Storyboards zeichnen - workingHEADquarter
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Ioona Rauschan<br />
<strong>Storyboards</strong> <strong>zeichnen</strong><br />
Ein Übungsheft
INHALTSVERZEICHNIS<br />
VORWORT<br />
EINFÜHRUNG<br />
I. Was ist ein Storyboard und wer erstellt es?<br />
II. Welche Kenntnisse zur Erstellung eines <strong>Storyboards</strong><br />
werden in diesem Übungsheft vermittelt?<br />
III. Wie können die hier vermittelten Kenntnisse in<br />
unterschiedlichen Fachbereichen nützlich sein?<br />
TEIL I: PRAKTISCHE GRUNDKENNTNISSE<br />
AUS DER FILMTECHNIK UND IHRE<br />
UMSETZUNG IN EIN STORYBOARD<br />
1. KAPITEL: VORPRODUKTION / DREHEN<br />
I. Bildeinstellungsgrößen<br />
II. Kameraführung<br />
II.1. Kamerabewegungen<br />
II.2. Kamerafahrten<br />
III. Blickwinkel<br />
IV. Perspektiven<br />
2. KAPITEL: POSTPRODUKTION / SCHNEIDEN<br />
I. Harter Schnitt<br />
II. Jump Cut<br />
III. Weicher Schnitt<br />
IV. Visuelle Effekte<br />
V. Time Code; Schnittliste; Log-in Liste<br />
3. KAPITEL: UMSETZUNG IN STORYBOARDS<br />
I. Bilder<br />
II. Graphiken<br />
III. Texte<br />
4. LÖSUNG DER ÜBUNGEN<br />
TEIL II: THEORETISCHE FACHKENNTNISSE<br />
AUS DER FILMDRAMATURGIE UND IHRE<br />
UMSETZUNG IN EIN STORYBOARD<br />
1. KAPITEL: DIE DRAMATURGIE<br />
I. Dramaturgische Elemente; dramaturgische Struktur<br />
II. Filmsprache, Filmstoff und Filmstory<br />
III. Findungs- und Entwicklungsprozess der Charaktere<br />
VI. Gliederung und Deutung der Inhalte<br />
2. KAPITEL: INHALTE UND FORMATIERUNG DES DREHBUCHS<br />
I. Das Verfassen des Drehskripts /Drehbuchs<br />
I.1. „Bilder“ schreiben: Formulierung des Textes und der Dialoge<br />
I.2. Haupt- und Nebencharaktere / Haupt- und Nebenhandlung<br />
I.3. Szene, Sequenz, Filmabschnitt.<br />
I.4. Betitelung, Nummerierung, Zeit- u. Ortsangaben<br />
II. Formatierung des Drehbuchmanuskripts: Standard und Software<br />
3. KAPITEL: ERSTELLUNG EINES REGIEKONZEPTES<br />
I. Definierung des Zielpublikums<br />
II. Definierung der Hauptaussage, der Ziele, der künstlerischen und<br />
konzeptionellen Absichten in der Regieführung (Interpretation des<br />
Drehbuchs; Regiekonzept)<br />
III. Definierung der filmischen Ausdruckmittel zur Umsetzung des<br />
Regiekonzeptes<br />
4. KAPITEL: UMSETZUNG IN STORYBOARDS<br />
I. Schlüsselszenen in Bild, Graphik und Text; Schnitt und Special Effects<br />
5. LÖSUNG DER ÜBUNGEN<br />
TEIL III: DIE ENTWICKLUNG EINES SELBSTSTÄNDIGEN<br />
FILMPROJEKTES: DREHSKRIPT, REGIEKONZEPT<br />
UND STORYBOARD<br />
I. Formulierung der Idee<br />
II. Kurzinhalt des Films<br />
III. Haupt- und Nebencharaktere<br />
IV. Haupt- und Nebenhandlung<br />
V. Dramaturgie: Gliederung und Deutung<br />
VI. Regiekonzept<br />
VIII. Storyboard<br />
IX. Präsentation des Projektes
VORWORT<br />
Als Dokumentarfilmautorin zeichne ich immer STORYBOARDS zu meinen Drehbüchern.<br />
Vor den Dreharbeiten, in der VORPRODUKTION, helfen sie mir bei der Erstellung eines soliden Drehkonzeptes. Während der<br />
Dreharbeiten nutzen sie dem gesamten Drehteam bei dessen Visualisierung. Nach den Dreharbeiten, in der POSTPRODUKTION,<br />
skizziere ich die komplexeren Schnitte, ehe ich sie mit dem Cutter bespreche.<br />
Für mich sind <strong>Storyboards</strong> unabdingbar, sie sind Teil des kreativen Prozesses, den sie gleichzeitig auch protokollieren.<br />
Neben meinem Hauptberuf unterrichte ich Drehbuchschreiben und seit einigen Jahren auch Storyboard<strong>zeichnen</strong>.<br />
Die Idee, ein Übungsheft für Studenten zu schreiben, die als angehende Regisseure oder als Graphiker professionelle <strong>Storyboards</strong><br />
erstellen möchten, entwickelte sich im Laufe der letzten zwei Jahre bei der Ausübung meiner Dozententätigkeit fast aus einer Not heraus.<br />
Theoretische Kenntnisse werden besser verstanden, wenn sie nicht allein durch Beispiele illustriert werden, sondern auch dank gezielter<br />
Übungen von den Studierenden wiederholt umgesetzt werden. Das ist eine pädagogische Binsenweisheit. Also musste ich eine schnelle,<br />
effiziente Lösung finden. Um die theoretischen Inhalte, die ich im Unterricht vermitteln wollte, zu illustrieren, habe ich kleine <strong>Storyboards</strong><br />
skizziert. Ich dachte mir unterschiedliche Übungen aus, die ich jedem theoretischen Abschnitt zuordnete. Nach einer Weile konnte ich<br />
eine Auswahl treffen, die ich strukturiert und in mehrere Kapitel gegliedert habe. So entstand der erste Entwurf zu diesem Übungsheft.<br />
