Logik, Moral, Magie. - German Design Council
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PersöNLichKeit . PersoNaLity – PhoeNix DesigN<br />
<strong>Logik</strong>, <strong>Moral</strong>, <strong>Magie</strong>.<br />
Andreas Haug und Tom Schönherr über Phoenix <strong>Design</strong>. Ein Gespräch.<br />
Logic, morality, magic.<br />
Andreas Haug and Tom Schönherr in conversation on Phoenix <strong>Design</strong>.<br />
18
PersöNLichKeit . PersoNaLity – PhoeNix DesigN<br />
stuttgart-baD caNNstatt, KöLNer strasse. Lokales Handwerk, Baumaschinenverleih,<br />
Schmuckgroßhandel, eine Würth-Niederlassung, die private Akademie für Kommunikation<br />
und – Phoenix <strong>Design</strong>. In dem kleinen Gewerbegebiet ist das <strong>Design</strong>büro seit über zwanzig Jahren<br />
ansässig. Der eher unspektakuläre Bau aus den 1980er Jahren offenbart dem Besucher erst später,<br />
im Inneren, seine Vorzüge – die Dachterrasse mit charmantem Blick aufs Neckartal, die großzügige, mit<br />
modernen CNC-Maschinen ausgestattete Modellbauwerkstatt oder die hellen Räume, die den insgesamt<br />
30 Mitarbeitern eine angenehme Arbeitsatmosphäre bieten. Phoenix <strong>Design</strong> gilt vielen Kennern<br />
als Deutschlands erfolgreichstes <strong>Design</strong>büro, obwohl oder gerade weil sich dessen Gründer Andreas<br />
Haug und Tom Schönherr nicht in den Vordergrund drängen, sondern schon immer die leisen Töne bevorzugen,<br />
gegen den zunehmenden Trend des Lauten. Wir treffen uns am 16. September 2011, ein Freitag.<br />
Wir sprechen darüber, was <strong>Design</strong> erfolgreich macht und damit gleichzeitig auch über den Erfolg von<br />
Phoenix <strong>Design</strong>. Ein Gespräch über <strong>Logik</strong>, <strong>Moral</strong> und <strong>Magie</strong>.<br />
AUTOR . AUTHOR<br />
19<br />
[ stePhaN ott ]<br />
KöLNer strasse, baD caNNstatt, Nr. stuttgart. We find ourselves sur-<br />
rounded by local trades, a construction machine rental, a jewellery wholesaler, a Würth outlet, the private<br />
Academy for Communication, and – Phoenix <strong>Design</strong>. The studio has been based in this small commer-<br />
cial estate for more than 20 years. Unspectacular from the outside, the 1980s building does not reveal<br />
its real qualities until we step inside: The roof patio affords a charming view over the Neckar Valley,<br />
the generously dimensioned model workshop features state-of-the-art CNC machines, and the bright<br />
rooms provide a pleasant working environment for the overall 30 employees. Many experts regard<br />
Phoenix <strong>Design</strong> as <strong>German</strong>y’s most successful design studio, even though or perhaps precisely because<br />
its founding members Andreas Haug and Tom Schönherr have always preferred subtlety over flashiness<br />
in an attempt to counteract the growing trend of bold brashness. Our interview was scheduled for<br />
September 16, 2011, a Friday, and we talked about what makes design successful and in this sense also<br />
about the success of Phoenix <strong>Design</strong>. A discussion about logic, morality and magic.
