaktionen führen können<br />
● mangelnder Wirksamkeit eines Wirkstoffes oder einer Wirkstoffkombination (DD<br />
Resistenz)<br />
● Hinweisen auf eine Absorptionsstörung<br />
● dem Auftreten toxischer Effekte<br />
● deutlich eingeschränkter Leberfunktion (z. B. bei chronischer Hepatitis)<br />
Therapie<br />
73
Therapie<br />
74<br />
● Umstellungen von Nahrungsgewohnheiten oder Drogengebrauch<br />
Unterstützend kann ein TDM in der Beurteilung der Therapieadhärenz sein. Sinnvoll<br />
erscheint ein TDM darüber hinaus bei der Einführung jeglicher neuer Substanzen in das<br />
Behandlungsregime, da in dieser Situation immer mit neuen Wechselwirkungen (auch<br />
bisher unbekannten!) zu rechnen ist. Ein Nutzen könnte weiterhin möglich sein im<br />
Rahmen einer HAART bei Kindern oder in der Schwangerschaft.<br />
Ein Drug Monitoring der neuen Substanzen Raltegravir, Etravirin und Maraviroc ist bislang<br />
noch nicht etabliert. Aufgrund des Metabolismus und der bisher bekannten<br />
pharmakokinetischen Kenngrößen erscheint vornehmlich die Bestimmung von Etravirin<br />
und Maraviroc sinnvoll.<br />
Eine besondere Bedeutung kommt einem TDM sicherlich bei der Evaluation<br />
pharmakologischer Interaktionen zu. Es sollte daher besonders bei der Integration neuer<br />
Substanzen in ein Therapieregime Bestandteil der Therapie-begleitenden Diagnostik sein<br />
(s.o.).<br />
Durchführung<br />
Abnahmezeitpunkt<br />
Für die Beurteilung der Wirksamkeit ist der 'Talspiegel' (Blutentnahme am Ende eines<br />
Dosierungsintervalls, in der Regel also vor Einnahme der regulären Morgendosis) der<br />
wichtigste Parameter. Ein effizienter Plasmaspiegel zu diesem Zeitpunkt zeigt an, dass<br />
mutmaßlich über den gesamten Tag eine ausreichende virustatische Wirksamkeit besteht.<br />
Diese ist erforderlich, um nicht eine - auch kurzzeitige - Virusreplikation und damit die<br />
Entwicklung von Resistenzmutationen zu ermöglichen.<br />
Für die Einschätzung des Toxizitätspotentials muss eher der Gesamtverlauf der<br />
Medikamentenspiegel betrachtet werden. Die Durchführung einer kompletten<br />
Pharmakokinetik ist wegen der notwendigen, häufigen Blutentnahmen über 24 Stunden<br />
allerdings sehr aufwendig und im ambulanten Setting kaum durchführbar.<br />
Ein Anhaltspunkt ergibt sich aus einer Bestimmung des Spitzenspiegels.<br />
Diese Information ist zu erhalten aus der zusätzlichen Bestimmung einer PI-/NNRTI-<br />
Plasmakonzentration 1-3 Stunden nach Einnahme der Medikation, was in der Regel<br />
auch unter den Bedingungen eines Ambulanzbetriebes möglich ist. Zusätzlich kann diese<br />
Untersuchung auch Aufschluss über evtl. vorliegende Resorptionsstörungen als Ursache<br />
sehr niedriger Talspiegel geben ("Resorptionstest").<br />
Nach Neubeginn einer Medikation oder Therapieumstellung/-ergänzung dauert es einige<br />
Zeit, bis sich ein Konzentrationsgleichgewicht ("steady state") eingestellt hat. Dies beträgt<br />
ca. 4 - 5 Halbwertszeiten der betreffenden Substanz (bei NNRTI also durchaus 7 -12<br />
Tage!). Dies ist bei der Wahl des Zeitpunktes einer Spiegelmessung zu berücksichtigen,<br />
da ein TDM in der Regel nur im steady state sinnvoll zu beurteilen ist.<br />
Technische Durchführung<br />
Entnahme von ca. 8 ml Vollblut. Zentrifugation bei ca. 4.000 U/min. Überführen des<br />
Serums (mindestens 2 -3 ml) in ein bruchsicheres, eindeutig beschriftetes<br />
Probenröhrchen. Dieses Probenröhrchen einfrieren oder direkt im Sicherheitscontainer<br />
auf dem normalen Postweg einsenden.
Bei der Anforderung sollten neben der Fragestellung die gesamte Medikation, die<br />
Dosierung, der letzte Einnahmezeitpunkt und der genaue Zeitpunkt der Blutentnahme<br />
unbedingt angegeben werden!<br />
Weitere Informationen und Anforderungsformulare sind z. B. zu erhalten unter:<br />
● www.medpoli.uni-wuerzburg.de/hepinf, Wiss. Labor Infektiologie/<br />
Therapeutisches Drug Monitoring, Prof. Dr. Klinker, PD Dr. Langmann, Dr. W.<br />
Heinz, Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum<br />
Würzburg, Haus A4, Oberdürrbacherstr. 6, 97080 Würzburg. Tel.: 0931/201-<br />
40734. Fax: 0931/201-640734<br />
Interpretation<br />
Über die notwendige Höhe ausreichend wirksamer PI- und NNRTI-Plasmaspiegel<br />
herrscht noch keine vollständige Einigkeit.<br />
In vitro-Daten zur notwendigen minimalen Höhe von PI-Plasmakonzentrationen können<br />
nur sehr bedingt auf die Situation in vivo übertragen werden. Zu berücksichtigen ist<br />
insbesondere, dass bei <strong>HIV</strong>-Infizierten in der Regel nicht allein HI-Wildvirus, sondern eine<br />
heterogene Viruspopulation vorliegt mit entsprechend eingeschränkter Sensitivität<br />
gegenüber einer antiretroviralen Therapie. Die notwendige Wirkstoffkonzentration kann<br />
also je nach individueller Resistenzsituation unterschiedlich sein (ggf. zusätzliche<br />
Durchführung eines Resistenztest!).<br />
Therapieziel ist ferner eine Absenkung der HI-Viruslast unter die Nachweisgrenze von 10-<br />
20 Kopien/ml, im Idealfall eine vollständige Hemmung der Virusreplikation. Aus diesem<br />
Grund ist die Angabe einer IC95 (erforderliche Konzentration eines Medikamentes, um die<br />
Virusreplikation um 95% zu reduzieren) nur von begrenzter Aussagekraft.<br />
Wiederholt wurde zur Beurteilung der "Potenz" eines antiretroviralen Pharmakons die<br />
Angabe des "IQ" = Inhibitorischer Quotient vorgeschlagen. Dieser stellt den Quotienten<br />
aus der im Konzentrations-Zeit-Verlauf minimalen Plasmakonzentration (Cmin) und der<br />
notwendigen inhibitorischen Konzentration (IC50, 90 oder 95) dar.<br />
Die konkrete Verwendung des inhibitorischen Quotienten ist allerdings aus mehreren<br />
Gründen problematisch. So ist die Bestimmung von Cmin und IC50-95 abhängig von den<br />
angenommenen Voraussetzungen, der Methode und den statistischen Verfahren. Es<br />
kann daher für ein Medikament eine Vielzahl verschiedener Annahmen zum Cmin/IC50-<br />
95-Verhältnis gemacht werden. Da bislang keine Standardisierung der Daten erfolgte,<br />
können "best case" und "worst case" erheblich differieren (z. T. bis zum Faktor 120!!). Es<br />
ist deshalb nicht verwunderlich, dass von den Pharmafirmen der IQ "ihres" Medikamentes<br />
jeweils als mit Abstand am besten dargestellt wird.<br />
Aufgrund der obigen Ausführungen sollten Plasmakonzentrationen angestrebt werden, die<br />
um ein Mehrfaches über der aus in vitro Versuchen ermittelten IC95 liegen. Im Falle von<br />
PI-Therapien ist dies in der Regel nur mit einer Ritonavir-haltigen Kombination erreichbar.<br />
Allerdings bestehen noch einige Limitationen bei der Interpretation von NNRTI-und PI-<br />
Plasmakonzentrationen.<br />
Hier sind die erheblichen intraindividuellen Schwankungen der Plasmakonzentrationen<br />
trotz gleich bleibender Medikation, die noch nicht hinreichend definierten therapeutischen<br />
Therapie<br />
75
Therapie<br />
76<br />
Bereiche und auch die Variation der Plasmaeiweiß-Bindung zu nennen.<br />
Daher sind Dosisanpassungen aufgrund von Plasmakonzentrationsmessungen von PI<br />
und NNRTI noch mit Vorsicht durchzuführen.<br />
Aufgrund der publizierten pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Daten und<br />
der Auswertung eigener Ergebnisse (ca. 30.000 untersuchte Proben) halten wir derzeit<br />
folgende minimale PI-/NNRTI - Konzentrationen (Talspiegel) unter klinischen<br />
Bedingungen für erreichbar und ausreichend effizient:<br />
PI/NNRTI<br />
PI<br />
Untere Grenze (ng/<br />
ml)<br />
Amprenavir (APV) 750 2.500<br />
Atazanavir (ATV) 150 1.000<br />
Darunavir (DRV) 2.400 4.600<br />
Indinavir (IDV) 300 800<br />
Lopinavir (LPV) 3.500 6.000<br />
Nelfinavir (NLV) 1.000 2.500<br />
Saquinavir (SQV) 100 800<br />
Tipranavir (TPV) 20.000 45.000<br />
NNRTI<br />
Efavirenz (EFV) 1.000 4.000<br />
Nevirapin (NVP) 3.000 5.000<br />
Obere Grenze (ng/<br />
ml)<br />
Diese Angaben sind als Richtwerte zu verstehen. Bei Plasmakonzentrationen im<br />
angegebenen Bereich sind eine ausreichende Wirksamkeit bei Vorliegen von HI-Wildvirus<br />
und ein 'normales' Nebenwirkungsprofil zu erwarten.<br />
Bei Plasmakonzentrationen unterhalb des als 'untere Grenze' angegebenen Wertes ist mit<br />
häufigerem Therapieversagen zu rechnen. Plasmakonzentrationen oberhalb des als<br />
'obere Grenze' angegebenen Wertes erhöhen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten<br />
von unerwünschten Wirkungen.<br />
Bei Vorliegen von Resistenzmutationen können erheblich höhere Plasmakonzentrationen<br />
erforderlich sein. Hier ist im Einzelfall abzuwägen, ob eine Dosiserhöhung die<br />
Wirksamkeit wiederherstellen kann und vom Nebenwirkungsprofil her vertretbar ist oder<br />
ein Umsetzen der Medikation erfolgen muss.<br />
Weitere Erfahrungen, insbesondere mit komplexen und/oder neuen Substanz-<br />
Kombinationen, können durchaus eine Korrektur der angegebenen Werte erforderlich<br />
machen. Derzeit erlaubt es die Datenlage noch nicht, PI-Plasmakonzentrationen auf<br />
bestimmte Werte 'einzustellen', wie es z. B. bei Immunsuppressiva- oder Antibiotika-<br />
Spiegeln möglich ist.
Die Interpretation von Plasmakonzentrationen erfordert immer eine Gesamtbetrachtung<br />
des Krankheitsgeschehens, der Komedikation, der (mutmaßlichen)<br />
Compliance und der Resistenzsituation.<br />
Es ist wird von großem Nutzen sein, TDM in der antiretroviralen Therapie in Verbindung<br />
mit virologischen und klinischen Endpunkten in weiteren Studien zu untersuchen.<br />
Abb. 1: Klinische Einsatzmöglichkeiten von TDM<br />
Literatur:<br />
● Aarnoutse RE, Schapiro JM, Boucher CA et al.. Therapeutic drug monitoring:<br />
an aid to optimising response to antiretroviral drugs? Drugs 2003; 741-753<br />
● Clevenbergh P, Mouly S, Sellier P et al.. Improving <strong>HIV</strong> infection management<br />
using antiretroviral plasma drug levels monitoring: a clinicians point of view.<br />
Curr <strong>HIV</strong> Res 2004; 2: 309-321<br />
● Kappelhoff BS, Crommentuyn KM, de Maat MM et al.. Practical guidelines to<br />
interpret plasma concentrations of antiretroviral drugs. Clin Pharmacokinet<br />
2004; 43: 845-853<br />
● Klinker H, Langmann P. Therapeutisches Drug Monitoring in der <strong>HIV</strong>-Therapie.<br />
In: H. Jäger (Hrsg.): AIDS und <strong>HIV</strong>-Infektionen. Handbuch und Atlas für Klinik<br />
und Praxis. Ecomed Verlagsgesellschaft 1987ff (2003), II - 5.3, 1-18<br />
● Rendón AL, Núòez M, Jiménez-Nácher I et al.. Clinical benefit of interventions<br />
driven by therapeutic drug monitoring. <strong>HIV</strong> Medicine 2005; 6: 360-365<br />
Therapie<br />
77
Therapie<br />
78<br />
Neue Antiretrovirale Substanzen<br />
Dieses Kapitel ist nur in der Internet-Version, damit wir gewährleisten können, dass nur<br />
die aktuellsten Informationen zu finden sind. Dort haben Sie immer den neuesten Stand:<br />
http://www.hivleitfaden.de/cms/index.asp?inst=hivleitfaden&snr=2352
Postexpositionsprophylaxe (PEP)<br />
Martin Hartmann<br />
Zusammenfassung<br />
● Bei Nadelstichverletzungen ist ein Ausbluten der Wunde anzustreben.<br />
● Desinfektion der Wunde mit PVP-Jod oder alkoholischen Präparaten.<br />
● Kontaminierte Schleimhäute mit Schleimhautantiseptikum (Augen mit<br />
geeigneter Pufferlösung) waschen bzw. spülen.<br />
● Unfallmeldung! / BG-Meldung!<br />
● Eine Klärung der <strong>HIV</strong>-Serologie des Patienten bzw. des <strong>HIV</strong>-<br />
Krankheitsstadiums (Viruslast) und durchgeführte antiretrovirale Therapien des<br />
Patienten sind zu empfehlen. Gleichzeitig sollte die Hepatitisdiagnostik<br />
durchgeführt werden.<br />
● Nach dem derzeitigen Wissensstand ist möglichst die sofortige Einleitung einer<br />
antiretroviralen Postexpositionsprophylaxe (PEP) zu beginnen: Aktuelle<br />
Therapieempfehlung der medikamentösen PEP:<br />
Truvada ® (300mg TDF+200mg FTC) plus Kaletra Tbl. ® (2x400/100mg LPV/r)<br />
oder Sustiva ® (600mg EFV), siehe auch unten.<br />
Da diese Behandlungen nicht zugelassen sind, muss der Patient darüber und<br />
über mögliche Nebenwirkungen (z.B. Sustiva ® und Schwangerschaft!)<br />
umfassend aufgeklärt werden.<br />
Indikation und Therapie<br />
Die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen erworbenen <strong>HIV</strong>-Infektion ist gering. Nur in 0,3%<br />
der Fälle bei beruflichen <strong>HIV</strong>-Expositionen ist mit einer Serokonversion zu rechnen. In<br />
Deutschland sind 41 beruflich erworbene <strong>HIV</strong>-Infektionen bekannt (Stand: 2001, RKI).<br />
Dabei ist das Risiko u.a. von der Art der Exposition, der Menge und der<br />
Viruskonzentration abhängig. Trotz PEP kann es zur <strong>HIV</strong>-Übertragung kommen (Cordes<br />
2004).<br />
Ein höheres Risiko besteht - nach einer multizentrischen, retrospektiven Fallkontrollstudie-<br />
unter folgenden Bedingungen:<br />
1. bei tiefen Stich- oder Schnittverletzungen mit einem ca. 10-fach erhöhten<br />
Infektionsrisiko<br />
2. bei sichtbaren Blutspuren auf dem verletzenden Instrument mit einem etwa 5fach<br />
erhöhten Infektionsrisiko<br />
3. bei Verletzung durch eine Kanüle, die zuvor in einem Blutgefäß eines <strong>HIV</strong>-<br />
Patienten lag, mit einem etwa 5-fach erhöhten Infektionsrisiko<br />
4. bei hoher Viruskonzentration im Blut von <strong>HIV</strong>-Patienten, wie sie im Primär- und<br />
im Finalstadium vorliegt, mit einem mehr als 6-fach erhöhten Infektionsrisiko.<br />
Tabelle 1: Indikation zur <strong>HIV</strong>-PEP bei beruflicher <strong>HIV</strong>-Exposition<br />
Therapie<br />
79
Therapie<br />
80<br />
Perkutane Verletzung mit Injektionsnadel oder anderer Hohlraumnadel<br />
(Körperflüssigkeit mit hoher Viruskonzentration: Blut, Liquor,<br />
Punktatmaterial, Organmaterial, Viruskulturmaterial)<br />
--> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />
Tiefe Verletzung (meist Schnittverletzung), sichtbares Blut --> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />
Nadel nach intravenöser Injektion --> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />
Oberflächliche Verletzung (z. B. mit chirurgischer Nadel) --> <strong>HIV</strong>-PEP Anbieten<br />
- ggf. Ausnahme, falls Indexpatient AIDS oder eine hohe HI-<br />
Viruskonzentration hat<br />
Kontakt zu Schleimhaut oder verletzter/geschädigter Haut mit<br />
Flüssigkeiten mit hoher Viruskonzentration<br />
Perkutaner Kontakt mit anderen Körperflüssigkeiten als Blut<br />
(wie Urin oder Speichel)<br />
--> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />
--> <strong>HIV</strong>-PEP Anbieten<br />
--> <strong>HIV</strong>-PEP Nicht empfehlen<br />
Kontakt von intakter Haut mit Blut (auch bei hoher Viruskonzentration) --> <strong>HIV</strong>-PEP Nicht empfehlen<br />
Haut- oder Schleimhautkontakt mit Körperflüssigkeiten wie Urin und<br />
Speichel<br />
Tabelle 2: Indikation zur <strong>HIV</strong>-PEP bei nicht-beruflicher <strong>HIV</strong>-Exposition<br />
Transfusion von <strong>HIV</strong>-haltigen Blutkonserven oder Erhalt von mit<br />
hoher Wahrscheinlichkeit <strong>HIV</strong>-haltigen Blutprodukten oder Organen<br />
Ungeschützter vaginaler oder analer Geschlechtsverkehr mit einer<br />
<strong>HIV</strong>-infizierten Person<br />
Nutzung <strong>HIV</strong>-kontaminierten Injektionsbestecks durch mehrere<br />
Drogengebrauchende<br />
ungeschützter oraler Geschlechtsverkehr mit der Aufnahme von<br />
Sperma des <strong>HIV</strong>-infizierten Partners in den Mund<br />
Verletzung an gebrauchten Spritzenbesteck zur Injektion von Drogen,<br />
Medikamenten oder Insulin<br />
* bei zusätzlichen Risikofaktoren anbieten<br />
--> <strong>HIV</strong>-PEP Nicht empfehlen<br />
--> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />
--> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />
--> <strong>HIV</strong>-PEP Empfehlen<br />
--> <strong>HIV</strong>-PEP Nicht empfehlen*<br />
--> <strong>HIV</strong>-PEP Nicht empfehlen<br />
Die Wirksamkeit der antiretroviralen Therapie ist durch die Einführung neuer<br />
Medikamente wesentlich erhöht worden. Mit der gleichzeitigen Verabfolgung dieser<br />
Substanzen ergeben sich hinsichtlich der Reduktion der Viruslast im Blut wesentlich<br />
bessere Ergebnisse als unter der AZT-Monotherapie. Üblich ist die Kombination von 2<br />
reverse Transskriptaseinhibitoren (NRTI´s) und zwei Proteinaseinhibitoren (PI´s) oder<br />
einem nichtnukleosidalen reversen Transkriptaseinhibitor (NNRTI).
Bei hohem Risiko ist folgende Postexpositionsprophylaxe (PEP) zu empfehlen:<br />
Risiko Medikamente<br />
Risiko bei <strong>HIV</strong>-Exposition<br />
(z.B. tiefer Nadelstich mit aufgelagertem Blut)<br />
Truvada ® (Viread ® ,Tenofovir 300mg + Emtriva ® ,<br />
Emtricitabin 200mg)<br />
oder<br />
Combivir ® (Retrovir ® , AZT 2x300mg + Epivir ® ,<br />
Lamivudin 2x150mg)<br />
und<br />
Kaletra Tbl. ® (Lopinavir/r, 2x400/100mg)<br />
oder<br />
Sustiva ® (Efavirenz 600mg)<br />
Truvada ® und Combivir ® werden in der Regel gut vertragen. Kaletra ®<br />
(Kombinationspräparat mit 2 Proteaseinhibitoren) hat ein günstiges Resistenzprofil. An<br />
Nebenwirkungen treten am häufigsten Diarrhoen auf. Der nicht nukleosidale reverse<br />
Transskriptaseinhibitor (NNRTI) Sustiva ® (Efavirenz) ist eine gleichwertige Alternative. Es<br />
kann einmal täglich gegeben werden, an Nebenwirkungen sind Exantheme und<br />
zentralnervöse Nebenwirkungen am häufigsten. Wegen schweren Nebenwirkungen bei<br />
der Postexpositionsprophylaxe kann Viramune ® (1 Kps. = 200mg Nevirapin) trotz guter<br />
Daten bei Mutter-Kind Übertragung nur in der Einmaldosis empfohlen werden (CDC<br />
2001). Am häufigsten ist ebenfalls mit Diarrhoen zu rechnen. Andere<br />
Proteinaseinhibitoren kommen wegen des ungünstigeren Nebenwirkungsprofil eher nicht<br />
in Frage.<br />
Die Therapie sollte möglichst schnell eingeleitet werden. Wenn mehr als 24 Stunden<br />
verstrichen sind, sollte Rat von in der PEP erfahrenen Ärzten eingeholt werden. Nach<br />
mehr als 72 Stunden kann nach heutigen Wissensstand keine Prophylaxe mehr<br />
empfohlen werden. Die Prophylaxe sollte 4 Wochen durchgeführt werden. An<br />
Laboruntersuchungen sollten Blutbild, Leberenzyme und Blutzucker (Proteaseinhibitoren)<br />
durchgeführt werden. 3TC und TDF wirken zusätzlich gegen Hepatitis B. Durch die<br />
Metabolisierung der Proteaseinhibitoren im Cytochrom-P-450-Stoffwechsel bestehen<br />
zahlreiche Medikamenteninteraktionen.<br />
Falls das Blut bei der Stichverletzung von einem antiretroviral vorbehandelten <strong>HIV</strong>-<br />
Patienten stammt, sollte umgehend eine <strong>HIV</strong>-Schwerpunkteinrichtung aufgesucht werden,<br />
um eine alternative Postexpositionsprophylaxe zu erwägen. Eine geno- und/oder<br />
phänotypische Resistenzuntersuchung kann im Einzelfalle durchgeführt werden.<br />
Interferon scheint nach einer Publikation in der Postexpositionsprophylaxe der Hepatitis C<br />
wirksam zu sein (Jäckel 2001).<br />
Da sofortige Behandlungsbeginn für den Erfolg der Postexpositionsprophylaxe von großer<br />
Bedeutung. Deshalb sollte in Klinik und Praxis Klarheit darüber bestehen, wo die<br />
Medikamente für den Notfall bereitgehalten werden. Serologische Kontrolluntersuchungen<br />
sollten nach 6 Wochen, 12 Wochen und 6 Monaten durchgeführt werden.<br />
Bei beruflicher Exposition werden die Kosten durch die Träger der gesetzlichen<br />
Unfallversicherung übernommen, bei nichtberuflicher Exposition können die<br />
Therapie<br />
81
Therapie<br />
82<br />
Kosten nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.<br />
PEP-Guidelines:<br />
Literatur:<br />
● Deutsch-Östereichische Empfehlungen:<br />
http://www.daignet.de/site-content/hiv-therapie/leitlinien-1/Leitlinien%20zur%<br />
20postexpositionellen%20Prophylaxe%20der%20<strong>HIV</strong>-Infektion.pdf (Stand<br />
2008)<br />
● Europäische Empfehlungen:<br />
http://www.europeanaidsclinicalsociety.org/<br />
guidelinespdf/1_Treatment_of_<strong>HIV</strong>_Infected_Adults.pdf (Stand 2008, Seite 12)<br />
● Amerikanische Empfehlungen:<br />
http://www.cdc.gov/mmwr/pdf/rr/rr5409.pdf (CDC 2005)<br />
● Cardo DM et al. A case-Control Study of <strong>HIV</strong> Serokonversion in Health Care<br />
Workers after Percutaneous Exposure. New Engl J Med: 1485 (1997)<br />
● Cordes C, Marcus U. <strong>HIV</strong> transmission despite <strong>HIV</strong> post-exposure prophylaxis<br />
after non-occupational exposure. AIDS 18: 582-584 (2004)<br />
● CDC-Empfehlungen: CDC. Serious Adverse Events Attributed to Nevirapine<br />
Regimes for Postexposure Prophylaxis after <strong>HIV</strong> Exposures-Worldwide, 1997-<br />
2000. MMWR 49: 1153-1156 (2001)<br />
● Henderson DK. Postexposure Chemoprophylaxis for Occupational Exposures<br />
to the Immunodeficiency Virus. JAMA: 931 (1999)<br />
● Jäckel E et al. Treatment of Acute Hepatitis C with Interferon alpha-2b. New<br />
Engl J Med: 345: 1452-1457 (2001)<br />
● Petzoldt D, Hartmann M. Neue Möglichkeiten der medikamentösen Prophylaxe<br />
der beruflichen <strong>HIV</strong>-Infektion. Hautarzt 48: 295 (1997)<br />
● RKI Berufsbedingte <strong>HIV</strong>-Infektionen bei medizinischem Personal. Epi Bull 42:<br />
319-321 (2001)<br />
● Young TN et al. Antiretroviral post-exposure prophylaxis (PEP) for occupational<br />
<strong>HIV</strong>. Cochrane Database system Rev 1: CD002835 (2007)
Strukturierte Therapiepausen<br />
Jürgen Brust<br />
Es ist ein wesentlicher Bestandteil der Patientenaufklärung und Patientenführung, vor und<br />
während der Durchführung einer antiretroviralen Therapie immer wieder auf die<br />
Bedeutung einer korrekten und zuverlässigen Einnahme der Medikamente hin zu weisen.<br />
Die unzuverlässige Einnahme der Medikamente führt zu einem erhöhten Risiko der<br />
Resistenzentwicklung und damit zum viralen Therapieversagen. Medikamentenpausen<br />
bedingen zwangsläufig einen raschen Anstieg der Viruslast auf das Niveau vor der<br />
antiretroviralen Therapie und in der Folge eine Verschlechterung des Immunstatus.<br />
Dennoch gab es aus unterschiedlichen Gründen klinische Situationen, bei denen<br />
Therapiepausen eingelegt werden müssen, z. B. bei<br />
● Medikamentennebenwirkungen,<br />
● dem Auftreten unerwünschter Begleiterscheinungen,<br />
● ungenügender Compliance / Adhärenz,<br />
● schweren Begleiterkrankungen, z. B. Tbc, akute Hepatitis.<br />
Im Gegensatz dazu versteht man unter strukturierten Therapiepausen (STI, structured<br />
therapy interruption) Pausen, die unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt werden,<br />
weil sie aus theoretischen Überlegungen in besonderen klinischen Situationen von Vorteil<br />
sein könnten.<br />
Therapiepausen bei multiresistenten Viren<br />
Bei Patienten mit resistenten Viren gegen alle verfügbaren Medikamente führt ein<br />
Unterbrechen der Therapie zum wieder Auftreten des nicht mutierten Wildtyps, während<br />
die resistenten Viruspopulationen nach und nach abnehmen. Aus diesem Grund wurden<br />
strukturierte Therapiepausen für diese Patienten vorgeschlagen, um ein erneutes<br />
Therapieansprechen zu induzieren. Es kommt jedoch nicht zur vollständigen Elimination<br />
der resistenten Viren. Hoch empfindliche selektive PCR-Untersuchungen konnten nach<br />
drei Monaten immer noch einen Anteil von 0,05 % an resistenten Viren nachweisen. Aus<br />
diesem Reservoir rekrutieren sich bei einer erneuten Therapie nach einiger Zeit wieder<br />
die dominant werdenden multiresistenten Virusstämme.<br />
Bei entsprechenden Versuchen konnte ein vorübergehendes Ansprechen und eine<br />
klinische Verbesserung gesehen werden, andererseits kann es unter der Therapiepause<br />
zu einer raschen Verminderung der CD4-Zellzahlen sowie zum Auftreten von<br />
opportunistischen Infektionen kommen. Das erhebliche Risiko einer strukturierten<br />
Therapiepause ist daher gegen die möglichen Vorteile abzuwägen und es muss wieder<br />
eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die Prophylaxe opportunistischer Infektionen verwandt<br />
werden.<br />
Diese Vorgehensweise ist heute nur noch in den seltensten Fällen notwendig. Durch die<br />
Verfügbarkeit neuer antiretroviraler Medikamente die bestehende Resistenzen<br />
überwinden oder das Virus an neuen Angriffspunkten hemmen, gelingt es in den meisten<br />
Fällen, auch Patienten mit multiresistenten Viren erfolgreich zu behandeln.<br />
Therapie<br />
83
Therapie<br />
84<br />
Stimulierung der Immunantwort gegen das HI-Virus<br />
Es ist nachgewiesen, dass es nach vollständiger Unterdrückung der Viruslast durch eine<br />
antiretrovirale Therapie zu einem Verlust der spezifischen Immunantwort gegen das Virus<br />
kommt. Therapieunterbrechungen könnten daher durch das wieder Auftreten einer<br />
geringen Virenzahl zu einer Stimulation des Immunsystems und der Generierung <strong>HIV</strong>spezifischer<br />
Effektorzellen führen. Unter dieser Vorstellung wurden in verschiedenen<br />
Pilotstudien unterschiedliche Konzepte einer intermittierenden Therapieunterbrechung<br />
bei Patienten mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze untersucht.<br />
Tatsächlich kam es nur bei einem Teil der Patienten zu einem Anstieg der Viruslast auf<br />
geringere Werte als die Ausgangswerte vor der Therapie. Offensichtlich können bei der<br />
chronischen Infektion keine neuen T -Zellklone generiert werden. Es kommt zwar zu einer<br />
Proliferation von präexistenten CTL-Spezifitäten, aber es fehlt die Möglichkeit, auf escape-<br />
Varianten immunologisch reagieren zu können. Lediglich bei der primären <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
scheint sich die Hoffnung zu erfüllen, dass durch diese Vorgehensweise die <strong>HIV</strong>spezifische<br />
Immunität stimuliert werden kann. Langzeitergbnisse und der Vergleich mit<br />
Kontrollgruppen fehlen noch, aber die immunologischen Untersuchungen stützten bisher<br />
das Konzept.<br />
So attraktiv das Konzept der strukturierten Therapiepause für einige Patienten ist, die sich<br />
davon eine Reduktion der Langzeittoxizitäten versprechen oder die einfach erlaubter<br />
Weise 'Drug Holidays' genießen möchten, so sehr muss auf die möglichen Risiken einer<br />
Resistenzentwicklung hingewiesen werden. Ein weiterer Grund, der gegen die<br />
Durchführung von Therapiepausen spricht, ist die Beobachtung in entsprechenden<br />
Studien, dass sowohl <strong>HIV</strong>-assoziierte als auch nicht <strong>HIV</strong>-assoziierte Erkrankungen in den<br />
Patientengruppen, die die Therapie pausieren, häufiger auftreten, als in den Gruppen, die<br />
die Therapie kontinuierlich fortführen. Außerhalb von Studien sollten Therapiepausen nur<br />
im begründeten Einzelfall unter Abwägung der Risiken und des potentiellen Nutzens unter<br />
engmaschigen Verlaufskontrollen von erfahrenen <strong>HIV</strong>-Behandlern durchgeführt werden.
Therapieerfolg und Therapieversagen<br />
Franz Mosthaf<br />
Große Kohortenanalysen und Meta-Analysen haben entscheidend dazu beigetragen,<br />
Faktoren zu erkennen, die die Wirksamkeit einer antiretroviralen Therapie beeinflussen.<br />
Die Erfolgsrate (Anteil der Patienten mit einer Virusbeladung unter der Nachweisgrenze)<br />
von HAART (highly active antiretroviral therapy) lag in diesen Analysen nach 12 Monaten<br />
Therapie bei 60 bis 80%.<br />
Faktoren, die diese Erfolgrate positiv beeinflussten:<br />
● unvorbehandelte Patienten<br />
● möglichst hohe CD 4 Zellzahl zu Beginn der Therapie<br />
● möglichst niedrige Virusbeladung zu Beginn der Therapie<br />
● sehr gute Adhärenz (Therapietreue)<br />
● möglichst geringe Anzahl von Tabletten, einfache Einnahmemodalität<br />
● kurze Zeitspanne bis zum Erreichen des Nadirs (= Virusbeladung unter der<br />
Nachweisgrenze)<br />
● lange Zeitspanne mit einer Virusbeladung unter 500 Kopien/ml<br />
● bei vorbehandelten Patienten: Einsatz von ≥ 3 Substanzen, die in<br />
Resistenzanalysen eine Wirksamkeit gegen das Virus zeigten<br />
Faktoren, die diese Erfolgrate negativ beeinflussten:<br />
● hohe Virusbeladung zu Beginn der Therapie<br />
● gleichzeitiger i.v. Drogengebrauch<br />
● mangelnde Adhärenz (Compliance)<br />
● hohe Tablettenanzahl und komplizierte Einnahme einer Therapie<br />
Der Therapieerfolg wird zudem durch das CDC Stadium zu Beginn der Therapie<br />
beeinflusst. Insgesamt deuten diese Analysen daraufhin, dass ein möglichst früher<br />
Therapiebeginn mit einer verbesserten Ansprechrate korreliert und somit sinnvoll ist.<br />
Gründe für ein Therapieversagen<br />
Etwa 20% bis 33% aller Patienten, die initial auf eine Kombinationstherapie angesprochen<br />
hatten, zeigten im Verlauf von 6 bis 12 Monaten einen Anstieg der Virusbeladung.<br />
Die Ursachen für ein solches Therapieversagen sind vielschichtig:<br />
Therapie<br />
● etwa 20% bis 40% der Patienten brechen die Therapie wegen Nebenwirkungen<br />
ab<br />
● bei ca. 8% ist eine mangelnde Adhärenz (Compliance) feststellbar, diese ist<br />
häufig durch Nebenwirkungen verursacht<br />
● andere Gründe sind in etwa 3% der Fälle zu finden<br />
● in klinischen Studien trat ein weiterer Faktor auf: etwa 10% bis 15% der<br />
85
Therapie<br />
86<br />
Patienten erschienen nach einer gewissen Zeit nicht mehr bei den<br />
behandelnden Ärzten (sog. "lost-to-follow up")<br />
● rein virologisches Versagen: lediglich 1% bis 8%<br />
Es wird deutlich, dass der Hauptgrund für ein Therapieversagen in dem Abbruch der<br />
Therapie aufgrund von Nebenwirkungen liegt. Damit unmittelbar in Zusammenhang steht<br />
die Adhärenz als Ursache für ein Versagen der Therapie. Ein rein virologisches Versagen<br />
war nur in wenigen Fällen die Ursache für ein Therapieversagen. Die ICONA Kohorte<br />
konnte nachweisen, dass Frauen ein um 50% höheres Risiko haben, eine Therapie<br />
aufgrund von Nebenwirkungen abzubrechen.<br />
Vorgehen bei einem Therapieversagen<br />
1. Ursachenanalyse<br />
→ Adhärenz<br />
→ Nebenwirkungen<br />
→ Wirksamkeit der Kombinationstherapie<br />
→ Resorptionsstörungen (z.B. Erbrechen, Durchfall)<br />
→ Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten<br />
→ Resistenzen<br />
2. Diagnostische Maßnahmen<br />
→ ausführliche Anamnese<br />
❍ praktische Probleme bei der Einnahme der Medikamente<br />
■ Tablettenzahl<br />
■ Integration der Therapie in den Tagesablauf<br />
❍ ausreichende Aufklärung des Patienten<br />
■ Einstellung des Patienten gegenüber der Therapie<br />
■ Einstellung des Arztes gegenüber der Therapie<br />
❍ Begleiterkrankungen<br />
■ Malabsorptionsprobleme<br />
■ Stoffwechselstörungen<br />
❍ Begleitmedikation<br />
→ körperliche Untersuchung<br />
■ Medikamenteninteraktionen<br />
■ Lipodystrophie-Zeichen<br />
■ Begleiterkrankungen<br />
→ Routinelabor, z.B.
