Fasnachts-Predigt 2013 "Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare ...

Fasnachts-Predigt 2013 "Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare!"(sorgfältig von Hand gefertigt und gehalten im Fasnachtsgottesdienstder Pfarrei St. Paul Rothrist am 10.02.2013 von Bodo Belser)Wir sind guter Dinge, ihr lieben Leute,denn wir feiern ja Fasnacht heute.Wie jedes Jahr, auch diesmal wieder,fährt uns die Guggenmusik in die Glieder.Befreit für kurze Zeit unsre Seelen,von allem, was uns gerade mag quälen.Erfüllt unsre Herzen mit Fasnachtsgefühlenund hilft uns den Griesgram hinwegzuspülen.Das brauchen wir auch so nötig wie Brot,denn es gibt da etwas, das uns alle bedroht.Ich will zwar nicht Öl ins Feuer giessen,doch dürfen wir nicht unsre Augen verschliessen,denn etwas Grässliches hab ich vernommen,und das soll heute zur Sprache kommen!In der folgenden Predigt erzähl ich euch gern,was es auf sich hat mit des Pudels Kern!Ja, hört heut von mir von teuflischen Sachen,die uns schon ewig das Leben schwer machen.Über genau diese diabolischen Nötesprach nicht nur Johann Wolfgang von Goethe,nein, auch Franz Kafka und Bertolt Brechterzählen vom Fluch überm Menschengeschlecht.Etwas, dass uns drangsaliert und unser ganzes Leben regiert!Etwas, dass uns bringt in Wut und uns stiehlt den Lebensmut!Ja, es bringt uns all in Rage und verzerrt uns die Visagebis dann Frau und Mann und Kind kaum wieder zu erkennen sind!Ach, es ist ein grosses Leiden, niemand weiss es zu vermeiden,alle stöhnen noch und noch unter diesem schweren Joch.Ach, es trifft jeden und jede, wisst ihr nun, wovon ich rede:Ihr ahnt es schon, es geht allhie um den Schrecken der Bürokratie!Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare!Das soll unser Thema sein, aufgepasst, wir steigen ein.

Klein MariaVon der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare!Nur schon wegen einem Hund schreibt man sich die Finger wund!Wenn dann aber Kinder kommen, wird einem erst recht beklommen.Gibt’s ein neues Menschlein hier, braucht es erst mal ein Papier.Sollte dieses aber fehlen: wehe, wie wird das dich quälen!!Ja, vor kurzem ging es so einem Schweizer Embryo!War noch gar nicht auf der Welt, als er schon durchs Raster fällt.Seine Eltern, ohne grosse Formalien, fuhren in Urlaub nach Italien.Und wie es der Zufall so will, die kleine Maria hielt einfach nicht still,hat nicht bis zur Heimkehr gewartet, ist in Italien ins Leben gestartet.Nach einer kleinen Erholungspause fährt die Familie wieder nach Hause.Voll von dem neuen Familienglück kommt man zu dritt in die Schweiz zurück.Vergisst vor lauter Glücklichsein den städtisch notwendigen Geburtenschein!Und hier warten nun schon ganz gierig auf sie die Tücken der Schweizer Bürokratie!Denn die Bescheinigung wird vermisst, dass dieses Kind auch rechtens ist,und nicht etwa kriminell adoptiert oder per Leihmutter in die Welt spediert.Dafür brauchts unbedingt das Papier, erst dann gibt's Maria rechtmässig hier!Nun war aber auch schon die Frist vergangen,um an den Geburtsschein aus Italien zu gelangen.Schlussendlich hat die Familie einen Anwalt bestellt,dass Maria ihr Kind war, bewies der für viel Geld.Ach hätten sie doch den Geburtsschein aus Italien mitgenommen,mit dem Formular wär sie all das viel billiger gekommen.Nun seht wie auch diese Geschichte beweist, dass es doch immer und überall heisst:Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare!Die 3 WeisenGenauso war es ehedem damals in Jerusalem,als 3 sternenkundige Weise machten Halt auf ihrer Reise,kehrten bei Herodes ein, fragten nach dem Kindelein.Dieser war zutiefst erschrocken, denn es haut ihn aus den Socken,dass nicht er sollt König sein, sondern dieses Kindelein!Drum trug er den Weisen auf: Bringt mir Kunde, macht euch auf!Füllt mir aus dies Formular, wo und wann und wie es war,dass das Kindlein ward geboren, das zum König auserkoren.Die 3 Weisen zogen fort bis zu dem geheimen Ort,fanden Jesus dort im Stroh und sie huldigten ihm froh.Die 3 Weisen waren schlau, spürten Herodes Bosheit genau.Zerrissen drum sein Formular und ritten heim auf dem Dromedar!Diesmal rettete es sogar ein Leben, nichts auf Formulare zu geben!Und doch die Weisheit bleibt bestehn, wir werden es grad wieder sehn:Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare!

