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Fallbeispiel: Bestattung eines Verstorbenen ohne Angehörige

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<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Angehörige</strong><br />

<strong>Fallbeispiel</strong>: <strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Angehörige</strong><br />

Hinweis:<br />

Das <strong>Fallbeispiel</strong> knüpft an das <strong>Fallbeispiel</strong> „<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> mittellos <strong>Verstorbenen</strong>“ mit dem Unterschied an,<br />

dass die Bemühungen der Ordnungsbehörde zum Auffinden von <strong>Angehörige</strong>n erfolglos sind. Aus dieser<br />

Fallkonstellation ergibt sich die interessante Frage, wer dann die <strong>Bestattung</strong> vornehmen muss und in welcher<br />

Rechtsform sie ausgeführt wird.<br />

Rechtlich nicht unerheblich ist auch die Frage, ob ein später auftauchender <strong>Angehörige</strong>r verpflichtet ist,<br />

nachträglich die Kosten der <strong>Bestattung</strong> zu übernehmen.<br />

Sachverhalt<br />

Sachverhalt<br />

V. hat seit dem Ableben seiner Frau jeglichen Kontakt zur Außenwelt abgebrochen. Bei heißem Sommerwetter<br />

erleidet er beim Endspiel des ConFed-Cup einen Schlaganfall und wird mit dem Notarztwagen in die Kreisklinik<br />

in der Stadt S. eingeliefert. Zwei Tage später verstirbt er in der Klinik. Die Mitarbeiter der Klinik können keine<br />

<strong>Angehörige</strong>n ermitteln. Die Leiche von V. wird daher zunächst in die Leichenhalle des Krankenhauses verbracht.<br />

Nachdem auch zwei Tage nach dem Tod niemand gefunden wird, der sich bereit erklärt, für die <strong>Bestattung</strong> von V.<br />

zu sorgen, fragt die Krankenhausleitung bei der Stadt S. an, ob bekannt sei, dass V. <strong>Angehörige</strong> habe und wie<br />

weiter mit der Leiche zu verfahren sei, da die gesetzliche <strong>Bestattung</strong>sfrist bald ablaufe.<br />

Der zuständige Sachbearbeiter stellt seinerseits Ermittlungen darüber an, ob V. <strong>Angehörige</strong> habe. Dabei stellt sich<br />

heraus, dass V. keinerlei <strong>Angehörige</strong> hat und bei seinem Tod nahezu völlig mittellos war.<br />

Fallfragen:<br />

Kurze Lösung des Falls:<br />

Falll Falllösung Falll sung<br />

1. Wer ist zur <strong>Bestattung</strong> von V. verpflichtet und welche Maßnahmen sind zulässig?<br />

I. I. Zust Zuständigkeit<br />

Zust ndigkeit<br />

Seite 1 von 10<br />

1. Wer ist zur <strong>Bestattung</strong> von V. verpflichtet und welche Maßnahmen sind zulässig?<br />

2. Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn später aber der <strong>Angehörige</strong> A. auftaucht, der mit V. seit 20 Jahren keinen<br />

Kontakt hatte und sich mit ihm auch nie verstanden hat? Da V. mittellos verstorben ist, schlägt A. die<br />

Erbschaft aus.<br />

1. Die <strong>Bestattung</strong> des V. wird im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt. Da deren Androhung nicht möglich<br />

ist, führt die örtlich zuständige Ordnungsbehörde die <strong>Bestattung</strong> als Ersatzvornahme unmittelbar nach den<br />

VwVG bzw. PolG/OBG der Bundesländer aus.<br />

In Hessen ist V. von dem Leiter der Kreisklinik zu bestatten, da er dort verstorben ist. Sofern V. nicht in einer<br />

Klinik verstorben wäre, hätte die Ordnungsbehörde die <strong>Bestattung</strong> vorgenommen.<br />

2. A. ist der Adressat <strong>eines</strong> Leistungsbescheids, da er als <strong>Angehörige</strong>r von V. zu dessen <strong>Bestattung</strong> verpflichtet<br />

war. Sein Einwand, er habe zu V. seit 20 Jahren keinen persönlichen Kontakt gehabt, ist unbeachtlich. A. ist<br />

daher zum Tragen der <strong>Bestattung</strong>skosten verpflichtet. Allerdings muss geprüft werden, ob die Forderung an A.<br />

noch nicht verjährt ist. Nach dem Eintritt der Verjährung könnte die Forderung gegenüber A. nicht mehr<br />

durchgesetzt werden.<br />

Die Zuständigkeit der Ordnungsbehörde für die <strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong>, der nicht von den <strong>Angehörige</strong>n<br />

bestattet wird, ergibt sich<br />

aus den <strong>Bestattung</strong>sgesetzen der Bundesländer Baden-Württemberg, Berlin, Bayern, Brandenburg, Hamburg,<br />

Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-<br />

Holstein und Thüringen (Fallgruppe 1)<br />

bzw. aus den PolG/OBG in den Ländern Bremen, Rheinland-Pfalz und Sachsen (Fallgruppe 2).<br />

Hessen bildet die Fallgruppe 3.<br />

Beachten Sie, dass die Ordnungsbehörde örtlich zuständig ist, auf deren Gebiet der Tod eingetreten oder der Tote<br />

gefunden worden ist. Einige Bundesländer haben dies ausdrücklich in das BestattG geschrieben (vgl. z.B. § 8 Abs.<br />

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<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Angehörige</strong><br />

1 NRW), andere Bundesländer lassen diese Frage offen.<br />

II. II. Sonderfall Sonderfall Versterben Versterben im im im Krankenhaus<br />

Krankenhaus<br />

In Hessen hat der Direktor oder Leiter <strong>eines</strong> Krankenhauses, einer Anstalt, <strong>eines</strong> Heims oder Lagers oder deren<br />

Beauftragte den <strong>Verstorbenen</strong> zu bestatten, wenn dieser im Zeitpunkt s<strong>eines</strong> Todes in einem Krankenhaus, einer<br />

