Die Wirkung vegetativer thermischer Stimulationstechniken
Die Wirkung vegetativer thermischer Stimulationstechniken
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<strong>Die</strong> <strong>Wirkung</strong> <strong>vegetativer</strong> <strong>thermischer</strong><br />
<strong>Stimulationstechniken</strong><br />
- am Beispiel der heißen Rolle und des Paraffinbades<br />
Rainer Zumhasch<br />
Einleitung<br />
<strong>Die</strong> pathophysiologischen Prozesse<br />
des Bewegungsapparates, der viszeralen<br />
Organe und anderer Strukturen<br />
sollte im Kontext des Bindegewebes<br />
mit dem vegetativen Nervensystem<br />
gesehen werden.<br />
Vereinfacht dargestellt bestehen Verknüpfungen<br />
zwischen und innerhalb<br />
der Funktionsgruppen aus dem Bewegungsapparat<br />
des Körpers (z.B.<br />
Muskulatur), der inneren Organe<br />
(z.B. Leber), der Nerven und des Bindegewebes.<br />
Sie entspringen ab der<br />
2. Schwangerschaftswoche (17. Tag)<br />
aus dem Mittleren der drei Keimblätter<br />
des Eis ins Mesoderm.<br />
Im Verlauf der nächsten Monate bis<br />
Jahre entwickeln sie sich als vollfunktionale<br />
Organe aus [10]. Hierbei entsteht<br />
das Bindegewebe aus dem lateralen<br />
Mesoderm [10]. Es hat die<br />
Primäraufgabe, die einzelnen Organe<br />
und die Nerven zu einer funktionstüchtigen<br />
Einheit zu verbinden.<br />
Dazu gehört auch das fasziale System<br />
[12].<br />
<strong>Die</strong> Faszien umhüllen die einzelnen<br />
Gewebsstrukturen wie Muskeln und<br />
Organe. Neben der Stützfunktion von<br />
Geweben und Organen ist ihre Aufgabe,<br />
neurogene Reize auf die Muskulatur<br />
(z.B. Veränderungen des<br />
Muskeltonus) und auf die Gefäße<br />
(Arterien, Venen, Lymphgefäße) weiterzuleiten,<br />
bzw. zu übertragen. Somit<br />
werden Funktionen aktiviert und<br />
gleichzeitig die Strukturen mit Nährstoffen<br />
versorgt, bzw. die anfallenden<br />
Schlackestoffe abtransportiert<br />
(d.h. im Sinne der Homeoöstase).<br />
Somit gibt es keinen Muskeltonus<br />
ohne entsprechende Faszialspannung<br />
[17]. Dysregulationen innerhalb dieses<br />
Systems können persistierende<br />
Pathologien in einzelnen Strukturen<br />
auslösen und unter Umständen weitere<br />
Gewebe pathologisch beeinflussen.<br />
So ist es kaum verwunderlich,<br />
dass z.B. im Zusammenhang mit dem<br />
CRPS-I Syndrom häufig parallel Pathologien<br />
aus dem psychosomatischen<br />
Formenkreis mit viszeralen<br />
Noxen (in Form eines Herzinfarktes)<br />
anzutreffen sind. Somit ist die Begrifflichkeit<br />
einer Krankheitsdiathese bei<br />
gleichzeitig einwirkenden Noxen erklärlich<br />
[15]. Daraus resultiert die Begrifflichkeit<br />
einer systemischen Pathologie<br />
(d.h. dem gesamten Organismus<br />
betreffend).<br />
<strong>Die</strong> zentrale Steuerung des vegetativen<br />
Nervensystem liegt im Hirnstamm<br />
(limbische System, Hypothalamus) im<br />
Bereich des grauen medialen Kernes.<br />
<strong>Die</strong>ses System ist auch das Regelzentrum<br />
des psychogenen Unterbewusstsein.<br />
Damit haben unsere emotionalen<br />
Stimmungen einen direkten<br />
Einfluss auf die <strong>Wirkung</strong>sweisen des<br />
vegetativen Nervensystems. Ein solches<br />
Arousal ist in der therapeutische<br />
