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PREMOS-Abschlussbericht - Die Drogenbeauftragte der ...

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6. InterdisziplinärerErgebnisse und Schlussfolgerungen <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie(Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatment)Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Prof. Dr. Gerhard Bühringer, Prof. Dr. Jürgen Rehm2009 20115Effekte <strong>der</strong>langfristigenSubstitutionOpioidabhängiger:Prädiktoren,Mo<strong>der</strong>atoren undOutcomeKarsten Gessulat: “Bild Nr. 21”Herausgeber: Michael Soyka, Markus BackmundSuchtmed · ISSN 1437-5567 · Band 13, Nr. 5 (2011)


IMPRESSUMIMPRESSUMSuchtmedizin in Forschung und Praxis, Jg. 13, Nr. 5, 2011ISSN 1437-5567Herausgeber:Prof. Dr. Michael Soyka (Wissenschaftliche Schriftleitung)Privatklinik MeiringenPostfach 612, CH-3860 MeiringenTel.: 0041-33 972-82 95; Fax: -82 91E-Mail: michael.soyka@privatklinik-meiringen.chPriv.-Doz. Dr. med. Markus Backmund(Schriftleitung Innere Medizin, Akutmedizin)Institut für Suchtmedizin und AdipositasTal 9, Rgb., D-80331 MünchenTel.: 089-45 22 85 60; Fax: -22E-Mail: Markus.Backmund@p-i-t.infoInternet: http://www.p-i-t.infoVerlag:ecomed Medizin · Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbHJustus-von-Liebig-Str. 1, D-86899 LandsbergInternet: http://www.ecomed-medizin.de/suchtmedizinRedaktion (verantwortlich):Susanne FischerTel.: 08191-125-500Fax: 08191-125-292E-Mail: susanne.fischer@hjr-verlag.deRedaktionsassistenz:Susanne PartheTel.: 08191-125-802Fax: 08191-125-292E-Mail: susanne.parthe@hjr-verlag.deAnzeigen:Dr. Reingard HerbstEdelweißring 6186343 KönigsbrunnTel.: 08231-90861Fax: 08231-90862E-Mail: media2001@t-online.deAbonnentenverwaltung:Rhenus Medien LogisticTel.: 08191-97000-641Fax: 08191-97000-103E-Mail: aboservice@hjr-verlag.deBezugspreise 2011:6 Hefte pro Jahralle Preise inkl. MwSt. und zzgl. VersandkostenPrint-Abo inkl. Online:Einzelheft:IP-Zugang:a 162,00a 36,00a 220,00Veröffentlichung gemäß Art. 8 Abs. 3 Bayerisches Pressegesetz:Alleinige Gesellschafterin <strong>der</strong> VERLAGSGRUPPE HÜTHIG JEHLE REHM Gmbh istdie Süddeutscher Verlag Hüthig Fachinformationen GmbH, München. An diesersind beteiligt: Süddeutscher Verlag GmbH, München: 91,98%; Kaufmann HolgerHüthig, Heidelberg: 7,01%.Umschlaggestaltung: m media design, D-86916 KauferingSatz und Lithographie: m media, D-86916 KauferingDruck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, 87437 KemptenUrheberrecht:© 2011, ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, LandsbergAlle Rechte, insbeson<strong>der</strong>e das Recht <strong>der</strong> Vervielfältigung und Verbreitung sowie<strong>der</strong> Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durchFotokopie, Mikrofilm o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>es Verfahren) ohne schriftliche Genehmigungdes Verlages reproduziert o<strong>der</strong> unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert,verarbeitet, vervielfältigt o<strong>der</strong> verbreitet werden. Der Inhalt dieses Hefteswurde sorgfältig erarbeitet; jedoch sind Fehler nicht vollständig auszuschließen.Aus diesem Grund übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag keineHaftung für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen.Son<strong>der</strong>heftEffekte <strong>der</strong> langfristigen SubstitutionOpioidabhängiger:Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und Outcome:Ergebnisse und Schlussfolgerungen <strong>der</strong><strong>PREMOS</strong>-Studie (Predictors, Mo<strong>der</strong>atorsand Outcome of Substitution Treatments)Professor Dr. Hans-Ulrich WittchenProfessor Dr. Gerhard BühringerProfessor Dr. Jürgen RehmKorrespondenzadresseProf. Dr. Hans-Ulrich WittchenInstitut für Klinische Psychologie und Psychotherapie & Centerof Clinical Epidemiology and Longitudinal StudiesTechnische Universität DresdenChemnitzer Str. 46D-01187 DresdenTel: +49 351 463 36983Fax: +49 351 463 36984E-Mail: wittchen@psychologie.tu-dresden.deDANKSAGUNG<strong>Die</strong>ses Son<strong>der</strong>heft fasst die Ergebnisse eines vom Bundesministeriumfür Gesundheit (För<strong>der</strong>kennzeichen IIA2-2507DSM411) geför<strong>der</strong>ten Projekts zusammen und basiertauf dem entsprechenden Schlussbericht an das Ministerium.Ergänzende Informationen und Tabellen sind im Text mitHinweis auf unsere Webpage versehen.Dem Studienbeirat gehören an: PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg),Prof. Dr. M. Schäfer (Essen), Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer(Wien), Prof. N. Scherbaum (Essen).Suchtmed 713 (1) (5) 2005 199 (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg199


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | EDITORIALEditorialHans-Ulrich Wittchen 1 , Gerhard Bühringer 1,2 , Jürgen T. Rehm 1,31Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden2Institut für Therapieforschung (IFT), München3Centre for Addiction and Mental Health, Toronto (Canada)Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie & Center of ClinicalEpidemiology and Longitudinal Studies, Technische Universität Dresden, Chemnitzer Str. 46, D-01187 Dresden, Tel +49 351 463 36983, Fax+49 351 463 36984, Email: wittchen@psychologie.tu-dresden.de<strong>Die</strong> kurz- und mittelfristige (6- bis 12-monatige) Wirksamkeiteiner Substitutionstherapie Opioidabhängiger wurdeebenso wie ihre Kosteneffektivität in <strong>der</strong> Vergangenheitvielfach und eindrucksvoll nachgewiesen. <strong>Die</strong> Erkenntnislagezu den Effekten <strong>der</strong> langfristigen Substitutionstherapie(über Jahre) bleibt demgegenüber bisher immer noch lückenhaftund vor allem unter Berücksichtigung <strong>der</strong> aktuellenBehandlungsoptionen unklar. <strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studiehatte das übergeordnete Ziel, den langfristigen Verlaufopioidgestützter Substitutionstherapien zu beschreiben unddamit Grundlagen für eine zielgruppenspezifische undbedarfsgerechte Optimierung <strong>der</strong> Versorgung zu schaffen.Damit wurde in vielerlei Hinsicht wissenschaftliches Neulandbetreten, da <strong>der</strong>artige Langzeitstudien an repräsentativenStichproben von Patienten unter den aktuellen Versorgungsbedingungenund Behandlungsoptionen bislangfehlten.Auf <strong>der</strong> Grundlage einer bundesweit repräsentativen Auswahlvon Substitutionspatienten wurde in einer vielschichtigenprospektiv-longitudinalen klinisch-epidemiologischenStudie <strong>der</strong> klinische, psychopathologische, soziale undsubstanzbezogene Verlauf und Outcome von mehr als 2.200Patientinnen und Patienten aus über 200 Einrichtungenüber sechs Jahre untersucht und beschrieben. <strong>Die</strong> übergeordnetenFragestellungen <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie lassen sichzwei großen Themenbereichen zuordnen:(1) Beschreibung von Verlauf und Ergebnis langfristigerSubstitutionIm Mittelpunkt stehen hier deskriptive Analysen zurAusgangslage <strong>der</strong> Patienten, zur Stabilität und zu Unterbrechungenim Verlauf <strong>der</strong> Substitution über sechsJahre sowie zum Erfolg einer langfristigen Substitutionhinsichtlich verschiedener in <strong>der</strong> Literatur etablierterZielkriterien wie Mortalität, Haltequoten und Erreichenvon Abstinenz. Weitere Zielkriterien waren Fortschritteim Bereich <strong>der</strong> psychischen und somatischenMorbidität, <strong>der</strong> Lebensqualität und <strong>der</strong> Delinquenzsowie die Prüfung von Unterschieden des Verlaufs undAusgangs nach verschiedenen relevanten Teilgruppenwie z.B. Frauen mit Kin<strong>der</strong>n.(2) Analyse <strong>der</strong> Einflussfaktoren auf Verlauf und Ergebnislangfristiger SubstitutionUntersucht wurde die mögliche Relevanz von Patienten-,Einrichtungs- und Behandlungsmerkmalen auf Verlaufund Ergebnis <strong>der</strong> Substitution. Beispiele für solcheMerkmale sind somatische und psychische Komorbidität,Größe <strong>der</strong> Substitutionseinrichtung, Art und Dosierungdes Substitutionsmittels o<strong>der</strong> Art und Umfang<strong>der</strong> psychosozialen Betreuung.<strong>Die</strong> immense Größe und Vielschichtigkeit des <strong>PREMOS</strong>-Projekts hat allen Beteiligten, den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnnenund Mitarbeitern, den teilnehmenden Behandlungseinrichtungenund den über 2.200 Patientinnenund Patienten über mehrere Jahre viel abverlangt. <strong>Die</strong>sbezieht sich nicht nur auf den enormen logistischen undzeitlichen Aufwand, mit dem die über unsere Studienmonitoredurchgeführten persönlichen Untersuchungen <strong>der</strong> Einrichtungenund oft auch <strong>der</strong> Patienten über 6 Jahre verbundenwaren, son<strong>der</strong>n vor allem auf die unvermeidbare Störungdes klinischen Routineablaufs in den Einrichtungen,die sich aus den methodischen Beson<strong>der</strong>heiten des Forschungsprojektsergab. Unser Dank geht deswegen in ersterLinie an die Einrichtungen und ihr Personal sowie ihrePatientinnen und Patienten. Sie haben entscheidend dazubeigetragen, dass wir die Studie mit einer überaus befriedigendenund international herausragend guten Ausschöpfungsratevon über 70% abschließen konnten.Wissenschaftliches Neuland haben wir hinsichtlich <strong>der</strong>Wahl geeigneter Auswertungsstrategien und statistischerMethoden betreten müssen, da es für eine mehrjährigeprospektiv-longitudinale Studie dieser Art an <strong>der</strong> überausherausfor<strong>der</strong>nden Population substituierter Opioidabhängigerkaum einschlägige Vorerfahrungen gab.200 Suchtmed 13 Suchtmed (5) 200 – 13 201 (5) (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg


EDITORIAL | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE<strong>Die</strong>ses Son<strong>der</strong>heft fasst die Ergebnisse eines mehrjährigenvom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geför<strong>der</strong>tenProjekts zu den langfristigen Effekten <strong>der</strong> Substitution Opioidabhängigerzusammen. Dabei liegt <strong>der</strong> Schwerpunktauf <strong>der</strong> Deskription, während weiterführende kausalanalytischeund hypothesengeleitete Themen, die auch Teildes Projekts waren (z.B. hinsichtlich Prädiktoren und Mo<strong>der</strong>atoren,geschlechtsspezifische Einflüsse) nicht Gegenstanddieser Publikation sind.Mit <strong>der</strong> vorliegenden Veröffentlichung wollen wir die<strong>PREMOS</strong> Hauptergebnisse zeitnah einer breiteren Öffentlichkeitzugänglich machen. Wir hoffen, dass wir mit <strong>der</strong>Ergebnisübersicht, <strong>der</strong> Zusammenfassung und den Schlussfolgerungeneinen entscheidenden Beitrag im Hinblick aufverbesserte Grundlagen für eine zielgruppenspezifische undbedarfsgerechte Optimierung <strong>der</strong> langfristigen Versorgungsubstituierter Opioidabhängiger geleistet haben, <strong>der</strong> sichauch in zukünftig verbesserten gesetzlichen Rahmenbedingungennie<strong>der</strong>schlägt. Zudem hoffen wir, dass die Ergebnisseeine kritische Diskussion in den Fachkreisen stimulierenund über die Daten auch zur Versachlichung <strong>der</strong> Diskussionbeitragen.Suchtmed 13 (5) 2011201