Pflege- oder Gefangenenanstalt, einem Heim, einem Lager, einer Sammelunterkunft oder einer ähnlichen<br />

Einrichtung gelebt hat und <strong>Angehörige</strong> innerhalb der für die <strong>Bestattung</strong> bestimmten Zeit nicht aufzufinden sind<br />

(§ 13 Abs. 3 FBG).<br />

Dieser kann sich aber die Kosten der <strong>Bestattung</strong> entsprechend § 74 SGB XII vom zuständigen Träger der<br />

Sozialhilfe erstatten lassen:<br />

Das Krankenhaus ist „Verpflichteter“ i.S.v. § 74 SGB XII und<br />

die Übernahme der Kosten der <strong>Bestattung</strong> ist dem Krankenhausträger nicht zumutbar, weil es nicht zu den<br />

allgemeinen Aufgaben einer Klinik gehört, verstorbene Patienten zu bestatten (BVerwG vom 29.01.2004, 5 C<br />

2.03).<br />

Zweck des § 74 SGB XII ist es, eine <strong>Bestattung</strong> sicherzustellen, die mit der Würde des Toten zu vereinbaren ist.<br />

III. III. Befugnisse Befugnisse der der Ordnungsbeh<br />

Ordnungsbehörde<br />

Ordnungsbeh rde<br />

A) A) Erlass Erlass Erlass einer einer <strong>Bestattung</strong>sanordnung <strong>Bestattung</strong>sanordnung bzw. bzw. bzw. Ordnungsverf<br />

Ordnungsverfügung<br />

Ordnungsverf gung<br />

Aus den unter I. aufgeführten Vorschriften ergibt sich auch die Befugnis der Ordnungsbehörde zum Erlass einer<br />

<strong>Bestattung</strong>sanordnung bzw. Ordnungsverfügung und nachfolgender <strong>Bestattung</strong> im Wege der Ersatzvornahme,<br />

auch wenn keine bestattungspflichtige Person vorhanden ist.<br />

Die Rechtsgrundlagen entnehmen Sie bitte folgender Tabelle:<br />

Bundesland Rechtsgrundlage Zuständige Behörde ist …<br />

Baden-Württemberg § 31 Abs. 2 BestattG Ortspolizeibehörde<br />

Bayern Artikel 14 Abs. 2 BestattG Bürgermeister<br />

Berlin § 16 Abs. 3 BestattG örtlich zuständige Bezirksamt<br />

Brandenburg § 20 Abs. 2 BestattG örtliche Ordnungsbehörde<br />

Bremen § 10 Abs. 1 Satz 1 PolG Ortspolizeibehörde<br />

Hamburg § 10 Abs. 1 BestattG<br />

Hessen — —<br />

Mecklenburg-Vorpommern § 9 Abs. 3 BestattG örtliche Ordnungsbehörde<br />

Niedersachsen § 8 Abs. 4 BestattG Gemeinde<br />

Niedersachsen § 11 Nds. SOG Gemeinde<br />

Nordrhein-Westfalen § 8 Abs. 1 Satz 2 BestattG örtliche Ordnungsbehörde<br />

Rheinland-Pfalz § 9 Abs. 1 Satz 1 POG RP allgemeine Ordnungsbehörde<br />

Saarland § 26 Abs. 2 BestattG Ortspolizeibehörde<br />

Sachsen § 3 Abs. 1 SächsPolG Ortspolizeibehörde<br />

Sachsen-Anhalt § 14 Abs. 2 BestattG Gemeinde<br />

Schleswig-Holstein § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattG Gemeinde<br />

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<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Angehörige</strong><br />

Thüringen § 18 Abs. 2 BestattG Ordnungsbehörde<br />

Fallgruppe 1<br />

In den Bundesländern Baden-Württemberg, Berlin, Bayern, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen ist<br />

Voraussetzung für den Erlass der <strong>Bestattung</strong>sanordnung, dass der <strong>Bestattung</strong>spflichtige nicht oder nicht rechtzeitig<br />

für die <strong>Bestattung</strong> sorgt.<br />

Im vorliegenden Fall ist aber kein <strong>Angehörige</strong>r vorhanden, der die <strong>Bestattung</strong> vornehmen könnte. Ohne<br />

Adressaten kann eine <strong>Bestattung</strong>sanordnung nicht erlassen werden.<br />

Fallgruppe 2<br />

In den Bundesländern Bremen,, Rheinland-Pfalz und Sachsen sieht das <strong>Bestattung</strong>sgesetz keine spezialgesetzliche<br />

Ersatzvornahme vor. Die <strong>Bestattung</strong> könnte nur den durch Erlass einer Ordnungsverfügung auf der Grundlage der<br />

General- bzw. Befugnisklausel nach dem PolG/OBG des Bundeslands veranlasst werden.<br />

Auch diese Verfügung kann mangels Adressaten nicht ergehen.<br />

B) B) Ist Ist eine eine eine Ersatzvornahme Ersatzvornahme <strong>ohne</strong> <strong>ohne</strong> Adressaten Adressaten Adressaten zul zulässig? zul ssig?<br />

Da kein Adressat einer möglichen Verfügung vorhanden ist, könnte die Ordnungsbehörde allenfalls<br />

„Verwaltungszwang gegen Unbekannt“ ausüben (siehe hierzu und zum Folgenden Dietlein, NWVBl. 1991, 81, 84<br />

ff.). Diese Vorgehensweise ist sehr fraglich, weil das Wesen der Verwaltungsvollstreckung darin liegt, eine<br />

bestimmte öffentlich-rechtliche Verpflichtung <strong>eines</strong> Betroffenen zwangsweise durchzusetzen. Genau dies ist aber<br />

in diesem Fall nicht möglich.<br />

Fallgruppe 3<br />

Bitte beachten Sie die Besonderheiten im Bundesland Hessen: § 13 Abs. 4 FBG sieht die <strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong><br />