Während der Suche nach entsprechender Bibliographie musste ich feststellen, dass die meisten Fachbücher das Storyboard lediglich<br />
im Zusammenhang mit der Regie- oder der Produktionsdesignarbeit erwähnen. Handbücher darüber, wie man ein Drehbuch schreibt,<br />
einen Charakter gestaltet, den ersten Film dreht oder mit Schauspielern arbeitet, welche Software für den Schnitt und die Special Effects<br />
zur Verfügung stehen usw., füllen unsere virtuellen und realen Bibliotheken. Wie, wann und weshalb man <strong>Storyboards</strong> erstellt – darüber<br />
gibt es hingegen selten befriedigende Ausführungen. Außer Marcie Begleiters Referenzbuch: STORYBOARDS, Vom Text zur Zeichnung<br />
zum Film (Zweitausendeins, 2003) findet man in den deutschen Buchläden kaum ein<br />
Handbuch, das sich ausschließlich dem Storyboard widmet. So fasste ich den Entschluss, selbst ein Lehrbuch zu verfassen.<br />
Die folgenden Seiten sind das Ergebnis dieser Arbeit.<br />
1
EINFÜHRUNG<br />
I. Was ist ein Storyboard und wer erstellt es?<br />
Das Storyboard dokumentiert den kreativen Entstehungsprozess eines Films auf dem Drehset und stellt dessen endgültiges Ergebnis, das wir<br />
schließlich auf der Leinwand sehen, dar. Es ist der Film auf dem Zeichenbrett. Visualisierungskraft und konzeptionelle Fantasie nehmen in den<br />
Storyboardzeichnungen konkrete Form an, setzen Drehbuch und Regie um. Sie werden als filmtechnisches Ausdrucksmittel überall gebraucht<br />
– beim Drehen von Spielfilmen, von Fernsehsendungen oder in der Werbung.<br />
Dennoch fällt die Gewichtung des <strong>Storyboards</strong> in den Fachbüchern, wie bereits erwähnt, ziemlich bescheiden aus und steht in keinem Verhältnis<br />
zu dem kreativen Potenzial, das sich anhand eines <strong>Storyboards</strong> entfalten lässt. Der Beruf des Storyboardzeichners ist in Deutschland nicht<br />
etabliert und nur wenige der Film-, Medien- oder Kunsthochschulen bieten einen darauf spezialisierten Lehrgang an. Nicht zuletzt ist die<br />
Verwechslung zwischen Storyboard und computeranimierter Graphik schuld daran, dass die Zugehörigkeit des <strong>Storyboards</strong> unklar bleibt.<br />
Gehört das Erstellen von <strong>Storyboards</strong> zum Studium der Regie, in eine Filmhochschule? Zum Studium der Graphik, Malerei, Computeranimation<br />
usw. in eine Kunst- bzw. Medienhochschule? Oder sogar zu jedem dieser Fachbereiche? Ob mit Bleistift oder Bildbearbeitungssoftware erstellt,<br />
das Storyboard ist immer mehr als nur die ZEICHNUNG, die das von der Kamera eingefangene Bild darstellt, mehr als die GRAPHISCHE<br />
AUFSICHT des Drehsets, auf der die Kamerapositionen und die Bewegungen der Schauspieler skizziert werden, mehr als die genaue<br />
EINSTELLUNGSLISTE, die Regieanweisungen, technische Details betreffend die Kameraführung, Szenennummern, Titel, Zeit- und<br />
Ortsangaben und Zahl der Takes für den jeweiligen Dreh beinhaltet.<br />
DAS STORYBOARD IST EIN CODE.<br />
Die oben genannten GRUNDKOMPONENTEN DES STORYBOARDS vermitteln dem geschulten Auge an erster Stelle diesen STORYBOARD<br />
SPEZIFISCHEN CODE, anhand dessen Zeichnungen, Symbole, Graphiken, Textfragmente und -anweisungen zu einer einheitlichen Information<br />
werden, die für das gesamte Team gilt und von diesem problemlos entziffert wird. Das Storyboard ist die SCHNITTSTELLE ZWISCHEN ZWEI<br />
VISUELLEN MEDIEN, der Filmkunst und der bildenden Kunst, und es bedient sich beider Sprachen. Die Voraussetzung für das Erstellen eines<br />
guten <strong>Storyboards</strong> ist deshalb das Beherrschen beider spezialisierter Sprachen.<br />
2
II. Welche Kenntnisse zur Erstellung der <strong>Storyboards</strong> werden in diesem Übungsheft vermittelt?<br />
Für schnelle Skizzen auf dem Drehset verlangt man üblicherweise kein zeichnerisches Talent.<br />
Der Regisseur entwirft in einigen Linien das Bild, das er am Ende der Aufnahmen haben möchte, und es<br />
reicht, wenn das Drehteam es versteht. Wenn komplizierte Massen- oder Actionszenen gedreht werden,<br />
erstellen bildende Künstler oder Computergraphiker entsprechend komplexe <strong>Storyboards</strong>.<br />
Ob Regisseure mit zeichnerischem Talent (oder ohne!), bildende Künstler oder Computergraphiker ein<br />
Storyboard erstellen, letztendlich ist es egal, solange sie den STORYBOARD SPEZIFISCHEN CODE<br />
benutzen, der allen auf dem Set zugänglich ist und anhand dessen sie mit jeder Einheit eines<br />