GRUNDLAGEN, VERSORGUNGSSITUATION U. PROBLEMBEREICHE | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE1 EINLEITUNGWas ist Opioidabhängigkeit?Suchterkrankungen werden nach dem heutigen Stand <strong>der</strong>Wissenschaft als "disor<strong>der</strong>s of the brain" bzw. "psychischeStörungen" angesehen – nicht nur, weil alle abhängig machendenSubstanzen direkt das neuronale Kommunikationssystemdes Gehirns beeinflussen, son<strong>der</strong>n vor allem, weilsie bei regelmäßigem Gebrauch die Struktur und Funktionsweisetiefgreifend und überdauernd auf vielfältige Weiseverän<strong>der</strong>n. Dabei wirken die meisten abhängig machendenSubstanzen primär über die sog. "Belohnungsstrukturenund -systeme" unseres Gehirns. <strong>Die</strong>se steuern über Regelkreisezentraler Neurotransmitter (z.B. Dopamin) diejenigenHirnregionen, die Denken, Emotionen, Gefühle, Motivationund Verhalten beeinflussen. Substanzabhängigkeitensind also ungeachtet ihrer vielfältigen psychischen und Verhaltenskorrelatenicht einfach dysfunktionale Verhaltensauffälligkeitenim sozialen Kontext o<strong>der</strong> gar Ausdruck vonWillensschwäche, son<strong>der</strong>n schwerwiegende und damitbehandlungsbedürftige Krankheiten des ganzen Menschen.Unter den Suchterkrankungen wird die Opioidabhängigkeit(F11.2 nach ICD-10) als die schwerwiegendste chronischeErkrankungsform eingeordnet. <strong>Die</strong>s ist einerseits durchdas bei <strong>der</strong> Opioidabhängigkeit beson<strong>der</strong>s ausgeprägteAbhängigkeitssyndrom (Toleranz, Entzug, Kontrollverlust,körperliche und psychische Folgeerscheinungen etc.), denzumeist lebenslangen chronischen Spontanverlauf, denKomplikationsreichtum und die hohe Komorbidität, dashohe Mortalitätsrisiko, die extremen Herausfor<strong>der</strong>ungenin <strong>der</strong> Therapie sowie das Leiden <strong>der</strong> betroffenen Personenund <strong>der</strong>en Umfeldes bedingt, an<strong>der</strong>erseits durch diehohen gesellschaftlichen Kosten, die sich aus <strong>der</strong> Symptomatikergeben. Hierzu gehören neben dem zumeist jahrzehntelangenBehandlungs- und Betreuungsaufwand undden damit verbundenen direkten Kosten auch die indirektenKosten, die sich aus dem krankheitsbedingten Verhalten(z.B. Beschaffungskriminalität, Haft) sowie den krankheitsassoziiertenBehin<strong>der</strong>ungen (z.B. Schul- und Ausbildungsabbruch,Arbeitsunfähigkeit, Einschränkungen in <strong>der</strong>Selbstversorgung, soziale Isolation bzw. Desintegration)ergeben (Soyka et al. 2011).Eine Abhängigkeit von Opioiden entsteht bei den meistenBetroffenen relativ rasch. Das heißt, die meisten Betroffenenentwickeln schon nach regelmäßiger Einnahme überwenige Wochen ein bedeutsames Ausmaß von Toleranzmit <strong>der</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> Dosiserhöhung zur Erzielungdes bisherigen Effekts und erleben beim Absetzen Entzugserscheinungen(Übelkeit/Erbrechen, dysphorische Stimmung,Muskelschmerzen, Fieber, Schlaflosigkeit etc.). <strong>Die</strong>Applikationswege stellen dabei einen wichtigen Faktor fürdie Bestimmung des Schweregrades, <strong>der</strong> Prognose und <strong>der</strong>Therapie dar. Applikationswege, die eine schnelle und effizienteAbsorption ermöglichen (z.B. intravenös, rauchen,schnupfen), führen zu intensiverer Intoxikation, bewirkeneinen Konditionierungseffekt und ziehen mit höherer Wahrscheinlichkeiteine schnelle Abhängigkeitsentwicklung nachsich. In <strong>der</strong> Folge entwickelt sich ein gleichmäßiges Musterzwanghaften Drogenkonsums, sodass Erwerb und Anwendung<strong>der</strong> Opioide gewöhnlich im Mittelpunkt <strong>der</strong> alltäglichenAktivitäten stehen und bei den meisten Betroffenenzu einer schnellen Aufgabe bzw. Reduktion aller üblichensozialen Rollenaufgaben führen. Da die Beschaffungzumeist illegal auf dem Schwarzmarkt und in <strong>der</strong> Szeneerfolgt, entwickelt sich eine zunehmende Beschaffungskriminalitätsowie ein zusätzlicher Gebrauch verschiedensteran<strong>der</strong>er Substanzen (u.a. Kokain, Cannabis, Halluzinogene,Alkohol), <strong>der</strong> sich in vielen Fällen bis zur Abhängigkeitausweitet.<strong>Die</strong> pharmakologischen Effekte des Opioidkonsums führenzu einer tiefgreifenden und komplexen Reprogrammierungneuronaler Strukturen und ihrer Funktionsweise,die sich einerseits in den charakteristischen körperlichen,psychischen und verhaltensbezogenen Symptomen desAbhängigkeitssyndroms manifestieren. An<strong>der</strong>erseits führendiese Symptome über komplexe Wechselbeziehungenauch zu mannigfachen charakteristischen Folgekomplikationen.Hierzu gehören:1. eine Vielzahl von neuropsychiatrischen Komplikationen,z.B. im Sinne von mit dem Konsum assoziiertenpsychischen Störungen (Depression, psychotische Syndrome,Angstsyndrome und Angststörungen, Persönlichkeitsverän<strong>der</strong>ungenund Persönlichkeitsstörungen,Selbstverletzung und suizidale Handlungen, Schlafstörungenu.v.m.),2. körperliche Erkrankungen in nahezu allen Organsystemenals direkte o<strong>der</strong> indirekte Folge, wie z.B. Infektionen<strong>der</strong> Venen, Abszesse als Folge intravenöser Injektiondes Suchtmittels, Hepatitis A, B und C, bakterielleEndokarditis, gastrointestinale und pulmonale Erkrankungen(Tuberkulose), HIV und AIDS, Störungen dessexuellen Reproduktionszyklus sowie eine massiv erhöhtefrühzeitige Mortalität und3. vor allem zumeist schwerwiegendste mit <strong>der</strong> Abhängigkeitserkrankungassoziierte Einschränkungen undBehin<strong>der</strong>ungen in nahezu allen psychologischen undsozialen Funktions- und Lebensbereichen (Ausbildung,Beruf, familiäre und persönliche Beziehungen).Das bedeutet, dass die Diagnose einer Opioidabhängigkeitimmer die Erhebung einer detaillierten Vorgeschichte unterEinbeziehung aller Informationsquellen (Patient, Angehörige,klinisch-medizinische Untersuchung, LaborbefundeSuchtmed 13 (5) 2011203


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | GRUNDLAGEN, VERSORGUNGSSITUATION U. PROBLEMBEREICHEeinschließlich Drogen-Urinscreening und Blutuntersuchungen)erfor<strong>der</strong>t, um neben <strong>der</strong> Abhängigkeitsdiagnose auchdas erhebliche Ausmaß an Komorbidität hinsichtlich körperlicherund psychischer Störungen zu erfassen und darausArt und Umfang <strong>der</strong> psychologischen und sozialen Einschränkungenund Behin<strong>der</strong>ungen und schließlich ein patientengerechtesIndikationsprofil abzuleiten.<strong>Die</strong> Behandlung <strong>der</strong> Opioidabhängigkeit<strong>Die</strong> Behandlungsziele, Methoden und Vorgehensweisen beiOpioidabhängigkeit haben sich vor dem Hintergrund desErkenntnisfortschritts in Wissenschaft und Forschung weltweitrecht unterschiedlich im Zusammenhang regional,kulturell, politisch und versorgungsstrukturell unterschiedlicherTraditionen und Normen entwickelt (Farrel et al.1996). Entsprechend sind in den letzten Jahren vielfältigetherapeutische Angebote und Strategien entstanden, dieim Rahmen <strong>der</strong> Suchttherapie Opioidabhängiger mit unterschiedlichakzentuierter Zielrichtung zur Anwendungkommen. Hierzu gehören:• unterschiedliche Formen <strong>der</strong> psychologischen, psychotherapeutischenund psychosozialen Therapie zur Beeinflussung<strong>der</strong> Opioidabhängigkeit (hierfür sind internationalund national unterschiedliche und nichtscharf voneinan<strong>der</strong> abgrenzbare Begrifflichkeiten undTherapien gebräuchlich wie z.B. Psychosoziale Beratung(PSB), abstinenzorientierte (substitutionsfreie) Therapie,verhaltenstherapeutische Programme) sowie• die sog. Substitutionstherapie (auch Opioid MaintenanceTherapie), die im Vor<strong>der</strong>grund des Berichts steht.Beide Verfahrensgruppen sind nicht als alternativ anzusehen,son<strong>der</strong>n werden in verschiedener Weise auch kombiniertdurchgeführt (NICE 2007; Drake et al. 2008; Amatoet al. 2008a, b).<strong>Die</strong> Ziele <strong>der</strong> Suchttherapie sind im Sinne einer hierarchischangeordneten Priorität und unter Beachtung <strong>der</strong>individuellen Erkrankungssituation des Patienten aus klinischerund wissenschaftlicher Sicht (Bundesärztekammer2010):• Sicherung des Überlebens,• Reduktion des Gebrauchs von Suchtmitteln,• Gesundheitliche Stabilisierung und Behandlung vonkörperlichen und psychischen Begleiterkrankungen,• Soziale Stabilisierung im Sinne von Teilhabe am Lebenin <strong>der</strong> Gesellschaft und am Arbeitsleben sowie Reduktionkriminellen Verhaltens,• Opiatfreiheit.2 WAS IST EINE SUBSTITUTIONSTHERAPIE?Eine Substitutionstherapie Opioidabhängiger (engl.: OpioidMaintenance Treatment (OMT, wegen <strong>der</strong> längerenVerfügbarkeit von Methadon auch Methadone MaintenanceTreatment – MMT); umgangssprachlich auch: Drogensubstitutiono<strong>der</strong> Drogenersatztherapie) ist eine Behandlungvon Personen, die an einer Abhängigkeit von Opioiden(meist Heroin) leiden. <strong>Die</strong> Behandlung erfolgt mit gesetzesundrichtlinienkonform zu verordnenden Medikamenten,zumeist Methadon und Buprenorphin. Hierbei werden dieinternational üblichen übergeordneten Idealziele verfolgt(Soyka et al. 2011):a) Im Sinne einer langfristigen Dauersubstitution wird eineSchadensminimierung angestrebt, um den Gesundheitszustandund die soziale Situation <strong>der</strong> Patienten deutlichzu verbessern und gleichzeitig Schaden von <strong>der</strong> Gesellschaftabzuwenden.b) In (mehr o<strong>der</strong> weniger) absehbarer Zeit wird versucht,eine dauerhafte Substanzfreiheit (Abstinenz) herbeizuführen.Beide Zielorientierungen sind als gleichwertig zu betrachtenund schließen sich gegenseitig nicht aus. <strong>Die</strong> Substitutionstherapiedient <strong>der</strong> Behandlung einer Opioidabhängigkeiteinschließlich psychischer und somatischer Erkrankungensowie assoziierter psychosozialer Problemlagen.Deshalb erfor<strong>der</strong>t sie ein umfassendes individuelles Behandlungskonzept,das an den jeweiligen Ebenen und Teilzielenorientiert ist. Entsprechend werden nach dem Stand<strong>der</strong> Forschung in <strong>der</strong> Regel bessere Resultate erzielt, wenndie Verabreichung <strong>der</strong> Substitutionsmittel bei gleichzeitigersozialarbeiterischer und psychoedukativer – wesentlichseltener auch psychotherapeutischer – Begleitung erfolgt.Ein sogenanntes Substitutionsprogramm beinhaltetzumeist diese psychosoziale Betreuung und bietet zudemdie Möglichkeit, die Teilnehmer bezüglich häufiger Begleitkrankheiten(wie einer Hepatitis C) aufzuklären, sieeiner Behandlung zuzuführen und beispielsweise Impfungengegen Hepatitis A und B anzubieten.Der konsequente Ersatz <strong>der</strong> bisher illegal erworbenenOpioide durch die tägliche Abgabe eines Substitutionsmedikamentshat einsichtige Vorteile: <strong>Die</strong> eingesetzten Substanzenenthalten die angegebene Wirkstoffmenge und keineVerunreinigungen; somit können die Komplikationen desintravenösen Drogenkonsums wie Spritzenabszesse sowiedie Übertragung von Hepatitis C und B und HIV vermiedenwerden. <strong>Die</strong> Betroffenen werden außerdem zeitlichund finanziell entlastet, Prostitution und Beschaffungskriminalitätkönnen deutlich reduziert werden. Der behandelndeArzt und die psychosoziale Beratungsstelle versuchengemeinsam mit dem Patienten, auftauchende Krisen204 Suchtmed 13 (5) 2011


GRUNDLAGEN, VERSORGUNGSSITUATION U. PROBLEMBEREICHE | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEmöglichst frühzeitig zu erkennen bzw. diese im Sinne einerKrisenintervention zu bearbeiten und auf die Erhaltungdes Arbeitsplatzes (Aufnahme einer Arbeit, Beginn o<strong>der</strong>Abschluss einer Ausbildung) sowie den Aufbau sozialerKontakte außerhalb des Drogenmilieus hinzuwirken. Inverschiedenen Beratungsstellen wird auch eine Tagesstrukturierungo<strong>der</strong> Übernachtungsmöglichkeit angeboten.Substitutionsprogramme wurden erstmals 1949 in den USAerprobt und gelten seither aufgrund von überzeugendenStudienbelegen als die etablierte Therapie <strong>der</strong> Wahl. Methadonreduktions-(Entgiftung, Entzug) und Methadonerhaltungsmethode(Dauersubstitution) werden heute in vielenLän<strong>der</strong>n gleichzeitig angeboten. Daneben gibt es auchBehandlungsstrategien, die als "Erhaltungstherapie zumEntzug" o<strong>der</strong> "abstinenzorientierte Erhaltungstherapie"bezeichnet werden. <strong>Die</strong> Langzeitbehandlung Opioidabhängigerwird auch als "medizinische Erhaltungstherapie"bezeichnet, diese selbst als spezifische Behandlung einermetabolischen Störung gesehen und mit <strong>der</strong> Insulinverabreichungbei einer Zuckerkrankheit o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Dauertherapieeiner arteriellen Hypertonie verglichen. Damit wird sie<strong>der</strong> zeitlich begrenzten "Kurzzeit-" bzw. "psychotherapeutischenErhaltungstherapie" gegenübergestellt, wo davonausgegangen wird, dass mit <strong>der</strong> abnehmenden Opioidtoleranzbei ausschleichen<strong>der</strong> Behandlung und psychosozialerUnterstützung ein andauern<strong>der</strong> Normalzustand hergestelltwerden kann. <strong>Die</strong> Zielsetzung "Abstinenz als Normalzustand"wird jedoch von vielen Experten infrage gestellt,wobei neben Laborstudien auf die hohe Rückfallquote nachallen Formen <strong>der</strong> Entzugsbehandlung verwiesen wird. Allerdingskönnen sehr viele Faktoren das Rückfallrisiko erhöhen.Auch die klinische Relevanz <strong>der</strong> Laborstudien istnoch unklar, sodass bis zum heutigen Tag <strong>der</strong> Richtungsstreitunentschieden bleibt. <strong>Die</strong> britische National TreatmentOutcome Research Study (NTORS) stellt fest, dasssich Patienten in einer abstinenzorientierten Erhaltungstherapiebezüglich ihrer Methadondosierung nach einemJahr nicht signifikant von Patienten in einer klassischenErhaltungstherapie unterscheiden. Nach zwei Jahren zeigtesich, dass umso mehr Heroin konsumiert wurde, je schnellerMethadon reduziert worden war. <strong>Die</strong> Autoren zogenunter an<strong>der</strong>em den Schluss, dass die spezifische Form <strong>der</strong>Methadonreduktionstherapie und die entsprechenden Behandlungszielenicht nur den Patienten, son<strong>der</strong>n auch demBehandlungsteam besser zu vermitteln seien (Soyka et al.2011).o<strong>der</strong> nach Abbruch einer Substitution 2- bis 3-mal häufigerTodesfälle als während <strong>der</strong> Substitution auftraten, dieRate an Todesfällen durch Opioidkonsum war mehrfachhöher (Degenhardt et al. 2011). Eine mehrfach erhöhte Sterblichkeitunter Substitution wurde ebenso durch vermutlichvor Beginn <strong>der</strong> Behandlung erworbene Erkrankungen beobachtet.<strong>Die</strong>se war jedoch wesentlich geringer als die erhöhteSterblichkeit von Abhängigen ohne Therapie o<strong>der</strong>die Sterblichkeit von Abhängigen, die von einem Substitutionsprogrammwegen Regelverletzungen entlassen wurden(Grönbladh et al. 1990).<strong>Die</strong> Kosten-Nutzen-Analyse einer Substitutionstherapieergibt bei einer konservativen Berücksichtigung von Gesundheitskostenund Kosten <strong>der</strong> Sozialbetreuung sowie <strong>der</strong>Folgen kriminellen Verhaltens ein Verhältnis von 1:9,5bis 1:19 (Godfrey et al. 2004). <strong>Die</strong>s ist vor allem die Folgeeiner deutlich gesenkten Kriminalitätsrate (Gossop et al.2005), auch wenn eine Cochrane-Studie unter Berücksichtigungaller auswertbaren vorhandenen Studien hier keinensignifikanten Vorteil belegen konnte (Mattick, Breen,Kimber & Davoli 2009). Neben den erwähnten Kostenkriteriensind die Auswirkungen auf die familiäre Belastungdurch eine Abhängigkeit von Opioiden, die Angst <strong>der</strong>Gesellschaft vor einem Anwachsen <strong>der</strong> Kriminalität o<strong>der</strong>die Auswirkungen einer Än<strong>der</strong>ung des Konsumverhaltensschwerer zu fassen und werden somit in Kosten-Nutzen-Analysen von Substitutionsprogrammen in <strong>der</strong> Regel nichteingeschlossen (Mattick, Ali & Lintzeris 2009).SubstitutionssubstanzenDer am meisten verwendete Ersatzstoff ist Methadon, zunehmendwird auch Buprenorphin verwendet. Aufgrund<strong>der</strong> erhöhten formalen Anfor<strong>der</strong>ungen kommt Dihydrocodein/Codeinnur noch selten zur Anwendung. <strong>Die</strong> Substanzenwerden oral eingenommen unter Aufsicht (bei demverordnenden Arzt o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Apotheke). Nach einer gewissenZeit kann <strong>der</strong> Arzt entscheiden, ob er dem Opioidabhängigeneine Verschreibung über ein Substitutionsmittelaushändigt und ihm dessen eigenverantwortliche Einnahmeerlaubt (sog. take-home-Verordnung). Im Folgendenwerden nur die für die Studie unmittelbar relevanten Optionenangesprochen. Bezüglich einer vollständigen aktuellenÜbersicht wird auf die neuen "Guidelines" <strong>der</strong> WorldFe<strong>der</strong>ation of Societies of Biological Psychiatry (Soyka etal. 2011) verwiesen.Wirksamkeit einer Substitutionstherapie<strong>Die</strong> Substitutionstherapie Opioidabhängiger gilt heute alsso wirksam, dass es für die behandelnden Ärzte nur schwermöglich ist, eine Verletzung des Behandlungsvertrages durcheinen Therapieabbruch zu sanktionieren (Seivewright 2009).Metaanalytische Studien zeigen, dass ohne SubstitutionMethadonVor allem für Patienten in Dauersubstitution gibt es belegbareHinweise für die Wirksamkeit von Methadon.<strong>Die</strong> übliche wirksame Dosierung liegt zwischen 60 und100 mg pro Tag. Patienten wünschen meist jene Dosie-Suchtmed 13 (5) 2011205