<strong>Verstorbenen</strong> durch das Ordnungsamt vor, wenn <strong>Angehörige</strong> nicht vorhanden oder nicht in der Lage sind, die<br />

<strong>Bestattung</strong> zu veranlassen.<br />

C) C) <strong>Bestattung</strong> <strong>Bestattung</strong> im im Wege Wege der der unmittelbaren unmittelbaren Ausf Ausführung Ausf<br />

hrung<br />

Die unmittelbare Ausführung ermöglicht es der Ordnungsbehörde in den Fällen, in denen der Pflichtige nicht oder<br />

nicht rechtzeitig erreicht bzw. ermittelt werden kann, <strong>ohne</strong> Zeitverzögerung Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu<br />

treffen. Sie erlaubt daher das Ausüben des Verwaltungszwangs gegenüber (noch) unbekannten oder unwilligen<br />

Pflichtigen.<br />

Rechtsgrundlagen<br />

Die Rechtsgrundlagen der unmittelbaren Ausführung der <strong>Bestattung</strong> finden Sie in den Bundesländern in folgenden<br />

Rechtsvorschriften:<br />

Bundesland Rechtsgrundlage der unmittelbaren Ausführung<br />

Baden-Württemberg §§ 2, 18, 21 LVwVG; §§ 49, 8 Abs. 1 PolG BW<br />

Bayern Artikel 19, 29 Abs. 1, 35 VwZVG BA, vgl. Artikel 53 PAG<br />

Berlin § 5 Abs. 2 Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung i.V.m. § 6 Abs. 2<br />

BVwVG; § 15 Abs. 1 ASOG<br />

Brandenburg § 15 VwVG BB, vgl. § 53 PolG BB<br />

Bremen § 11 Abs. 2 BremVwVG/§ 40 BremPolG<br />

Hamburg §§ 18, 27 VwVG HH; § 7 Abs. 1 und 2 SOG HH<br />

Hessen § 13 Abs. 4, 5 FBG<br />

Mecklenburg- §§ 79, 81 SOG MV; § 70a Absatz 1 SOG MV<br />

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<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Angehörige</strong><br />

Vorpommern<br />

Niedersachsen § 64 Abs. 2 Nds. SOG<br />

Nordrhein-Westfalen §§ 55 Abs. 2 VwVG NW, § 50 PolG NW<br />

Rheinland-Pfalz § 61 Abs. 2 VwVG RP, § 6 PolG RP<br />

Saarland § 18 Abs. 2 SVwVG SL, § 44 Abs. 2 SPolG<br />

Sachsen § 21 SächsVwVG, § 30 SächsPolG<br />

Sachsen-Anhalt § 71 Abs. 1 VwVG SA i.V.m. § 53 Abs. 2 SOG SA; § 9 Abs. 1 SOG SA<br />

Schleswig-Holstein §§ 229 Abs. 2, 230 VwG SH<br />

Thüringen § 54 ThürVwZVG, § 12 Abs. 1 ThürOBG<br />

Die Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführungen sind:<br />

Seite 4 von 10<br />

1. Die Gefahr muss gegenwärtig sein,<br />

gegenwärtig ist eine Gefahr, bei der der Schadenseintritt unmittelbar oder in allernächster Zeit bevorsteht und<br />

mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist oder die Störung bereits begonnen hat.<br />

Zum Fall: Nach allgemeiner Lebenserfahrung und wissenschaftlichen Erkenntnissen gehen von unbestatteten<br />

Leichen durch die fortschreitende Verwesung erhebliche Gesundheitsgefahren für Dritte aus, die zur<br />

Ausbreitung von Krankheiten oder zur Entstehung von Seuchen beitragen könnten (Dietlein, NWVBl 1998,<br />

493, 495; U. Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002, 917 f.). Durch die Nichtbestattung von V. besteht daher eine<br />

konkrete Gesundheitsgefahr für die Allgemeinheit.<br />

Zum anderen geht das BVerfG davon aus, dass es mit dem verfassungsrechtlichen Gebot des Artikel 1 Abs. 1<br />

Satz 1 GG unvereinbar wäre, wenn der Mensch, dem allein kraft seiner Persönlichkeit Würde zukommt, in<br />

diesem allgemeinen Achtungsanspruch (unmittelbar) nach seinem Tod <strong>ohne</strong> <strong>Bestattung</strong> herabgewürdigt und<br />

erniedrigt würde. Artikel 1 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet die staatliche Gewalt grundsätzlich auch noch nach<br />

dem Tode <strong>eines</strong> Menschen, dessen Menschenwürde zu schützen (BVerfGE 30, 173, 194 – sog. postmortales<br />

Persönlichkeitsrecht). Hieraus lässt sich schließen, dass es mit der Menschenwürde <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong><br />

unvereinbar wäre, diesen nicht oder lange Zeit nicht zu bestatten (U. Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002, 917, 918),<br />

sodass hier auch insoweit eine Gefahr für die Menschenwürde von V. vorliegen würde, welche ebenfalls<br />

Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist.<br />

Diese Gefahren stehen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevor. Von einer gegenwärtigen<br />

Gefahr ist somit auszugehen.<br />

2. das sofortige Eingreifen muss notwendig sein und<br />

d.h., der Zweck der Maßnahme kann auf normalem Weg wegen Zeitmangels durch Erlass einer Verfügung<br />

auch mit sofortiger Vollziehbarkeit nicht erreicht werden. In diesen Fällen ist die Zeit zwischen dem Bemerken<br />

der Gefahr und dem voraussichtlichen Schadenseintritt so gering, dass die Durchführung des gestreckten<br />

Verfahrens die Wirksamkeit der Maßnahmen unmöglich machen oder wesentlich beeinträchtigen würde.<br />

Zum Fall: <strong>Bestattung</strong>spflichtige Personen sind nicht ermittelbar und Maßnahmen gegen Verhaltens- bzw.<br />