Filmproduktionsteams unmissverständlich kommunizieren können.<br />
Ziel dieses Übungsheftes ist es, den Studenten das ABC des STORYBOARD SPEZIFISCHEN CODES zu vermitteln, ungeachtet dessen, ob<br />
sie als Regisseure, bildende Künstler oder Computergraphiker ihren Abschluss machen möchten. Gute Storyboardzeichner sollten<br />
schließlich alle werden, wenn sie vorhaben, mit einer gewissen Unabhängigkeit und mehr Selbstbewusstsein ins Filmgeschäft<br />
einzusteigen. Der CODE basiert auf soliden FILMTECHNISCHEN FACHKENNTNISSEN, die unentbehrlich sind.<br />
Diese stehen in engem Zusammenhang mit FILMTHEORETISCHEN FACHKENNTNISSEN (Dramaturgie, Charaktere, Plotaufbau), die dem<br />
Storyboardzeichner ein konzeptionelles Gerüst bieten. Gleichfalls sind ZEICHNERISCHE GRUNDKENNTNISSE unabdingbar, um die<br />
Ausführungstechniken des <strong>Storyboards</strong> zu beherrschen. Diese drei großen Wissens- oder Fachbereiche liefern die Inhalte, die in den drei<br />
Teilen des Übungsheftes wie folgt thematisiert werden.<br />
TEIL I: PRAKTISCHE GRUNDKENNTNISSE AUS DER FILMTECHNIK UND IHRE UMSETZUNG IN EIN STORYBOARD<br />
TEIL II: THEORETISCHE FACHKENNTNISSE AUS DER FILMDRAMATURGIE UND IHRE UMSETZUNG IN EIN STORYBOARD<br />
TEIL III: DIE ENTWICKLUNG EINES SELBSTSTÄNDIGEN FILMPROJEKTES: DREHBUCH, REGIEKONZEPT UND STORYBOARD<br />
Jeder der drei Teile beinhaltet mehrere Kapitel, die wiederum jeweils in mehrere theoretische Lerneinheiten gegliedert sind.<br />
Nach jeder theoretischen Einheit werden die erworbenen Kenntnisse anhand praktischer Übungen wiederholt und umgesetzt.<br />
3
III. Wie können die hier vermittelten Kenntnisse in unterschiedlichen Fachbereichen<br />
nützlich sein?<br />
Die GRUNDKOMPONENTEN EINES STORYBOARDS sind, wie wir uns erinnern<br />
können, in drei Kategorien zu unterteilen: BILDER: Zeichnungen, Fotografien,<br />
Computergraphiken, die den Drehbuchtext und die Regieanweisungen visualisieren;<br />
GRAPHIKEN: Aufsichten des Drehsets mit Kamerapositionen und den Bewegungen<br />
der Schauspieler; TEXTE: Fragmente aus dem Drehbuch, die den Bildern zugefügt<br />
werden, Regieanweisungen und Einstellungslisten.<br />
Alle drei Kategorien findet man in der VORPRODUKTION sowie in der POSTPRODUKTION als Ergebnis mehrerer Arbeitsprozesse<br />
wieder, die sich gegenseitig beeinflussen (Visualisierung des Drehbuchs, Umsetzung des Regiekonzeptes, Kameraführung,<br />
Choreographie auf dem Set usw.). Ein gut ausgearbeitetes Storyboard kann auch PRODUKTIONSDESIGNERN notwendige<br />
Informationen über die für den Dreh erforderliche Ausrüstung liefern. In der Postproduktion dienen BILDER, GRAPHIKEN und<br />
TEXTE dazu, die schwierigsten Schnittreihenfolgen und die Special Effects zu entwickeln. Erst im SCHNITT verwandelt sich das<br />
gedrehte Rohmaterial in die erwünschte, endgültige Filmfassung.<br />
Je nach Fachbereich, Semester und vorhandenen Kenntnissen wird jeder Student die für sich nützlichen Lerninhalte in den<br />
folgenden Seiten finden können. Filmhochschulstudenten in höheren Semestern sind filmtechnische und filmtheoretische<br />
Fachkenntnisse bereits vertraut, den Erstsemestern kommen die Ausführungen in diesem Übungsheft unterstützend entgegen.<br />
Kunststudenten besitzen zeichnerische Grundkenntnisse, Medienfachhochschulstudenten kennen sich mit der Schnitt- und Bildbearbeitungssoftware<br />
aus. Wenn sie sich im Produktionsbereich profilieren möchten, sind ihnen die unterschiedlichen Phasen in<br />
der Entwicklung eines Projektes, ob Film, TV oder Werbung zum Teil vertraut. Jeder Student kann das bereits erworbene Wissen mit<br />
den spezialisierten Kenntnissen über <strong>Storyboards</strong> ergänzen und durch Übungen neues und altes Wissen miteinander verschmelzen<br />
lassen. Derart wird je nach Bedarf und Schwerpunkt jedem Studenten die Möglichkeit gegeben, ein einheitliches und zugleich<br />
komplexeres Fachwissen zu erlangen, welches ihm eine zusätzliche Qualifikation auf seinem jeweiligen Fachgebiet sichert.<br />
4
Ausschnitte aus dem ersten Teil, Kapitel 1: Drehen<br />
II. 2. 2. KRAN<br />
Beispiel:<br />
Der Kran wird vor einem sechsstöckigen Wohnhaus<br />
aufgebaut. Vier der benachbarten Frauen befinden sich<br />
gleichzeitig auf dem Balkon: die erste (2. Etage) hält<br />
Ausschau nach Gästen, die sich verspäten, die zweite (3.<br />
Etage) gießt ihre Blumen, die dritte (4. Etage) sonnt sich,<br />