TaufeVorher hatten wir's ja schon themenmässig grad davon:Kommt zur Welt ein Kindlein hier, braucht es erst mal ein Papier!Willst du dann das Kind noch taufen, musst du schnell zum Pfarramt laufen.Denn dort wird’s nach vielen Fragen in das Taufbuch eingetragen.Auch wenn dir das gar nicht passt, wird es dort genau erfasst.Kann so mit allen registrierten Frommen dereinst in den Himmel kommen!Denn auch an der Himmelpforte begegnest du dem geflügelten Worte:Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare!Aber halt: das ist doch nur ein Scherz, da oben geht’s dereinst viel mehr um dein Herz,In den Himmel kommt niemand durch ein Formular,oder weil man zeitlebens ein Braver war,nein, hättest auch alles du gründlich versiebt,zu Gott kommen wir alle, weil er uns liebt.HeiratenAuch beim Heiraten, ganz klar, braucht's ein neues Formular.Bei Katholiken sagt der Schein: ihr werdet nie geschieden sein.Weil die Ehe, das steht fest, nach Kirchenrecht unauflöslich ist!Manche aber nach paar Jahren, die sie in der Ehe waren,wollen nicht mehr miteinander, gehen deshalb auseinander.Fragen flugs beim Pfarramt an, ob man sich nicht scheiden kann.Die Sekretärin sucht nun munter in den Akten rauf und runter.Rauft die Haare: ist es wahr? Dafür gibt’s kein Formular!Weil, wie Ihr von vorher wisst, die Ehe unauflöslich ist.Nun ja, wir wissen, dass vor etlichen Jahrendie Verhältnisse noch etwas anders waren.War man früher prominent, da wurd dann ziemlich rasch getrennt.Denn Prinzen und erlauchte Köpfe warn nicht ganz so arme Tröpfe,wie wir bedauernswerten andern, die im Jammertale wandern.Heute hilft allen ein Hintertürchen, und dann klappt es wie am Schnürchen:die Ehe muss nur nichtig sein, dann hast Du deinen Freifahrtschein!Also auch in diesem Fall tönt es doch wie überall:Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare!

KloVon der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare!Ach, dieses geflügelte Wort verfolgt mich sogar am stillen Ort!Neulich da hatt' ich ganz unbeschwert in einem Restaurant-WC mich entleert.Und stand dann nach diesem Geschäft, dem raschen,am Waschbecken, um mir die Hände zu waschen.Da merk ich doch: halt, ich bin nicht allein, da muss noch jemand anderer sein.Und nach einigen unaussprechlichen Tönenhör ich tatsächlich einen andren dort stöhnen:Hallo, ist grad vielleicht jemand hier? Dann gebt mir doch bitte das Papier!Verdattert dachte ich: endet das nie? Selbst auf dem Örtchen noch Bürokratie?Braucht es denn etwa auch noch hier Formulare und Papier?Kopfschüttelnd verliess ich den seltsamen Ort,und dachte: auch hier gilt also das Wort:Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare!Erst nach ein paar weiteren Stunden hab ich dann herausgefunden:der Mensch, der dort auf dem WC war, wollte wohl gar kein Formular!Für einmal also am stillen Ort, stimmt nur bedingt das geflügelte Wort:Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare!NeandertalerAch wie war es ehedem in der Vorzeit so bequem,damals beim Neandertaler, dem begabten Höhlenmaler.Der hatte noch keine beknackten Formulare oder Akten,lebte fröhlich vor sich hin, nur nach diesem stand sein Sinn:schlafen, oft und kräftig essen, und noch was… das hab ich vergessen…Doch halt: auch der Neandertaler, wie gesagt, ein Höhlenmaler,wusste ganz genau zu sagen, welches Tier sich lohnt zu jagen.Wollte dies genau erfassen, um es uns zu hinterlassen.Doch sein Aktenvermerk der stand einfach an der Höhlenwand.Also auch in diesem Fall ist es doch wie überall:Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare!

