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Eine strukturelle Theorie sozialer Probleme

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Soziale Arbeit<strong>Eine</strong> <strong>strukturelle</strong> <strong>Theorie</strong><strong>sozialer</strong> <strong>Probleme</strong>TEIL IIHeinrich Zwicky, Zürcher Hochschule für AngewandteWissenschaften (ZHAW)Präsentation an der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft fürSoziologie in Dresden, 26.11.2011 (Panel Allg. Handlungstheorie)Zürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitStrukturelle Konzeption <strong>sozialer</strong>Ungleichheit: MehrdimensionalesSchichtungsmodellFormale BildungBerufspositionEinkommenhochStatuserwerbLegitimation/ Rechtfertigung dergesellschaftlichen PositiontiefPRESTIGEAnsehen, soziale Anerkennung,soziale WertschätzungMACHTMöglichkeit, seinen Willen auch gegenden Willen Anderer durchzuetzen (M. Weber)Zürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitKonsequenzen <strong>sozialer</strong> UngleichheitStrukturelle Spannungenals Auslöser von Sozialen <strong>Probleme</strong>n1.) Abweichungen vom höchsten Rang2.) Statusungleichgewicht2a.) Machtüberschuss / Prestigedefizit2b.) Prestigeüberschuss / Machtdefizit3.) Statusunvollständigkeit4.) vertikale Mobilität4a.) Aufstiegserfahrung4b.) AbstiegserfahrungZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitÜbersicht Problembereicheals Folgen <strong>sozialer</strong>Ungleichheit (S.25 ff.)1. Finanzielle <strong>Probleme</strong> / Armut2. Gesundheitliche <strong>Probleme</strong>3. Arbeitsprobleme4. Bildungsprobleme5. PartizipationsproblemeZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitPapier S.25Finanzielle <strong>Probleme</strong> / Armut‣ direktester Zusammenhang zu <strong>sozialer</strong>Ungleichheit‣ Ungleichheit als zentrales Thema auchvon Interventionen:• «Aufstiegsberatung» (Mikro)• «Egalisierungsberatung» (Makro)‣ teilweise tautologisch: «Je tiefer dasEinkommen, desto mehr finanzielle<strong>Probleme</strong>»‣ relative Armutsdefinition: 50% oder 60%des MedianeinkommensZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitPapier S.26Gesundheitliche <strong>Probleme</strong>‣ Gesundheitliche Folgen breit untersucht, kaumUnterschiede zwischen Ländern erkennbar‣ Datenbasis und Operationalisierung <strong>sozialer</strong>Ungleichheit von unterschiedlicher Qualität‣ Diskussion, aber kaum empirische Überprüfungverschiedener Wirkungsmechanismen:Belastung (Stress) / Bewältigungsressourcen /Soziale Unterstützung / Versorgungsungleichheit /gesundheitsrelevante Lebensstile‣ Neuere deutsche Studien zu gesundheitlicherUngleichheit im Kinder- und Jugendalter (Richter,Hurrelmann et al.): Ungleichheitseffekte teilweiseabgeschwächt, These von Langzeitfolgen imLebenslaufZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitWHO-Studie (Marmot, Sozialgradient)Zürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitWHO-StudieZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitWHO-StudieZürcher Fachhochschule


Soziale Arbeit.. auch fürdie SchweizQuelle:Kehrli Ch. &Knöpfel C. (2006).Handbuch Armutin der Schweiz,Luzern: Caritas.Zürcher Fachhochschule