die vierte (Dachgeschoss) will ganz einfach an die frische<br />
Luft. Zwischen den Frauen bahnt sich ein Gespräch an. Der<br />
spritzige Wortaustausch ist das Herzstück der Szene, die<br />
nun gedreht werden soll. Der Kranarm bewegt sich<br />
senkrecht, zeichnet einen Halbkreis nach rechts, dann<br />
biegt er nach links, steigt bis zum Dachgeschoss. Der<br />
Kameramann nimmt zuerst alle, dann jede einzelne Frau<br />
frontal auf. Er variiert die Bildeinstellungsgrößen, indem er<br />
von der 1. Aufnahme (alle Frauen, Wohnhaus, T)<br />
bis zu der 5. (Frau, HN, Dachgeschoss) langsam zoomt.<br />
STORYBOARD SPEZIFISCHE SYMBOLE:<br />
Die PFEILE be<strong>zeichnen</strong> hier eine PARALLELE<br />
KAMERAFAHRT (der Blickwinkel bleibt unverändert). Die<br />
Zeichnung fängt ein ERWEITERTES BILDFELD ein, das in<br />
einem Entwurf alle Bewegungen des Kranarms<br />
(senkrecht, waagerecht, im Halbkreis), wie auch alle<br />
einzelnen Aufnahmen im gesamten Bildkontext zeigt.<br />
ZUSAMMENFASSENDE STORYBOARDZEICHNUNGEN<br />
verwendet man, wenn mehrere Aufnahmen am Set mit<br />
einer einzigen Kamerafahrt in der Reihenfolge gedreht<br />
werden, in der sie meistens auch geschnitten werden.<br />
STORYBOARDS MIT ERWEITERTEM BILD-/BLICKFELD<br />
zeigen Sequenzen mit ihren einzelnen Bildern.<br />
5<br />
Kam. 2/ HT<br />
Kam.5/ HN<br />
3. Frau<br />
1 Frau<br />
4. Frau<br />
2. Frau<br />
Kam. 1/ T Kam. 3/ HT Kam. 4/ AM
II. 2. 3. ZOLLY<br />
Zolly bezeichnet eine effektvolle Kombination zwischen einer Dolly-Kamerafahrt und einem gegenläufigen Zoom. Diese Drehtechnik<br />
verursacht emotionale Spannung, indem sie die Perspektive und die Raumverhältnisse künstlich verzerrt. Während der Dollywagen sich<br />
vom Objekt entfernt, zoomt der Kameramann auf das Objekt ran oder umgekehrt: Während der Dollywagen auf das Objekt zufährt, zoomt<br />
der Kameramann von diesem weg. Das Verhältnis zwischen Nah und Weit stimmt mit der räumlichen Realität nicht mehr überein. Das<br />
verwirrt, erzeugt Spannung, erweckt Neugierde oder, wenn beabsichtigt, sogar Unruhe und Angst. Klassisch sind die Zolly-Aufnahmen,<br />
in denen der Protagonist auf stets länger werdende Flure rennt, auf stets höher werdende Türme klettert, in stets steiler werdende<br />
Treppenhäuser abstürzt oder vergeblich versucht, einem unsichtbaren Verfolger zu entkommen, indem er zu einem sich<br />
stets entfernenden Ausgang läuft. In Horrorfilmen, vor allem beim Meister Hitchcock, findet man solche Aufnahmen häufig.<br />
Beispiel:<br />
Eine Säulengalerie in einem mittelalterlichen Kloster (HT). In der Mitte eine Frau, die fotografiert (T). Der Kamerawagen zieht sich<br />
zurück, während der Kameramann auf die Frau ranzoomt. Am Ende der Aufnahme ist die Säulengalerie in der T. und die Frau in der<br />
AM. Damit wird zweierlei beabsichtigt: einerseits soll der Säulengalerie eine geheimnisvolle Aura verliehen werden (wo endet sie<br />
bloß?), zweitens wird die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die Tätigkeit der Frau gelenkt (das Fotografieren), die in dieser Szene<br />
dramaturgisch wichtig ist (wen, was und warum fotografiert sie?).<br />
STORYBOARD SPEZIFISCHES SYMBOL: ZOLLY<br />
AUFSICHT DES DREHSETS<br />
Kam. 1<br />
Kam. 2<br />
Bild 1: Ausgangsbild: Subjekt T / Hintergrund HT Bild 2: Endbild: Subjekt AM / Hintergrund T<br />
6
TEIL I. / 1. KAPITEL: VORPRODUKTION / DREHEN<br />
ÜBUNGEN ZU DEN<br />
ABSCHNITTEN<br />
I. UND II.<br />
(II. 1. bis II. 2. 3.)<br />
A. Nennen Sie<br />
für Bild 1 und Bild 2<br />
die jeweils richtige<br />
Bildeinstellungsgröße.<br />
Wie nimmt der Kameramann die Bilder<br />
auf (welche Kameraführung)?<br />
Zeichnen Sie für diesen Dreh das<br />
STORYBOARD SPEZIFISCHE SYMBOL.<br />
7<br />
A.<br />
Bild 1<br />
Bild 2<br />
B.<br />
Bild 5<br />
Bild 3<br />
B. Bild 3 ist das erste in der folgenden Dialogszene, in der zwischen den Bildern 3, 4 und 5 ständig hin und her gewechselt wird. Nennen<br />
Sie die Bildeinstellungsgrößen der drei Bilder und die passende Kamerabewegung, die sie in Zusammenhang bringt.<br />
Zeichnen Sie dazu die STORYBOARD SPEZIFISCHEN SYMBOLE.<br />
C. Der Mann ganz rechts im Bild 6 durchquert die Bahnhofshalle und geht auf den Ausgang zu. Im Bild 7 sehen wir ihn bereits auf der<br />
Straße, wie er gleichen Schrittes weiter geht. Wie sollen die beiden Aufnahmen gedreht werden (welche Kameraführung)? Zeichnen<br />
Sie dazu die STORYBOARD SPEZIFISCHEN SYMBOLE.<br />