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PhoeNix ist DesigN Das Gestaltungscredo von Phoenix <strong>Design</strong> ist nicht zu übersehen.<br />
Der Dreiklang <strong>Logik</strong>, <strong>Moral</strong> und <strong>Magie</strong> empfängt den Eintretenden in großen roten Lettern und begegnet<br />
einem immer wieder. Wie lässt sich mit dieser Maxime der spezifische Gestaltungsansatz von Phoenix<br />
<strong>Design</strong> erklären, und wie lässt sich auf diese Weise auch etwas über die Gründer erfahren? Gibt es, um<br />
mit dem ersten Begriff anzufangen, eine Verbindung zwischen der <strong>Logik</strong> und dem Vogel Phoenix, der sich,<br />
so der Mythos, immer wieder selbst hervorbringt und erneuert? „Ein wesentlicher Aspekt ist, dass wir<br />
immer versuchen, die Dinge in einen Kontext zu stellen. Wir entwerfen Produkte, die natürlich auch für<br />
sich gesehen funktional und ästhetisch sind. Doch darüber hinaus bringen wir jeden Entwurf in einen<br />
entsprechenden Zusammenhang. Mit Zusammenhang meinen wir beispielsweise, dass das Produkt zur<br />
Marke passt und sich in ein Sortiment einfügt. Und auch, dass es, wie zum Beispiel ein Lichtschalter<br />
oder eine Armatur, in Räumen installiert wird, in denen es sich jahrzehntelang bewähren muss und nicht<br />
schnell wieder ausgetauscht wird – solche Dinge spielen für uns eine gewichtige Rolle“, erklärt Andreas<br />
Haug. „Ein Produkt muss immer begründbar sein, man muss auf Anhieb erkennen, wozu es dient und wie<br />
es funktioniert. Das ist ganz entscheidend. Heute sind Produkte häufig auch mit Funktionen überladen.<br />
Wir vertreten die Ansicht, dass es besser ist, die Dinge so zu gestalten, dass man sie auf Anhieb versteht<br />
und einfach handhaben kann. Eine Kamera sollte im <strong>Design</strong> etwas Allgemeingültiges und Archetypisches<br />
haben, sie sollte gut bedienbar sein und dann sollte man ihr auf den ersten Blick ansehen, aus<br />
welchem Hause sie stammt beziehungsweise für welche Marke sie steht. Unser <strong>Design</strong> ist vom Ansatz<br />
her komplex und integrativ, das heißt, es schließt auch das Interface <strong>Design</strong> und das Corporate <strong>Design</strong><br />
mit ein.“ Einem Ding sei wesentlich, Bestandteil eines Sachverhalts sein zu können,<br />
befand einst Ludwig Wittgenstein in seiner „Logisch-philosophischen Abhandlung“. Phoenix <strong>Design</strong><br />
PhoeNix is DesigN Phoenix <strong>Design</strong>’s company motto can hardly be overlooked. The<br />
triad of logic, morality and magic greets us in giant red letters as we enter the building, and many more<br />
times thereafter. In what way does their philosophy illustrate Phoenix <strong>Design</strong>’s specific approach to<br />
design, and what does it reveal about those who founded it? Beginning with the first concept, is there a<br />
connection between logic and Phoenix, the bird that, according to legend, rises from its own ashes,<br />
thus renewing itself perpetually? “A central aspect of our work is that we always seek to place things within<br />
a context. Obviously we design products that are functional and aesthetic in their own right. But we<br />
equally strive to place each of our designs in its appropriate context. What we mean by this is that the product<br />
matches a particular brand and fits within a certain product range, for example. Also, once they<br />
have been installed, items such as a light switch or a faucet will have to prove their worth in their given<br />
surroundings and not be replaced again quickly – it’s things like these that matter for us,” explains<br />
Andreas Haug. “A product always needs to have a reason behind it, it’s important that we immediately<br />
grasp what it is for and how it works. This is absolutely essential. Products tend to have far too many<br />
functions today. Which is why we favour the view that it is better to design items such that they can be<br />
grasped immediately and are simple to use. Good camera design is about conveying universal and<br />
archetypal qualities, a camera should be easy to operate and communicate at first sight where it was<br />
produced or what brand it represents. Our approach to design is complex and integrative, in other<br />
words, it equally includes interface design and corporate design.” If things can occur<br />