Zustandsverantwortliche sind nicht möglich. Da die <strong>Bestattung</strong>sanordnung bzw. Ordnungsverfügung<br />

adressatenlos wäre, also ins Leere gehen würde, kann der Zweck der Maßnahme auf normalem Weg nicht<br />

erreicht werden.<br />

Die unmittelbare Ausführung ist daher notwendig.<br />

3. die Ordnungsbehörde muss innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handeln,<br />

d.h., eine Verfügung mit gleichem Inhalt könnte an die Stelle der unmittelbaren Ausführung treten und würde<br />

rechtmäßig sein. Sie müssen daher immer prüfen, ob Sie berechtigt waren, eine entsprechende Verfügung zu<br />

erlassen.<br />

Zum Fall: Die Ordnungsbehörde ist zuständig und die Eingriffsgrundlage nach dem <strong>Bestattung</strong>sgesetz bzw.<br />

PolG/OBG des Bundeslands würde richtig angewandt (siehe oben).<br />

„Innerhalb der gesetzlichen Befugnisse handeln“ bedeutet, dass die Ordnungsbehörde berechtigt ist, einen<br />

<strong>Angehörige</strong>n von V. unter normalen Umständen, in denen sie Zeit und Gelegenheit dazu hat, zur <strong>Bestattung</strong> zu<br />

verpflichten (vgl. OVG Münster NWVBl 1995, 394; VG Arnsberg FamRZ 1996, 1213, 1214). Dazu gehört<br />

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<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Angehörige</strong><br />

auch, dass die <strong>Bestattung</strong> sachgerecht durchgeführt wird. Die <strong>Bestattung</strong> durch die Ordnungsbehörde muss<br />

erforderlich und deren Art und Weise angemessen sein.<br />

Nähere Ausführungen zur Angemessenheit und Erforderlichkeit der <strong>Bestattung</strong> und ihrer einzelnen<br />

Maßnahmen vgl. <strong>Fallbeispiel</strong>: „<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> mittellos <strong>Verstorbenen</strong>“).<br />

Handeln für den Pflichtigen<br />

In den Bundesländern der Fallgruppe 1 ist die <strong>Bestattung</strong> des V. durch die Ordnungsbehörde somit eine<br />

unmittelbar, d.h. <strong>ohne</strong> vorausgehenden Verwaltungsakt, durchgeführte Ersatzvornahme. Da in den Bundesländern<br />

der Fallgruppe 2 keine spezialgesetzliche Ersatzvornahme vorgesehen ist, würde in diesen Ländern die <strong>Bestattung</strong><br />

<strong>ohne</strong> vorausgehende Ordnungsverfügung unmittelbar ausgeführt.<br />

Hessen sieht die <strong>Bestattung</strong> von V. nach § 13 Abs. 4 FBG durch das Ordnungsamt vor.<br />

Sie würden daher nicht ausschließlich in eigener Zuständigkeit, sondern – zumindest auch – für einen potenziell<br />

Pflichtigen handeln, der (noch) nicht bekannt ist (so auch VG Arnsberg FamRZ 1996, 1213, 1214; Dietlein,<br />

NWVBl. 1998, 493, 494 f.).<br />

Ermessen<br />

Nach den oben genannten Vorschriften steht die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme im Ermessen der<br />

Ordnungsbehörde. Zu prüfen ist daher, ob die unmittelbare Ausführung geeignet, erforderlich und angemessen<br />

(also zumutbar) ist.<br />

Durch die unmittelbare Ausführung würde die gegenwärtige Gefahr beseitigt. Daher ist sie auch zur<br />

Gefahrenabwehr geeignet. Eine mildere Maßnahme als die <strong>Bestattung</strong> ist nicht ersichtlich, schließlich ist die<br />

<strong>Bestattung</strong> das gesetzlich vorgegebene Mittel zur Gefahrenabwehr. Die unmittelbare Ausführung ist auch<br />

angemessen, da sie zu keinem Nachteil führt, der außer Verhältnis zum Erfolg (<strong>Bestattung</strong> und Gefahrenabwehr)<br />

steht.<br />

Die unmittelbare Ausführung ist daher verhältnismäßig.<br />

Obwohl Sie keinen Bescheid erlassen, sollten Sie die unmittelbare Ausführung dokumentieren und zu erkennen<br />

geben, dass Sie Ihr Ermessen erkannt und ausgeübt, aber sich letztlich für die unmittelbare Ausführung<br />

entschieden haben, um der gesetzlichen <strong>Bestattung</strong>spflicht nachzukommen.<br />

Endergebnis:<br />

Zum einen ist die unmittelbare Ausführung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig, zum anderen ist<br />

der Erlass einer Verfügung nicht möglich, weil der Pflichtige vor deren Durchführung nicht bekannt ist.<br />

Bei „richtiger Sachbehandlung“ ist die Ersatzvornahme auch rechtmäßig.<br />

2. Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn der <strong>Angehörige</strong> A. nach der <strong>Bestattung</strong><br />

auftaucht?<br />

Die <strong>Bestattung</strong> von V. wurde, wie oben dargestellt, im Wege der unmittelbaren Ausführung durchgeführt, in den<br />

Ländern der Fallgruppe 1 als Ersatzvornahme im Wege der unmittelbaren Ausführung.<br />

Zu prüfen ist, ob gegen den <strong>Angehörige</strong>n (A.) von V. ein Leistungsbescheid erlassen werden kann, mit dem die<br />

Kosten der <strong>Bestattung</strong> des V. dem A. auferlegt werden. Hierfür müsste zunächst eine Rechtsgrundlage vorhanden<br />

sein.<br />

Rechtsgrundlagen des Leistungsbescheids<br />

Die Rechtsgrundlagen <strong>eines</strong> Leistungsbescheids entnehmen Sie folgenden Rechtsvorschriften:<br />