Denkweise zu berücksichtigen [19].<br />
Das Gefäßsystem und das Bindegewebe<br />
unterliegen der rein vegetativen<br />
(Sympathikus/Parasympathikus) bzw.<br />
hormonellen Innervation [5]. Somit hat<br />
es einen direkten Einfluss auf die<br />
Tonusregulation der glatten Muskulatur<br />
(Organe, Gefäße, Lymphgefäße)<br />
und einen indirekten Einfluss auf<br />
Grundlagen<br />
die quergestreifte Muskulatur [23].<br />
Über die Verknüpfung des viszeralen<br />
Nervensystems (d.h. Verschaltung<br />
des Nucleus intermediolateralis<br />
der betreffenden WS-Segmente<br />
C8-L3) [14] kann es auch zu Irritationen<br />
der stoffwechselbezogenen<br />
Regionen des Bewegungsapparates<br />
kommen (bzw. in Umkehrfolge). Eine<br />
solche Organbeteiligung muss nicht<br />
zwingend vorliegen, ist aber mit in<br />
die therapeutische Denkweise bzw.<br />
Vorgehensweise einzubinden.<br />
Durch den Einsatz von vegetativen<br />
<strong>Stimulationstechniken</strong> bzw. manualtherapeutischen<br />
Vorgehensweisen<br />
wird der Stoffwechsel des betroffenen<br />
Bindegewebes und des weiterleitenden,<br />
funktionalen Systems verbessert.<br />
Eine physiologische Tonusregulation<br />
z.B. der Muskulatur des Bewegungsapparates<br />
ist die Folge [22].<br />
<strong>Die</strong> <strong>Wirkung</strong> der Hitzeapplikation<br />
Dank des schwäbischen Arztes DR.<br />
MAMMELE fand die Hitzeanwendung<br />
wieder Einzug in unsere heutige Zeit.<br />
Mit großem Erfolg behandelte er mit<br />
der heißen Rolle Erkrankungen der<br />
Leberfunktion (sogenannte Leberrolle:<br />
Appiikationstemperatur von ca.<br />
72°). Er benutzte ein gerolltes Handtuch<br />
in Verbindung einer feuchten<br />
Hitze mit einer Unterhaut-Faszienverschiebung<br />
(leichte Querdehnungsimpulse).<br />
Bei vorhandenen Gallen-Leberfunktionsstörungen<br />
war bei diesen<br />
Patienten eine Nachwärme von ca.<br />
2 Stunden zu beobachten. Das Beispiel<br />
der Leberbehandlung mit Hitze<br />
praxis ergotherapie • Jg. 18(6) • Dezember 2005 381
Grundlagen<br />
soll zeigen, dass im Bereich von Gewebsstörungen<br />
eine länger wirkende<br />
molekulare Reaktion zu verzeichnen<br />
ist [16].<br />
Bei Erhöhung der Körpertemperatur<br />
(bzw. Wärmebildung) tritt eine körperbezogene<br />
Wärmeabgabe (Schwitzen)<br />
ein. <strong>Die</strong> vegetative Regulation (innerhalb<br />
der Peripherie) durch die Thermosensoren<br />
(Krause-Körperchen)<br />
vollzieht sich innerhalb weniger Sekunden.<br />
Je größer der Reiz, um so<br />
größer die vegetative Reaktion [1,2].<br />
Hitze führt somit zu einer Senkung<br />
des Aktivitätsgrades des limbischen<br />
Systems, verbunden mit einer Herabsenkung<br />
des Muskeltonus. Es vollzieht<br />
sich eine rasch einsetzende<br />
Gefäßkonstriktion mit anschließender<br />
Gefäßdilatation (passive Muskelpumpe).<br />
Auch brachliegende Kapillargefäße<br />
werden erfasst [23].<br />
Gleichzeitig sollte die heiße Rolle in<br />
Form einer leichten Querdehnung<br />
appliziert werden. Gefäße sind im<br />
Gegensatz zum Bewegungsapparat<br />
aus glatter Muskulatur aufgebaut. <strong>Die</strong><br />
Gefäßmuskulatur ist rein vegetativ (y-<br />
Fasern) innerviert und kontrahiert auf<br />
Querdehnungsimpulse [5, 13]. Aus<br />