in states of affairs, this possibility must be in them from the beginning, Ludwig Wittgenstein argued in
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liefert – ohne theoretische Überfrachtung und ohne sich explizit auf einen Philosophen zu beziehen –<br />
die praktische Übersetzung, indem das Büro vor allen Dingen die Sachverhalte genauer betrachtet.<br />
Andreas Haug: „Wir beobachten mehr und mehr, dass auch größere Unternehmen mit dem Anliegen auf<br />
uns zukommen, dass wir mit unserer Erfahrung und dem Blick von außen das <strong>Design</strong> und die Sorti-<br />
mente analysieren. Welche Stärken sehen wir, aber auch: welche Schwächen sind erkennbar? An dieser<br />
Stelle setzen wir an: Stärken zu unterstützen und dort zu verbessern, wo wir Schwächen wahrnehmen.<br />
Bevor ein konkretes Produkt entwickelt wird, passiert daher alles Entscheidende in der Konzept- und<br />
Planungsphase. Dieser Prozess liegt jedem Produkt zugrunde, das wir entwerfen. Was hinterher so<br />
aussieht, als sei es mit leichter Hand skizziert, ist in Wirklichkeit ein langwieriger, kreativer und intensiver<br />
Prozess, der sich sehr eng mit unseren Kunden vollzieht. Wir betrachten unsere Kunden als Partner<br />
und umgekehrt, auch das ist unerlässlich für ein erfolgreiches <strong>Design</strong>.“ Wie gewinnt<br />
man aber mit diesem analytischen, strukturierten und beurteilenden Ansatz Unternehmen, die auch<br />
mit anderen <strong>Design</strong>ern arbeiten und von diesen mitunter ganz bewusst ein Autorendesign suchen, dem<br />
Trend folgende Entwürfe erwarten? „Das ist überhaupt nicht schwierig“, ist Tom Schönherr überzeugt.<br />
„Auch wir entwerfen ja Dinge, die signifikant sind und die sich, wenn sie auf den Markt kommen, deutlich<br />
unterscheiden. Nur entspringt das nicht der Idee als solcher, ein „lautes“ <strong>Design</strong> zu machen, sondern<br />
unsere Formensprache resultiert aus unserer Haltung und weil wir gefordert sind, neue Antworten<br />
auf die Fragen in einer bestimmten Zeitströmung zu finden. Lassen Sie uns doch einmal Duravit anschauen,<br />
ein Unternehmen, das seit vielen Jahren zu unseren Stammkunden zählt. Vor etwa 20 Jahren<br />
haben wir erlebt, dass sich das Bad wandelte – von einem reinen Funktionsraum zu einem Ort, der<br />
mehr mit Wellness, individuellem Stil und Genuss zu tun hat. Die Bedürfnisse der Menschen fingen an,<br />
his “Tractatus Logico-Philosophicus”. Phoenix <strong>Design</strong> puts this maxim into practice simply by studying<br />
the given environment in detail – without theoretical overload or focusing explicitly on a particular<br />
philosopher. Andreas Haug: “We are noticing more and more that even large companies approach us<br />
with the request to analyse their design and product ranges using our experience and outside perspec-<br />
tive. What strengths do we notice, but also: What are the weaknesses? This is where we come in. We pro-<br />
mote their strengths and tackle the areas where there are weaknesses. All the essential decisions are<br />
therefore made during the concept and planning phase, long before the actual product is designed. This<br />
process forms the basis for each product we design. What eventually gives the impression of having<br />
been sketched casually is in fact the result of a long, creative and intensive process that closely involves<br />
our clients. We perceive our clients as partners as they do us, and that too is fundamental to making<br />
successful design.” But with this analytical, structured and evaluating approach,<br />
how do you win companies as clients that also work with other designers, at times quite deliberately<br />
seeking a one-off design and expecting designs that follow a particular trend? “That’s no problem at all,”<br />
Tom Schönherr says with conviction. “After all, we too design items that are significant and very distin-<br />
guishable when they come to market. The only difference is that we do not set out with the intention of<br />
creating “bold” designs; rather our formal vocabulary is informed by our attitude and the fact that we<br />
have to find new answers to questions within a particular fashion. Let’s take a look at Duravit, a company<br />
that has been a regular client of ours for many years. About 20 years ago the bathroom underwent a<br />
