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BRIEF AN DEN LIEBEN GOTT - wiki

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<strong>BRIEF</strong> <strong>AN</strong> <strong>DEN</strong> <strong>LIEBEN</strong> <strong>GOTT</strong>Wenn dieser Brief anlässlich meiner Abdankungsfeier verlesen wird, bin ichschon nicht mehr unter den Lebenden, sondern vielleicht schon bei Dir. Ich sagevielleicht. Denn zeitlebens habe ich angestrengt über die Frage nachgedacht, obes Dich gibt oder nicht. Eine eindeutige Antwort habe ich nie gefunden. Es gabschwere Augenblicke des Zweifels und tröstliche Augenblicke des Glaubens.Oft hatte ich ehrlich gewünscht, dass es Dich gibt, und zwar besonders darum,damit ich jemandem dafür danken konnte, dass mir ein relativ glückliches Lebenbeschieden war.Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder gibt es Dich nicht – dann ist esjetzt für mich einfach für ewig dunkel geworden, dann brauche ich mir auchkeine Gedanken mehr über das Nachher zu machen.Oder es gibt Dich. Dann bin ich jetzt vielleicht in eine wunderbar helle Welteingetreten und werde mich vor Deinem Angesicht wiederfinden. Das wäreschön. Denn dann könnte ich all die vielen Fragen, die mich während meinesirdischen Lebens bewegt haben, an Dich selber richten, dann würde ich Antwortfinden auf all meine Fragen und würde endlich die einzig wahre Wahrheiterfahren, um die ich mich so sehr bemüht habe. Das müsste ein ungeheuerglücklicher Augenblick für mich sein. Er wurde mir die Ewigkeit zum Festmachen. Wie es kommen wird, so oder so, weiss ich nicht. Aber ein bisschenneugierig bin ich schon.Ich habe mich immer wieder gefragt, wo Du sein könntest. Es gibt diese ganzgewaltige Schöpfung, diesen unendlichen Kosmos und diese kleine Erde mitihren Menschen. Wo könntest Du sein, wenn es Dich gibt? Irgendwo ausserhalbdes Weltalls? Das hiesse, dass das Weltall endlich und begrenzt ist und Duausserhalb von ihm. Aber das wissen wir nicht. Sicher ist nur, dass es dieseSchöpfung gibt, und also müsste es wohl auch einen Schöpfer geben, eineschöpferische Macht und Kraft, die das alles geschaffen hat. Wo ist dieserSchöpfer heute? Ausserhalb des Kosmos kann er nicht sein, wenn es keinausserhalb gäbe.Und wo sind die Milliarden verstorbener Menschen‘? Im Himmel oder — wennes sie gäbe in der Hölle?Aber sie sind alle verwest und vermodert oder zur Asche verbrannt. Und wosind ihre Seeelen, ihr Geist? Sind sie mit dem Leib für immer untergegangen?Was hätte dieses Leben dann für einen Sinn?Ich vermute, dass es den Zwiespalt zwischen Schöpfer und Schöpfung gar nichtgibt. Der Schöpfer und die Schöpfung sind vermutlich eins. Und als Teil derSchöpfung sind auch wir eine Ausformung des Schöpfers. Er ist auch in uns undwir in ihm. Als Inbild des Schöpfers empfängt der Mensch seine Werde, die


unantastbar und unverletzbar ist und bleiben muss. Was wir dem MenschenBöses antun, tun wir Gott an. Und darum ist die Verletzung der Menschenwürdedie grösste Sünde, die der Mensch begehen kann.Bei meiner Geburt bin ich der Schöpfung entsprungen und bei meinem Todekehre ich wieder in die Schöpfung zurück und lebe in tausend sich wandelndenFormen weiter. In diesem kosmischen Bewusstsein habe ich schliesslich gelebtund bin ich gestorben. Dies ist mein Glaube. Einen besseren und schönerenkenne ich nicht. Nun ich gestorben bin, weiss ich vielleicht, wie es wirklich ist.«Warum soll ich Angst haben, dass mein Schiff untergeht, wo doch Gott dasMeer ist, in das es versinkt?»Seid nicht traurig, wie ich es auch nicht bin. Wie immer es mir jetzt geht, es gehtmir gut. Auch Ihr werdet eines Tages sterben, und dann begegnen wir uns alleim Schöpfer wieder.Mit letzten Grüssen.»Eduard Stäuble wünschte, dass dieser Brief an seiner Abdankungsfeier verlesen werde.

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