■ CD4 Zellzahl<br />
■ Virusbeladung (quantitative <strong>HIV</strong>-1 RNA PCR)<br />
■ Blutbild<br />
■ Leber- und Nierenwerte<br />
■ Lipide und Glukosestoffwechsel (nüchtern)<br />
→ Resistenzanalysen<br />
→ Pharmakokinetische Untersuchungen (sinnvoll in Kombination mit<br />
Resistenzanalysen)<br />
■ Spiegelbestimmungen der eingesetzten antiretroviralen Medikamente<br />
■ Spiegelbestimmungen von Begleitmedikamenten<br />
Quellen:<br />
EUROSIDA Kohorte, ICONA Kohorte, Swiss Cohort, Frankfurter Kohorte, Aquitaine Kohorte,<br />
CNA3005 Studie, DMP266-006 Studie, Atlantic-Studie, Meta Anaylse Bartlett et al. (Wold AIDS<br />
Conference, Durban 2004)<br />
Therapie<br />
87
Therapie<br />
88<br />
Der ältere/Langzeit-infizierte/Langzeittherapierte<br />
<strong>HIV</strong>-Patient<br />
Hartwig Klinker<br />
Die Behandlungserfolge der Hochaktiven Antiretroviralen Therapie (HAART) haben sich in<br />
den vergangenen Jahren durch die Zulassung neuer Substanzen, effektivere<br />
Kombinationsregime und ein optimiertes Therapiemanagement weiter verbessert.<br />
Die klassischen, <strong>HIV</strong>-assoziierten Erkrankungen gehen kontinuierlich zurück, die<br />
Lebenserwartung von Patienten mit <strong>HIV</strong>-Infektion gleicht sich der Lebenserwartung der<br />
'Normalbevölkerung' immer mehr an.<br />
Nach einer großen Metaanalyse aus 14 Kohorten-Studien aus den Zeiträumen 1996-<br />
1999, 2000-2002 und 2003-2005 mit insgesamt mehr als 43.000 Patienten sank die<br />
Mortalitätsrate von 16,3 Todesfällen/1.000 Patientenjahre im Zeitraum 1996-1999 auf 10,0<br />
Todesfälle/1.000 Patientenjahre im Zeitraum 2003-2005. Die Lebenserwartung eines 20jährigen<br />
<strong>HIV</strong>-Patienten stieg im gleichen Zeitraum von 36,1 auf 49,4 Jahre.<br />
Im Einzelnen ergaben sich folgende Daten:<br />
Ausgangsbedingung Lebenserwartung (Jahre)<br />
Lebensalter 20 Jahre alle 49,4 (Zeitraum 2003-2005)<br />
Lebensalter 35 Jahre alle 37,3 (Zeitraum 2003-2005)<br />
gesamter Zeitraum 1996-<br />
2005<br />
Lebensalter 20 Jahre alle 43,1<br />
Lebensalter 35 Jahre alle 31,7<br />
Lebensalter 20 Jahre<br />
Mann 42,8<br />
Frau 44,2<br />
Intravenöser Drogenabusus (IVDA) 32,6<br />
Non-IVDA 44,7<br />
CD4-Zellen < 100/µl 32,4<br />
CD4-Zellen 100-199/µl 42,0<br />
CD4-Zellen > 200/µl 50,4<br />
Lebensalter 35 Jahre<br />
Mann 31,7
Frau 32,5<br />
Intravenöser Drogenabusus (IVDA) 23,4<br />
Non-IVDA 33,0<br />
CD4-Zellen < 100/µl 27,0<br />
CD4-Zellen 100-199/µl 30,4<br />
Lebensalter 20 Jahre, CD4-Zellen > 200/µl 37,2<br />
Infolge der verbesserten Lebensperspektive nimmt der Anteil älterer <strong>HIV</strong>-Patienten stetig<br />
zu. Bereits jetzt sind in Deutschland mehr als 25% der Patienten älter als 50 Jahre, mehr<br />
als 10% älter als 60 Jahre (Daten aus der deutschen <strong>HIV</strong>-Kohorte).<br />
Die klinische Präsentation von Patienten mit <strong>HIV</strong>-Infektion hat sich in den letzten Jahren<br />
durch diese Entwicklung deutlich verändert.<br />
In zunehmendem Maße treten bei Langzeit-infizierten und/oder Langzeit-therapierten und/<br />
oder älteren Patienten gehäuft nicht unmittelbar <strong>HIV</strong>-assoziierte Erkrankungen auf. Zu<br />
nennen sind hier Leber- und Nierenerkrankungen, kardiovaskuläre Erkrankungen,<br />
Stoffwechselstörungen, Osteoporose und verschiedene Malignome.<br />
Pathogenetisch handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen, wobei neben<br />
individueller Disposition Lifestyle-Faktoren (Rauchen, Alkohol-/Drogenkonsum), Toxizität<br />
antiretroviraler Dauermedikation, physiologische Alterungsprozesse und möglicherweise<br />
eine persistierende <strong>HIV</strong>-assoziierte immunologische Dysfunktion und chronische<br />
Inflammation eine Rolle spielen.<br />
Bei vielen <strong>HIV</strong>-Infizierten entwickelt sich im langjährigen Verlauf auf diese Weise eine<br />
erhebliche Multimorbidität mit komplexen Auswirkungen auf notwendige Diagnostik und<br />
Therapie.<br />
Damit hat sich das Aufgabenspektrum in der Betreuung <strong>HIV</strong>-infizierter Patienten<br />
bedeutend erweitert. Gerade bei Langzeit-infizierten und/oder Langzeit-therapierten und/<br />
oder älteren Patienten ist außer der Kontrolle <strong>HIV</strong>-assoziierter Parameter eine<br />
kontinuierliche und aktive Surveillance im Hinblick auf genannten, vielfältigen<br />
Krankheitsbilder notwendig.<br />
Therapie<br />
Für viele Situationen stehen dabei geeignete Screeningverfahren zur Verfügung, die<br />
nachfolgend tabellarisch aufgeführt sind. Neben apparativer Diagnostik finden sich hier<br />
diverse Laborparameter und Biomarker.<br />
Selbstverständlich ersetzen diese Untersuchungen nicht die gezielte Anamneseerhebung<br />
und körperliche Untersuchung. Die Auswahl der erforderlichen Diagnostik und geeignete<br />
Zeitintervalle sollten sich stets an individuellen Gesichtspunkten und Risikokonstellationen<br />
orientieren.<br />
89
Therapie<br />
90<br />
Erkrankung Screening-Diagnostik<br />
Lebererkrankungen/Hepatotoxizität<br />
(insbesondere bei Hepatitis B/C-Koinfektion)<br />
Nierenerkrankungen/Nephrotoxizität<br />
Diabetes mellitus/Insulinresistenz<br />
Bilirubin, GOT, GPT, GGT, AP, Quick,<br />
Albumin,<br />
Sonographie, Elastographie,<br />
Ösophagogastros-kopie, AFP<br />
Kreatinin, MDRD, Cystatin C, Sediment,<br />
anorg. Phosphat, Sonographie<br />
BZ, Urin-Glucose, HBA1C, HOMA<br />
(Homeostatic Model Analysis, BZ x<br />
Insulin/22,5)<br />
Fettstoffwechselstörung Cholesterin, HDL, LDL, Triglyceride<br />
Mitochondriale Toxizität Lactat<br />
Koronarrisiko Lipoprotein (a), Homocystein, CRP<br />
Herzinsuffizienz<br />
Osteoporose/Osteopenie<br />
Nicht-AIDS-assoziierte Malignome<br />
(z. B. Lungen-Karzinom, Haut-Malignome,<br />
Kolorektales Karzinom, Prostata-Karzinom, Anal-<br />
Karzinom)<br />
Literatur:<br />
BNP (B-Typ Natriuretisches Polypeptid)/NTproBNP,<br />
Echokardiographie<br />
Osteodensitrometrie, Kalzium, Phosphat, ggf.<br />
25-Hydroxy-Vitamin D3<br />
Klinischer Aspekt, Rö-Thorax/CT, Endoskopie,<br />
Sonographie, PSA<br />
● Baker J. V., Peng G. Et al.. CD4+ count and risk of non-AIDS diseases<br />
following initial treatment for <strong>HIV</strong> infection. AIDS 2008; 22: 841-848<br />
● Deeks S. G., Phillips A. N.. <strong>HIV</strong> infection, antiretroviral treatment, ageing, and<br />
non-AIDS related morbidity. BMJ 2009; 338: 288-292<br />
● Lohse N., Hansen A. B. et al.. Survival of persons with and without <strong>HIV</strong> infection<br />
in Denmark, 1995-2005. Ann Intern Med 2007; 146: 87-95<br />
● Mocroft A., Brettle R. et al.. Changes in the cause of death among <strong>HIV</strong> positive<br />
subjects across Europe: results from the EuroSIDA study. AIDS 2002; 16: 1663-<br />
1671<br />
● The Antiretroviral Therapy Cohort Collaboration. Life expectancy of individuals<br />
on combination antiretroviral therapy in high-income countries: a collaborative<br />
analysis of 14 cohort studies. Lancet 2008; 372: 293-299
Antiretrovirale Therapie in der Kombination mit<br />
Maraviroc oder Raltegravir<br />
Jürgen Brust, Dieter Schuster<br />
In Kombination nur mit einem NRTI backbone gelten die Standarddosierungen für<br />
Maraviroc und Raltegravir.<br />
Maraviroc in Kombination mit geboosteten Proteaseinhibitoren (Atazanavir, Darunavir,<br />
Lopinavir, Saquinavir):<br />
Dosisreduktion auf 2x150mg<br />
Ausnahme: in Kombination mit fosAmprenavir, Tipranavir:<br />
Standarddosierung 2x300mg<br />
Maraviroc mit Efavirenz ohne Proteasinhibitor:<br />
Dosiserhöhung auf 2x600mg<br />
Maraviroc mit Nevirapine ohne Proteaseinhibitor:<br />
Standarddosierung 2X300mg<br />
Maraviroc mit Etravirine: Zulassung nur in Kombination mit einen Proteaseinhibitor, Dosis<br />
richtet sich nach dem Proteaseinhibitor<br />
Raltegravir: Standarddosierung von Raltegravir gilt für alle Kombinationen<br />
Therapie<br />
91
Therapie<br />
92<br />
Metabolisches Syndrom<br />
Spezifische Nebenwirkungen<br />
Metabolisches und Lipodystrophie-Syndrom<br />
Martin Hartmann<br />
Unter einer Therapie mit PIs und geringer ausgeprägt den NNRTIs werden immer wieder<br />
metabolische Veränderungen beobachtet. Am häufigsten sind Triglycerid-, LDL-Erhöhung<br />
und HDL-Cholesterinerniedrigung, nicht selten eine Insulinresistenz mit<br />
Blutzuckererhöhung oder ein Diabetes mellitus. Dabei sind Hypertriglyceridämien häufiger<br />
als Hypercholesterinämien. Geringer ausgeprägt sind diese Veränderungen auch bei <strong>HIV</strong>positiven<br />
Patienten ohne antiretroviraler Therapie zu finden. Stoffwechselstörungen<br />
werden am häufigsten unter einer Therapie mit Proteaseinhibitoren (PIs), speziell bei den<br />
mit Ritonavir geboosterten Regimen gesehen und geringer ausgeprägt mit nicht<br />
nukleosidalen reverse Transkriptaseinhibitoren (NNRTIs) beobachtet.<br />
Insulinresistenz mit Blutzuckererhöhungen oder Diabetes mellitus treten bei knapp 10%<br />
der Patienten mit proteaseinhibitorhaltigen Therapie auf. Die Insulinresistenz ist<br />
gekennzeichnet durch eine geringere Insulinwirkung bei der hepatischen Glukoneogenese<br />
und der Glukoseaufnahme in den Muskel. Bei Therapie mit PIs, insbesondere mit<br />
Indinavir oder Lopinavir, sollte auf diese Nebenwirkung geachtet werden. Deshalb sollten<br />
Blutfett- und Blutzuckerwerte vor und während der antiretroviralen Therapie regelmäßig<br />
untersucht werden. Das kardiovaskuläre Risiko steigt bei zusätzlichen Risikofaktoren<br />
an (Blutdruckerhöhung oder Nikotingenuss, s. a.: http://hin.nhlbi.nih.gov/atpiii/calculator.<br />
asp).<br />
Durch Umsetzen auf Nevirapin (Viramune®), Efavirenz (Sustiva®) oder Abacavir<br />
(Ziagen®) können die Fettstoffwechselstörungen wie auch die Glucosetoleranz häufig<br />
gebessert werden. An spezifischen (fettsenkenden) Medikamenten werden<br />
eingesetzt: Atorvastin (Sortis®), Fluvastin (Cranoc®, Locol®) und Pravastasin<br />
(Pravasin®). Da die HMG-CoA-Reduktaseinhibitoren (Statine) über Cytochrom P450<br />
verstoffwechselt werden, muss auf Wechselwirkungen geachtet werden. Auf<br />
Nikotinkarenz und ausreichende Bewegung sollte geachtet werden. Ggf. muss der<br />
Proteaseinhibitor abgesetzt werden. Bei Insulinresistenz kann Metformin (Glucophage®)<br />
versucht werden.<br />
Das Lipodystrophie-Syndrom<br />
Das Lipodystrophie-Syndrom bei <strong>HIV</strong>-Infektion wurde nach Einführung hochaktiven<br />
antiretroviralen Therapie (HAART) und dem Einsatz der Proteinaseinhibitoren (PI) nach<br />
1996 häufiger beobachtet. Die <strong>HIV</strong>-assoziierte Lipodystrophie (LD) ist eine<br />
Fettverteilungsstörung mit einer Kombination von Abbau des Fettgewebes (Gesicht, Arme<br />
und Beine) und einer Fettzunahme (Bauch, Brust und Nacken) oft verbunden mit<br />
Fettstoffwechselstörungen oder einer Insulinresistenz. Die Lipodystrophie wird nicht<br />
selten als erstes durch den Patienten wahrgenommen ("die Hose passt nicht mehr"). Sie<br />
können von zusätzlichen Beschwerden, wie z.B. Kopfschmerzen beim "buffalo hump (s.<br />
u.)" begleitet sein. Klinisch können folgende Fettverteilungsstörungen beobachtet werden:
Buffalo hump. Unter Buffalo hump versteht man eine Fettvermehrung im Nackenbereich.<br />
Bislang waren solche Fettvermehrungen ein bekanntes reversibles Krankheitsbild bei<br />
endogenem oder exogenem Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom). Bei <strong>HIV</strong>-Patienten<br />
mit einem "Buffalo hump" bestehen jedoch normale Kortisonwerte. Die Triglyceride sind<br />
bei diesen Patienten nicht erhöht, zugleich mit dem dorsozervikalen Fettzuwachs wurden<br />
eine abdominale Fettzunahme.<br />
Abdominelle Fettzunahme. Ein weiterer charakteristischer Fettumbau ist die zentrale<br />
Adipositas. Im Computer-Tomogramm zeigt sich häufig eine tiefe viszerale Beteiligung,<br />
dabei ist das Omentum bzw. das mesenteriale und retroperitoneale Fettgewerbe<br />
betroffen. Klinisch zeigt sich die abdominale Fettzunahme oft als Bauchumfangszunahme.<br />
Die zentrale Adipositas scheint ein Symptom des metablischen Syndroms zu sein.<br />
Fettzunahme der Brust. Bei Frauen tritt ein in ähnlich hohen Prozentsätzen wie die<br />
abdominelle Fettvermehrung eine Brustvergrößerung auf, ohne daß auffällige<br />
Hormonwerte bestehen.<br />
Lipoatrophie. Neben der Fettvermehrung wird auch ein Fettabbau beobachtet. Dieser ist<br />
an Armen und Beinen besonders deutlich, charakteristisch ist auch eine Verminderung<br />
des bukkalen Fettgewebes (Bichat'scher Fettpfropf) und des Fettgewebes der<br />
Glutealregion. Prominente Venen führen die Patienten nicht selten zum Arzt.<br />
Bis heute besteht keine gültige Definition des Lipodystrophie-Syndroms. Eine australische<br />
Arbeitsgruppe hat Diagnosekriterien vorgeschlagen. Neben den Angaben des Patienten<br />
werden die körperliche Untersuchung und ggf. anthropometrische Messungen<br />
hinzugezogen. Eine Objektivierung kann im Computertomogramm, in der<br />
Magnetresonanztherapie oder der "dual energy x-ray absorptiometry" (DEXA) erfolgen.<br />
Eine Rolle für das Auftreten der Lipodystrophie spielen sowohl die fortgeschrittene <strong>HIV</strong>-<br />
Infektion, die Dauer der antiretroviralen Therapie, Fettstoffwechselstörungen, niedrige<br />
CD4-Zellzahlen und das Alter des Patienten.<br />
Die Pathogenese der LD ist komplex. Diskutiert werden Störungen der<br />
Adipozytendifferenzierung, proinflammatorische Cytokine (TNF-α) und eine mitochondrale<br />
Schädigung der Zellen. Das für Replikation mitochondrialer DNA (mtDNA) verantwortliche<br />
Enzym Polymerase-γ ist der reversen Transkriptase ähnlich und wird beim Einsatz der<br />
NRTIs gehemmt. In vitro-Studien zeigen folgende Reihenfolge der Polymerase-Inhibition:<br />
ddC > DDI > d4T > AZT > 3TC = ABC = TDF. Da die Lipatrophie am häufigsten bei einer<br />
Therapie mit NRTI´s auftritt, wird eine NRTI-freie Therapie versucht. Den stärksten<br />
Einfluss auf die Lipoatrophie hat D4T. Zusätzlich wirken sich gesunde Ernährung und<br />
Bewegung positiv aus. Auch hormonelle Therapien (Testosteron) sind mit Erfolg<br />
eingesetzt worden. Bei Lipatrophie kann die Injektion von Poly-L-Milchsäure eine<br />
Besserung bringen. In letzter Zeit wurde Uridin mit Erfolg eingesetzt. Bei umschriebenen<br />
Fettverteilungsstörungen kann auch eine Fettabsaugung bzw. Fettimplantation versucht<br />
werden.<br />
Literatur<br />
Therapie<br />
● Carr A, Cooper DA. Adverse effects of antiretroviral therapy. Lancet 356:1423-<br />
1430 (2000)<br />
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93
Therapie<br />
94<br />
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dyslipidemia in human immunodeficiency virus (<strong>HIV</strong>)-infected adults receiving<br />
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DAD study. AIDS 17:1179-1193 (2003)<br />
● Hartmann M. Arzneimittelnebenwirkungen unter antiretroviraler Therapie.<br />
Hautarzt 57: 969-974 (2006)<br />
● Schambelan M, Benson CA, Carr A, Currier JS, Dubé MP, Gerber JG,<br />
Grinspoon SK, Grunfeld C, Kotler DP, Mulligan K, Powderly WG, Saag MS.<br />
Management of metabolic complications associated with antiretroviral therapy<br />
for <strong>HIV</strong>-1 infection: Recommendations of an International AIDS Society -USA<br />
Panel. JAIDS 31: 257-275 (2002)
Dermatologische Nebenwirkungen unter<br />
antiretroviraler Therapie<br />
Exantheme<br />
Martin Hartmann<br />
Typische Arzneimittelnebenwirkungen sind makulopapulöse Exantheme, die am<br />
häufigsten zwischen dem 10. und 14. Tag der Therapie auftreten. Klinisch imponieren<br />
stammbetonte, symmetrisch verteilte makulöse bis makulopapulöse exanthematische<br />
Eruptionen mit teils ausgeprägten Juckreiz. Vor der Zeit der hochaktiven antiretroviralen<br />
Therapie (HAART) waren makulopapulöse Arzneimittelexantheme bei der Therapie der<br />
opportunistischen Infektionen z.B. nach Sulfonamidgabe bei Pneumocystis-jiorveci<br />
Pneumonie (PjP) häufig. Nachdem die PjP und die zerebrale Toxoplasmose unter HAART<br />
immer mehr abnahmen, wurden diese Exantheme selten. Erst mit zunehmenden Einsatz<br />
der nicht nukleosidalen reverse Transkriptaseinhibitoren (NNRTs) ab 1995 wurden<br />
Arzneimittelexantheme in bis zu 30% Patienten beobachtet. Zu den NNRTI zählen<br />
Efavirenz (EFV, Sustiva®) , Nevirapin (NVP, Viramune®) und Etravirin (ETV, Intelence®).<br />
In späteren prospektiven Studien traten diese Hautreaktionen bei nur noch ca. 5% der<br />
Patienten auf. Nicht selten besteht bei diesen Patienten anamnestisch eine<br />
Sulfonamidallergie. Während die ersten PIs nur sehr selten allergische Reaktionen<br />
auslösten, werden bei Fosamprenavir (fAPV) und Atazanavir (ATV) in ca. 5%<br />
makulopapulöse Arzneimittelreaktionen beschrieben.<br />
Schwere Hautreaktionen sind am häufigsten bei Nevirapin, seltener bei Delavirdin und<br />
Efavirenz. Diese werden eingeteilt in Stevens-Johnson-Syndrom (SJS), früher auch<br />
Erythema exsudativum multiforme majus genannt, SJS/TEN-Übergangsform und toxischepidermale<br />
Nekrolyse (TEN). Am Integument werden multiforme Erytheme beobachtet,<br />
die meist nicht die konzentrische Ringform des Erythema exsudativum multiforme (EEM)<br />
haben, Erosionen an den Schleimhäuten, den Körperöffnungen mit Krustenauflagerungen<br />
oder weißlichen Pseudomembranen. Typisch ist eine Mundschleimhautbeteiligung. Bei<br />
SJS/TEN-Übergangsform sind 10 bis 30 % der Haut betroffen, bei der TEN mehr als 30 %<br />
der Haut. Die Therapie besteht im Absetzen des Medikamentes und entspricht der einer<br />
schweren Verbrennung. Die Mortalität steigt bei der TEN im Gegensatz zum SJS steil an.<br />
Grundsätzlich kann erwogen werden, die Therapie bei Arzneimittelexanthemen<br />
fortzusetzen, wenn keine urtikariellen oder bullösen Hautveränderungen vorliegen, die<br />
Schleimhaut nicht betroffen ist und keine systemische Zeichen auftreten. Therapeutisch<br />
können bei Juckreiz Anithistaminika gegeben werden, Hyposensibilisierungen wurden<br />
erfolgreich durchgeführt.<br />
Weitere Nebenwirkungen:<br />
Reaktionen an der Einstichstelle<br />
Therapie<br />
In den Zulassungsstudien (TORO) des Fusion-Inhibitors Enfuvirtide (T20), der subkutan<br />
gegeben werden muss, wurde bei insgesamt 98 % der Patienten über Rötungen,<br />
Verhärtungen oder auch subkutanen Knoten (76%) an der Einstichstelle geklagt. Bei 3%<br />
der Patienten musste die Therapie deswegen abgebrochen werden. Sie zählen nicht zu<br />
den allergischen Reaktionen, da für diese Reaktion Zytokine verantwortlich sind, die durch<br />
hohe Konzentrationen des Fusion-Inhibitors freigesetzt werden. Massagen der<br />
95
Therapie<br />
96<br />
Einstichstelle und Umgebung können die Symptome lindern. Solche Reaktionen an der<br />
Eintrittstelle treten auch bei anderen Immuntherapeutika (zum Beispiel TNF-alpha<br />
Inhibitoren) auf.<br />
Retinoid ähnliche Nebenwirkungen (PIs)<br />
Unter der Therapie mit Proteaseinhibitoren wurden schon während der Zulassungsstudien<br />
Xerosis, Haarausfall oder Unguis incarnatus (eingewachsene Zehennägel) beobachtet.<br />
Diese Nebenwirkungen wurden vor Jahren bei der Therapie mit Retinoiden beobachtet<br />
und deshalb so genannt. Unter der Therapie mit Indinavir (Crixivan®) wird diese<br />
Nebenwirkungen am häufigsten beobachtet. Wird Indinavir mit Ritonavir "geboostert" sinkt<br />
die Häufigkeit dieser Nebenwirkung. Die anderen Proteaseinhibitoren deutlich seltener<br />
diese Nebenwirkung.<br />
Verschiedenes<br />
Schon seit Jahren sind als Nebenwirkung bei der Therapie mit NRTIs (AZT,<br />
Retrovir®) longitutinale Melanoonychien (streifige Verfärbung der Nägel) oder palmare<br />
Hyperpigmentierung unter Emtricitabin (TDF, Emtriva®), seltener auch Wachstum der<br />
Augenwimpern bekannt (AZT).<br />
Literatur<br />
● Barner A, Myers M. Nevirapine and Rashes. Lancet 351: 1133 (1998)<br />
● Carr A, Cooper DA. Adverse effects of antiretroviral therapy. Lancet 356: 1423-<br />
1430 (2000)<br />
● Hartmann M. Arzneimittelexantheme bei Therapie der <strong>HIV</strong>-Infektion mit<br />
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● Hartmann M, Enk A. Hautveränderungen bei der medikamentösen <strong>HIV</strong>-<br />
Therapie. Dtsch Arztebl 104 (16): A1098-1103 (2007)<br />
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desensitation. Clin Ther 20: 1071-1092 (2002)<br />
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stavudine and lamivudine: a randomised open-label trial, the 2NN Study. Lancet<br />
363:1253-1263 (2004)
Die Hypersensitivitätsreaktion unter Abacavir<br />
Martin Hartmann<br />
Die Hypersensitivitätsreaktion (HSR) zählt zu den systemischen Arzneimittelreaktionen.<br />
Bei der HSR werden neben makulopapulösen Exantheme Temperaturerhöhungen, eine<br />
grippale Symptomatik oder Laborabweichungen (z. B. Transaminasenerhöhung)<br />
beobachtet.<br />
Inzidenz<br />
Eine Hypersensitivitätsreaktion (HSR) tritt bei etwa 5% der Patienten mit einer Abacavirhaltigen<br />
Kombinationstherapie auf. Bislang wurden etwas 1015 Reaktionen (bei 26769<br />
Patienten) dokumentiert. Darunter sind 112 Fälle, in denen die Hypersensitivitätsreaktion<br />
nach einer Reexposition auftrat.<br />
Symptomatik und Diagnose<br />
Mehr als 93% der Fälle traten innerhalb der ersten 6 Wochen, im Mittel nach 11 Tagen bei<br />
der Therapie mit Abacavir (enthalten in: Ziagen ® , Trizivir ® , Kivexa ® ) auf. Am häufigsten<br />
reagiert der Körper mit einem Exanthem (Hautausschlag), das nicht selten an Masern<br />
oder Röteln erinnert, aber erst im späteren Verlauf auftritt. Frühe Symptome sind unter<br />
anderem Fieber, Krankheitsgefühl und gastrointestinale Symptome. Respiratorische<br />
Symptome werden in etwa 20% der Fälle beobachtet. Gelegentlich treten auch Übelkeit,<br />
Erbrechen oder Bauchschmerzen auf. Jeder 3. Patient mit einer Hypersensitivitätsreaktion<br />
hat keine Hauterscheinungen. Die Symptome nehmen mit jeder Tabletteneinnahme zu.<br />
An Laborabweichungen sind Leberenzym- und CK-Erhöhungen beschreiben. Nach<br />
Absetzen von Abacavir verschwinden die Symptome rasch. bei einer Reexposition sind<br />
die Symptome ähnlich wie bei der Erstexposition, verlaufen jedoch schwerer,<br />
Blutdruckabfall und Tachykardie sind deutlich häufiger.<br />
Zwei oder mehr der folgenden Symptome müssen vorhanden sein:<br />
Exanthem, grippeähnliche Beschwerden wie Fieber, Müdigkeit, Muskel- oder<br />
Kopfschmerzen oder eine Rachenentzündung, Husten oder Kurzatmigkeit.<br />
Bei jedem zweiten Patienten traten 3 oder 4 Symptome zusammen auf.<br />
Bei Verdacht auf eine Hypersensitivitätsreaktion sollte Abacavir abgesetzt werden.<br />
Weitere Maßnahmen sind nur selten nötig. Bei Juckreiz können Antihistaminika<br />
eingenommen werden. Die Beschwerden bessern sich innerhalb von 1 -2 Tagen, der<br />
Hautausschlag bildet sich etwas langsamer zurück.<br />
Diagnostik und Prävention<br />
In spezialisierten Zentren kann bei Verdacht auf eine Hypersensitivitätsreaktion ein<br />
Epikutantest durchgeführt werden. In retrospektiven Untersuchungen mit HSR konnte<br />
gezeigt werden, dass bei fast 90% der Patienten das Allel HLA-B5701* vorhanden ist. Bei<br />
diesen Patienten kommt es bei einer Therapie mit Abacavir zu einer CD8-Proliferation mit<br />
Freisetzung von Tumor Nekrose Faktor-α (TNF-α) und Interferon-γ (IFN-γ). Deshalb<br />
sollten vor Beginn einer abacavirhaltigen Therapie die Patienten auf dieses Allel<br />
untersucht werden.<br />
Literatur<br />
● Hartmann M. Arzneimittelnebenwirkungen unter antiretroviraler Therapie.<br />
Hautarzt 57: 969-974 (2006)<br />
Therapie<br />
97
Therapie<br />
98<br />
● Hewitt RG. Abacavir hypersensitivity reaction. Clin Infect Dis 34:1137-1142<br />
(2002)<br />
● Hughes CA, Lechelt KE.Abacavir hypersensitivity reaction: an update. Ann<br />
Pharmacother. 2008 42(3):387-96 (2008)<br />
● Mallal S, Benbow A; PREDICT-1 Study Team.HLA-B*5701 screening for<br />
hypersensitivity to abacavir. N Engl J Med. 358(6):568-79 (2008)
<strong>HIV</strong>-1 Resistenz und Tropismus<br />
Patrick Braun / Heribert Knechten<br />
Das primäre Ziel einer antiretroviralen Therapie besteht in einer maximalen<br />
Viruslastreduktion. Wird dieses Ziel nicht erreicht, kann bei medikamentösem<br />
Selektionsdruck das Virus gegen Bestandteile der Therapie resistent werden.<br />
1. Grundlagen der Resistenzentwicklung<br />
Das Erbmaterial des <strong>HIV</strong> besteht aus je 2 RNA-(Ribonukleinsäure)-Strängen, die die<br />
genetischen Informationen des Virus beinhalten. Drei Nukleotide bilden ein sogenanntes<br />
Codon und codieren jeweils für eine Aminosäure der Proteinsequenz. Eine Veränderung<br />
der Nukleotidfolge eines Codons, eine Mutation, kann den Einbau einer anderen<br />
Aminosäure zur Konsequenz haben, was die Proteinfunktion beeinträchtigen kann.<br />
Zur Bezeichnung werden 'Zahlen-Buchstaben-Kombinationen' verwendet, die die<br />
ursprüngliche Aminosäure (Wildtyp), die Position innerhalb des Proteins und die<br />
ausgetauschte Aminosäure (Variante) beinhalten.<br />
Position der Aminosäure auf dem Gen (hier die <strong>HIV</strong>-Protease)<br />
I84V<br />
Wildtyp-Aminosäure Aminosäure der Mutante<br />
Isoleucin (ATA) Valin (GTA)<br />
Eine Strukturveränderung der viralen Proteine durch untypische Aminosäuresequenzen<br />
kann dazu führen, dass antiretrovirale Wirkstoffe gar nicht oder nur noch teilweise<br />
wirksam sind. Man spricht von einem Wirkverlust der antiretroviralen Medikamente oder<br />
einer Resistenz.<br />
2. Wie entstehen Resistenzen?<br />
Eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Mutationen im <strong>HIV</strong>-Genom und der daraus<br />
resultierenden Resistenz spielt das viruseigene Enzym Reverse Transkriptase (RT). Es<br />
handelt sich dabei um ein Protein, welches die virale RNA in DNA umschreibt, die dann<br />
ins Zellgenom integriert wird. Hierbei werden relativ häufig andere Nukleotide als in der<br />
Originalsequenz vorgegeben eingebaut, wodurch Aminosäureaustausche in der<br />
letztendlich resultierenden Proteinsequenz entstehen können. Bedingt durch die hohe<br />
Therapie<br />
99
Therapie<br />
100<br />
Vermehrungsrate des HI-Viruses (es werden in unbehandelten Patienten täglich ca. 10<br />
Milliarden neue Viren gebildet) und der fehlerhaft arbeitenden RT, kann theoretisch jede<br />
Position des ca. 10.000 Nukleotide umfassenden <strong>HIV</strong> Genoms täglich ausgetauscht<br />
werden. Die ist ein Hauptgrund für die hohe Variabilität des HI-Virus.<br />
Es gibt unterschiedliche Arten von Mutationen:<br />
● stille Mutationen, die keine Auswirkung auf die Proteinstruktur haben;<br />
● Mutationen, die eine Veränderung in der Proteinstruktur bewirken und z.B. zu<br />
Resistenzen gegen Medikamente führen können;<br />
● letale Mutationen, die dazu führen, daß sich dieses Virus nicht weiter vermehrt.<br />
Die Entwicklung einer <strong>HIV</strong>-1 Resistenz im Individuum hängt von der Generierung und<br />
Selektion entsprechender resistenzrelevanter Mutationen ab.<br />
Hat ein Virus einmal eine oder mehrere resistenzassoziierte Mutationen erlangt, die ihm<br />
eine verminderte Empfindlichkeit gegen antiretrovirale Medikamente verleiht, so hat er<br />
gegenüber dem Virus-Urtyp (Wildtyp) einen Vermehrungsvorteil.<br />
Der Selektionsvorteil für das mutierte Virus resultiert in einer dominierenden<br />
Viruspopulation von resistenten Viren (Abb.1). Die Resistenzentwicklung verläuft oftmals<br />
nicht nach dem 'Alles-oder-Nichts-Prinzip', sondern stellt einen graduellen Prozeß dar. Bei<br />
vielen antiretroviralen Substanzen wird eine vollständig ausgeprägte Resistenz erst durch<br />
die Anhäufung von mehreren Mutationen bewirkt. Man verwendet daher neben den<br />
Einstufungen resistent und sensitiv noch ein bis zwei intermediär resistente<br />
Graduierungen.<br />
Abb.1: Auswirkung des medikamentösen Selektionsdrucks auf unterschiedliche<br />
Viruspopulationen<br />
<strong>HIV</strong> ohne Therapie<br />
Hauptpopulation (meist bestehend aus Wildtyp) vermehrt sich.<br />
Mögliche Ausnahme: gleichzeitige Präsenz von primär resistenten Viren und Wildtyp
<strong>HIV</strong> unter effizienter Therapie<br />
Eine effiziente Therapie senkt die Viruslast unter die Nachweisgrenze<br />
<strong>HIV</strong> unter ineffizienter Therapie<br />
Eine ineffiziente Therapie fördert die Auslese von resistenten Viren<br />
Therapie<br />
Je effektiver die Virusreplikation durch antiretrovirale Medikamente unterdrückt wird, desto<br />
weniger Mutationen können durch Fehler der Reversen Transkriptase in das Virus-Genom<br />
integriert werden und desto länger bleibt die Wirksamkeit antiretroviraler Wirkstoffe<br />
bestehen.<br />
101
Therapie<br />
102<br />
3. Wie sind Resistenzen meßbar?<br />
Die Viruslast im Plasma kann durch molekularbiologische Methoden quantitativ bestimmt<br />
werden und ist einer der wichtigsten Laborparameter zur Kontrolle des Therapieerfolges.<br />
Das Therapieziel ist die Viruslast unter die Nachweisgrenze von 40 -25 <strong>HIV</strong> Kopien (je<br />
nach System) pro Milliliter Plasma zu senken.<br />
Ein frühes Indiz einer sich etablierenden Resistenz ist ein Anstieg der Viruslast des unter<br />
antiretroviraler Therapie stehenden Patienten.<br />
Bevor eine Resistenzanalyse durchgeführt wird, sollte abgeklärt werden, ob die meßbare<br />
Viruslast nicht nur ein einmaliges Ereignis ist. Insbesondere niedrige Werte von bis zu<br />
wenigen Hundert Kopien pro Milliliter, auch 'Blip' genannt, sollten kontrolliert werden. Eine<br />
messbare Viruslast kann auch bedingt durch eine Medikamentenabsorbtionsstörung oder<br />
durch eine unzureichende Adhärenz seitens des Patienten verursacht sein.<br />
Zur Messung der viralen Resistenzentwicklung können zwei Methoden verwendet<br />
werden: die genotypische und die phänotypische Resistenzanalyse.<br />
3.1 Genotypische Resistenzanalyse<br />
Bei der genotypischen Resistenzanalyse werden Nukleotidsequenzbereiche des<br />
Protease-, des Reverse Transkriptase-, des Integrase- und des gp41-Gens<br />
molekularbiologisch analysiert. Lediglich die Untersuchung der Protease und der<br />
Reversen Transkriptase sind derzeit EBM-Leistungen. Die Analyse des Integrasegens<br />
und des gp41-Gens, sowie die Tropismusbestimmung durch Sequenzierung des V3loops-<br />
(s. Kapitel 8), sind derzeit noch keine Kassenleistung.<br />
Die Methodik der genotypischen Resistenzanalyse läßt sich grob unterteilen in:<br />
● Isolierung der Virus RNA<br />
● Umschreiben der Virus-RNA in DNA (Reverse Transkription)<br />
● Vervielfältigung (Amplifikation) des zu analysierenden Teilbereiches der DNA<br />
mittels der Polymerase-Kettenreaktion (PCR)<br />
● Sequenzierungsschritt mit der Generierung markierter Nukleotidsequenzstücke<br />
unterschiedlicher Länge (s. Abb.2)<br />
● Elektrophoretische Auftrennung der einzelnen Nukleotidsequenzstücke<br />
● Elektronische Aufarbeitung und Lesen der Nukleotidsequenz<br />
Im letzten Schritt lassen sich vorliegende Veränderungen (Mutationen) im Vergleich zu<br />
einer Wildtypsequenz unter anderem an resistenzrelevanten Stellen ausmachen. Anhand<br />
der Mutationen werden Vorhersagen über die Wirksamkeit von antiretroviralen<br />
Substanzen getroffen.<br />
Bei der Bestätigung einer Medikamentenresistenz muß anschließend entschieden<br />
werden, ob die bestehende Therapie auf andere Wirkstoffe und Medikamente umgestellt<br />
oder entsprechend ergänzt werden soll.
Abb.2: Vereinfachte Darstellung der Sequenzierungs-Technik<br />
Die Vorteile einer genotypischen Resistenzanalyse liegen in einer schnellen Verfügbarkeit<br />
der Ergebnisse. Des weiteren können hier Mutationen identifiziert werden, die Aufschluss<br />
über eine in der Vergangenheit bestandene oder eine sich entwickelnde Resistenz geben<br />
können (Transitionsmutation).<br />
Bedingt durch die mögliche Komplexität der Mutationsmuster kann der Phänotyp nicht<br />
immer einheitlich vorhergesagt werden (s. Kapitel Interpretation).<br />
Einige Vor- und Nachteile der genotypischen- bzw. der phänotypischen Resistenzanalyse<br />
sind in Tab.1 aufgeführt.<br />
3.2 Phänotypische Resistenzanalyse<br />
Im Rahmen der phänotypischen Resistenzanalyse wird das Maß der Empfindlichkeit des<br />
Virus gegenüber einer Medikamentensubstanz bestimmt. Dabei werden unterschiedliche<br />
Verdünnungsreihen antiretroviraler Wirkstoffe an einem rekombinierten <strong>HIV</strong>-Isolat,<br />
welches den zu analysierenden Genbereich des Patienten-Isolates molekularbiologisch<br />
integriert bekommen hat, getestet.<br />
Therapie<br />
Die durch Mutationen bedingte verminderte Empfindlichkeit des <strong>HIV</strong> auf bestimmte<br />
Substanzen wird üblicherweise als x-fache Erhöhung des IC50 (entspricht der<br />
Konzentration einer Substanz, die nötig ist um eine 50%ige Hemmung der Virusreplikation<br />
zu erzielen) im Vergleich zur Wildtyp-Referenz als phänotypischer Resistenzfaktor (RF)<br />
angegeben (s. Abb.3).<br />
103
Therapie<br />
104<br />
Abb.3: Darstellung des IC50 von Wildtyp und Mutante<br />
Ein wesentlicher Vorteil der phänotypischen Resistenzanalyse liegt durch die direktere<br />
Messung in der Beurteilung von Kreuzresistenzen und in der Abwägung der Resistenz<br />
von neuen antiretroviralen Substanzen.<br />
Zur Beurteilung der Resistenzeinstufung wurden hierbei unterschiedliche Schwellenwerte<br />
(Cut offs) entwickelt:<br />
● der technische Cut Off ist ein Maß für die maximale Variationsbreite eines<br />
Testergebnisses, wenn ein Isolat mehrfach analysiert wird, ein meßtechnischer<br />
Wert<br />
● der biologische Cut Off spiegelt die phänotypische Schwankungsbreite von<br />
Isolaten therapienaiver Patienten (also wahrscheinlich Wildtyp Viren) wieder.<br />
● der klinische Cut Off gibt den Resistenzfaktor an, bei dem ein Medikament<br />
meist nicht mehr erfolgreich Viruslast-senkend eingesetzt werden kann.<br />
Der klinische Cut Off ist der wichtigste und aussagekräftigste Schwellenwert. Es werden<br />
meist ein oberer und ein unterer Cut-off definiert. Am unteren Cut-off ist das virologische<br />
Ansprechen bereits leicht vermindert, ab dem oberen Cut-off-Wert ist, wenn überhaupt,<br />
nur noch ein geringes virologisches Ansprechen zu erwarten. Für neuere Medikamente<br />
fehlt oftmals aus Datenmangel dieser Schwellenwert.<br />
Es ist zu berücksichtigen, dass die phänotypische Resistenzanalyse keine EBM-Leistung<br />
ist. Die Durchführung kann somit nur im Rahmen von Studien und Projekten oder nach<br />
vorheriger Antragsstellung und genehmigter Kostenübernahme seitens der Krankenkasse<br />
stattfinden.
GENOTYPISIERUNG<br />
Identifikation spezifischer<br />
Mutationen,<br />
welche mit Resistenz<br />
assoziiert sind<br />
(Sequenzanalyse des<br />
resistenzrelevanten<br />
Nukleotidbereiches)<br />
PHÄNOTYPISIERUNG<br />
Charakterisierung eines<br />
viralen Isolats<br />
(Messung der benötigten<br />
Konzentration um 50%<br />
der Virusproduktion zu<br />
unterdrücken)<br />
Vorteile Nachteile<br />
● gut verfügbar/EBM<br />
● Ergebnis in wenigen<br />
Tagen<br />
● Detektion von<br />
Transitionsmutationen (s.<br />
3.1)<br />
● Subtypangabe<br />
● EBM-Leistung (s. 3.1)<br />
● direkte Messung<br />
● Daten zur Kreuzresistenz<br />
● Analyse von neuen<br />
Substanzen<br />
und non-B-Subtypen<br />
Tab.1: Einige Vor- und Nachteile der genotypischen bzw. phänotypischen<br />
Resistenzanalyse<br />
● indirekte Messung<br />
● komplexe Analyse<br />
mit diversen<br />
Interpretations-<br />
Systemen<br />
(subjektiv)<br />
● unbekannte<br />
Mutationen, neue<br />
Substanz<br />
● Mischpopulation <<br />
20%<br />
● klin. Cut-Offs bisher<br />
nur<br />
von einigen<br />
Medikamenten<br />
bekannt<br />
● nicht im EBM<br />
● wird nur von<br />
wenigen Laboren<br />
durchgeführt<br />
● zeitaufwendig/teuer<br />
● Mischpopulation <<br />
20%<br />
Zur Durchführung der Resistenzanalyse muss eine Mindestmenge an Viren vorhanden<br />
sein. Bei einer Viruslast von weniger als 200 Kopien/ml kann die Resistenzanalyse häufig<br />
nicht durchgeführt werden.<br />
4. Interpretation von genotypischen Resistenzergebnissen<br />
Aufgrund der Verfügbarkeit von zahlreichen antiretroviralen Substanzen und der<br />
Komplexität der möglichen Mutationsmuster wurden Interpretationshilfen (Algorithmen)<br />
entwickelt.<br />
Diese Interpretationssysteme erstellen auf Basis der variablen Gewichtung von<br />
vorliegenden Mutationen Vorhersagen über die verbleibende Wirksamkeit der<br />
antiretroviralen Substanzen.<br />
Es existieren derzeit zwei grundlegende Varianten zur Interpretation der Ergebnisse von<br />
genotypischen Resistenzanalysen, regelbasierte und bioinformatische Systeme.<br />
Therapie<br />
105
Therapie<br />
106<br />
Regelbasierte Algorithmen beinhalten meist in vitro und in vivo Daten basierend auf<br />
Studienveröffentlichungen und Expertenwissen.<br />
Zur Zeit sind diverse Interpretations-Systeme aus diesem Bereich im Internet frei<br />
zugänglich. Einige von ihnen ermöglichen die direkte Analyse der DNA-Sequenz und/oder<br />
die Möglichkeit manuell Mutationen einzutragen. Als Beispiel seien nachfolgende frei<br />
verfügbare Interpretationshilfen genannt:<br />
● <strong>HIV</strong>-Grade: http://www.hiv-grade.de<br />
● Los Alamos: http://www.lanl.gov/<br />
● Stanford-<strong>HIV</strong>db: http://hivdb.stanford.edu/pages/asi/<br />
● ANRS: http://www.anrs.fr/<br />
Bioinformatische Systeme hingegen stützen sich auf mathematische Modelle, die auf<br />
Geno- und Phänotyp Korrelationen basieren. Da der phänotypische Resistenzfaktor<br />
berechnet/ermittelt wird, spricht man hier vom virtuellen Phänotyp.<br />
Als Beispiel sei hier Geno2Pheno http://www.geno2pheno.org/ und der kommerziell<br />
erhältliche Virtual Phenotype der Firma Virco genannt.<br />
5. Andere Faktoren, die einen Einfluß auf die<br />
Resistenzentwicklung haben<br />
5.1 Primärresistenz<br />
Von Primärresistenz spricht man, wenn eine Person mit einem bereits resistenten Virus<br />
infiziert wird. Die Wahrscheinlichkeit mit einem primär resistenten Stamm infiziert zu<br />
werden liegt in Deutschland je nach Region etwa zwischen 10% und 15%. Diesbezüglich<br />
ist es empfehlenswert vor dem Start der ersten Therapie eine Resistenzanalyse<br />
durchzuführen, damit sichergestellt wird, daß nur aktive Substanzen eingesetzt werden.<br />
5.2 Vortherapie und Quasispezies<br />
Mit und ohne antiretroviraler Therapie entstehen täglich unterschiedliche Virusvarianten.<br />
Somit existiert im Organismus nicht nur eine einheitliche Viruspopulation, sondern es<br />
entstehen viele unterschiedliche Viren (Quasispezies), deren Anzahl im Laufe des<br />
Infektionszeitraums zunimmt. Im Blut sind meist nur die Virusvarianten mit den höchsten<br />
Wachstumsraten nachweisbar. Die Detektionsgrenze liegt mit der weitverbreiteten<br />
Sequenzierungstechnik bei 20%. Wenn medikamentöser Selektionsdruck gesetzt wird,<br />
können sich resistente Viren entwickeln oder schon existierende resistente Viren aus dem<br />
zellulären Reservoir, in dem sie in Form von proviraler DNA integriert sind, erneut<br />
heranwachsen.<br />
Somit sollte ein Resistenzbefund immer unter Berücksichtigung der Vortherapie bewertet<br />
werden.<br />
5.3 <strong>HIV</strong> non- B Subtypen<br />
Während der Ausbreitung von <strong>HIV</strong>, haben sich weltweit zahlreiche Subtypen entwickelt,<br />
die sich teilweise stark voneinander unterscheiden können.