Zürcher FachhochschuleSoziale ArbeitPapier S. 27/28Arbeitsprobleme‣ Relativ viele empirische Studie, in der Regel zu wenigsystematisch mit <strong>sozialer</strong> Ungleichheit verknüpft‣ Makroeffekte der Zunnahme der Ungleichheiten vonArbeitsentlöhnung und Arbeitsbedingungen kaumuntersucht‣ Prekarisierung der Arbeit und Flexiiblisierung der Arbeitals <strong>Probleme</strong> mit deutlichem «Sozialgradienten»‣ Verarbeitungsressourcen aufgrund organisationellerMacht als ein Grund: goldene Fallschirme, durch dieOrganisation finanzierte Beratungsmandate‣ Problematik subjektiver Arbeitsbelastungsmessung:Beeinflussung durch Legitimationsstrategien‣ künstliche Märkte und bürokratische Leerläufe alsFolge neoliberaler betriebswirtschaftlicher Ideologien(Binswanger)


Soziale ArbeitPapier S.28/29Bildungsprobleme‣ Einfluss <strong>sozialer</strong> Ungleichheit aufBildungsprobleme ebenfalls klar belegt‣ Breite und international vergleichbareDatenbasis mit den PISA-Studien‣ Bei den Folgerungen Fokus häufig aufder Rolle des Bildungswesens, wenigerauf dem Ausmass <strong>sozialer</strong> Ungleichheitselbst‣ Entwicklungen hin zuMehrebenenmodellenZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitCorradi VellacottM. (2007).BildungschancenJugendlicher inder Schweiz.Zürich/Chur:Rüegger.Zürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitPapier S.29/30Partizipationsprobleme‣ Anerkennung vonPartizipationsproblemen in der SozialenArbeit teilweise umstritten‣ Statuseffekte in der politologischenForschung seit längerem gutdokumentiert‣ Vermittlungsfaktoren wieAlltagsbelastungen, intellektuelleKompetenzen, soziale Netzwerke aberauch institutionelle Kontexte‣ Jugendproteste und Ungleichheit:Interaktion von Status, Kontexteffektenund situativen FaktorenZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitLevy R. et al. (1998). Alle gleich? SozialeSchichtung, Verhalten und Wahrnehmung.Zürich: Seismo.Zürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitPapier S. 31ffEntwicklungsvorschläge zurErforschung der Auswirkungen<strong>sozialer</strong> Ungleichheit auf soziale<strong>Probleme</strong> am Beispiel dergesundheitlichen Folgen<strong>sozialer</strong> UngleichheitZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitGesundheitskonsequenzen <strong>sozialer</strong>UngleichheitZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitKonsequenzen <strong>sozialer</strong> UngleichheitZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitRichter Matthias & Hurrelmann K. (2006)Gesundheitliche Ungleichheit. Wiesbaden,VS.Zürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitMakrokonsequenzen <strong>sozialer</strong> UngleichheitWilkinson R. & Pickett K.(2010). Gleichheit istGlück. Warum gerechteGesellschaften für allebesser sind. Berlin:Tolkemitt.- Grundthese: Soziale Ungleichheit alsgrundlegendes gesellschaftliches Problem- breite Datenbasis berücksichtigt- Fokus auf den Vergleich „entwickelter“ Staaten- Zusatzinfos auf www.equalitytrust.org.ukZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitMakrokonsequenzen <strong>sozialer</strong> UngleichheitZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitMakrokonsequenzen <strong>sozialer</strong> UngleichheitZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitMakrokonsequenzen <strong>sozialer</strong> UngleichheitZürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitMakrokonsequenzen <strong>sozialer</strong> Ungleichheit„Aber auf die Frage, warum mehr Gleichheit diese <strong>Probleme</strong> reduziert, lautetdie gängige Antwort: Weil es in Gesellschaften mit mehr Gleichheit wenigerArme gibt. Man geht also davon aus, dass zunehmende Gleichheit vor allemden Menschen am unteren Ende der sozialen Stufenleiter hilft. DieseVorstellung trifft nur sehr eingeschränkt zu, sie zeigt aber vor allem, wie wenigwir über die sozialen Prozesse wissen, die erheblichen Einfluss auf unserLeben und auf die ganze Gesellschaft haben. Denn in Wahrheit schadetzunehmende Ungleichheit der Mehrheit der Bevölkerung.… Mehr Gleichheit bringt deutliche Vorteile auch für die Menschen in derobersten Berufsgruppe, auch für das reichste umd am besten gebildete Vierteloder Drittel einer Gesellschaft, zu dem auch die kleine Minderheit derSuperreichen gehört.“(Wilkinson & Pickett 2010, S. 208 & 213).Zürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitMakrokonsequenzen <strong>sozialer</strong> Ungleichheit„ Jedes einzelne Problem wird für sich behandelt, als verlangees, unabhängig von den anderen <strong>Probleme</strong>n, eine eigeneLösung. Jede Beratungsstelle hat ihr eigenes Programm, undentsprechend berät man seine Klienten: Sie sollen sichweiterbilden, Kondome benutzen, nein sagen zu Drogen, sicherholen, ihre Work-Life-Balance in Ordnung bringen oder ihrenKindern „sinnvolle“ Zeit widmen. Den vielfältigen Ratschlägenund Programmen ist nur eines gemeinsam. Die Überzeugung,dass man armen Menschen vor allem beibringen müsse,sensibler mit sich und anderen umzugehen. Das eklatanteFaktum aber, dass alle diese <strong>Probleme</strong> ihre gemeinsameUrsache in der materiellen Ungleichheit und der Entbehrunghaben, verschwindet aus dem Blick.“Zürcher Fachhochschule(Wilkinson & Pickett 2010, S. 268).


