Berlin – Kopenhagen KENNZEICHEN DK - Tyskland, Berlin
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Wege aus der Isolation<br />
In <strong>Berlin</strong> und <strong>Kopenhagen</strong> wird zu wenig Nord-Süd gedacht <strong>–</strong> bedauert Christoph Stroschein<br />
<strong>Berlin</strong> und <strong>Kopenhagen</strong> sind geographisch,<br />
historisch und kulturell prädestiniert für<br />
eine enge Zusammenarbeit. Leider wird<br />
aber nur recht wenig quer über die Ostsee<br />
gedacht. Während sich <strong>Kopenhagen</strong> immer<br />
noch sehr auf die nordischen Nachbarn<br />
konzentriert, streckt <strong>Berlin</strong> seine Fühler<br />
nach Osten und Süden aus.<br />
Wissen Sie, wie viele tägliche Flugverbindungen<br />
es zwischen <strong>Kopenhagen</strong> und<br />
<strong>Berlin</strong> gibt? Es sind 6 Flugpaare.<br />
Wissen Sie auch, welche Hauptstädte<br />
zweier Nachbarländer in Europa als einzige<br />
keine direkte Zugverbindung haben?<br />
Sie ahnen richtig.<br />
Diese Zugverbindung ist bei all der wilden<br />
Neuordnung in Europa sang und klanglos<br />
verloren gegangen. Dabei wäre sie heute<br />
wegweisend in ihrer Linienführung.<br />
Neptun hieß einer der Züge noch vor 15<br />
Jahren und fuhr von <strong>Kopenhagen</strong> über<br />
<strong>Berlin</strong>, Dresden, Prag bis nach Budapest.<br />
Nord-Süd eben.<br />
Nord-Süd ist im Moment sehr unmodisch.<br />
Ost-West ist das Thema. Europaweit. Es<br />
geht um neue Märkte und alte Geschichte.<br />
Die „alten“ EU-Europäer hoffen oder schließen<br />
tatsächlich Allianzen mit den „neuen“<br />
Europäern, große infrastrukturelle Achsen-<br />
und Knotenpunktmodelle durchqueren die<br />
europäischen Karten aller Strategieplaner.<br />
Treffen, Meetings, Konferenzen im Osten<br />
<strong>KENNZEICHEN</strong> <strong>DK</strong> | 68 AUGUST 2004<br />
<strong>Kopenhagen</strong> erfindet sich gerade neu und zählt bereits zu den zehn trendigsten Städten Europas<br />
bei jedem im Kalender, der etwas auf sich<br />
hält. Das geht jetzt schon seit Jahren so.<br />
<strong>Berlin</strong> ist eben ganz aufgeregt Ost-West.<br />
Die polnische Grenze liegt ja auch nur 80<br />
Kilometer weit entfernt, und es leben ja<br />
auch schon wieder über 100.000 Russen in<br />
der Stadt, wie einst zu Nabokovs Zeiten.<br />
Die 3,5 Millionen Einwohner zählende<br />
Metropole <strong>Berlin</strong> hatte einen Ostseehafen?<br />
Dessen Stadt hat heute 500.000 Einwohner?<br />
Und liegt 120 km von <strong>Berlin</strong> entfernt?<br />
Wenn Sie Menschen auf dem <strong>Berlin</strong>er<br />
Alex fragen, den Namen dieser Stadt wird<br />
Ihnen keiner beantworten können.<br />
Szczecin, ehemals Stettin, mit dem Zweithafen<br />
in Swinoujcie, ehemals Swinemünde,<br />
in der der immer noch wichtigste<br />
Portraitist <strong>Berlin</strong>s und Brandenburgs und<br />
immer noch der am meist gelesene deutsche<br />
Dichter mit einer Jahresauflage um<br />
die 1,5 Millionen Bücher, Theodor Fontane,<br />
seine Kindheit verlebt hat. (Seine Zeit dort<br />
hat er in einem schönen Büchlein „Meine<br />
Kinderjahre“ übrigens verewigt.)<br />
Zu dieser Stadt, die wir hier in <strong>Berlin</strong> alle<br />
nicht kennen, fährt von der 1,5 Millionen<br />
Einwohner zählenden Metropole <strong>Kopenhagen</strong><br />
aus beinahe täglich eine große<br />
Fähre. Nach Stettin gibt es von <strong>Kopenhagen</strong><br />
aus zwei Flugverbindungen. Es gibt<br />
von <strong>Berlin</strong> aus zweimal täglich immerhin<br />
schon zwei Direktzüge, bestehend aus<br />
zwei Anhängern.<br />
Merken Sie schon etwas? <strong>Berlin</strong> hat ein Nord-<br />
Problem. Es gibt den Norden irgendwie nicht<br />
in unseren Köpfen, wenn es nicht unseren<br />
Strandurlaub an der Ostsee betrifft.<br />
Machen wir erst einmal weiter:<br />
Diese Fähreverbindung von <strong>Kopenhagen</strong><br />
nach Stettin gibt es schon seit Beginn des<br />
letzten Jahrhunderts.<br />
Man sprach damals in <strong>Kopenhagen</strong> auch<br />
deutsch, wenn es um Kultur, Philosophie<br />
und Wissenschaft ging. (Übrigens ist einer<br />
der bis heute aufregendsten und immer<br />
noch nicht gänzlich geklärten weltweiten<br />
wissenschaftlichen Dispute immer noch<br />
ein deutsch-dänischer, nämlich der zwischen<br />
Niels Bohr und Werner Carl Heisenberg<br />
im Bereich der Quantenphysik<br />
gewesen.)<br />
Nicht selten befand sich auf dieser Fähre<br />
dann am Wochenende feine <strong>Kopenhagen</strong>er<br />
Gesellschaft, die mit der Dänischen<br />
Dampfschifffahrtsgesellschaft, der DFDS,<br />
nach Stettin fuhr, um dann weiter mit<br />
dem „Theaterzug“ nach <strong>Berlin</strong> zu reisen<br />
und in das Theater zu gehen. Von Stettin<br />
fuhren die Schnellzüge damals stündlich.<br />
Die Strecke <strong>Berlin</strong> <strong>–</strong> Stettin war nach der<br />
Strecke <strong>Berlin</strong> <strong>–</strong> Leipzig noch weit vor der<br />
nach Hamburg die am höchsten frequentierte<br />
<strong>–</strong> Nord-Süd eben. …<br />
foto: dt/henrik stenberg