Antiretrovirale Substanzen, die heute zum Einsatz kommen, wurden im<br />
nordamerikanischen und europäischen Raum entwickelt und am hier prädominanten <strong>HIV</strong>-<br />
1 Subtyps verifiziert. Daher sind auch die meisten vorliegenden Daten zur<br />
Resistenzentwicklung aus den Beobachtungen mit diesem Subtyp generiert worden.<br />
Jedoch macht dieser Subtyp in der Populationsdynamik nur 10% der globalen <strong>HIV</strong>-<br />
Pandemie aus (s. Abb. 4).<br />
In einigen europäischen Ländern mit hohem Migrationsanteil in der Bevölkerung, wie zum<br />
Beispiel in Belgien und Portugal, ist der Anteil an non-B Subtypen schon größer als 40%.<br />
In Deutschland je nach Region bis zu 25 %.<br />
Globales Paradox<br />
Abb. 4: Globale Prävalenz des <strong>HIV</strong>-Subtyps B mit entsprechendem Anteil an derzeitigen<br />
Kenntnissen über <strong>HIV</strong><br />
Es ist bekannt, dass unter Umständen das gleiche Medikament bei verschieden <strong>HIV</strong>-<br />
Subtypen unterschiedliche Mutationen hervorrufen kann. Manche dieser Mutationswege<br />
können eine breitere Kreuzresistenz bewirken. Des weiteren können durch genetische<br />
Prädisposition bei einigen <strong>HIV</strong>-non B Subtypen Mutationen leichter entstehen. Dieses<br />
sollte nach neuesten Erkenntnissen auch bei der Resistenzinterpretation berücksichtigt<br />
werden.<br />
Diesbezüglich sollte bei der Resistenzanalyse routinemäßig der <strong>HIV</strong> Subtyp mit ermittelt<br />
werden. Das ist via Internet anhand der Reversen Transkriptase und Protease Sequenz<br />
für den weit überwiegenden Teil der Sequenzen schnell und kostenfrei möglich.<br />
5.4 Kreuzresistenz, kompensatorische Mutationen und Interaktionen<br />
Kreuzresistenz: Einige Mutationen, die unter einem bestimmten Medikament generiert<br />
werden, resultieren in einer verminderten Wirksamkeit oder sogar dem vollständigen<br />
Wirkungsverlust von mehreren oder allen Substanzen einer Klasse. Therapeutische<br />
Folgeoptionen können dadurch stark limitiert werden.<br />
Kompensatorische Mutationen: Oft vermindern Resistenz-assoziierte Mutationen die<br />
virale Fitneß. Das Virus versucht dies mit der Akkumulation von weiteren spezifischen<br />
Mutationen, die die Vermehrungsrate des Virus wieder erhöhen, zu kompensieren<br />
Therapie<br />
107
Therapie<br />
108<br />
Interaktionen: Mutationen, die das Virus für eine oder mehrere antiretrovirale Substanzen<br />
resistent machen, können dazu führen, daß andere Substanzen (wieder) sensitiver<br />
werden. Ein Beispiel ist die Mutation M184V die Resistenz gegen 3TC und FTC bewirkt,<br />
aber eine bestehende Resistenz gegen AZT minimieren oder je nach Resistenzgrad<br />
wieder aufheben kann.<br />
Derartige Interaktionen sollten in der Interpretation von Mutationsmustern berücksichtigt<br />
werden.<br />
6. Genetische Barriere und antiretrovirale Substanzen<br />
Die Resistenzentwicklung ist ein gradueller Prozess. Je nach antiretroviraler Substanz<br />
sind eine, wenige oder zahlreiche Mutationen zum Erreichen einer starken Resistenz<br />
notwendig. Unter genetischer Barriere versteht man die Anzahl an Mutationen die zur<br />
Resistenzbildung in Abhängigkeit von der Zeit notwendig sind. Geboostete Protease<br />
Inhibitoren besitzen die höchste genetische Barriere. Unter einer Ersttherapie mit<br />
Protease Inhibitoren entstehen bei virologischem Versagen äusserst selten Resistenzassoziierte<br />
Protease Mutationen. Durch den 'Booster-Effekt' mit Ritonavir wird die<br />
Resistenzbildung bei Protease Inhibitoren wahrscheinlich erschwert. Für die Medikamente<br />
der anderen Substanzklasse reichen meist ein bis zwei Mutationen zur vollständigen<br />
Resistenzbildung aus. Doch auch hier gibt es Entwicklungen. So hat der neue NNRTI<br />
Etravirin eine höhere genetische Barriere als die alten Substanzen dieser Klasse. Bei der<br />
neuen Substanklasse der Integrase Inhibitoren reichen zum Wirkverlust ein bis zwei<br />
spezifische Resistenzmutationen. Und bei den Fusions Inhibitoren ist eine<br />
Resistenzmutation oftmals für ein virologisches Versagen ausreichend. Die Datenlage zur<br />
Resistenzbildung bei den CCR5 Antagonisten ist noch unklar (s. Kap. 7).<br />
Jedoch ist die genetische Barriere alleine nicht für einen Therapieerfolg aussagekräftig,<br />
wie anhand des Beispiels von Retrovir, welches eine höhere genetische Barriere als<br />
Abacavir oder Tenofovir besitzt, verdeutlicht wird. So war Retrovir im Rahmen von<br />
klinischen Studien dem Abacavir oder Tenofovir unterlegen. Vertäglichkeit und Potenz<br />
sind zwei weitere Parameter, die zum Therapieerfolg beitragen.<br />
Weiterhin soll im klinischen Alltag die Einzelsubstanz nicht alleine betrachtet, sondern<br />
immer unter Berücksichtigung der Kombinationspartner beurteilt werden.<br />
7. Tropismusbestimmung und Resistenzentstehung unter CCR5-<br />
Antagonisten<br />
CCR5-Antagonisten, wie Maraviroc oder Vicriviroc, sind nur wirksam, wenn CCR5-trope<br />
HI-Viren vorliegen und keine CXCR4-tropen beziehungsweise dual-tropen Viren<br />
nachweisbar sind. Somit muss vor dem Einsatz von CCR5-Antagonisten ein<br />
Tropismustest durchgeführt werden.<br />
In Analogie zur Resistenzanalyse kann die Tropismusbestimmung genotypisch oder<br />
phänotypisch durchgeführt werden. Ein wesentlicher Vorteil des kostengünstigeren<br />
genotypischen Verfahrens ist die schnelle Ergebnismitteilung. In Akutsituationen kann ein<br />
Ergebnis binnen weniger Arbeitstage vorliegen. Die Interpretation der genotypischen<br />
Tropismusbestimmung erfolgt mittels einer bioinformatischen Analyse (http://www.<br />
geno2pheno.org). Der kommerzelle phänotypische 'Trofile'-Test ist sensitiver, dafür ist die<br />
genotypische Analyse auch bei einer niedrigen Viruslast von beispielsweise 200 Kopien/
ml möglich. Weiterhin ist mittels des genotypischen Verfahrens eine Resistenzanalyse<br />
aus proviraler DNA, also bei nicht nachweisbarer Viruslast durchführbar. Die<br />
Übereinstimmung zwischen genotypischen (geno2pheno) und phänotypischen<br />
Testergebnissen (Standard Trofile) beträgt ca. 85%.<br />
In Deutschland setzt sich mehr und mehr der genotypische Test durch. Der<br />
phänotypische Test wird bei unklaren Ergebnissen als Bestätigungstest eingesetzt.<br />
Mittels einer erneuten Tropismusanalyse kann überprüft werden, ob ein Therapieversagen<br />
durch die Selektion von CXCR4- bzw. Misch- oder dual-tropen HI-Viren beruht. Falls dies<br />
der Fall ist, ist ein erneuter Einsatz des gleichen oder eines anderen CCR5-Antagonisten<br />
nicht mehr sinnvoll.<br />
Therapieversagen mit CCR5 Anatagonisten kann sowohl durch Tropismuswechsel als<br />
auch durch Resistenzentwicklung bedingt. Durch die genotypische Analyse des V3<br />
Bereiches und anderer Bereiche des gp120 Gens kann man untersuchen, ob das<br />
Versagen bei Vorliegen von R5-tropen Viren durch die Entstehung von resistenten <strong>HIV</strong>-<br />
Varianten zu erklären ist. Denn ein CCR5-tropes Virus kann der Inhibition durch einen<br />
CCR5-Antagonisten durch Mutationen innerhalb des env-Gens ausweichen. Hierbei wird<br />
es dem Virus ermöglicht, den CCR5-Rezeptor zu nutzen, obwohl ein CCR5-Antagonist<br />
daran gebunden ist. Es wurden bisher keine typischen Muster zur Resistenzentstehung<br />
identifiziert.<br />
Der Tropismustest und die Resistenzanalyse des env-Gens sind derzeit noch keine<br />
Kassenleitung.<br />
Therapie<br />
109
Therapie<br />
110<br />
8. Deutsch-Österreichische Leitlinien (Stand September 2008)<br />
Primäre/kürzliche<br />
Infektion<br />
Chronische Infektion,<br />
vor Beginn einer<br />
Therapie<br />
Nach erstem<br />
Therapieversagen<br />
Mit unfangreicherer<br />
antiretroviraler<br />
Vorbehandlung<br />
In oder nach einer<br />
Therapiepause<br />
Empfehlung<br />
Empfehlungs-<br />
Grad<br />
Bisher unbehandelte Patienten<br />
Resistenztestung<br />
empfohlen, wenn eine<br />
antiretrovirale Therapie<br />
begonnen wird<br />
Resistenztestung<br />
empfohlen<br />
A II<br />
A II<br />
Behandelte Patienten<br />
Resistenztestung generell<br />
empfohlen vor Therapie<br />
wechsel3<br />
Resistenztestung2,3<br />
generell empfohlen vor<br />
Therapiewechsel<br />
Resistenztestung derzeit<br />
nur im Rahmen<br />
wissenschaftlicher<br />
Fragestellungen zu<br />
empfehlen<br />
A II<br />
A II<br />
D III<br />
Kommentare<br />
Archivierung einer<br />
Plasmaprobe empfohlen,<br />
auch wenn keine<br />
antiretrovirale Therapie<br />
eingeleitet wird; Meldung<br />
and das<br />
Serokonverterregister des<br />
RKI1<br />
Archivierung einer<br />
Plasmaprobe, die möglichst<br />
nahe am<br />
Infektionszeitpunkt liegen<br />
sollte<br />
Abklärung der weiteren<br />
Ursachen des<br />
Therapieversagens<br />
unerlässlich<br />
Abklärung der weiteren<br />
Ursachen des<br />
Therapieversagens<br />
unerlässlich<br />
Feststellung eienr<br />
Reversion zum Wildtyp
Antiretrovirale Therapie bei <strong>HIV</strong>-infizierten<br />
Drogenkonsumenten<br />
1. Basisdiagnostik<br />
Jörg Gölz<br />
benötigt man eine mehrdimensionale Basisdiagnostik.<br />
Tabelle 1: Elemente der Basisdiagnostik<br />
● biographische Anamnese<br />
● medizinische Anamnese<br />
● Suchtanamnese<br />
● aktuelle sozialmedizinische Situation (vor allem Haftbefehle,<br />
Bewährungsstrafen)<br />
● körperlicher Status<br />
● psychiatrischer Status<br />
● Labordiagnostik<br />
2. Integrierte Therapieplanung der sozialen, toxicomanen,<br />
psychiatrischen und somatischen Syndrome<br />
Erst nachdem alle oben dargestellten Befunde und Daten erhoben sind, kann eine<br />
sinnvolle Reihenfolge der therapeutischen Maßnahmen gefunden werden. In der Regel<br />
zeigt sich die in Tabelle 2 dargestellte Dringlichkeit der therapeutischen Aufgaben.<br />
Tabelle 2: Reihenfolge der wichtigsten Maßnahmen nach Schädigungssyndrom<br />
● Akut bedrohliche somatische oder psychiatrische Erkrankung<br />
● soziales Syndrom<br />
● toxikomanes Syndrom<br />
● chronische psychiatrische Erkrankungen<br />
● chronische Infektionskrankheiten<br />
● Desintegrationssyndrom in Ausbildung / Beruf<br />
3. Compliance<br />
Die in der Frühphase auftretenden Störungen der Compliance verlieren sich mit der Dauer<br />
der Substitutionsbehandlung. Insgesamt können die Störungen gut durch ein<br />
professionelles Management beeinflußt werden. Die Compliance von<br />
Drogenkonsumenten in einem professionellen setting unterscheidet sich nicht von der<br />
Compliance in der Normalbevölkerung.<br />
Tabelle 3: Typische Ursachen der gestörten Compliance in der Frühphase der<br />
Substitution<br />
Therapie<br />
111
Therapie<br />
112<br />
● Tagesablaufstörungen im Wohnheim / Notschlafstätte<br />
● Unruhe durch Wohnungssuche<br />
● Unruhe durch illegalen Gelderwerb<br />
● Fehlende Umstellung auf normales Tageszeitraster<br />
● Medikamenteninteraktionen mit Methadon, Alkohol und Benzodiazepinen<br />
● Überforderung im Konfliktmanagement mit Partnern und Kindern<br />
● keine stabile Objektbeziehung zum Arzt<br />
Daneben gibt es Faktoren, die dauerhaft die Compliance stören und in der Regel auch<br />
schwer therapeutische beeinflußbar sind.<br />
Tabelle 4: Typische Ursachen für eine dauerhafte Störung der Compliance<br />
● unprofessioneller ärztlicher Umgang mit Drogenabhängigen<br />
schwere psychiatrische Komorbidität ( Ich-Struktur-Defekte)<br />
● bedrohlich erlebte Interaktion von ART und Methadonspiegel<br />
● Angst und Mißtrauen gegenüber dem medizinischen Versorgungssystem<br />
● Fehlende Strukturierung in Zeit und Raum<br />
● soziale Perspektivlosigkeit mit verringertem Interesse an körperlicher<br />
Gesundheit<br />
4. Somatische Komorbidität und Komedikation<br />
Die somatische Komorbidität kann zeitweilig oder dauerhaft die Optionen der<br />
antiretroviralen Therapie einschränken:<br />
● gestörte Stoffwechselfunktiuon der Leber<br />
● gestörte Ausscheidungsfunktion der Nieren<br />
● interagierende Begleitmedikation ( Marcumar, Diuretika, pegylierte Interferone,<br />
Ribavirin, Tuberkulostatika, Antiepileptika, Antidepressiva, Neuroleptika )<br />
Zwischen antiretroviralen Medikamenten und Methadon bestehen spiegelbeeinflussenden<br />
Interaktionen.<br />
Tabelle 5: Interaktionen zwischen Methadon und antiretroviralen Medikamenten<br />
ART-<br />
Substanz<br />
Veränderung<br />
Methadonspiegel<br />
Nevirapine ↓↓↓<br />
Efavirenz ↓↓↓<br />
Nelfinavir ↓↓↓<br />
Darunavir ↓↓<br />
Tipranavir ↓↓
Die Interaktionen mit Methadon sind im bei mehreren Substanzen nicht voraussagbar.<br />
Solche Substanzen verändern die Aktivität mehrerer Cytochrome der P-450-Familie, die<br />
beim Abbau des Methadons beteiligt sind. Bei diesen Medikamenten hängt der<br />
spiegelsenkende oder -hebende Effekt offenbar mit genetisch festgelegten Konstanten<br />
zusammen.<br />
5. Antiretrovirale Therapiestrategien bei Drogenabhängigen<br />
5.1 Vorbereitung, Beginn , Monitoring der antiretroviralen<br />
Therapie<br />
Die Qualität der erzielten Compliance hängt wesentlich von der professionellen<br />
Therapiebegleitung durch den Arzt ab.<br />
Tabelle 6 : Vorbereitung der antiretroviralen Therapie<br />
● Therapiebeginn nicht<br />
❍ unvermittelt<br />
❍ in aktuellen Lebenskrisen<br />
❍ kurz vor wichtigen Ereignissen<br />
❍ kurz nach Beginn der Substitution<br />
❍ ohne soziale Basisversorgung<br />
● Erklären der Therapieziele<br />
● Analyse des durchschnittlichen Tagesablaufs<br />
● Reale Demonstration der täglichen Medikamentenmenge<br />
● Erläuterung des Einnahmemodus<br />
● Anweisungen schriftlich mitgeben<br />
● auf mögliche Nebenwirkungen hinweisen<br />
● Medikamente gegen Nebenwirkungen verordnen<br />
● auf Interaktionen mit anderen Medikamenten beim Gebrauch von Drogen<br />
hinweisen<br />
● aus juristischen Gründen Aufklärung über potentiell lebensbedrohliche<br />
Nebenwirkungen (NVP, ABC) in Krankenakte notieren<br />
Therapie<br />
113
Therapie<br />
114<br />
5.2 Die einzelnen Therapieoptionen im Überblick<br />
Gesichtspunkte bei der Auswahl von Therapieregimes<br />
Die Auswahl aus den möglichen Therapieoptionen wird bei Drogenabhängigen häufig<br />
durch Begeleitmedikation, Begleiterkrankungen und Defekten der Organfunktionen<br />
eingeschränkt.<br />
Tabelle 7: Therapieeinschränkende Faktoren<br />
Begleiterkrankungen:<br />
● chronische HCV-Infektion<br />
● chronische HBV-Infektion<br />
● chronische Osteomyelitis<br />
● Tuberkulose<br />
Defekte Organfunktion :<br />
● eingeschränkte Nierenfunktion<br />
● eingeschränkte Leberfunktion<br />
● posttraumatische Krampfleiden<br />
● Störungen der kardialen Reizleitung<br />
● Störungen der kardialen Klappenfunktion<br />
● Zust . n. kardialen und peripheren By-pass-Operationen<br />
Interaktionen mit Begleitmedikation<br />
● Methadon und Buprenorphin<br />
● klassische Neuroleptika<br />
● atypischen Neutroleptika<br />
● tri - und tetrazyklischen Antidepressiva<br />
● Antidepressiva vom SSRI- und SNRI-Typ<br />
● Anxiolytika<br />
● Benzodiazepine<br />
● Antiepileptika<br />
● pegyliertes Interferon<br />
● Ribavirin<br />
Das bedeutet, daß in nahezu der Hälfte der Fälle die Auswahl einer antiretroviralen<br />
Therapie nicht ganz spontan nach den jeweils geltenden Richtlinien begonnen werden<br />
kann, sondern daß jede Substanz daraufhin geprüft werden muß, ob sie zur<br />
Begleitmedikation und zu den Begleiterkrankungen und Organdefekten paßt.<br />
Geeignete Therapieregimes<br />
Im Gegensatz zu den ersten Jahren der antiretroviralen Therapie sind die Regimes
inzwischen sehr viel einfacher geworden. Sie besitzen außerdem sehr viel weniger<br />
Nebenwirkungen. Einer der Marksteine dieser Vereinfachung war die Verabreichung einer<br />
Dreifachtherapie mit nur jeweils einer Tablette morgens und abends ( Trizivir®). Dies ist<br />
bei compliancegestörten Patienten sicher auch heute noch ein empfehlenswerter<br />
Standard bei einer Viruslast unter 100 000 Kopien / ml.<br />
Inzwischen gibt es weitere wesentliche Vereinfachungen der Therapie durch eine Fülle<br />
von Substanzen, die einmal täglich gegeben werden können. Zusätzlich gibt es einige<br />
dieser Substanzen als fixed-dose Kombinationen ( Truvada®, Kivexa® ), so daß es<br />
Dreifachregimes gibt, bei denen nur einmal täglich ein bis zwei Tabletten eingenommen<br />
werden müssen. Da inzwischen alle Stoffklassen mindestens einen für die Einmalgabe<br />
geeigneten Vertreter haben sind auch alle wichtigen Regimetypen in einmal täglicher<br />
Dosierung zu verabreichen.<br />
Tabelle 7 : Überblick zur einmal täglichen Gabe<br />
Substanzgruppe geeignete Substanzen / Substanzkombinationen<br />
NRTI: DDI, 3TC, FTC , ABC<br />
NtRTI: TDF<br />
NNRTI: EFV, NVP<br />
geboosterte PI: FPV/RTV, SQV500/RTV, LPV/RTV<br />
geboosterte Doppel-<br />
PI:<br />
ATV/SQV/RTV, LPV/SQV/RTV<br />
Tabelle 8: wichtige Fix-Dose-Kombinationen<br />
2 NRTI Combivir® AZT + 3TC<br />
2 x<br />
täglich<br />
Kivexa® ABC + 3TC 1x täglich<br />
NRTI+NtRTI Truvada® FTC + TDF 1 x täglich<br />
NRTI+NtRTI+NNRTI Atripla® FTC+TDF+EFV 1 x täglich<br />
3 NRTI Trizivir®<br />
AZT+3TC<br />
+ABC<br />
2 x täglich<br />
geboosterter PI Kaletra® LPV + RTV 2 x täglich<br />
Drei der einmal täglich verabreichten NRTI-Regimes haben hohe Raten an virologischem<br />
Therapieversagen gezeigt. Es sind dies folgende Kombinationen:<br />
● TDF + ABC + 3TC<br />
● TDF + DDI + 3TC<br />
Diese beiden Regimes sollten also nicht angewandt werden.<br />
Im folgenden wird eine Synopsis über die problemlosesten Erst - und Zweit-Regimes bei<br />
Drogenkonsumenten gegeben. Selbstverständlich sind im Einzelfall auch andere hier<br />
Therapie<br />
115
Therapie<br />
116<br />
nicht genannte Regimes denkbar.<br />
Tabelle 9: Empfohlene Regimes bei IVDU und ihre Indikationen<br />
Regimetyp Kombinationspartner Dosierung Indikation<br />
2 NRTI + 1<br />
NNRTI<br />
TDF + FTC + EFV 0-0-1 Tabl Standard-Erstregimes<br />
ABC + 3TC + EFV 0-0-2 Tabl<br />
ABC + 3TC + NVP 2-0-1 Tabl<br />
TDF + FTC + NVP 2-0-1 Tabl<br />
AZT + 3TC + EFV 1-0-2 Tabl<br />
AZT + 3TC + NVP 2-0-2 Tabl<br />
2 NRTI + PI ABC + 3TC + ATV 300/r 3-0-0 Tabl Standard-Erstregimes<br />
ABC + 3TC + LPV/r 3-0-2 Tabl<br />
ABC + 3TC + SQV500/r 4-0-3 Tabl<br />
ABC + 3TC + FPV/r 3-0-2 Tabl<br />
TDF + FTC + ATV300/r 3-0-0 Tabl<br />
TDF + FTC + LPV/r 3-0-2 Tabl<br />
TDF + FTC + SQV500/r 4-0-3 Tabl<br />
TDF + FTC + FPV/r 3-0-2 Tabl<br />
AZT + 3TC + ATV 300/r 3-0-1 Tabl<br />
AZT + 3TC + LPV/r 3-0-2 Tabl<br />
AZT + 3TC + SQV500/r 4-0-3 Tabl.<br />
AZT + 3TC + FPV/r 3-0-3 Tabl<br />
2 PI LPV/r + SQV 500 4-0-4 Tabl Regimes für Patienten mit Lactatazidose<br />
ATV/r +SQV 500 4-0-2 Tabl<br />
Regimes für Patienten mit Ribavirin-<br />
Komedikation<br />
3 NRTI AZT+3TC+ABC 1-0-1 Tabl Regime für Patienten mit Tbc-Therapie<br />
Das breite Spektrum der geeigneten Substanzen ermöglicht es inzwischen, alle<br />
Standardsituationen des antiretroviralen Behandelns mit einmaliger Tagesgabe zu<br />
beherrschen. Der Einfachheit halber sollte das Rückgrat des Regimes feste<br />
Kombinationen von 2 NRTI enthalten ( Combivir®, Truvada®, Kivexa® ). Die Bedeutung<br />
der einmal täglichen Verabreichung im Vergleich zu zweimal täglich verabreichten<br />
Regimes scheint für die Compliance nicht von so herausragender Bedeutung zu sein , wie<br />
oft suggeriert wird. Allerdings sind einmal-täglich-Regimes bei psychiatrisch Kranken mit<br />
konfusem Lebensstil sicher von Vorteil.
<strong>HIV</strong>-infizierte Drogenkonsumenten<br />
Jörg Gölz<br />
2. Therapeutische Besonderheiten bei der antiretroviralen<br />
Therapie<br />
ALLGEMEINE REGELN:<br />
● Akzeptanz der antiretroviralen Therapie ist gut<br />
● Behandlungergebnisse hängen überwiegend von der psychiatrischen<br />
Komorbidität ab<br />
● die Koinfektion mit Hepatitis C führt häufig in der 2. oder 3.<br />
Kombinationstherapie zu einer toxischen Hepatitis<br />
● nach Möglichkeit Therapieversuch der chronischen HCV-Infektion vor der<br />
antiretroviralen Therapie<br />
● Leberversagen bei <strong>HIV</strong>/HCV-Koinfizierten ist heute zweithäufigste<br />
Todesursache<br />
● die überdurschnittliche Komedikation ( Opiate, Neuroleptika, Antidepressiva)<br />
bei Behandlungsbeginn erschwert die Auswahl der therapeutischen Optionen<br />
SPEZIELLE REGELN<br />
● Frühestens zwei bis drei Monate nach Substitutionsbeginn antiretroviralen<br />
Therapie verordnen (Gefahr der Überforderung, häufig Abfall von <strong>HIV</strong>-RNA und<br />
Anstieg der CD4-Zellen unter Methadonbehandlung)<br />
● nicht mehrere potentiell lebertoxische Substanzen bei chronischer HCV-<br />
Infektion ( z.B. nicht D4T+DDI+NVP)<br />
● größere Neigung zu Pankreatitis unter HAART<br />
Therapiemonitoring bei Drogenkonsumenten immer mit alpha-Amylase/Lipase<br />
● Antiretrovirale Therapie bei gleichzeitiger chronischer HBV-Infektion vorrangig<br />
mit den Kombinationen AZT/3TC oder D4T/3TC (Anti-HBV-Wirkung von 3TC)<br />
● Protease-Inhibitoren und NNRTI werden über Isoenzyme des Cytochrom P 450<br />
abgebaut. Deshalb komplexe Interaktionen mit Methadon, Benzodiazepinen,<br />
Barbituraten, Antiepileptika, Neuroleptika, Antidepressiva<br />
● Compliance zur antiretroviralen Therapie durch ausführliche Erläuterungen von<br />
Wirkung und Nebenwirkungen stärken. Sonst häufig früher Therapieabbruch<br />
● Bei psychiatrischer Komorbidität mit Ich-Struktur-Defekten (Psychose,<br />
Borderline, dissoziale Persönlichkeit) Versuch einer Einmal-Täglich Gabe der<br />
ART ( z.B. DDI+3TC +EFV oder NVP)<br />
● bei vorraussehbar schlechter Compliance, möglichst keine Substanzen mit<br />
rascher Resistenzbildung ( z.B. NNRTI, 3TC )<br />
● Regime-Auswahl nach Schwere der psychiatrischen Komorbidität<br />
● DOT- once-daily-Regimes bei instabilen Objektbeziehungen<br />
● PI-Regimes nur mit 2 x täglicher Verabreichung<br />
● rasche Dosisnachregulierung von D/L-Methadon, L-Methadon, LAAM bei PI<br />
Therapie<br />
117
Therapie<br />
118<br />
und NNRTI oder Umstellung auf Buprenorphin ,DHC, retardierte Morphium<br />
● ART/HAART-Pause in sozialen/psychischen Konfliktsituationen<br />
Interaktion von Methadon mit anderen Medikamenten<br />
gesteigerter Abbau verlangsamter Abbau<br />
Rifampicin Cimetidin<br />
Rifabutin Chinidin<br />
Phenytoin b-Blocker<br />
Phenobarbital Antidepressiva<br />
Carbamazepin Antiarrhythmika<br />
Nelvinavir Kontrazeptiva<br />
Nevirapin Fluconazol<br />
Dexamethason Ketoconazol<br />
Spironolakton Ritonavir, Indinavir<br />
Saquinavir<br />
Delavirdine<br />
Erythromycin<br />
Clarithromycin<br />
Günstige Therapieschemata bei Drogenkonsumenten<br />
Kombination Darreichung<br />
DDI/HU:<br />
D4T/DDI<br />
AZT/DDI<br />
AZT/3TC/NFV<br />
AZT/3TC/IDV<br />
RTI -- Monotherapie<br />
1 x 40 ml Videx-Suspension<br />
2 x 500 mg Hydroxyurea<br />
RTI -- Zweifachtherapie<br />
2 x 1 Zerit 40<br />
1 x 40 ml Videx-Suspension<br />
2 x 1 Retrovir 250<br />
1 x 40 ml Videx-Suspension<br />
RTI+PI -- Dreifachtherapie<br />
twise-daily-dosing<br />
2 x 1 Combivir<br />
2 x 5 Viracept<br />
2 x 1 Combivir<br />
2 x 3 Crixivan 400
AZT/3TC/RTV<br />
AZT/3TC/RTV/SQV<br />
2 x 1 Combivir<br />
2 x 5 Norvir<br />
2 x 1 Combivir<br />
2 x 4 Norvir<br />
2 x 2 Fortovase<br />
oder Ersetzen von AZT/3TC durch D4T/DDI<br />
DDI/3TC/NVP<br />
DDI/3TC/EFV<br />
RTI+NNRTI -- Dreifachtherapie<br />
once-daily-dosing<br />
40 ml Videx-Suspension<br />
300 mg Epivir<br />
400 mg Viramune<br />
40 ml Videx-Suspension<br />
300 mg Epivir<br />
600 mg Sustiva<br />
Kombination Darreichung<br />
Spezielle Vorsicht<br />
Methadon<br />
Lebererkrankungen<br />
Pankreas-Erkrankungen<br />
Polyneuropathie<br />
ddI<br />
Protease-Inhibitoren<br />
NNRTI<br />
Protease-Inhibitoren<br />
NNRTI<br />
ddI<br />
d4T<br />
ddC<br />
d4T<br />
Tranquilizer-Beikonsum Ritonavir<br />
Therapie<br />
119
Therapie<br />
120<br />
<strong>HIV</strong>-infizierte Drogenkonsumenten<br />
Jörg Gölz<br />
3. Die antiretroviralen Optionen im Überblick<br />
Tabelle 1: ART/HAART-Optionen bei IVDU ohne PI<br />
Therapieform Kombinationen Indikation<br />
NRTI - Zweifachtherapie: D4T / DDI toxische Hepatitis auf PI / NNRTI<br />
AZT / DDI psychiatrische Komorbidität<br />
ABC / AZT<br />
ABC / D4T<br />
NRTI - Dreifachtherapie AZT / 3TC /<br />
ABC<br />
D4T / DDI / 3TC<br />
NRTI / NNRTI 2 x täglich 2 NRTI + NVP<br />
2 NRTI + EFV<br />
Standardregimes<br />
NRTI / NNRTI 1x täglich DDI/3TC/NVP Notwendigkeit von DOT<br />
DDI/3TC/EFV<br />
Tabelle 2: Beispiele für die Therapiefolge bei typischem Erstregimes:<br />
Erst-Regime 1. Salvage-Regime 2. Salvage Regime<br />
Beispiele: AZT/3TC/ABC D4T/DDI/ NVP oder<br />
EFV<br />
NRTI nach Resistenzbestimmung<br />
+DDC+PI<br />
AZT/3TC/NVP D4T/DDI + PI ABC/DDC + PI<br />
AZT/3TC/EFV D4T/DDI + PI ABC/DDC +PI<br />
DDI/3TC/NVP D4T/ABC +PI AZT/DDC + PI<br />
oder AZT/DDC+PI D4T/ ABC + PI<br />
D4T/DDI/3TC ABC/ NVP +PI AZT/DDC + PI<br />
ABC/ EFV +PI AZT/DDC + PI<br />
AZT/3TC/NFV D4T/DDI/ RTV/IDV ABC/NVP/LPV oder APV<br />
ABC/ EFV/LPV oder APV<br />
AZT/3TC/ RTV/IDV D4T/DDI/ NFV/SQV ABC/DDC/LPV oderAPV/NVP<br />
AZT/3TC/ RTV/SQV D4T/DDI/ IDV/NFV ABC/DDC/LPV oder APV/NVP
AZT/3TC/ LPV D4T/DDI/RTV/IDV ABC/DDC/RTV/AVP/NVP<br />
Tabelle 3: Screening der antiretroviralen Therapie bei Drogenabhängigen<br />
Standard:<br />
Beginn 4.<br />
Woche<br />
8.<br />
Woche<br />
alle 3<br />
Monate<br />
BB X X X X Alle<br />
GOT X X X X Alle<br />
GPT X X X X Alle<br />
Amylase X X X X Alle<br />
Lipase X X X X Alle<br />
Bilirubin X X X X Alle<br />
<strong>HIV</strong>-RNA X X X Alle<br />
CD4/CD8 X X X Alle<br />
Zusätzlich:<br />
Kreatinin X X X AZT/DDC/<br />
IDV<br />
LDH X X X AZT/NFV<br />
AP X X X DDI/NFV<br />
Harnsäure X X X DDI/alle PI<br />
Fette / BZ X X X Alle PI +<br />
NNRTI<br />
CPK X X X RIT/AZT/ABC/<br />
NFV<br />
Therapie<br />
121
Therapie<br />
122<br />
<strong>HIV</strong>-infizierte Drogenkonsumenten<br />
4. Substitutionsbehandlung<br />
Ermittlung der Anfangsdosis:<br />
Jörg Gölz<br />
(Der Berechnung liegt zugrunde, daß 1g auf der Szene gekauftes Heroin ca 100 mg<br />
reines Heroin enthält. )<br />
Straßenheroinmenge in mg : 10 = Reines Heroin in mg<br />
reine Heroinmenge/Tag in mg : 3,0 = Levomethadonmenge in mg<br />
reine Heroinmenge/Tag in mg : 1,5 = Methadonmenge in mg<br />
reine Heroinmenge/Tag in mg x 10 = DHC-Menge in mg<br />
Tabelle 4: Dosisanpassung bei Medikamenten-Interaktionen ( in Prozent der<br />
Ausgangsdosis )<br />
Medikament Methadondosis<br />
Rifampicin + 100 - 150%<br />
Rifabutin + 20 - 30%<br />
Antiepileptika + 10 - 40%<br />
Barbiturate + 20 - 40%<br />
Nelfinavir + 20 - 30%<br />
Nevirapine + 20 - 30%<br />
selektive Serotonin-<br />
Wiederaufnahmehemmer<br />
- 10 - 30%<br />
Ritonavir - 10 - 50%<br />
Indinavir - 10 - 30%<br />
Delavirdine - 10 - 20%<br />
Saquinavir - 5 - 10%<br />
Kontrolle des Beikonsums<br />
Urinkontrollen auf Beigebrauch<br />
Tabelle : Nachweisdauer von Drogen / Medikamenten<br />
Amphetamine 1-3 Tage<br />
Opiate 1-4 Tage
Kokain 1-2 Tage<br />
Secobarbital 1-2 Tage<br />
Phenobarbital 7 Tage<br />
Benzodiazepine 1-4 Tage<br />
Tabelle 5 : Maßnahmen gegen manipulierte Urinproben<br />
● Urinabgabe unregelmäßig und unangekündigt<br />
● Kontrolle des Urin auf Körpertemperatur<br />
● Kontrolle auf verfälschende Substanzen<br />
❍ Urin trübe: Flüssigseife verhindert Nachweis von Benzodiazepinen<br />
und Barbituraten<br />
❍ Urin-pH über 7: Bleichmittel/Augentropfen verhindert Nachweis aller<br />
Substanzen<br />
❍ Spez. Gewicht über 1030: NaCl verhindert Nachweis von Kokain,<br />
Opiaten, Amphetaminen<br />
Therapie<br />
123
Therapie<br />
124<br />
<strong>HIV</strong>-infizierte Drogenkonsumenten<br />
Jörg Gölz<br />
Indikationen zur Methadonsubstitution nach AUB als Leistung<br />
der GKV<br />
§3 - Indikationen<br />
Unbefristet<br />
AUB 1.1 maligne Tumoren<br />
AUB 1.2 <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
AUB 1.3 CAH B , CAH C<br />
auf 12 Monate befristet<br />
AUB 2.1 rezidivierende Abszesse<br />
AUB 2.2 rezidivierende Pneumonien<br />
AUB 2.3 Tuberkulose<br />
AUB 2.4 Suchtbegleit- und Folgeerkrankungen<br />
AUB 2.5 Schwangerschaft bis 6 Monate nach Geburt<br />
auf 6 Monate befristet<br />
AUB 3.1 Herstellung stationärer Behandlungsfähigkeit<br />
AUB 3.2 Überbrückung bis zur stationären Entgiftung<br />
§ 3a-Indikationen<br />
auf 12 Monate befristet<br />
AUB 3a.1 drogenfreie Therapie aus medizinischen Gründen<br />
nicht durchführbar<br />
AUB 3a2a Stabilisierung des Gesundheitszustands<br />
AUB 3a2b Abdosierung zur Abstinenz<br />
weitere Literatur:<br />
● Gölz,Mayr,Heise: <strong>HIV</strong> und AIDS. Behandlung Beratung Betreuung<br />
Urban und Fischer, 3.Aufl. 1999<br />
● Gölz, Jörg: Der drogenabhängige Patient.<br />
Urban und Fischer, 2. Auflage 1999<br />
● Gölz,Rockstroh: Compliance in der <strong>HIV</strong>-Therapie<br />
UNI MED science, 2000
Einleitung<br />
Besonderheiten bei Patienten mit<br />
Migrationshintergrund<br />
Markus Müller<br />
Ca. 7300 der <strong>HIV</strong> - positiven Menschen in Deutschland haben einen<br />
Migrationshintergrund und sind unter anderem in osteuropäischen und afrikanischen<br />
Ländern aufgewachsen. Für viele dieser Patienten stellen Sprache und Kultur in<br />
Deutschland Barrieren dar, die eine optimale medizinische Versorgung erschweren. In<br />
<strong>HIV</strong> - Schwerpunktpraxen werden diese Barrieren besonders deutlich, da intensive<br />
Aufklärung, Untersuchung und eine ungewöhnlich hohe Therapieadhärenz unerlässlich<br />
sind. Die Angst vor der Stigmatisierung ist eine zusätzliche Belastung, die <strong>HIV</strong> - Patienten<br />
aus ethnischen Minderheiten besonders schwer trifft und die Inanspruchnahme von<br />
Gesundheitseinrichtungen erschwert.<br />
Medizinische Aspekte<br />
Bei Patienten, die die Infektion in West- und Zentralafrika erworben haben, kann in<br />
wenigen Fällen auch ein <strong>HIV</strong>-2 Virus, oder ein <strong>HIV</strong>-1 Subtyp O vorliegen. Durch den<br />
Westernblot.- Test kann eine <strong>HIV</strong>-2 - Infektion differenziert werden, die marktüblichen<br />
Viruslast - Testmethoden können jedoch nicht <strong>HIV</strong> - 2 und <strong>HIV</strong>-1 Subtyp O RNA messen.<br />
Kürzlich wurde jedoch von der FDA der erste Test zugelassen, der den qualitativen<br />
Direktnachweis dieser seltenen Typen erlaubt (2). <strong>HIV</strong>-2 Infektionen verlaufen klinisch<br />
langsamer und werden auch weniger effektiv übertragen (3,4). Bei der Therapie einer <strong>HIV</strong>-<br />
2 - Infektion ist zu beachten, dass NNRTI’s keine Wirkung zeigen.<br />
Auch tropenmedizinische Erkrankungen sind besonders nach Reisen in die Heimatländer<br />
der Patienten zu beachten. Eine sorgfältige Reiseberatung muss empfohlen werden,<br />
besonders bei fortgeschrittener Immundefizienz. Impfungen gegen Gelbfieber sollten aus<br />
Sicherheitsgründen nicht erfolgen, wenn bei Patienten eine CD4 - Anzahl unter 200/µl<br />
vorliegt. Bei Fieber nach Rückkehr aus den Tropen muss auch an Malaria, Bilharziose<br />
und Virusfiebererkrankungen (Dengue, Chikungunya, andere) gedacht und eine<br />
stationäre Diagnostik eingeleitet werden.<br />
Kulturelle Aspekte<br />
Viele Konflikte zwischen Behandlern und Patienten sind auf dem Hintergrund der<br />
zeitorientieren Kultur speziell in Europa und einer ereignisorientierten Kultur<br />
beispielsweise in afrikanischen Ländern zu erklären. Typischerweise bestehen<br />
unterschwellige Vorwürfe bei Ärzten ('Dieser Patient kommt nie zu den vereinbarten<br />
Kontrolluntersuchungen und kommt immer ohne Termin!') und Patient ('Immer wenn ich<br />
wirklich krank bin, hat dieser Arzt keine Zeit, warum soll ich kommen, wenn es mir gut<br />
geht'), die durch den Zeitdruck in Praxen und Ambulanzen verstärkt wird. Weitere<br />
Missverständnisse können sich aus einer rein kausalen Betrachtungsweise des<br />
Behandlers ergeben, die auf eine mehr ganzheitliche Betrachtungsweise des Patienten<br />
trifft, die religiösen und zwischenmenschlichen Erklärungsmustern folgt (zum Beispiel<br />
'Tabubruch' oder der 'böser Blick').<br />
Daran zu denken ist auch, dass das Konzept präventiver Therapien (ART - Beginn,<br />
Therapie<br />
125
Therapie<br />
126<br />
obwohl Patient/Patientin noch nicht klinisch krank ist) in armen Ländern praktisch nicht<br />
existent ist und deshalb gut erklärt werden muss.<br />
Auch die Erwartungen von Migranten an den Arzt als Person unterscheiden sich oft von<br />
den Erwartungen deutscher Patienten. Während letztere häufig informiert über<br />
therapeutische Entscheidungen mit dem Arzt diskutieren wollen, sehen Migranten häufig<br />
im Arzt eher eine Autoritätsperson, die Entscheidungen alleine treffen soll. Diskussionen<br />
über Therapiealternativen und die Einbeziehung der Entscheidung des Patienten können<br />
bei manchen Patienten Verunsicherung hervorrufen ('Der Doktor weiß es auch nicht<br />
genau').<br />
Außerdem besteht manchmal das Vorurteil, dass ein Arzt, der keine Medikamente<br />
verschreibt, kein guter Arzt sein kann.<br />
Die interkulturelle Kompetenz erfordert von Behandlern Empathie, Zuhörbereitschaft und<br />
oft auch die Fähigkeit, sich an vorgegebene Zeitrahmen nicht zu streng zu halten.<br />
Religiöse Aspekte<br />
Religiöse Gründe können bei einzelnen Patienten auch zur völligen<br />
Therapieverweigerung führen ( 'Strafe Gottes' ) oder auch zu Therapieunterbrechungen<br />
führen. Letzteres tritt häufiger im Zusammenhang mit Fastentagen auf, beispielsweise<br />
während des Ramadanmonats oder den Wochen vor Ostern. Fastentage sollten offen<br />
angesprochen werden, da jede der drei monotheistischen Religionen kranke Menschen<br />
ausdrücklich von den Fastengeboten ausnimmt.<br />
Traumata<br />
Patienten mit Migrationshintergrund, die von Folter und anderen Gewalttaten traumatisiert<br />
sind, finden sich gehäuft in <strong>HIV</strong> - Schwerpunktpraxen. Häufig kommen diese<br />
Traumatisierungen gar nicht zur Sprache. Diese Patientinnen und Patienten wirken dann<br />
auf den Untersucher flach und emotionslos, auch wenn sie eigentlich belastende<br />
Erlebnisse beschreiben (5). Die möglichst frühe Erkennung von Traumatisierungen ist<br />
aber für den Therapieerfolg entscheidend (6). Die Behandlung und Begutachtung sollte in<br />
die Hände erfahrener Zentren gelegt werden. In der 'Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft<br />
der Behandlungszentren für Flüchtlinge' sind bislang 38 psychosoziale Zentren vereinigt,<br />
in denen diese Patienten qualifizierte Hilfe finden können (7).<br />
Sprache<br />
Unzureichende Sprachkenntnisse sind der häufigste Grund für Missverständnisse<br />
zwischen Behandlern und Patienten. Die Übersetzung durch Familienangehörige oder<br />
Freunde ist meistens unzureichend. Auf einen von den Sozialkassen oder Krankenkassen<br />
bezahlten Dolmetscherdienst haben die Patienten bei ambulanten Sprechstunden keinen<br />
Anspruch. Lediglich vor operativen Eingriffen in Krankenhäusern können<br />
Dolmetscherdienste eingefordert werden (8). Durch die Initiative des 'Ethnomedizinischen<br />
Zentrums e. V.' wurde in Hannover der erste öffentliche medizinische Dolmetscherservice<br />
aufgebaut (9). Ein weiteres Beispiel ist der Gemeindedolmetscherdienst in Berlin, wo<br />
Dolmetscherdienste in circa 70 Sprachen angeboten werden (10). Bei der<br />
fremdsprachlichen Beratung über <strong>HIV</strong>/AIDS und andere sexuell übertragbare Krankheiten<br />
können unter Umständen auch die Gesundheitsämter hinzugezogen werden.<br />
Patienten im Asylverfahren
Patienten, die als Asylsuchende nach Deutschland kommen und dort die Diagnose <strong>HIV</strong><br />
erfahren, stehen unter einem besonderen psychischen Druck. Häufig wird die <strong>HIV</strong> -<br />
