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Der Kinder - Zirkus San Pedro Piccolino

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<strong>Der</strong> <strong>Kinder</strong>- und Jugendzirkus <strong>San</strong> <strong>Pedro</strong> <strong>Piccolino</strong> in und aus Werl<br />

Wie alles begann<br />

Wer hat nicht als Kind davon<br />

geträumt, einmal als Clown in der<br />

Manege zu stehen, als<br />

Zauberkünstler die unglaub-<br />

lichsten Tricks einem staunenden<br />

Publikum zu präsentieren, Feuer zu<br />

spucken, als Fakir zu glänzen oder<br />

hoch in der Luft am Trapez auf<br />

begeisterte Zuschauer zu blicken?<br />

Dieser Traum ist in Werl für viele<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />

Wirklichkeit geworden.<br />

50 junge Artistinnen und Artisten<br />

trainieren regelmäßig im <strong>Kinder</strong>-<br />

und Jugendzirkus <strong>San</strong> <strong>Pedro</strong><br />

<strong>Piccolino</strong>, einer eigenständigen<br />

Abteilung der DJK Grün-Weiß<br />

Werl. Natürlich gibt es auch<br />

Freizeitprogramme, Ferien-<br />

aktionen, Fahrten nach Belgien,<br />

Frankreich, Holland oder England<br />

und Auftritte und Mitmachzirkus-<br />

angebote in ganz Nordrhein-<br />

Westfalen und auch darüber hinaus.<br />

<strong>Der</strong> Terminkalender ist in der Regel<br />

gut gefüllt.<br />

Clown Timo, 1992<br />

Wie so vieles im Leben, entstand auch der Werler <strong>Zirkus</strong> eigentlich ganz zufällig und<br />

unbeabsichtigt. Die Bewohner der Kettelerstraße planten 1992<br />

ein Straßenfest. Nur sollte es kein Konsumfest sein, sondern<br />

alle Anwohner sollten sich fest mit Programmpunkten<br />

einbringen. So wurde z.B. mit den Erwachsenen ein kleines<br />

Theaterstück aufgeführt, die Männer tanzten einen CanCan,<br />

und die <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen studierten unter Anleitung<br />

von Otti sechs Wochen lang in den Sommerferien auf der<br />

Straße und in privaten Gärten ein <strong>Zirkus</strong>programm ein. Die<br />

Jüngeren traten auf als Jongleure, Einradfahrer,<br />

Drahtseilballerinas, Akrobaten, Zauberer, Clowns, Fakire oder<br />

brachten eine lyrische Nummer mit Seifenblasen, und die<br />

Seifenblasenballerina<br />

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älteren Jugendlichen spuckten, als es dunkel geworden war, Feuer. Kostüme und<br />

<strong>Zirkus</strong>materialien lieh man sich vom Schulzirkus Pepperoni aus Hamm, und das Training<br />

machte total viel Spaß. Mehr als 20 <strong>Kinder</strong> beteiligten sich daran, und die anschließende<br />

Aufführung auf dem Straßenfest wurde ein voller Erfolg. Das war´s dann. - Dachte man.<br />

Auftritt der „Ur-Piccolinis“ in Düsseldorf<br />

Doch die <strong>Kinder</strong> hatten<br />

Feuer gefangen. <strong>Zirkus</strong><br />

spielen – das machte<br />

Spaß, brachte Applaus und<br />

man lernte auch noch<br />

etwas. Viele wollten<br />

einfach weitermachen.<br />

Nur: Es gab keinen Raum<br />

zum Üben, und der Winter<br />

stand vor der Tür, es fehlte<br />

an Materialien, Kostümen,<br />

einfach an allem. Davon<br />

bekam Pastor Blome von<br />

der Petri-Gemeinde Wind<br />

und sprang hilfreich in die<br />

Bresche. Im Josefsaal, wie er damals noch hieß, waren noch zwei Stunden frei, die würde er<br />