Bundesland Rechtsgrundlage der Kostenerstattung<br />

Baden-Württemberg §§ 25, 31 LVwVG/§ 8 Abs. 2 Satz 1 PolG BW<br />

Bayern Artikel 6 KostenG i.V.m. dem KVz vom 18.07.1995<br />

Berlin § 15 Abs. 2 ASOG<br />

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<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Angehörige</strong><br />

Brandenburg § 15 Abs. 2 i.V.m. § 19 Abs. 1 VwVG BB<br />

Bremen § 15 BremVwVG/§ 40 BremPolG; BremKostO<br />

Hamburg § 19 VwVG HH/§ 7 Abs. 3 SOG HH<br />

Hessen § 8 Abs. 2 HSOG<br />

Mecklenburg-<br />

Vorpommern<br />

Voraussetzungen des Leistungsbescheids<br />

Der Erlass <strong>eines</strong> Leistungsbescheids setzt nun voraus, dass<br />

Der letzten Frage muss nun nachgegangen werden, da sie oben noch nicht besprochen wurde.<br />

A) A) A. A. der der richtige richtige Adressat?<br />

Adressat?<br />

Tatbestandsvoraussetzung für die Kostentragung durch A. (und damit auch Voraussetzung für ein „Handeln<br />

innerhalb der Befugnisse“, siehe oben) ist zudem, dass sich der Leistungsbescheid an A. als richtigen Adressaten<br />

richtet.<br />

Fallgruppe 1<br />

In den Bundesländern Baden-Württemberg, Berlin, Bayern, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen ergibt sich<br />

direkt aus dem <strong>Bestattung</strong>sgesetz, wer für die <strong>Bestattung</strong> von V. zu sorgen hat.<br />

A. ist ein <strong>Angehörige</strong>r von V. Andere <strong>Angehörige</strong> sind nicht vorhanden. A. ist somit auch der richtige Adressat<br />

des Leistungsbescheids.<br />

Nähere Ausführungen siehe Kapitel „Auswahl des <strong>Bestattung</strong>spflichtigen“.<br />

Fallgruppe 2<br />

§ 70a Satz 1 SOG MV<br />

Niedersachsen § 8 Abs. 4 Satz 3 BestattG; § 70 VwVG i.V.m. § 66 Nds. SOG; §§ 67, 73<br />

NVwVG sowie § 13 NVwKostG<br />

Nordrhein-Westfalen § 55 Abs. 2 i.V.m. § 59 Abs. 1 VwVG NW; § 50 PolG NW i.V.m. § 52 PolG NW<br />

Rheinland-Pfalz § 63 VwVG RP; § 83 VwVG RP sowie § 8 LVwVGKostO<br />

Saarland § 46 Abs. 1 Satz 2, § 90 Abs. 1 SPolG i.V.m. §§ 1 ff. PolKostVO<br />

Sachsen § 24 SächsVwVG; § 4 Abs. 1 SächsVwVG i.V.m. SächsVwKG<br />

Sachsen-Anhalt § 53 Abs. 2 SOG SA i.V.m. § 55 SOG SA; § 9 Abs. 2 Satz 1 SOG SA<br />

Schleswig-Holstein §§ 238, 249 i.V.m. § 230 Abs. 1 Satz 1 LVwG SH<br />

Thüringen § 50 ThürVwZVG; § 12 Abs. 2 ThürOBG<br />

Seite 6 von 10<br />

1. überhaupt eine Ersatzvornahme bzw. unmittelbare Ausführung vorliegt,<br />

Diese Frage braucht nicht weiter vertieft werden, da oben ausführlich erläutert wurde, dass die <strong>Bestattung</strong> von<br />

V. unmittelbar <strong>ohne</strong> vorausgehenden Verwaltungsakt durchgeführt wurde.<br />

2. und diese rechtmäßig ist und<br />

diese Voraussetzung ist, wie oben erläutert, auch erfüllt.<br />

3. der <strong>Angehörige</strong> A. der richtige Adressat des Leistungsbescheides ist.<br />

In den Bundesländern Bremen, Rheinland-Pfalz und Sachsen ist der <strong>Bestattung</strong>spflichtige nach dem PolG/OBG<br />

des Bundeslands zu ermitteln.<br />

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<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Angehörige</strong><br />

Die ordnungsbehördliche Maßnahme ist gegen diejenige Person zu richten, die die Gefahr verursacht hat (sog.<br />

Verhaltensverantwortlicher). Die Maßnahme kann außerdem gegen Personen gerichtet werden, welche Inhaber der<br />

tatsächlichen oder rechtlichen Gewalt über eine Sache sind, welche die Gefahr verursacht (sog.<br />

Zustandsverantwortliche).<br />

Zu den Rechtsgrundlagen der Verantwortlichkeit siehe Schmidt, Uwe: Grundlagen der Gefahrenabwehr. Weka<br />

Media, Kissing, Kapitel 4/1.<br />

(1) A. als Verhaltensstörer i.S.d. PolG/OBG?<br />

Kausalität<br />

Ob A. die konkrete Gefahr verursacht hat, richtet sich danach, ob er sie aufgrund s<strong>eines</strong> Verhaltens „unmittelbar<br />

verursacht“ hat. A. hat die (von der Nichtbestattung ausgehende) Gefahr offensichtlich nicht verursacht. Die<br />

Gefahr ist vielmehr deshalb entstanden, weil er die erforderliche Handlung, nämlich die <strong>Bestattung</strong> s<strong>eines</strong><br />

<strong>Angehörige</strong>n, gerade nicht vorgenommen hat.<br />

Das Verursachen der Gefahr kann aber auch durch ein Unterlassen herbeigeführt werden. Dies kann aber nur dann<br />

dem „Unterlassenden“ zugerechnet werden, wenn ihm eine besondere öffentlich-rechtliche Pflicht zu einem<br />

Handeln oblag, mit dem eine Gefahr abgewehrt werden soll.<br />

Zur <strong>Bestattung</strong>spflicht in den Bundesländern Bremen,, Rheinland-Pfalz und Sachsen siehe „Auswahl des<br />