Infektion als das kleinere Problem angesehen, was die Therapieadhärenz beeinträchtigen<br />
kann. Zusätzlich verschärft wird die Versorgungssituation durch die Regelung, nach der<br />
Migranten im Asylverfahren den Landkreis des Unterbringungsortes nicht verlassen<br />
dürfen, Dies erschwert regelmäßige Kontakte weil - sofern keine<br />
Behandlungsmöglichkeiten vor Ort bestehen - zunächst Ausnahmegenehmigungen und<br />
Kostendeckungsbescheinigungen der Landratsämter beantragt werden müssen.<br />
Häufig werden <strong>HIV</strong> - Behandler auch aufgefordert, Gutachten zu schreiben, die als<br />
Grundlage für Gerichtsentscheidungen über das Aufenthaltsrecht des Patienten<br />
Verwendung finden. In diesen Gutachten wird nach dem CDC - Stadium der Infektion, der<br />
Anzahl der CD4 - Zellen, der Viruslast und der Therapiekombination gefragt. Wichtig ist<br />
auch zu beschreiben, welche opportunistischen Infektionen bereits aufgetreten sind,<br />
welche Komplikationen bei der Therapie aufgetreten sind ( Resistenzen,<br />
Unverträglichkeiten) und welche zusätzlichen Erkrankungen beachtet werden müssen.<br />
Auch Angaben über die Behandlungsmöglichkeiten im Gastland können für<br />
Gerichtsentscheidungen eine wichtige Rolle spielen. Aktuelle Angaben dazu sind auf den<br />
Webseiten von UNAIDS (11) oder des UN Office for the Coordination of Humanitarian<br />
Affairs (12).<br />
Literatur und Links<br />
Therapie<br />
1. Robert Koch-Institut (2008) Epidemiologisches Bulletin Nr. 47<br />
2. FDA (2008) http://www.fda.gov/bbs/topics/NEWS/2008/NEW01936.html<br />
3. Marlink R, Kanki P, Thior I, et al. (1994) Reduced rate of disease development<br />
after <strong>HIV</strong>2 infection as compared to <strong>HIV</strong>-1. Science. 265:1587-1590.<br />
4. Popper SJ, Sarr AD, Travers KU, et al. (1999) Lower human immunodeficiency<br />
virus (<strong>HIV</strong>) type 2 viral load reflects the difference in pathogenicity of <strong>HIV</strong>-1 and<br />
<strong>HIV</strong>-2. J Infect Dis. 180:1116-1121.<br />
5. Haasen C (2000) Kultur und Psychopathologie. In: Haasen C, Yagdiran O<br />
(Hrsg) Beurteilung psychischer Störungen in einer multikulturellen Gesellschaft.<br />
Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau, S 13-28<br />
6. Kuch K, Cox BJ (1992) Symptoms of PTSD in 124 survivors of the Holocaust.<br />
Am J Psychiatry 149 (3): 337-340<br />
7. Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Behandlungszentren für Flüchtlinge.<br />
http://www.baff-zentren.org/<br />
8. Oberlandesgericht Düsseldorf, Aktenzeichen 8 U 60/88 in Wolfgang Hausotter,<br />
Meryam Schouler-Ocak (2006) Begutachtung von Menschen mit<br />
Migrationshintergrund und Arbeitnehmern nichtdeutscher Herkunft unter<br />
medizinischen und psychologischen Aspekten: Unter medizinischen und<br />
psychologischen Aspekten Urban&FischerVerlag, München, S 89<br />
9. http://www.ethno-medizinisches-zentrum.de/<br />
10. http://www.gemeindedolmetschdienst-berlin.de/<br />
11. http://www.unaids.org/en/CountryResponses/Countries/default.asp<br />
12. http://www.irinnews.org/<br />
127
Therapie<br />
128<br />
Komplementäre Therapieformen bei <strong>HIV</strong><br />
Jürgen Brust<br />
Bei allen chronischen und letztlich nicht heilbaren Erkrankungen besteht ein großes<br />
Interesse seitens der Patienten an ergänzenden Therapien aus dem Bereich der<br />
Naturheilkunde und Alternativmedizin. Dies gilt für die <strong>HIV</strong>-Infektion ebenso wie z.B. für<br />
Tumorerkrankungen oder rheumatische Erkrankungen. Schätzungen über das Ausmaß<br />
des Gebrauchs solcher Mittel liegen, je nach Definition was man unter alternativer<br />
Therapie versteht, bei 30-70 %. Lag früher ein Schwerpunkt auf pflanzlichen Extrakten,<br />
von denen man sich eine direkte Senkung der Viruslast erhoffe (Beispiel Hypericin), so<br />
liegt er heute eher bei Nahrungsergänzungsmitteln und bei Substanzen, die der<br />
Lipodystrophie und Lipoatrophie vorbeugen.<br />
Besonders in der symptomfreien Phase der klinischen Latenz entsteht bei vielen<br />
Patienten der nahe liegende Wunsch, zunächst eine Stärkung des Immunsystems mit<br />
naturheilkundlichen Mitteln zu versuchen, bevor sie sich zu einer antiretroviralen Therapie<br />
entschließen können. Wird hier nur kategorisch der frühzeitige Einsatz einer<br />
antiretroviralen Therapie empfohlen, fühlen sich die Patienten unverstanden und mit ihren<br />
verständlichen Bedürfnissen alleine gelassen. Auch wenn man selbst dem<br />
therapeutischen Nutzen der angebotenen Verfahren skeptisch gegenübersteht<br />
(methodisch korrekte Studien gibt es auf diesem Gebiet aus verschiedenen Gründen<br />
leider kaum), sollte man bedenken, dass die meisten komplementärmedizinischen<br />
Maßnahmen in der Lage sind, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern, da sie<br />
emotional positiv besetzt werden.<br />
Dem gegenüber besteht allerdings die Gefahr, dass sich Patienten auf die komplementäre<br />
Therapie verlassen und die Einleitung einer dringend notwendigen ART verzögert oder<br />
verhindert wird. Eine weitere Gefahr besteht in unbekannten Wechselwirkungen zwischen<br />
den komplementären Heilmitteln und den <strong>HIV</strong>-spezifischen Medikamenten. So führt z. B.<br />
die gleichzeitige Einnahme von Hypericin und Indinavir zu einer deutlichen Verringerung<br />
der Indinavir-Plasmaspiegel und kann zu einem Wirkverlust der ART führen. Ebenso<br />
können Knoblauchpräparate mit antiretroviralen Medikamenten interagieren und z. B. den<br />
Serumspiegel von Saquinavir deutlich verringern. Diese Beobachtungen lassen vermuten,<br />
dass es noch weitere bisher unbekannte Wechselwirkungen pflanzlicher Präparate mit<br />
<strong>HIV</strong>-spezifischen Medikamenten gibt. Bei einigen pflanzlichen Präparaten wurden zudem<br />
ernst zu nehmende Nebenwirkungen - insbesondere Hepatotoxizitäten - beschrieben (z.<br />
B. Kava Kava). Zu der Erhebung der Medikamentenanamnese gehört daher unbedingt<br />
auch das gezielte Fragen nach dem Gebrauch von komplementären Therapieverfahren,<br />
insbesondere pflanzlicher Präparate.<br />
Die folgende Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll lediglich eine<br />
Orientierung über die häufig angewandten Verfahren und Heilmittel geben:
Therapieverfahren Postulierte Wirkungen Bemerkungen<br />
Substitution von Vitaminen<br />
(v.a. Vitamine A, C, E )<br />
Substitution von<br />
Spurenelementen<br />
(v.a. Selen, Zink )<br />
Pflanzliche Immunstimulantien<br />
(Echinacin, Taigawurzel, Krallendorn)<br />
Pflanzliche Extrakte mit direkter<br />
Anti-<strong>HIV</strong>-Wirkung<br />
Hypericin (Johanniskraut),<br />
Glycyrrhizin,<br />
Curcumin, Prunella vulg.,<br />
Castanospermin, Compound Q<br />
Symbioselenkung<br />
(Symbioflor®, Omniflora®, Mutaflor®)<br />
Enzympräparate<br />
(Wobenzym®, Phlogenzym®,<br />
Wobemugos® etc.)<br />
Mistelpräparate<br />
(Iscador®, Abnoba viscum®,<br />
Helixor® etc.)<br />
Thymuspräparate<br />
(Thymuvocal®, Thymoinjekt®,<br />
Thymophysin® etc.)<br />
Homöopathie<br />
(Einzelsubstanzen,<br />
Konstitutionsmittel,<br />
Komplexpräparate )<br />
Antioxidative Wirkung gegen<br />
schädigende Sauerstoffradikale<br />
Notwendig für antioxidative<br />
Enzyme, immunregulatorische<br />
Wirkung,<br />
Wirkung auf Thymushormone<br />
Stimulation der unspezifischen<br />
Immunantwort<br />
Direkte Wirkung auf die<br />
verschiedenen Schritte der<br />
Virusreplikation<br />
Korrektur einer bakteriellen<br />
Fehlbesiedlung des Darmes soll<br />
dessen Funktion als<br />
immunologisches Organ<br />
optimieren<br />
Proteolytische Enzyme sollen<br />
zirkulierende Immunkomplexe<br />
inaktivieren und die<br />
Zytokinaktivitäten modulieren<br />
Immunmodulierende Wirkung,<br />
Stabilisierung der TH1-Antwort<br />
Restauration der<br />
beeinträchtigten Thymusfunktion<br />
Regulationstherapie mit<br />
potenzierten Arzneimitteln nach<br />
der Theorie Hahnemanns oder<br />
der Homotoxinlehre<br />
Korrektur von<br />
Mangelzuständen sinnvoll<br />
Vorsicht vor Überdosierung!<br />
Korrektur von<br />
Mangelzuständen sinnvoll<br />
Vorsicht vor Überdosierung!<br />
Bei fortgeschrittener<br />
Erkrankung und Hochdosis-<br />
Therapie negative Effekte<br />
durch Stimulation infizierter<br />
Zellen nicht auszuschließen.<br />
Teilweise hervorragende<br />
Wirkung gegen <strong>HIV</strong> in vitro.<br />
Bisher kein sicherer<br />
Wirkungsnachweis bei<br />
Anwendung im<br />
menschlichen Organismus.<br />
Positive Effekte bei<br />
Allergien,<br />
Hauterkrankungen und<br />
unspezifischen Diarrhöen<br />
möglich<br />
Wirkung nicht<br />
nachgewiesen<br />
Bisher keine negativen<br />
Effekte auf das<br />
Immunsystem in offenen<br />
Phase II Studien<br />
beobachtet, dennoch<br />
immunstimulierende<br />
Dosierungen vermeiden.<br />
Allenfalls stabilisierende<br />
Wirkung möglich, keine<br />
Verbesserung hinsichtlich<br />
Viruslast oder Helferzellen.<br />
Zahlreiche verschiedene<br />
Präparate, die nicht<br />
miteinander vergleichbar<br />
sind. Widersprüchliche<br />
Studienergebnisse.<br />
Als Begleittherapie in der<br />
Regel unbedenklich<br />
Therapie<br />
129
Therapie<br />
130<br />
Anthroposophische Medizin<br />
Einsatz von speziellen<br />
anthroposophischen Medikamenten,<br />
zusätzlich Kunsttherapie (Malen,<br />
Plastizieren, Musiktherapie),<br />
Sprachgestaltung, Heileurythmie,<br />
rhythmische Massage,<br />
Biographiearbeit<br />
Pseudowissenschaftliche<br />
Verfahren<br />
z.B. obskure Immuntherapien,<br />
Bioresonanz, etc.<br />
Ganzheitlicher Therapieansatz<br />
nach der Lehre von Rudolf<br />
Steiner.<br />
Die Einseitigkeit der<br />
naturwissenschaftlichen Medizin<br />
soll durch Einwirken auf Körper,<br />
Seele und Geist des Patienten<br />
überwunden werden.<br />
Teils virtuos den<br />
naturwissenschaftlichen<br />
Sprachschatz nutzende<br />
Begründungen<br />
Glutamin, Acetylcysterin Erhöhung des<br />
Gluthationsspiegels<br />
Carnithin Verbesserung der<br />
Lipodystrophie/Lipatrophie<br />
Muskelaufbau<br />
Patientenorientierte<br />
Therapie mit oft günstigen<br />
Auswirkungen auf das<br />
Befinden und den Verlauf.<br />
Eigenaktivität des Patienten<br />
gefragt<br />
Skepsis angebracht,<br />
insbesondere bei<br />
unrealistischen<br />
Heilversprechungen, hohen<br />
Kosten und Medienrummel<br />
Wirksamkeit nicht<br />
nachgewiesen.<br />
Wirksamkeit nicht<br />
nachgewiesen.<br />
Therapieverfahren Postulierte Wirkungen Bemerkungen
Immunglobuline bei <strong>HIV</strong><br />
Martin Hartmann<br />
Im Verlauf der <strong>HIV</strong>-Infektion kommt es bei niedrigen CD4-Helferzellzahlen auch zu einer<br />
deutlichen Einschränkung der B-Zell-Aktivierung. Deshalb bewirken Immunglobuline bei<br />
<strong>HIV</strong>-infizierten Kindern eine Verminderung der Infektionsrate und der Letalität. Da auch<br />
bei Erwachsenen ein Mangel an spezifischen Antikörpern besteht wurden schon frühzeitig<br />
Immunglobuline eingesetzt. Die Dosis beträgt in der Regel 0,2g/kg alle 14 Tage.<br />
Verschiedene Studien versuchten die Wirksamkeit bei Erwachsenen nachzuweisen.<br />
Schrappe-Bächer zeigte 1990 bei 30 Patienten mit ARC und Walter-Reed-Klassifikation 5<br />
weniger konstitutionelle Symptome wie Fieber und Müdigkeit in der mit Immunglobulin<br />
behandelten Gruppe. Im gleichen Jahr sah Brunkhorst bei 40 Patienten eine verminderte<br />
Mortalität bei mit Immunglobulin behandelten Patienten der Walter Reed Gruppen 5-6. De<br />
Simone konnte 1991 eine Abnahme der opportunistischen Infektion bei gleichzeitiger<br />
Immunglobulingabe und AZT sehen. Dass die Immunglobulintherapie die stationären<br />
Aufnahmen verringern kann, zeigt Williams bei überwiegend drogenabhängigen<br />
Patienten. Kiehl wies 1993 bei 66 Patienten mit ARC und AIDS in der mit Immunglobulin<br />
behandelten Gruppe signifikant weniger Krankenhausaufenthalte nach. In einer zweiten<br />
Auswertung zeigten sich signifikant weniger Fieberschübe und Diarrhoen in der mit<br />
Immunglobulinen behandelten Gruppe. Saint-Marc sah 1994 bei 39 Patienten mit ARC<br />
weniger AIDS-definierende Erkrankungen, wenn sie gleichzeitig mit Immunglobulinen<br />
behandelt wurden. In einer prospektiven Untersuchung bei 24 Patienten wies er ebenfalls<br />
einen signifikanten Überlebensvorteil nach. Bekannt ist seit langem ein gutes Ansprechen<br />
der Immunglobulintherapie (0.4g/kg über 2-5 Tage) auf die thrombozytopenische Purpura<br />
(ITP) bei <strong>HIV</strong>-Infektion (Bussel). Ebenfalls kann bei <strong>HIV</strong>-assoziierter Polyneuropathie ein<br />
Versuch der Therapie mit Immunglobulinen durchgeführt werden. Bei 83 % der Patienten<br />
wurde von Bauer eine Verbesserung der peripheren Polyneuropathie beobachtet. Auch<br />
bei schweren Arzneimittelreaktionen hat sich die Immunglobulingabe bei <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
bewährt (Sanwo). Diese Untersuchungen zeigen, daß die Behandlung mit<br />
Immunglobulinen nicht generell empfohlen werden kann und auf Subgruppen speziell im<br />
fortgeschrittenen Stadium oder mit besonderen Kranheitsbildern beschränkt werden<br />
sollte, die durch andere Therapien nicht ausreichend behandelbar sind (s. auch<br />
Empfehlungen der DAGNÄ, Dtsch. Ärzteblatt 1996: 2233; Rechtmann; Rockstroh).<br />
Literatur<br />
● Bauer G. ICA Vancouver: # 4258 (1996)<br />
● Bussel JB. Vox Sanguinis 52: 206-211 (1987)<br />
● Brunkhorst U, Stürner M, Willers H, Deicher H, Schedel I. Infection 18: 28-32<br />
(1990)<br />
● Kiehl MG, Stoll R, Domschke W. Immun Infekt 22: 53-55 (1994)<br />
● Kiehl MG, Stoll R, Broder M, Mueller C, Foerster EC, Domschke W. Arch Int<br />
Med 156 : 2545-2550 (1996)<br />
● Rechtmann DJ. Use of Intravenous Immune Globulin in Adults with <strong>HIV</strong><br />
Disease, in: Lee ML, Strand V (Hrsg.), Intravenous Immunoglobulins in clinical<br />
practise: 167-174. Dekker 1997<br />
● Rockstroh JK. Einsatz von Immunglobulinen bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten, in:<br />
Jäger H (Hrsg.), AIDS: 269-271. MI 2000<br />
Therapie<br />
131
Therapie<br />
132<br />
● Rubinstein A. Die gelben Hefte XXXI: 109-117 (1991)<br />
● Sanwo M, Nwadiuko, Beall G. J Allergy Clin Immunol 98: 1112-1115 (1996)<br />
● Saint-Marc T, Berra N, Perraud P, Livrozet JM, Fournier F, Touraine JL. ICA<br />
Yokohama: # PB0330 (1994)<br />
● Saint-Marc T, Touraine JL, Berra N. Lancet 340: 1347 (1992)<br />
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Delia S. Immunopharmacology and Immunotoxicology, 13: 447-459 (1991)<br />
● Schrappe-Bächer M et al. Vox Sang 59 (Suppl 1): 3-14 (1990)<br />
● Williams PE, Thompson C, Yap PL, Brettle RP. Vox Sang, 60: 126-127 (1991)
Schmerztherapie bei <strong>HIV</strong><br />
Dieter Schuster<br />
Im Verlauf der <strong>HIV</strong>-Infektion können, wie bei anderen chronischen Erkrankungen, akute<br />
und chronische Schmerzen auftreten. Über die Häufigkeit, die Art und Schwere des<br />
Symptoms Schmerz werden in der Literatur, abhängig von den untersuchten<br />
Patientengruppen sehr unterschiedliche Angaben aufgeführt. Der Schmerz kann auftreten<br />
als ein Symptom der <strong>HIV</strong>-Infektion oder als Symptom für andere Krankheiten / Infektionen<br />
oder auch als Nebenwirkungen der <strong>HIV</strong>-Therapie. Zu den häufigsten Arten von<br />
Schmerzen gehören:<br />
● periphere Neuropathien: sensorische Nervenschäden, vor allem an Händen<br />
und Füßen, kann Folge der <strong>HIV</strong>-Medikation sein oder Begleiterkrankung z.B.<br />
Diabetes und als Symptom der <strong>HIV</strong>-Infektion selbst.<br />
● Bauchschmerzen: NW der ART, Entzündung der Bauchspeicheldrüse,<br />
Infektionen des Darms durch Parasiten oder Bakterien<br />
● Kopfschmerzen: z.B. verursacht durch Muskelverspannungen, Streß, NW durch<br />
<strong>HIV</strong>-Medikamente; chron.Zahnherde, Entzündungen des Gehirns<br />
● Post-Zoster-Neuralgien: häufig nach Ausheilung der Gürtelrose (Herpes zoster)<br />
● Gelenk-und Muskelschmerzen: häufig in Zusammenhang mit Medikamenten<br />
oder auch als Gründe von Bewegungsmangel.<br />
Grundsätzlich erfolgt die Schmerztherapie nach den Richtlinien wie sie in den<br />
vergangenen Jahren etwa für die Therapie onkologischer Erkrankungen erarbeitet<br />
wurden. (WHO 1985).<br />
● orale Therapie hat Vorrang<br />
● Gabe der Medikamente zu festen Zeitpunkten, abhängig von der Wirkdauer.<br />
Keine Verordnung nach Bedarf<br />
● stufenweise Vorgehensweise mit rechtzeitiger Kombination von Opiaten und<br />
Nicht-Opioid-Analgetika<br />
● Einsatz von Koanalgetika entsprechend dem Schmerztyp (z.B. trizyklische<br />
Antidepressiva, Antikonvulsiva)<br />
● prophylaktische Behandlung häufiger Nebenwirkungen der Analgetika<br />
(Antiemese, Laxantien, Magenschutz)<br />
*Bei PI und NNRTI sind zahlreiche,klinisch relevante Interaktionen zu beachten, die in erster Linie<br />
auf Inhibierung und/oder Induktion des Cytochrom P450-Enzymsystem zurückzuführen sind.<br />
Carbamazepin senkt die Wirkspiegel aller Proteinaseinhibitoren,gegebenenfalls sollte ein<br />
Therapiemonitoring mit entsprechenden Spiegelbestimmungen durchgeführt werden (Verweis auf<br />
das Kapitel:drug-monitoring). Bei Opiaten muß möglicherweise die Dosis angepasst werden, da die<br />
Proteinaseinhibitoren die Opiatspiegel senken können. Für Antidepressiva ist zu beachten dass die<br />
Spiegel dieser Medikamente durch die Proteinaseinhibitoren ansteigen kann, dadurch vermehrt<br />
Nebenwirkungen der Antidepressiva. Es gibt nur wenige Kontraindikationen für bestimmte<br />
Schmerzmittel, Antidepressiva und Opiate. Bei Unklarheiten immer mit ihrem Arzt Kontakt<br />
aufnehmen.<br />
Therapie<br />
133
Therapie<br />
134<br />
Psychotherapie bei <strong>HIV</strong>-Patienten<br />
Petra Losse-Brust<br />
Die Tatsache einer <strong>HIV</strong>-Infektion stellt ein erhebliches psychisches Trauma für die<br />
Betroffenen dar. Neben der Bedrohung der körperlichen Integrität ist die soziale Existenz<br />
durch Stigmatisierung und Ausgrenzung gefährdet und die psychosexuelle Existenz durch<br />
die Möglichkeit, den Sexualpartner zu infizieren, beeinträchtigt.<br />
Die Reaktion auf das positive Testergebnis und die Bewältigungsstrategien sind abhängig<br />
von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen und den lebensgeschichtlichen Erfahrungen.<br />
Als günstig können intakte Abwehrmechanismen, ein flexibler coping-Stil und ein<br />
funktionierendes soziales Netz angesehen werden. Demgegenüber stehen totale<br />
Verleugnung, defensiv-vermeidender coping-Stil und soziale Isolierung.<br />
Schwere Depressivität und Suizidalität erfordern selbstverständlich eine sofortige<br />
Krisenintervention. Darüber hinaus sind länger dauernde Psychotherapien vor allem dann<br />
indiziert, wenn durch die Infektion frühere Traumata reaktiviert werden und sich eine<br />
manifeste neurotische Störung entwickelt. Häufige Beispiele, die eine Intervention<br />
notwendig machen, sind schwere Selbstwertkrisen, nicht zu beherrschende<br />
Schuldgefühle, Scham oder Selbsthass, Angstkrankheiten mit Panikattacken oder<br />
psychovegetativen Symptomen sowie Beziehungskonflikte.<br />
Zu beachten ist dabei die häufig ambivalente Psychotherapiemotivation bei den<br />
Betroffenen. Dem Wunsch nach Hilfe steht auf der anderen Seite die Befürchtung<br />
gegenüber, sich ständig mit der Belastung durch die Infektion konfrontieren zu müssen.<br />
Insgesamt ist das Bedürfnis nach höherfrequenter und langfristiger Psychotherapie eher<br />
gering. Eine weitaus höhere Akzeptanz haben zeitlich begrenzte Therapieangebote in<br />
Krisensituationen, wie sie im Verlauf der <strong>HIV</strong>-Infektion und AIDS-Erkrankung immer<br />
wieder auftreten können. Besonders kritisch ist der Zeitpunkt der Diagnosemitteilung, aber<br />
auch jede Verschlechterung des Immunstatus, der Beginn einer antiretroviralen Therapie,<br />
das Auftreten stigmatisierender Hautveränderungen und Verlusterlebnisse (Tod des<br />
Partners, Verlust der Arbeitsfähigkeit).<br />
Obwohl eine tiefenpsychologische, aufdeckende Therapie in Einzelfällen sinnvoll sein<br />
kann, stehen stützende und resourcenaktivierende Verfahren im Vordergrund. Da die <strong>HIV</strong>-<br />
Infektion für jeden Betroffenen eine Erschütterung des Selbstwertgefühles und die<br />
Notwendigkeit einer Umorientierung hinsichtlich der Lebens- und Beziehungsperspektiven<br />
darstellt, ist die Hilfe bei der Wiederherstellung des psychischen und sozialen<br />
Gleichgewichts ein vordringliches Therapieziel. Nicht analytische und nicht<br />
behavioristische Angebote mit humanistischen und systemischen Ansätzen gewinnen hier<br />
zunehmend an Bedeutung.<br />
Eine wichtige Rolle spielt für die Betroffenen eigenaktivierende Therapieangebote, die zur<br />
Verbesserung der Lebensqualität und zur besseren Krankheitsbewältigung beitragen<br />
können, ohne eine Psychotherapie ersetzen zu wollen. Entspannungstechniken wie<br />
Autogenes Training oder Muskelrelaxation nach Jacobsen, kreative und künstlerische<br />
Therapien, körperorientierte Verfahren wie die konzentrative Bewegungstherapie, aktive<br />
Imaginationstechniken etc. führen zu einem neuen positiven Selbstbezug, erschließen
"gesunde" Bereiche als Gegengewicht, verbessern die Körperwahrnehmung und führen<br />
mit Hilfe von Gruppentherapien aus der sozialen Isolation. Notwendig ist hier eine genaue<br />
Kenntnis des Therapieangebots und der Qualifikation des Therapeuten, um bei der<br />
Auswahl beraten und die Betroffenen vor unseriösen Angeboten schützen zu können.<br />
Voraussetzungen auf Seiten des Therapeuten sind u. A. Toleranz gegenüber der<br />
Lebenswelt der Betroffenen sowie ein aktuelles medizinisches Basiswissen über die<br />
Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten.<br />
Therapie<br />
135
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
136<br />
Überblick:<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
● Orale Haarleukoplakie<br />
● Candida-Infektionen<br />
● Herpes simplex-Infektionen<br />
● Varizella zoster-Infektionen<br />
● CMV-Infektionen<br />
● Pneumocystis jirovecii-Pneumonie (PjP oder PcP)<br />
● Zerebrale Toxoplasmose<br />
● Tuberkulose<br />
● Atypische Mykobakteriose<br />
● Kryptosporidiose<br />
● Aspergillose<br />
● Kryptokokkose<br />
● Wasting-Syndrom<br />
● <strong>HIV</strong>-Enzephalopathie (AIDS-Demenz-Komplex)<br />
● Syphilis
Erreger / Epidemiologie<br />
Klinik<br />
Diagnose<br />
Therapie<br />
Prophylaxe<br />
Orale Haarleukoplakie<br />
Maria Procaccianti<br />
● durch Epstein-Barr-Virus (EBV) hervorgerufene Marker-Erkrankung für <strong>HIV</strong>-<br />
Infektion<br />
Einteilung in Stadium B der CDC-Klassifikation<br />
● grau-weißliche, papillomatöse, nicht abstreifbare Plaques, meist an seitlichen<br />
Zungenrändern mit wechselnder Intensität, in der Regel symptomlos,<br />
gelegentlich Brennen und Geschmacksstörungen<br />
● klinischer Aspekt<br />
● in der Regel nicht erforderlich, Rückbildung meist unter ART, ggf. Versuch mit<br />
z.B. Tretinoin lokal<br />
● keine<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
137
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
138<br />
Erreger/Epidemiologie<br />
Klinik<br />
Diagnose<br />
Therapie<br />
Candida-Infektionen<br />
Maria Procaccianti<br />
● Candida spezies, meist C.albicans häufigste Pilzinfektion bei <strong>HIV</strong>-Patienten<br />
Auftreten auch bei CD4 > 200/µl<br />
systemische Soormykosen sowie Soorösophagitiden i.d. Regel erst ab<br />
CD4 < 100/µl<br />
in den letzten Jahren Verschiebung des Erregerspektrums auch hin zu nicht<br />
Candida albicans Spezies<br />
● oral: stippchenförmige oder flächige weiß-graue abstreifbare Beläge häufig<br />
begleitend anguläre Cheilitis, im Spätstadium borkige Umwandlungen,<br />
manchmal nur schmerzhaftes Erythem der Schleimhäute<br />
Subjektiv: Geschmacksstörungen, pelzige und brennende Zunge, später<br />
retrosternale Schmerzen, Kloßgefühl<br />
genital: Vulvovaginitis: Brennen, Juckreiz, weißl. Ausfluß, Dysurie,<br />
Dyspareunie<br />
Soorbalanitis: Brennen, Juckreiz, Rötung, evtl. grau-weißl. Beläge perianaler<br />
Soor: scharf begrenztem Erythem, Pruritus<br />
invasive Candidosen: z.B. Endokarditis, Meningitis, Peritonitis<br />
● klinisch durch typischen Aspekt<br />
Erregernachweis: Durch Abstrich, Mundspülflüssigkeit.<br />
Endoskopie zeigt Ösophagusbefall<br />
● topisch: Nystatin 4 x 2 ml/d Amphotericin B Lutschtbl. 5 x 1/d Miconazol 4 x 0,5-<br />
1 ml Mundgel<br />
in der Regel aber systemische Therapie:<br />
Fluconazol 1 x 100 - 400 mg/d (max 800 mg/d) Itraconazol 1 x 100 - 400 mg/d<br />
bei Azolresistenz und schweren systemischen Mykosen:<br />
Amphotericin B i.v. 0,3 - 0,6 mg/kg/d (Steigerung nach Schema) u/o Flucytosin<br />
i.v. 50 - 75 mg/kg/d liposomales Amphotericin B 1-3 mg/kg KG<br />
i.v. weitere Reservemedikamente bei Fluconazolresistenz:<br />
Caspofungin 70mg i.v. Tag 1, dann 50mg/d (Cave Leberinsuffizienz)<br />
Voriconazol 400 mg p.o. 2xtgl Tag 1, dann 200mg p.o. 2xtgl (Pt>40kg), bzw.<br />
6mg/kg KG i.v. Tag 1, dann 4mg/kg KG i.v.<br />
Posaconazol 200 mg 1xtgl p.o. dann 100 mg 1xtgl p.o. (max 400 mg 2xtgl bei
Prophylaxe<br />
invasiven Mykosen) Cave WW<br />
● weitere Substanzen sind inzwischen zugelassen worden: z.B. Micafungin<br />
● in der Regel nicht sinnvoll, ggf.:<br />
Fluconazol 1 x 50 mg/d - 3 x 100 mg/ Woche<br />
oder<br />
Itraconazol 1 x 100 mg/d<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />
Adult_OI_041009.pdf<br />
139
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
140<br />
Erreger / Epidemiologie<br />
Klinik<br />
Diagnose<br />
Therapie<br />
Prophylaxe<br />
Herpes simplex-Infektionen<br />
Maria Procaccianti<br />
● Herpes-Viren Typ 1 u. 2 (HSV1 und HSV2) weltweit verbreiteter Erreger<br />
Durchseuchung mit HSV1 meist in ersten Lebensjahren, Übertragung von<br />
HSV2 überwiegend durch Sexualkontakt. Latente Infektion bei nahezu 100 %<br />
der sexuell infizierten <strong>HIV</strong>-positiven Patienten. Im Spätstadium durch<br />
Reaktivierung ausgedehnte Haut- und Schleimhautulzerazionen (oral, perianal,<br />
rektal, selten Ösophagus)<br />
● je nach Lokalisation variabler Verlauf<br />
oral: charakteristische Bläschen auf Lippe, Mundschleimhaut, weicher<br />
Gaumen, teilweise ulzerierend, Aphten, evtl. subfebrile Temperaturen<br />
genital: Papeln, Bläschen, wie ausgestanzt wirkende Ulzera, Läsionen<br />
schmerzhaft juckend, evtl. regionale Lymphome und subfebrile Temperaturen<br />
Ösophagitis: retrosternaler Schmerz und Odynophagie (Schluckschmerzen)<br />
selten Herpes-Enzephalitiden<br />
Proktitis: Ulcera, Ausfluß<br />
● typischer Aspekt bei Hautläsionen, evtl. Abstrich zur Virusdiagnostik (PCR),<br />
Gastroskopie mit Biopsie, Rektoskopie<br />
Ausschluß: Ulzera anderer Genese, (z.B. CMV-Ulkus)<br />
● Aciclovir 5 x 800 mg/d für mindestens 7 Tage oder<br />
Valaciclovir 3 x 1000 mg/d oder<br />
Famciclovir 2x250-500 mg/d<br />
bei ausgedehnten Läsionen:<br />
Aciclovir 3 x 5-10 mg/kg/d i.v. in 500 ml NaCl über 1h<br />
bei Therapieversagen:<br />
Foscarnet 3 x 40-60 mg/kg/d i.v. in 500 ml NaCl über 2h<br />
● Rezidivprophylaxe:<br />
Aciclovir 2 x 400 mg/d (auch mit Valaciclovir oder Famciclovir möglich)<br />
Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />
Adult_OI_041009.pdf
Erreger / Epidemiologie<br />
Klinik<br />
Diagnose<br />
Therapie<br />
Prophylaxe<br />
Varizella zoster-Infektionen<br />
Maria Procaccianti<br />
● Varizella Zoster-Virus aus Herpes Gruppe, persistiert in Nervenzellen.<br />
Erstinfektion ruft Windpocken hervor, Reaktivierung die Herpes-Zoster<br />
Erkrankung<br />
10x häufiger bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten<br />
● Primärinfektion (selten beim Erwachsenen): Windpocken, im <strong>HIV</strong>-Spätstadium<br />
evtl. Zoster generalisatus radikulärer Schmerz, dann Entstehung typischer,<br />
gruppiert stehender Bläschen über ein oder mehrere Dermatome<br />
● klinisch durch typischen Aspekt und Verlauf. Bei unklarem Bild: Serologie,<br />
Abstrich oder Bx mittels PCR untersuchen<br />
● Aciclovir 5 x 800 mg/d für 7-14 Tage oder<br />
Valaciclovir 3 x 1000 mg/d oder<br />
Famciclovir 3 x 250 mg/d oder<br />
Brivudin 1 x 125 mg/d (nicht bei Chemotherapie, nicht bei Hepatitis, nicht bei<br />
gleichzeitiger Flucytosingabe)<br />
schwere Fälle:<br />
Aciclovir 3 x 10 mg/kg/d i.v. in 500 ml NaCl über 1 h für 14 Tage<br />
Valaciclovir 3 x 1000 mg/d<br />
zusätzlich Analgetika, Carbamazepin evtl. Thymoleptika<br />
bei Resistenz:<br />
Foscarnet i.v.<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
● Schutz vor Erstinfektion im Erwachsenenalter (Expositionsprophylaxe).<br />
Impfung nur bei CD4 > 200<br />
● nach Exposition:<br />
Varizellen-Hyperimmunglobulin (innerhalb von 96 Std) - Dosierung siehe<br />
Fachinformation der jeweiligen Präparate<br />
Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />
Adult_OI_041009.pdf<br />
141
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
142<br />
Erreger / Epidemiologie<br />
Klinik<br />
Diagnose<br />
Therapie<br />
CMV-Infektionen<br />
Maria Procaccianti<br />
● Zytomegalievirus<br />
Reaktivierung einer latenten Infektion, hohe Durchseuchungsrate<br />
Übertragung: Muttermilch, Blut, Schleimhautkontakte, Urin<br />
häufig CMV-Retinitis, seltener Kolitiden, Ösophagitiden, Pneumonien,<br />
Enzephalitiden, Hepatitiden<br />
● CMV-Retinitis:<br />
Leitsymptome: verschwommenes Sehen, herabgesetzte Sehschärfe,<br />
Gesichtsfeldausfälle, Punkte-Sehen, keine Schmerzen. Beginn meist auf einem<br />
Auge.<br />
Augenhintergrund: weißliche Exsudate, Blutungen<br />
CMV-Ösophagitis:<br />
retrosternales Brennen, Schluckbeschwerden endoskopisch diffuse,<br />
submuköse Blutungen, Ulzerationen<br />
CMV-Pneumonie:<br />
Dyspnoe, trockener Reizhusten, Hypoxämie interstitielle Infiltrate der gesamten<br />
Lunge<br />
CMV-Enterokolitis:<br />
Fieber, Gewichtsverlust, Diarrhöen, abdominelle Krämpfe<br />
● Antikörper nicht beweisend, negative Serologie schließt CMV-Infektion<br />
weitgehend aus, meist klinische Diagnose.<br />
PP 65-Antigen, early Antigen, PCR (Bronchiallavage);<br />
Beweis durch Histologie: Eulenaugenzellen Bronchiallavage<br />
immunhistochemisch<br />
● Akuttherapie i.d. Regel 3 Wochen, dann Erhaltungstherapie mit<br />
unterschiedlicher Dauer<br />
A Ganciclovir 2 x 5 mg/kg/d i.v. für 3 Wochen Valganciclovir 2 x 900mg/d p.o.<br />
für 3 Wo<br />
B Foscarnet 2 x 90 mg/kg/d i.v. für 3 Wochen<br />
C Kombinationstherapie mit Ganciclovir und Foscarnet (begleitende Gabe von<br />
Probenecid)
Prophylaxe<br />
D Cidofovir (Cave: Nephrotoxizität) 1 x 5 mg/kg i.v. pro Woche<br />
E ggf. Intravitreale Injektionen von Gangiclovir oder Foscarnet; Implantation von<br />
Ganciclovit Pellets<br />
● primär:<br />
i.d. Regel keine<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
sekundär:<br />
immer; Absetzen bei CD4 mind. 6 Monate > 100-150/µl möglich unter<br />
regelmässigen Verlaufskontrollen (Retinitisrezidive auch bei hoher CD4 Zahl<br />
beschrieben!)<br />
A Valganciclovir 2x450mg/d p.o.<br />
B Foscarnet 90 - 120 mg/kg/d. i.v. 5 Tage/Wo<br />
C Cidofovir 1 x 5 mg/kg i.v. alle 14 Tage<br />
Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />
Adult_OI_041009.pdf<br />
143
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
144<br />
Pneumocystis jirovecii (früher carinii)-<br />
Pneumonie (PjP) bzw. (PcP)<br />
Erreger/Epidemiologie<br />
Klinik<br />
Diagnose<br />
Therapie<br />
Maria Procaccianti<br />
● Pneumocystis jirovecii, früher carinii<br />
Protozoon (pilzähnlich)<br />
häufigste pulmonale Komplikation<br />
häufigste opportunistische Infektion (ohne Prophylaxe)<br />
Auftreten meist bei CD4 < 200/µl endogene Reinfektion<br />
Übertragung: Tröpfchen, Staub<br />
● Trias:<br />
trockener Husten, Fieber, progrediente Belastungsdyspnoe, Gewichtsverlust,<br />
deutlicher Leistungsknick Auskultation meist o.B.<br />
● interstitielle Zeichnungsvermehrung im Rö.-Thorax; meist Mittel- und<br />
Unterfelder (unter Pentamidin-Prophylaxe oft Oberlappeninfiltrat) Hypoxämie,<br />
6-10% Zystenbildung<br />
Erregernachweis: direkt oder PCR im induzierten Sputum, Bronchoskopie mit<br />
Bronchiallavage und transbronchialer Biopsie LDH/BKS-Erhöhung<br />
Nachweis von Resistenzen: Sulfonamidresistenz (DHPS-Gen),<br />
Trimethoprimresistenz (DHFR-Gen), Atovaquonresistenz (Cytochrom-b-Gen)<br />
● leichter Verlauf:<br />
A Cotrimoxazol 3 x 3 Tbl oder 4 x 2 Tbl a 960mg p.o. für 3 Wo<br />
B Pentamidin-Inhalation 2 x 300 mg/d für 3 Wo<br />
C Atovaquon 3 x 750 mg/d für 3 Wo<br />
mittelschwerer oder schwerer Verlauf: (paO2 < 70 mm Hg)<br />
A Cotrimoxazol 100mg Sulfamethoxazol + 20 mg Trimethoprim/kg/d unterteilt in<br />
3-4 Dosen in 500 ml NaCl i.v. für 3 Wo zusätzlich Folinsäure 1x15 mg/d i.v.<br />
zusätzlich Prednison 2 x 30-50mg/d für 5-10 Tage<br />
B Pentamidin (bei Cotrimoxazol-Allergie) 4 mg/kg/d i.v. für 3 Wo, zusätzlich<br />
Prednison 2 x 30-50 mg/d für 5-10 Tage
Prophylaxe<br />
● primär: bei CD4 < 200/µl<br />
sekundär: immer! Kann jedoch bei 3-6 Monate stabilen CD4-Zellen über 200/µl<br />
und supprimierter UL pausiert werden<br />
A Cotrimoxazol 960 mg 3x/Wo<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
B Pentamidin-Inhalation 200 mg alle 2 Wo oder 300 mg alle 4 Wo, vorher:<br />
Bronchodilatator<br />
Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />
Adult_OI_041009.pdf<br />
145
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
146<br />
Erreger/Epidemiologie<br />
Klinik<br />
Diagnose<br />
Therapie<br />
Prophylaxe<br />
Zerebrale Toxoplasmose<br />
Maria Procaccianti<br />
Opportunistische Infektion; endogene Reaktivierung einer latenten Infektion mit<br />
dem Protozoon Toxoplasma gondii<br />
Häufigste neurologische OI, nicht selten Erstmanifestation. Durch HAART<br />
Inzidenz um 50-60% rückläufig. Meist erst bei CD4-Zellen < 100/µl<br />
Subakute fokale Symptome (Mono- oder Hemiparesen, Sensibilitätsstörungen,<br />
Gesichtsfelddefekte, Aphasie, Ataxie), Vigilanzminderung, Wesensänderung,<br />
Kopfschmerzen, Fieber, epileptische Anfälle<br />
Craniales CT oder MRT mit KM: solitäre oder multifokale raumfordernde<br />
Läsionen mit ring- oder nodulärer KM-Aufnahme und perifokalem Ödem<br />
Liquor: unspezifisch verändert oder normal<br />
Erregernachweis durch PCR unzuverlässig<br />
Serologie: meist nur IgG-Durchseuchungstiter (85-10%%) nachweisbar, oft<br />
kein IgM, oft kein Anstieg von IgG-Titern;<br />
Wichtigste Differentialdiagnose: ZNS-Lymphom. Diagnosesicherung durch<br />
Ansprechen auf empirische antibiotische Therapie; ggf. PET (i.d. Regel reichert<br />
ein Lymphom stärker an als Toxoplasmoseherde); ggf. stereotaktische Bx<br />
A Pyrimethamin 2x50 mg/d (nach 3 Tagen 50-100mg/d weiter)<br />
+ Sulfadiazin 4x2 Tbl. à 500 mg/d<br />
+ Folinsäure 1x1 Tbl. à 15 mg/d<br />
B statt Sulfadiazin:<br />
Clindamycin 4x 1Amp. à 600 mg i.v. oder 4x1 Tbl. à 600 mg<br />
C Alternative bei schwerer Unverträglichkeit von Sulfadiazin:<br />
Atovaquone 2x10 ml (2x1500 mg) Akuttherapie über 4 bis 6 Wochen<br />
Sekundärprophylaxe: wie Akuttherapie, aber halbe Dosierungen. Absetzen ab<br />
CD4-Zellen > 200/µl > 6 Monate (Voraussetzung: MRT normal bzw. kein KM-<br />
Enhancement)
Primärprophylaxe: immer bei CD4-Zellen < 100/µl und Durchseuchungstiter<br />
für Toxoplasmose; Absetzen ab CD4-Zellen > 200/µl > 6 Monate<br />
Cotrimoxazol 960 mg 3 x pro Wo,<br />
alternativ:<br />
Dapson 1x2 Tbl. à 50 mg, oder Dapson 1x1 Tbl. à 50 mg<br />
+ Pyrimethamin 1x2 Tbl. à 25 mg/Wo<br />
+ Folinsäure 1x2 Tbl. à 15 mg/Wo<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />
Adult_OI_041009.pdf<br />
147
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
148<br />
Erreger/Epidemiologie<br />
Klinik<br />
Diagnose<br />