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | GRUNDLAGEN, VERSORGUNGSSITUATION U. PROBLEMBEREICHErung, mit <strong>der</strong> sie sich "wohlfühlen", die Dosis also, dieEntzugssymptome nicht aufkommen lässt. Mittlere bis hoheDosen unterdrücken auch das Substanzverlangen undbei hohen Substitutgaben kommt es zu einer vollständigenOpioidblockade (Eap et al. 2002). Patienten zeigen sichbei <strong>der</strong> Gabe solch hoher Dosen (auch bei fehlenden Nebenwirkungen)meist nicht kooperativ, da sie das – oft unrealistische– Ziel einer völligen Substanzfreiheit nicht aufgebenmöchten (Seivewright 2009; Fareed et al. 2009).Für die Opioidblockade können aufgrund großer interindividuellerUnterschiede in <strong>der</strong> Verstoffwechselung vonMethadon (genetischer Polymorphismus bezüglich <strong>der</strong> dieAbbauenzyme kodierenden Gene, von Transportproteinenund µ-Rezeptoren) 55 mg/Tag ausreichen, an<strong>der</strong>erseits biszu 921 mg/Tag erfor<strong>der</strong>lich sein (Li, Kantelip, GerritsenvanSchieveen & Davani 2008). In letzterem Fall (bei Patienten,die den Wirkstoff sehr schnell abbauen können,also sog. Fast- o<strong>der</strong> Ultra-Fast-Metabolizern) kann einezweimal tägliche Einnahme Abhilfe schaffen. Zusammenfassendstützt eine Methadon-Dosierung von mehr als 60mg/Tag signifikant den Verbleib in <strong>der</strong> Substitution undführt zu geringerem Heroinkonsum. Umgekehrt zeigt sichbei mehr als 100 mg/Tag in <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Fälle keinenZusatznutzen. Es gibt keine kontrollierten Studien,die eine routinemäßige Dosierung in dieser Höhe rechtfertigenwürden (Mattick, Ali & Lintzeris 2009).Methadon ist in <strong>der</strong> Langzeitverordnung bemerkenswertsicher (Kreek 1978; Ward, Mattick & Hall 1998). Metaanalysen(52 Studien mit insgesamt 12.075 Patienten) zeigen,dass eine Substitutionstherapie besser ist als an<strong>der</strong>eMethoden hinsichtlich a) <strong>der</strong> therapeutischen Haltequote,b) <strong>der</strong> Reduzierung des Beikonsums und <strong>der</strong> Mortalität(Amato, Davoli, Perucci, Ferri, Faggiano & Mattick 2005).Buprenorphin soll eingesetzt werden, wenn dessen Einsatzgegenüber <strong>der</strong> Therapie mit Methadon Vorteile bringt.Methadon ist deutlich preisgünstiger – eine Tatsache, diebei <strong>der</strong> Behandlung Opioidabhängiger (wie in allen an<strong>der</strong>enBereichen <strong>der</strong> Medizin ebenfalls) zu beachten ist.BuprenorphinAuch die Kombination von Buprenorphin und psychosozialerBetreuung ist im Gegensatz zu einer alleinigen intensivenpsychosozialen Betreuung sicher und hocheffektivund in den Effekten Methadon gegenüber gleichwertig(Kakko, Svanborg, Kreek & Heilig 2003). Als partiellerAntagonist bewirkt Buprenorphin einen Sättigungseffektbezüglich <strong>der</strong> atemdepressorischen Wirkung und erhöhtdamit die Sicherheit. Dennoch kann es auch mit Buprenorphin,v.a. bei konkomitantem Gebrauch von Benzodiazepinen,zu ungewollten Überdosierungen und Todesfällenkommen (Tracqui, Kintz & Ludes 1998; Kintz 2002).Buprenorphin kann auch bei gleichzeitig vorhandener HepatitisC zu einer Erhöhung <strong>der</strong> Leberenzyme Aspartat-Aminotransferase (ASAT) und Alanin-Aminotransferase(ALAT) sowie in Einzelfällen zu einer akuten Lebernekroseführen. Somit muss auch vor Beginn einer Buprenorphinsubstitutionauf eine bestehende Hepatitis B und C untersuchtwerden, eine periodische Kontrolle <strong>der</strong> Leberfunktionsparameterwird empfohlen (Taikato et al. 2005). Zudemsoll auf die Einnahme von Alkohol verzichtet werden. Beieinem gleichzeitig bestehenden problematischen Alkoholkonsumist Methadon als geeigneteres Substitut anzusehen.DiamorphinSeit wenigen Jahren wurde als dritte Option Heroin (Diamorphin)in Deutschland mit beson<strong>der</strong>en Ausführungsbestimmungenfür schwerkranke Patienten zugelassen, <strong>der</strong>enAbhängigkeit von Heroin mit Ersatzdrogen nicht befriedigendbehandelt werden kann. Da diese Option in den vorliegendenBericht nicht mit einbezogen wurde, wird aufHaasen et al. (2007) verwiesen.3 DIE GRÖßENORDNUNG IN DEUTSCHLAND:HEROIN UND ANDERE OPIOIDEKonservative Schätzungen gehen bei schwer abschätzbarerDunkelziffer davon aus, dass in <strong>der</strong> letzten Dekade einharter Kern von 200.000 Menschen pro Jahr in Deutschlandillegale opioidhaltige Substanzen injiziert bzw. riskantund ohne ärztliche Verschreibung konsumiert haben(<strong>Drogenbeauftragte</strong> <strong>der</strong> Bundesregierung 2009). EpidemiologischeBevölkerungsstudien – zumeist in großstädtischenRegionen und ihrem Umland – schätzen die Zahl mit einemoberen Vertrauensintervall von über 300.000 (Heilmann& Scherbaum 2009). Illegale Drogen werden vorallem in jüngeren Altersgruppen bis etwa 40 Jahre konsumiert(EBDD 2008). Für Heroin- und Opiatabhängige istdie Altersverteilung jedoch deutlich zu höheren Altersgruppenverschoben und liegt bei einem Durchschnittsalter von35 Jahren (Pfeiffer-Gerschel et al. 2008; EBDD 2009).3.1 SUBSTITUTION OPIOIDABHÄNGIGER IN DEUTSCHLAND<strong>Die</strong> Rate <strong>der</strong> Substituierten ist in den vergangenen Jahrenkontinuierlich weiter angestiegen, während <strong>der</strong> Anteil aktivsubstituieren<strong>der</strong> Ärzte im gleichen Zeitraum weitgehendkonstant blieb. Demnach ist es zu einer kontinuierlichenZunahme <strong>der</strong> Zahl zu substituieren<strong>der</strong> Patienten pro Arztgekommen. Versorgungsprobleme bestehen zunehmend inländlichen Regionen, die sich vor allem in Urlaubszeitenund an Wochenenden verschärfen. Zudem hat die COBRA-206 Suchtmed 13 (5) 2011


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | GRUNDLAGEN, VERSORGUNGSSITUATION U. PROBLEMBEREICHEAbb. 2:Anzahl <strong>der</strong> im Substitutionsregister registriertenÄrzte von 2003 bis 2010.Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittelund MedizinprodukteAbb. 3:Entwicklung <strong>der</strong> Häufigkeit gemeldeterSubstitutionsmittel. Quelle: Bundesinstitutfür Arzneimittel und Medizinprodukte<strong>Die</strong> durchschnittliche Relation <strong>der</strong> gemeldeten Substitutionspatientenpro substituieren<strong>der</strong>/m Ärztin/Arzt beträgtbundesweit 29.3.4 REGULIERUNG UND GESETZLICHE GRUNDLAGEN UNDVERORDNUNGEN<strong>Die</strong> Bundesärztekammer hat 2010 gemäß § 5 Abs. 11 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung(BtMVV) aufGrundlage des allgemein anerkannten Standes <strong>der</strong> Wissenschaftdie Richtlinien zur Durchführung <strong>der</strong> substitutionsgestütztenBehandlung Opioidabhängiger (www.ecomedmedizin.de/suchtmedizin)novelliert.4 PROJEKTE UND INITIATIVEN ZUR EVALUATION UNDVERBESSERUNG DER VERSORGUNGMithilfe <strong>der</strong> deutschen Bundesregierung wurden in denletzten Jahren verschiedene Initiativen geför<strong>der</strong>t, die zumZiel hatten, belastbare Daten zur Situation Opioidabhängigerin Substitution zu gewinnen sowie erkennbare Schwachstellenzu identifizieren und gezielt Verbesserungsmaßnahmenanzustoßen.4.1 UNTERSUCHUNGEN DES BMBF SUCHTFORSCHUNGS-VERBUND ASATIm Rahmen des vom BMBF geför<strong>der</strong>ten Forschungsverbundswurden eine Reihe von Forschungsarbeiten durchgeführt,die für die Weiterentwicklung <strong>der</strong> Substitutionstherapie undVersorgungssituation in Deutschland bedeutsam sind.ASAT-Projekt F8.1:Substitutionstherapie in Deutschland: Substitutionstherapieist kurzfristig effektiv und kostengünstigIm Rahmen <strong>der</strong> längsschnittlichen COBRA-Studie, die anüber 2.600 bundesrepräsentativ ausgewählten Substitutionspatientendurchgeführt wurde, zeigten sich nach einem208 Suchtmed 13 (5) 2011