change – morphing from somewhere solely expected to fulfil a certain function to a room that has more
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sich zu ändern, sie wollten sich im Bad mit Dingen umgeben, die nicht mehr so rigide und funktional<br />
wirken. Dies haben wir sehr früh wahrgenommen und mit unserem <strong>Design</strong> einen neuen, zukunftsweisenden<br />
Impuls gegeben. In den 1980er Jahren gab es entweder modern-dekorative oder rein architektonische<br />
Entwürfe; mit unserer Serie Caro für Duravit haben wir das architekturhafte, das ja auch schlicht<br />
und dauerhaft ist, beibehalten. Wir haben die Frontseite des Waschbeckens aber sehr viel sinnlicher und<br />
eleganter interpretiert. „Das war 1988, und Caro wird heute noch produziert“, fügt Andreas Haug an.<br />
„Der Entwurf hat in die Zeit gepasst – aber auch in die Zeit danach.“ Allmählich, so scheint es, nähern<br />
wir uns der <strong>Moral</strong>. Zuvor gilt es jedoch noch eine Frage zu klären, die sich bei jeder<br />
Recherche zu Phoenix <strong>Design</strong> unweigerlich stellt. 2012 feiert Phoenix <strong>Design</strong> sein 25-jähriges Jubiläum.<br />
Zwar gibt es eine gut gestaltete Firmenbroschüre, jedoch bis dato kein monografisches Werk, keine Publikation,<br />
das die Arbeit des erfolgreichen Büros dokumentierte oder dessen Geschichte erzählte. Verwunderlich<br />
in einer Zeit, in der – überspitzt gesagt – <strong>Design</strong>er bereits Bücher publizieren, bevor sie<br />
überhaupt ein einziges Serienprodukt entworfen haben. Zwar habe man eine Buchidee schon öfter an<br />
sie herangetragen, so Tom Schönherr, aber: „Ein Buch ist ja auch immer ein Abschluss. Da schreibt<br />
man dann etwas fest.“ „Wir dachten, es sei zu früh“, ergänzt Andreas Haug.<br />
Das entbehrt, wen wundert es, nicht der <strong>Logik</strong>. Ein Abschluss lässt sich weder so recht mit dem Bild<br />
des sich immer wieder erneuernden Phoenix vereinbaren noch mit einem <strong>Design</strong>ansatz, der sich zum<br />
Ziel gesetzt hat, Produkte zu entwerfen, die, siehe oben, „in die Zeit passen und in die Zeit danach“.<br />
Eine Festschrift würde da schnell zu einer Festschreibung, und eine solche entspricht nicht der <strong>Logik</strong><br />
von Phoenix <strong>Design</strong>.<br />
to do with wellness, individual style and pleasure. As people’s needs began to change, they wanted<br />
things in the bathroom that seemed less rigid and functional. We identified this trend very early on and<br />
helped through our design to advance it further. In the 1980s you did not find either modern, decorative<br />
or purely architectural designs; with our Caro series for Duravit we retained the architectural feel,<br />
which is, after all, simple and enduring. But we gave the front of the washbasin a much more sensual<br />
and elegant interpretation. “That was 1988, and Caro is still produced today,” adds Andreas Haug. “The<br />
design was suitable for that time – but also for the time afterwards.” It would seem we are gradually<br />
getting close to the moral. But before we do we have another question to ask,<br />
which automatically arises in conjunction with research on Phoenix <strong>Design</strong>. In 2012 Phoenix <strong>Design</strong> celebrates<br />
its 25th anniversary. Admittedly, a well-designed company brochure does exist but so far there<br />
has been no monograph, no publication documenting the work of the successful office or telling its<br />
story. Surprising in a time when – putting it bluntly – designers publish books even before they have<br />
designed a single series-produced item. There have often been suggestions for books, it is true explains<br />
Tom Schönherr, but: “There is always something final about a book. What you write has a definitive<br />
character.” “We thought it was too early,“ adds Andreas Haug. That is<br />
not without a certain logic, which does not come as a huge surprise. This final quality is not easily reconcilable<br />
with the image of the Phoenix perpetually renewing itself or with a design approach where the<br />
aim is to design products, which as mentioned earlier are “suitable for that time – but also for the time<br />
afterwards.” A festschrift would quickly become too definitive, and that would not sit well with the logic<br />
behind Phoenix <strong>Design</strong>.