Therapie<br />
Tuberkulose<br />
Maria Procaccianti<br />
● Mykobakterium tuberkulosis, bovis, africanum<br />
Tröpfcheninfektion bzw. kontaminierte Milch (M.bovis)<br />
meist Reaktivierung einer latenten Infektion<br />
erheblich höhere Erkrankungsrate als Normalbevölkerung<br />
Prävalenz zwischen 10% und 25%<br />
Beginn oft bei gutem Immunstatus, dann Verlauf wie bei klassischer Lungen-<br />
Tbc (Tuberkulintest zu 20% positiv), später Bakteriämie mit multiplen<br />
Organmanifestationen<br />
AIDS-definierende Erkrankung<br />
● Lungen-Tbc: Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust<br />
später: Husten, Dyspnoe, Hämoptysen<br />
bei exrapulmonaler Organmanifestation (Lymphknoten, Knochen, Darm,<br />
Leber, Milz, tuberkulöse Meningitis): buntes Bild<br />
cave: sofortiger Therapiebeginn bei rasch auftretender Leukopenie, Anämie,<br />
Thrombopenie mit Hyperthermie, abdominellen Lymphomen sowie Infiltration<br />
von Leber und Milz<br />
● Suchtest: Tuberkulin-Hauttest oft falsch negativ bei immunsupprimierten Pt.<br />
Sensitiver: Blutprobe für IGRA (Interferon-Gamma-Release Assay)<br />
● Rö-Thorax: initial Oberlappen- infiltrate mit oder ohne Kavernenbildung,<br />
Hiluslymphome, bei Bakteriämie interstitielle Unterlappeninfiltrate<br />
● CT-Thorax zeigt kleine Einschmelzungen<br />
● Erregernachweis mikroskopisch und kulturell in allen Körpersekreten und<br />
gezielten Organbiopsien: besonders mehrfach morgendlich abgehustetes<br />
Sputum oder Bronchial- lavage<br />
● bei isolierter Lungen- Tbc: für 3 Monate Vierfach- Therapie (ggf. +<br />
Streptomycin im 1. Monat bei diss. Verlauf und schlechter Immunitätslage),
Prophylaxe<br />
dann für weitere 6-9 Monate Zweifach-Therapie (vorzugsweise INH und<br />
Rifampicin)<br />
bei extrapulmonalem Befall: für 3 Monate mind. Vierfach-Therapie (ggf. +<br />
Streptomycin im 1. Monat), dann Zwei-bis Dreifach-Therapie für mind. weitere 9<br />
Monate<br />
1. Wahl:<br />
Ethambutol 20 mg/kg/d<br />
Isoniazid 5 mg/kg/d<br />
Rifampicin 10 mg/kg/d;<br />
Pyrazinamid 25 mg/kg/d<br />
Rifabutin 300-450 mg/d<br />
Streptomycin 1x1 g/d i.v. oder 2-tägige Gabe<br />
zusätzlich<br />
Pyridoxin 100 mg/d,<br />
Allopurinol 300 mg/d<br />
bei INH- und Rifampicin Resistenz:<br />
Ethambutol 20 mg/kg/d<br />
Protionamid 10 mg/kg/d<br />
Ciprofloxacin 3 x 750 mg/d;<br />
Pyrazinamid 25 mg/kg/<br />
D-Cycloserin 15 mg/kg/d<br />
Streptomycin 1g/ i.v. (max. 30 g);<br />
zusätzlich<br />
Pyridoxin 100 mg/d + Allopurinol 300 mg/d<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
● Cave: WW mit antiretroviraler Medikation beachten - ggf. Dosismodifikationen<br />
oder auch Therapieumstellungen erforderlich!!<br />
● normalerweise keine medikamentöse Prophylaxe empfohlen, ggf. INH<br />
Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />
Adult_OI_041009.pdf<br />
149
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
150<br />
Erreger / Epidemiologie<br />
Klinik<br />
Diagnose<br />
Therapie<br />
Prophylaxe<br />
Atypische Mykobakteriose<br />
Maria Procaccianti<br />
● meist Mykobakterium avium complex, selten: M.fortuitum, genovese,<br />
kansasii, xenopii. Ubiquitär vorkommende Erreger<br />
Auftreten meist bei CD4 < 50/µl<br />
● unspezifisch<br />
Fieber (oft subfebril), Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Diarrhöen,<br />
Abdominalschmerzen (Pneumonie bei M. kansasii, xenopii),<br />
Wasting-Syndrom bei Multiorganbefall, Knochenmarks-Infiltration mit<br />
transfusionspflichtiger Störung der Hämatopoese<br />
● Erregernachweis durch mikroskopische Untersuchung in Geweben und<br />
Körpersekreten: Blut, Leber, ZNS beweisend. Sputum, Magensaft, Stuhl<br />
unsicherer<br />
● therapeutische Intervention abhängig von Gesamtsituation:<br />
Beginn mit Dreifach-Kombination: Clarithromycin 2 x 500 mg/d +<br />
Ethambutol 1 x 20 mg/kg/d + Rifabutin 1 x 300 mg/d (bei PI Therapie max<br />
150mg/d) (in seltenen Fällen 4fach mit z.B. zusätzlich Amikacin; Streptomycin)<br />
Erhaltungstherapie: Clarithromycin + Ethambutol (bis CD4> 100/µl mind.<br />
6 Monate)<br />
bei Allergie oder Unverträglichkeit: Ciprofloxacin 3 x 750 mg/d<br />
weitere Medikamente: Azithromycin 500-1000mg/d Rifampicin 10mg/kg/d<br />
Pyrazinamid 25 mg/kg/d<br />
● Clarithromycin<br />
Azithromycin<br />
Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />
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Erreger / Epidemiologie<br />
Klinik<br />
Diagnose<br />
Therapie<br />
Prophylaxe<br />
● Cryptosporidium parvum<br />
Weltweit verbreitetes Protozoon<br />
Übertragung: fäkal-oral (Tierkot)<br />
Auftreten: meist bei CD4 < 50/µl<br />
Kryptosporidiose<br />
Maria Procaccianti<br />
● wäßrige Diarrhöen mit zunehmender Frequenz (20-30 Stühle/d), Tenesmen,<br />
Exsikkose, Elektrolytverlust<br />
oft chronischer, lebensbedrohlicher Verlauf; Allenfalls subfebrile Temperaturen;<br />
gelegentlich Cholezystitis-Cholangitis, selten Befall des Respirationstrakts<br />
● Kryptosporidien-Darstellung im Stuhl (Spezialfärbung) mehrfach, histologischer<br />
Nachweis aus Rekto-Duodenoskopie<br />
● Verbesserung des Immunstatus durch antiretrovirale Therapie<br />
symptomatisch: Elektrolyt-Flüssigkeitssubstitution, parenterale Ernährung,<br />
Motilitäts / Sekretionshemmung z.B. mit Mucofalk®, Diphenoxylat, Loperamid,<br />
Tinctura Opii, Octreotid;<br />
Versuch einer Kausaltherapie: Paromomycin, Spiramycin, Albendazol,<br />
Azithromycin; Nitazoxanide (USA)<br />
● keine<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />
Adult_OI_041009.pdf<br />
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<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
152<br />
Erreger / Epidemiologie<br />
Klinik<br />
Diagnostik<br />
Therapie<br />
Prophylaxe<br />
Aspergillose<br />
Maria Procaccianti<br />
● Aspergillus fumigatus<br />
ubiquitär vorkommender Schimmelpilz (abgestorbene Pflanzen, Kompost,<br />
feuchte Tapeten usw.) Erkrankung der Spätphase, oft CD4 < 20/µl;<br />
meist bestehende Vorschädigung der Lungen (PcP, CMV-Pneumonie, KS)<br />
Infektion durch Sporeninhalation, anschließend langsame Besiedlung des<br />
Bronchialsystems<br />
● Fieber, Husten, Dyspnoe, evtl.Hämoptoe<br />
Tracheitis mit nachfolgender nekrotisierender Pneumonie<br />
Befall anderer Organe selten, evtl. metastatische Absiedlungen im Gehirn mit<br />
entsprechender Klinik<br />
● Erregernachweis: mikroskopisch, kulturell oder histologisch aus Sputum,<br />
Bronchialsekret, BAL oder Biopsat<br />
im CT peribronchiale Verschattungen mit Einschmelzungen, Kavernen<br />
● Voriconazol 2x400mg p.o.Tag 1, dann 2x200 mg p.o. bzw. 2x6mg/kg KG i.v.<br />
Tag 1 dann 2x4mg/kg KG i.v.<br />
Amphotericin B i.v.oder liposomales Amphotericin B i.v. 1 x 0.5 - 0.75 mg/<br />
kg/d bis Gesamtdosis von 2g!<br />
bei Resistenzen: Caspofungin 70 mg i.v. Tag 1, dann 50 mg/d, Cave bei<br />
Leberinsuffizienz<br />
Posaconazol 400 mg (10ml) 2xtgl p.o.; bei Pt., die keine Nahrung zu sich<br />
nehmen können 200 mg 4xtgl p.o.<br />
● weitere second-line Präparate: z.B. Micafungin, Anidulafungin<br />
● sekundär: lebenslang<br />
Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />
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Erreger / Epidemiologie<br />
Klinik<br />
Diagnose<br />
Therapie<br />
Prophylaxe<br />
Kryptokokkose<br />
Maria Procaccianti<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
● Cryptococcus neoformans<br />
Weltweit verbreiteter Hefepilz, besonders Vogelexkremente (Tauben)<br />
Erkrankung der Spätphase (CD4 < 50/µl) durch Inhalation von erregerhaltigem<br />
Staub mit pulmonaler Infektion und anschließender hämatogener Streuung,<br />
häufigste Manifestation: Meningitis AIDS-definierende Erkrankung<br />
● zwei unterschiedliche Verlaufsformen:<br />
1. Protrahierte Infektion: (Tage bis Wochen) mit Befall verschiedener<br />
Organsysteme (Lunge, Haut, Augen und in der Regel Meningen)<br />
2. Foudroyanter Verlauf: (wenige Tage) als Meningoenzephalitis und Sepsis;<br />
Fieber, Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Meningismus (25 %)<br />
Somnolenz bis Koma, Krampfanfälle, Hirnnervenausfälle häufig: Begleitsinusitis<br />
● serologisch: Kryptokokken-Antigennachweis (bei Meningitis in nahezu 100%)<br />
in Serum und Liquor; Erregernachweis im Tuschepräparat aus Liquor;<br />
kulturell aus Sputum und Hautinfiltraten bei extra- kraniellem Befall<br />
CT-Schädel zum Ausschluß anderer Ursachen<br />
● Therapiebeginn beim Nachweis von Kryptokokkenantigen!<br />
Amphotericin B 1 x 0,3 mg - 0,8 mg/kg/d i.v. oder liposomales Amphotericin B<br />
1 x 3 mg/kg und Fluconazol 1 x 400 mg/d i.v. und Flucytosin 150 mg/kg/d<br />
verteilt auf 4 Dosen für 6 Wo<br />
● neuere Antimykotika (Posaconazol, Voriconazol u.a.) mit noch geringer<br />
Datenlage<br />
● nur sekundär!<br />
Fluconazol 1 x 200-400 mg/d (Itraconazol 2 x 200mg/d weniger wirksam als<br />
Fluconazol)<br />
bei guter Immunrekonstitution (CD4>200/µl und neg. VL über 3-6 Monate) und<br />
negativem Ag kann nach ausreichender Erhaltung die Sekundärprophylaxe<br />
abgesetzt werden. Bei Verschlechterung des Immunstatus muss<br />
Sekundärprophylaxe wieder eingeleitet werden.<br />
Link zu US-amerikanischen Guidelines (v. 10.04.2009): http://aidsinfo.nih.gov/contentfiles/<br />
Adult_OI_041009.pdf<br />
153
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
154<br />
Epidemiologie und Definition<br />
Ätiologie<br />
Therapie<br />
Prophylaxe<br />
Wasting-Syndrom<br />
Maria Procaccianti<br />
● Gewichtsabnahme von > 10 % des Körpergewichts, zusätzlich Fieber und/oder<br />
Diarrhöen ohne Erregernachweis bei <strong>HIV</strong>-Infektion;<br />
rezidivierende Infekte, Therapienebenwirkungen (Inappetenz, gastrointestinale<br />
Beschwerden, Diarrhöen) als mögliche Triggermechanismen<br />
AIDS-definierende Erkrankung<br />
● allgemeine körperliche Schwäche<br />
erhöhter Grundumsatz (Fieber, Infektionen, Tumoren)<br />
Geschmacksstörungen; Diarrhoe, Malabsorption, Maldigestion, Medikamenten-<br />
nebenwirkungen orgopsychische Veränderungen<br />
● individuell angepaßt<br />
neben Behandlung der Grunderkrankung: mehrere kleine Mahlzeiten,<br />
bestimmte Gewürze, Astronautenkost, Substitution von Spurenelementen,<br />
Vitaminen; enterale Ernährung über Magensonde, Gastrostomie; passager<br />
parenterale Ernährung<br />
● sorgfältige Diagnostik bei Symptombeginn (immer atypische Mykobakteriose<br />
ausschließen!)
<strong>HIV</strong>-Enzephalopathie (AIDS-Demenz-Komplex)<br />
siehe Kapitel: Organspezifische Infektionen -> Neurologische Manifestationen<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
155
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
156<br />
Syphilis<br />
Martin Hartmann<br />
Die Syphilis gehört wie die Tuberkulose oder Lepra zu den chronisch zyklischen<br />
Infektionskrankheiten und verläuft unbehandelt über Jahrzehnte. Sie wird eingeteilt in eine<br />
Frühsyphilis (bis 1 Jahr nach Infektion) mit den Stadien Syphilis I, in der die<br />
Krankheitsmanifestationen lokalisiert sind und Syphilis II mit generalisierten<br />
Krankheitserscheinungen sowie eine Spätsyphilis oder tertiäre Syphilis. Der Verlauf der<br />
unbehandelten Syphilis wurde 1890 in der 'Oslo-Studie' untersucht, in der 1978 Patienten<br />
verfolgt wurden. Eine Spontanheilung der Syphilis wurde in ca. 30% der Fälle beobachtet.<br />
In ca. 7.5% trat eine Neurosyphilis auf.<br />
Ansteckend ist vorwiegend die Syphilis I und II, weniger die Syphilis III. Ungeschützter<br />
Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Partner mit genitalen Läsionen führt in ca. 30%<br />
zur Infektion.<br />
Der Erreger<br />
Treponema pallidum gehört zur Familie der Spirochaeten mit den humanpathogenen<br />
Gattungen Treponema, Borrelia und Leptospira. Der Name rührt daher, daß sich diese<br />
Treponemen nur wenig anfärben. Die Treponeme ist ein spiralig gewundenes, an den<br />
Enden zugespitzes Bakterium, dessen Länge zwischen 4 und 14 µm und dessen<br />
Durchmesser von 0,13 bis 0,25 µm schwankt. Die Teilung erfolgt ca. alle 30 Stunden.<br />
Eine Anzüchtung kann im Kaninchenhoden erfolgen.<br />
Diagnostik<br />
Die Untersuchung muß aus dem sogenannten Reizsekret im Dunkelfeld erfolgen. Durch<br />
vorsichtiges Ausstreichen des Primäraffekts oder anderer Hauterscheinigungen kann<br />
interstitieller Gewebssaft gewonnen werden.<br />
Bei der Serodiagnostik (Antikörperdiagnostik) der Syphilis werden grundsätzlich zwei<br />
Antikörpergruppen unterschieden: Antikörper, die gegen ein unspezifisches Antigen<br />
(Cardiolipin) gerichtet sind und spezifische treponemale Antikörper. Der bekannteste<br />
unsprezifische Test, der VDRL-Test (Veneral Disease Research Laboratories) wird<br />
quantitativ durchgeführt und dient auch zur Therapiekontrolle. Er wird zwischen der 5. - 6.<br />
Woche positiv.<br />
Beim spezifischen TPPA-Test (Treponema-pallidum-Partikel-Test) agglutinieren mit<br />
Treponemen beschichtete Partikel nach Zugabe von antikörperpositivem Serum. Dieser<br />
Test wird auch quantitativ durchgeführt und ist 3 bis 4 Wochen nach Infektion positiv.<br />
Beim FTA-Test (Treponema-pallidum-Antikörper-Fluoreszenztest) werden Treponema<br />
pallidum beschichtete Objektträger mit Serum inkubiert. Der gebildete Antigen-<br />
Antikörperkomplex wird mit einem fluoreszeinmarkierten antihumanen Immunglobulin<br />
sichtbar gemacht. Der FTA-ABS-Test wird ca. 4 Wochen nach Infektion positiv.<br />
Inzwischen stehen auch kommerzielle Antikörper-EIA-Teste und Western Blot Teste zur<br />
Verfügung.<br />
Für die serologische Diagnose sollte zunächst ein Such-Test durchgeführt werden<br />
(geeignet: TPPA oder EIA). Falls dieser positiv ausfällt, sollte ein Bestätigungs-Test<br />
veranlasst werden (geeignet: FTA-ABS, IgG-Western Blot, oder TPPA-Test bei positivem<br />
EIA-Test und umgekehrt). Bei bestätigter Syphilisdiagnose sollten die Aktivitätsparameter<br />
(VDRL oder KBR quantitativ) bestimmt werden und/oder ein IgM-Nachweis (ab der 2.<br />
Woche positiv) durchgeführt werden.
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
Klinik der Syphilis<br />
Erste Krankheitserscheinungen treten an Stellen mit meist unbemerkten Gewebsdefekten<br />
nach direktem Kontakt mit Treponema pallidum auf. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis<br />
vier Wochen. Der Primäraffekt beginnt als Papel, daraus entsteht das Ulcus durum mit<br />
einem scharfen abgesetzten wallartigen Rand. Das Ulcus selber ist schmerzarm. Beim<br />
Mann ist meist die glans penis betroffen. In etwa 10% finden sich extragenitale<br />
Primäraffekte an den Lippen und in der Mundhöhle. Der Primäraffekt heilt nach 4-6<br />
Wochen spontan ab. Gleichzeitig oder kurz nach Auftreten des Primäraffektes kommt es<br />
zu einer regionalen Lymphknotenschwellung im zugehörigen Abflußgebiet. Die<br />
klassischen Seroreaktionen fallen frühestens 2-3 Wochen nach Auftreten des<br />
Primäraffektes positiv aus.<br />
Im Rahmen der immunologischen Reaktion können vor Auftreten des Exanthems Fieber,<br />
Müdigkeit, Kopf-, Gelenk- oder Muskelschmerzen auftreten (Syphilis II). Das<br />
Sekundärstadium beginnt etwa 9 Wochen nach Infektion mit einer hämatogenen und<br />
lymphogenen Streuung der Treponemen. Gleichzeitig besteht fast immer eine<br />
Polyskleradenitis. Die spezifischen Exantheme und Enantheme werden Syphilide genannt<br />
und zeichnet sich durch eine hohe Variabilität aus. Typischerweise tritt ein erst<br />
stammbetontes oft kaum erkenntliches masernähnliches Exanthem ohne Juckreiz auf<br />
(makulöses Syphilid oder Roseola).<br />
Im Kopfhaarbereich kann es zu mottenfraßartigem Haarausfall kommen (Alopecia<br />
specifica areolaris). Im Bereich des behaarten Kopfes und besonders im Bartbereich<br />
treten himbeer- bis blumenkohlähnliche Papillome auf (frambösiformes Syphilid). Neben<br />
den Syphiliden der Hohlhand oder der Fußsohlen (Palmoplantarsyphilide) beobachtet<br />
man häufiger übermäßige Hornhautbildung (Clavi syphilitici). Im Bereich der<br />
intertriginösen Areale könen sich bis markstückgroße derbe Papeln bilden, die später zu<br />
erregerreichen vegetierenden Papelbeeten konfluieren (Condylomata lata). Etwa zwei<br />
Jahre nach Infektion klingen die Hauterscheinungen in der Regel ab (seropositive latente<br />
Syphilis).<br />
Durch die Penicillintherapie sind die klassischen klinischen Bilder des Tertiärstadiums nur<br />
noch selten zu sehen. Kommt es nicht zu einem spontanen Ausheilen der Erkrankung,<br />
treten ca. 5 Jahre nach Infektion Manifestationen der tertiären Syphilis auf. Die<br />
Hautveränderungen imponieren als Syphilis tuberosa und gummosa. An kardiovaskulären<br />
Komplikationen kann 10-30 Jahre nach Infektion die Spontanruptur luischer Aneurysmen<br />
der Aorta lebensgefährliche Folgen haben. Die Spätsyphilis des zentralen Nervensystems<br />
wird unterschieden in Tabes dorsalis und progressive Paralyse.<br />
Therapie<br />
Die Therapie der ersten Wahl ist in allen Stadien bis heute Penicillin. Eine Resistenz<br />
gegen Penicillin ist bisher nicht bekannt. Die deutschen (http://www.uni-duesseldorf.de/<br />
AWMF/ll/059-002.htm) und europäischen Richtlinien (http://www.iusti.org/regions/europe/<br />
IUSTI%20syphillis%20guideline%202008.pdf) sowie die der amerikanischen<br />
Gesundheitsbehörde (http://www.cdc.gov/mmwr/pdf/rr/rr5511.pdf) weichen nur<br />
geringfügig voneinander ab. Wegen des langsamen Reproduktionszyklus von Spirochäten<br />
ist zur erfolgreichen Therapie der Syphilis ein kontinuierlicher Serumspiegel des<br />
Antibiotikums notwendig. Die empfohlenen Therapien sollten dies gewährleisten.<br />
Das Mittel der Wahl bei Frühsyphilis ist einmalig Benzathin-Penicillin (Pendysin®, 2,4 Mio.<br />
IE intramuskulär (2x1,2 Mio IE gluteal bds.). Bei raschem Erregerzerfall kann es zu<br />
toxischen systemischen Reaktionen kommen (Schüttelfrost, Fieber und Kopfschmerzen).<br />
Bei der Therapie der Spätsyphilis wird Benzathin-Penicillin 2,4 Mio. IE pro Woche über 3<br />
157
<strong>HIV</strong>-assoziierte Krankheitsbilder<br />
158<br />
Wochen empfohlen.<br />
Bei Penicillinallergie ist eine Hyposensibilisierung mit Penicillin fast immer erfolgreich.<br />
Obwohl Ceftriaxon und Azithromycin bei der Syphilis wirksam sind, fehlen größere<br />
kontrollierte Studien, so dass diese Präparate allenfalls Therapien 2. Wahl sind.<br />
Inzwischen wurden erste Resistenzen gegen Azithromycin beobachtet. Die Therapie der<br />
Neurosyphilis besteht in einer Infusion- und Injektionsbehandlung: Für 10 Tage Penicillin<br />
G-Infusionen mit 6 x 5 Mio. IE und anschließend Benzathin-Penicillin 2,4 Mio. IE pro<br />
Woche über 3 Wochen.<br />
Eine Therapiekontrolle sollte alle 3 Monate mit TPPA und KBR/VDRL (quantitativ) und/<br />
oder IgM-Nachweis erfolgen.<br />
Syphilis und <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
In einer retrospektiven deutschen Untersuchung fiel bei den <strong>HIV</strong>-positiven Patienten an<br />
klinischen Manifestationen die Syphilis maligna mit 7,25% und die Neurosyphilis mit<br />
19,7% auf. Die sonst selten gesehene Syphilis maligna wurde bei <strong>HIV</strong>-Infektion bisher<br />
unter dem Bild eines pustulo-nekrotischen Syphilids, einer Rupia syphilitica<br />
(austernschalenartige Krustenbildung) oder am häufigsten eines Ecthyma syphiliticum<br />
beschrieben. Gleichzeitig bestehen nicht selten Allgemeinsymptome wie erhöhte<br />
Temperaturen oder Abgeschlagenheit, eine Skleradenitis fehlt. Die Syphilis maligna<br />
spricht meist gut auf eine Penicillintherapie an.<br />
Vor allem im Latenzstadium der <strong>HIV</strong>-Infektion sind sehr hohe Titer in den quantitativen<br />
Testen der Syphilisserologie bekannt. Diese können im Suchtest sogar ein falsch<br />
negatives Testergebnis bewirken (Prozonen-Phänomen). Bei bis zu 10% der Patienten ist<br />
mit einer falsch negativen Syphilisserologie zu rechnen.<br />
Die Benzathin-Penicillinbehandlung ist auch bei <strong>HIV</strong>-assoziierter Frühsyphilis nicht immer<br />
ausreichend. Eine schnelle Progression zu tertiärer Syphilis wurde trotz regelrecht<br />
durchgeführter Penicillintherapie beobachtet. Trotz adäquater Therapie einer Frühsyphilis<br />
kann die Entwicklung einer Neurosyphilis bei <strong>HIV</strong>-Infektion nicht immer verhindert werden.<br />
Im Einzelfall kommt es auch unter einer hochdosierten intravenösen Penicillingabe zur<br />
Neurosyphilis. <strong>HIV</strong>-Patienten, die rechtzeitig eine antiretrovirale Therapie (HAART)<br />
erhalten haben, zeigen diese Besonderheiten nicht mehr. Bei bestehendem Immundefekt<br />
sollte auch bei einer Frühsyphilis eine 3-wöchige Therapie erwogen werden (s. o.).<br />
Literatur<br />
● Hartmann M. Therapie der Syphilis. Hautarzt 55: 215-216 (2004)<br />
● Körper A. et al. Syphilis bei <strong>HIV</strong>-Koinfektion. JDDG 2: 833-840 (2004)
Überblick:<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
● Epidemiologie und Vorsorgeempfehlungen<br />
● Kaposi-Sarkom (KS)<br />
● Lymphome<br />
● Andere Malignome<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
159
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
Einleitung:<br />
Epidemiologie <strong>HIV</strong>-assoziierter Malignome<br />
Franz Mosthaf, Manfred Hensel<br />
Mit Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) 1996 kam es zu einem<br />
dramatischen Rückgang der AIDS-definierenden Malignome insbesondere des Kaposi-Sarkoms<br />
und der primären ZNS-Lymphome. Eine Ausnahme stellen die aggressiven B-Zell-Lymphome dar.<br />
Inzidenz und Verlauf der AIDS-definierenden Tumoren sind gut beschrieben. Daten über die nicht<br />
AIDS-definierenden Malignome liegen insgesamt nur wenige vor (Melbye et al. 1994; Lyter et al<br />
1995; Goedert et al. 1998; Herida et al. 2003; Bonett et al 2004).<br />
Detaillierte Gesichtspunkte:<br />
Im Jahre 2002 wurde von der Kerngruppe <strong>HIV</strong> und Onkologie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft<br />
niedergelassener Ärzte in der Versorgung <strong>HIV</strong>-Infizierter (DAGNAE) in Kooperation mit dem<br />
Berufsverband der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO) ein<br />
Projekt initiiert zur Schaffung einer Datenbank <strong>HIV</strong>-assoziierter Malignome. Ziel des<br />
Forschungsprojektes war Daten zur Epidemiologie, Diagnose und Therapie von AIDS und nicht<br />
AIDS-definierenden Malignomen bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten in Deutschland zu erheben. Die<br />
Ergebnisse sollten einen epidemiologischen Überblick geben und als Basis für weitere<br />
Forschungsprojekte und evtl. Therapierichtlinien dienen.<br />
"Im Zeitraum zwischen 2000 und 2007 wurden alle auf die Behandlung von <strong>HIV</strong>-Patienten<br />
spezialisierten Arztpraxen (n=189) und Klinikambulanzen (n=35) in Deutschland angeschrieben. Sie<br />
wurden in mehreren Beobachtungsperioden mittels eines strukturierten Fragebogens zur Inzidenz<br />
von Malignomen bei <strong>HIV</strong>-Patienten befragt.<br />
Ergebnisse:<br />
Die Rücklaufquote der Fragebögen betrug 49.5 %. Im Beobachtungszeitraum wurden Daten zu 542<br />
Patienten mit 552 evaluierbaren Datensätzen mit inzidenten Malignomen gemeldet. 253 (45.8%)<br />
der gemeldeten Malignome waren AD. Unter den 299 Fällen (54.2%) von NAD Malignomen waren<br />
214 solide Tumoren einschließlich 71 Analkarzinome (entsprechend 23.7% aller NAD Malignome)<br />
und 85 Hämoblastosen einschließlich 29 Hodgkin-Lymphome (entsprechend 9.6% aller NAD<br />
Malignome). Der hohe Anteil der NAD Malignome war konstant über alle Beobachtungsperioden.<br />
Interessanterweise wurde nach 2001 nur noch ein Fall (von insgesamt acht Fällen) eines primär<br />
zerebralen Lymphoms registriert. Die Anzahl der Patienten mit Hodgkin-Lymphom stieg von 2000-<br />
2007 konstant an.<br />
Diskussion:<br />
Das Spektrum der <strong>HIV</strong>-assoziierten Malignome hat sich gegenüber der Frühzeit der <strong>HIV</strong>-Epidemie<br />
gewandelt. In Deutschland haben die NAD Malignome die Häufigkeit der AD Malignome<br />
überstiegen. Insbesondere Analkarzinome und Hodgkin-Lymphome treten bei <strong>HIV</strong>-Infizierten<br />
deutlich häufiger auf als in der Normalbevölkerung. Für <strong>HIV</strong>-Infizierte ist eine intensivere<br />
Krebsvorsorge als bei nichtinfizierten Menschen erforderlich."<br />
160<br />
Die detaillierten Zahlen sind in den beiden aufgeführten Grafiken dargestellt:
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
Fazit und Empfehlung zur Krebsvorsorge bei <strong>HIV</strong>-positiven Patienten:<br />
Neben der Weiterentwicklung der antiretroviralen Therapie und der Entwicklung von kurativen<br />
Therapiestrategien spielt wegen der weiter zunehmenden Lebenserwartung der <strong>HIV</strong>-Infizierten in<br />
Zukunft die Vermeidung und Behandlung von <strong>HIV</strong>-assoziierten Begleiterkrankungen, insbesondere<br />
Krebs, eine immer größere Rolle. Das Tumorscreening sowie die Krebsprävention sollte intensiviert<br />
und gewissenhaft durchgeführt werden. Besonderes Augenmerk sollte hierbei auf das<br />
Analkarzinom gelegt werden.<br />
161
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
Empfehlungen zur Krebsvorsorge<br />
Manfred Hensel, Franz Mosthaf<br />
Von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland generell empfohlene und bezahlte<br />
Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (Quelle: AOK 2009). Von den Autoren unter Berücksichtigung<br />
der Leitlinien der European AIDS Clinical Society 11/09 angepasst für <strong>HIV</strong>-positive Patienten<br />
162<br />
Problem Patient/Alter Prozedur Evidenz für Nutzen Intervall Kommentar<br />
Zervixkarzinom<br />
Mammakarzinom<br />
Analkarzinom<br />
Hautkrebs<br />
Kolorektalkarzinom<br />
Prostatakarzinom<br />
Quellen:<br />
Frauen ≥ 20<br />
J.<br />
Frauen 50-69<br />
J.<br />
Homosexuelle<br />
Männer<br />
Männer und<br />
Frauen ≥ 35<br />
J.<br />
Männer und<br />
Frauen ≥ 45<br />
J.<br />
Männer > 45<br />
J.<br />
gynäkologische<br />
Genitaluntersuchung,<br />
Abstrich und<br />
zytologische<br />
Untersuchung<br />
Zervixkarzinommortalität<br />
↓<br />
1 Jahr -<br />
Mammographie Brustkrebsmortalität ↓ 2 Jahre -<br />
Inspektion von Anus<br />
und Genitale, Digital<br />
rektale<br />
Untersuchung<br />
(DRU), bei<br />
auffälligem Befund<br />
hochauflösende<br />
Anoskopie und<br />
Proktoskopie<br />
Unbekannt, von einigen<br />
Experten empfohlen;<br />
(Wertigkeit des<br />
Abstriches mit Zytologie<br />
noch nicht ausreichend<br />
validiert)<br />
1 Jahr<br />
Hautkrebsscreening Kontrovers - -<br />
Koloskopie (in<br />
zweiter Linie:<br />
Stuhluntersuchung<br />
auf occultes Blut)<br />
Digital rektale<br />
Untersuchung ± PSA-<br />
Test<br />
bei <strong>HIV</strong>-negativen<br />
kolorektale<br />
Krebsmortalität ↓<br />
5-10<br />
Jahre<br />
Kontrovers 1 Jahr<br />
bei <strong>HIV</strong>negativen<br />
in<br />
Deutschland<br />
bisher nicht<br />
empfohlen<br />
bei <strong>HIV</strong>negativen<br />
in<br />
Deutschland<br />
erst ab 55<br />
LJ.<br />
empfohlen<br />
bei <strong>HIV</strong>negativen<br />
in<br />
Deutschland<br />
nur DRU<br />
empfohlen<br />
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163
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
164<br />
Kaposi-Sarkom (Übersicht)<br />
Franz Mosthaf, Dieter Schuster<br />
Erreger / Epidemiologie Klinik/Stadieneinteilung Diagnose Therapie<br />
Ätiopathogenese<br />
Existenz infektiöser<br />
Kofaktoren, (humanes<br />
Herpes Virus 8)<br />
Proliferation von<br />
Endothelzellen und<br />
Fibroblasten durch<br />
Dysregulation der<br />
Zytokinbildung, evtl.<br />
genetische Disposition<br />
vier Formen:<br />
A: Klassisches KS<br />
B: Afrikanisches bzw.<br />
Endemisches KS<br />
C: KS bei Patienten unter<br />
Immunsuppressiva<br />
D: Epidemisches KS bei<br />
<strong>HIV</strong>-Infektion.<br />
Überwiegendes Auftreten<br />
bei homosexuellen<br />
Männern in allen Stadien<br />
der <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
Lokalisation:<br />
Haut und Schleimhäute<br />
(Mundschleimhaut in 30 %<br />
beteiligt), Lunge (final in<br />
30-40 % beteiligt),<br />
Lymphknoten, GI-Trakt,<br />
Leber<br />
Verlauf:<br />
multifokales Geschehen<br />
mit Entstehung von bis zu<br />
100 und mehr einzelnen<br />
Knoten,<br />
initial makulöse, längliche,<br />
rötlich-livide Flecke,<br />
Plaques oder Knoten, mit<br />
dem Glasspatel nicht<br />
wegdrückbar.<br />
Ausrichtung entlang der<br />
Hautspaltlinien; später<br />
Konfluenz, Neigung zu<br />
Exulzeration, reaktiven<br />
Hyperkeratosen sowie<br />
ausgedehnten Ödemen<br />
(Gesicht, Genitale,<br />
Extremitäten), individuell<br />
sehr variabler Verlauf<br />
Stadien:(n. Mitsuyasu<br />
1986):<br />
I Kutan limitiert (< 10<br />
Herde/ein anatomischer<br />
Bereich)<br />
II Kutan disseminiert (>10<br />
Herde/zwei und mehr<br />
anatomische Bereiche)<br />
III Viszeral<br />
IV Kutan und viszeral<br />
Klinisch, oder bei<br />
nicht typischem<br />
Befund histologisch<br />
Rö-Thorax:<br />
evtl. diffuse, streifige<br />
Verschattungen<br />
Immer zuerst ART! Falls<br />
hierunter keine Remission:<br />
systemische Therapie:<br />
A: liposomales Anthrazyklin:<br />
Caelyx® i. v. 20 mg/m² 14tägig<br />
oder<br />
(B: Vincristin 2mg i.v +<br />
Bleomycin 15mg i.v/14-tägig,<br />
maximal 6 Zyklen)<br />
C: bei Therapieresistenz<br />
Paclitaxel (Taxol®)<br />
lokal:<br />
Kryotherapie, intraläsionale<br />
Injektionen von<br />
Chemotherapeutika,<br />
Bestrahlung, Lasertherapie<br />
Excision nur in anderweitig<br />
nicht therapierbaren<br />
Notsituationen, da oft<br />
Rezidive im Narbenbereich.
Einleitung<br />
Das Kaposi Sarkom<br />
Synonym: Sarcoma idiopathicum multiplex hemorrhagicum<br />
Franz Mosthaf, Stefan Esser<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
1872 beschrieb Moriz Kaposi, ein ungarischer Hautarzt, fünf Patienten mit einem<br />
aggressiven idiopathischen pigmentierten Sarkom der Haut ('sarcoma idiopathicum<br />
multiplex hemorrhagicum'). Einer dieser Patienten starb 15 Monate nach der Erstdiagnose<br />
der Hautveränderungen an einer gastrointestinalen Blutung und die Biopsie zeigte<br />
viszerale Läsionen der Lunge und des Gastrointestinaltraktes.<br />
Mittlerweile wurden vier verschiedene epidemologisch-klinische Varianten beschrieben,<br />
welche in spezifischen Populationen vorkommen oder unterschiedliche Manifestation bzw.<br />
Progressionsraten aufweisen.<br />
Aufgrund von Forschungsergebnissen der letzten 15 Jahre muß man heute davon<br />
ausgehen, daß diese Varianten unterschiedliche Verlaufsformen auf der Basis des selben<br />
Pathomechanismus repräsentieren.<br />
Pathogenese - die Rolle des humanen Herpesvirus (HHV-8) bzw.<br />
dem Kaposi-Sarkom-assoziiertem Herpesvirus<br />
Die Pathogenese des KS wird heute besser verstanden, ist jedoch nicht abschließend<br />
geklärt.<br />
Mit molekularbiologischen Methoden ('represental difference analysis') und PCRunterstützter<br />
In-situ-Hybridisierung gelang in Endothelzellen und Spindelzellen sowohl in<br />
AIDS-assoziierten Kaposi-Sarkomen, als auch in Kaposi-Sarkomen von <strong>HIV</strong>-negativen<br />
Patienten in > 95 % der Fälle der Nachweis von DNS Sequenzen eines als KSassoziiertes<br />
(KSHV) bzw. HHV-8 bezeichneten humanen Herpesvirus, weshalb HHV-8<br />
eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von KS zugewiesen wurde. HHV-8 findet<br />
sich nicht nur regelmäßig im KS, sondern auch in bestimmten B-Zell-Lymphomen ('body<br />
cavity-based large B-cell lymphoma') und im multizentrischen Morbus Castleman, jedoch<br />
nicht in anderen vaskulären Tumoren. Zudem wurden im peripheren Blut von <strong>HIV</strong>positiven<br />
KS-Patienten sowohl mit HHV-8 infizierte Leukozyten als auch KS-Zellen<br />
gefunden. In manchen Regionen, in Italien oder Zentralafrika, ist HHV-8 auch bei bis zu<br />
50 % der Normalbevölkerung nachweisbar.<br />
Für die Entstehung von Kaposi-Sarkomen ist HHV-8 notwendige aber nicht hinreichende<br />
Voraussetzung. Kofaktoren sind z.B. das <strong>HIV</strong> tat-Gen und Zytokine (Interferon-gamma,<br />
vascular endothelial cell growth factor (VEGF)). Im Genom von HHV-8 konnten Gene mit<br />
onkogenen Eigenschaften (c-myc, bcl-2) (transformierend, chemoattraktiv,<br />
wachstumsfördernd, anti-apoptotisch) und andere, die die Bindung, das Zellwachstum, die<br />
Inflammation und die Angiogenese beeinflussen, identifiziert werden. Die Expression<br />
dieser Genprodukte in KS-Spindelzellen in vivo trägt entscheidend zur KS-Entwicklung<br />
bei.<br />
165
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
166<br />
Die mit Infektionen einhergehende Immunaktivierung führt zum Anstieg der<br />
Serumkonzentrationen inflammatorischer Zytokine wie IL-1, TNF-alpha und Interferon<br />
Gamma. Ebenso stimuliert die Auseinandersetzung mit Alloantigenen bei<br />
Transplantationspatienten, trotz medikamentöser Immunsuppression, das Immunsystem.<br />
Neben der genetischen Disposition liegt bei Risikogruppen für die Entwicklung eines KS<br />
also häufig eine CD8+ T-Zellaktivierung mit erhöhter Produktion inflammatorischer<br />
Zytokine vor, die eine chronische Endothelschädigung und verstärkte<br />
Monozytenanlagerung an das Endothel verursachen können. Die Gabe von TNF-alpha<br />
und Interferon Gamma führt bei AIDS-KS-Patienten zur Krankheitsprogression. Die<br />
Inzidenz von KS ist bei <strong>HIV</strong>-Infizierten höher und der klinische Verlauf aggressiver. Bei<br />
<strong>HIV</strong>-Patienten mit KS wird häufig nach Einleitung einer hoch aktiven antiretroviralen<br />
Therapie im Rahmen der Immunrekonstitution eine Regredienz der Läsionen beobachtet.<br />
Die Beziehung zwischen klinischem Verlauf und Immunsuppression im Wirt (besonders<br />
bei <strong>HIV</strong>-infizierten oder organtransplantierten Patienten) und die ungewöhnliche<br />
Pathologie legen nahe, dass KS keine konventionellen Neoplasien sind.<br />
Epidemiologisch-klinische Varianten<br />
1. Das klassische Kaposi-Sarkom<br />
Das klassische Kaposi-Sarkom betrifft in erster Linie ältere Männer (Männer-zu-Frauen-<br />
Verhältnis ca. 15:1) aus dem osteuropäisch-mediterranen Bereich oder jüdischer Herkunft<br />
mit einem Altersgipfel im 7. Lebensjahrzehnt.<br />
Hierbei finden sich vor allem im Bereich der unteren Extremitäten oft multiple, rötlichbläulich-bräunliche<br />
Plaques und Knötchen. Der Verlauf ist insgesamt wenig progredient<br />
über Jahre oder Jahrzehnte und zeigt nur selten Manifestationen in anderen Organen.<br />
Manchmal finden sich Lymphödeme oder eine Hyperkeratose.<br />
Histologisch zeigen sich Infiltrate aus spindelzelligen Endothelien, schlitzförmige neue<br />
dünnwandige z. T. unvollständige Blutgefäße mit Erythrozytenextravasaten und<br />
Hämosiderinablagerungen. Weiterhin ein lymphozytäres Entzündungsinfiltrat.<br />
2. Das endemische Kaposi-Sarkom<br />
Seit Mitte des letzten Jahrhunderts wurde zunehmend über das Auftreten von Kaposi-<br />
Sarkomen in Subsahara-Afrika berichtet. 1971 betrug der Anteil des Kaposi-Sarkoms an<br />
allen Krebserkrankungen in Uganda 3 bis 9 %.<br />
1983 wurde über einen dramatischen Inzidenzanstieg des Kaposi-Sarkoms in Zambia<br />
berichtet. Nachdem das erworbene Immunschwächesyndrom (AIDS) zuverlässig<br />
diagnostiziert werden konnte, war es möglich, das <strong>HIV</strong>-negative endemische Kaposi-<br />
Sarkom <strong>HIV</strong>-positiven epidemischen Kaposi-Sarkom zu unterscheiden. Beschrieben<br />
werden beim endemischen afrikanischen Kaposi-Sarkom vier klinische Verlaufsformen:<br />
A: Eine relativ gutartige mit nodulären Hautveränderungen ähnlich denen beim<br />
klassischen Kaposi-Sarkom. Hiervon sind vor allem junge Männer im Alter um 35 Jahre<br />
betroffen.