Adam und EvaAls Adam und Eva verliessen das Paradies, da sagt ihnen Gott, was das für sie hiess:Sie würden kennenlernen die Not, sie würden nun wissen um den Tod.In Schmerzen werde die Frau gebären und doch sich nach ihrem Manne verzehren.Diesen trifft auch des Zornes Gewicht, er muss arbeiten mit Schweiss im Angesicht.Wie Sisiphus immer wieder von vorn, und als Lohn der Mühe nur Distel und Dorn.Weil sie nach göttlichem Wissen gesucht, wurden die beiden damals verflucht.Nur einen Fluch hat Gott damals noch nicht gesagt,der hätte die beiden wohl zu sehr geplagt.Aus Erfahrung ist es für uns heute klar, was für ein grässlicher Fluch das war:Dereinst sollt auf ewig und immerdar ihr ausfüllen Formular um Formular.Auf euren Schultern laste und ende nie: die umfassende Herrschaft der Bürokratie.Gottseidank hat sich Gott diesen Fluch verkniffen,denn Adam und Eva hätten ihm was gepfiffen.Die beiden hätten statt mühsam zu leben, sich damals grad die Kugel gegeben.Und wir wären somit gar nicht hier, um auszufüllen so viel Papier.Weil aber Gott damals gnädig war, leiden wir bis heute am Formular.JesusGar oft meint manch ein ganz genauer und akribischer Oberschlauer:dass Jesus wirklich am Leben war, beweist bis heute kein Formular!Da haben sie recht, die Superklugen, auch, dass sie am Ende ans Kreuz ihn schlugen,davon gibt es keine Aktennotiz im Archiv vom römischen Regierungssitz.Ja recht haben sie, die Korinthenkacker, die in den Akten wühlen so wacker,wer Jesus sucht in der Bürokratie, der findet ihn ganz sicher nie!Dass wir bis heute von ihm haben Kunde,verdanken wir dem Erzählen von Mund zu Munde.Seine Ausstrahlung hat die Menschen bewegtund den Grundstein für unseren Glauben gelegt.Denn Jesus machte die Menschen betroffen,bei ihm wagten sie endlich wieder zu hoffendank seiner Rede vom Himmelreich, und dass wir Geschwister sind, alle gleich.Dass Gott dich liebt, grad so wie du bist, für uns wie ein gütiger Vater ist.Dass unsere Angst wir überwinden und zu einem aufrechten Leben finden.Aus Lähmung und Stummsein holt er uns ans Licht,weil er auch die Ketten des Todes zerbricht.Das war für manch einen Frommen zu viel,zu viel Macht und Geld standen doch auf dem Spiel.Die Priester fragten, wie ein einfacher Zimmermannso überzeugend von Gott reden kann.Den Pharisäern fehlte das Formular, dass Jesus wirklich bevollmächtigt war,so gütig und frei von Gott zu sprechen und Menschen zu heilen von ihren Gebrechen.Ach, und bis heute noch, in unsern Tagen,knabbern wir immer noch an diesen Fragen:Braucht es, um Menschen heilsam zu begegnenund sie an Lebensstationen zu segnen,erst ein Bevollmächtigungsformular, damit dieses Handeln wird gültig und wahr?Braucht es, um Gott zu verkündigen hier, ein Beglaubigungspapier?

SchlussNun habt ihr gehört von den teuflischen Sachen,die uns allen das Leben schwer machen.Jetzt soll uns natürlich nicht Schwermut verschlingen,drum will ich die Predigt zum Ende nun bringen.Was lernen wir also aus all dem Kram, der uns heute zu Ohren kam?Wir lernen: lass 5 einmal gerade sein,ganz ohne Papier und Beglaubigungsschein.Und überwinde mit viel Phantasie,den Fluch und den Schrecken der Bürokratie!Verbiege dich nicht um ins Raster zu passen,und denk immer: leben und leben lassen!Sei Mensch und freu dich mit anderen zusammen,Und damit nun Schluss. Over, out und Amen!