Bild 4<br />
C.<br />
Bild 6<br />
Bild 7
Ausschnitte aus dem ersten Teil, Kapitel 2: Schneiden<br />
Der Achsensprung.<br />
Zwei hart aneinander geschnittene Bilder sollten auf der gleichen Seite der Drehachse gedreht worden sein. Diese Regel wird in den USA<br />
auch die 180° Regel genannt, weil die Kamera während der Aufnahme innerhalb des gleichen Halbkreises – in Bezug auf das Drehset –<br />
bleibt. Man sollte eine Figur im ersten Bild nicht von links und im zweiten – unmittelbar nach dem harten Schnitt – von rechts kommen<br />
lassen, wenn man nicht den Eindruck erwecken möchte, dass sie die Richtung gewechselt hat oder sich in einem anderen Raum befindet.<br />
Beispiel: Es wird vor Beginn einer<br />
Vernissage gedreht. Der Künstler steht<br />
nah am Eingang. Der Galerist holt<br />
einen Stuhl aus dem hinteren Raum. Er<br />
durchquert den ersten und bringt den<br />
Stuhl hinaus. Eine Besucherin hält<br />
sich bereits im ersten Raum auf.<br />
Der Künstler geht auf sie zu, um sie zu<br />
begrüßen. Die Kamera steht links der<br />
Drehachse. Würde man diese Szene<br />
mal links, mal rechts der Drehachse<br />
drehen, würden sich Position der<br />
Charaktere und Bildhintergrund<br />
ändern.<br />
Das wäre ein Achsensprung.<br />
DRAUSSEN VOR<br />
DEM EINGANG<br />
DREHACHSE<br />
Der Künstler,<br />
links im Bild,<br />
geht nach<br />
rechts auf<br />
die Frau zu.<br />
Der Mann mit dem<br />
Stuhl kommt auf uns<br />
(bzw. die Kamera) zu.<br />
1. RAUM M<br />
2. RAUM<br />
Die Frau steht rechts<br />
im Bild, vor der Wand<br />
mit der Topfpflanze<br />
Bild 1/T: K links, F rechts, M kommt Falsch: K rechts, F links, M geht Bild 2/AM: K links, F rechts, M kommt<br />
K<br />
F<br />
8
TEIL I. / 2. KAPITEL: POSTPRODUKTION / SCHNEIDEN<br />
ÜBUNGEN ZU DEN ABSCHNITTEN: I. bis III.<br />
Zeichnen Sie das STORYBOARD zu den vier folgenden Textfragmenten. Setzen Sie Ihre bisher erworbenen Kenntnisse über Dreh- und<br />
Schnittarten bei der Umsetzung dieses Drehbuchtextes ein. Wählen Sie die Kameraführung und die Schnittarten derart, dass der<br />
dramaturgische Zusammenhang an Spannung gewinnt.<br />
Fragment 1: Zwei Männer (alt und jung) sitzen an einem Tisch und schweigen. Zwischen ihnen – die Reste ihres Abendmahls.<br />
Die Gläser sind leer. Der Alte nimmt die Flasche Rotwein und schenkt ein. Zuerst dem Jungen, dann sich selbst.<br />
Fragment 2: Seine Hand zittert und er schüttet einige Tropfen Wein auf die weiße Tischdecke. Er starrt die verschmutzte Stelle<br />
an, führt die Finger über die kleinen, rotbraunen Flecken. An ihrer Stelle erscheinen allmählich andere rotbraune<br />
Flecken, die den weißen Seidenstoff eines Kleidungsstücks bedecken.<br />
Fragment 3: Es sind Blutflecken auf der weißen Bluse einer jungen Frau, die in den Armen des Alten liegt. Sie stirbt. Der Alte<br />
legt seine Hand über ihre offenen Augen. Dunkel.<br />
Fragment 4: Die Dunkelheit nimmt nach und nach Farb- und Lichtreflexe auf. Sie funkelt, glänzt, ist rot wie der Wein in dem<br />
Glas, das der Junge am Tisch gegen das Licht hält. Er beobachtet den Raum durch die rubinartige Flüssigkeit wie<br />
durch eine verzerrende Linse. Er sieht den Alten blinzeln und seine Hand an die Stirn führen. Der Junge stellt das<br />
Glas auf den Tisch und wendet sein Gesicht langsam zum Fenster.<br />
9
IV. 5. DAS BLUE SCREEN<br />
Um Bilder zu kombinieren, die man aus technischen, finanziellen oder zeitlichen Gründen nicht zusammen oder gleichzeitig drehen<br />
kann, arbeitet man mit dem so genannten BLUE SCREEN. Von der Wettervorhersage im Fernsehen bis zu den kühnsten Fantasieoder<br />
Stuntfilmen, agieren die Personen meistens im Studio vor einer blauen oder grünen Leinwand und werden danach in das<br />
Hintergrundbild eingesetzt. Das, was wir im Hintergrund auf der großen Leinwand schließlich sehen werden, wird entweder direkt<br />
vor Ort bzw. am Set gedreht oder mit dem Computer erstellt. Beim Schnitt wird aus der Studioaufnahme das Blue Screen<br />
ausgeblendet und stattdessen werden die anderen Aufnahmen darunter gelegt.<br />
Beispiel: Die Moderatorin einer Reisesendung befindet sich im Studio vor dem BLUE SCREEN. Sie erzählt über Bangkok, Thailand,<br />
als wäre sie dort und würde auf einem Boot auf dem Chao Phraya Fluss fahren. Vor ihr läuft der Ventilator und die Scheinwerfer<br />
brennen. Beim Schnitt wird das BLUE SCREEN ausgeblendet und die Live-Aufnahme aus Bangkok eingeblendet. Danach blendet<br />