B: Eine aggressive lokalisierte kutane Verlaufsform mit Infiltration in das Weichteilgewebe<br />
und die Knochen mit fatalem Ausgang innerhalb von fünf bis sieben Jahren.<br />
C: Ein diffuser mukokutaner Befall und viszeraler Befall und schließlich<br />
D: eine fulminant verlaufende Form mit Lymphadenopathie und Beteilung der viszeralen<br />
Organe in der Regel ohne Hautbeteiligung, vor allem auftretend bei Kindern im<br />
Kindergartenalter.<br />
3. Das iatrogen- immunsuppressiv bedingte Kaposi-Sarkom<br />
Als Folge einer iatrogen-Immunsuppression, in der Regel in Zusammenhang mit<br />
Organtransplantationen, aber auch bei sonstiger Art der Immunsuppression sind Kaposi-<br />
Sarkome beschrieben.<br />
Hierbei scheint ein erhöhtes Risiko in bestimmten ethnischen Gruppen zu bestehen,<br />
welche ebenfalls ein erhöhtes Risiko für das klassische Kaposi-Sarkom aufweisen.<br />
Obwohl der Verlauf sowohl chronisch als auch schnell progredient sein kann, kommt es in<br />
der Regel nach Beendigung der immunsuppressiven Therapie zu einer Remission.<br />
4. Das epidemische oder Aids-assoziierte Kaposi-Sarkom<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
Friedmann-Kien et al. beschrieben 1981 fünfzig bis dahin gesunde junge homosexuelle<br />
Männer mit Kaposi-Sarkom, wobei Lymphknoten und die viszeralen Organe und<br />
Schleimhäute genauso betroffen waren wie die Haut.<br />
Gleichzeitig lagen lebensbedrohliche opportunistische Infektionen vor in Verbindung mit<br />
einem massiven Defekt in der T-Zellvermittelten Immunität.<br />
Nur kurze Zeit später wurde diese Erkrankung als erworbenes Immundefektsyndrom<br />
(acquired immunodeficiency syndrome- AIDS) beschrieben und als Ursache die <strong>HIV</strong>-<br />
Infektion nachgewiesen.<br />
Obwohl die Inzidenz des Kaposi-Sarkoms als Folge der effektiven antiretroviralen<br />
Therapie der <strong>HIV</strong>-Infektion mittlerweile deutlich zurückgegangen ist, stellt dieser Tumor<br />
nach wie vor das häufigste AIDS-assoziierte Malignom in den USA dar.<br />
Das gleiche gilt für Deutschland, wie eine vom Mosthaf et. al. auf der Welt-Aids-Konferenz<br />
in Bangkok 2004 vorgestellte Kohortenstudie der DAGNÄ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft<br />
niedergelassener Ärzte in der Versorgung <strong>HIV</strong>-Infizierter) für den Inzidenzzeitraum 2000-<br />
2002 zeigt:<br />
Insgesamt ist das Risiko für <strong>HIV</strong>-Patienten an einem Kaposi-Sarkom zu erkranken 20.000fach<br />
erhöht im Vergleich zur Normalbevölkerung und 300-fach erhöht im Vergleich zu<br />
anderen immunsupprimierten Patienten.<br />
Bei den verschiedenen <strong>HIV</strong>-Transmissionsgruppen ist das Risiko ein Kaposi-Sarkom zu<br />
entwickeln bei homosexuellen Männern 20-fach höher als bei Patienten mit einer<br />
Hämophilie. Bei Frauen tritt das Kaposi-Sarkom selten auf.<br />
167
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
168<br />
Gewöhnlich findet sich bei Erstdiagnose - in der Regel bei bislang nicht antiretroviral<br />
behandelten <strong>HIV</strong>-Infizierten -, ein multilokuläres Geschehen. Die typischen Läsionen<br />
können schnell, innerhalb weniger Tage sich entwickeln. Sie beginnen als Makeln in den<br />
Hautspaltenlinien und entwickeln sich weiter zu Papeln oder papulösen Tumoren. Vor der<br />
HART (hochaktive antiretrovirale Therapie) fanden sich bei vielen Patienten orale<br />
Läsionen als Primärmanifestation, aber auch typischerweise am Penis.<br />
Auch wenn die Hautveränderungen für den betroffenen Patienten stark stigmatisierend<br />
sind, ist die Organbeteiligung klinisch von noch größerer Bedeutung. Da so gut wie alle<br />
Organe, wie der gesamte Gastrointestinaltrakt aber auch das Herz und die Lungen<br />
betroffen werden können, kann es schnell zu lebensbedrohlichen Situationen kommen.<br />
Selten sind allerdings Beteiligungen des Hirns und der Augen.<br />
Diagnostik und Klinik<br />
Meist symmetrisch an den distalen Extremitäten treten anfangs zunächst indurierte rötlichbraune<br />
bis violettrote Makulae oft im Verlauf der Hautspaltlinien auf, die sich in flächenhaft<br />
infiltrierte Plaques und harte schmerzhafte Knoten verwandeln. Die Ausbreitung erfolgt<br />
proximalwärts, zunehmend disseminiert mit häufiger Beteiligung der Schleimhäute.<br />
Spontanregressionen führen zu hämorrhagischen Hyperpigmentierungen, Einblutungen<br />
zu periläsionalen Verfärbungen (ockergelbe Purpura). KS können die regionalen<br />
Lymphbahnen ummauern, was Ödeme bis hin zu elephantiastischen Anschwellungen im<br />
betroffenen Abflussgebiet verursacht. Mechanische Belastungen und Traumen können<br />
gerade an den Füßen zum ulzerösen Zerfall führen. Differentialdiagnostisch muss an eine<br />
Akroangiodermatitis bei chronischer Veneninsuffizienz, Hämangiome, andere<br />
Angiosarkome, eine bazilläre Angiomatose, einen Morbus Gougerot-Blum,<br />
Melanommetastasen aber auch an ein Erythema elevatum et diutinum gedacht werden. In<br />
Zweifelsfällen sollte eine Exzisionsbiopsie zur histologischen Diagnosesicherung erfolgen.<br />
Auch innere Organe wie Lymphknoten, Gastrointestinaltrakt, Leber, Lunge, Niere und Milz<br />
können betroffen sein. Neben der kompletten Inspektion inklusive der Schleimhäute des<br />
Patienten dient eine sonographische Erhebung des Lymphknotenstatus, eine Röntgen-<br />
Thorax-Untersuchung und eine abdominelle Sonographie der Ausbreitungsdiagnostik.<br />
Fallweise sind eine CT-Thorax- und CT-Abdomen-Untersuchung sowie Endoskopien des<br />
Gastrointestinaltraktes und der Bronchien zusätzlich erforderlich.<br />
Bei entsprechender Anamnese und passendem Befund sollte ein <strong>HIV</strong>-Test durchgeführt<br />
werden.<br />
Histologie<br />
Das KS ist ein mesenchymaler Tumor der Blut- und Lymphgefäße. Das histologische<br />
Erscheinungsbild des KS ist vielgestaltig und verändert sich mit dem klinischen Verlauf.<br />
KS bestehen aus drei Komponenten:<br />
1. Angiomatöse Phase<br />
2. Spindelzellige Phase<br />
3. Entzündliche Phase
Fleck-(Patch-)Stadium<br />
Unmittelbar neben größeren Plexusgefäßen im mittleren und oberen Stratum reticulare<br />
der Dermis finden sich beim frühen KS multizentrisch diskrete perivaskuläre<br />
Spindelzellproliferationen mit schlitzförmigen Spalten begleitet von<br />
lymphoplasmozellulären Infiltraten, extravasalen Erythrozyten, Hämosiderinablagerungen<br />
und Siderophagen ('Pseudogranulomatöses Muster'), wobei zunächst Papillarkörper und<br />
seine Gefäße ausgespart werden. Daneben können endothelausgekleidete Gefäßspalten<br />
mit leeren Lumina dominieren. Adnexen und präexistente vaskuläre Strukturen werden<br />
von den neu gebildeten Gefäßspalten und -lakunen halbinselförmig partiell umfasst<br />
('Promontoriumszeichen'). Im Frühstadium des KS sind Mitosen und endotheliale<br />
Apoptosen selten, Zell- und Kernatypien fehlen.<br />
Plaquestadium<br />
Auf den Papillarkörper übergreifend durchsetzen Spindelzellen zu kurzen, zellreichen<br />
Faszikeln oder Strängen gebündelt das gesamte Korium. Siebartig werden die<br />
Spindelzellaggregate durch schlitzförmige erythrozytenreiche Spalten aufgelockert.<br />
In der Tumorperipherie dominieren gestaute mit Erythrozyten angeschoppte, erweiterte<br />
serumfreie Gefäße, die wie ausgestopft erscheinen ('stuffing'). Spindelzellapoptosen<br />
jedoch keine signifikanten Kernatypien werden beobachtet. Intra- und extrazellulär liegen<br />
erythrozytäre Abbaustufen in Form von hyalinen PAS-positiven Globi ('hyaline globules').<br />
Knoten- oder Tumorstadium<br />
Mitosereiche, dicht gepackte, Faktor XIIIa positiv, CD 31+ und CD 34+, faszikulär<br />
strukturierte Spindelzelltumore mit eingeschlossenen erythrozytenreichen Spalten,<br />
moderaten Kernatypien (Ausnahme mit ausgeprägten Atypien: Anaplastischen<br />
äquatorialafrikanische Varianten) werden bei exophytischem Wachstum oft von einer<br />
epithelialen Collerette, bei expansiv nodulären Varianten von einer bindegewebigen<br />
Pseudokapsel eingefasst. PAS-postive hyaline erythrozytäre Globi und apoptotische<br />
Spindelzellen treten gehäuft auf. Ältere Läsionen zeigen neben Hämorrhagien und<br />
Eisenspeicherung Nekrosen.<br />
Bei Regression zeigt sich ein plasmazellreiches entzündliches Rundzellinfitrat.<br />
Immunhistologie<br />
Differenzialdiagnostisch hilfreich ist der molekularbiologische Nachweis des KS-<br />
Herpesvirus HHV-8.<br />
Stadien- und prognostische Einteilung<br />
Stadien: (n. Mitsuyasu 1986):<br />
I Kutan limitiert (< 10 Herde/ein anatomischer Bereich)<br />
II Kutan disseminiert (< 10 Herde/zwei und mehr anatomische Bereiche)<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
169
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
170<br />
III Viszeral<br />
IV Kutan und viszeral<br />
TIS-Einteilung nach ACTG, Tumor Immunstatus, Systembeteiligung<br />
Günstige Prognose:<br />
T nur Haut/Lymphknotenbefall (minimale Gaumenbeteiligung)<br />
I CD4 > 200/µl<br />
S keine opportunistische Infektion, keine B-Symptomatik und Karnofsky > 70 %<br />
Schlechte Prognose:<br />
T Tumor mit Ödembildung oder Ulzeration, ausgedehnter oraler Befall, innerer Befall<br />
ausgenommen Lymphknoten<br />
I CD4 > 200µl<br />
S opportunistische Infektionen, andere AIDS-definierte Erkrankungen, B-Symptomatik<br />
oder Karnofsky < 70<br />
Therapie<br />
Therapiemanagement<br />
Die Therapie sollte individuell in Abhängigkeit von der Form des Kaposi-Sarkoms und<br />
dem Ausbreitungsstatus durchgeführt werden. Bei dem klassischen Kaposi-Sarkom sind<br />
in aller Regel lokale chirurgische oder medikamentöse Therapiemaßnahmen ausreichend.<br />
Ggf. kann auch eine Strahlentherapie eingesetzt werden.<br />
Da das klassische Kaposi-Sarkom zu Rezidiven neigt, muß eine regelmäßige<br />
Überwachung erfolgen.<br />
Beim iatrogen-immunsuppressiv bedingten Kaposi-Sarkom bilden sich die Tumorherde<br />
meistens nach Beendigung der Immunsuppression vollständig zurück.<br />
Das endemische afrikanische Kaposi-Sarkom spricht mit Ausnahme der<br />
lymphadenopathischen Verlaufsform in der Regel gut auf systemische<br />
Therapiemaßnahmen an.<br />
Beim epidemischen, AIDS-assoziierten Kaposi-Sarkom führt oft, in nicht weit<br />
fortgeschrittenen Fällen, bei vorher nicht antiretroviral behandelten Patienten die<br />
Einleitung einer hochaktiven antiretroviralen Therapie zum Progressionsstillstand bzw.<br />
häufig sogar zum vollständigen Verschwinden der Sarkomherde.<br />
Deswegen sollte immer mit Auftreten eines Kaposi-Sarkoms beim <strong>HIV</strong>-Patienten eine<br />
antiretrovirale Therapie eingeleitet werden.<br />
Wird bei bereits antiretroviral therapiertem Patienten ein Kaposi-Sarkom diagnostiziert,<br />
sollte die Effektivität der antiretroviralen Therapie überprüft und diese auch mit Hilfe der<br />
Resistenztestung optimiert werden.
Bei Neudiagnose eines fortgeschrittenen Kaposi-Sarkoms und gleichzeitiger Neudiagnose<br />
einer <strong>HIV</strong>-Infektion empfehlen wir eine gleichzeitige Einleitung der antiretroviralen und<br />
einer systemischen Kaposi-Sarkom-Therapie wie unten beschrieben.<br />
Lokale Therapie<br />
Mit der Verbesserung der systemischen Therapie des Kaposi-Sarkoms sowie der<br />
assoziierten Grunderkrankungen (<strong>HIV</strong>) haben die Indikationen für Lokaltherapien<br />
abgenommen. Die häufig nach erfolgreicher Behandlung zurückbleibenden<br />
postinflammatorischen Hyperpigmentierungen im Bereich der ehemaligen Läsionen<br />
sollten nicht zur Fortführung der gewählten KS-Therapie führen. Nach Beendigung der<br />
Therapie kann abgewartet werden, ob die Hyperpigmentierungen spontan abblassen.<br />
Einzelne, ästhetisch störende oder stigmatisierende Hyperpigmentierungen können durch<br />
verschiedene Möglichkeiten der ästhetischen Medizin (Laser, Exzision) angegangen<br />
werden.<br />
Die lokale Radiatio, lokale Chemo- und Immuntherapie sowie Exzisionen von KS haben<br />
gegenüber systemischen Anwendungen den Vorteil geringerer bis fehlender systemischer<br />
Nebenwirkungen. Vor Beginn der Lokaltherapie sollte mittels Staging ein systemischer KS-<br />
Befall über die einsehbaren Haut- und Schleimhäute hinaus ausgeschlossen werden.<br />
Im Tumor können durch direkte lokale Injektionen hohe, direkt antiproliferativ wirksame<br />
Konzentrationen von Interferonen und Chemotherapeutika erreicht werden.<br />
Lokaltherapien sind ambulant durchführbar und verursachen geringere Kosten. Je nach<br />
Größe und Lokalisation werden unterschiedliche Verfahren eingesetzt: Kryotherapie,<br />
Lasertherapie, Vincaalkaloide, Bleomycin, Interferon-alpha intraläsional, konventionelle<br />
Chirurgie, Lasertherapie, Röntgenweichstrahltherapie, schnelle Elektronen, Kobalt-<br />
Bestrahlung (fraktioniert), Retinoide, (9-cis-Retinoinsäure), Camouflage.<br />
Das Kaposi-Sarkom ist eine multilokuläre Systemerkrankung.<br />
Palliative Lokalbehandlungen sind nur Therapien der Wahl bei<br />
1. wenigen oder flachen Hautläsionen,<br />
2. einzelnen funktionell oder ästhetisch störenden und stigmatisierenden Läsionen<br />
3. Lymphödemen durch lokalisierte Tumoren und<br />
4. einzelnen resistenten Tumoren nach Systemtherapie<br />
Lokaltherapie des Kaposi-Sarkoms in Abhängigkeit von Tumorgröße<br />
Größe Therapie<br />
Kleinflächig, < 1 cm 2<br />
(makulös, nodulär)<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
Exzision<br />
Kryochirurgie<br />
Lasertherapie (Argon, Kohlendioxyd, Neodym-YAG)<br />
z.B. Vincristin oder Vinblastin intraläsional<br />
0,1 mg/cm 2<br />
Interferone intraläsional 0,5 x 106 U/cm<br />
Alitretinoin Gel, 0,1%-Retinsäure<br />
Camouflage<br />
171
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
172<br />
Mittelgroß 1-4 cm Durchmesser<br />
(makulös, nodulär)<br />
Großflächig > 4 cm Durchmesser<br />
(knotig, infiltrierend, oral)<br />
Intraoral;<br />
Andere und experimentelle<br />
Lokaltherapien<br />
Lasertherapie<br />
Dermopan-Bestrahlung (fraktioniert bis 30 Gy)<br />
Exzision<br />
Vincaalkaloide 0,2 mg/ cm 2<br />
Schnelle Elektronen,<br />
Kobaltbestrahlung (fraktioniert bis 30 Gy, oral bis 15 Gy)<br />
Vinblastin intraläsional<br />
3 % Sodiumtetradecylsulfat intraläsional<br />
Photodynamische Therapie entweder mit einer<br />
systemischen Gabe von Ethyl-Etiopurpurin i.v.<br />
oder Lokalbehandlung mit δ -Aminolävulinsäure,<br />
jeweils kombiniert mit einer Lichtbestrahlung (640 nm) bei<br />
einer Gesamtdosis von 150 J/cm 2<br />
Die einzelnen Verfahren haben verschiedene Vor- und Nachteile, die bei der Auswahl<br />
berücksichtigt werden sollten: Die intraläsionale Gabe von Interferonen ist teuer und von<br />
Chemotherapien ist schmerzhaft und kann zu schlecht heilenden Ulzerationen führen.<br />
Intraoral stellt die intraläsionale Chemotherapie eine Behandlungsoption dar. Das Kaposi-<br />
Sarkom ist auffallend strahlensensibel. Die Strahlentherapien können mit einem akuten<br />
oder chronischen Radioderm einhergehen. Exzisonen sind nur für kleinere Läsionen und<br />
Lasertherapien ausschließlich für flache KS geeignet. Kryotherapien sind häufig mit einem<br />
hohen Zeitaufwand verbunden.<br />
Die funktionellen und ästhetischen Ergebnisse, sowie die Remmissionsraten der<br />
Lokaltherapien sind in den meisten Fällen trotz häufig verbleibender<br />
postinflammatorischer Hyperpigmentierungen zufrieden stellend. Histologisch finden sich<br />
dennoch häufig dermal noch KS-Zellen, so dass die histologischen Remissionsraten<br />
wesentlich geringer sind. Nach fast allen klinisch erfolgreichen Lokaltherapien sind selbst<br />
in loco Rezidive keine Seltenheit.<br />
Systemische Therapie<br />
Unabhängig von der Verlaufsform sollten fortgeschrittene Kaposi-Sarkome systemisch<br />
behandelt werden. In der Vergangenheit wurden hierfür eine Vielzahl von Substanzen<br />
eingesetzt. Zu nennen sind Interferon, Vincaalkaloide, Bleomycin und Anthrazykline.<br />
Zum Teil wurden diese Substanzen als Monotherapie, aber auch in Kombination<br />
verabreicht, wie z. B. Vincristin 2 mg Tag 1, 8 und 15 in Kombination mit Bleomycin 0,3<br />
mg/kg Körpergewicht am Tag 1 und 8 mit monatlicher Wiederholung. An Nebenwirkungen<br />
waren die Neurotoxizität durch Vincristin und die Gefahr einer irreversiblen Lungenfibrose<br />
bei einer kumulativen Bleomycindosis von mehr als 400 mg zu beachten.<br />
Mit Verfügbarkeit der liposomalen Anthrazykline traten die genannten Medikamente in den<br />
Hintergrund, da mit den liposomalen Anthrazyklinen hocheffektive Substanzen mit sehr<br />
günstigem Nebenwirkungsprofil bzw. klinisch kaum bedeutenden Nebenwirkungen<br />
eingesetzt werden konnten.<br />
Somit besteht im Moment die Standardtherapie des fortgeschrittenen Kaposi-Sarkoms in<br />
der Gabe von liposomalem Doxorubicin (Caelyx) in einer Dosis von 20 mg pro m² im
Abstand von zwei Wochen bis zur vollständigen klinischen Remission.<br />
Wie vor jeder Einleitung einer Anthrazyklin-Therapie sollte vorher die kardiale Situation<br />
überprüft werden, da zumindest theoretisch ein kardiotoxisches Risiko vorliegt oder aber<br />
eine vorbestehende <strong>HIV</strong>-assoziierte Kardiomyopathie ausgeschlossen werden sollte.<br />
Als Zweitlinientherapie steht das Taxan Paclitaxel zur Verfügung. In der Originalarbeit von<br />
Gill et al. wurde eine Dosis von 100 mg/m² alle zwei Wochen eingesetzt. Da sich aber bei<br />
anderen Erkrankungen wie dem Mamma-Karzinom mittlerweile die wöchentliche Gabe in<br />
reduzierter Dosis als besser verträglich und mindestens genauso effektiv erwiesen hat,<br />
kann unseres Erachtens auch beim Kaposi-Sarkom eine wöchentliche Gabe diskutiert<br />
werden<br />
Weiterführende Literatur:<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
● Chang Y., Cesarman E., Pessin M. S., Lee F., Culpepper J., Knowles D. M., Moore P.<br />
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Review.<br />
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● Hengge U. R., Ruzickka T., S. K. Tyring, Stuschke M., Roggendorf M., Schwartz R. A.,<br />
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● Schöfer H, Brockmeyer N. H., Kaposi-Sarkom, In: Korting H. C., Callies R., Reusch M.,<br />
Schlaeger M., Sterry W., Deutsche Dermatologische Gesellschaft (Hrsg.):<br />
Dermatologische Qualitätssicherung - Leitlinien und Empfehlungen; ABW<br />
Wissenschaftsverlag, Berlin, 4. Auflage 2005: 241-253<br />
173
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
174<br />
Erreger /<br />
Epidemiologie<br />
Erkrankungsrisiko für<br />
<strong>HIV</strong>-Infizierte ist 100-<br />
200 x höher als für<br />
Normalbevölkerung<br />
Mit 34% die häufigste<br />
aller <strong>HIV</strong>-assoziierten<br />
Tumorerkrankungen in<br />
Deutschland (Hensel<br />
2009)<br />
Die Häufigkeit sinkt<br />
durch ART<br />
Meist:<br />
aggressive B-Zell-<br />
Non-Hodgkin-<br />
Lymphome<br />
histologisch:<br />
Diffus-großzellig<br />
(DLBCL)<br />
(darunter<br />
zentroblastische und<br />
immunoblastische)<br />
Burkitt-Typ<br />
Burkitt-like Typ<br />
primäre ZNS-<br />
Lymphome<br />
seltener, auch bei<br />
gutem Immunstatus:<br />
Hodgkin-Lymphom<br />
Lymphome<br />
Manfred Hensel, Dieter Schuster, Franz Mosthaf<br />
Klinik Diagnose Therapie<br />
unspezifische<br />
Symptome:<br />
subfebrile<br />
Temperaturen,<br />
Nachtschweiß,<br />
Gewichtsverlust<br />
Lymphadenopathie<br />
Diarrhoe<br />
ansonsten je nach<br />
befallenem<br />
Organsystem<br />
z.B. Krampfanfall,<br />
Hemiparese oder<br />
Sehstörung bei ZNS-<br />
Lymphomen<br />
Histologie aus<br />
Gewebeprobe, wenn<br />
möglich ganzer<br />
Lymphknoten<br />
(gleichzeitige<br />
Untersuchung auf CMV<br />
und Mykobakterien!)<br />
CT Hals/Thorax/<br />
Abdomen,<br />
Knochenmarksbiopsie,<br />
Sonographie Abdomen,<br />
je nach Klinik ggf.<br />
Endoskopie (Lymphome<br />
häufig vom GI-Trakt<br />
ausgehend), ggf. Liquor<br />
Staging entsprechend<br />
den Empfehlungen für<br />
Lymphome bei<br />
immunkompetenten<br />
Patienten<br />
wie bei<br />
immunkompetenten<br />
Patienten:<br />
R-CHOP-Schema<br />
(Rituximab +<br />
Cyclophosphamid,<br />
Adriamycin,Vincristin,<br />
Prednisolon, G-CSF) 6<br />
Zyklen alle (14-) 21<br />
Tage (evtl. + 2 x<br />
Rituximab)<br />
(bei schlechtem<br />
Allgemeinzustand oder<br />
sehr niedriger<br />
Helferzellzahl (
und weiterhin wesentlich häufiger auftreten als in der gesunden Normalbevölkerung.<br />
Große, aktuelle Studien haben eine 1,7 - 3 fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung nicht-<br />
AIDS-definierender Krebsarten (Hodgkin-Lymphom, Bronchial-Ca, Anal-Ca, Kopf-Hals-<br />
Tumoren,Leukämien) bei <strong>HIV</strong>-Patienten ergeben im Vergleich zur Normalbevölkerung,<br />
ohne Nachweis eines signifikanten Einflusses der ART auf diese Entwicklung (Clifford<br />
2005, Patel 2008, Long 2008). Alle in der entsprechenden Alters- und Risikogruppe<br />
(Raucher) zu erwartenden Tumorerkrankungen werden mindestens gleich häufig gesehen<br />
und nehmen zum Teil ungewöhnlich aggressive Verläufe (Mosthaf 2006). Bei weiter<br />
abnehmenden opportunistischen Infektionen werden insbesondere <strong>HIV</strong>-assoziierte<br />
Lymphome einen zunehmend größeren Anteil der Morbidität und Mortalität unserer<br />
Patienten verursachen (Kirk 2001). Schon jetzt sind Krebserkrankungen die häufigste<br />
Todesursache (ca. 1/3 aller Todesfälle) bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten (Bonnet 2008).<br />
Setting für die Behandlung <strong>HIV</strong>-assoziierter Tumorerkrankungen<br />
Die Therapie <strong>HIV</strong>-assoziierter Tumorerkrankungen erfordert vom Therapierenden<br />
gleichermaßen onkologischen und <strong>HIV</strong>-medizinischen Sachverstand. Ein den jeweiligen<br />
Patientenbedürfnissen gerecht werdendes Individualkonzept wird daher vielfach nur in<br />
interdisziplinärer Zusammenarbeit angemessen erarbeitet und umgesetzt werden können.<br />
Aus diesem Grund sind in der Bundesrepublik an den verschiedenen Zentren der <strong>HIV</strong>-<br />
Behandlung unterschiedliche Modelle der interdisziplinären Zusammenarbeit gewachsen.<br />
Einmal werden onkologische <strong>HIV</strong>-Patienten primär durch Onkologen, einmal durch<br />
Infektiologen geführt. Wichtig ist, dass es einen sich persönlich verantwortlich fühlenden<br />
Arzt gibt, der auf der Basis eines interdisziplinären Konzeptes zusammen mit dem<br />
Patienten entscheidet.<br />
Non-Hodgkin-Lymphome<br />
Anforderungen an den Behandler<br />
Aufgrund der potentiellen Kurabilität verlangt die Erkrankung vom Behandlungsteam ein<br />
besonderes Maß an Wissen und Erfahrung. Abweichungen von der empfohlenen Dosis<br />
nach unten verschlechtern die Heilungsraten. Bereits geringe Abweichungen nach oben<br />
erhöhen die Toxizität und verursachen therapiebedingte zusätzliche Morbidität bzw.<br />
Mortalität. Die Behandlung <strong>HIV</strong>-assoziierter Lymphome sollte deshalb in Institutionen<br />
erfolgen, in denen regelmäßig (mehrfach täglich) onkologische Therapien appliziert<br />
werden, die typischen Nebenwirkungen einer Polychemotherapie dem Therapeuten<br />
präsent sind und die Besonderheiten dieser Probleme bei Patienten mit <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
geläufig sind. Unverzichtbar ist die enge Zusammenarbeit zwischen <strong>HIV</strong>-Behandler und<br />
Hämatoonkologen. Ideal sind Einrichtungen in denen Expertise auf beiden Gebieten<br />
vorliegen.<br />
Diagnostik<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
Die notwendigen Untersuchungen unterscheiden sich nicht von den Empfehlungen für<br />
Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen ohne <strong>HIV</strong>-Infektion. Hinzu kommen<br />
Untersuchungen, die eine Einschätzung der <strong>HIV</strong>-Infektion gestatten. Wegen des häufig<br />
sehr raschen und aggressiven Krankheitsverlaufs sollte die u.g. Staging-Diagnostik ohne<br />
Zeitverzug, möglichst innerhalb einer Woche erfolgen.<br />
175
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
176<br />
In Ergänzung zum allgemeinen Standard der NHL-Diagnostik sollten im Rahmen der <strong>HIV</strong>-<br />
Infektion folgende Aspekte beachtet werden:<br />
● Histologie einschließlich Immunhistologie<br />
Wenn immer möglich sollte die Entnahme eines vollständigen Lymphknotens<br />
angestrebt werden, da dies am ehesten eine sichere Lymphomklassifikation,<br />
die von therapeutischer und prognostischer Relevanz ist, erlaubt. Nur in<br />
Ausnahmefällen, z.B. Erreichbarkeit des Lymphoms nur durch großen<br />
chirurgischen Eingriff, kann z.B. eine sonographie- oder CT-gesteuerte<br />
Stanzbiopsie mit ausreichend großer Nadel erwogen werden. Eine zytologische<br />
Untersuchung ist obsolet. Eine Referenzuntersuchung durch ein spezialisiertes<br />
Zentrum (z.B. Universitätsinstitute für Pathologie in Berlin, Kiel, Frankfurt,<br />
Würzburg, Ulm) ist immer anzustreben.<br />
● Körperliche Untersuchung einschließlich neurologischem Status<br />
insbesondere genaue Inspektion der Haut (Kaposi-Sarkom) sowie des<br />
Analringes, Augenhintergrund (Ausschluss CMV-Retinitis), endoskopische<br />
Untersuchungen (fakultativ).<br />
● Bildgebenden Verfahren<br />
CT Hals, Abdomen und Thorax sowie ggf. anderer involvierter<br />
Manifestationsorte. )Es sollte besonderes Augenmerk auf extranodale<br />
Manifestationen gelegt werden (cave ungewöhnliche Lokalisationen).<br />
Sonographie des Abdomens und weiterer möglicher Manifestationorte (Axilla,<br />
Halsweichteile, Leisten) mit dem Ziel, einen Ausgangsbefund mittels eines<br />
schnell für Zwischenstagings verfügbaren Verfahrens zu schaffen.<br />
● Punktionen<br />
Knochenmark-Histologie,-und -Zytologie, (ggf. zusätzlich<br />
Immunphänotypisierung und Molekulargenetik) vor dem ersten Zyklus. Eine<br />
Liquorpunktion ist bei klinisch vermutetem ZNS-Befall oder Vorliegen eines<br />
Burkitt-Lymphomen / B-ALL erforderlich. Eine zeitgleiche intrathekale<br />
Prophylaxe mit MTX ist bei letzteren Patienten (mit Burkitt-Lymphomen / B-ALL)<br />
wegen des hohen Risikos eines ZNS-Rezidivs ebenfalls obligat. Die Indikation<br />
zur diagnostischen Liquorpunktion bei den übrigen Patienten wird seit den<br />
aktuellen Publikationen von 2008 u.a. der DSHNHL kontrovers diskutiert. Die<br />
Mehrzahl der Zentren führt weiterhin bei allen Patienten mit den Risikofaktoren<br />
KM-Befall, hoher LDH, Hodenbefall, hochcervikalem Befall und Extranodalbefall<br />
eine diagnostische Punktion durch. Die prophylaktische intrathekale MTX-<br />
Therapie bei dieser Risikogruppe war allerdings in einer retrospektiven Analyse<br />
der DSHNHL bei nicht-<strong>HIV</strong>-infizierten Patienten bei R-CHOP-Behandlung nicht<br />
vorteilhaft. Daher führen inzwischen einige Zentren bei Hochrisikopatienten<br />
(definiert durch Extranodalbefall) eine diagnostische Punktion sowie eine MRT<br />
des ZNS durch. Bei unauffälligem Ergebnis in beiden Untersuchung wird auf<br />
eine ZNS-Therapie verzichtet. Bei pathologischen Befund in einer oder beiden<br />
Untersuchungen sollte eine effektive ZNS-wirksame Therapie eingeleitet<br />
werden, z.B. das B-ALL-Protokoll (s.u.).<br />
● Apparative Untersuchungen<br />
EKG, Echokardiographie, (Lungenfunktionsuntersuchungen bei spezieller<br />
Indikation)<br />
● Ergänzend zu den Standard-Laboruntersuchungen<br />
Bestimmung der T-Lymphoyzten-Subsets und der <strong>HIV</strong>-Viruslast;
Therapie<br />
Serologie: Hepatitis B, C, CMV, HSV, VZV, EBV, Toxoplasmose, Candida,<br />
Aspergillus, TPHA.<br />
Seit der Einführung von HAART hat sich die Therapierbarkeit maligner Lymphome<br />
dramatisch geändert. Besson et al. konnten zeigen, dass Patienten mit NHL unter HAART<br />
ein mittleres Überleben von 21,2+ Monaten erreichen konnten, im Gegensatz zu 6,3<br />
Monaten bei Patienten vor Einführung von HAART (Besson 2001). Die deutsche Gruppe<br />
von Hoffmann et al. demonstrierten ein Gesamtüberleben von 60% nach 5 Jahren bei 159<br />
Patienten durch Chemotherapie mit HAART im vergleich zu ca. 20% bei denen, die nur 1<br />
antiretrovirales Medikament erhielten und weniger als 5% bei denen ohne antiretrovirale<br />
Therapie (Hoffmann 2003).<br />
Die individuelle Prognose eines Patienten mit <strong>HIV</strong> und NHL kann am besten durch den<br />
'International Prognostic Index' (IPI), der bei Patienten mit aggressiven Lymphomen ohne<br />
<strong>HIV</strong>-Infektion evaluiert wurde, in Zusammenhang mit der CD4-Zellzahl abgeschätzt<br />
werden (Lim JCO 2005, Bower 2005, Navarro 2007). Der IPI beinhaltet 5 Variablen<br />
(Alter>60, Stadium III oder IV, LDH>normal, ECOG 2,3 oder 4, >1 Extranodalbefall),<br />
daraus setzten sich 3 Risikogruppen mit unterschiedlichem Überleben zusammen (low<br />
risk 0-1 Punkt - 5-J.-Überleben 73%; Low-intermediate risk 2 Punkte - 5-J.-Überleben<br />
51%; High-intermediate risk 3 Punkte - 5-J.-Überleben 43%; High risk 4-5 Punkte - 5-J.-<br />
Überleben 26%). Die Kombination aus IPI high- oder high-intermediate risk und einer CD4-<br />
Zahl
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
178<br />
Kontrollen der Helferzellen nicht hilfreich, da die Leukozytenwerte durch die Toxizität der<br />
Chemotherapie erheblichen Schwankungen unterworfen sind. Sinnvoller ist ein Monitoring<br />
der Serumspiegel der ART und der Viruslast.<br />
Auswahl der Chemotherapie<br />
Derzeit konkurrieren 2 Therapieprotokolle bei der Behandlung der <strong>HIV</strong>-assoziierten diffusgroßzelligen<br />
B-NHL. Zum einen das in USA häufig verwendete dosis-adjustierte EPOCH-<br />
Protokoll (da-EPOCH), zum anderen das im deutschsprachigen Raum favorisierte und bei<br />
den nicht-<strong>HIV</strong>-Lymphomen übliche CHOP-Protokoll.<br />
Da-EPOCH:<br />
CHOP:<br />
● Etoposid 50 mg/m2/Tag+ Vincristin 0,4 mg/m2/Tag+ Doxorubicin 10 mg/m2/<br />
Tag als Dauer-Infusion über 4 Tage<br />
● Prednison 60 mg/m2/Tag oral Tag 1-5<br />
● Cyclophosphamid dosisadjustiert, basierend auf CD4-Zahl bei<br />
Therapiebeginn, Bolus Tag 5 (187 mg/m2 bei CD4100/µl) G-CSF ab Tag 6 bis Neutrophilenzahl >5000/µl.<br />
● Cyclophosphamid 750 mg/m2 Infusion Tag 1<br />
● Vincristin 1,4 mg/m2 Injektion Tag 1<br />
● Doxorubicin 50 mg/m2 Infusion Tag 1<br />
● Prednison 60 mg/m2/Tag oral Tag 1-5<br />
● G-CSF ab Tag 6 bis Neutrophilenzahl >5000/l oder Pegfilgrastim einmalig<br />
Tag 4<br />
2 amerikanische Studien haben excellente Remissions- und Überlebensraten für das da-<br />
EPOCH-Protokoll zeigen können. Bei 39 Patienten einer Single-center-Studie konnte eine<br />
CR-Rate von 74% erreicht werden, darunter eine CR-Rate von 56% bei 16 Patienten mit<br />
CD4-Zah 100/µl. Das Gesamtüberleben war in der<br />
Gesamtgruppe 60% nach 53 Monaten, in der Subgruppe CD4>100 jedoch eindrucksvolle<br />
87% (Little 2003). Eine weitere, multizentrische Studie mit ebenfalls guten Ergebnissen<br />
wird weiter unten in Zusammenhang mit Rituximab beschrieben (Levine 2008). Die<br />
meisten Daten gibt es für anthrazyklinhaltige Therapieschemata, insbesondere für CHOP<br />