Soziale ArbeitSystematisierungsversuchzum Zusammenhang von Diversitätund <strong>sozialer</strong> Ungleichheit (Zwicky 2010)vertikalhorizontalstrukturell / materiellkulturellmaterielle Ungleichheit(z.B. Lohnunterschiede)vertikale, kulturelleUngleichheit(z.B. Leistungsorientierung,„Zivilisiertheit“),horizontale materielleUnterschiedlichkeit(z.B. Wirtschaftsbranche)horizontale, kulturelleVerschiedenheit(z.B. Lebensformen oderWertvorstellungen)Zürcher Fachhochschule


Soziale Arbeit„The trouble with diversity“Benn Michaels (2009: 35): „.. fêter la diversité ne peutpas être une voie acceptable vers l‘égalitééconomique.“‣ Diversität als Konzept des Neoliberalismus‣ deutliche Zunahme der ökonomischen Ungleichheit sowohl in den USA als inFR im Kontext einer zunehmenden Bedeutung des Diversitätskonzeptes und vonAnti-Diskriminierungsbestrebungen (Grafiken S. 9 und S.18)‣ Ablenkung von den ökonomischen Unterschieden durch dieDiversitätsdiskussion‣ (kulturelle) Unterschiede werden zu einem positiven Wert, der auf die Akzeptanzvon Ungleichheit „ausstrahlt“‣ Annäherung der „fortschrittlichen Rechten“ (Sarkozy) und der „neuen Linken“,die sich beide im Einsatz für Diversität wiederfinden„L‘inconvénient de la diversité n‘est donc pas seulement qu‘elle nerésoudra pas le probème de l‘inégalité économique; c‘est qu‘elle vajusqu‘ à nous masquer l‘existence même de ce problème.“ (S. 72)Zürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitBeispiel einer neuen «Prügelstudie» an einerSchweizer Fachhochschule‣«in Ausländerfamilien wird häufigergeprügelt» (Schlagzeile)‣«soziale» Faktoren können Ungleichheitnicht vollständig erklären‣Fokussierung auf «kulturelle –ethnische» Massnahmen, z. B.verbindliche Erziehungsberatung,Auflagen bezüglich Sprachkompetenz(Volksabstimmung im Kanton Basel)Zürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitPapier S.36Zum Umgang mit Bedürfnisüberformungen undkulturellen Unterschieden in der Sozialen Arbeit• In einem ersten Schritt sollen manifeste Bedürfnisse von Klientinnen und Klientenidentifiziert und klassifiziert werden. <strong>Eine</strong> solche Klassifizierung ermöglicht auchQuervergleich mit den Standards des in einem sozialen System erreichten Niveaus vonBedürfnisbefriedigung.• In einem 2. Schritt sind Fragen der kulturellen Überformung von Bedürfnisse zureflektieren: Sind Bedürfnisse absoluter Sauberkeit auf unseren Strassen hygienischbegründbar oder Ausdruck eines in der Schweizer Kultur übersteigertenSauberkeitswahns?• Sind <strong>strukturelle</strong> Überformungen von Bedürfnissen festzustellen, indem eine altereiche Lady aus ihrer privilegierten Situation ein Bedürfnis nachGesprächspartnerInnen zu jeder Tages- und Nachtzeit äussert?• Sind Bedürfnisverlagerungen festzustellen, beispielsweise in From vonErsatzbedürfnissen, wo einer starken Konsumsucht durch reduzierteInteraktionsmöglichkeiten ausgelöst wird? Oder rekurriert das soziale Problem auslatente Bedürfnisse, die von Klientinne und Klienten in Abrede gestellt werden?Zürcher Fachhochschule