GRUNDLAGEN, VERSORGUNGSSITUATION U. PROBLEMBEREICHE | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEJahr eine geringe Mortalitätsrate (1,2%) und überaus ermutigendeBefunde. Knapp 10% aller Patienten wurdenabstinent o<strong>der</strong> sind im Studienverlauf zu einer weiterführenden,substitutionsfreien Abstinenztherapie an<strong>der</strong>er Artgewechselt. <strong>Die</strong> Haltemotivation war mit nahezu 70% allerPatienten, die erfolgreich über 1 Jahr in <strong>der</strong> Therapiegehalten wurden, hoch. Der Drogenbeigebrauch konntebedeutsam verringert werden. Der durch vielfache Komorbiditätenan chronischen körperlichen Erkrankungen gekennzeichnete,extrem kritische Gesundheitszustand <strong>der</strong>Patienten wurde deutlich gebessert. Beson<strong>der</strong>s bemerkenswertist, dass substituierende Hausärzte, die nur wenigePatienten und keine speziellen personellen Zusatzressourcenhaben, zumindest ähnlich gute Ergebnisse erzielen wiedie großen Substitutionszentren.Erhebliche Mängel und Defizite wurden jedoch hinsichtlich<strong>der</strong> effektiven Beeinflussung <strong>der</strong> psychischen Morbidität(s.u. F8.3) sowie <strong>der</strong> Therapie von komorbi<strong>der</strong> HepatitisC deutlich. <strong>Die</strong> COBRA-Studie zeigte ferner, dass diemedizinischen und sonstigen Gesamtkosten einer Ersatzstoffbehandlungangesichts <strong>der</strong> hohen Krankheitslast <strong>der</strong>Patienten mit im Mittel 8.100,– a/Jahr vergleichsweiseniedrig sind. <strong>Die</strong> Kosten werden in erster Linie durch dieBehandlung <strong>der</strong> körperlichen Krankheitslast bedingt, währenddie direkten substitutionsbedingten Kosten pro Fallnur 3.800,– a ausmachen. <strong>Die</strong> durchschnittlichen Fallkostenin den kleinen hausärztlichen Einrichtungen sind mitdurchschnittlich 7.148,– a günstiger als in den großenspezialisierten Zentren.Publikation:Wittchen HU, Appelt S, Soyka M, Gastpar M, Backmund M, Gölz J et al.Feasibility and outcome of substitution treatment of heroindependentpatients in specialized substitution centers and primary carefacilities in Germany: A naturalistic study in 2694 patients. DrugAlcohol Depend 2008; 95: 245-257.ASAT-Projekt F8.2:Hepatitis C: Begleitende Interferonbehandlung verschlechtertnicht die Prognose in <strong>der</strong> Substitution<strong>Die</strong> Daten <strong>der</strong> ASAT-Substitutionsstudie sprechen dafür,dass Hepatitis C als häufigste komorbide Komplikation<strong>der</strong> Opioidabhängigkeit häufig gar nicht bzw. nicht hinreichendintensiv behandelt wird. <strong>Die</strong> Annahme, dass eineteure Interferonbehandlung während <strong>der</strong> Substitution aufgrundvon Wechselwirkungen und Nebenwirkungen problematischsei und deshalb bei dieser Patientengruppe abzulehnenist, konnte nicht bestätigt werden. <strong>Die</strong> Befundezeigen, dass (1) eine HCV-Behandlung mit Interferonenbei substituierten Opioidabhängigen wirksam ist und (2)die Wirksamkeit <strong>der</strong> Substitutionstherapie sowie <strong>der</strong> Grad<strong>der</strong> Schwere komorbi<strong>der</strong> Psychopathologie durch eineHCV-Behandlung mit Interferon nicht negativ beeinflusstwird. Vielmehr sprechen die Daten <strong>der</strong> Studie dafür, dass(3) es zu wechselseitig positiven Effekten kommt. Mit Interferonbehandelte HCV-Patienten hatten tendenziell besseresubstitutionsbezogene Outcomes als Patienten, dienicht mit Interferon behandelt wurden.Publikation:Schäfer A, Wittchen HU, Backmund M, Soyka M, Gölz J, Siegert J, SchäferM, Tretter F, Kraus MR. Psychopathological changes and quality of lifein hepatitis C virus-infected, opioid-dependent patients duringmaintenance therapy. Addiction 2009; 104 (4): 630-640.ASAT-Projekt F8.3:Defizitäre Versorgungssituation bei Substitutionspatienten:Psychotherapeutische FachbehandlungSubstitutionsärzte beschreiben vor allem die psychiatrischpsychotherapeutischeVersorgung ihrer zumeist hochkomorbidenSubstitutionspatienten als extrem defizitär. Zwarwird die sogenannte psychosoziale Betreuung als positivbeschrieben, die Situation bei <strong>der</strong> psychotherapeutischenFachbehandlung hingegen als beunruhigend defizitär charakterisiert.23% aller Substitutionseinrichtungen beschreibendas psychotherapeutische Versorgungsangebot für ihreSubstitutionspatienten als "ungenügend", 32% als mangelhaft.Nur unwesentlich besser ist die Situation in <strong>der</strong> fachpsychiatrischenVersorgung (14% ungenügend, 23% mangelhaft).Publikation:Soyka M, Apelt SM, Wittchen HU. <strong>Die</strong> unzureichende Beteiligung vonPsychiatern an <strong>der</strong> Substitutionsbehandlung. Der Nervenarzt 2006;77 (11): 1368-1372.ASAT-Projekt F9:Optimierung <strong>der</strong> Substitutionsbehandlung durch indikativeZuordnung von Patientenproblemen und TherapiebausteinenAus diesem Projekt, das angesichts <strong>der</strong> oft unzureichendenpsychologisch/psychotherapeutischen Versorgung die Entwicklungeiner optimierten Vorgehensweise erprobte, ist einerweitertes psychotherapeutisches Therapieprogramm-Manualentstanden. <strong>Die</strong> neue Version 2.0 des Therapiemanualskann in unterschiedlicher Weise verwendet werden: 1. AlsEinführungstext in die psychotherapeutische Behandlung vonDrogenabhängigen, 2. für die Planung eines Therapieprogramms,3. als Planungshilfe für einzelne Therapiesitzungen,4. als Sammlung von Materialien für die Durchführung vonTherapiesitzungen und 5. für das Training von angehendenTherapeuten für die Suchtbehandlung.Publikation:Küfner H, Ridinger M. Psychosoziale Behandlung von Drogenabhängigenunter Substitution (PSB-D). Lengerich u.a., Pabst, 2008.Suchtmed 13 (5) 2011209


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | GRUNDLAGEN, VERSORGUNGSSITUATION U. PROBLEMBEREICHEASAT-Projekt F9.2:Keine signifikanten Unterschiede zwischen Methadon undBuprenophin<strong>Die</strong>se Studie ergab keine signifikanten Unterschiede zwischenden Substitutionsmitteln Methadon und Buprenorphin– auch wenn die Haltequote unter Methadon leichthöher war als unter Buprenorphin. <strong>Die</strong> Intensität <strong>der</strong> Entzugssymptomewar am stärksten mit einem Therapieabbruchkorreliert, danach folgten das Auftreten von Nebenwirkungenund die Anzahl positiver Urin-Tests. Das Alterbei Beginn des Drogenmissbrauchs und die Dauer kontinuierlichenDrogenkonsums korrelierten nur in <strong>der</strong> Buprenorphin-Gruppesignifikant mit dem Therapieabbruch.Dagegen ergab sich we<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Methadon- noch in <strong>der</strong>Buprenorphin-Gruppe ein Zusammenhang zwischen <strong>der</strong>Dosis des Substitutionsmittels und <strong>der</strong> Haltequote. Nach8-10 Wochen zeigte sich unter beiden Substitutionsmittelneine Besserung <strong>der</strong> Konzentrationsfähigkeit und <strong>der</strong> exekutivenFunktionen (Wortflüssigkeit, kognitive Flexibilität).Im Vergleich zu einer parallelisierten Gruppe gesun<strong>der</strong>Normalpersonen wiesen Drogenabhängige jedoch schlechtereLeistungen in fast allen Funktionsbereichen auf. <strong>Die</strong>Hypothese eines Zusammenhangs zwischen kognitiverLeistungsfähigkeit und wahrgenommener Stressbelastungließ sich nicht bestätigen. Auch die Dosis ergab keinenZusammenhang mit kognitiven Leistungsfunktionen.Publikation:Soyka M, Lieb M, Kagerer S, Zingg C, Koller G, Lehnert P, et al. Cognitivefunctioning during methadone and buprenorphine treatment. J ClinPsychopharmacol 2008; 28: 699-703.Soyka M, Zingg C, Koller G, Kuefner H. Retention rate and substance usein methadone and buprenorphine maintenance therapy andpredictors of outcome: results from a randomized study. Int JNeuropsychopharmacol 2008; 11: 641-653.4.2 BUNDESDEUTSCHE PROJEKTE UND INITIATIVEN: PRÄ-VENTION VON BEGLEITERKRANKUNGEN VON INFEKTI-ONEN BEI INTRAVENÖSEM DROGENKONSUMHepatitis-C-Infektion und TherapieOberste Ziele <strong>der</strong> Sekundär- und Tertiärprävention beiSubstituierten sind die Aufklärung über Infektionsrisikenund eine Vermeidung <strong>der</strong>selben. Hierbei ist insbeson<strong>der</strong>edarauf zu achten, nicht nur auf die Risiken hinzuweisen,die lediglich indirekt auf den gemeinsamen Spritzengebrauchzurückzuführen sind, z.B. durch gemeinsame Benutzungan<strong>der</strong>er Spritz- und Drogenzubereitungsutensilien(Filter u.ä.), son<strong>der</strong>n auch von Haushaltsgegenständen(Rasierer, Zahnbürsten, Nagelscheren u.ä.), sowie die Risikenungeschützten sexuellen Kontakts. <strong>Die</strong> sexuelle Übertragungvon Hepatitis B und C spielt eine große Rolle in<strong>der</strong> Weiterverbreitung unter Drogenabhängigen und ihrenPartnern. Während mit <strong>der</strong> Hepatitis-B-Impfung eineaktive Präventionsmaßnahme zur Verfügung steht, liegenkeine Daten zur Abschätzung <strong>der</strong> Inanspruchnahme dieserLeistung bzw. des bestehenden Schutzes bei Drogenabhängigenvor. Es ist anzunehmen, dass nur ein geringerTeil <strong>der</strong> Betreffenden gegen eine Hepatitis B-Infektion geschütztist.Hepatitis C ist eine typische Folgekrankheit bei injizierendenDrogenkonsumenten mit massiven individuellen wiegesellschaftlichen Folgekosten. Eine Hepatitis-C-Infektionwird oft bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Konsumverlaufserworben. In Deutschland leben nach einer Schätzung,die auf den Daten des Bundes-Gesundheitssurveysvon 1998 beruht, zwischen 400.000 und 500.000 Menschen,die chronisch mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV)infiziert sind (Thierfel<strong>der</strong>, Meisel, Schreier & Dortschy1999; RKI 2005). <strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong> Neuinfektionen mit HepatitisC stieg in den vergangenen Jahren nicht mehr an.Nach den Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) wurden2005 8.363, 2006 7.561 und 2007 6.858 Hepatitis C-Fälle verzeichnet. Der Anteil von intravenös Drogenkonsumierendenbei den Erstdiagnosen beträgt seit 2005 kontinuierlich35%. Insgesamt wird die Antikörperprävalenz beiintravenös Drogenkonsumierenden auf 60-80% geschätzt(RKI 2010). In den ambulanten Einrichtungen <strong>der</strong> SuchtundDrogenhilfe lag <strong>der</strong> Anteil von HCV-Infizierten beiPatientinnen und Patienten mit illegaler Drogenproblematiknach den Zahlen <strong>der</strong> Deutschen Suchthilfestatistik beiknapp 50%. Angesichts hoher Hepatitisprävalenzen unterinjizierenden Drogenkonsumenten (insbeson<strong>der</strong>e HepatitisB und C) wird auch die Behandlung von Hepatitis zueinem wichtigeren Bestandteil <strong>der</strong> medizinischen Versorgungvon Drogenabhängigen. Dazu hat zunächst die DeutscheGesellschaft für Suchtmedizin "Leitlinien für die Therapie<strong>der</strong> chronischen Hepatitis C bei intravenösen Drogengebrauchern"veröffentlicht. <strong>Die</strong> Deutsche Gesellschaft fürVerdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) hat2010 eine überarbeitete Auflage <strong>der</strong> "Leitlinien zur Prophylaxe,Diagnostik und Therapie <strong>der</strong> Hepatitis-C-Virusinfektion"herausgegeben (Sarrazin et al. 2010). In diesen Leitlinienwird insbeson<strong>der</strong>e eine Hepatitis-Behandlung imRahmen einer drogenfreien Therapie o<strong>der</strong> einer Substitutionsbehandlungempfohlen. In Anbetracht <strong>der</strong> erheblichenFolgekosten chronischer Hepatitis C ist die Behandlung dieserErkrankung auch bei Drogenabhängigen nicht nur medizinisch,son<strong>der</strong>n auch ökonomisch wichtig und sinnvoll.<strong>Die</strong> Behandlung kann unter geeigneten Bedingungen dabeidurchaus erfolgreich durchgeführt werden. Im Rahmen <strong>der</strong>COBRA-Studie war die Behandlung von Hepatitis C während<strong>der</strong> Substitution bei 56% <strong>der</strong> Patienten erfolgreich(Wittchen et al. 2008). <strong>Die</strong>ser Wert entspricht den Erfolgs-210 Suchtmed 13 (5) 2011


GRUNDLAGEN, VERSORGUNGSSITUATION U. PROBLEMBEREICHE | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEquoten von Studien in <strong>der</strong> Allgemeinbevölkerung. In spezialisiertenEinrichtungen wie Substitutionsambulanzensind noch bessere Resultate erreichbar (RKI 2005). Auchbei gleichzeitigem Vorliegen von psychischen Störungenneben <strong>der</strong> Drogenabhängigkeit ist eine antivirale Therapiebei Drogenabhängigen möglich. Zur Verbesserung <strong>der</strong>präventiven und behandlungsorientierten Angebote för<strong>der</strong>ndas Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dasBundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seiteinigen Jahren verschiedene Modellvorhaben und Forschungsprojekte.Unter an<strong>der</strong>em för<strong>der</strong>t das BMG seit 2004das "Aktionsbündnis Hepatitis und Drogengebrauch" bzw.dessen internationale Fachkonferenzen in Berlin (2004),Wien (2005), Bonn (2006) und Hamburg (2007). Damitwurde nicht nur das Ziel einer erhöhten Aufmerksamkeitrund um das Thema Hepatitis C erreicht, son<strong>der</strong>n aucheine interdisziplinäre Plattform zum Wissensaustausch unddamit zur Fortbildung geschaffen, an <strong>der</strong> sich neben einerwachsenden Zahl von Verbänden und Einrichtungen u.a.die Deutsche Leberstiftung und das Robert-Koch-Institut(RKI) beteiligen.HIV und DrogenkonsumIn <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung lag die HIV-Inzidenz 2007 bei3,3 pro 100.000 (2006: 3,2; RKI 2008; Bätzing-Feigenbaum2008). Eine <strong>der</strong> bislang wenig bekannten Ursachenfür den Anstieg <strong>der</strong> HIV-Infektionen ist die hohe Zahl <strong>der</strong>Syphilis-Infektionen in Deutschland. Das Syphilis-Bakteriumund an<strong>der</strong>e sexuell übertragbare Erreger führen überdie För<strong>der</strong>ung von entzündlichen Prozessen dazu, dassdaran Erkrankte sich leichter mit HIV anstecken. Ist <strong>der</strong>z.B. an Syphilis Erkrankte bereits mit HIV infiziert, dannkann er das HI-Virus leichter weitergeben (Karp, Schlaeffer,Jotkowitz & Riesenberg 2009). Das insgesamt relativ gutausgebaute Substitutionsangebot in Deutschland trägt sicherlichdazu bei, dass die HIV-Infektionsrate unter injizierendenDrogenkonsumenten relativ gering ist. Nach Angabendes RKI stammten 2007 5,5% (2006: 6,1%) <strong>der</strong> Personenmit einer HIV-Erstdiagnose aus <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> injizierendenDrogenkonsumenten. <strong>Die</strong>ser Wert lag bis zumJahr 2000 noch bei 10,1% (RKI 2011). Nach Angabendes Bundeskriminalamtes (BKA) wurde bei 3,4% <strong>der</strong> Drogentoten(2007: 48 von 1.394) ein positiver HIV-Statusfestgestellt (2006: 2,9%). <strong>Die</strong> Daten <strong>der</strong> ambulanten Beratungsstellenzeigen im Jahr 2007 eine HIV-Prävalenz von5,6% (N = 198) unter den Opioidkonsumenten und 4,6%(N = 223) unter den Konsumenten aller illegalen Drogen(<strong>Drogenbeauftragte</strong> <strong>der</strong> Bundesregierung 2009).Verbreitung von Infektionskrankheiten und Risikoverhaltensweisenin HaftDaten zur suchtmedizinischen und infektiologischen Situationund Versorgung von Opioidabhängigen im deutschenJustizvollzug lagen bislang nur aus vereinzelten Haftanstaltenvor, die kaum Rückschlüsse auf die Gesamtversorgungssituationzuließen. Mit <strong>der</strong> Veröffentlichung von zwei deutschenmultizentrischen epidemiologischen Studien (Zentrumfür Interdisziplinäre Suchtforschung <strong>der</strong> Universität Hamburg/BremerInstitut für Drogenforschung an <strong>der</strong> UniversitätBremen; Wissenschaftliches Institut <strong>der</strong> Ärzte Deutschlands)liegen nun erstmals konsistente Daten über die Anzahlvon aktuellen/ehemaligen injizierenden Drogenkonsumentenund drogenassoziierten Infektionserkrankungen ausmehreren deutschen Haftanstalten vor. <strong>Die</strong> außerhalb vonHaftanstalten erwiesenermaßen effiziente Substitutionsbehandlungkann auch unter Haftbedingungen durchgeführtwerden. Während sich die Zahl <strong>der</strong> Opioidsubstitutionsbehandlungenin Freiheit in Deutschland in den vergangenenfünf Jahren um 50% auf über 70.000 Patienten erhöht hatund etwa 45% <strong>der</strong> geschätzten 150.000 Opioidkonsumentenerreicht, bildet sich diese Entwicklung in deutschen Haftanstaltennicht ab. Lediglich etwa 500-700 <strong>der</strong> geschätzten10.000-15.000 infrage kommenden Gefangenen befindensich in einer dauerhaften Substitutionsbehandlung (<strong>Drogenbeauftragte</strong><strong>der</strong> Bundesregierung 2009; Keppler & Stöver2010). Als primäre Behandlungsindikation steht die Fortführungvon in Freiheit begonnenen Substitutionsbehandlungenim Vor<strong>der</strong>grund. Ein ähnliches Bild zeigt sich in<strong>der</strong> Behandlung von HCV-/HIV-Infektionen. Auch hier bestehtdie Versorgungsleistung vornehmlich in <strong>der</strong> Therapieweiterführungaußerhalb von Haftanstalten begonnenerBehandlungen. <strong>Die</strong> Bundesregierung hat im Aktionsplanzur Umsetzung <strong>der</strong> HIV/AIDS-Strategie festgestellt, dass<strong>der</strong> Strafvollzug ein Setting darstellt, das beson<strong>der</strong>e Maßnahmenzur Gesundheitsför<strong>der</strong>ung notwendig macht (<strong>Drogenbeauftragte</strong><strong>der</strong> Bundesregierung 2009).Beratung und Behandlung: Psychosoziale BetreuungObwohl die Notwendigkeit einer effizienten psychosozialenBegleitung im Rahmen einer medikamentengestütztenBehandlung Opioidabhängiger unumstritten ist, fehltbislang eine empirische Basis zum Stellenwert und zu <strong>der</strong>Wirksamkeit <strong>der</strong> verschiedenen Formate und Modalitäten<strong>der</strong> psychosozialen Beratungsinterventionen im Langzeitverlauf:Schlüsselfragen sind: (1) Welche Wirkungen kannund sollte eine gezielte Betreuung in <strong>der</strong> Langzeitsubstitutionhaben? (2) Werden diese Interventionen von den verschiedenenZiel- und Risikogruppen angenommen und wiebeurteilen Ziel- und Risikogruppen die Wirksamkeit? (3)Was ist spezifische psychosoziale Beratung, wie grenzt sieSuchtmed 13 (5) 2011211