(Weiss 1998, Oksenhendler 1999, Ratner 2001, Vaccher 2001, Kaplan 2005, Ribera<br />
2003). Durch das CHOP-Protokoll konnte im Rituximab-freien Arm der randomisierten<br />
AMC-Studie eine CR-Rate von 47% erreicht werden (Kaplan 2005). Für das CHOP-<br />
Protokoll spricht in Europa die weitaus größere Erfahrung bei nicht-<strong>HIV</strong>-Lymphomen,<br />
außerdem die einfachere Anwendbarkeit an nur 1 Tag, ohne Dauerinfusion. Darüber<br />
hinaus haben komplexere Protokolle, wie das da-EPOCH-Protokoll, bei nicht-<strong>HIV</strong>-<br />
Lymphomen in randomisierten Studien keine bessere Wirksamkeit, jedoch höhere<br />
Komplikationsraten gezeigt. Bis heute gibt es keine randomisierte Studie, die eine<br />
Überlegenheit eines Regimes bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten eindeutig gezeigt hat.<br />
Kombination mit Rituximab?<br />
Voraussetzung für den Einsatz von Rituximab ist der Nachweis einer CD20-Expression<br />
des Lymphomgewebes. Nicht-<strong>HIV</strong>-assoziierte DLBCL werden auf Grund der Studiendaten
der GELA sowie der DSHNHL (Coiffier NEJM 2002, Pfreundschuh Lancet Oncol 2008)<br />
standardmäßig mit Rituximab-CHOP behandelt. Die Zugabe von Rituximab erhöhte die<br />
Remmissions- und Überlebensraten ohne relevante, zusätzlich Toxizität. Die Wertigkeit<br />
von Rituximab bei <strong>HIV</strong>-assoziierten Lymphomen wurde in 3 Studien evaluiert. In 3 Phase<br />
II-Studien wurden sehr hohe Remissionsraten (69-77%) erzielt (Boue 2003, Spina 2003,<br />
Ribera Br J Hematol2008):<br />
Autor Jahr n CR PFS OS<br />
Spina, Blood 2005 74 70% 64% (2J.) 59% (2J.)<br />
Boué, JCO 2006 61 40/52 75% (2J.)<br />
Ribera, Br J Hematol 2008 81 69% 56% (3J.) 77% (3J.)<br />
Eine vierte Studie mit prospektiv-randomisiertem Design (Kaplan 2003) zeigte keine<br />
Überlegenheit des R-CHOP Arms. Allerdings weist diese Studie einige konzeptionelle<br />
Schwächen auf. So wurde (ausschließlich) in der Rituximab-Gruppe G-CSF bereits am<br />
Tag nach CHOP gegeben. Im Rituximab-Arm wurden deutlich mehr Patienten mit<br />
schlechtem Immunstatus behandelt. Rituximab wurde bei jedem Zyklus CHOP sowie<br />
zusätzlich monatlich 3 mal nach Abschluß der Chemotherapie gegeben, woraus eine<br />
höhere kumulative R-Dosis als bei den Studien der GELA und der DSHNHL resuliert. 14%<br />
der Patienten, die R-CHOP erhielten, starben an Infektionen, die Mehrzahl davon<br />
Patienten mit CD4-Zahl 100/nl. Zusätzlich sollte routinemäßig G-CSF ab Tag 6 oder<br />
Pegfilgrastim an Tag 4-6 gegeben werden. Mindestens für die Dauer der Chemotherapie<br />
und 1 Monat darüber hinaus sollte bei allen Patienten ungeachtet des Immunstatus eine<br />
PCP-Prophylaxe mit z.B. Pentamidine oder Cotrimoxazol durchgeführt werden. Patienten<br />
mit einer CD4-Zahl
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
180<br />
AZ kann eine intensive Chemotherapie in Anlehnung an die nationalen Protokolle für nicht<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte ZNS-Lymphome (Hochdosis-MTX) erwogen werden. Entscheidend für<br />
den Behandlungserfolg ist die rasche Einleitung einer ART.<br />
M. Hodgkin<br />
Die Inzidenz des Hodgkin-Lymphoms (HL) hat seit der Einführung der ART<br />
überraschenderweise zugenommen. Es tritt im Gegensatz zu den NHLs meist bei<br />
Patienten unter ART auf, häufig ist bei Erstdiagnose des HL die Viruslast unter der<br />
Nachweisgrenze. Die Ursache hierfür ist möglicherweise die durch eine erfolgreiche ART<br />
ermöglichte längere Lebenserwartung sowie die Schaffung eines funktionierenden<br />
Immunsystems, welches offenbar für die Entstehung des HL notwendig ist. Entsprechend<br />
den Therapien bei Non Hodgkin Lymphomen soll neben den Lymphom-assoziierten<br />
Risikogruppen eine Unterscheidung nach infektiologischen Risikogruppen (s.o.) erfolgen.<br />
Wenn möglich sollten alle Patienten mit <strong>HIV</strong> und M. Hodgkin innerhalb innerhalb eines<br />
stadienadaptierten nationalen Studienprotokolls (Dr. Hentrich, München; http://www.<br />
lymphome.de/Gruppen/GHSG/Protokolle/<strong>HIV</strong>-Hodgkin/index.jsp) behandelt werden.<br />
Außerhalb von Studien können Patienten mit limitierten oder intermediären Stadien (I-II)<br />
mit ABVD behandelt werden. In fortgeschrittenen Stadien ist bei ausgewählten, fitten<br />
Patienten auch das BEACOPP-Schema zu erwägen.<br />
Besondere Probleme bei einzelnen Subtypen<br />
von <strong>HIV</strong>-asoziierten Lymphomen:<br />
Burkitt-Lymphom<br />
Drei Varianten des sporadischen Burkitt-Lymphoms (in Abgrenzung vom in Afrika<br />
vorkommenden endemischen Burkitt-Lymphoms) werden bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten<br />
unterschieden:<br />
● die klassische Form<br />
● das Burkitt-Lymphom mit plasmazytoider Differenzierung<br />
● das atypische Burkitt-Lymphom (Burkitt-Like).<br />
Bei allen 3 Varianten findet sich in 30-50% der Fälle eine Assoziation mit EBV, bei <strong>HIV</strong>-<br />
Patienten noch häufiger. Ein definierendes Merkmal des Burkitt-Lymphoms ist das<br />
Vorhandensein einer Translokation zwischen dem c-myc Gen und dem IgH Gen (in 80% d.<br />
F. [t(8;14)]) oder zwischen c-myc und dem Gen für die kappa oder lambda Leichtkette<br />
(IgL) in den übrigen 20% [t(2;8) bzw. t(8;22)]. Typisch ist auch eine sehr hohe<br />
Proliferationsrate (KI-67 >95%). Die Diagnose sollte durch ein Referenzzentrum (s.o.)<br />
bestätigt werden. Patienten mit Burkitt/Burkitt-like-Lymphomen sollten, sofern es der<br />
Allgemeinzustand zulässt, mit intensivierten Chemo- oder<br />
Chemoimmuntherapieprotokollen behandelt werden. Hierdurch können höhere<br />
Remissions- und Heilungsraten erreicht werden als mit CHOP (Hoffmann 2006). Durch<br />
das intensivierte Protokoll konnte eine CR-Rate von 75% erreicht werden im Vergleich zu<br />
40% durch CHOP (p=0.02). Das 1-Jahres-Überleben lag bei 65% vs. 44% (p=0.1).<br />
Nach dem Beispiel der erfolgreichen Behandlung von Patienten mit Burkitt-Lymphom
ohne <strong>HIV</strong>-Infektion sollte Rituximab auch hier in die Behandlung integriert werden.<br />
In einer sehr aktuellen, retrospektiven Untersuchung unterschieden sich die Heilungsraten<br />
nicht zwischen <strong>HIV</strong>-negativen und positiven Patienten mit Burkitt-Lymphom, die mit<br />
intersivierter Chemotherapie unter Einschluß von Rituximab behandelt wurden (Oriol<br />
2008).<br />
Primäres Körperhöhlenerguss-Lymphom<br />
Dieses Lymphom ist mit dem humanen Herpes Virus Typ 8 (HHV8) assoziiert. Es<br />
manifestiert sich klinisch mit Körperhöhlenergüssen, gelegentlich aber auch mit soliden<br />
Tumormassen im Bereich des Gastrointestinaltraktes. Die Therapie erfolgt nach den<br />
selben Grundsätzen wie beim diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom. Die Prognose ist<br />
sehr schlecht.<br />
Plasmablastisches Lymphom der Mundhöhle<br />
Dieser Subtyp ist morphologisch und klinisch gut charakterisiert. Meist sind die<br />
Tumorzellen CD20-negativ. Klinisch wichtig ist die differentialdiagnostische Abgrenzung<br />
gegenüber entzündlichen Prozessen in der Mundhöhle. Die besten<br />
Behandlungsergebnisse lassen sich auch hier mit der für großzellige B-Zell-Lymphome<br />
empfohlenen CHOP-Therapie erreichen (Carbone 2009).<br />
Multizentrische Castleman Erkrankung<br />
In Zusammenhang mit der <strong>HIV</strong>-Infektion ist die multizentrische Castleman-Erkrankung<br />
(MCD) zwar eine seltene aber fast immer tödliche verlaufende lymphoproliferative<br />
Erkrankung (Mylona 2008). Wie beim Kaposi-Sarkom besteht eine Assoziation zur<br />
Infektion mit dem humanen Herpes-Virus 8 (HHV-8). Beide Erkrankungen treten oft<br />
gemeinsam auf. Der Verlauf der MCD ist gekennzeichnet durch Schübe mit ausgeprägter<br />
B-Symptomatik und Lymphadenopathie, sowie Spleno- und Hepatomegalie. Nur sehr<br />
selten kommt es zu Spontanremissionen. Histologisch findet man in den Lymphknoten<br />
atrophe Keimzentren mit vaskulärer Hyperplasie und Plasmazellinfiltraten. Mit Einführung<br />
der HAART ist es zwar zu einem dramatischen Rückgang der Inzidenz der Kaposi-<br />
Sarkome gekommen, aber die MCD wird weiterhin beobachtet - auch bei kontrollierter<br />
Viruslast. Auch aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ist eine Standardtherapie bislang<br />
nicht etabliert. Die Symptomatik kann beeinflusst werden durch eine Monochemotherapie,<br />
wobei häufig Etoposid oder Vinblastin eingesetzt werden, aber auch wie beim Kaposi-<br />
Sarkom liposomale Anthrazykline. Das Absetzen der Zytostatika führt meist sehr schnell<br />
zu einem Rezidiv. Aktuelle Studien haben eine hohe Effektivität von Rituximab, alleine<br />
oder nach einer Chemotherapie, gezeigt (Bowers 2007, Gerard 2007).<br />
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183
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
184<br />
Epidemiologie<br />
Andere Malignome<br />
Franz Mosthaf<br />
Wegen längerer Überlebenszeit aufgrund von HAART:<br />
● längerdauernde Immunsuppression<br />
● langerdauernde Exposition gegenüber kanzerogenen Einflüssen wie HPV,<br />
HCV, EBV, inhalatives Rauchen, Alkohol<br />
dadurch erhöhte Inzidenz von:<br />
● Cervixcarzinomen<br />
● Analkarzinomen<br />
● M. Hodgkin<br />
● Lungenkarzinomen<br />
● Leberzellkarzinomen<br />
● Hauttumoren?<br />
Evtl. aggressiverer Verlauf von anderen soliden Tumoren wie Lungenkarzinom etc.<br />
Tumorentität Diagnostik Klinik Therapie<br />
Cervixcarzinom halbjährliche<br />
gynäkologische<br />
Kontrolle mit<br />
Cervixzytologie<br />
Analkarzinom regelmässige<br />
Inspektion<br />
insbesondere bei<br />
vorbekannten<br />
Condylomen, ggfs.<br />
Proktoskopie,<br />
Biopsie verdächtiger<br />
Bezirke, ggfs. CT oder<br />
MRT<br />
Blutig tingierter<br />
vaginaler Ausfluss,<br />
Kontaktblutung,<br />
Zwischenblutung<br />
Juckreiz, Schmerzen,<br />
Kontinenzstörung,<br />
Blutauflagerung auf<br />
Stuhl, nicht abheilende<br />
Fisteln, Vergrösserung<br />
der Leistenlymphknoten<br />
OP, bei Kontraindikation<br />
Bestrahlung,<br />
bei fortgeschrittenen<br />
Stadien<br />
Radiochemotherapie<br />
Radiochemotherapie,<br />
nur bei großem<br />
Resttumor<br />
Rektumexstirpation
M. Hodgkin entsprechend den<br />
Empfehlungen der<br />
Deutschen Hodgkin-<br />
Lymphomstudie<br />
Andere<br />
Malignome :<br />
Bei guter Abwehrlage<br />
Bei aufgrund von<br />
<strong>HIV</strong> stark<br />
eingeschränkter<br />
Lebenserwartung<br />
Wie bei nicht <strong>HIV</strong>-<br />
Infizierten Patienten<br />
Symptomorientierte<br />
Diagnostik<br />
Lymphadenopthie, B-<br />
Symptomatik, selten:<br />
Alkoholschmerz<br />
Tumorentität Diagnostik Klinik Therapie<br />
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
Im Rahmen der "Studie<br />
zur Therapieoptimierung<br />
des <strong>HIV</strong>-assoziierten<br />
Mobrbus<br />
Hodgkin" (Kontakt: PD<br />
Dr. Hentrich, München,<br />
Tel. 089-6210-3362 email:<br />
tumorzentrum.<br />
hentrich@khmh.de)<br />
oder in Analogie zur<br />
Deutschen Hodgkin-<br />
Lymphomstudie<br />
bei rein palliativer<br />
Situation: evtl.<br />
Gemcitabine mono<br />
Wie bei nicht <strong>HIV</strong>-<br />
Infizierten Patienten<br />
Symptomorientierte,<br />
palliative Therapie<br />
185
<strong>HIV</strong>-assoziierte Neoplasien<br />
186<br />
Analkarzinom<br />
Franz Mosthaf<br />
Aufgrund der ausgesprochen hohen und weiter zunehmenden Inzidenz des<br />
Analkarzinoms hat die DAGNAE-Kerngruppe <strong>HIV</strong> und Onkologie folgende Empfehlungen<br />
erarbeitet. Diese wurden im Deutschen Ärzteblatt am 16.04.2004 veröffentlicht (Mosthaf<br />
et al 2004):<br />
Eine regelmäßige Tumorvorsorge im Sinne eines Screenings, analog zum Cervixkarzinom<br />
der Frau, ist bei <strong>HIV</strong>-Infizierten sinnvoll. HPV-assoziierte Erkrankungen, wie Condylomata<br />
accuminata, weisen auf ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Analkarzinomen hin<br />
(Palefsky et al. 2000, Frisch 2002). Da in der Regel zwischen <strong>HIV</strong>/HPV-Infektion und der<br />
Manifestation des Analkarzinoms eine mehrjährige Latenzphase liegt, hat die<br />
Tumorvorsorge einen hohen Stellenwert.<br />
Empfehlungen zum Screening bzw. Diagnostik des <strong>HIV</strong>assoziierten<br />
Analkarzinoms<br />
Situation Empfehlung<br />
Bei Erstvorstellung des Patienten immer Inspektion von Genitale und Anus<br />
einschließlich rektal digitaler Untersuchung<br />
Bei klinisch unauffälligem Befund einmal pro Jahr Kontrolle mit Inspektion von<br />
Genitale und Anus einschließlich rektal digitaler<br />
Untersuchung<br />
Bei anogenitalen oder auch oralen spitzen<br />
Kondylomen oder anderen klinischen<br />
Auffälligkeiten wie nicht heilenden Analfissuren,<br />
Schmerzen, Blut- oder Schleimabgang<br />
zusätzlich Proktoskopie - in der Regel in<br />
Narkose, gegebenenfalls mit Biopsie für<br />
Histologie und HPV-Nachweis. Evtl. zusätzlich<br />
Infektions-Serologie (Syphilis, Chlamydien, etc.)<br />
Empfehlungen zur Therapie und Nachsorge des <strong>HIV</strong>-assoziierten<br />
Analkarzinoms<br />
Bei analem Carcinoma in situ: → Exzision im Gesunden, mindestens jährliche Kontrolle mit<br />
Proktoskopie<br />
Bei manifestem Analkarzinom: → Radiochemotherapie, mindestens jährliche Kontrolle mit<br />
Proktoskopie<br />
Bei Tumorrezidiv: → Operation, falls möglich kontinenzerhaltend<br />
Der Zusammenhang zwischen <strong>HIV</strong>-Infektion und einem erhöhten Risiko für<br />
Analkarzinomen weißt darauf hin, dass eine effektive Tumorvorsorge gezielt eingesetzt<br />
werden kann. Wir empfehlen bei allen <strong>HIV</strong>-positiven Patienten diese Tumorvorsorge<br />
jährlich durchzuführen.
Überblick:<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
● Dermatologische Krankheitsbilder<br />
● Hepatitis<br />
● HNO-Manifestationen<br />
● Zahnärztliche Krankheitsbilder<br />
● Neurologische Manifestationen<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
187
Organspezifische Erkrankungen<br />
188<br />
Überblick:<br />
Dermatologische Krankheitsbilder<br />
● Bakterien<br />
● Pilze<br />
● Viren<br />
Dermatose<br />
(Erreger)<br />
Impetigo<br />
contagiosa,<br />
Ekthyma<br />
(Staphylococcus<br />
aureus,<br />
Streptokokken)<br />
Erysipel<br />
(Streptococcus<br />
pyogenes)<br />
Bazilläre<br />
Angiomatose<br />
(Bartonella<br />
henselae)<br />
Tuberkulosis<br />
cutis colliquativa<br />
(Mycobacterium<br />
tuberculosis)<br />
Atypische<br />
Mykobakteriose<br />
(v.a.<br />
Mykobacterium<br />
aviumintracellulare)<br />
Bakterien<br />
Martin Hartmann<br />
Klinik Diagnose Therapie Bemerkung<br />
Blase, Follikulitis,<br />
Furunkel<br />
Rötung,<br />
Schwellung,<br />
Überwärumng,<br />
gel. Blasenbildung<br />
ulzerierte<br />
Knötchen oder<br />
dermale lividrötliche<br />
Infiltrate<br />
Ulzerationen über<br />
betroffenen<br />
Lymphknoten<br />
(supraclavikulär)<br />
blaurote<br />
Knötchen,<br />
Ekthymata<br />
Klinik, Kultur z.B. Amoxicillin<br />
+Clavulansäure<br />
(Augmentan ® ,<br />
3x500mg)<br />
Klinik, Kultur Penicillin-G 3x10<br />
Mio. IE i.v. ,<br />
Clarithromycin<br />
(Klacid ® ,<br />
2x500mg)<br />
Histologie,<br />
Direktnachweis<br />
Klinik, Histologie,<br />
PCR<br />
Histologie, Kultur<br />
(Blut)<br />
Erythromycin<br />
4x500 mg oder<br />
Doxycyclin<br />
2x100 mg für > 8<br />
Wochen<br />
Isoniazid 300mg<br />
+ Rifampicin 600<br />
mg<br />
+ Pyrazinamid<br />
25mg/kg<br />
(Ethambutol<br />
15mg/kg)<br />
s. <strong>HIV</strong>assoziierte<br />
Krankheitbilder<br />
DD: Kaposi-<br />
Sarkom,<br />
Granuloma<br />
pediculatum,<br />
Hämangiome<br />
cave:<br />
Multiresistenzen
Syphilis<br />
(Treponema<br />
pallidum)<br />
Dermatose<br />
(Erreger)<br />
Primäraffekt<br />
(Syphilis I),<br />
makulopapulöses<br />
Syphilid (Syphilis<br />
II), Neurosyphilis<br />
(Syphilis III)<br />
Dunkelfeld, (PCR)<br />
Serologie,<br />
Liquoruntersuchung<br />
Früh- und<br />
Spätsyphilis:<br />
Benzathin-<br />
Penicillin 2,4<br />
Mio. IE<br />
(Pendysin ® ) für<br />
1 (Syphilis I)-3<br />
Wochen<br />
(Syphilis II, III)<br />
Neurolues:<br />
Penicillin G 4x6<br />
Mio IE i.v. für 10<br />
Tage, dann i.m.<br />
(s.o., 21 Tage)<br />
Klinik Diagnose Therapie Bemerkung<br />
Dosierungen, falls nicht anders angegeben, pro Tag<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
189
Organspezifische Erkrankungen<br />
190<br />
Dermatose<br />
(Erreger)<br />
Orale<br />
Candidose<br />
(Candida<br />
albicans,<br />
seltener:<br />
Candida krusei)<br />
Kryptokokkose<br />
(Cryptococcus<br />
neoformans)<br />
Histoplasmose<br />
(Histoplasma<br />
capsulatum)<br />
Tinea,<br />
Onychomykose<br />
(meist:<br />
Trichophyton<br />
rubrum, T.<br />
mentagrophytes)<br />
Pilze<br />
Martin Hartmann<br />
Klinik Diagnose Therapie Bemerkung<br />
weißliche abstreifbare<br />
Schleimhautauflagerungen,<br />
seltener atrophe Formen<br />
Klinik,<br />
Nativpräparat,<br />
Kultur<br />
meist molluskoide Papeln Histologie,<br />
Serologie<br />
(Antigennachweis)<br />
variabel Histologie, Kultur<br />
(Knochenmark)<br />
randbetontes Erythem mit<br />
Schuppung,<br />
Onychodystrophie<br />
Klinik,<br />
Nativpräparat,<br />
Kultur<br />
Dosierungen falls nicht anders angegeben, pro Tag<br />
Fluconazol<br />
(Diflucan ® ,<br />
100-200mg),<br />
Itraconazol<br />
(Sempera liq.<br />
® , 100-<br />
200mg),<br />
Prophylaxe:<br />
Fluconazol<br />
100mg<br />
s.<br />
azolresistente<br />
Candidosen +<br />
Fluconazol<br />
(Diflucan ® ,<br />
400 mg)<br />
s.<br />
Kryptokokkose<br />
Itraconazol<br />
(Sempera ® ,<br />
100-200 mg),<br />
Terbinafin<br />
(Lamisil ® , 250<br />
mg)<br />
Bei<br />
azolresistenten<br />
Mykosen:<br />
Amphotericin B<br />
(0,3-1,0 mg/kg)<br />
+Flucytosin<br />
(Ancotil ® , 4x150<br />
mg/kg),<br />
Voriconazol<br />
(Vfend ® , 2x200-<br />
400mg)<br />
10-20%<br />
Hautbeteiligung<br />
bei diss.<br />
Kryptokokkose<br />
Reiseanamnese:<br />
USA<br />
bei<br />
Onychomykose<br />
ausreichend<br />
hoch und lange<br />
(3-6 Monate)<br />
therapieren,<br />
Pulstherapie:<br />
Itraconazol<br />
400mg für 7<br />
Tage über 3<br />
Monate,<br />
ggf. zusätzlich<br />
antimykotischen<br />
Lack (Loceryl ® )
Dermatose<br />
(Erreger)<br />
Herpes simplex<br />
recidivans<br />
(Herpes simplex<br />
Virus, HSV-1/2)<br />
Varizellen, Herpes<br />
Zoster<br />
(Varicella-Zoster-<br />
Virus, VZV)<br />
CMV-Ulzeration<br />
(Cytomegalievirus,<br />
CMV)<br />
Orale<br />
Haarleukoplakie<br />
(Epstein-Barr-Virus,<br />
EBV)<br />
Mollusca contagiosa<br />
(Poxvirus)<br />
Viren<br />
Martin Hartmann<br />
Klinik Diagnose Therapie Bemerkung<br />
gruppierte Bläschen<br />
auf erythematösem<br />
Grund<br />
Exanthem, später<br />
segmentale und<br />
polyzyklisch begrenzte<br />
Bläschen, Schmerzen<br />
meist ovale Ulcera<br />
(häufig perianal)<br />
weißliche festhaftende<br />
"haarige"<br />
Auflagerungen an den<br />
Zungenseiten<br />
stecknadelkopfgroße<br />
zentral gedellte<br />
Papeln, häufig genital<br />
Klinik, IFT,<br />
PCR<br />
Aciclovir (Zovirax ® )<br />
5x200-800mg oral,<br />
in schweren Fällen<br />
30mg/kg i.v.,<br />
alternativ:<br />
Famciclovir<br />
(Famvir ® 3x500<br />
mg) oder<br />
Valaciclovir<br />
(Valtrex ® 3x1g),<br />
ggf. einmalig bei<br />
erneuter Eruption<br />
1g zur<br />
Suppression des<br />
Rezidivs<br />
s. HSV 5x800mg Aciclovir<br />
(oder: 30mg/kg i.<br />
v.), Famciclovir/<br />
Valciclovir,<br />
Brivudin (Zostex ®<br />
1x125mg)<br />
histologisch,<br />
PCR<br />
Klinik,<br />
Histologie<br />
Klinik,<br />
Histologie<br />
Ganciclovir<br />
(Cymeven ® ) 2x5<br />
mg/kg KG i.v. oder<br />
Foscarnet<br />
(Foscavir ® ) 3x60<br />
mg/kg i.v., ggf.<br />
Cidofovir (Vistide ® )<br />
5mg/kg i.v.<br />
Retinoide lokal,<br />
antiretrovirale<br />
Therapie (HAART)<br />
Excochleation,<br />
Kryotherapie,<br />
Imiquimod<br />
(Aldara ® )<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
Therapie bei<br />
Aciclovirresistenz:<br />
Foscarnet<br />
(Foscavir ® )<br />
3x40mg/kg i.v.<br />
cave: Zoster<br />
generalisatus<br />
CMV-Retinitis<br />
ausschließen;<br />
ggf.<br />
Valganciclovir<br />
(Valcyte ® ) 450-<br />
900mg<br />
DD orale<br />
Candidose,<br />
Leukoplakie,<br />
Lichen ruber<br />
DD:<br />
systemisch<br />
Mykosen<br />
(kutane<br />
Krytokokkose)<br />
191
Organspezifische Erkrankungen<br />
192<br />
Verruca vulgaris,<br />
Condylomata<br />
acuminata<br />
(Humane<br />
Papillomviren, HPV)<br />
Dermatose<br />
(Erreger)<br />
verruköse Papeln,<br />
papillomatöse<br />
exophythisch<br />
wachsende Beete an<br />
der Schleimhaut<br />
genital und perianal<br />
Klinik,<br />
Histologie,<br />
(HPV-<br />
Typisierung)<br />
Dosierungen, falls nicht anders angegeben, pro Tag<br />
Exzision,<br />
Elektrokaustische<br />
Abtragung, Laser,<br />
Kryotherapie, lokal:<br />
Podophyllin<br />
(Condylox ® ,<br />
Wartec ® ),<br />
Imiquimod<br />
(Aldara ® )<br />
DD:<br />
Bowenoide<br />
Papulose,<br />
cave:<br />
Analkarzinom,<br />
Klinik Diagnose Therapie Bemerkung
Hepatitis<br />
(Hepatitis B-, Hepatitis C-Monoinfektion)<br />
Hartwig Klinker<br />
Epidemiologie der Hepatitis B und C<br />
Die Hepatitis B gehört zu den weltweit häufigsten Infektionserkrankungen. Ca. 300<br />
Millionen Menschen sind chronisch HBV-infiziert. Eine besonders hohe Prävalenz besteht<br />
in Asien. In Deutschland wird die Zahl der Menschen mit einer übertragungsfähigen<br />
Hepatitis B auf 300.000-500.000 geschätzt.<br />
Eine replikative C-Hepatitis besteht weltweit bei ca. 1-3% der Bevölkerung, entsprechend<br />
60-180 Millionen Menschen. In Deutschland dürfte die Zahl der HCV-Infizierten bei<br />
500.000-800.000 liegen.<br />
Übertragungswege<br />
Sowohl das Hepatitis B- als auch das Hepatitis C-Virus wird parenteral übertragen. In<br />
Westeuropa sind die wichtigsten Übertragungswege Sexualkontakte, die besonders bei<br />
der B-Hepatitis eine Rolle spielen, und kontaminierte Nadeln bei z. B. intravenös<br />
Drogenabhängigen. In Asien ist die vertikale Transmission von der infizierten Mutter auf<br />
ihr Kind im Rahmen der Geburt sehr häufig.<br />
Die Kontagiosität des Hepatitis B-Virus ist besonders hoch, z. B. ca. 30-40 höher als die<br />
Kontagiosität von <strong>HIV</strong>. Dies hängt u. a. mit der oft sehr ausgeprägten Virämie bei HBV-<br />
Infizierten zusammen. Nicht selten finden sich bis 109 infektiöse Partikel/ml Plasma (also<br />
etwa 1.000 mal soviel wie bei HCV und <strong>HIV</strong> mit bis ca. 106 Kopien/ml).<br />
Das Restrisiko bei der Übertragung von Fremdblut ist in Deutschland sehr gering und<br />
beträgt für die Hepatitis B ca. 1:250.000 und für die Hepatitis C ca. 1:1.400.000.<br />
Prävention<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
Grundsätzlich sind zur Prävention einer Hepatitis B- oder C-Infektion alle die Maßnahmen<br />
geeignet, die auch zur Prävention der <strong>HIV</strong>-Infektion als sinnvoll erachtet werden<br />
(Kondomgebrauch, safer Sex, kein Nadeltausch, kein gemeinsamer Gebrauch von<br />
Zahnbürsten oder Rasierapparaten, im medizinischen Bereich Vermeidung von<br />
Stichverletzungen, Tragen von Einmalhandschuhen bei verletzungsträchtigen Tätigkeiten<br />
etc.).<br />
Besonders hingewiesen werden soll auf die Möglichkeit der passiven (z. B.<br />
postexpositionell) und vor allem aktiven Impfung gegen die B Hepatitis. Die WHO hat<br />
1992 empfohlen, dass in allen Ländern die HB-Impfung Bestandteil des Impfprogramms<br />
werden soll. Entsprechend wurde von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-<br />
Institut (STIKO) im Jahre 1995 die HB-Impfung der Säuglinge, Kinder und Jugendlichen in<br />
den Kalender der empfohlenen Impfungen aufgenommen. Darüber hinaus ist die aktive<br />
Hepatitits B-Impfung indiziert bei allen Menschen mit einem erhöhten Expositionsrisiko, z.<br />
193
Organspezifische Erkrankungen<br />
194<br />
B. homosexuell aktiven Männern, Drogenabhängigen, Prostituierten, HB-gefährdetem<br />
medizinischen Personal, Dialyse-Patienten, HBsAG-negativen Patienten mit chronischen<br />
Lebererkrankungen u. a..<br />
Für die Hepatitis C existiert bislang weder eine passive noch eine aktive Impfung.<br />
Natürlicher Verlauf<br />
Die Hepatitis B verläuft bei Infektion im Erwachsenenalter in 5-10% chronisch. Bei<br />
Infektion im Säuglingsalter entwickelt sich dagegen in über 90% (!) eine chronische<br />
Infektion.<br />
Der klinische Verlauf einer chronischen Hepatitis B ist interindividuell sehr unterschiedlich<br />
und reicht von blanden Verläufen bis hin zu rezidivierenden schweren<br />
Entzündungsschüben.<br />
Ca. 20-30% der Patienten mit chronischer Hepatitis B entwickeln schließlich eine<br />
Leberzirrhose, 5% ein primäres Leberzellkarzinom.<br />
In großen Kohortenstudien aus Asien konnte gezeigt werden, dass für die Prognose einer<br />
chronischen Hepatitis B-Infektion die Viruslast von entscheidender Bedeutung ist. So<br />
steigt das Leberzirrhose-Risiko bereits ab einer Viruslast von mehr als 2.000 IU/ml<br />
(10.000 Kopien/ml) deutlich an. Auch das Risiko für die Entwicklung eines<br />
hepatozellulären Karzinoms steigt Viruslast-abhängig. Die Höhe der Transaminasen ist<br />
dagegen von eher untergeordneter Bedeutung, auch bei nur geringfügig erhöhten Werten<br />
ist eine Progression zur Zirrhose möglich!<br />
Die Hepatitis C-Infektion nimmt sehr häufig, in 60-80%, einen chronischen Verlauf. Die<br />
Klinik ist hier meistens gekennzeichnet von eher unspezifischen Beschwerden wie<br />
Müdigkeit, Inappetenz und Abgeschlagenheit, ein ikterisches Krankheitsbild ist<br />
ausgesprochen selten. Dennoch führt auch die chronische Hepatitis C nach langjährigem<br />
Verlauf bei ca. 25-40% der Patienten zur Leberzirrhose und wie die chronische B-<br />
Hepatitis zum Auftreten hepatozellulärer Karzinome.<br />
Diagnostik<br />
Die Diagnostik der entzündlichen Aktivität einer chronischen Virushepatitis erfolgt über<br />
die Bestimmung der Transaminasen GOT und GPT. Die virologische Aktivität ist zu<br />
identifizieren über die Bestimmung von HBsAG, HBeAG/Anti-HBe und HBV-DNA bei der<br />
B-Hepatitis bzw. HCV-RNA bei der C-Hepatitis.<br />
Die Viruslastbestimmung ist bei der chronischen HBV-Infektion sowohl bei Therapienaϊven<br />
Patienten als auch besonders zur Therapiekontrolle fest etabliert und sollte, je<br />
nach klinischer Situation, alle 3-6 Monate durchgeführt werden.<br />
Bei der C-Hepatitis wird eine Bestimmung der Ausgangsviruslast durchgeführt, eine<br />
routinemäßige Kontrolle beim nicht behandelten Patienten erfolgt dann nicht. Unter<br />
antiviraler Therapie ist die Viruslast dagegen ein entscheidender Parameter in der<br />
Therapieführung (s. u.).
Die Gewinnung einer Leberhistologie wird insgesamt seltener als früher durchgeführt. In<br />
verschiedenen Situationen ist sie jedoch nach wie vor notwendig, um eine<br />
differenzialdiagnostische Abgrenzung zu anderen chronischen Labererkrankungen zu<br />
sichern und insbesondere die exakte entzündliche Aktivität erfassen und den Fibrose-/<br />
Zirrhosegrad der Erkrankung festlegen zu können (Grading und Staging, Hepatitis<br />
Aktivitäts Index = HAI).<br />
Ein neueres, apparatives Verfahren zur Fibrosebeurteilung stellt die Elastographie dar, bei<br />
der mittels eines speziellen Ultraschallverfahrens Aussagen zur Organsteifigkeit gemacht<br />
werden können. Recht gut evaluiert ist die Methode insbesondere bei der chronischen C-<br />
Hepatitis.<br />
Therapie der Hepatitis B<br />
Indikation:<br />
Kriterien für die Indikationsstellung zur antiviralen Therapie der chronischen Hepatitis B<br />
sind die virale Aktivität (→ Viruslastbestimmung), die entzündliche Aktivität (→ GPT, ggf.<br />
Histologie) und der Fibrosegrad (→ Nicht-invasive Verfahren, ggf. Histologie).<br />
Der den aktuellen Leitlinien entsprechende Indikationsalgorithmus für die Behandlung der<br />
chronischen Hepatitis B ist dem nachfolgenden Diagramm zu entnehmen.<br />
Auswahl der Therapie<br />
Seit vielen Jahren etabliert ist die Behandlung mit Interferon alfa.<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
Aufgrund zahlreicher Studien können günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche<br />
Interferon-alfa-Therapie bei chronischer B-Hepatitis wie folgt definiert werden: HBV-<br />
Genotyp A, weibliches Geschlecht, hohe Transaminasen (GPT mind. verdoppelt), HBV-<br />
DNA niedrig, HBeAg-Positivität (keine Prae-Core Mutante, s. u.) kurze Dauer (
Organspezifische Erkrankungen<br />
196<br />
der HBV-Infektion, keine HDV-Superinfektion, keine <strong>HIV</strong>-Koinfektion mit fortgeschrittenem<br />
Immundefekt, kompensierte Lebererkrankung.<br />
Die Interferon-alfa Therapie wird entsprechend der aktuellen Leitlinien der Deutschen<br />
Gesellschaft für Verdauungs-und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in einer Dosierung von<br />
5-6 Mio. E/d s. c. über 4-6 Monate durchgeführt, vorzugsweise inzwischen allerdings mit<br />
pegyliertem Interferon. Zugelassen ist pegyliertes Interferon-alfa 2a, hier in einer<br />
Dosierung von 180 µg/Wo über 48 Wochen.<br />
Das Therapieziel ist die Normalisierung der Transaminasen, die Serokonversion von HBs-<br />
Antigen zu Anti-HBs oder die Serokonversion von HBe-Antigen zu Anti-HBe oder (bei<br />
initial HBe-Antigen negativen Patienten) die Konversion von HBV-DNA positiv zu negativ.<br />
Unter Zugrundelegung der derzeitigen Auswahlkriterien der Patienten, der Interferon-<br />
Dosis und der Therapiedauer lässt sich eine Remission der Erkrankung bei 30-40%, eine<br />
Ausheilung (HBsAg-Elimination) lediglich bei ca. 5% der Patienten erreichen. Bei<br />
Patienten mit Nachweis einer Prae-Core-Mutante (typischer Befund: HBeAg negativ bei<br />
signifikanter Viruslast) sind die Erfolgsaussichten einer Interferon-alfa-Therapie erheblich<br />
geringer.<br />
Die Nebenwirkungen einer Interferon-alfa-Therapie sind bei der Therapie der chronischen<br />
Hepatitis C dargestellt (s. u.)<br />
Das zweite, inzwischen ebenfalls sehr gut etabliertes Therapiekonzept stellt die<br />
Behandlung mit Nukleosidanaloga dar.<br />
Aufgrund des Wirkungsmechanismus der Nukleosidanaloga ist die Effektivität dieser<br />
Substanzen nicht an immunologische Parameter gebunden. Sie sind somit auch bei<br />
immunsupprimierten Patienten ohne Einschränkungen einsetzbar. Nukleosidanaloga<br />
können auch bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung eingesetzt werden.<br />
Darüber hinaus ließ sich eine Verbesserung der Histologie sowie Verzögerung, sogar<br />
Rückgang (!) der Fibroseentwicklung zeigen.<br />
Zugelassen zur Therapie sind die Nukleosidanaloga Lamivudin, Telbivudin und Entecavir<br />
sowie die Nukleotidanaloga Adefovir und Tenofovir. Die Nebenwirkungsrate einer Nukleos<br />
(t)idanaloga-Therapie ist ausgesprochen gering, alle Präparate werden nur einmal täglich<br />
eingenommen.<br />
Unterschiede zwischen den Substanzen bestehen in ihrer virologischen Potenz und im<br />
Risiko einer Resistenzentwicklung.