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Die moraL Des gegeNstaNDs. Die moraL gegeN DeN staND. Mitte der 1980er Jahre<br />
stellt sich das deutsche <strong>Design</strong> äußerst disparat dar. Die antifunktionalistische Bewegung des Neuen<br />
Deutschen <strong>Design</strong>s befindet sich auf dem Höhepunkt ihres Erfolges, auch wenn dieser eher kommunikativer<br />
denn wirtschaftlicher Natur ist. Die funktionalistische Moderne – über Jahrzehnte durch Unternehmen<br />
wie Braun oder Siemens verkörpert – hat zu dieser Zeit zumindest in Deutschland respektive<br />
Europa einen schweren Stand. Zwei Ausstellungen der Zeit stehen symbolisch für diese beiden gegensätzlichen<br />
<strong>Design</strong>auffassungen. In Düsseldorf wird bereits 1986 mit der Ausstellung „Gefühlscollagen –<br />
Wohnen von Sinnen“ dem zeitgenössischen Neuen Deutschen <strong>Design</strong> ein Denkmal gesetzt. Andererseits<br />
erinnert 1987 unter dem Titel „Die <strong>Moral</strong> der Gegenstände“ eine Ausstellung im Bauhaus Archiv<br />
Berlin an die 1968 geschlossene Hochschule für Gestaltung Ulm, die neben dem Bauhaus bis heute<br />
als ein Fixstern des Funktionalismus gilt. Andreas Haug und Tom Schönherr arbeiten – vor<br />
der Gründung von Phoenix <strong>Design</strong> – gemeinsam in Altensteig (Schwarzwald) bei frogdesign; Andreas<br />
Haug ist auch in der Geschäftsleitung. frogdesign ist zum damaligen Zeitpunkt eines der ganz wenigen<br />
unabhängigen deutschen <strong>Design</strong>büros mit internationalen, vor allem außereuropäischen Kunden wie<br />
Sony und Apple. Es ist, so wie es sich für Haug und Schönherr darstellt, in dieser Zeit „einfach das beste<br />
<strong>Design</strong>büro gewesen“. 1987 folgt dann – nach einem gemeinsamen Segeltörn in der Karibik auf der<br />
Yacht von Klaus Grohe, damals Kunde von frogdesign, die Gründung von Phoenix <strong>Design</strong> in Stuttgart.<br />
Wie kann man nun über den reinen Funktionalismus hinausgehen, ohne diesen wie die Vertreter des<br />
Neuen Deutschen <strong>Design</strong>s mitsamt der dazugehörigen <strong>Moral</strong> komplett über Bord zu werfen? Wie lässt<br />
sich trotzdem – über die Gegenstände hinaus – die <strong>Moral</strong> Ulm’scher Prägung weiterentwickeln, ohne<br />
von der Vergangenheit überholt zu werden? Wie beschreitet man also einen Mittelweg, der nicht das<br />
the moraL of objects. moraLs agaiNst the graiN of the object. <strong>German</strong> design in<br />
the mid-1980s was extremely disparate. The anti-functionalist movement of New <strong>German</strong> <strong>Design</strong> was<br />
at the height of its success even though it was more of a communicative than an economic nature. And<br />
back then functionalist Modernism as embodied for decades by companies such as Braun or Siemens<br />
had a hard time of it at least in <strong>German</strong>y and Europe. You can identify two exhibitions from this period<br />
that symbolise these two opposing design approaches. While in Düsseldorf as early as 1986 the exhi-<br />
bition “Gefühlscollagen – Wohnen von Sinnen” (Emotional Collages – Furniture Out of Its Senses) served<br />
as a monument to New <strong>German</strong> <strong>Design</strong>, in 1987 a show in the Bauhaus Archives Berlin entitled “Die<br />
<strong>Moral</strong> der Gegenstände” (The <strong>Moral</strong> of Objects) recalled the Ulm <strong>Design</strong> Academy closed in 1968, which<br />
alongside the Bauhaus continues to be a fixed star of functionalism today. Prior to<br />
establishing Phoenix <strong>Design</strong> Andreas Haug and Tom Schönherr both worked in Altensteig (Schwarzwald)<br />
at frogdesign; Andreas Haug was also involved in the management. At the time frogdesign was one of<br />
the few independent <strong>German</strong> design offices boasting international, and above all non-European customers<br />
such as Sony and Apple. From the perspective of Haug and Schönherr it was “simply the best<br />
design office” at the time. Then in 1987 following a joint cruise in the Caribbean on a yacht belonging to<br />
Klaus Grohe, then a frogdesign customer, Phoenix <strong>Design</strong> was set up in Stuttgart. How can you advance<br />