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | GRUNDLAGEN, VERSORGUNGSSITUATION U. PROBLEMBEREICHEsich von ärztlicher Beratung auf <strong>der</strong> einen und von psychotherapeutischenInterventionen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ab?Zwar liegen aus einer kontrollierten Studie (Modellprojekt<strong>der</strong> heroingestützten Behandlung) eindeutige Belege hinsichtlichguter Akzeptanz seitens <strong>der</strong> Patienten, verbesserterCompliance bei <strong>der</strong> Substitutionsbehandlung sowie verbessertenOutcomes vor (Kuhn et al. 2007; Verthein et al.2008), allerdings ist fraglich, ob diese Ergebnisse auf denLangzeitverlauf sowie die Routine übertragbar sind. Indieser Studie wurden zwei Varianten psychosozialer Betreuungeingesetzt mit den Komponenten Drogenberatung mitergänzen<strong>der</strong> Psychoedukation in wöchentlichen Gruppensitzungen(16 Termine) und Case Management als strukturiertes,personenzentriertes, nachgehendes Einzelsettingunter Einbezug von motivieren<strong>der</strong> Gesprächsführung.<strong>Die</strong> psychosoziale Begleitung stellt einen nie<strong>der</strong>schwelligenGesprächspartner für die Betroffenen dar, hilft bei <strong>der</strong>Orientierung im Umgang mit Ämtern, Formularen, Anträgen;vermittelt Information über Hilfsangebote im sozialenRahmen und Möglichkeiten <strong>der</strong> beruflichen Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung.<strong>Die</strong> psychosoziale Betreuung konfrontiertaber auch mit Verhaltensauffälligkeiten und stellt letztlichdie Verbindung zum Arzt her. <strong>Die</strong> Drogensozialarbeit vermitteltden Kontakt zu den Institutionen des sozialen Netzesund zur realen Lebenswelt des Patienten (z.B. Drogenkonsum,Umgang, Wohnen, Gerichte, Arbeit, Kin<strong>der</strong>). Sieist für den Arzt ein notwendiges Korrektiv in <strong>der</strong> Beurteilungvon sozialer und persönlicher Entwicklung des Patienten.In <strong>der</strong> Schwerpunktpraxis ist es <strong>der</strong> Idealfall, dassdie Drogensozialarbeit in das Team <strong>der</strong> behandelnden Ärzteund des Krankenpflegepersonals integriert ist. Es findenQualitätsprüfungen <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vereinigungenstatt. Unter Fe<strong>der</strong>führung <strong>der</strong> Deutschen Hauptstellefür Suchtfragen (DHS) werden "Leitlinien für PsychosozialeBegleitung" erarbeitet, an <strong>der</strong> Vertreter <strong>der</strong> Suchtkrankenhilfe,<strong>der</strong> Bundesärztekammer, <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaftfür Suchtmedizin, <strong>der</strong> gesetzlichen Krankenversicherung,<strong>der</strong> Rentenversicherung sowie <strong>der</strong> kommunalen Spitzenverbändemitwirken.Literatur ist im Gesamtliteraturverzeichnis ausgewiesen,S. 296.212 Suchtmed 13 (5) 2011


ZIELE UND METHODIK | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEZiele und Methodik <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie (Predictors, Mo<strong>der</strong>ators andOutcome of Substitution Treatments)Hans-Ulrich Wittchen 1 , Jürgen T. Rehm 1,3 , Michael Soyka 4,5 , Kornelia Langer 1 , Anna Trä<strong>der</strong> 1 ,Sebastian Trautmann 1 , Gerhard Bühringer 1,21Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden2Institut für Therapieforschung (IFT), München3Centre for Addiction and Mental Health, Toronto (Canada)4Psychiatrische Klinik, Universität München5Privatklinik Meiringen, MeiringenKorrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische UniversitätDresden, Chemnitzer Str. 46, D-01187 Dresden, Email: wittchen@psychologie.tu-dresden.deZusammenfassung<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie ist eine prospektiv-longitudinal Studie mit bis zu 4Untersuchungszeitpunkten in einem bis zu 7-jährigen Zeitraum. Sie istferner hinsichtlich <strong>der</strong> Basisuntersuchung als eine klinisch-epidemiologischeStudie anzusehen, da sie auf einer bundesweit repräsentativenZufallsauswahl von Substitutionseinrichtungen beruht. Der Beitrag beschreibtFragestellungen, Methodik, Ausschöpfung und Auswertung.Grundlage ist eine bundesweit repräsentative, klinisch-epidemiologischeStudienkohorte von 2.284 eligiblen SubstitutionspatientInnen (t 1,Baseline) aus 223 Einrichtungen, die über 6 Jahre (drei Nachuntersuchungswellen)weiterverfolgt wurden. Bei je<strong>der</strong> Welle (12 Monate nachStudieneinschluss: t 2; Ausschöpfung (RR): 91%, 56 Monate später: t 3,cRR: 71,1%; sowie 69 Monate später: t 4, cRR: 90,9%) wurden Einrichtungenund Patienten über standardisierte Verfahren (z.B. Arzt- und Patienteninterview,Urinscreenings) hinsichtlich Verlauf und Outcome (z.B.Substitution, Substanzkonsum, klinisch-medizinische, psychopathologische,soziale Aspekte) beurteilt. Zusätzlich kamen folgende Verfahrenzum Einsatz, um eine möglichst vollständige Erfassung sicherzustellen: Einrichtungsbogen,Mortalitätsbogen, separates Fraueninterview, VerlaufsundTrackingbogen. Darüber hinaus wurden zusätzliche Teilstudien realisiert,unter an<strong>der</strong>em zur Ableitung einer Definition für stabile Substitutionsowie <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> spezifischen Situation von Frauen. <strong>Die</strong>Analysen wurden gewichtet nach Design (z.B. Größe <strong>der</strong> Einrichtung,Zentrenclustereffekte) und Ausschöpfung durchgeführt.Schlagwörter: Opiatabhängigkeit, Substitution, klinisch-epidemiologischeStudie, Kohorte, LängsschnittstudieAbstractAims and Methods of the <strong>PREMOS</strong> Study (Predictors, Mo<strong>der</strong>ators andOutcome of Substitution Treatments)<strong>PREMOS</strong> is a prospective-longitudinal study program with up to 4 wavesof assessment over a time period of up to 7 years. <strong>PREMOS</strong> is also a clinicalepidemiologicalstudy due to its reliance on a nationwide representativerandom sampling of institutions and patients. The paper describes aims,methods, response rates, and statistical issues. The study is based on aprospective-longitudinal naturalistic design with four waves of assessmentin a prevalence sample of n = 2.284 eligible substitution patients(t 1, baseline), recruited from a nationwide representative sample of 223substitution physicians having been followed up over 6 years. At eachwave (12 months: t 2; RR: 91%, 56 months: t 3, cRR: 71.1%; 69 months: t 4, cRR:90.9%) physicians and patients have been assessed with standardizedmethods (e.g. clinical interview with doctor and patient, urine screenings)regarding course and outcome (e.g. substitution, substance use, clinical,medical, psychopathological, social aspects). Furthermore, followingprocedures have been applied to ensure the entire acquisition of data atthe best: setting questionnaire, mortality questionnaire, separate interviewfor women, course and tracking questionnaire. Add-ons componentsof study include attempts to define "stable substitution" as wellas a module assessing the situation of women. Analyses have been conductedwidely weighted by design (e.g. size of setting, settings’ clustereffects) and response rate.Keywords: Opioid dependence, opioid maintenance treatment, prospective-longitudinalstudy, cohort<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie * wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführtund aus diesen Mitteln finanziert. Es erfolgte eine Prüfung durch die Ethikkommission<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden (EK313122007) sowie die Registrierung <strong>der</strong> Studie beim National Institute for Health (NIH)in Washington D.C. (NCT-ID: NCT00673647).Mitarbeiter des <strong>PREMOS</strong>-Projektes sind: Prof. Dr. H.-U. Wittchen, Dipl.-Psych. A. Trä<strong>der</strong>,Dipl.-Psych. S. Trautmann, Dipl.-Psych. K. Mark, Dipl.-Psych. K. Langer, Dipl.-Psych. C. Wolf(Dresden), Prof. Dr. G. Bühringer (Dresden/München), PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg), Prof. Dr. M. Schäfer (Essen),Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer (Wien),Prof. N. Scherbaum (Essen).*Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und Outcome1 EINLEITUNGHintergrund, Ziele und Fragestellungen<strong>Die</strong> vorliegende Studie soll gemäß <strong>der</strong> Ausschreibung desBMG vom 15.12.2006 Erkenntnisse liefern, die es erlauben,die Gestaltung <strong>der</strong> Substitution OpioidabhängigerSuchtmed 13 (5) 213 2011 – 226 (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg213