Die in Studien erzielten Raten der HB-Viruslast-Absenkung unter die Nachweisgrenze<br />
zeigt folgende Tabelle.<br />
Substanz HBeAg<br />
positive<br />
Patienten (%)<br />
HBeAg<br />
negative<br />
Patienten (%)<br />
Adefovir 21 51<br />
Entecavir 67 90<br />
Lamivudin 36 72<br />
Telbivudin 60 88<br />
Tenofovir 76 94<br />
Vergleich:<br />
Peg-Interferon<br />
25 63<br />
Die kumulative Inzidenz der HBV-Resistenz beträgt für Lamivudin ca. 70% in 5 Jahren, für<br />
Adefovir ca. 29% in 5 Jahren, für Telbivudin ca. 22% in 2 Jahren, für Entecavir ca. 1% in 5<br />
Jahren und für Tenofovir bislang 0%.<br />
Da zwischen den einzelnen Substanzen Kreuzresistenzen bestehen, ist eine strategische<br />
Therapieplanung bereits vor Behandlungsbeginn für den langfristigen Erfolg sehr wichtig.<br />
Im Falle einer Resistenz kann je nach klinischer Situation und vorliegender<br />
Resistenzmutation auf ein anderes Präparat umgesetzt oder eine Kombinationstherapie<br />
eingesetzt werden.<br />
Therapieziel ist die Absenkung der Viruslast auf < 200 IU/ml, besser unter die<br />
Nachweisgrenze.<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
Eine feste Behandlungsdauer einer Nukleos(t)idanaloga-Therapie einer chronischen B<br />
Hepatitis ist derzeit nicht zu definieren. Bei HBeAg-positiven Patienten kann ein Absetzen<br />
der Behandlung 12 Monate nach einer Serokonversion zu Anti-HBe erwogen werden, bei<br />
HBeAg-negativen Patienten ist die Therapie als virustatische Dauersuppressionstherapie,<br />
wie bei der <strong>HIV</strong>-Infektion, durchzuführen.<br />
Der aktuelle Therapiealgorithmus ist in dem nachfolgenden Diagramm dargestellt.<br />
197
Organspezifische Erkrankungen<br />
198<br />
Therapie der Hepatitis C<br />
Wegen der hohen Chronifizierungsrate kann es sinnvoll sein, auch die akute C-Hepatitis<br />
antiviral zu behandeln, möglichst allerdings innerhalb von Studien. Dies insbesondere vor<br />
dem Hintergrund, dass sich selbst durch eine Interferon-Monotherapie der chronische<br />
Verlauf einer Hepatitis C-Infektion in über 90% verhindern lässt (Jaeckel et al. 2001).<br />
In der Therapie der chronischen C-Hepatitis ist seit Jahren die Kombination von PEG-<br />
Interferon-alfa und Ribavirin als Standard etabliert.<br />
Derzeit sind zwei pegylierte Interferone (pegyliertes Interferon alfa 2b = PegIntron® und<br />
pegyliertes Interferon alfa 2a = Pegasys®) zur Behandlung der chronischen Hepatitis C<br />
zugelassen. Für pegyliertes Interferon alfa 2b wird eine körpergewichtsadaptierte<br />
Dosierung von 1,5 µg/kg/Woche empfohlen. Pegyliertes Interferon alfa 2a wird in einer<br />
einheitlichen Dosis von 180 µg/Woche verabreicht.<br />
Als generell günstige Voraussetzung für ein Therapieansprechen werden angesehen ein<br />
Alter unter 50 Jahren, eine normale GGT, das Fehlen einer Leberzirrhose, eine niedrige<br />
Hepatitis C-Viruslast sowie das Vorliegen eines HCV-Genotyps 2 oder 3.<br />
Eindeutiges Ziel der Therapie der chronischen Hepatitis C ist die klinische Heilung.<br />
Entscheidend für den Behandlungserfolg ist neben der adäquaten Dosis der Medikamente<br />
und Dauer der Therapie eine optimale Therapieadhärenz.<br />
Eine herausragende prädiktive Bedeutung für die Wahrscheinlichkeit eines anhaltenden<br />
Therapieansprechens kommt der initialen Viruskinetik unter antiviraler Therapie zu, die<br />
auch Eingang in den Therapiealgorithmus gefunden hat.<br />
Entsprechend der Entwicklung der quantitativen und qualitativen HCV-RNA-Bestimmung<br />
während und nach der Therapie werden folgende Verläufe unterschieden:
Begriff/Abkürzung HCV-RNA<br />
Non Response/NR Zu allen Zeitpunkten unter Therapie positiv<br />
Relapse<br />
Unter Therapie negativ, nach Therapieende wieder<br />
positiv<br />
Rapid Virological Response/RVR Nach 4 Wochen negativ (< 10-30 IU/ml)<br />
Early Virological Response/EVR Nach 12 Wochen 2-log-Abfall<br />
● Complete Early<br />
Virological Response/cEVR<br />
● Partial early<br />
Virological Response/pEVR<br />
= Slow Virological Response<br />
Nach 12 Wochen negative (< 10-30 IU/ml)<br />
Nach 12 Wochen 2-log-Abfall, aber positive,<br />
nach 24 Wochen negative (< 10-30 IU/ml)<br />
Sustained Virological Response/SVR 24 Wochen nach Therapieende negativ<br />
Wird ein SVR erreicht, entspricht dies einer klinischen Heilung der C-Hepatitis. Die SVR-<br />
Raten bei der Behandlung einer HCV-Genotyp 1-Infektion liegen bei 42-46%, die bei<br />
Behandlung einer HCV-Genotyp 2/3-Infektion bei 76-82%.<br />
Der aktuelle Behandlungsalgorithmus für die unterschiedlichen Genotypen ist<br />
nachfolgenden Diagrammen zu entnehmen.<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
199
Organspezifische Erkrankungen<br />
200<br />
Entsprechend neuer Studiendaten ist zu erwarten, dass die Therapiedauer bei allen HCV-<br />
Genotypen gemäß dem initialen Therapieansprechen weiter individualisiert werden wird.<br />
Nebenwirkungen einer Interferon Therapie lassen sich einteilen in frühe und späte<br />
Nebenwirkungen. Frühe Nebenwirkungen sind häufig, werden von den betroffenen
Patienten intensiv empfunden, sind aber in der Regel medizinisch nicht schwerwiegend.<br />
Späte Nebenwirkungen treten wesentlich seltener auf, werden von den Patienten<br />
gelegentlich weniger gravierend empfunden, sind aber medizinisch oft von großer<br />
Relevanz.<br />
Frühe Nebenwirkungen äußern sich in Form von Schüttelfrost, Fieber wenige Stunden<br />
nach der Interferon-Injektion, Kopfschmerzen, Myalgien und Arthralgien. Diese<br />
Beschwerden können am besten mit einem ausgeprägten Grippegefühl verglichen<br />
werden. Späte Nebenwirkungen stellen die Thrombo- und/oder Leukozytopenie, die<br />
Infektneigung, die depressive Verstimmung, Haarausfall und die Induktion von<br />
Autoimmunerkrankungen, inbesondere einer Thyreoiditis, dar.<br />
Ein gutes Nebenwirkungsmanagement ist ein unerlässlicher Baustein für eine erfolgreiche<br />
HCV-Therapie!<br />
Zusätzliche Nebenwirkungen durch Ribavirin bestehen in einer dosisabhängigen,<br />
reversiblen Hämolyse. Dabei treten gelegentlich Reduktionen des Hämoglobinwertes um<br />
2-4g/dl auf, weshalb insbesondere bei älteren Patienten mit evtl. vorbestehender<br />
Gefäßsklerose Vorsicht geboten ist.<br />
Eine weitere Nebenwirkung von Ribavirin stellt die mögliche Teratogenität dar. Deshalb<br />
sollte während und bis mindestens 6 Monate nach einer Ribavirin-Therapie ein sicherer<br />
Konzeptionsschutz eingehalten werden.<br />
Für die nächsten Jahre kann mit der Zulassung neuer anti-Hepatitis C-Substanzen<br />
gerechnet werden, die sich derzeit in klinischen Studien befinden. Hierzu gehören<br />
insbesondere Medikamente gegen die Replikationsenzyme des HC-Virus wie HCV-<br />
Helicase- oder HCV-Protease-Inhibitoren. Beispiele hierfür sind Boceprevir und<br />
Telaprevir. Aufgrund der bisherigen Daten ist davon auszugehen, dass diese Substanzen<br />
nicht als Monotherapie, sondern in Kombination mit PEG-Interferon und wahrscheinlich<br />
auch Ribavirin eingesetzt werden.<br />
Literatur:<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
● Cornberg M., Protzer U., Dollinger M. M., et al.: Prophylaxe, Diagnostik und<br />
Therapie der Hepatitis-B-Virus (HBV-) Infektion. 'Upgrade' der Leitlinie, AWMFregister-Nr.:<br />
021/011. Z Gastroenterol 2007; 45: 1-50<br />
● European Association for the Study of the Liver. EASL Clinical Guidelines:<br />
Management of chronic hepatitis B. J Hepatol. 2009;50:227-42.<br />
● Jaeckel E, Cornberg M, Wedemeyer H, Santantonio T, Mayer J, Zankel M,<br />
Pastore G, Dietrich M, Trautwein C, Manns MP; German Acute Hepatitis C<br />
Therapy Group:Treatment of acute hepatitis C with interferon alfa-2b; N Engl J<br />
Med. 2001 Nov 15;345(20):1452-7<br />
● Stribling R, Sussman N, Vierling J. m.. Treatment of hepatitis C infection.<br />
Gastroenterol Clin North Am 2006; 35: 463-486 Seite zuletzt geändert am<br />
17.04.2007 12:35:00<br />
201
Organspezifische Erkrankungen<br />
202<br />
Einleitung<br />
Hepatitis-<strong>HIV</strong>-Koinfektion<br />
(Hepatitis B-, Hepatitis C-Virus)<br />
Hartwig Klinker<br />
Aufgrund gleichartiger Übertragungswege stellen Virushepatitiden häufige<br />
Begleiterkrankungen bei <strong>HIV</strong>-Infizierten dar. Hierbei spielen vor allem chronische Verläufe<br />
der B-und/oder C-Hepatitis eine Rolle.<br />
Während in früheren Jahren bei Vorliegen einer Doppelinfektion mit <strong>HIV</strong> und<br />
Hepatitisviren der Schwerpunkt der diagnostischen und therapeutischen Bemühungen<br />
(mit Recht) nahezu ausschließlich bei der <strong>HIV</strong>-Erkrankung lag, kommt heute infolge der<br />
erheblich erweiterten Therapiemöglichkeiten der <strong>HIV</strong>-Infektion und der damit verbundenen<br />
Prognoseverbesserung (s. Kapitel Langzeit <strong>HIV</strong>-Patienten) begleitenden chronischen<br />
Virushepatitiden eine wachsende Bedeutung zu.<br />
Man kann davon ausgehen, dass in Deutschland ca. 6.000 <strong>HIV</strong>-Hepatitis C (HCV)-<br />
Infizierte und ca. 3.000 <strong>HIV</strong>-Hepatitis B (HBV)-Infizierte leben.<br />
Besonderheiten des Verlaufs<br />
Nach einer Hepatitis B-Infektion ist bei <strong>HIV</strong>-infizierten Patienten das Risiko, eine<br />
chronische HBV-Infektion zu entwickeln, gegenüber nicht <strong>HIV</strong>-Infizierten drei- bis fünfmal<br />
höher.<br />
Der chronische Verlauf wiederum ist dadurch gekennzeichnet, dass in der Regel eine<br />
signifikant höhere Virämie besteht. Daneben wird bei <strong>HIV</strong>-Infizierten mit chronischer B<br />
Hepatitis vielfach eine niedrigere GPT-Aktivität gefunden. Dies erscheint plausibel, da bei<br />
der B Hepatitis zytotoxische T-Lymphozyten eine wichtige pathogenetische Rolle für die<br />
inflammatorische Krankheitsaktivität spielen.<br />
Die Chronifizierungsrate einer Hepatitis C-Infektion ist bei <strong>HIV</strong>-Infizierten in etwa<br />
genauso hoch wie bei nicht <strong>HIV</strong>-Infizierten.<br />
In vielen Untersuchungen der letzten Jahre konnte klar gezeigt werden, dass bei <strong>HIV</strong>-<br />
Infizierten die Leber-assoziierte Morbidität und Mortalität eine besondere Bedeutung hat<br />
und hierfür chronische HBV- oder HCV-Koinfektionen eine entscheidende Rolle spielen.<br />
So ist bei HCV-<strong>HIV</strong>-koinfizierten Patienten die Leberzirrhoseentwicklung nicht nur häufiger<br />
im Vergleich zu HCV-Mono-Infizierten, sondern erfolgt auch ca. 10-15 Jahre früher. Die<br />
Leber-bezogene Mortalität ist bei HBsAg-positiven <strong>HIV</strong>-Patienten etwa 8,5 mal höher als<br />
bei HBsAg-negativen Patienten.<br />
Die chronischen Virushepatitiden führen bei <strong>HIV</strong>-Infizierten nicht nur durch den<br />
eigentlichen Hepatitis-Verlauf zu hepatischen Komplikationen, sie stellen auch den<br />
wichtigsten Kofaktor für eine Hepatotoxizität einer Hochaktiven Antiretroviralen Therapie<br />
(HAART) dar.<br />
Der Diagnostik und ggf. Therapie chronischer Virushepatitiden kommt deshalb gerade bei
Patienten mit <strong>HIV</strong>-Infektion eine große Bedeutung zu.<br />
Allgemeine Empfehlungen bei Hepatitis B-oder C/<strong>HIV</strong>-Koinfektion<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
Es ist sinnvoll, dass bei <strong>HIV</strong>-Infizierten die Hepatitis-Diagnostik (s. Kapitel 'Hepatitis') im<br />
selben Umfang wie bei Nicht-<strong>HIV</strong>-Infizierten durchgeführt wird. Bei Vorliegen einer<br />
chronischen Virushepatitis B oder C sollte auf Alkoholkonsum weitestgehend verzichtet<br />
werden, da regelmäßiger Alkoholkonsum auch in geringen Mengen zu einer rascheren<br />
Progression der Lebererkrankung führt.<br />
Zur Verhinderung einer sexuellen Transmission von Hepatitis-B oder C-Viren sollte 'safer<br />
sex' praktiziert werden. Bei Seronegativität bezüglich HAV oder HBV ist eine<br />
entsprechende aktive Immunisierung vorzunehmen.<br />
Bei Hinweisen auf eine fortgeschrittene Lebererkrankung/Leberzirrhose sollten Screening-<br />
Untersuchungen zur Frage des Vorliegens eines hepatozellulären Karzinoms (HCC)<br />
mittels AFP-Bestimmung und Sonographie erfolgen, darüber hinaus eine Endoskopie des<br />
oberen Verdauungstraktes zur Frage einer Ösophagusvarikosis.<br />
Management der chronischen Hepatitis B-Koinfektion bei <strong>HIV</strong>-<br />
Infizierten<br />
Die Indikation zur Therapie und Auswahl des Therapieschemas orientiert sich an der<br />
Höhe der Hepatitis B-Viruslast (Signifikanz der HB-Viruslast ab 2.000 IU/ml), der<br />
hepatischen Entzündungsaktivität (GPT), der Schwere der Lebererkrankung (Zirrhose?,<br />
Leberfunktion?), der CD4-Zellzahl und der Notwendigkeit einer antiviralen Behandlung der<br />
<strong>HIV</strong>-Infektion.<br />
Bei Vorliegen einer HBV-/<strong>HIV</strong>-Doppelinfektion zeigte sich in den wenigen, jeweils mit<br />
geringer Patientenzahl durchgeführten Studien im Vergleich zu <strong>HIV</strong>-negativen Patienten<br />
eine deutlich verminderte Ansprechrate auf Interferon-alfa. Dies ist gut nachvollziehbar,<br />
finden sich doch bei einer HBV-/<strong>HIV</strong>-Infektion häufig ungünstige Voraussetzungen für ein<br />
Therapieansprechen von Interferon (hohe HBV-Viruslast, niedrige Entzündungsaktivität,<br />
Immunsuppression u. a.).<br />
Dennoch sollte bei gegebener Behandlungsindikation der Hepatitis B zunächst geprüft<br />
werden, ob im Einzelfall Befunde vorliegen, die eine Interferon-Therapie, die nach wie vor<br />
die einzige zeitlich begrenzte Behandlungsform mit einer geringen Chance auf eine<br />
Heilung der B-Hepatitis darstellt, sinnvoll erscheinen lassen. Dies ist der Fall bei gutem<br />
Immunstatus (CD4-Zellen > 350/µl), hoher GPT (> 2-facher oberer Normalwert), geringer<br />
HB-Viruslast (< ca. 200.000 IU/ml), HBeAg-Positivität, HBV-Genotyp A und Nicht-<br />
Vorliegen einer Leberzirrhose.<br />
Als pegyliertes Interferon zugelassen zur HBV-Therapie bei <strong>HIV</strong>-Koinfektion ist PEG-<br />
Interferon-alfa 2a.<br />
Alle Patienten - und das ist die weit überwiegende Mehrzahl -, für die aufgrund der o. g.<br />
Kriterien eine Interferon-Therapie keine sinnvolle Behandlungsoption darstellt, sollten mit<br />
Nukleos(t)idanaloga behandelt werden.<br />
Zugelassen zur Therapie der chronischen Hepatitis B sind Adefovir, Entecavir, Lamivudin,<br />
Telbivudin und Tenofovir. Zu wesentlichen Charakteristika wie virologische Potenz und<br />
Resistenzrate der Substanzen sei auf das Kapitel 'Hepatitis' verwiesen. In Bezug auf die<br />
203
Organspezifische Erkrankungen<br />
204<br />
Nukleos(t)idanaloga-Therapie der Hepatitis B bei <strong>HIV</strong>-Koinfizierten ist von großer<br />
Bedeutung, ob die Medikamente ausschließlich HBV- oder HBV-und <strong>HIV</strong>-wirksam sind.<br />
Als ausschließlich HBV-wirksam gelten Adefovir und Telbivudin. Tenofovir und Lamivudin<br />
und auch Entecavir sind HBV-und <strong>HIV</strong>-wirksam.<br />
Somit ergeben sich für Patienten mit HBV-<strong>HIV</strong>-Koinfektion, bei denen keine Indikation für<br />
eine HAART besteht, die Behandlungsoptionen PEG-IFN-alfa 2a (nur bei Nicht-Vorliegen<br />
einer Leberzirrhose), Telbivudin, Telbivudin/Adefovir de novo-Kombination oder ein<br />
frühzeitger HAART-Beginn unter Einschluss von Tenofovir in Kombination mit Lamivudin<br />
oder Emtricitabin, welches als <strong>HIV</strong>-NRTI auch eine gute HBV-Wirksamkeit besitzt.<br />
Vieles spricht dafür, bei Hepatitis-Koinfektion eine HAART frühzeitig zu beginnen.<br />
Die Therapieziele sind identisch mit den Zielen der Therapie bei HBV-Monoinfektion.<br />
Den aktuellen Behandlungsalgorithmus der Hepatitis B bei HBV-<strong>HIV</strong>-Koinfektion zeigen<br />
die folgenden Abbildungen:<br />
nach: EACS-Guidelines 2008 (Rockstroh et al)
nach: EACS-Guidelines 2008 (Rockstroh et al.)<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
Management der chronischen Hepatitis C-Koinfektion bei <strong>HIV</strong>-<br />
Infizierten<br />
Besonders in der Situation einer HCV-/<strong>HIV</strong>-Doppelinfektion mit dem erhöhten Risiko einer<br />
raschen Fibroseentwicklung (s. o.) ist zu berücksichtigen, dass mit der Therapie mit PEG-<br />
Interferon-alfa in Kombination mit Ribavirin eine Behandlung zur Verfügung steht, mit<br />
der in einer begrenzten Therapiezeit bei einem erheblichen Anteil der Patienten eine<br />
klinische Heilung der Hepatitis C erzielt werden kann.<br />
In den neueren, druchweg randomisierten und kontrollierten Studien zum Einsatz von<br />
PEG-Interferon-alfa in Kombination mit Ribavirin bei HCV-<strong>HIV</strong>-Koinfektion konnten SVR-<br />
Raten von 35-40% beim HCV-GT 1 und 65-75% beim HCV-GT 2/3 erzielt werden.<br />
Zugelassen sind PEG-IFN-alfa 2a und PEG-IFN-alfa 2b.<br />
Neben den bei der HCV-Monoinfektion bekannten günstigen Voraussetzungen für ein<br />
Therapieansprechen (s. Kapitel 'Hepatitis') gilt bei der HCV-<strong>HIV</strong>-Koinfektion eine noch gut<br />
kompensierte Immunitätslage (CD4-Zellen > ca. 350/µl) als wichtige Bedingung für eine<br />
erfolgreiche Therapie. Liegen die CD4-Zellen deutlich darunter, sollte zunächst eine<br />
HAART eingeleitet und die HCV-Therapie erst nach einem entsprechenden CD4-Zell-<br />
Anstieg begonnen werden.<br />
Die Ribavirin-Dosierung sollte bei allen HCV-Genotypen 1.000 mg/d ( Körpergewicht < 75<br />
kg) bis 1.200 mg/d ( Körpergewicht > 75 kg) betragen.<br />
Bei gleichzeitiger Interferon/Ribavirin-Therapie und HAART ist Didanosin kontraindiziert,<br />
auf Azidothymidin und Stauvudin sollte ebenfalls verzichtet werden. Zu Abacavir liegen<br />
noch keine ausreichende Daten vor, wobei Hinweise für ein vermindertes Ansprechen der<br />
205
Organspezifische Erkrankungen<br />
206<br />
HCV-Therapie bei Abacavir-haltiger HAART bestehen.<br />
Der aktuelle Vorschlag zum Therapiealgorithmus bei HCV-<strong>HIV</strong>-Koinfektion ist dem<br />
nachfolgenden Schema zu entnehmen.<br />
Literatur:<br />
● Rockstroh, J. K. et al.. European AIDS Clinical Society (EACS) guidelines fort<br />
he clinical management and treatment of chronic hepatitis B and C coinfection<br />
in <strong>HIV</strong>-infected adults. <strong>HIV</strong> Medicine 2008; 9: 82-88<br />
● Sulkowski M. S.. Viral hepatitis and <strong>HIV</strong> coinfection. J Hepatol 2008; 48: 353-<br />
367
HNO-Manifestationen<br />
Wilfried Pfitzer<br />
Bei fortgeschrittener <strong>HIV</strong>-Infektion sollte routinemäßig eine Vorstellung beim HNO-Arzt mit<br />
Erfahrung bei <strong>HIV</strong>-Patienten erfolgen. Die Indikation zur antibiotischen Therapie und<br />
eventuellen operativen Eingriffen ist frühzeitig zu stellen. Eine normale Infektionsprophylaxe ist<br />
für den HNO-Arzt ausreichend.<br />
Äußeres Ohr / Gehörgang<br />
Erkrankung / Erreger Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />
Erysipel<br />
(ß-hämolysierende<br />
Streptokokken)<br />
Gehörgangentzündung<br />
(Staph. aureus,<br />
Streptokokken,<br />
Pseudomonas, Pilze)<br />
Kaposi Sarkom<br />
Mittelohr<br />
Erkrankung /<br />
Erreger<br />
Otitis media (Strept.<br />
Pneumoniae,<br />
Hämophylus<br />
Staphylokokken)<br />
Rötung, Schwellung,<br />
Schmerz, Fieber<br />
Tragusdruckschmerz<br />
ggf. Ohrfluß,<br />
Juckreiz, Schmerz,<br />
Hörminderung<br />
kleine rote bis livide<br />
rote, später knotige<br />
Hautverfärbungen<br />
besonders hinter<br />
den Ohren<br />
Klinik Penicillin weitere<br />
Hautinfekte z.<br />
B. Finger,<br />
Hände<br />
Klinik,<br />
Ohrmikroskopie,<br />
Abstrich<br />
fachärztliche<br />
Gehörgangreinigung,<br />
lokale ggf. orale<br />
Antibiose<br />
(Ciprofloxacin)<br />
Klinik. Histologie beim Hämato-<br />
Onkologen<br />
keine<br />
Manipulation<br />
bei rez.<br />
Infekten evtl.<br />
Ekzem<br />
Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />
Schmerz,<br />
Hörminderung,<br />
evtl. Ohrfluß<br />
Mastoiditis retroaurikulär<br />
Schmerz<br />
Paukenerguß Hörminderung<br />
Druckgefühl<br />
Innenohr<br />
Erkrankung /<br />
Erreger<br />
Klinik,<br />
Ohrmikroskopie,<br />
Audiogramm,<br />
Tympanogramm<br />
Nasentropfen,<br />
Aminopenicilline,<br />
Cephalosporine,<br />
Chinolone<br />
in Kombination<br />
Rhinitis/Sinusitis<br />
frühe Therapie<br />
Klinik Röntgen/ CT Antibiose Operation "verschleppte"<br />
Otitis media<br />
Klinik,<br />
Ohrmikroskopie,<br />
Audiogramm,<br />
Tympanogramm<br />
Nasentropfen,<br />
Schleimlöser,<br />
Antiphlogistika, evtl.<br />
Parazentese/<br />
Paukendrainage<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
Kontrolle des<br />
Nasenrachens/<br />
Tubenwülste auf<br />
Tumor, Lymphom<br />
Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />
207
Organspezifische Erkrankungen<br />
208<br />
Hörsturz Hörminderung<br />
ein- oder<br />
beidseitig, evtl.<br />
mit Tinnitus<br />
oder Schwindel<br />
Hörstörungen<br />
Cryptococcus<br />
Syphilis<br />
Ohrmikroskopie,<br />
Audiogramm,<br />
Tympanogramm,<br />
Stapediusreflexe,<br />
Hirnstammaudiometrie<br />
(BERA)<br />
Hörminderung Tonaudiogramm,<br />
Hirnstammaudiometrie<br />
(BERA), Serum, Liquor,<br />
Urin<br />
Schwindel Schwindel Vestibularisprüfung,<br />
ENG (Elektronystagmographie)<br />
Nasen- und Nasennebenhöhlen<br />
Erkrankung /<br />
Erreger<br />
Rhinitis,<br />
Sinusitis acuta<br />
(Staph. aureus,<br />
Hämophilus,<br />
Strept.<br />
Pneumoniae,<br />
Pilze<br />
Chron. Sinusitis<br />
allergische<br />
Rhinitis<br />
Nasenfurunkel<br />
(Staph. aureus)<br />
Lymphome<br />
durchblutungsfördernde<br />
Maßnahmen, evtl.<br />
Steroide, Osmotherapie<br />
in Abhängigkeit vom<br />
Audiogramm<br />
s. Hörsturz, bei<br />
Vestibularisausfall:<br />
antiinflammatorisch,<br />
rheologisch<br />
bereits in<br />
Frühphase, noch<br />
vor Serumkonv.<br />
in allen Stadien<br />
Neurotropismus,<br />
besonders<br />
Cryptococcus<br />
neoformans<br />
Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />
eitriger Nasenfluß, behinderte<br />
Nasenatmung, Kopf- und<br />
Wangenschmerz<br />
Klinik (wechselndes<br />
Druckgefühl über den<br />
Nebenhöhlen, Atmung- und<br />
Richbehinderung, Skretfluß<br />
zum Rachen)<br />
behinderte Nasenatmung,<br />
Niesreiz, Nasenfluß,<br />
Konjunktivitis<br />
schmerzhaft am<br />
Naseneingang/Nasenspitze,<br />
teils eitrige Schwellung außen<br />
Nasenatmungsbehinderung<br />
Nasenfluß<br />
Wangendruck<br />
Oberkieferschmerz<br />
Klinik,<br />
Endoskopie,<br />
Röntgen/ CT,<br />
Sono,<br />
Abstrich<br />
Endoskopie,<br />
Rö/CT<br />
Klinik,<br />
Pricktest,<br />
RAST<br />
Klinik,<br />
Endoskopie<br />
Endoskopie<br />
Röntgen/CT<br />
NMR<br />
Nasentropfen,<br />
Antibiose:<br />
Aminopenicilline,<br />
Cephalosprine,<br />
Chinolone,<br />
Antiphlogistika,<br />
Spülungen<br />
topische Steroide,<br />
Operation<br />
symptomatisch:<br />
abschwellende<br />
Tropfen,<br />
Antihistaminika<br />
(lokal,<br />
systematisch),<br />
Kortikoide lokal<br />
lokal antibiotisch z.<br />
B. Fucidine R,<br />
Turixin R, ggf.<br />
systemisch<br />
Operation<br />
Chemotherapie<br />
Bestrahlung<br />
häufige<br />
Rezidive,<br />
inadäquate<br />
Beschwerden,<br />
Focus,<br />
Prophylaxe<br />
durch<br />
Nasenpflege<br />
mittels<br />
Nasendusche<br />
evtl. auch an<br />
Pilzbesiedlung<br />
denken<br />
bereits in<br />
Frühphase,<br />
noch vor<br />
Serumkonv. in<br />
allen Stadien<br />
keine<br />
Manipulation!<br />
(lymphatischer<br />
Abfluß zum<br />
Gehirn)
Mundhöhle<br />
Erkrankung /<br />
Erreger<br />
Candida-Mykose s. dermatologischer<br />
Abschnitt<br />
Gingivitis schmerzhafte Rötung,<br />
Schwellung und<br />
ulzerierende<br />
Zahnfleischveränderung,<br />
Foetor ex ore<br />
Haarleukoplakie<br />
(EBV-Virus)<br />
Zytomegalie-<br />
Ulzerationen<br />
haarähnliche vertikale<br />
weißliche Leisten,<br />
besonders am freien<br />
Zungenrand, nicht<br />
abstreifbar<br />
Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />
große ausgestanzte<br />
Ulzerationen, nicht induriert<br />
und ohne entzündliche<br />
Begrenzung, große<br />
Schmerzhaftigkeit, gesamte<br />
Lippen / Oropharynx<br />
Kaposi-Sarkom lividrote, nicht schmerzhafte<br />
knotig umschriebene<br />
Indurationen bevorzugt am<br />
harten Gaumen und<br />
Zahnfleisch<br />
Pharynx/Larynx<br />
Erkrankung /<br />
Erreger<br />
Tonsillitis,<br />
hämolysierende<br />
Streptokokken<br />
Herpangina<br />
(Coxsackie A)<br />
Epiglottitis<br />
(Hämophilus)<br />
Adenoide<br />
(Rachenmandel)<br />
Klinik,<br />
Nativpräparat,<br />
Kultur<br />
Antimykotisch<br />
Kultur, Klinik Antibiotisch Mund- und<br />
Zahnhygiene<br />
Klinik, Histologie antiretrovirale<br />
Therapie<br />
Klinik Ganciclovir<br />
Klinik, Histologie beim Hämato-<br />
Onkologen<br />
Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />
Schluckschmerz, Fieber Klinik, Abstrich,<br />
Schnelltest<br />
kleine rötliche Bläschen<br />
an Gaumenbögen, Uvula,<br />
Tonsillen<br />
Schluckschmerz, kloßige<br />
Sprache<br />
behinderte Nasenatmung,<br />
Tubenbelüftungsstörung<br />
Penicillin,<br />
Makrolide, bei<br />
Rezidiven:<br />
Tonsillektomie<br />
Klinik symptomatisch,<br />
lokal<br />
Klinik,<br />
Spiegelbefund<br />
Endoskopie,<br />
CT, NMR<br />
Augmentan,<br />
stationäre<br />
Behandlung,<br />
antiphlogistisch<br />
PE bzw.<br />
Operation<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
häufige Mitreaktion<br />
der lokalen<br />
Halslymphknoten,<br />
auch im freien<br />
Intervall, häufige<br />
Rezidive, Focus<br />
keine Manipulation<br />
PE zur<br />
Differntialdiagnose<br />
Lymphom<br />
209
Organspezifische Erkrankungen<br />
210<br />
Pharyngitis/<br />
Laryngitis (Viren)<br />
Speicheldrüsen<br />
Erkrankung /<br />
Erreger<br />
Sialadenitis,<br />
Sialose<br />
Non-Hodgkin-<br />
Lymphom<br />
Schluckschmerz,<br />
Heiserkeit<br />
Klinik,<br />
Endoskopie<br />
symptomatisch<br />
lokal, da meist<br />
viral<br />
Endoskopie bei<br />
Heiserkeit >2<br />
Wochen zum<br />
Ausschluß<br />
Neoplasie<br />
Klinik Diagnose Therapie Bemerkungen<br />
Schwellungen der<br />
Drüsen, nicht<br />
zwingend dolent,<br />
reduzierter<br />
Speichelfluß,<br />
Mundtrockenheit<br />
Schwellungen bes.<br />
der Gl. parotis<br />
Klinik,<br />
Histologie,<br />
Sono<br />
Histologie,<br />
NMR<br />
Anregung des<br />
Speichelflusses,<br />
Antiphlogistika,<br />
Antibiose mit<br />
Cephalosporinen der<br />
1.+ 2. Generation,<br />
Clindamycin<br />
beim Hämato-<br />
Onkologen<br />
evt. Speichelsteine<br />
(Schwellung abhängig<br />
von der<br />
Nahrungsaufnahme)
Zahnärztliche Krankheitsbilder<br />
Gernot Eigel<br />
Aufgrund des frühzeitigen Auftretens intraoraler Manifestationen bei <strong>HIV</strong>-Positiven ist auch der<br />
Zahnarzt bei Diagnose und Therapie gefordert. Die häufigste <strong>HIV</strong>-assoziierte Erkrankung<br />
überhaupt ist die orale Candidainfektion. Eine regelmäßige Kontrolle ist wegen der zahl- und<br />
artenreichen Keimbesiedlungder Mundhöhle in maximal halbjährlichem Abstand zu empfehlen.<br />
Die Recallintervalle sind abhängig von der Mundhygiene zu wählen.<br />
Beim Auftreten von Symptomen ist rechtzeitig und vor allem ausreichend antibiotisch zu<br />
therapieren!<br />
Diagnose und Therapie der oralen Haarleukoplakie, Candida, des Herpes simplex, Sicca-<br />
Syndroms und des Kaposi-Sarkoms sind in den Kapiteln Dermatologische Krankheitsbilder und<br />
HNO-Manifestationen beschrieben.<br />
Die Angst vieler Zahnärzte vor einer Infektion während einer Behandlung ist<br />
unbegründet und eine normale Infektionsprophylaxe völlig ausreichend. Kein Patient ist<br />
einem erhöhten Risiko ausgesetzt, wenn die geltenden Hygienerichtlinien beachtet<br />
werden.<br />
Erkrankung Klinik Diagnose Therapie Prophylaxe<br />
Gingivitis<br />
simplex<br />
Linear gingiva<br />
erythema (auch<br />
"red-bandgingivitis")<br />
Umschriebene<br />
Schleimhautentzündung<br />
meist von einem oder<br />
mehreren Zänhnen<br />
ausgehend<br />
2-3mm breiter, meist an<br />
allen Zahnhälsen<br />
folgender Streifen stark<br />
geröteter Gingiva<br />
Stomatitis Entzündung der<br />
beweglichen<br />
Schleimhaut mit allen -<br />
itis-Zeichen, bei<br />
ulzerösen Formen<br />
Foetor ex ore, starke<br />
Schmerzen<br />
Akute<br />
Parodontitis<br />
Marginale subgingivale<br />
Entzündung des<br />
Saumepithels, erhöhte<br />
Beweglichkeit eines<br />
oder mehrerer Zähne,<br />
radiologisch verbreiteter<br />
Parodontalspalt oder<br />
vertikale<br />
Knocheneinbrüche<br />
Klinik bei<br />
pyogener<br />
Gingivitis,<br />
Kultur<br />
Klinik<br />
Klinik,<br />
Kultur<br />
Klinik,<br />
Radiologie<br />
Curettage,<br />
Wiederherstellung<br />
einer suffizienten<br />
Mundhygiene<br />
aggresive Therapie<br />
mit Antibiotika:<br />
Clindamycin,<br />
Amoxicillin oder<br />
Metronidazol<br />
s.o., 3%ige<br />
Wasserstoffperoxidlösung,<br />
Gentiana-Violett,<br />
Chlorhexidlösung, bei<br />
Desquamation<br />
Abtragung der Beläge,<br />
Analgetika<br />
Curettage, evtl.<br />
weitergehende syst.<br />
Parodontalbehandlung<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
Mundhygieneinstruktion<br />
mit regelmäßigem<br />
Recall<br />
s.o.<br />
regelmäßige Kontrolle<br />
der Mundhygiene,<br />
Recall in 3-monatigen<br />
Abständen<br />
211
Organspezifische Erkrankungen<br />
212<br />
Akute<br />
nekrotisierende<br />
ulzerierende<br />
Gingivitis<br />
(ANUG)<br />
Ulzeration und<br />
Nekrosen von den<br />
Interdentalpapillen<br />
ausgehend, bis zur<br />
Destruktion<br />
parodontalen Gewebes.<br />
Häufig<br />
Allgemeinsymptome<br />
wie z.B. Fieber und<br />
reduzierter<br />
Allgemeinzustand<br />
Klinik,<br />
Kultur<br />
Breitbandantibiotikum,<br />
sonst wie Stomatitis,<br />
nur flüssige oder<br />
weiche Kost,<br />
Analgetika<br />
Verbesserung der<br />
Mundhygiene<br />
Das im Rahmen eines Immunrekostitutionssyndroms (IRIS) auftretende Kaposi-Sarkom ist<br />
zwar selten (6-7% aller KS-Patienten), bildet sich aber häufig intraoral, so dass auch hier eine<br />
sorgfältige zahnärztliche Kontrolle vor allem in den ersten Monaten einer antiretroviralen<br />
Therapie sinnvoll ist.
"Zerebrale Erkrankungen"<br />
Das Kapitel "Zerebrale Erkrankungen" konnte aus drucktechnischen Gründen leider nicht<br />
ins Buchformat gebracht werden. Gerne können Sie sich zu diesem Thema aber unter<br />
http://www.hivleitfaden.de/cms/index.asp?inst=hivleitfaden&snr=2276<br />
eingehend informieren.<br />
"<strong>HIV</strong>-Infektion bei Kindern"<br />
Das Kapitel "<strong>HIV</strong>-Infektion bei Kindern" konnte aus drucktechnischen Gründen leider nicht<br />
ins Buchformat gebracht werden. Gerne können Sie sich zu diesem Thema aber unter<br />
http://www.hivleitfaden.de/cms/index.asp?inst=hivleitfaden&snr=2278<br />
eingehend informieren.<br />
Organspezifische Erkrankungen<br />
213
Ernährung bei <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
214<br />
Die Ernährung bei <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
Jörg Bechtold<br />
Prinzipiell gibt es für asymptomatische <strong>HIV</strong>-positive Menschen keine andere Empfehlung<br />
zur Ernährung als für <strong>HIV</strong>-negative.<br />
Die Ernährung bei einer <strong>HIV</strong>-Infektion orientiert sich, wie bei anderen Erkrankungen auch,<br />
an der individuellen Situation des Betroffenen (z.B. hohe Viruslast, akute Infektion,<br />
anhaltender Durchfall, Stoffwechselveränderungen, Appetitverlust). Entsprechend den<br />
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ergibt sich daher ein<br />
unterschiedlicher Bedarf an Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralien, sekundäre<br />
Pflanzenstoffe) und Makronährstoffen (Eiweiß, Kohlenhydrate, Fett).<br />
Bei erhöhter Viruslast oder einer akuten Infektion besteht ein erhöhter oxidativer<br />
Stress, so dass vermehrt antioxidative Substanzen dem Körper zugeführt werden<br />
müssen. Die Kampagne '5 am Tag' der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)<br />
zeigt hier auf einfache Weise das richtige Vorgehen:<br />
2 Portionen Obst und 3 Portionen Gemüse oder Salat am Tag bieten genügend<br />
Antioxidantien. Eine Portion kann auch aus einem Glas Obst- oder Gemüsesaft<br />
bestehen. Dieser natürliche Weg ist allemal besser als 'Mega-Dosen' von Vitaminen in<br />
Kapselform einzunehmen, deren Wirkung umstritten ist. Sie sind oft überteuert und der<br />
geschmackliche Genuss fehlt gänzlich.<br />
Eine erhöhte Viruslast erfordert außerdem eine erhöhte Eiweißzufuhr. Statt Eiweißpulver<br />
sollten auch hier natürliche Eiweißquellen bevorzugt werden:<br />
Mageres Fleisch (z.B. 3x/Woche), Fisch (2x/Woche), täglich Milch und Milchprodukte<br />
(Yoghurt, Quark, Käse), Eier (2x/Woche). Außerdem Hülsenfrüchte und Soja<br />
(insbesondere für Lacto-ovo-Vegetarier). Auch Omega-3-Fettsäuren haben eine positive<br />
Wirkung auf das Immunsystem. Reichlich enthalten sind sie in Fischen wie Lachs, Hering,<br />
Makrele, Thunfisch sowie in Raps- und Olivenöl.<br />
Beim Verzehr von rohen Lebensmitteln bzw. rohen Zutaten muss dringend auf<br />
mögliche Infektionen (z.B. Toxoplasmose und Durchfallerreger wie Salmonellen etc.)<br />
geachtet werden.<br />
Zu meiden sind: Tartar, Carpaccio, Sushi, Rohmilchkäse, Dessert mit rohen Eiern wie<br />
Tiramisu und Mousse au chocolat.<br />
Fleisch, Fisch und Geflügel sollten durchgegart gegessen werden, Eier nur durchgekocht.<br />
Außerdem empfiehlt sich dringend das gründliche Händewaschen nach dem Verarbeiten<br />
von o.g. Lebensmitteln in der Küche.<br />
Als Begleitwirkung der HAART kann das so genannte Lipodystrophie-Syndrom<br />
auftreten. Dies kann auch zu Stoffwechselveränderungen wie erhöhten Blutfetten<br />
(Triglyceride und Cholesterin), Blutzuckerwerten und erhöhter Harnsäure führen.<br />
Die Auswirkung dieser erhöhten Blutwerte auf die Gesundheit lassen sich bislang nicht
eindeutig beurteilen. Aus anderen Bereichen der Medizin weiß man allerdings, dass durch<br />
erhöhte Cholesterinwerte das Risiko für Gefäßerkrankungen wie Herzinfarkt und<br />
Schlaganfall deutlich ansteigt, insbesondere bei gleichzeitigem Nikotinkonsum,<br />
Bluthochdruck, Übergewicht und Bewegungsmangel.<br />
Deshalb sollte grundsätzlich der Konsum an tierischem Fett reduziert werden. Es<br />
sollten magere Wurst- und Fleischsorten bevorzugt werden (besser magerer Schinken als<br />
Streichwürste oder Salami mit viel verstecktem Fett). Außerdem sind fettarme<br />
Milchprodukte und vorzugsweise pflanzliche Fette und Öle (Rapsöl, Olivenöl)<br />
empfehlenswert. Besonders cholesterinreich sind Krabben und Geflügelhaut.<br />
Als sehr vorteilhaft haben sich ballaststoffreiche Lebensmittel wie Vollkornprodukte,<br />
Müsli, Gemüse, Kartoffeln und Obst erwiesen. Süßigkeiten sowie Alkohol sollten nur in<br />
geringen Mengen genossen werden.<br />
Nicht zu vernachlässigen ist die günstige Wirkung von regelmäßiger Bewegung und<br />
Ausdauersport (wie z.B. Rad fahren, Joggen, Walken, Schwimmen) auf den gesamten<br />
Stoffwechsel.<br />
Durch die HAART ist das so genannte Wasting-Syndrom (ungewollter hoher<br />
Gewichtsverlust) zur Seltenheit geworden. Hier muss auf eine eiweißreiche und<br />
hochkalorische Nahrung geachtet werden. Wichtige wären hier komplexe Kohlenhydrate<br />
wie Kartoffeln, Nudeln und Reis, sowie viel hochwertiges Eiweiß (s.o.). Auch<br />
energiereiche Getränke (wie Obstsäfte, Milchshakes oder sogenannte Astronautenkost)<br />
sind sinnvoll.<br />
Bestehen Begleiterkrankungen (z.B. der Leber, der Bauchspeicheldrüse oder der Nieren)<br />
muss u. U. die Ernährung entsprechend angepasst werden, dies sollte aber nur nach<br />
Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder einer qualifizierten<br />
Ernährungsberatungsfachkraft erfolgen.<br />
Internet-Adressen zum Thema:<br />
Ernährung bei <strong>HIV</strong>-Infektion<br />
● www.5amtag.de<br />
● www.was-wir-essen.de<br />
● www.vdoe.de<br />
● www.mangelernaehrung-online.de (hier gibt es downloads in mehreren<br />
Sprachen bzgl. HAART und Ernährung)<br />
215
216<br />
Informationen zu <strong>HIV</strong> & AIDS<br />
(in Zusammenarbeit mit der Hautklinik der Universität Heidelberg<br />
und PD Dr. med. Martin Hartmann)<br />
Adresse/Link Beschreibung<br />
17. amerikanische<br />
Kongress über<br />
Retroviren und<br />
opportunistische<br />
Infektionen (CROI)<br />
in San Francisco<br />
CCO<strong>HIV</strong><br />
AIDSinfo<br />
<strong>HIV</strong>.NET<br />
MEDSCAPE<br />
<strong>HIV</strong> AND<br />
HEPATITIS<br />
Offizielle Seite des<br />
Retroviruskongresses mit<br />
virologischen<br />
Schwerpunkt, inkl. Dias,<br />
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Kongressberichten,<br />
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<strong>HIV</strong>. Empfehlenswert!<br />
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amerikanischen<br />
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bietet die offiziellen<br />
Richtlinien,<br />
Fachinformationen zu<br />
den Medikamenten und<br />
Übersicht der Klinischen<br />
Studien<br />
Das Buch <strong>HIV</strong> 2009 (pdf)<br />
ist inzwischen auf die<br />
Seite: www.hivbuch.de<br />
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Nach der kostenfreien<br />
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der Schwerpunkte<br />
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<strong>HIV</strong>/AIDS abgerufen<br />
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Aktuelle Informationen<br />
und Kongressberichte zu<br />
den Themen <strong>HIV</strong>/AIDS<br />
und Hepatitis B/C<br />
inhaltlicher<br />
Schwerpunkt<br />
Sprache Datum Score<br />
Kongreß 05.01.2010 10<br />
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05.01.2010 10<br />
05.01.2010 9<br />
05.01.2010 8<br />
05.01.2010 7<br />
05.01.2010 6
Deutsche AIDS-<br />
Gesellschaft<br />
UCSF<br />
STD-Guidelines<br />
(US)<br />
ROBERT-KOCH-<br />
INSTITUT<br />
UNAIDS<br />
Seite der Deutschen<br />
AIDS Gesellschaft<br />
(DAIG) mit den<br />
deutschen <strong>HIV</strong>-<br />
Therapierichtlinien<br />
Startseite der UCSF<br />
Medical School aus San<br />
Francisco mit News,<br />
zalhreichen<br />
Informationen und dem<br />
laufend aktualisierten<br />
Online Buch "<strong>HIV</strong> InSite<br />
Knowledge Base"<br />
Die amerikanischen<br />
Richtlinien (2006) zur<br />
Therapie der sexuell<br />
übertragenen<br />
Erkrankungen (STD, STI)<br />
zum Download<br />
Seite des Robert-Koch-<br />
Instituts mit<br />
epidemiologischen Daten<br />
zu <strong>HIV</strong>/AIDS in<br />
Deutschland und den<br />
Therapierichtlinien<br />
(auswählen:<br />
Infektionskrankheiten,<br />
dann <strong>HIV</strong>/AIDS)<br />
Epidemiologische Daten<br />
weltweit mit jährlicher<br />
Aktualisierung und Links<br />
zu den weltweiten<br />
Aktivitäten<br />
wird aktualisiert....<br />
Therapie<br />
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Epidemiologie<br />
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Epidemiologie<br />
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05.01.2010 5<br />
05.01.2010 4<br />
05.01.2010 3<br />
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218<br />
Deutschsprachige Bücher:<br />
Literaturliste<br />
● Ahrens J, Bieniek B, Merkenich KU. Aktiv gegen das Virus. Infomed Berliner<br />
AIDS Hilfe 2006<br />
● Arendt G, Neurologische Komplikationen bei Menschen mit <strong>HIV</strong> und AIDS.<br />
Deutsche AIDS Hilfe 2009<br />
● Dressler S, <strong>HIV</strong>/AIDS Taschenlexikon. Berlin 2008<br />
● Exner-Freisfeld H, Soziale Absicherung bei <strong>HIV</strong> und AIDS. VAS 2004<br />
● Herkommer H. Kompaß <strong>HIV</strong> und AIDS, Ein Handbuch für Betroffene und<br />
Berater. Bremm Verlag 2000<br />
● Hösl J, Soziale und rechtliche Aspekte bei <strong>HIV</strong>. 2007<br />
● Hoffmann C; Rockstroh J, Kamps B (Hrsg.), <strong>HIV</strong>.NET 2009. Steinhäuser Verlag<br />
2009 (www.hivbuch.de)<br />
● Hoffmann C (Hrsg.), Neue Wirkprinzipien in der <strong>HIV</strong>-Therapie. Uni-Med 2008<br />
● Husstedt I W, <strong>HIV</strong> und Aids. Fachspezifische Diagnostik und Therapie.<br />
Springer Verlag 2002<br />
● Jäger H (Hrsg.), Entry Inhibitoren: Neue Formen der <strong>HIV</strong>-Therapie. Springer<br />
2008<br />
● Jessen H, Jäger H (Hrsg.), Primary <strong>HIV</strong> Infection. Thieme 2005<br />
● Jäger H; Mauss, S (Hrsg.), AIDS-Lipodystrophie. Thieme Verlag 2001<br />
● Rockstroh J, Spengler U, Opportunistische Infektionen und Tumore im<br />
Verlauf der <strong>HIV</strong>-Infektion. UNI-MED Verlag 2003<br />
● Rockstroh J, Mauss S, Jäger H (Hrsg.), Koinfektion Hepatitis und <strong>HIV</strong>.<br />
Thieme 2010<br />
● Salzberger B, Fätkenheuer G, Aktuelle <strong>HIV</strong>-Therapie. Uni-Med 2004<br />
● Wintergerst U, <strong>HIV</strong>-Infektion im Kindes- und Jugendalter. Uni-Med 2002<br />
Deutschsprachige Periodika<br />
<strong>HIV</strong>-Report<br />
Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (Hrsg.)<br />
Dieffenbachstraße 33<br />
Tel.: 030/690087-0 - Fax: 030/690087-42<br />
http://www.aidshilfe.de<br />
Projekt Information (3-4 mal jährlich)<br />
Projekt Kurzinfo (6-8 mal jährlich)<br />
Projekt Information e.V. (Hrsg.)<br />
Buttermelcherstraße 15<br />
80469 München<br />
Tel.: 089/21949620 - Fax: 089/21949620<br />
http://www.projektinfo.de
<strong>HIV</strong> & more<br />
Berg-Isel-Str. 14a<br />
81547 München<br />
E-Mail: redaktion@hivandmore.de Web: www.hivandmore.de<br />
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Mit freundlicher Unterstützung von<br />
ABCD