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LMU – Munich School of Management Magazine – 2005/06

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Emeritierung Pr<strong>of</strong>. Kirsch<br />

Pr<strong>of</strong>essor Werner Kirsch emeritiert<br />

Fortführung seines Wirkens im<br />

Zentrum für organisationstheoretische<br />

Grundlagenforschung<br />

Zum Ende des Wintersemesters <strong>2005</strong>/20<strong>06</strong> wurde Pr<strong>of</strong>essor Werner<br />

Kirsch emeritiert. Er hatte seit 1975, also 31 Jahre lang einen Lehrstuhl<br />

für Betriebswirtschaftslehre an unserer Fakultät inne, deren<br />

Entwicklung er durch seine Arbeit nachhaltig geprägt hat. Pr<strong>of</strong>essor<br />

Werner Kirsch, 1937 in Augsburg geboren, hat an den Universitäten<br />

Köln, FU Berlin und München Betriebswirtschaftslehre studiert. In<br />

München promovierte er 1964 mit einer stark beachteten Arbeit<br />

(„Gewinn und Rentabilität <strong>–</strong> ein Beitrag zur Theorie der Unternehmungsziele“)<br />

bei Pr<strong>of</strong>essor Edmund Heinen und hat damit dessen<br />

berühmt gewordene Ziel- und Entscheidungsforschung erheblich<br />

mitgestaltet. In jener Zeit hat er auch viele wichtige Anstöße zur<br />

Produktionstheorie gegeben, die ihren Niederschlag ebenfalls im<br />

Heinen’schen Forschungsprogramm fanden.<br />

Entwurf der verhaltenswissenschaftlichen<br />

Betriebswirtschaftslehre<br />

Bahnbrechend war dann die Habilitationsschrift von Pr<strong>of</strong>essor<br />

Werner Kirsch im Jahre 1968 („Entscheidungen und Entscheidungsprämissen<br />

in der Unternehmungsorganisation <strong>–</strong> Elemente<br />

einer deskriptiven Theorie der Individualentscheidung“),<br />

die 1970/71 als dreibändiges Werk („Entscheidungsprozesse“)<br />

erschien, 1977 in zweiter durchgesehener Auflage. In diesem<br />

grundlegenden Werk sowie in einer Reihe bedeutender Aufsätze<br />

und ergänzender Forschungsprojekte und Lehrwerke hat Pr<strong>of</strong>essor<br />

Werner Kirsch in jenen Jahren im deutschen Sprachraum die<br />

verhaltenswissenschaftliche Betriebswirtschaftslehre etabliert und<br />

damit den Anschluss an die internationale und interdisziplinäre<br />

Entscheidungs- und Organisationsforschung hergestellt. Dabei<br />

bezog er in seinen beeindruckenden Gesamtentwurf z.B. die Arbeiten<br />

von Pr<strong>of</strong>essor Herbert Simon und Pr<strong>of</strong>essor James March<br />

genauso ein wie zahlreiche individual- und sozialpsychologische<br />

sowie politologische Erkenntnisse. Konsequent öffnete er das Bild<br />

der Betriebswirtschaftslehre vom Verhalten in und von Unternehmen<br />

zu den sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen und löste<br />

damit intensive, sehr fruchtbare Diskussionen aus. Wenn heute<br />

in der Volkswirtschaftslehre unter den Stichworten behavioral<br />

economics oder behavioral finance die Überwindung des homo<br />

oeconomicus auf der Basis von sozialpsychologischen Erkenntnissen<br />

insbesondere aus der experimentellen Wirtschaftsforschung<br />

sogar mit Nobelpreisen gefeiert wird, dann sollte man nicht vergessen,<br />

dass Pr<strong>of</strong>essor Werner Kirsch bereits vor knapp 40 Jahren<br />

diese Wende für die betriebswirtschaftliche Entscheidungs- und<br />

Organisationsforschung eindruckvoll vollzogen hat. Viele junge<br />

Wissenschaftler weit über München hinaus ließen sich von diesem<br />

Blickwechsel anstecken und haben so zur Verbreiterung und<br />

Vertiefung der wissenschaftlichen Basis unseres Faches beigetragen.<br />

Die Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre in Deutschland<br />

wäre ohne die verhaltens- und sozialwissenschaftliche Intervention<br />

von Pr<strong>of</strong>essor Werner Kirsch in den späten 60er, den 70er und<br />