diesem Grunde ist es erklärlich, das<br />
die Gefäße leicht longitudinal zur<br />
quergestreiften Muskulatur verlaufen<br />
(interner Querdehnungsimpuls). Fehlt<br />
dem Organismus Bewegung (z.B.<br />
durch Schmerz: Schonhaltung)<br />
kommt es zur einer ungenügenden<br />
Reizung der Gefäße durch die Muskulatur<br />
des Bewegungsapparates.<br />
Zudem können Schmerzen Lymphgefäßspasmen<br />
auslösen, welche den<br />
Abtransport von Schlackestoffen des<br />
Weiteren hemmen [23]. <strong>Die</strong> Ablagerung<br />
von Metaboliten im Interstitium<br />
ist die Folge; es entsteht ein sekundäres<br />
Ödem. Aus dieser Denkweise<br />
resultiert die Applikation mit leichten<br />
Querdehnungsimpulsen (externe<br />
Querdehnung).<br />
Bei einer länger einwirkenden Thermoapplikation<br />
von z.B. 40° oder höher<br />
kommt es zu einer Verkürzung<br />
des Kollagens d.h. der ursprünglichen<br />
Ruhelänge von bzw. bis zu 75% [9].<br />
Unkontrollierte Zugbelastungen kön-<br />
382 praxis ergotherapie Jg. 18(6) Dezember 2005<br />
nen zu einer schnellen Schädigung<br />
des Bindegewebes führen. Werden<br />
hingegen kurzzeitige Hitzeimpulse<br />
(z.B. mittels einer heißen Rolle) von<br />
72° gesetzt, sind lediglich die pathogenen<br />
Bindegewebsfasem betroffen.<br />
Auf thermische Reize ist die Regenerationszeit<br />
von Cross links (Querverklebungen)<br />
länger als die von<br />
gesunden Fasern. Somit eignet sich<br />
die Hitzeanwendung als gute unterstützende<br />
Maßnahme einer Traktionsbehandlung<br />
im Sinne von Lösen<br />
der Querverklebungen [9].<br />
Zentral schmerzhemmende<br />
<strong>Wirkung</strong><br />
Des Weiteren wird durch eine heiße<br />
Rolle eine direkt zentral einsetzende<br />
schmerzhemmende <strong>Wirkung</strong> erwirkt.<br />
Der posttraumatische Primärschmerz<br />
wird spätestens nach ca. 24<br />
Stunden vom vegetativen Schmerz<br />
abgelöst. <strong>Die</strong> Nozizeptoren (C-Fasern)<br />
im Bereich der Gewebeschädigung<br />
geben Impulse über Umfang<br />
des traumatisierten Gewebes zum<br />
Gehirn weiter. Der anschließend erlebte<br />
vegetative Schmerz setzt sich<br />
nicht nur aus den Impulsen des Gewebetraumas<br />
zusammen, sondern<br />
wird aus den Elementen genetische<br />
Veranlagung (Diathese), Erfahrung,<br />
Psyche und Immunsystem beeinflusst<br />
[5]. Damit ist Schmerz eine rein zentrale<br />
Erlebnisqualität.<br />
Der vegetativ erlebte Schmerz kann<br />
im Vergleich zum traumatisch erlebten<br />
Schmerz Abweichungen unterliegen<br />
(Schmerzverstärkung). Mit wiederholender<br />
Traumatisierung (z.B.<br />
des Handgelenkes) entwickelt der<br />
Patient eine Art Zellgedächnis für den<br />
verletzungsbedingt erlebten Schmerz.<br />
Nach Ausheilung der strukturellen<br />
Gewebeschädigung können jetzt Bewegungen<br />
(unter Einbezug dieses<br />
Zellgedächtnisses) Auslöser von<br />
Schmerzen sein. <strong>Die</strong>sem Schmerz<br />
liegt keine strukturelle Gewebepathologie<br />
mehr zugrunde. Daraus resultiert<br />
eine Chronifizierung des nozizeptiven<br />
Geschehens. Reize, die normalerweise<br />
unempfindlich bleiben, werden<br />
jetzt als extrem schmerzhaft<br />
empfunden (z.B. leichte Palpation).<br />