<strong>Bestattung</strong>spflichtigen“.<br />

Zwischenergebnis:<br />

A. ist als <strong>Angehörige</strong>r von V. in allen Bundesländern zu dessen <strong>Bestattung</strong> verpflichtet.<br />

Einwände von A. beachtlich?<br />

A. wendet ein, er habe V. seit 20 Jahren nicht gesehen und sich mit ihm nie verstanden. Zu prüfen ist daher, ob es<br />

„unbillig“ ist, wenn A. trotzdem V. bestatten müsste.<br />

Insoweit stellt sich die Frage, ob es dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht, dass die<br />

<strong>Bestattung</strong>sgesetze von der <strong>Bestattung</strong>spflicht auch dann keine Ausnahme machen, wenn über Jahre hinweg kein<br />

persönlicher Kontakt zwischen dem <strong>Bestattung</strong>spflichtigen und dem <strong>Verstorbenen</strong> bestand oder aus sonstigen<br />

Gründen die Durchführung der <strong>Bestattung</strong> für den <strong>Bestattung</strong>spflichtigen – letztlich als Pflicht, dem <strong>Verstorbenen</strong><br />

„die letzte Ehre zu erweisen“ – wegen des persönlichen Verhaltens des <strong>Verstorbenen</strong> als unbillig erscheint.<br />

Die <strong>Bestattung</strong>spflicht entspricht dem Artikel 6 Abs. 1 GG zugrunde liegenden Leitbild der Familie als<br />

Solidargemeinschaft, die auch sonst dem familienrechtlichen Unterhaltsrecht zugrunde liegt. Sie stellt damit eine<br />

Nachwirkung des familienrechtlichen Verhältnisses dar, das den <strong>Verstorbenen</strong> zu Lebzeiten mit dem<br />

<strong>Bestattung</strong>spflichtigen verbunden hat (RGZ 154, 269, 271). Dass die <strong>Bestattung</strong>spflicht – anders als die familiäre<br />

Unterhaltspflicht (vgl. § 1361 Abs. 3, § 1579, § 1611 BGB) – keine Ausnahmen kennt und damit selbst bei<br />

„gröbster“ Unbilligkeit eingreift, lässt sich vor allem damit rechtfertigen, dass (siehe hierzu OVG Münster NVwZ<br />

2002, 996, 1000; VG Karlsruhe, NJW 2002, 3491, 3492; U. Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002, 917, 919 f.)<br />

die <strong>Bestattung</strong>spflicht vor allem der Gefahrenabwehr dient und damit innerhalb der kurzen zur Verfügung<br />

stehenden Zeit keine längeren Untersuchungen über die persönlichen Beziehungen der nächsten <strong>Angehörige</strong>n<br />

mit dem <strong>Verstorbenen</strong> angestellt werden können, sondern objektive Maßstäbe eingreifen müssen;<br />

die <strong>Bestattung</strong>spflicht immer nur subsidiär eingreift, wenn sich niemand sonst zur <strong>Bestattung</strong> des <strong>Verstorbenen</strong><br />

bereit findet, was doch eher selten ist;<br />

die <strong>Bestattung</strong>spflicht kein „Dauerschuldverhältnis“ zwischen dem <strong>Verstorbenen</strong> und dem<br />

<strong>Bestattung</strong>spflichtigen begründet und sich die Situation des <strong>Bestattung</strong>spflichtigen damit auch bei gröbsten<br />

Verfehlungen des <strong>Verstorbenen</strong> dem <strong>Bestattung</strong>spflichtigem gegenüber nicht <strong>ohne</strong> Weiteres mit der Situation<br />

der §§ 1361 Abs. 3, 1579, 1611 BGB vergleichen lässt;<br />

die Rechtsordnung in vielen Fällen „grober Unbilligkeit“ Regelungen bereitstellt, die den<br />

<strong>Bestattung</strong>spflichtigen zumindest von den Kosten der <strong>Bestattung</strong> entlasten: So gewährleistet § 1968 BGB die<br />

sonstigen zivilrechtlichen Ansprüche auf Übernahme der <strong>Bestattung</strong>skosten (§ 844 Abs. 1 BGB, § 1360a Abs.<br />

3, § 1615 Abs. 2, § 1615m, § 10 Abs. 1 Satz 2 StVG, § 7 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG, § 12 Abs. 1 Satz 2<br />

UmweltHaftG, § 5 Satz 2 Haftpflichtgesetz), und insbesondere § 74 SGB XII garantiert, dass sich aus der<br />

<strong>Bestattung</strong>spflicht grundsätzlich keine unzumutbaren finanziellen Belastungen für den <strong>Bestattung</strong>spflichtigen<br />

ergeben (vgl. auch BVerwGE 105, 51, 53 f.; BVerwGE 114, 57, 58 ff.; BVerwG, 5 C 14.01 vom 30.05.2002,<br />

NJW 2003, 78, 79; BVerwG, 5 C 2/02 vom 13.03.2003 = NJW 2003, 3146; BVerwG, 5 C 2/03 vom 29.01.2004<br />

NJW 2004, 1969, 1970; Widmann, ZFSH/SGB, 2003, 214 ff.).<br />

Damit ist die <strong>Bestattung</strong>spflicht von A. gegenüber V. auch als verhältnismäßig anzusehen.<br />

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<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Angehörige</strong><br />

Ergebnis zu (1)<br />

A. ist öffentlich-rechtlich verpflichtet, V. zu bestatten, obwohl er ihn 20 Jahre nicht gesehen und sich mit ihm nie<br />

verstanden hat. Da er dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, hat er die Gefahr verursacht, <strong>ohne</strong> dass es darauf<br />

ankommt, dass ihn insoweit mangels Kenntnis vom Tode s<strong>eines</strong> Bruders kein Verschulden trifft.<br />