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ZIELE UND METHODIK"zielgruppenspezifisch und folglich bedarfsgerecht" zuoptimieren. Dazu werden einerseits Kenntnisse über denlangfristigen (d.h. mehrjährigen) Verlauf und Ausgang vonSubstitutionsbehandlungen benötigt und an<strong>der</strong>erseits sollenPrädiktoren für stabile und positive Behandlungsergebnisseerarbeitet werden.Bezüglich <strong>der</strong> Ergebnisse zum Verlauf und Ausgang langfristigerSubstitutionsbehandlungen handelt es sich vorrangigum deskriptive Fragestellungen, bei denen zentraleErfolgsparameter wie Mortalität, Morbidität, Haltequote,Substanzgebrauch, psychosoziale Situation und Delinquenzals abhängige Variable im Vor<strong>der</strong>grund stehen.Neben einer globalen Auswertung sind die Ergebnisse nachTeilgruppen hinsichtlich ihres Substitutionsverlaufs vonInteresse, z.B. nach langfristig Substituierten, Abbrechern,planmäßigen Been<strong>der</strong>n ohne weitere Behandlung und Vermitteltein eine Abstinenzbehandlung.Bezüglich <strong>der</strong> Prädiktoren und Mo<strong>der</strong>atoren geht es umdie Rahmenbedingungen und Merkmale für stabile positiveBehandlungsergebnisse und somit vom statistischen Ansatzher um eine analytische Fragestellung. Es sollen Faktoren(Mo<strong>der</strong>atoren) gefunden werden, die einen Einflussauf die Ausprägung des Behandlungsergebnisses haben undinsbeson<strong>der</strong>e mit erfolgreicher Beendigung <strong>der</strong> Substitutionverbunden sind. Hier geht es also um die Frage, ob Personenmit Risikomerkmalen (z.B. hoher Schweregrad, polyvalenterMissbrauch, Komorbidität) sowie unterschiedlicherArt und Intensität psychosozialer Begleitung bzw. mit einerBehandlung in unterschiedlichen Einrichtungen jeweilsunterschiedliche Ergebnisse im langfristigen Substitutionsverlaufzeigen (Vermittlung in Abstinenzbehandlung/Abstinenzohne weitere Behandlung).FragestellungenIm Folgenden werden die einzelnen Studienziele gemäßStudienauftrag für die zwei Hauptfragestellungskomplexe(1) Ergebnisse langfristiger Substitution und (2) Einflussfaktorenbeschrieben. Es wird darauf verwiesen, dass in<strong>der</strong> Ergebnisdarstellung die in diesem Artikel aufgeführtenFragestellungen aus darstellungstechnischen Gründenneu gruppiert wurden.Fragestellungsgruppe 1: Beschreibung von Verlauf undOutcome langfristiger SubstitutionEigene Vorarbeiten haben – in Übereinstimmung mit denwenigen vorliegenden Verlaufsstudien – deutlich gemacht,dass <strong>der</strong> Langzeitverlauf von Substitutionsbehandlungenextrem heterogen und vielschichtig variabel ist. Charakteristischerscheinen im Jahresverlauf häufige Wechsel hinsichtlichArt (Abbruch, Wie<strong>der</strong>beginn, Wechsel von Substitutionsmittelund -dosierung, Wechsel in abstinenzorientierteTherapie und zurück in die Substitution) und Ort(Wechsel des Behandlers am Ort sowie überregionale Wechsel;Wittchen & Apelt 2006). Unklar ist, inwieweit sicheine <strong>der</strong>artige Variabilität auch im Langzeitverlauf übermehrere Jahre hinweg ergibt. Beson<strong>der</strong>e methodische Herausfor<strong>der</strong>ungensind deshalb: (a) die Wahl und Sicherstellungeiner Untersuchungsmethodik und -logistik, die gewährleistet,dass im Untersuchungsverlauf möglichst viele Patientenmit langfristiger Substitution unabhängig von Status-,Orts- und Behandlungswechseln erfasst und beurteilt werdenkönnen. <strong>Die</strong>s erfor<strong>der</strong>t eine äußerst personalintensive,aktive suchende und nachgehende Untersuchungsstrategie,bei <strong>der</strong> alle möglichen Daten- und Erkenntnisquellen (Ärzte,Patienten, Freunde, Angehörige etc.) einbezogen werdenmüssen. (b) <strong>Die</strong> Definition von entsprechend adäquaten primärenund sekundären Zielkriterien, die einerseits bei möglichstallen Patienten verwendbar sind und zudem dieserVariabilität und Langzeitperspektive auch gerecht werden.<strong>Die</strong> primären <strong>PREMOS</strong> Zielkriterien für die Beurteilungdes 6-jährigen Substitutionserfolgs sind hinsichtlich einererfolgreichen langfristigen Substitution:• temporär (letzte 12 Wochen) stabile (fortdauernde)Substitution (keine längerfristigen Unterbrechungen > 3Monate) aufgrund disziplinarischer Verstöße, kein kontinuierlicherkritischer Beigebrauch) bzw.• stabile Abstinenz (regelhafte Beendigung durch Substitutionsarztplus eine verifizierte Abstinenzphase von3+ Monaten) bzw.• ein stabiler Wechsel (3+ Monate) in eine abstinenzorientierteTherapie ohne Substitution.Für Misserfolg bzw. eine ungünstig verlaufene Substitutionsind die Kriterien:• temporär (letzte 12 Wochen) unregelmäßige (instabileSubstitution aufgrund längerer (3+ Monate) o<strong>der</strong> häufigerUnterbrechungen (2+ Monate), z.B. aufgrund vonfortdauerndem Beikonsum)• keine Substitutionsteilnahme (z.B. Abbruch seitens desPatienten o<strong>der</strong> durch Haft) sowie• Mortalität.<strong>Die</strong>se primären <strong>PREMOS</strong>-Zielkriterien sind bezüglich <strong>der</strong>problematischen Differenzierung von stabil vs. instabilzum Teil ausschließlich auf die letzten 12 Monate bezogen,da sich im Datensatz keine Patienten finden ließen,die zu 100% ihrer Substitutionszeit ohne Unterbrechungwaren. <strong>Die</strong>se primären und kategorialen Kriterien werdendurch verschiedene zumeist dimensionale Outcomemaßeergänzt (z.B. Addiction Severity Index, Lebensqualität,Morbidität, Unterbrechungen). Bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Kriterienund Verlaufs- und Outcome-Indikatoren wurden konzeptuelleÜberlegungen, in <strong>der</strong> Literatur verwendete Konven-214 Suchtmed 13 (5) 2011


ZIELE UND METHODIK | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEtionen sowie Ergebnisse aus Voruntersuchungen und validierendenZusatzuntersuchungen (vgl. w.u. MeDoSys)berücksichtigt (z.B. wurde für das Kriterium "stabile Abstinenzo<strong>der</strong> Abbruch" ein extern validierter Zeitraum vonmind. 3 Monaten herangezogen).Ungleich einer klinischen Endpunktstudie geht es also nichtnur um die kategorialen primären Zielkriterien, son<strong>der</strong>nes werden auch (dimensionale und kategoriale) Verän<strong>der</strong>ungenin den Outcome-Parametern berücksichtigt (z.B.in Bezug auf Lebensqualität, psychopathologische Belastungund psychosoziale Belastungs-Indizes). Um die bislangschlecht untersuchte "natürliche" Krankheits- und Behandlungsdynamikvon Substitutionspatienten adäquat abbildenzu können, ist also eine differenzierte Verlaufsdeskriptionmit den zeitabhängigen Verän<strong>der</strong>ungsmustern wünschenswert.Ziele <strong>der</strong> Fragestellungsgruppe 1 (Verlauf und Ergebnislangfristiger Substitution):(1) Beschreibung von Verlauf und Outcome zu t 3und t 4fürdie Gesamt- und Teilgruppen von PatientInnen (z.B.Geschlecht) nach primären (z.B. stabile Abstinenz, stabilerWechsel in abstinenzorientierte Therapie) und sekundärenOutcomeparametern (z.B. Substanzkonsum,psychische und somatische Morbidität, Lebensqualität,Delinquenz, Compliance).(2) Zuordnung <strong>der</strong> PatientInnen zu den definierten primärenOutcomegruppen (s.o.) anhand vorher definierterAlgorithmen sowie Berechnung von Erfolgsmaßen (z.B.stabile Substitution, Beikonsum, Abstinenz) und empirischgefundener Outcomecluster.(3) Analyse <strong>der</strong> Häufigkeit von Wechselprozessen (z.B.Unterbrechungen aus disziplinarischen Gründen undAbstinenzversuche) im Zeitverlauf t 0-t 4zwischen dendefinierten Ergebnisgruppen und Berechnung <strong>der</strong> Übergangswahrscheinlichkeiten.(4) Analyse von Teilgruppen von PatientInnen mit den aus<strong>der</strong> Literatur bekannten Risikomerkmalen (Schweregrad,polyvalenter Missbrauch, Komorbidität) wie unter(2) und (3).(5) Spezifische Teilanalysen zur Situation von Frauen mitKin<strong>der</strong>n sowie Fragen im Zusammenhang mit Substitutionund Schwangerschaft.(6) Beurteilung <strong>der</strong> Behandler und Patienten bezüglichadministrativer, finanzieller, persönlicher und krankheitsbedingterBarrieren und Probleme im Zusammenhangmit <strong>der</strong> Substitution.(7) Beschreibung von Art, Ausmaß und Kontinuität <strong>der</strong>psychotherapeutischen und psychosozialen Interventionenund sozialen Unterstützung (s.a. Fragestellung 2)nach Outcomegruppen.(8) Qualitative Zusammenstellung und Analyse <strong>der</strong> Strategienund Erfahrungen <strong>der</strong> Ärzte und Patienten bei<strong>der</strong> planmäßigen Beendigung <strong>der</strong> Substitution zur Vorbereitungvon expertengestützten Empfehlungen (z.B.über Fallvignetten erfolgreicher Beendigung).Fragestellungsgruppe 2: Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren(Mo<strong>der</strong>atoren)Neben <strong>der</strong> Beschreibung von Verlauf und Outcome unterschiedlichlangfristiger Substitution (Fragestellung 1) istes für die Verbesserung <strong>der</strong> Behandlung und für konkreteHandlungsleitlinien im Einzelfall hilfreich, die Einflussfaktorenauf unterschiedliche Verläufe und Ergebnisgruppendetailliert und geschlechtsspezifisch zu prüfen.Ziele <strong>der</strong> Fragestellung 2 (Mo<strong>der</strong>atoren)(9) Ermittlung und statistische Überprüfung von verlaufsbeeinflussendenFaktoren und Prädiktoren, die mitpositivem o<strong>der</strong> negativem Verlauf und Ergebnis (gemäß<strong>der</strong> Outcomegruppen in 3.1.) assoziiert sind. PrimäresZiel ist die Ermittlung typischer Merkmalskombinationenfür "Respon<strong>der</strong>".(10) Spielt die Einrichtungs- und Organisationsform, in<strong>der</strong> die Substitutionstherapie stattfindet, eine Rolle,ggf. in Wechselwirkung mit <strong>der</strong> Substitution vorausgegangenenMerkmalen? Haben z.B. kleine hausärztlicheSettings bessere Outcomes als spezialisierte Substitutionszentren?Spielen dabei Patienten- o<strong>der</strong> Störungsmerkmaleeine Rolle?(11) Hat das Substitutionsmittel und seine Dosierung eineRelevanz? Hier soll geprüft werden, ob in PatientInnen-Kohortenaus <strong>der</strong> klinischen Praxis (a) die Höhe<strong>der</strong> Dosierung und (b) die Art des Substitutionsmittelsfür das Ergebnis von Bedeutung sind.(12) Welchen Einfluss haben körperliche und psychischeKomorbidität (z.B. Art und Intensität weiterer Substanzstörungenwie Alkoholabhängigkeit) auf den Verlauf<strong>der</strong> Substitutionstherapie? Gibt es Wechselwirkungenmit <strong>der</strong> Art des Substitutionsmittels, psychosozialenInterventionen o<strong>der</strong> soziodemografischen Variablen?(13) Hat die Art, Häufigkeit und Dauer psychosozialerBetreuungsmaßnahmen (PSB) sowie soziale Unterstützungeinen Einfluss auf die Gesamtprognose? Bewirktinsbeson<strong>der</strong>e eine intensivierte/optimierte psychosozialeTherapie während <strong>der</strong> Substitution eine höhereWahrscheinlichkeit des Wechsels in Abstinenz o<strong>der</strong>Abstinenztherapie?(14) Welche Erwartungen und Ziele des Patienten und Arztesspielen eine Rolle? Neben <strong>der</strong> Untersuchung vonobjektiven Merkmalen soll geprüft werden, ob subjektiveVariablen wie Wertungen, Zielsetzungen und motivationsbezogeneAspekte für das Therapieergebniseine Rolle spielen und als (frühzeitige) Prädiktorengeeignet sind.Suchtmed 13 (5) 2011215


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ZIELE UND METHODIK(15) Replikation <strong>der</strong> Prädiktoren und Mo<strong>der</strong>atoren anexternen Datensätzen: Hierbei soll versucht werden,durch Zusammenarbeit mit externen nationalen undinternationalen Arbeitsgruppen, z.B. mit den Datendes Methadonarms aus <strong>der</strong> deutschen Studie zurheroingestützten Behandlung, eine Replikation undKreuzvalidierung <strong>der</strong> Ergebnisse unserer Vorhersagemodellezu erreichen. <strong>Die</strong>s erlaubt eine Einordnung<strong>der</strong> Studienergebnisse in ein Spektrum von nationalenund internationalen Ergebnissen mit z.T. optimalenBehandlungsbedingungen.<strong>Die</strong>se Fragestellungen werden mittels einer Kombinationvon einer (1) klinisch-epidemiologischen Studie zu zentralenParametern <strong>der</strong> Versorgungsstruktur (Arzt-, Einrichtungs-und Therapiemerkmale) auf <strong>der</strong> Basis repräsentativausgewählter, nach Einrichtungsgröße stratifizierterSubstitutionseinrichtungen (2003/4) und (2) einer prospektivenLängsschnittstudie mit repräsentativ ausgewähltenPatientInnen bearbeitet.• Grundlage sind die teilnehmenden Einrichtungen mitihren Patienten von <strong>der</strong> Baseline-Untersuchung• Alle Einrichtungen wurden zu je<strong>der</strong> Welle wie<strong>der</strong> aufgesuchtund durch den Einrichtungsbogen charakterisiert• Nicht alle Einrichtungen haben bei je<strong>der</strong> Welle teilgenommen(qualitätsneutrale Ausfälle von Patienten)• Wenn Patient nicht mehr beim ursprünglichen Substitutionsarzt,Suche nach neuem Wohn- und Behandlungsort(=Trackingbogen), Patienten mit neuem Substitutionsarztwurden berücksichtigt, wenn Aufenthaltsortunbekannt bis zu 12 Suchvorgänge (= Trackingbogen)• Wenn Patient verstorben (Mortalitätsbogen)• Alle aufgefundenen Patienten wurden standardisierterfasst– Standardisiertes Arztassessment– Patientenfragebogen– Standardisiertes Urin-Drogenscreening– Wenn abstinent o<strong>der</strong> in einer Abstinenztherapie(= Abstinenzassessment)– Wenn Frauen mit Kin<strong>der</strong>n: zusätzlich separatesFraueninterviewDabei wurden bis zu vier Messzeitpunkte genutzt: t 1(2004/5Baseline), t 2(2005/6 12-Monatsstatus) sowie t 3(2008/948-64-Monatsstatus) und t 4(2009 60-72-Monatsstatus) einschließlicheiner retrospektiven Verlaufserfassung zwischenden Messzeitpunkten. Bei den Messzeitpunkten t 1und t 2wurde auf die Daten und Ergebnisse <strong>der</strong> VorläuferstudieCOBRA zurückgegriffen, bezüglich des langfristigen Verlaufs(12-Monate+: t 3und t 4) auf die neue <strong>PREMOS</strong>-Studie.OutcomeindikatorenHaltequoteStabile SubstitutionInstabile SubstitutionRegelhaft beendetAbstinenzMortalitätMorbiditätPsychische BelastungSoziale IntegrationLebensqualitätBeigebrauchDefinition% Patienten in Substitution in Wochen seit BaselineKeine Unterbrechung (> 3 Wochen) in 12 Monaten (mit und ohne kritischen Beigebrauch)Unterbrechung (> 3 Wochen) in den letzten 12 MonatenArzt hat regelhaft beendet (Abdosierung, Abstinenz, Wechsel in substitutionsfreie Therapie)Keine Substitution, keine Opioidkonsum, mind. 3+ Monate (durch Urintest verifiziert und nach Arzt-/Patientenaussage)Seit t 1verstorbene PatientenVorliegen (ärztlich beurteilt ICD-10) psychischer (7) o<strong>der</strong> somatischer Erkrankungen (10), AddictionSeverity Index (ASI)Symptombelastung „Brief Symptom Inventory“ (BSI-Score)Addiction Severity Index (ASI), Verän<strong>der</strong>ungen in beruflichen, zwischenmenschlichen und beruflichenStatusmaßen (Selbst- und Fremdbeurteilung)EQ-5D Gesamtscore und Items (Arzt und Patientenbeurteilung)Illegale Drogen, Alkohol, Antidepressiva, Benzodiazepine (Arzt- und Patientenbeurteilung letzte 4Wochen und Urintest, differenziert nach Einzelsubstanz Gesamt (mit Alkohol und Cannabis) sowiekritischem Beigebrauch (ohne Alkohol und Cannabis)2 DESIGN UND METHODEN VON <strong>PREMOS</strong>Im Folgenden werden die wesentlichen designtechnischenHauptkomponenten des gesamten Studienprogramms beschrieben(➤ Abb. 1). <strong>Die</strong> Methoden und Ergebnisse vont 0, t 1und t 2wurden bereits publiziert und sind im Literaturverzeichnisunter "Projektbezogene Publikationen" zu finden.Auf <strong>der</strong> Grundlage umfangreicher Vorarbeiten(Wittchen, Apelt, Bühringer et al. 2005; Wittchen, Apelt& Mühlig 2005; Wittchen & Apelt 2006; Wittchen, Apelt,Soyka et al. 2006) wurde zur Beantwortung genannterFragestellungen ein Studienkonzept entwickelt, das eineweitgehend repräsentative, versorgungsrealitätsnahe,umfassende und naturalistische Beschreibung des langfristigenVerlaufs- und Outcomes substituierter PatientInnenund darauf aufbauend die differenzierte Herausarbeitung<strong>der</strong> Einflussfaktoren erlaubt.216 Suchtmed 13 (5) 2011