für Trainingszeiten zur Verfügung stellen.<br />

Und im Keller wäre sogar noch ein wenig<br />

Lagermöglichkeit für Materialien. Damit<br />

waren die Grundvoraussetzungen erfüllt und<br />

so wurde im September 1992 der <strong>Zirkus</strong><br />

gegründet. Und wie es bei Bürokraten ist:<br />

Was braucht man zuerst? Einen Namen.<br />

Doch der war schnell gefunden, schließlich<br />

trainierte man in der Gemeinde St Peter, das<br />

sollte deutlich werden: Die Kleinen von St<br />

Peter. Und weil Pfarrer Blome viele Jahre in<br />

Argentinien gewirkt hatte und fast besser<br />

spanisch als deutsch sprach, entstand „<strong>San</strong><br />

<strong>Pedro</strong> <strong>Piccolino</strong>“. Und so heißen sie in<br />

Erinnerung an ihre ersten Anfänge immer<br />

noch.<br />

Eröffnung der Landesgartenschau Paderborn<br />

16 <strong>Kinder</strong> starteten also im Josefshaus, und<br />

bereits im November 1992 gab es die erste<br />

„große“ Premiere in der Petri-Turnhalle. Vor<br />

immerhin fast 200 Zuschauern begeisterten<br />

die jungen Artisten mit einer knapp<br />

90minütigen Show. Mütter hatten Kostüme<br />

genäht und einen Rückenvorhang, weitere<br />

3


Kostüme und Requisiten waren zum größten Teil geborgt, die Musik lief über eine einfache<br />

Kassettenanlage. Aber es war schön, und zwei Wochen später zählten die Piccolinis schon 30<br />

<strong>Kinder</strong>. Und hatten zwei Engagements in der Tasche. Natürlich bezahlte.<br />

Mit fünf Mark im Monat war man dabei, schließlich galt es nun, eigenes Jongliermaterial,<br />

eine Laufkugel und Stoffe für Kostüme anzuschaffen. Und wie teuer <strong>Zirkus</strong>requisiten sind,<br />

merkte man erst jetzt richtig. Doch es gab auch viel Hilfe von außen: Eine Tischlerei<br />

schreinerte Manegenwände, ein Metallbetrieb stiftete eine Treppe, ein Möbelhaus<br />

Scheinwerfer, ein Geldinstitut eine Drahtseilanlage und Matten, ein großes Metallwerk ein<br />

freistehendes Trapezgestell. Aber nichts konnte wirklich laufen ohne ein riesiges Engagement<br />

der Eltern.<br />

So viel Unterstützung machte Mut. Dazu kam eine Einladung aus Belgien, in den kommenden<br />

Sommerferien eine <strong>Zirkus</strong>woche mit anderen <strong>Zirkus</strong>jugendgruppen besuchen zu dürfen.<br />

Eltern und <strong>Kinder</strong> waren hoch motiviert und engagiert. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf.<br />

Schnell wurde der Josefsaal zu klein, die Stadt stellte Trainingszeit in der Petri-Turnhalle zur<br />

Verfügung, die <strong>Zirkus</strong>artisten traten der DJK bei und standen damit rechtlich und<br />

versicherungsmäßig auf stabilen Füßen, es wurde geprobt, man trat auf und erhielt sogar ein<br />

Engagement beim Tigerentenclub im 1. Fernsehprogramm. Das war natürlich total spannend.<br />

Drei Tage in Stuttgart, schlafen im feinsten Hotel, Dreharbeiten im Studio, Blicke hinter die<br />

Kulissen eines Fernsehsenders – einfach unvergesslich.<br />

Dreharbeiten im Tigerentenclub, Stuttgart<br />

Weitere Höhepunkte folgten: Beim<br />

internationalen <strong>Zirkus</strong>festival in<br />

Honnelles, Belgien, errangen die<br />

Piccolinis den 1. Platz, sie traten auf<br />

vor dem damaligen Minister-<br />

präsidenten Johannes Rau beim 50.<br />

Geburtstag Nordrhein-Westfalens in<br />

Düsseldorf, erhielten in Köln den<br />

Jugendkulturpreis von NRW. Beim<br />

drittgrößten <strong>Zirkus</strong>wettkampf<br />

Europas, dem Wiesbadener inter-<br />

nationalen <strong>Zirkus</strong>festival, holten sie<br />

den dritten Preis, das „Bronzene<br />

Pferd“, in Köln den Sonderpreis des<br />

Flughafens Köln-Bonn, einige Jahre<br />

später den bronzenen Zylinder. Auf<br />

Einladung des Europa-Parlamentes<br />

und der Stadt Leeds nahmen sie<br />

mehrfach teil am „Breeze“-Festival,<br />

einem Jugendkulturaustausch<br />

zwischen 20 Ländern, und knüpften<br />

hier eine dauerhafte Freundschaft mit<br />

dem <strong>Zirkus</strong> Zanni und ihrem Leiter<br />

Steve Ward, erhielten Engagements<br />

in ganz NRW, in Hannover,<br />

Mannheim, Emden und Berlin.<br />

Besondere Erlebnisse waren natürlich<br />

auch eine Zusammenarbeit<br />

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mit dem chinesischen Nationalzirkus in der englischen Stadt Hastings, wobei die Profis die<br />