<strong>Die</strong>se extremen Neuralgien werden<br />
Allodynie genannt [6]. Des Weiteren<br />
können bei anhaltender Chronifizierung<br />
dieser Handerkrankung weiterlaufende<br />
Pathologien im HWS- bzw.<br />
BWS-Bereich entstehen. Auslöser ist<br />
der hohe Input an Afferenz und Efferenz<br />
der Nervenbahnen. Innerhalb der<br />
Wirbelsegmente können sich jetzt<br />
Überlastungspathologien (Neuralgien)<br />
entwickeln. Haltungsstörungen führen<br />
häufig zu einer Prozessverstärkung.<br />
Der Gate-Control-Mechanismus ist<br />
außer Funktion gesetzt. Alle eintreffenden<br />
afferenten Reize im Hinterhorn<br />
werden jetzt durch die Wide-Dynamic-<br />
Range-Zelle als Schmerzen nach<br />
zentral weitergeleitet [28].<br />
Bedingt durch das Zellgedächtnis<br />
ordnet das Gehirn- den afferenten<br />
Input (des zugehörigen Handsegmentes)<br />
nicht mehr dem nozizeptiv gestörten<br />
Segment zu, sondern der<br />
ursächlich primärtraumatisierten<br />
Hand, deren Geweberegeneration<br />
sich bereits vollzogen hat [6].<br />
Vegetative Schmerzhemmung<br />
<strong>Die</strong> schnellen motorischen a- (bedingt<br />
die ß- und y-) Fasern leiten den applizierten<br />
Hitzereiz über die lateralen<br />
grauen Kerne der Formatio reticularis<br />
zum Gyrus postcentralis weiter.<br />
Je nach Reizstärke ist eine vorübergehende<br />
reflektorische Schonhaltung<br />
die Folge. Zeitgleich wird im Bereich<br />
des medialen Kernes, d.h. über die<br />
lateralen grauen Kerne vom Hirnstamm,<br />
eine vegetative Schmerzhemmung<br />
(nach dem Modell des negativen<br />
Feedbacks [27]) eingeleitet.<br />
Da der applizierte Hitzereiz keine<br />
Traumatisierung nach sich zieht und<br />
der Patient zwischen Trauma und<br />
Therapie stets eine bedingte Heilung<br />
erfahren hat, werden auch Reize über<br />
den aktuellen Zustand des Gewebes<br />
ans Gehirn weitergegeben. Das nachhaltige<br />
wohltuende Wärmegefühl der<br />
heißen Rolle kann auch die schmerzverstärkenden<br />
psychischen Faktoren<br />
nachhaltig beeinflussen. <strong>Die</strong> Ausschüttung<br />
von immunologischen Zytokinen<br />
(Reduzierung entzündungshemmender<br />
Histamine) wird vermindert.<br />
Der neu erlebte vegetative Se-
kundärschmerz wird somit unter der<br />
Qualität des erlebten Schmerz vor<br />
Applikation der heißen Rolle liegen [5],<br />
Fazit<br />
Damit erfüllt die heiße Rolle eine<br />
ödemreduzierende, stoffwechselfördernde,<br />
Muskeltonus regulierende<br />
und Schmerz hemmende <strong>Wirkung</strong><br />
(akut als auch bei chronischen Verlaufsformen).<br />
<strong>Die</strong> damit erzielte Mehrbewegung<br />
trägt somit zur Aktivierung<br />
der Eigenregulation (Homöostase) für<br />
die Geweberegeneration bei. Im Vergleich<br />
zur Kryotherapie (anästhetische<br />
<strong>Wirkung</strong> und ab 20 Minuten<br />
posttraumatisch reine Gefäßdilatation<br />
( ödemfördernd [18, 26]) behält<br />
der Patient das volle Bewegungsempfinden<br />
bei und neuen Traumata (z.B.<br />
durch übertriebenes therapeutisches<br />
Vorgehen in der Bewegungstherapie)<br />
werden vorgebeugt (die körpereigenen<br />
Schutzmechanismen bleiben<br />
aktiv und schützen vor Bewegungen<br />
in noch traumatisiertes Gewebe.<br />