ZIELE UND METHODIK | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEDas Studienkonzept besteht in einer vertiefenden Fortführungeiner bereits 2003 begonnenen bundesweiten klinischepidemiologischenStudie zur Substitutionstherapie. <strong>Die</strong>seStudie wurde unter <strong>der</strong> Bezeichnung COBRA (Cost-Benefitand Risk Appraisal of Substitution Treatments) mitdem Ziel einer umfassenden empirischen, klinisch-differenziertenEvaluation <strong>der</strong> Substitution und Versorgungssituationvon 2003-2006 behandelten Substitutionspatientendurchgeführt: Dabei wurde initial ein Register aller Substitutionseinrichtungenin Deutschland erstellt und die Einrichtungen/Praxennach substitutionsbezogenen Merkmalenbeschrieben und klassifiziert (siehe Wittchen, Apelt,Bühringer et al. 2005; Wittchen, Apelt & Mühlig 2005).Zeitgleich wurde eine Zufallsstichprobe von 2694 Substitutionspatientenim Rahmen einer Baseline-Untersuchungumfassend standardisiert befragt, ärztlich untersucht unddokumentiert (Feldarbeitsbeginn 10/2004-2/2005; Fragebögen,Interview, Urintests: Baseline/Hauptstudie t 1).Unter dem Projekttitel AST (Allokationsprozesse in <strong>der</strong>Substitutionstherapie) wurden dann im Rahmen des BMBFSuchtforschungsverbunds ASAT 91% (N = 2.442) dieserStichprobe zunächst über einen 12-Monats-Zeitraum hinsichtlichVerlauf und Outcome weiterverfolgt und standardisierthinsichtlich ihres Therapieerfolgs beurteilt (siehe Wittchen& Apelt 2006; Wittchen, Apelt, Soyka et al. 2006;Feldarbeitsbeginn: 10/2005-3/2006: 12-Monats-Status, t 2).Auf <strong>der</strong> Grundlage dieser weltweit größten longitudinalenStudie dieser Art lag somit eine für die Jahre 2004-2005 aktuelle bundesweite, klinisch und versorgungsstrukturelldifferenzierte kritische Bestandsaufnahme <strong>der</strong> Substitutionsversorgungin Deutschland vor, die den Status quo<strong>der</strong> Versorgung, Problemlagen und die kurzzeitige Wirksamkeit(bis 12 Monate) abdeckte.<strong>Die</strong> 6- bis 7-JahresnachuntersuchungUm Aussagen zu den längerfristigen Effekten treffen zukönnen, wurde diese vorliegende Untersuchungs- und Ergebnisplattformzur Realisierung von zwei weiteren Untersuchungen(t 3und t 4) mit im Wesentlichen gleicher Untersuchungsmethodikgenutzt. Obwohl ursprünglich von einemNachuntersuchungsintervall von 3-4 Jahren für das zweiteFollow-up bzw. 4-5 Jahren für das dritte Follow-up ausgegangenwurde, ergab sich letztlich wegen <strong>der</strong> Verzögerungdes Studienbeginns sowie zwingenden logistischenErfor<strong>der</strong>nissen de facto ein Zeitintervall von 5-6 Jahren fürdie t 3-Untersuchung sowie von 6-7 Jahren für die t 4-Nachuntersuchung.Letztere wurde in Abstimmung mit demBMG und dem Projektträger nur für eine zufällig ausgewählteTeilgruppe von t 3-Patienten durchgeführt.Das gewählte Untersuchungsdesign ist für die Beantwortung<strong>der</strong> Fragestellungen optimal geeignet. <strong>Die</strong> typischenlogistischen Grundprobleme solcher Verlaufsstudien (z.B.hoher Aufwand bei Einrichtungs- und Patientenrekrutierung,Zustimmung, Standardisierung, Ausschöpfung) unddie damit verbundenen Durchführungsrisiken sind aufgrund<strong>der</strong> Vorarbeiten und vorbereitenden Schritte weitgehendzu vernachlässigen.<strong>Die</strong> Beantwortung <strong>der</strong> Fragestellungen auf <strong>der</strong> Grundlage<strong>der</strong> bestehenden Einrichtungs- und Patientenkohorte, zusammenmit <strong>der</strong> Durchführung zweier weiterer Followup-und Zusatzuntersuchungen, hat ferner eine Vielzahlvon evidenten Vorteilen (z.B. kostengünstig, langer Follow-Abb. 1:Übersicht über Erhebungszeitpunkteund eingesetzte Instrumentebei COBRA und <strong>PREMOS</strong>Suchtmed 13 (5) 2011217


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ZIELE UND METHODIKup-Zeitraum, Passung und klinische Relevanz, statistischePower, Aussagekraft aufgrund repräsentativer Stichprobe,geringes Risiko für Fehlschlag aufgrund Vorarbeiten).2.1 ERHEBUNGSINSTRUMENTE: VARIABLEN UNDKONSTRUKTEBei <strong>der</strong> Nachuntersuchung kamen im Wesentlichen diegleichen Untersuchungsverfahren (Interview, Fragebogen)wie bereits bei den Voruntersuchungen zum Einsatz (➤Tab. 1). Zusätzlich wird bei allen Erhebungen (t 1, t 2undt 3) bei allen verfügbaren Patienten ein standardisiertes Urinscreening(von Minden kits) unter Aufsicht durchgeführt.Dabei werden nahezu alle relevanten Substanzen (Opiate,Buprenorphin, Methadon, Benzodiazepine, Kokain,Cannabis, Amphetamine, Metamphetamine, Barbiturate,TCA) berücksichtigt. Es ist allerdings anzumerken, dasszu t 1und t 2noch kein Nachweis für Buprenorphin verfügbarwar, ferner wurden zu t 3und t 4zusätzlich Antidepressivaund Barbiturate einbezogen. In <strong>der</strong> Kalkulation desBeikonsums werden hinsichtlich <strong>der</strong> Opioide Buprenorphinmitgezählt, sodass hier bei nicht nichtverschriebenem Buprenorphingebrauchgegenüber t 1und t 2erhöhte Werte ausgewiesenwerden, die nicht als Zunahme zu interpretierensind. Verschriebene Medikamente werden im Urinnachweisnicht als Beikonsum gewertet.2.2 STICHPROBESiehe hierzu die zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> soziodemographischenMerkmale im Artikel ➤ <strong>Die</strong> soziale,klinische und therapeutische Situation von Substitutionspatienten:Der Status <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Patienten bei Studienbeginn(Baseline t 1).2.3 DURCHFÜHRUNGVorstudie (t 0) und EinrichtungsbogenJe<strong>der</strong> Untersuchungswelle ging eine Vorstudie in den beteiligtenEinrichtungen voraus. <strong>Die</strong> erste Vorstudie wurdeim Jahre 2003 an N = 379 repräsentativ ausgewähltenSubstitutionseinrichtungen mittels eines Vorstudienbogensdurchgeführt. Sie gibt Auskunft darüber, wie viele undwelche Arten von Substitutionseinrichtungen wie viele Opioidabhängigeerreichen und behandeln. Ziel war es auchzu ermitteln, wie und mit welchen Methoden wie vieleund welche Arten von PatientInnen und Problemlagen indiesen Einrichtungen versorgt werden. Anhand dieser Vorstudiewurde ein Stratifizierungsansatz für die Hauptstudieabgeleitet, um drei häufige Versorgertypen nach <strong>der</strong> Zahl<strong>der</strong> Substitutionsfälle differenziert beschreiben und prüfenzu können. In ähnlicher Weise wurden die einbezogenenEinrichtungen zu t 3bzw. zu t 4wie<strong>der</strong> untersucht (Interviewund Fragebogen) um einerseits etwaige Verän<strong>der</strong>ungen in<strong>der</strong> Einrichtung abzubilden und an<strong>der</strong>erseits neue Aufschlüssezu Fragen des Umgangs mit Beigebrauch, PSB sowiehinsichtlich <strong>der</strong> Abstinenzorientierung und Einrichtungsphilosophiezu gewinnen. <strong>Die</strong>se Merkmale werden z.T.als Prädiktoren in <strong>der</strong> Analyse verwendet (z.B. Verlaufund Outcome von Substitutionspatienten in Einrichtungenmit hoher vs. niedriger Abstinenzorientierung) verwendet(ausgewählte Merkmale <strong>der</strong> Einrichtungen siehe ➤Tab. A-1a bis e im Anhang (www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin).t 1: Baseline-Studie (Erhebungszeitraum: 10/2004 bis 2/2005)Basierend auf einer nach Einrichtungsart geschichtetenZufallsstichprobe von N = 223 Substitutionsärzten bzw.Substitutionseinrichtungen beteiligten sich 2.694 Patient-Innen (RR: 71,6%) aus diesen 223 Einrichtungen an <strong>der</strong>Baseline-Untersuchung (N = 2.013 Methadon, N = 662Buprenorphin, N = 19 Codein o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Substitutionsmittel).<strong>Die</strong> Ärztestichprobe wurde geschichtet, um eineausreichend hohe Zahl von Einrichtungen und <strong>der</strong>en Patientenvon kleinen Hausarztpraxen (n = 86), mittleren Einrichtungen(101) und großen Substitutionszentren (36) zuerhalten. <strong>Die</strong> Rücklaufrate aller aufgenommenen Patient-Innen lag bei 72%, am höchsten in kleinen Einrichtungen(83%), etwas niedriger in mittleren Einrichtungen und ingroßen Substitutionszentren (67-74%). Grundsätzlich wurdenalle opioidabhängigen SubstitutionspatientInnen aufgenommen,die mindestens 16 Jahre alt waren. Ausschlusskriterienwaren: akute medizinische Notfälle, massive kognitiveBeeinträchtigungen, keine Deutschkenntnisse (Fragebogen),kein informed consent. Das heißt, es liegen dieDaten von Substitutionspatienten mit unterschiedlicher Behandlungsdauerund unterschiedlicher Vorgeschichte vor.Es handelt sich also um eine Prävalenzstichprobe: EinigePatienten wurden erstmals substitutiert mit einer Substitutionsdauervon wenigen Monaten, an<strong>der</strong>e standen schonjahrelang in Behandlung und hatten unterschiedlich vieleVorbehandlungen.t 2: 12-Monats-Follow-up (Erhebungszeitraum: 10/2005 bis3/2006)Zum Zeitpunkt des ersten Follow-up 12 Monate nach <strong>der</strong>Baseline-Untersuchung konnte für N = 2.461 Patienten –dies entspricht 91% – <strong>der</strong> Verlauf und Ausgang dokumen-218 Suchtmed 13 (5) 2011


ZIELE UND METHODIK | <strong>PREMOS</strong>-STUDIETabelle 1: Untersuchte Konstrukte, Erhebungsinstrumente und Zeitpunkt des EinsatzesKonstrukte (Beispiele)Quelle: ArztQuelle:PatientUntersuchungszeitpunktt 0t 1t 2t 3 /t 4Biosoziale Daten- Alter, Geschlechtxx x- Größe, Gewicht, Ausbildungsstand, beruflicher Status, Familienstandx- Wohnsituation, sozialer Statusxx x x- Aktueller psychischer und körperlicher Gesundheitszustand des Patientenxx x xbeobachtetGenerische Lebensqualität (WHO EQ5) 1 undxx x x xMobilitäts- und Bewegungsindex (WHO QoL BREF) 6beobachtetSubjektive psychopathologische Symptome (Einschätzung durch Patienten) (BSI/DSQ) 2- Major Depression, Dysthymia Ratingxx x x- Dimensionaler Schweregrad aller Syndrome (BSI)xx x x- Ersterkrankungsalter – erste Episodexx x x- Anzahl <strong>der</strong> Episodenxx x xVorgeschichtlicher und aktueller Substanz-, Drogen- o<strong>der</strong> Medikamentengebrauch(CIDI. EuropASI. SOWS) 3- Gebrauch, Missbrauch und Abhängigkeit (ONS/REC –patient–)xxx x x- Inanspruchnahmeverhalten bezüglich vorhandener Beratungs- undBehandlungsmöglichkeitenxxx- Verlaufsbezogenes Assessment typischer Gebrauchsmuster(Reduzierung)xxx- Verlaufsbezogenes Assessment von Kernsyndromen (Rückzug)xxx- Substitution (Behandlungszeitraum, Dosierung, Abstinenz)xxx x xVerän<strong>der</strong>ungsbereitschaft (RCQ) 4 x x x xMedizinische und psychosoziale Unterstützung (PREDI) 5- Erwartungen und Zufriedenheit- Verläufe an<strong>der</strong>er Behandlungen (abstinenzorientierte Behandlung etc.)Soziales Umfeld (EuropASI) und kritische Lebensereignisse- Drogenszene, Drogenkonsum in <strong>der</strong> Familie, Verfügbarkeit, Zugangsmöglichkeiten- kritische Lebensereignisse (MEL)Soziale (einschließlich strafrechtliche) Probleme (gegenwärtig und in <strong>der</strong> Vorgeschichte)- allgemeine und drogenspezifische Situation- schwangere Patientinnen und Patientinnen mit Kin<strong>der</strong>nMultiaxiale Falleinschätzung (4-stufiges Rating – Arzt, 5-stufiges Rating – Patient)- somatische Morbidität, psychische Morbidität, psychosozialeFunktionsfähigkeit, selbstständiges WohnenBehandlungsziele des Arztes und Grad <strong>der</strong> Zielerreichung (4-stufiges Rating – Arzt)- Zielsetzung bezüglich <strong>der</strong> Substitution- Ablauftechnische und organisationsbezogene Zielsetzungen- verhaltensbezogene ZielsetzungenPrognostischer Ausblick (12 Monate; 4-stufiges Rating <strong>der</strong> Ärzte)- umfassende medizinische Prognose- Zielbereiche <strong>der</strong> Therapiexxxxxxxxx x xxxxxx x x x xCompliance-Probleme <strong>der</strong> Patienten und Gründe dafür (Rating) x x x x xIndizes: Kognitiv-behavioraler Risiko-Index, z.B.:- 6 Items zu Bereichen des Gesundheitsverhaltens- 3 Items krankheitsbezogener DistressHepatitis C, HIV und an<strong>der</strong>e infektiöse Zustände- Infektion- Therapiet 0: Vorstudie; t 1: Baseline; t 2: 12-Monats-Follow-up; t 3: 56-Monats-Follow-up, t 4: 69-Monats-Follow-up1(WHO EQ 5, Brooks et al. 2003) und WHOQOL-BREF, Murphy et al. 2000 2 (DSQ, Wittchen et al. 2001) 3 [(CIDI, Wittchen 1998) (EuropASI,Gsellhofer et al. 1999) (SODQ, Sutherland et al. 1986) (SOWS, Gossop 1990)]. 4 (RCQ, Carey et al. 1999) 5 (PREDI, Küfner et al. 2001) 1) 6 WHOQuality of Life-BREF (Murphy et al. 2000) 2)xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxSuchtmed 13 (5) 2011219