jungen Werler trainierten, und ein Auftritt beim <strong>Zirkus</strong> Roncalli in Hamm, wo die Piccolinis<br />

einmal die „Großen“ aus der <strong>Zirkus</strong>szene<br />

kennenlernen und mit ihnen agieren<br />

durften.<br />

Seit 1995 veranstalten die Piccolinis auch<br />

selber ein eigenes kleines internationales<br />

<strong>Zirkus</strong>fest mit <strong>Zirkus</strong>gruppen aus ganz<br />

Europa, das sich immer über acht Tage<br />

erstreckt. Ziel ist es dabei auch, neue<br />

Kontakte zu knüpfen oder zu vertiefen und<br />

Freundschaften zu bilden.<br />

Besonders stolz sind die jungen Artisten<br />

auf ihre <strong>Zirkus</strong>halle. Nachdem die Gruppe<br />

auf 50 aktive Akrobaten angewachsen<br />

waren, der Kostüm- und Requisitenfundus<br />

immer größer wurde und es an allen Ecken<br />

an Trainings- und Lagermöglichkeiten<br />

fehlte, erhielten sie von der Stadt Werl<br />

bzw. der GWS die ehemalige Turnhalle<br />

der belgischen Armee auf dem Kon Werl-<br />

Gelände. Eigentlich ein Abrissgebäude,<br />

doch die Piccolinis verpflichteten sich, aus<br />

dem alten Gebäude eine bespielbare und<br />

optisch vorzeigbare Sporthalle zu<br />

schaffen. Die Starthilfe erhielten sie von<br />

einem Werler Geldinstitut, eine<br />

Landschaftsbaufirma zog die Kanäle für<br />

Strom, Wasser und Telefon, andere Johannes beim Handstand mit einem Trai-<br />

Firmen spendeten Baumaterial. In ner vom Chin. Nationalzirkus<br />

dreijähriger Eigenleistung entstand dann das<br />

<strong>Zirkus</strong>zentrum, inzwischen das Herz des <strong>Zirkus</strong>.<br />

Silvester 1999/2000 wurde die Halle mit einer großen Milleniumsparty eingeweiht, im April<br />

2000 begann dort das Training, nachdem eine<br />

Arbeitsgruppe von JVA-Bediensteten auch noch<br />

eine große Bühne gebaut hatte. Doch dann der<br />

Schock: Ende Juni fuhren die Piccolinis wieder<br />

nach Leeds in England, als sie auf der Fähre den<br />

Anruf erhielten: Die Halle brennt. Brandstiftung,<br />

der Brandstifter befand sich noch in der Halle und<br />

konnte von der Feuerwehr im letzten Moment<br />

gerettet werden. Acht Tage zitterten die jungen<br />

Artisten in England, dann waren sie wieder in Werl<br />

und stellten fest: Ein Schaden von mehreren<br />

hunderttausend Mark, keine<br />

Brandschaden 2000<br />

Versicherung, der Anbau völlig weg, die Haupthalle<br />

ausgebrannt und Kostüme und Requisiten nicht<br />

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mehr zu gebrauchen. Aus, vorbei, das war´s mit dem Werler <strong>Zirkus</strong>. Was blieb, war ein<br />

Anhänger mit dem Material des laufenden Programms, das man in England dabei hatte. Damit<br />

konnte man zwar notfalls noch auftreten, aber das war auch schon alles. Geld war nicht mehr<br />

in der Kasse, denn der <strong>Zirkus</strong> lebt ständig nur von der Hand in den Mund, keine<br />

Trainingsmöglichkeit, 90 % der Materialien weg. Da floss schon manches Tränchen. Traurig<br />

standen die <strong>Kinder</strong> da: „Kriegen wir das nicht wieder hin? Keine Chance?“ Also noch einmal:<br />

Ärmel hochkrempeln und ran. Zu Hilfe kam die Werler Presse, die mit einer großen<br />