<strong>Die</strong> „Heiße Rolle"<br />
Der Vorteil in der Applikation der<br />
heißen Rolle liegt in ihrem einfachen<br />
Handling. Wasser eignet sich sehr gut<br />
als Wärmeträger. Seine Wärmekapazität<br />
ist 3.700Mal größer als die der<br />
Luft [16]. Damit setzen manuelle<br />
Techniken vom Therapeuten ein gutes<br />
Feingefühl für Gewebe und Gelenke<br />
voraus. Wichtig für den gewünschten<br />
Therapieerfolg ist eine<br />
gute Festigkeit der Rolle. Zu viel Luft<br />
würde unter Umständen ein Abkühlen<br />
in den Niedertemperaturbereich<br />
um 60° bewirken. <strong>Die</strong> Applikationstemperatur<br />
liegt zwischen 68° bis 72°.<br />
Nasses Baumwollgewebe in Verbindung<br />
der adäquat eingeschlossenen<br />
Luft wirkt für einige Zeit wie ein Wärmespeicher,<br />
wodurch die Temperatur<br />
von ca. 72° über dem therapierelevanten<br />
Zeitraum gehalten werden<br />
kann [16]. Es sollte stets das obere<br />
Drittel der heißen Rolle als Applikationsfläche<br />
benutzt werden. Der Luftgehalt<br />
(begünstigt durch die Schwerkraft)<br />
in dem unteren Zweidrittel ist<br />
größer und begünstigt somit ein vorzeitiges<br />
Abkühlen des Wasser unter<br />
68°. Eine genaue Vorgehensweise<br />
(leichte Querdehnung mit sehr kurzen<br />
Hautimpulsen) ist wichtig, um der<br />
Gefahr von Hautverbrühungen vorzubeugen.<br />
Fazit<br />
Je lockerer die heiße Rolle gewickelt<br />
ist, desto größer ist der Wärmeverlust<br />
und damit ungeeignet für therapeutische<br />
Vorgehensweisen.<br />
Material: Je nach Applikationsgebiet<br />
wird 1 Handtuch gerollt (60 x 100<br />
cm, möglichst rau und etwas älter<br />
(erhöht die Festigkeit der Rolle)<br />
und mit ca. 0,5-0,75 Liter kochendem<br />
Wasser gefüllt. Am besten<br />
eignet sich ein Frottierstoff (Baumwolle),<br />
da er ein Vielfaches seines<br />
Gewichts an Wasser aufnehmen<br />
kann. Wichtig ist, dass die<br />
neuen Handtücher ihre natürliche<br />
Wachsschicht verlieren, wodurch<br />
die Oberfläche zweidrittel ihres Gewichtes<br />
an Wasser absorbieren<br />
kann. Nach einigen Kochwäschen<br />
hat die Faser ihre Wachsschicht<br />
verloren. Das Verhältnis der Frottiefaser<br />
zwischen Schlingekette zur<br />
Grundkette sollte 1:3 betragen. Mit<br />
diesen Handtüchern (meist preisgünstig)<br />
ist die beste Rollfähigkeit<br />
und Rollfestigkeit zu erreichen [16].<br />
Indikation: Alle Formen der muskulären<br />
Hypertonie, blande Ödeme<br />
im Sinne des Obelinskaja-Goljanitzki-Effektes<br />
(OGE) und Gewebsstrukturen<br />
mit gestörter Stoffwechselaktivität.<br />
Kontraindikationen: Z. B. postoperativ<br />
vor 24 Stunden, Infektionen,<br />
Macumarisierung (Herz-Kreislauferkrankungen),<br />
Osteomyelitis,<br />
Malignome, Sepsis, gestörte Oberflächensensibilität<br />
sowie bei Säuglingen<br />
und Kindern.<br />
Zu beachten:<br />
Bei jeglichen Überwärmungen (im<br />
Sinne der Entzündungszeichen eines<br />
Gelenkes insbesondere im therapeutischen<br />
Vorgehen) sollte vor<br />
einer Hitzeapplikation eine Blutsenkung<br />
erfolgen, um eine bakterielle<br />
Grundlagen<br />
Infektionen zu erkennen und den<br />
damit verbundenen Risiken vorzubeugen!<br />
Vorbereitung: Das Handtuch wird<br />
zuerst der Länge nach gefaltet und<br />