man die Moderatorin aus und setzt den Film über Bangkok fort.<br />
Die Moderation, Studioaufzeichnung / Juli 2007<br />
Live-Aufnahme Bangkok<br />
März 2006<br />
Auf Sendung: Reisebericht / Dezember 2007<br />
10
TEIL I. / 2. KAPITEL: POSTPRODUKTION / SCHNEIDEN<br />
ÜBUNGEN ZU DEN ABSCHNITTEN: IV. (IV. 1. bis IV. 7.) und V.<br />
Welche visuellen Effekte würden Sie für den Schnitt planen, wenn Sie die folgenden drei Szenen<br />
und die eine Sequenz drehen müssten? Zeichnen Sie jeweils für die Vor- und die Postproduktion<br />
die entsprechenden STORYBOARDS:<br />
Szene 1: Die Szene dokumentiert die Entstehung eines riesigen Turmbaus, der fast<br />
über Nacht mitten in der Wildnis hochgezogen wird.<br />
Szene 2: Ein kleiner Junge liegt auf dem Bauch am grünen Ufer eines Flusses. Er lässt<br />
einen Stein ins Wasser fallen und beobachtet die kreisförmigen Wellen, bis die<br />
Wasseroberfläche wieder glatt wird. Darin spiegeln sich der Himmel und die<br />
vorbeiziehenden weißen Wolken.<br />
Szene 3: Ein Auto rast auf einer Landstraße am Rande einer Schlucht entlang. Plötzlich<br />
kommt es ins Schleudern und stürzt über die Brüstung. Wir sollen aber nicht<br />
sehen, wie es abstürzt. (kleiner Tipp: Erinnern Sie sich an die Schlussszene<br />
von R. Scotts Thelma und Louise?)<br />
Sequenz 1: Eine Frau hockt zusammengekauert mitten in einem weißen, kahlen Raum. Sie<br />
hält sich die Ohren zu, ihre weit aufgerissen Augen blicken unruhig durch die<br />
Gegend, als würde sie etwas mit dem Blick verfolgen. Plötzlich füllt sich der<br />
Raum mit Bildern, die sich um die Frau karussellartig drehen:<br />
Eine Autounfallszene, eine Intensivstationszene, ein Mann mitten in einem<br />
leeren Kinderzimmer stehend und vor sich hin starrend, während die Frau<br />
selbst darin irrt und den Namen Anna ruft.<br />
11
Ausschnitte aus dem ersten Teil, Kapitel 3: <strong>Storyboards</strong><br />
SCHEMAZEICHNUNG DES DREHSETS<br />
Kam. 1<br />
Kam. 2<br />
KRAN<br />
DOMPLATZ<br />
Kam. 3<br />
DENKMAL<br />
Kam. 5<br />
Kam. 6-9<br />
Kam. 4<br />
Titel des Filmes /<br />
der Produktion<br />
Datum (Wochentag)<br />
des Drehs<br />
Titel/Nr. der<br />
gedrehten Szene<br />
Innen/Außen<br />
Tag/Nacht<br />
Zeitangaben:<br />
Drehbeginn<br />
Drehschluss<br />
TC & Nr. der Takes<br />
Kameraführung,<br />
Bildeinstellungsgrößen<br />
Blickwinkel, Perspektive,<br />
Choreografie & Ausstattung<br />
der Figuren bzw. des Sets<br />
Für jeden separaten Dreh werden direkt vor Ort, d.h. am Set, EINSTELLUNGSLISTEN erstellt.<br />
Diese „Drehprotokolle“ dienen in der VORPRODUKTION dem gesamten Drehteam wie auch den Schauspielern dazu,<br />
sich den genauen Ablauf der gedrehten Szenen in Erinnerung zu bringen. So können bei der Wiederholung der Takes<br />
Fehler vermieden werden und die Fortsetzung des Drehs, falls man die Szene z.B. erst drei Monate später drehen soll,<br />
kann einwandfrei durchgeführt werden.<br />
In der POSTPRODUKTION helfen die EINSTELLUNGSLISTEN bei der Erstellung der Schnittliste, da die Szenen<br />
meistens nicht in der wie im Drehbuch stehenden chronologischen Reihenfolge gedreht werden.<br />
Die Dreharbeiten sind von externen Faktoren, wie Wetter oder Jahreszeit, als auch von internen Umständen, wie z.B.<br />
von Drehgenehmigungen, der Zeitplanung und den freien Kapazitäten des Teams bzw. der Schauspieler, von anderen<br />
Produktionseinheiten usw. abhängig.<br />
DOM<br />
12
Ausschnitte aus dem erstenTeil: Lösung der Übungen<br />
TEIL I, KAPITEL 1: VORPRODUKTION / DREHEN: ÜBUNGEN ZU DEN ABSCHNITTEN I. UND II. (II. 1. bis II. 2. 3.)<br />
Bild 1<br />
A.<br />
Bild 2<br />
TEIL I, KAPITEL 2: POSTPRODUKTION / SCHNEIDEN: ÜBUNGEN ZU DEN ABSCHNITTEN: I. bis III.<br />
Fragment 1:<br />
Bild 1 - Halbnah /HN<br />
Bild 2 - Halbtotale / HT<br />
STORYBOARD SPEZIFISCHE<br />
SYMBOLE<br />
Bild 2<br />
13<br />
Bild 1<br />
Der Kameramann zoomt weg:<br />
vom Bild 1 (HN) kommt er<br />
auf Bild 2 (HT).<br />
Bild 1<br />
Bild 2<br />
cut<br />
Bild 3<br />
Bild 5<br />
Bild 5<br />
B.<br />
Bild 4<br />
Bild 3<br />
Bild 3 - Amerikanische /AM<br />
Bild 4 - Nah /N<br />
Bild 5 - Nah /N<br />
Bild 4<br />
C.<br />
Bild 6<br />
Bild 7<br />
Der Kameramann zoomt ran: vom Bild 3 (AM)<br />
auf Bild 4 (N), dann schwenkt er nach links auf<br />
Bild 5 (N). Er kann beliebig zwischen Bild 4 und<br />
Bild 5 schwenken. Anschließend kann er von<br />