Kampagne für Unterstützung beim Wiederaufbau warb. Selbst der WDR in Köln schaltete<br />

sich ein. Und das Unglaubliche geschah:<br />

Eine Welle der Sympathie, des Mitgefühls und der Hilfestellung überrollte die Piccolinis.<br />

Geld- und Sachleistungen wurden gespendet, eine liebe Dame bot sich an, Kostüme zu nähen<br />

(sie ist heute noch die Top-Schneiderin der <strong>Zirkus</strong>schar), viele helfende Hände packten an,<br />

und bereits ein Jahr später konnten die Werler Artisten mit ihrem neuen Programm „Phönix<br />

aus der Asche“ vor 700 Zuschauern in der neu gestalteten Halle Premiere feiern.<br />

Nach und nach wurde die Halle dann komplettiert: Aus ehemaligen Asylbewerberhäusern<br />

wurde die Heizkörper ausgebaut und kamen ins Trainingszentrum, der Umbau des Werler<br />

Hallenbades warf eine Menge an Material ab, das der <strong>Zirkus</strong> noch gebrauchen konnte, das<br />

ganze Gebäude wurde auch von außen komplett neu verputzt und gestrichen, zwei<br />

<strong>Zirkus</strong>wagen wurden gekauft und restauriert und komplettieren das optische Bild, nach zwei<br />

schmerzhaften Einbrüchen wurden Doppeltüren und Einbruchssicherungen eingebaut, Poller<br />

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Vertikaltuch<br />

schützen das Gebäude vor unliebsamen Hausmüllentsorgungen, und mit<br />

Hilfe der Stadt wurde das Dach erneuert. Eigenanteil der Piccolinis aber<br />

immerhin rund 16000.- €, daran knacken sie noch eine ganze Reihe von<br />

Jahren.<br />

Aber der Zuspruch ist ungebrochen: 50 Aktive, mehr können die Werler<br />

Artisten nicht vernünftig trainieren. Schließlich wird alle Arbeit<br />

ehrenamtlich geleistet. Dazu eine Warteliste, aus der neue <strong>Kinder</strong><br />

nachrücken, wenn jemand ausscheidet. Inzwischen hat der <strong>Zirkus</strong> drei<br />

aktive Leiter, eine Beisitzerin und einen Jugendvorstand. Das Training<br />

findet zeitgleich in acht bis zehn Kleingruppen statt, die Ideen zum<br />

Programm kommen von den <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen selber, nichts<br />

außer den äußeren Rahmenbedingungen ist mehr vorgegeben.<br />

„Mimulus“ heißt das letzte Programm der jungen Artisten. Eine <strong>Zirkus</strong>inszenierung, die durch<br />

ihre lyrische<br />

Darbietungsform be-<br />

sticht. Mimulus ist der<br />

Gaukler, der in die<br />

märchenhafte Welt<br />

des <strong>Zirkus</strong> hineingerät<br />

und hier die Fäden<br />

zieht. Kein Nummern-<br />

programm mehr, son-<br />

dern eine zusammen-<br />

hängende Geschichte,<br />

natürlich eingerahmt<br />

in alle Sparten, die ein<br />

<strong>Zirkus</strong> zu bieten hat.<br />

Auftritt in Emden, Nordsee<br />

Erstmals arbeiten die Piccolinis mit optischen und akustischen Effekten, mit ersten Anfängen<br />

von Life-Musik, mit phantasievollen Kostümen nach der Phantasie der Artisten, mit<br />

wechselnden Kulissen und trotzdem fast gänzlich ohne Umbauten. Und wenn doch, so sind<br />

sie in das Programm integriert. Am Ende wird Mimulus – aber nein, das Ende verrät man<br />

nicht. Es lohnt sich schon, life dabei zu sein.<br />

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Mimulus, auf der roten Laufkugel stehend, taucht in die märchenhafte <strong>Zirkus</strong>welt ein<br />

Als besonderer „Renner“ hat sich in den letzten Jahren der „Mitmachzirkus“ herausgestellt.<br />

Hier tritt nicht die ganze Artistentruppe auf und zeigt, was sie kann, sondern es werden die<br />