beyond pure functionalism without throwing it and its morals overboard as did the advocates of New<br />
<strong>German</strong> <strong>Design</strong>? How is it possible – beyond the objects themselves – to advance the morals of the<br />
Ulm style without being overtaken by the past? In other words, how do you steer a middle course that<br />
does not mean the end but combines the best of both worlds? The question about
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Ende bedeutet, sondern das Beste beider Welten verbindet? Die Frage nach der <strong>Moral</strong> ist<br />
schnell beantwortet. Tom Schönherr: „ Ich hatte ja vorhin schon in Zusammenhang mit Duravit gesagt,<br />
dass wir nach einem <strong>Design</strong> streben, das dauerhaft ist. Langlebigkeit ist also ein Aspekt der <strong>Moral</strong>. Es ist<br />
außerdem unser Anliegen, die Dinge immer noch besser zu machen, und, dass sie den Menschen im<br />
Alltag ein gutes Gefühl geben. Unsere Produkte werden millionenfach produziert, beispielsweise unsere<br />
Brausen für Hansgrohe. Daher fragen wir uns: Wie lässt sich Wasser sparen? Wie kann man den Ver-<br />
brauch an Warmwasser effizienter gestalten? Doch das Spannende und Zukunftsweisende daran ist: es<br />
soll den Nutzer nicht beeinträchtigen. Unsere Konzepte, die wir mit Hansgrohe entwickeln, sind so in-<br />
telligent, dass man genussvoll verbrauchen kann und trotzdem nicht verschwendet. <strong>Design</strong><br />
ist, so der naheliegende Schluss, in der Lage, gegenwärtige Technologie in die Zukunft zu ziehen – ihr<br />
im wahrsten Sinne langfristig Attraktivität zu verleihen. Die so verstandene <strong>Moral</strong> denkt nicht nur weit<br />
über den eigentlichen Gegenstand hinaus, sondern übt auch Kritik am eigenen Stand, wenn <strong>Design</strong>er<br />
das Potenzial ihrer Disziplin nicht nutzen oder mit kurzzeitigen Trends gar absichtlich ignorieren.<br />
magie ist KeiNe zauberei „Interessant war“, kommt Andreas Haug noch einmal<br />
auf die damalige Krise des Funktionalismus zu sprechen, „dass Braun zu dieser Zeit begann, seine<br />
<strong>Design</strong>philosophie über Bord zu werfen. Somit ist ein Vakuum entstanden, das dazu führte, dass die<br />
Asiaten das gemacht haben, was Braun bisher gemacht hatte. Und erst über diesen Umweg hat das<br />
deutsche <strong>Design</strong> internationale Bedeutung gewonnen. Das war ja das Dilemma. Bei Braun hatten sie<br />
gedacht, sie bewegen sich in eine Sackgasse, und in dem Moment hat sich eine neue Perspektive ge-<br />
zeigt. Das hat uns natürlich beeinflusst und angetrieben. Wir haben die zweifellos wertvollen Tugenden<br />
des deutschen <strong>Design</strong>s – Zuverlässigkeit, Funktionalität und Qualität – immer in unser <strong>Design</strong> integ-<br />
the morals is quickly answered. Tom Schönherr: “As I commented earlier in connection with Duravit, we<br />
are striving to find an enduring design. In other words, longevity is one aspect of our morals. Moreover,<br />
we are keen to continually improve things and want them to give the people that use them a good feel-<br />
ing. Our products are manufactured in their millions, take our showers for Hansgrohe. So we ask our-<br />
selves: How can you save water? How can you use warm water more efficiently? But the exciting and pio-<br />
neering aspect is that the user should not feel deprived. The concepts we develop with are so intelli-<br />
gent that they allow pleasurable consumption without being wasteful. The obvious<br />
conclusion to make is that design is capable of taking current technology into the future – lending it in<br />
the truest sense of the word an enduring attraction. This kind of moral not only thinks way beyond the<br />
actual product but also criticises its own profession if designers do not exploit the potential their disci-<br />
pline offers or deliberately ignore it by indulging in short-lived trends.<br />
magic is Not a sLeight of haND “What was interesting,” comments Andreas Haug<br />
returning to the crisis in functionalism is “that at this time Braun began to throw its design philosophy<br />