den 80er Jahren signifikant anders verlaufen.<br />

Akademischer Weg<br />

Unmittelbar nach seiner<br />

Habilitation übernahm Pr<strong>of</strong>essor<br />

Werner Kirsch 1969<br />

im Alter von gerade einmal<br />

31 Jahren einen Lehrstuhl für<br />

Betriebswirtschaftslehre in<br />

der Universität Mannheim,<br />

wo er mit großem Schwung<br />

ein völlig neuartiges Forschungs-<br />

und Lehrprogramm<br />

in den Gebieten Logistik, Organisation<br />

und Führung implementierte.<br />

1975 nahm er<br />

den Ruf auf einen Lehrstuhl<br />

an unserer Fakultät an. Hier<br />

befasste er sich zunächst im<br />

Rahmen des Instituts für Organisation<br />

mit Fragen der Un-<br />

ternehmensplanung als wichtiger Dimension der Unternehmensführung.<br />

Später bündelte er sein Lehr- und Forschungsprogramm<br />

rund um das strategische <strong>Management</strong>. Seit einigen Jahren leitet<br />

er das Institut für Unternehmenspolitik und strategische Führung.<br />

Rufe an die Universität der Bundeswehr München, FU Berlin und<br />

Universität St. Gallen lehnte er ab. Nicht nur in dieser „Nachfrage“<br />

auf dem Hochschullehrermarkt schlägt sich die große Resonanz<br />

nieder, die sein Wirken fand, sondern auch in zwei bedeutenden<br />

Ehrenpromotionen (Universität Witten-<br />

Herdecke und Universität St. Gallen).<br />

Kreativer Unruhegeist<br />

Werner Kirsch wäre nicht Werner Kirsch,<br />

wenn er es bei den großen Leistungen der<br />

ersten ca. zwei Jahrzehnte seines wissenschaftlichen<br />

Wirkens belassen hätte. Kirsch<br />

ist im besten Sinne ein Nonkonformist,<br />

der stets danach strebt, sich verfestigende<br />

Erkenntnismodelle zu hinterfragen, zu<br />

erweitern und pluralistisch zu ergänzen.<br />

Daher hat er in den vergangenen beiden<br />

Jahrzehnten seine Forschungsinteressen<br />

wie auch seine Lehrschwerpunkte ständig<br />

weiterentwickelt. Dabei hat er sich mit Fragen<br />

der gesellschaftlichen Modernisierung,<br />

Rationalität und Legitimität (aufbauend<br />

u.a. auf Max Weber und Jürgen Habermas)<br />

ebenso grundlegend befasst wie mit den<br />

Voraussetzungen und Grenzen sozialwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung,<br />

mit der Ökologie des Wissens oder mit neueren<br />

Entwicklungen der Systemtheorie (z.B. Selbstreferenz und Evolution<br />

von Systemen). In zahlreichen Werken hat er zusammen<br />

mit seinen Schülern die Notwendigkeit und die Möglichkeit eines<br />

Einbezugs derartiger Perspektiven in eine betriebswirtschaftliche<br />

Führungslehre untersucht und dabei viele neuartige Denkanstöße<br />

gegeben. Dieses ständige Bemühen, die Grundlagen unseres<br />

Faches zu vertiefen, endet nicht mit seiner Emeritierung. Werner<br />

Kirsch hat zusammen mit unserem Honorarpr<strong>of</strong>essor Clemens<br />

Börsig (Vorstand Deutsche Bank) und seinen Mitarbeitern Dr. David<br />

Seidl und Dominik van Aaken an unserer Fakultät ein Zentrum<br />

für organisationstheoretische Grundlagenforschung gegründet, in<br />

dem seine Projekte und Ideen umfassend weitergeführt werden<br />

(vgl. gesonderte Meldung auf Seite 32).<br />

Pr<strong>of</strong>essor Werner Kirsch gehört zu der Gruppe betriebswirtschaftlicher<br />