<strong>Zirkus</strong>gerätschaften<br />

aufgebaut und <strong>Kinder</strong><br />

und Jugendliche, die<br />

das Fest besuchen,<br />

können unter Anlei-<br />

tung jonglieren üben,<br />

am Trapez hoch in der<br />

Luft erste Kunststück-<br />

chen lernen, an<br />

Balancegeräten ihren<br />

Gleichgewichtssinn<br />

testen oder auf dem<br />

Drahtseil erste<br />

Lauferfahrungen ma-<br />

chen. Nicht passives<br />

Konsumieren, sondern<br />

aktives Handeln steht<br />

Auf mehr als 3 Meter Höhe kommt diese Stelzengestalt im Vordergrund.<br />

Neben dem Mitmachzirkus führen die Piccolinis immer mehr Freizeitprojekte durch, an<br />

dessen Ende eine Aufführung der Freizeit- oder Ferienkinder steht. In intensiven Workshops<br />

lernen die <strong>Kinder</strong> die einzelnen circensischen Disziplinen. Dazu kommen Choreographie,<br />

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Die Faszination <strong>Zirkus</strong> – ein Blick in die <strong>Zirkus</strong>pädagogik<br />

Kostüme und Musik, und<br />

am Ende zeigen die jungen<br />

Artisten, was sie in dem<br />

Workshop gelernt haben.<br />

Zuschauer sind dann in der<br />

Regel Eltern, Freunde und<br />

Bekannte, die natürlich stolz<br />

auf ihre <strong>Kinder</strong> sind und<br />

nicht mit Lob und Applaus<br />

sparen. Solche Workshops<br />

laufen über einen Tag bis<br />

hin zu zwei Wochen - je<br />

nach Projekt.<br />

Mitmachzirkus<br />

Was ist das, das so viele <strong>Kinder</strong> in den <strong>Zirkus</strong>bann zieht? Und das in einer Welt, die<br />

inzwischen beherrscht wird von Handys, Computerspielen, DVDs, MP3-Playern und<br />

Fernsehen. Oder ist es gerade die Flucht aus dieser künstlich-technischen Welt? Sich<br />

Fallenlassen in eine Atmosphäre der Selbstentfaltung, Kreativität Phantasie und<br />

Produktivität? Sich verkleiden und in fremde Rollen schlüpfen? Einmal so sein dürfen, wie<br />

man sein möchte, nicht<br />

wie man sein soll?<br />

Eigenes hervorbringen<br />

und dafür Anerkennung<br />

und Applaus ernten?<br />

Fest steht: <strong>Zirkus</strong>aktivi-<br />

tät stärkt die<br />

Persönlichkeitsbildung<br />

und das Selbstbe-<br />

wusstsein der jungen<br />

Menschen. Die kreative<br />

Beschäftigung mit dem<br />

<strong>Zirkus</strong>fundus und das<br />

Hineinschlüpfen in<br />

andere Rollen<br />

vergrößert ihr<br />

Verhaltensrepertoire.<br />

Phantasievolle Kostüme beherrschen das Bild<br />

Sie lernen mögliche Handlungsalternativen für die Bewältigung von Enttäuschungen und<br />

Konflikten kennen. Darüber hinaus wird durch die Notwenigkeit zur Kooperation in der<br />

Gruppe und durch das gemeinsame Erfolgserlebnis der soziale Lernprozess gefördert.<br />

9


Bilder aus dem Mimulus-Programm<br />

Daneben ist es ein Ziel der <strong>Zirkus</strong>arbeit,<br />

junge Menschen zur Selbstkontrolle und<br />

Stelbstständigkeit zu befähigen und<br />

durch die Entwicklung einer Ich-<br />

Stärkung ein gesundes Selbstvertrauen<br />

aufzubauen. Zur Beherrschung der<br />

unterschiedlichen Disziplinen ist es nötig, ein inneres Gleichgewicht herzustellen. Ängste,<br />

Verkrampfungen oder Überheblichkeiten müssen überwunden werden. <strong>Der</strong> Aufbau eines<br />

realistischen Selbstbildes und einer realen Selbsteinschätzung ist von grundlegender<br />

Bedeutung. Nur dann ist der Einzelne in der Lage, bewusst und aus eigenem Antrieb<br />

Entscheidungen zu treffen und die Persönlichkeit weiter zu entwickeln.<br />

Auch die Hinführung zu Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein gehört zu den wichtigen<br />

Zielen und Inhalten der <strong>Zirkus</strong>arbeit. Im Sinne der Verknüpfung von Methode und Ziel ist ein<br />

gestärktes Selbstvertrauen oftmals die Folge eines regelmäßigen Trainingsprogramms.<br />