overboard. This produced a vacuum, and resulted in the Asians then doing what Braun had done until<br />
then. And it was only via this detour that <strong>German</strong> design gained international acclaim. That was the di-<br />
lemma. People at Braun thought they had manoeuvred themselves into dead end and it was then that<br />
a new prospect became apparent. Naturally, that influenced and motivated us. We have always inte-<br />
grated the doubtless valuable virtues of <strong>German</strong> design – reliability, functionality and quality – into our<br />
design. But – and this brings us now to the magical aspect, we tried to allow a certain poetry and light-
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riert. Aber – und damit kommen wir jetzt auch zum Magischen – wir haben versucht, in der Gestaltung<br />
eine gewisse Poesie und Leichtigkeit mitschwingen zu lassen, man könnte das auch Emotion oder<br />
<strong>Magie</strong> nennen.“ Tom Schönherr veranschaulicht dies am Beispiel der Fernseher: „Die<br />
Asiaten gestalten diese Produkte zur Zeit extrem technisch. Sie versuchen, die Geräte ganz flach und<br />
schmal zu machen und ihnen durch Materialitäten eine technische Wertigkeit zu geben. Sie berücksichtigen<br />
dabei nicht, dass ein Fernsehgerät ein Produkt für das Wohnumfeld ist und in der Regel an einem<br />
zentralen Platz aufgestellt wird. Unser Ansatz ist dem entgegengesetzt: Wir sehen, dass das Produkt<br />
wohnliche Qualitäten haben, eventuell auch repräsentativ wirken soll. Eine technische Anmutung ist<br />
uns daher weniger wichtig als ein elegantes Erscheinungsbild. Außerdem stellen wir fest, dass die Menschen<br />
mit der Multifunktionalität von Geräten in der Regel überfordert sind, daher versuchen wir, diese<br />
Komplexität zu reduzieren. Für die Loewe-Fernseher haben wir die wichtigsten Bedienfunktionen in ein<br />
kreisrundes Element integriert, was auf Anhieb verständlich ist. Doch nun kommt eine weitere Herausforderung,<br />
die wieder auf einer anderen Ebene liegt: Wie gelingt es uns, nicht nur den Nutzer emotional<br />
zu berühren, sondern auch ein Markenzeichen zu entwickeln, das die Werte eines Unternehmens widerspiegelt<br />
und ein Produkt als ein typisches Produkt für dieses Unternehmen erkennbar macht? Mit dem<br />
Bedienelement für Loewe haben wir ein solches Markenzeichen geschaffen, es wird häufig das „magische<br />
Auge“ genannt, wir selber sprechen eher von einem Icon.“ Aber wo genau<br />
liegt nun der Unterschied etwa zur Arbeitsweise eines Dieter Rams für Braun? „Rams war in einer anderen<br />
Situation“, ist sich Haug sicher. „Er hat hauptsächlich für einen einzigen Hersteller gearbeitet. Wir<br />
dagegen arbeiten schon immer für viele unterschiedliche Firmen, und das ist eine ganz andere Arbeitsweise.<br />
Dieter Rams musste sich mit seinem <strong>Design</strong> für Braun nur auf eine spezielle Zielgruppe einstellen,<br />
ness to resonate in the design, you could call it emotion or magic.” Tom Schönherr<br />
illustrates the point using the television: “The Asians are currently giving these products an extremely<br />
technical look. They are trying to make them really flat and narrow and give them a high technical qua-<br />
lity by way of the materials used. But that does not take into account that a television is a product for<br />
a home setting and is generally installed in a central position. We take the opposite approach: We recognise<br />
that the product has homely qualities, and should possibly also look presentable. This means an<br />
elegant appearance is more important to us than a technical look. Moreover, we have realised that people<br />
often feel confused by multifunctional devices, so we are trying to make them less complicated.<br />
For the Loewe television we integrated the most important operating functions into a circular element,<br />
and this is immediately understandable. But now we face another challenge, which is on a different<br />
level: How do we succeed not only to reach the consumer emotionally but also to develop a trademark<br />
that reflects the values of a company and make a product instantly recognisable as a typical product<br />