(2) A. als Zustandsstörer?<br />

Auch eine Inanspruchnahme von A. als Zustandsstörer könnte in Betracht kommen (siehe hierzu U.<br />

Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002, 917, 919).<br />

Dann müsste es sich bei der Leiche jedoch zunächst um eine Sache in diesem Sinne handeln. Wie die<br />

ausdrückliche Erwähnung von Tieren neben den Sachen zeigt, lehnen sich die PolG/OBG der Länder insoweit<br />

an den Sachbegriff der §§ 90, 90a BGB an. In Bezug auf § 90 BGB wird indes teilweise angenommen, dass die<br />

menschliche Leiche keine „Sache“ in diesem Sinne sei, sondern ein „Rückstand“ der Persönlichkeit des<br />

<strong>Verstorbenen</strong> (siehe hierzu die Nachweise bei Forkel, JZ 1974, 593 ff.; Zimmermann, NJW 1979, 569, 570).<br />

Folgt man dem, kann eine Leiche aber auch nicht als „Sache“ i.S.d. PolG/OBG der Länder angesehen werden,<br />

sodass eine Zustandsverantwortlichkeit von A. schon deshalb ausscheidet.<br />

Selbst wenn Leichen Sachen i.S.d. § 90 BGB wären, so ändert dies nach allgemeiner Ansicht nichts daran, dass<br />

an ihnen grundsätzlich keine dinglichen Rechte erworben werden können, sie vielmehr grundsätzlich als<br />

herrenlos anzusehen sind (vgl. etwa RGSt 64, 313, 314; Zimmermann, NJW 1979, 569, 571). Obwohl A. mit<br />

dem Tode von V. zunächst dessen Erbe wurde (bevor er die Erbschaft nach § 1942 Abs. 1 BGB ausschlug), hat<br />

er folglich niemals Eigentum an der Leiche s<strong>eines</strong> Bruders erlangt, sodass er jedenfalls nicht als Eigentümer<br />

der Leiche hätte in Anspruch genommen werden können. Folglich kann es auch nicht auf die Frage ankommen,<br />

ob auch die polizeiliche Haftung mit Ex-tunc-Wirkung entsprechend § 1953 Abs. 1 BGB entfällt, wenn der<br />

Erbe die Erbschaft ausschlägt. Trotz der Herrenlosigkeit der Leiche kommt deshalb auch keine<br />

Inanspruchnahme von A. als Zustandsverantwortlicher in Betracht, weil A., der niemals Eigentümer der Leiche<br />

von V. war, das Eigentum an der Leiche auch nicht aufgeben konnte.<br />

Dementsprechend wäre bei Annahme der Sacheigenschaft einer Leiche allenfalls in Betracht gekommen, A. als<br />

„Inhaber der tatsächlichen Gewalt“ über die Leiche s<strong>eines</strong> Bruders anzusehen. Jedoch scheidet auch diese<br />

Möglichkeit aus: Zwar ist er totenfürsorgeberechtigt, sodass man hieraus auf die Inhaberschaft der<br />

tatsächlichen Gewalt über die Leiche schließen könnte, wenn A. dieses Recht wahrgenommen hätte (in diese<br />

Richtung Dietlein, NWVBl. 1998, 493, 496). Jedoch wollte A. dieses Recht nicht ausüben und hat es nicht<br />

ausgeübt, sodass er auch niemals Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die Leiche gewesen ist.<br />

Ergebnis zu (2)<br />

Die Inanspruchnahme von A. als Zustandsverantwortlicher scheidet aus.<br />

Ergebnis Ergebnis zu zu A)<br />

A)<br />

A. ist Verhaltensverantwortlicher und damit der richtige Adressat <strong>eines</strong> Leistungsbescheids.<br />

Fallgruppe 3<br />

In Hessen wurde V vom Ordnungsamt nach § 13 Abs. 4 FBG bestattet. Wird nach der <strong>Bestattung</strong> bekannt, dass A.<br />

einen <strong>Angehörige</strong>n hatte, der zur <strong>Bestattung</strong> verpflichtet war, ist § 13 Abs. 5 FBG anzuwenden: Der <strong>Angehörige</strong><br />

ist seiner Verpflichtung zum Bestatten von V. nicht nachgekommen und das Ordnungsamt hat deswegen die<br />

<strong>Bestattung</strong> im Wege der unmittelbaren Ausführung nach § 8 HSOG vorgenommen.<br />

Das kann das Ordnungsamt die Kosten der <strong>Bestattung</strong> nach § 8 Abs. 2 HSOG vom <strong>Angehörige</strong>n A. fordern.<br />

B) B) B) Ordnungsgem<br />

Ordnungsgemäß<br />

Ordnungsgem<br />

Ordnungsgemäß<br />

äße äß e Ermessensaus<br />

Ermessensausübung<br />

Ermessensaus<br />

bung<br />

Fallgruppe 1<br />

In den Bundesländern Baden-Württemberg, Berlin, Bayern, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen hätte die<br />

Ordnungsbehörde eine <strong>Bestattung</strong>sanordnung nach dem BestattG des Bundeslands erlassen. Ermessen stand der<br />

Ordnungsbehörde hierbei nicht zu.<br />

Fallgruppe 2<br />

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In Bremen, Rheinland-Pfalz und Sachsen konnte eine Verfügung nach dem PolG/OBG des Bundeslands erlassen<br />