Natürlich dient die Arbeit auch der präventiven Intervention, insbesondere der Drogen- und<br />

Gewaltprävention, indem der <strong>Zirkus</strong> einen gewaltfreien kollektiven Weg der<br />

Freizeitgestaltung zeigt.<br />

Soziale Kompetenz und Solidarität sind ebenfalls Ziele, die der <strong>Zirkus</strong> zu verwirklichen sucht.<br />

Solidarität ist gekennzeichnet durch Gemeinschaftssinn, Kooperation, Teamgeist, Mitgefühl,<br />

Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme sowie Fairness und Vertrauen. Im <strong>Zirkus</strong> ist dies<br />

gleichermaßen Ziel wie Notwendigkeit. Sowohl Training als auch Aufführung sind eine<br />

Gemeinschaftsarbeit. Jeder Teilnehmende ist auf die Anderen auf irgendeine Art und Weise<br />

angewiesen, sei es durch Hilfestellung während des Kunststückes, Partnerarbeit oder<br />

Vorbereitung. Jeder muss sich auf den Anderen verlassen können und selbst verlässlich sein.<br />

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Oben: Clowns als Spieluhr<br />

Links: Luftakrobatik am Trapez – sich<br />

ganz auf den Anderen verlassen<br />

Unten: Schauspiel gehört unbedingt dazu<br />

<strong>Zirkus</strong>projekte erfreuen sich auch in Schulen<br />

einer immer größeren Beliebtheit, denn die<br />

pädagogische Anwendung circensischer Arbeit<br />

ist besonders im motopädagogischen und<br />

mototherapeutischen Bereich unumstritten. Die<br />

Zielsetzung muss natürlich individuell für und mit den einzelnen <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

erarbeitet werden. Gerade in einer Zeit, in der die <strong>Kinder</strong> deutlich weniger draußen als<br />

vielmehr allein im Hause am Computer spielen, werden motorische Förderungsziele immer<br />

wichtiger.<br />

So wird <strong>Zirkus</strong> zu einer Art<br />

Lebensschule für <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendliche. Die gemachten<br />

Erfahrungen lassen sich leicht auf<br />

andere Lebensbereiche über-<br />

tragen: Die Entwicklung eines<br />

positiven Körpergefühls, die<br />

Schulung von Motorik und<br />

Koordinationsfähigkeit, die<br />

Förderung des Gleichgewichts-<br />

sinnes, das Entdecken eigener<br />

Talente, das Erlernen von<br />

beeindruckenden Fähigkeiten auf<br />

11


spielerische Art, die Erfahrung, positiv im Rampenlicht zu stehen, das Erlangen von mehr<br />

Mut, Selbstsicherheit und Freude durch die persönliche Leistung, das Ausleben des fast<br />

unbändigen Bewegungsdranges und nicht zuletzt eine sinnvolle Freizeitgestaltung in<br />

Gemeinschaft.<br />

Katharina und Klaus<br />

Rittinghaus, die<br />

zusammen mit Otti den<br />

<strong>Zirkus</strong> leiten, mit ihren<br />

<strong>Kinder</strong>n<br />

Angst vor der Zukunft?<br />

<strong>Zirkus</strong>kinder kennen sie<br />

nicht. Einige ältere<br />

Jugendliche haben sich<br />

inzwischen sogar mit<br />

ihren Künsten<br />

selbstständig gemacht:<br />

Da ist erst einmal Olli,<br />

die inzwischen als<br />

Profi-Clownin in<br />

Neuseeland arbeitet.<br />

Jenny und Yve treten<br />

auf eigene Rechnung als „Liaison Celeste“ am Trapez auf, Max und Johannes haben ein<br />

eigenes kleines Zauberprogramm entwickelt und sind in <strong>Kinder</strong>gärten, Schulen oder<br />

Faschingsveranstaltungen zu sehen, Lucy gestaltet <strong>Kinder</strong>geburtstage, trainiert einen<br />

Jugendzirkus in Dortmund und gibt <strong>Zirkus</strong>workshops. Das 2Magic, zwei junge Künstler, die<br />

sich als 14jährige von der Zauberei begeistern ließen, ist inzwischen Westdeutscher<br />

Vizemeister der Zauberei und sie dürfen sich Meister von Österreich nennen. Für sie alle<br />

entwickelte sich das <strong>Zirkus</strong>spielen zu mehr als nur zum Hobby. Es wurde zur Berufung.<br />

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