for this company? In this operating element for Loewe we have created such a trademark; it is often<br />
called the “magic eye” but we prefer to talk of an icon.” So where exactly is the<br />
difference between this approach and that of Dieter Rams for Braun? “Rams was in a different situation,”<br />
says Haug with conviction. “He mainly worked for a single manufacturer. But we have always worked for<br />
many different firms, and that is a totally different approach. With his design for Braun Dieter Rams<br />
only had to cater to a special target group that Braun addressed. By contrast, our concern has been to appeal<br />
to different target groups. An approach that was very unpopular in design at the time. Back then
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die Braun bedient hat. Unser Anliegen war es im Unterschied dazu, unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen.<br />
Ein Ansatz, der ja damals im <strong>Design</strong> völlig unpopulär war. Damals dachte man, man hat eine<br />
gültige Formensprache, und damit wird man jetzt die Welt erobern und revolutionieren. Wenn man sich<br />
aber in anderen Branchen umgeschaut hat, zum Beispiel in der Mode, war das schon lange nicht mehr<br />
der Fall. In der Mode hatte man sich schon viel früher verschiedener Zielgruppen bedient. Diesen Ansatz<br />
haben wir für unseren Bereich weiterentwickelt.“ Apropos Formensprache.<br />
Waren nicht die Neuen Deutschen <strong>Design</strong>er auch immer auf der Suche nach genau dieser und gilt bis<br />
heute in der öffentlichkeit nicht derjenige Gestalter als erfolgreicher Autor, dem eine eindeutige Formensprache<br />
zuzuordnen ist? Tom Schönherr: „Es ist natürlich die Motivation der Autorendesigner, ihre<br />
eigene Formensprache zu entwickeln. Damit stehen sie in der öffentlichkeit ganz vorne. Deshalb ist<br />
Luigi Colani heute wahrscheinlich immer noch der bekannteste deutsche <strong>Design</strong>er. Aber für die Entwicklung<br />
eines Corporate <strong>Design</strong>s oder eines Markendesigns eignet sich die eigene Formensprache nicht<br />
und auch nicht für ein strategisches oder zielgruppenorientiertes <strong>Design</strong>.“<br />
Stephan Ott arbeitet als freier Autor und Journalist mit dem Schwerpunkt <strong>Design</strong> für verschiedene Magazine, Verlage und Unternehmen.<br />
Beim Rat für Formgebung verantwortet er den Bereich Editorial Services. Darüber hinaus lehrt er das Fach Textgestaltung an der Academy<br />
of Visual Arts (AVA) in Frankfurt am Main.<br />
people thought we have a valid design language and now we will go out and conquer and revolutionise<br />
the world with it. But if you look around at other industries, say at fashion, then you realise this has not<br />
been the case for a long time. In fashion they began catering to different target groups much earlier. We<br />
advanced this approach for our own work.” Talking of design language. Was this not<br />
precisely what the New <strong>German</strong> <strong>Design</strong>ers were also always on the lookout for, and is it not so that those<br />
designers who can be assigned a clear design language are considered by the general public to be the<br />
most successful authors? Tom Schönherr: “Naturally, author designers are motivated by developing their<br />
own design language. This gives them pride of place with the public. Which is why Luigi Colani is arguably<br />
still the best-known <strong>German</strong> designer today. But a personal formal language is not suitable for developing<br />
a corporate design, or a brand design, or for that matter strategic design or one catering to<br />
target groups.”<br />
Stephan Ott freelances as an author and journalist with a focus on design for various magazines, publishing houses and companies.<br />
He is head of the Editorial Services section at the <strong>German</strong> <strong>Design</strong> <strong>Council</strong> and also teaches Text <strong>Design</strong> at the Academy of Visual Arts (AVA)<br />
in Frankfurt/Main, <strong>German</strong>y.
PersöNLichKeit . PersoNaLity – PhoeNix DesigN<br />
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