in Längsrichtung fest (hart) aufgerollt,<br />
wobei auf eine leichte „Trichterbildung"<br />
zu achten ist. Danach<br />
wird das kochende Wasser in die<br />
Trichteröffnung gegossen.<br />
Abb. 1: Aufrollen<br />
Ausführung: <strong>Die</strong> Handtuchrolle wird<br />
mittels sehr kurzem Hautkontakt<br />
in Form einer Querdehnung, d.h.<br />
für die Aktivierung des lymphatischen<br />
Systems, ausgeführt. Ausgangspunkt<br />
ist die Leber. Anschließend<br />
wird von der Brustwirbelsäule<br />
(Th3/4 - Th9/10) über die hyperton<br />
gestellte Muskulatur des Schultergürtels<br />
bis in den Unterarm zur<br />
strukturellen Pathologie der Hand<br />
fortgefahren. <strong>Die</strong> Applikationsdau-<br />
Abb. 2: Heiße Rolle in der Anwendung<br />
er liegt bei ca. 10 bis maximal 20<br />
Minuten. Bei guter therapeutischer<br />
Anleitung kann die heiße Rolle im<br />
Bereich des Unterarmes auch vom<br />
Patienten selbst appliziert werden.<br />
praxis ergotherapie ' Jg. 18(6) • Dezember 2005 383
Grundlagen<br />
Abb. 3: Heiße Rolle an der Palmaraponeurose<br />
Das Paraffinbad<br />
Das Paraffinbad kommt der <strong>Wirkung</strong><br />
heißen Rolle sehr nahe. <strong>Die</strong> Applikationstemperatur<br />
liegt zwischen 65°<br />
bis 67°. In der Anwendung birgt es<br />
einige Risiken. Im Wechsel zwischen<br />
Hitzezufuhr und Ruhephase kann ein<br />
zu langes Warten zu Niedertemperaturen<br />
(Abkühlen) führen und ein<br />
Ödem verstärken. Häufig wird eine<br />
Applikationsdauer von ca. 20 Minuten<br />
angewandt. Lange Anwendungszeiten<br />
können schnell zu pathologischen<br />
Prozessen innerhalb der gesunden<br />
kollagenen Fasern führen<br />
[87].<br />
In diesem Falle sollte von schnellen<br />
Bewegungen abgesehen werden.<br />
Entsprechende Ruhezeiten innerhalb<br />
des Therapiekonzepts sind zu empfehlen.<br />
Der Erfolg ist somit abhängig<br />
vom Handling des Patienten. Das<br />
Paraffinbad eignet sich insbesondere<br />
bei forcierten arthrotischen Gelenksveränderungen<br />
mit mannigfaltigen<br />
Verklebungen (Cross links) in<br />
den Fingergelenken (Heberden- und<br />
Bouchardarthrose). Bei guter therapeutischer<br />
Anleitung kann der Patient<br />
Paraffinbäder (im Sinne einer<br />
Eigentherapie) auch zu Hause anwenden.<br />
Einige Firmen bieten ein<br />
entsprechendes Bad für den Heimbedarf<br />
an. <strong>Die</strong> Erstanschaffung ist<br />
etwas kostenintensiv (ca. 200,-<br />
Euro), wobei die Betriebskosten einen<br />
unwesentlich geringen Teil ausmachen<br />
(ca. 25,- Euro bei täglicher<br />
Anwendung im Jahr).<br />
Aromaöle können ohne weiteres mit<br />
in das Paraffin gegeben werden. Sie<br />
384 praxis ergotherapie • Jg. 18(6) • Dezember 2005<br />
können das allgemeine Wohlbefinden<br />
fördern und somit (d.h. über die psychogene<br />
Komponente) die nozizeptive<br />
Hemmung unterstützen (im Sinne<br />
der Aromatherapie).<br />
Vorbereitung: Hände reinigen und<br />
desinfizieren (Hygienerichtlinien)<br />
Ausgangsstellung: Möglichst in stehender<br />
aufrechter Körperhaltung<br />
und die Ellenbogen werden in<br />
leichter Flexion auf den Rand des<br />
Beckens abgelegt. Eine gute entspannte<br />
Raumatmosphäre (z.B.<br />
Blick aus dem Fenster ins Grüne)<br />