Hochschullehrer, für die anspruchsvolle wissenschaftliche<br />

Arbeit und Engagement in der Praxis keine Gegensätze,<br />

sondern sich ergänzende Größen bei Wahrung gegenseitiger Unabhängigkeit<br />

sind. Pr<strong>of</strong>essor Werner Kirsch wirkt in Aufsichtsgre-<br />

mien verschiedener Unternehmen mit, hat über viele Jahre eine<br />

Unternehmensberatung betrieben, führt Praxis und Wissenschaft<br />

in Forschungsprojekten zusammen und hat nicht zuletzt das anspruchsvolle<br />

Projektstudium seiner Studenten, aus dem auch die<br />

Praxis Honig zu saugen vermag, zu einem Markenzeichen seines<br />

Lehrkonzepts gemacht. Innovationen in Lehre und Studienbetrieb<br />

hat Pr<strong>of</strong>essor Werner Kirsch stets gefördert und vorbildlich praktiziert,<br />

sei es im Bereich interaktiver Lehrformen in Lehrbüchern, in<br />

der Universität, in der Praxis, bei ihm zu Hause oder im Andechser<br />

Bräustüberl, sei es bei den verschiedenen Reformstufen der Diplom-,<br />

Bachelor-, Master- und Doktorandenstudiengänge unserer<br />

Fakultät. Zahlreiche seiner Schüler sitzen heute <strong>–</strong> ausgerüstet mit<br />

Kirschs unvergleichlicher Mischung aus Grundlagenwissen und<br />

praxisorientierter Handlungskompetenz <strong>–</strong> an entscheidenden Stellen<br />

in Wirtschaft und Wissenschaft.<br />

Verbundenheit zur Fakultät<br />

Emeritierung Pr<strong>of</strong>. Kirsch<br />

Links oben: Werner Kirsch im Andechser Bräustüberl. Links unten: Erster Lehrstuhlausflug 1970.<br />

Oben: Dominik van Aaken, Clemens Börsig, Werner Kirsch und David Seidl (vlnr) bei der Eröffnung des<br />

Zentrums für organisationstheoretische Grundlagenforschung<br />

Die Kollegen seiner Fakultät danken Pr<strong>of</strong>essor Werner Kirsch<br />

für viele Jahre engagierter und authentischer Zusammenarbeit,<br />

die durch Offenheit und Kirsch’sche Kreativität, auch manchmal<br />

durch produktiven Konflikt, jedoch stets vom gemeinsamen Ziel<br />

einer Stärkung der Zukunftsfähigkeit und fachlichen Positionierung<br />

unserer Fakultät getragen war. Wir freuen uns, dass er im<br />

Sommersemester 20<strong>06</strong> seine Funktionen in Lehre und Verwaltung<br />

fortzusetzen bereit ist, und wünschen uns, dass er der Fakultät<br />

als Kollege, Wissenschaftler und Ratgeber eng verbunden bleibt.<br />

Arnold Picot<br />

18 | <strong>LMU</strong> <strong>–</strong> <strong>Munich</strong> <strong>School</strong> <strong>of</strong> <strong>Management</strong> <strong>Magazine</strong> <strong>–</strong> <strong>2005</strong>/<strong>06</strong> <strong>LMU</strong> <strong>–</strong> <strong>Munich</strong> <strong>School</strong> <strong>of</strong> <strong>Management</strong> <strong>Magazine</strong> <strong>–</strong> <strong>2005</strong>/<strong>06</strong> | 19

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