der Naheinstellung (5) wieder weg zoomen<br />
und auf Bild 3 (AM) zurück kommen.<br />
Bild 7<br />
Bild 4 Bild 5<br />
Bild 3<br />
Bild 6<br />
cut<br />
Bild 6<br />
Bild 7<br />
Bild 6 - Totale /T<br />
Bild 7 - Halbtotale /HT<br />
Kranfahrt über die<br />
Bahnhofshalle: Totale,<br />
Weitwinkel. Zoom auf<br />
den Mann rechts ran,<br />
die Figur bleibt in der T.<br />
Der Kranarm folgt ihr<br />
weiter bis zum<br />
Ausgang.<br />
Subjektive Kamera.<br />
Auf der Straße folgt der<br />
Kameramann dem Mann<br />
über die Straße mit<br />
Schulter-Kamera.<br />
Dabei nimmt er ihn<br />
in der HT auf, d.h. er<br />
bleibt ca. 3-4 Meter hinter<br />
dem Mann.<br />
B 1/ HT, Ranzoom auf B 2/ HN / CUT / B 3/ G, Schwenk o.l. auf B 4/ N, Schw. r. auf B 5/ N, Schw. u.l. auf B 6/ N / CUT / B 7/ D, Schwenk u. Wegzoom auf B 8/ AM
Ausschnitte aus dem zweiten Teil, Kapitel 1: Die Dramaturgie<br />
Wie lange die Einführung ist, wann PLOTPOINT 1 kommt, wie viel Zeit der Aufbau des SPANNUNGSBOGENS bis zu seinem<br />
HÖHEPUNKT in Anspruch nimmt, wie früh oder wie spät PLOTPOINT 2 eintritt und wie lang noch der verbliebene Endabschnitt des<br />
Films ist, hängt von Drehbuch, Regie und Filmgenre ab.<br />
Visualisiert man die Dauer der jeweiligen Filmabschnitte, also die Position der beiden Plotpoints und die des Spannungsbogens mit<br />
seinem Höhepunkt auf der ZEITACHSE DES FILMS (die unterschiedlich lang sein kann, je nach Filmgenre – Kurzfilme können 3<br />
Minuten lang sein, Spielfilme manchmal 3 Stunden), würde dies bei einem Spielfilm in normaler Länge (90 Minuten) folgendermaßen<br />
aussehen:<br />
ZEITACHSE DES FILMS HÖHEPUNKT PLOTPOINT 2<br />
PLOTPOINT 1 SPANNUNGSBOGEN<br />
Minute 0 Minute 5 bis 20 im letzten Drittel Minute 60 bis 85 Minute 90<br />
Die Positionen der Plotpoints auf der Zeitachse und die Länge der dazwischen liegenden Filmabschnitte sind veränderbar. Manchmal<br />
beginnt der Film direkt mit Plotpoint 1. Oft liegen Höhepunkt und Plotpoint 2 dicht beieinander oder sie überlappen sich, sodass der<br />
Höhepunkt gleichzeitig auch der Plotpoint 2 ist.<br />
Es ist ebenso möglich, den Plotpoint 2 an das Ende der Zeitachse zu schieben und ihn zu dem eventuellen Plotpoint 1 einer weiteren<br />
Story werden zu lassen, die den Zuschauer auf einen Fortsetzungsfilm neugierig machen soll. Die Intention einer solchen offenen<br />
Zeitachse kann auch darin liegen, dem Zuschauer die gedankliche Fortführung der Filmstory zu überlassen.<br />
14
PARADIGMATISCHE ACHSE / DIE DEUTUNGSACHSE: Achse der Paradigmen und ihrer Synchronie (sie gelten gleichzeitig)<br />
Einige der semantischen Hauptkategorien von Paradigmen (unendlich<br />
fortsetzbar) am Beispiel von Pete, der drei Kategorien bedient.<br />
Andere Paradigmenpaare: Held / Antiheld; Erneuerer / Traditionsgebundener;<br />
Berater / Intrigant; Freund / Feind; Täter / Opfer; Weiser / Unschuldiger usw.<br />
HAUPTFIGUR: die dies ist und das tut;<br />
sie tut/ist es dann, dort, derart und deswegen<br />
NEBENFIGUR: die die Obige unterstützt,<br />
begleitet, kontrastiert oder unterminiert<br />
AKTIVER CHARAKTER: der macht,<br />
verursacht, verändert, entscheidet usw.<br />
PASSIVER CHARAKTER: der erleidet,<br />
erstarrt, erduldet, resigniert usw.<br />
PROTAGONIST: der die Handlung trägt,<br />
die Identifikationsperson für den Zuschauer<br />
ANTAGONIST: der sich dem Obigen<br />
widersetzt, ihn verfolgt, vernichten will usw.<br />
Er steuert die Handlung in die<br />
gegensätzliche Richtung<br />
SYNTAGMATISCHE ACHSE / S P A N N U N G S B O G E N<br />
DIE GLIEDERUNGSACHSE: Achse der<br />
Syntagmen und ihrer Chronologie Status quo Plotpoint 1 Höhepunkt Plotpoint 2 Apotheose<br />
(die Filmhandlung / die Geschehnisse<br />
entfalten sich der Reihe nach) 0" 1'45" 3'00" 3'40" 5'00"<br />
Chronologisch in der Gegenwart 11.30 Uhr 11.45 Uhr 11.50 Uhr 11.55 Uhr 12.00 Uhr<br />
von 11.30 Uhr bis 12.00 Uhr vormittags<br />
15<br />
kommt aus der<br />
Menge hervor<br />
Schlendert<br />
gelassen<br />
blättert<br />
abwesend<br />
verändert sich sichtlich:<br />
wird unruhig, argwöhnisch<br />
reißt die Seite überrascht<br />
Hände zittern, Grimasse<br />
ist er voller Angst oder<br />
Zorn? Unklar!<br />
Ist er glücklich?<br />
Oder doch zornig?<br />
Verbissen?<br />
Oder bloß kalt?<br />
Was ist seine<br />
Körpersprache?<br />
Ist er der Täter<br />
oder das Opfer?<br />
Liebt er Betty?<br />
Oder hasst er sie?<br />
Ist er am Ende<br />
die Bedrohung?