unterstützt das seelische Wohlbefinden<br />
des Patienten und damit die<br />
Senkung der Faszialspannung.<br />
Ausführung: <strong>Die</strong> Hände werden alternierend<br />
ins Paraffin und an die<br />
Luft bewegt. Sobald das Paraffinum<br />
anfängt fest zu werden, sind<br />
die Hände erneut ins Paraffin zu<br />
tauchen. <strong>Die</strong>ser Vorgang wird über<br />
einen Zeitraum von ca. 5 Minuten<br />
fortgeführt. Wichtig ist, nicht zu lange<br />
die Hände an der Luft zu halten,<br />
um nicht in den Niedertemperaturbereich<br />
zu gelangen. <strong>Die</strong> Hände<br />
sollten im Wechsel zwischen<br />
Pro- und Retraktion der Schulter<br />
und Pro- und Supination der Handgelenke<br />
ins Paraffin getaucht werden<br />
(fördert den Stoffwechsel und<br />
den Abtransport der lymphpflichtigen<br />
Last (Muskelpumpe).<br />
Nachbereitung: <strong>Die</strong> Paraffinmasse<br />
wird von den Händen gestreift. Um<br />
die Aktivierung des Stoffwechsels<br />
nicht zu unterbrechen, darf der Patient<br />
die Hände für 2 Stunden nicht<br />
waschen, bzw. mit Flüssigkeit und<br />
Kälte in Berührung bringen (es sollten<br />
auch ca. 0,5 I stilles Wasser<br />
getrunken werden (unterstützt den<br />
Abtransport der Metaboliten)<br />
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23. Zilger, M., Gruhn, H.: In: Krankengymnastik<br />
(KG) 47, Pflaum Verlag München<br />
1995, S. 490-494<br />
24. Zumhasch, R.: <strong>Die</strong> Epicondylosis radialis<br />
humeri (Teil II). In: KG-intern, Heft 6<br />
(Nov. 2002)<br />
25. Zumhasch, R.: <strong>Die</strong> Physiologie des<br />
Schmerzens am Beispiel von Wirbelsäulenerkrankungen<br />
der BWS und deren Auswirkungen<br />
auf die obere Extremität. In: ergo-<br />
Zum Autor<br />
Rainer Zumhasch, geb. am<br />
6.1.1964 in Holzminden:<br />
Anerkannter Lehrtherapeut, Teamleiter<br />
und Geschäftsführer der Akademie<br />
für Handrehabilitation<br />
(www.hand akademie.de) sowie eigene<br />
Praxis für Ergotherapie mit<br />
Sitz in Bad Pyrmont.<br />
Seit 1995 regelmäßige Publikationen,<br />
Referent an diversen Kongressen,<br />
wissenschaftlich gearbeitet<br />
mit der Maximilian Universität<br />
München (Prof. STRAUBI) und zur<br />
Zeit wissenschaftlich arbeitend mit<br />
der MHH-Hannover (PD. Dr. Jörg<br />
CARLS).<br />
therapie-praxis (Heft 4). Borgmann Verlag<br />
2003<br />
26. Zusman, M., Moog-Egan, M.: Physiotherapie<br />
bei Schmerzproblemen. In: Van<br />
Grundlagen<br />
den Berg F: Schmerzen verstehen und beeinflussen,<br />
Angewandte Physiologie. Band<br />
4. Thieme Stuttgart, New York 2003, S. 276<br />
27. Zusman, M., Moog-Egan M.: Physiotherapie<br />
bei Schmerzproblemen. In: Van den<br />
Berg F: Schmerzen verstehen und beeinflussen,<br />
Angewandte Physiologie. Band 4.<br />
Thieme Stuttgart, New York 2003, S. 277,<br />
297<br />
28. Zusman, M., Moog-Egan M.: Physiotherapie<br />
bei Schmerzproblemen. In: Van<br />
den Berg F.: Schmerzen verstehen und beeinflussen,<br />
Angewandte Physiologie. Band<br />
4. Thieme Stuttgart, New York 2003, S. 297<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
Rainer Zumhasch<br />
Lehrtherapeut<br />
Forstweg 10<br />
31812 Bad Pyrmont<br />
praxis ergotherapie • Jg. 18 (6) • Dezember 2005 385