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<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Angehörige</strong><br />

werden (dies gilt im Ergebnis auch für Hamburg).<br />

Der Erlass einer Verfügung zur <strong>Bestattung</strong> gegenüber A. stand daher im Ermessen der Ordnungsbehörde, sodass<br />

sie hierbei auch die Grenzen des Ermessens einhalten musste. Die Verpflichtung von A. zur <strong>Bestattung</strong> von V.<br />

musste somit verhältnismäßig sein.<br />

Verhältnismäßigkeit der Ordnungsverfügung<br />

Die Verpflichtung von A. zum Bestatten von V. war auf jeden Fall geeignet, um die von der Nichtbestattung<br />

der Leiche von V. ausgehenden Gefahren abzuwenden.<br />

Dies war auch erforderlich, da insbesondere ein milderes Mittel als die Durchführung der <strong>Bestattung</strong> durch A.<br />

nicht in Betracht kam. Eine andere Person als A. konnte nicht zur <strong>Bestattung</strong> herangezogen werden. A. war<br />

somit der Verhaltensstörer.<br />

Schließlich war die Inanspruchnahme von A. für diesen auch zumutbar. Sie führte zu keinem Nachteil, der zu<br />

dem erstrebten Erfolg, nämlich der Beseitigung der von der Nichtbestattung von V. ausgehenden Gefahren,<br />

erkennbar außer Verhältnis gestanden hätte. Die Inanspruchnahme von A. hätte diesen mit der Organisation der<br />

<strong>Bestattung</strong> und deren Kosten belastet und damit genau die Folgen gehabt, die eingetreten wären, wenn A. sich<br />

rechtstreu verhalten und entsprechend der gesetzlichen <strong>Bestattung</strong>spflicht selbst für die <strong>Bestattung</strong> s<strong>eines</strong><br />

Bruders gesorgt hätte. Da diese <strong>Bestattung</strong>spflicht selbst verhältnismäßig war, kann deren Durchsetzung nicht<br />

unverhältnismäßig sein.<br />

Damit wäre eine Inanspruchnahme von A. auch ermessensfehlerfrei gewesen.<br />

Ergebnis Ergebnis Ergebnis zu zu B)<br />

B)<br />

Die Ordnungsbehörde hätte damit A. zum Bestatten s<strong>eines</strong> <strong>Angehörige</strong>n V. verpflichten können.<br />

Fallgruppe 3<br />

Das gleiche Ergebnis gilt für Hessen, weil die unmittelbare Ausführung ebenfalls eine Ermessensentscheidung ist.<br />

C) C) C) Ist Ist A. A. A. auch auch zur zur Übernahme bernahme bernahme der <strong>Bestattung</strong>skosten <strong>Bestattung</strong>skosten von von V. V. verpflichtet?<br />

verpflichtet?<br />

verpflichtet?<br />

A. ist zum Tragen der <strong>Bestattung</strong>skosten von V. nur verpflichtet, wenn eine <strong>Bestattung</strong>sanordnung (Länder<br />

Fallgruppe 1) bzw. Verfügung auf der Grundlage des PolG/OBG (Länder Fallgruppe 2) bzw. die unmittelbare<br />

Ausführung in Hessen (Fallgruppe 3) materiell rechtmäßig wäre. Insoweit müsste<br />

1. die <strong>Bestattung</strong> zunächst überhaupt im Wege der Ersatzvornahme bzw. unmittelbaren Ausführung erfolgt sein.<br />

2. Ist dies der Fall, muss geprüft werden, ob die Durchführung der Ersatzvornahme bzw. unmittelbaren<br />

Ausführung rechtmäßig war, da allgemein anerkannt ist, dass nur die Kosten rechtmäßiger Ersatzvornahmen<br />

bzw. unmittelbarer Ausführungen erstattet werden müssen, weil sonst keine Ersatzvornahme bzw. unmittelbare<br />

Ausführung vorliegt.<br />

3. Außerdem müsste die Kostenfestsetzung auch der Höhe nach nicht zu beanstanden sein und<br />

4. die Kostenschuld dürfte inzwischen nicht erloschen sein.<br />

Zu 1.<br />

Wie oben dargestellt, wurde eine Ersatzvornahme im Wege der unmittelbaren Ausführung vorgenommen.<br />

Zu 2.<br />

Die unmittelbare Ausführung ist auch rechtmäßig (siehe oben).<br />

Zu 3.<br />

Nähere Ausführungen zu dieser Voraussetzung siehe <strong>Fallbeispiel</strong>: „<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> mittellos <strong>Verstorbenen</strong>“),<br />

Ziffer 4. B) zu 3.<br />

Zu 4.<br />

Der Verjährungsbeginn tritt spätestens mit Ablauf des Kalenderjahres ein, das dem Jahr der Entstehung des<br />

Kostenanspruchs folgt. Würde V. im Jahr 2006 bestattet, könnte A. noch bis zum Ablauf des Jahres 2010 mit<br />

einem Leistungsbescheid zur Übernahme der <strong>Bestattung</strong>skosten verpflichtet werden.<br />

Nähere Ausführungen zu dieser Voraussetzung siehe (<strong>Fallbeispiel</strong>: „<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> mittellos <strong>Verstorbenen</strong>“),<br />

Ziffer 4. B) zu 4.<br />

Ergebnis Ergebnis zu zu C) C)<br />

C)<br />

A. ist zur Übernahme der <strong>Bestattung</strong>skosten verpflichtet.<br />

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<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> <strong>Verstorbenen</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Angehörige</strong><br />

Liegt ein Fall der „unbilligen Härte“ vor?<br />

Zur Definition und <strong>Fallbeispiel</strong>en der „unbilligen Härte“ vgl. Kapitel „Kann von der Kostenforderung abgesehen<br />

werden?“<br />

Weitere Ausführungen vgl. <strong>Fallbeispiel</strong> „<strong>Bestattung</strong> <strong>eines</strong> mittellos <strong>Verstorbenen</strong>“.<br />

Dieser Fall liegt ähnlich wie das vorgenannte <strong>Fallbeispiel</strong>. Daher wäre es keine „unbillige Härte“, wenn Sie nicht<br />

von der Kostenforderung an A. absehen.<br />

Endergebnis Endergebnis zu zu 2.<br />

2.<br />

A. hat die Kosten der unmittelbaren Ausführung der <strong>Bestattung</strong> zu tragen. Er ist der Adressat des<br />

Leistungsbescheids, mit dem die Kosten der <strong>Bestattung</strong> von V. eingefordert werden.<br />

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