Soziale ArbeitPapier S.37/38Schlussfolgerungen I: Strukturelle Ungleichheitund ihre Konsequenzen als zentrales Themader Sozialen ArbeitSocial work addresses the barriers,inequities and injustices that exist insociety. It responds to crises andemergencies as well as to everydaypersonal and social problems.Kommentar zur Definition of Social Work adopted by theIFSW General Meeting in Montréal, Canada, July 2000,(IFSW, 2005)Zürcher Fachhochschule


Zürcher FachhochschuleSoziale ArbeitSchlussfolgerungen II: Zur Kritik des aktuellenStands der Theoretisierung <strong>sozialer</strong> <strong>Probleme</strong>1. Unzulässige Vernachlässigung <strong>strukturelle</strong>r Gründe <strong>sozialer</strong><strong>Probleme</strong> sowohl in generellen <strong>Theorie</strong>n <strong>sozialer</strong> <strong>Probleme</strong>als auch in Ausbildung und Praxis der Sozialen Arbeit2. Auseinanderdriften von (soziologischen bzw.konstruktivistischen) <strong>Theorie</strong>n <strong>sozialer</strong> <strong>Probleme</strong> und derSozialarbeitswissenschaft3. Merkmale konkreter <strong>sozialer</strong> Systeme werden ausgeblendet,insbesondere soziale Ungleichheit und makrosozialeMachtstrukturen4. Keine oder keine systematische Auseinandersetzung mitmenschlichen Bedürfnissen5. problematischer Fokus auf Diversitätsaspekte6. Ethnisierungstendenzen («Kulturalisierungen») werdenbegünstigt


Zürcher FachhochschuleSoziale ArbeitSchlussfolgerungen III: Zum Forschungsprogrammeiner <strong>strukturelle</strong>n <strong>Theorie</strong> <strong>sozialer</strong> <strong>Probleme</strong>1. Statuseffekt auf Mikroebene ist weitgehend belegt: Aktualisierung undUmgang mit intermediären Effekten klären, insbesondere Arbeitsproblemenoch systematischer analysieren; Samples teilweise noch zu partikulär.2. Konsequente Berücksichtigung der Mehrdimensionalität <strong>sozialer</strong>Ungleichheit: empirische Differenzierung von Ungleichheitsaspekten, wegvon Gesamtindices3. Einbezug der zeitlichen Perspektive: Studien zu Mobilitätseffekten undLebenslaufperspektive (Hurrelmann)4. Mehrebenenanalyse wie Klocke oder Vellacott; konsequentererStrukturbeschrieb der Sozialen Systeme (Meso- und Makroebene).5. Analyse der Effekte der absolute Ungleichheit: Wie wirken sich erhöhte„Distanzen“ bei gleicher Hierarchie aus.6. Systematische Analyse der <strong>strukturelle</strong>n Determinanten der Konstruktion<strong>sozialer</strong> <strong>Probleme</strong>

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