TEIL II. / 4. KAPITEL: UMSETZUNG IN STORYBOARDS<br />
ÜBUNGEN ZU DEN ABSCHNITTEN: I. und II.<br />
Machen Sie zu den hier gezeichneten Bildern Vorschläge für Drehskript und Dramaturgie. Es handelt sich um eine Szene mit sechs<br />
Einstellungen, deren Hauptfigur ein Mann Namens Paul ist. Erstellen Sie für jede Szene ein STORYBOARD mit Zeichnungen,<br />
Aufsicht des Drehsets und Einstellungsliste. Anschließend <strong>zeichnen</strong> Sie die Graphik für die gesamte Szene.<br />
2<br />
3<br />
1<br />
6<br />
4<br />
Einstellung 1 Einstellung 2 Einstellung 3<br />
11<br />
12<br />
13<br />
14<br />
Einstellung 4 Einstellung 5 Einstellung 6<br />
15<br />
5<br />
17<br />
16<br />
18<br />
7<br />
20<br />
10<br />
19<br />
9<br />
8<br />
16
Ausschnitte aus dem zweitenTeil: Lösung der Übungen<br />
TEIL II, KAPITEL 4: UMSETZUNG IN STORYBOARDS.<br />
ÜBUNGEN ZU DEN ABSCHNITTEN: I. und II.<br />
17<br />
Bild 2<br />
Bild 3<br />
Bild 1<br />
cut<br />
Einstellung 1<br />
Aufsicht des<br />
Drehsets<br />
Schärfe verlagern von links<br />
(Passant draußen - Glastür)<br />
nach rechts - Frau /N /<br />
kommt rein, erblickt Paul.<br />
Wenn Frau /G /an Kamera<br />
vorbei geht,leicht nach links<br />
schwenken, aufziehen<br />
(wegzoomen) & Schärfe auf<br />
Paul /N /verlagern<br />
Paul /N / so langsam, dass fast<br />
unmerkbar auf sein Gesicht bis G<br />
(close up) ranzoomen (Schweiß)<br />
langsam Schwenk<br />
auf Hände /G/<br />
ranzoomen bis<br />
auf Finger /D/<br />
SCHNITT!<br />
cut<br />
Drehskriptfragment:<br />
Szene 1: Im Krankenhaus INT / TAG<br />
Eingangsbereich, vor der großen GLASTÜR.<br />
Eine junge FRAU mit einem Blumenstrauß kommt durch<br />
die Eingangstür herein. Ihr Blick fällt auf einen MANN,<br />
der einige Schritte vor ihr steht und heftig seine Hände<br />
mit einem Taschentuch abwischt. Es ist PAUL, der auf<br />
ein wichtiges Ergebnis wartet: Sein Gesicht und seine<br />
Hände sind verschwitzt. Als die Frau an ihm vorbei geht,<br />
bemerkt er sie gar nicht.<br />
Einstellungsliste (Ausschnitt):<br />
PAUL<br />
(vor sich hin murmelnd)<br />
Es ist umsonst...<br />
Alles ist umsonst gewesen...<br />
PRODUKTION: PAUL UND PAULA<br />
Szene 1: IM KRANKENHAUS INT./TAG<br />
EINGANGSBEREICH<br />
Einstlellung 1: DAS TASCHENTUCH<br />
Dreh- Dreh- Take Kameraführung<br />
beginn schluss Nr. Handlung,Dialoge<br />
TC Blickwinkel<br />
08.00 11.00 1 Bild 1: STEADICAM<br />
00.31 Glastür /N/Schärfe<br />
02.45 draußen - Passant<br />
2 Schärfeverlagerung<br />
02.46 auf Frau /N/ wenn<br />
03.40 sie drin ist. Sie<br />
3 kommt FRONTAL auf<br />
04.41 die Kamera zu (geht<br />
05.29 links an ihr vorbei,<br />
4 & raus aus dem Bild),<br />
05.30 wirft auf Paul einen<br />
06.15 verwunderten Blick<br />
usw.<br />
Bild 2: STEADICAM<br />
Wenn Frau / G/ vor<br />
der Kamera, SCHWENK<br />
nach links auf Paul<br />
im PROFIL /N/Schärfe<br />
verlagern.
Ioona Rauschan, Musterexemplar mit Ausschnitten aus dem Lehrbuch:<br />
STORYBOARDS ZEICHNEN. Ein Übungsheft c 2008<br />
working HEAD quarter