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ZIELE UND METHODIKtiert werden. Insgesamt 29 teilnehmende Ärzte gaben dieSubstitutionsbehandlung wegen verschiedener Gründe (zugroßer Aufwand, Nie<strong>der</strong>legung <strong>der</strong> Substitutionstätigkeit)zu irgendeinem Zeitpunkt <strong>der</strong> Studie auf, weshalb 233PatientInnen <strong>der</strong> Untersuchung verloren gingen. Insgesamtstarben 28 PatientInnen während des Untersuchungszeitraumst 1-t 2und 245 schieden aufgrund von Wohnortwechselo<strong>der</strong> längerer Inhaftierung aus. Insgesamt wurden 119PatientInnen durch die Ärzte aus disziplinarischen Gründenvon <strong>der</strong> Behandlung ausgeschlossen, meist wegen erheblichenBeigebrauchs von psychotropen Substanzen.Zwischen <strong>der</strong> Baseline-Untersuchung und dem t 1-Followupbeendeten N = 274 PatientInnen die Substitutionstherapieerfolgreich – entwe<strong>der</strong> weil sie nach Aussagen <strong>der</strong>behandelnden Einrichtungen "stabil abstinent" wurden(N = 100), o<strong>der</strong> weil sie zu einer drogenfreien psychosozialenTherapie (N = 174) überwiesen wurden. <strong>Die</strong> Informationenüber diese Gruppe wurden über die aufwändigeZwischenbefragung, die Ausfalldokumentation und Telefoninterviewsmit den behandelnden Ärzten erfasst.Insgesamt N = 1631 PatientInnen standen nach wie vor inSubstitutionstherapie und wurden mit dem gleichen aufwändigenProze<strong>der</strong>e wie bei <strong>der</strong> Baseline-Erhebung neuerlichdurch Befragungen, Patienten- und Arztbeurteilungensowie Urintests untersucht. Weitere 830 PatientInnen wurdenin an<strong>der</strong>en Settings bzw. nur durch proxy-Interviewsbeurteilt (t 1: 2.442, RR: 91%).t 3: 6-Jahres-Follow-up – Ausschöpfung (im Erhebungszeitraum:12/2007 bis 8/2009)<strong>Die</strong> Grundgesamtheit für die t 3-Nachuntersuchung in<strong>PREMOS</strong> besteht aus N = 2.284 eligiblen Patienten. <strong>Die</strong>sebilden für die meisten Auswertungsschritte die Grundgesamtheit.<strong>Die</strong> Zahl ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Alleursprünglichen Einrichtungen und Patienten (2.694 Patientenaus 223 Einrichtungen) <strong>der</strong> Baseline t 1-Erhebungwurden zunächst – wie ➤ Abb. 3 zeigt – in die <strong>PREMOS</strong>-Studie für die Planung <strong>der</strong> 3. und 4. Follow-up-Erhebungeinbezogen. Initial bei <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong> 3. Untersuchungswelleerklärten sich allerdings 45 Einrichtungen mitinsgesamt 471 Patienten nicht mehr zur Mitarbeit bereit(Gründe: Praxisaufgabe, Berentung, Überlastung), sodasszunächst kein Zugang zu den Zielpatienten möglich war.<strong>Die</strong>se Ausfälle sind als qualitätsneutrale (d.h. nicht studienbedingteo<strong>der</strong> systematisch verzerrende) Ausfälle zu werten,da es keine identifizierbaren Merkmale gibt, die nahelegenkönnten, dass diese Einrichtungen sich von den teilnehmendenEinrichtungen unterscheiden. Insgesamt 61dieser Patienten konnten im Studienverlauf allerdings trotzdemberücksichtigt werden, da sie entwe<strong>der</strong> in eine eligibleEinrichtung wechselten o<strong>der</strong>, im Falle von Praxisaufgaben,die neuen nachrückenden Substitutionsärzte für die Studiegewonnen werden konnten.Von diesen 2.284 (100%) Patienten konnten zum Zeitpunktt 3:• n = 1.493 (65,4%) protokollgerecht mit Interview, Patientenfragebögenund Urintest untersucht werden• n = 131 (5,7%) Patienten mit dem Mortalitätsassessment(131 bezieht sich auf alle Patienten, die im Zeitraumzwischen <strong>der</strong> Baseline und t 2Untersuchung verstorbensind) sowie• n = 470 (20,6%) Patienten, die zumindest grob bezüglich<strong>der</strong> primären Outcomes (Überleben, Substitutionsstatusetc) mittels eines proxy-Interviews beurteilt wurden• n = 190 (8,3%) Patienten konnten nicht erfolgreich kontaktiertund beurteilt werden.Wegen <strong>der</strong> großen Patientenzahlen konnten die Patientennicht exakt 6 Jahre nach t 1untersucht werden; daraus ergebensich leicht abweichende Beobachtungszeiträume von49-72 Monaten (➤ Abb. 2).Daraus ergibt sich im Hinblick auf die spätere Gesamtergebnisdarstellung,dass:• die primären Outcome-Ergebnisse für die 1.624 protokollgerechtuntersuchten sowie die 470 mittels proxy-Interview untersuchten (also insgesamt 2094) Patientendargestellt werden können. <strong>Die</strong>s entspricht einerAusschöpfung von 91,7% bezogen auf die 2.284 eligiblent 3-Patienten.• <strong>Die</strong> sekundären und weiteren Outcome-Ergebnisse liegenvollständig nur für die Probanden vor, die zumZeitpunkt t 3noch lebten und für die ein vollständigesAssessment realisiert wurde. <strong>Die</strong>s betraf 1.493 Probanden(abzüglich 470 proxy-Interviews und 131 Mortalitätsassessments).Darüber hinaus wurden ausgewählte Fragestellungen anausgewählten Teilgruppen dieser Patienten und speziellenUntersuchungskohorten bearbeitet. Hierzu gehören unteran<strong>der</strong>em:• die Ergebnisse <strong>der</strong> N = 289 Patienten aus <strong>der</strong> t 4-Followup-Kohorte,mit <strong>der</strong> die Stabilität <strong>der</strong> t 3-Befunde überprüftwerden.• die Befunde zu den 131 zwischen Baseline und t 3verstorbenenPatienten bzw. den 137 Patienten, die zusätzlichim Intervall t 3-t 4verstorben sind.• die getrennte Analyse nach Geschlecht für die 524 bzw.487 nachuntersuchten weiblichen Patienten220 Suchtmed 13 (5) 2011


ZIELE UND METHODIK | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEAbb. 2:<strong>PREMOS</strong> Untersuchungszeiträume• sowie die Befunde in <strong>der</strong> Zusatzuntersuchung bei 156Substitutionspatienten mit Kin<strong>der</strong>n.Wie ➤ Abb. 3 zeigt, konnten insgesamt 660 von 2.284Patienten zu t 3nicht protokollgerecht beurteilt werden.Für 470 von 660 konnten allerdings zumindest über proxyInterviews Informationen über den Verlauf gesammeltwerden. So lagen für diese Fälle die Informationen vor,ob <strong>der</strong> Patient substituiert war – bzw. auch wenn er nichtmehr in Substitution bei dem ursprünglichen Arzt stand –wann dies das letzte Mal stattfand, wie sein Zustand (Drogenkonsum,Lebenssituation, soziale Integration etc.) war,wo er <strong>der</strong>zeit behandelt wird bzw. ob er vermeintlich abstinentist.In diese Beurteilungen fließen bis zu 6 verschiedene Informationsquellenein, die durch detektivische Kleinarbeitvon unseren Interviewern gewonnen werden konnten. <strong>Die</strong>sesehr umfangreiche und vergleichsweise differenzierte Beurteilungkann natürlich nicht zwangsläufig als t 3-Outcomegewertet werden, da hier keine umfassenden standardisiertenDaten (z.B. Fragebögen etc.) vorlagen. Aus diesemGrund wurde darauf verzichtet, diese Gruppe als vollnachuntersucht auszuweisen. An<strong>der</strong>erseits validieren dieseErkenntnisse die primären Outcome-Ergebnisse, da sichdie Untersicherheitsmarge z.B. bei Mortalität und Substitutionerheblich reduziert. Würden diese Fälle als nachuntersuchtgewertet werden, so würde sich die Ausschöpfungvon 1.624 auf 2.042 von 2.284 erhöhen; dies entsprichteiner Ausschöpfung von 91,7%.t 4: 6-7-Jahres-Follow-up-Erhebungszeitraum: 7/2009 bis 2/2010<strong>Die</strong> t 4-Untersuchungspatienten wurden auf <strong>der</strong> Grundlagealler t 3-Patienten mit vollständigen Informationen durchgeführt.<strong>Die</strong>s sollte helfen abzuschätzen, ob sich die Verlaufstendenzenund Befunde im weiteren Jahresverlauf weitgehendbestätigen lassen. Es wurden per Zufall 35% <strong>der</strong>t 3-Stichprobe gezogen (n = 400). Insgesamt 11 <strong>der</strong> Einrichtungenwaren nicht bereit die zusätzliche neue Welle durchzuführen,sodass 82 Patienten verloren wurden (es verbleibtalso eine eligible t 4-Größe von n = 318). Von diesen 318Patienten waren 6 Patienten seit <strong>der</strong> t 3-Untersuchung verstorben(2,1%), 221 konnten protokollgerecht wie bei t 3untersucht werden und für 62 konnten wie<strong>der</strong>um nur dieprimären Outcomekriterien über "proxies" bestimmt werden.<strong>Die</strong> cRR beträgt 90,9%.Vorbereitung <strong>der</strong> Erhebung und Feldarbeit<strong>Die</strong> Nachuntersuchung wurde in erster Linie über die behandelndenSubstitutionsärzte in den kooperierenden Einrichtungenorganisiert. Allerdings war es wegen <strong>der</strong> Überlastung<strong>der</strong> Praxen erfor<strong>der</strong>lich, bei t 3und t 4das Projektpersonalverstärkt direkt zur Unterstützung <strong>der</strong> Erhebungsarbeitin die Praxen zu entsenden. Von t 1und t 2abweichendwurden die Einrichtungsbögen primär per Interview durchdas Projektpersonal erhoben, die Mehrzahl <strong>der</strong> Patientenbögenin Verbindung mit <strong>der</strong> Einholung des Informed Consentwurde ebenso durch unser Personal vorgegeben. Alleteilnehmenden Einrichtungen füllten zunächst neuerlichden Einrichtungsfragebogen aus, um Verän<strong>der</strong>ungen inPersonalstruktur und Arbeitsweise, aber auch in Zielenund Rahmenbedingungen abzubilden bzw. in Hinblick aufSuchtmed 13 (5) 2011221


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ZIELE UND METHODIKAbb. 3: Consort Statement <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie222 Suchtmed 13 (5) 2011


ZIELE UND METHODIK | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEden Zeitraum zwischen t 2und t 3zu aktualisieren. Zeitgleichwurden durch die Feldarbeitsabteilung unseres Institutszusammen mit dem Studienkoordinator die Studienmaterialienin den Zentren verteilt und soweit erfor<strong>der</strong>lichdie Mitarbeiter geschult.2.4 WEITERE STUDIENKOMPONENTENSituation substituierter FrauenUm die speziellen Aspekte von heroinabhängigen Frauenin Substitution sowie geson<strong>der</strong>t die Situation von Frauenmit Kin<strong>der</strong>n adäquat zu berücksichtigen, wurden zum einenneue frauenspezifische Fragen in das Assessment-Programmaufgenommen. Insgesamt enthält die t 3-Stichprobe524 von 1.624 Frauen (Anteil: 32,3%), von denen 292zumindest ein Kind haben.Zum an<strong>der</strong>en wurde mit Unterstützung <strong>der</strong> Beirätin ProfessorGabriele Fischer ein spezielles Fraueninterview entwickelt,dass vor allem auf die Situation von Frauen in<strong>der</strong> Prä-, Peri- und Postpartalzeit sowie <strong>der</strong> Adoleszenz<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> abzielt. <strong>Die</strong>ses Interview wurde mit n = 289Frauen zusätzlich durchgeführt. <strong>Die</strong> Ergebnisse werdengeson<strong>der</strong>t dargestellt.Mortalität<strong>Die</strong> Todesursachen wurden zu t 3differenzierter und umfassen<strong>der</strong>als in den vorausgehenden Wellen dokumentiert.Neben dem Mortalitätskontext (z.B. innerhalb und außerhalb<strong>der</strong> Substitution) wurden alle möglichen Ursachenauch nach <strong>der</strong> eingeschätzten Sicherheit durch das Interviewunter Berücksichtigung aller Informationsquellen unddem Zeitpunkt erfasst und ausgewertet. Dabei wurden alleTodesfälle – auch die Todesfälle zwischen t 1und t 2– neuerlichbeurteilt, um eine einheitliche Beurteilungsgrundlagezu erhalten. Zu berücksichtigen ist, dass neben den zwischent 1und t 3dokumentierten 131 Fällen 6 weitere Patientenim Zeitintervall von t 3zu t 4verstorben sind. Deshalbwerden für die Darstellung <strong>der</strong> t 3-Ergebnisse nur die 131Fälle berücksichtigt, während für Mortalitätsanalysen insgesamtalle 137 Fälle berücksichtigt werden. Es kanndavon ausgegangen werden, dass für alle eligiblen Patienten(n = 2.284) verlässlich zu t 3gesagt werden kann, obsie noch leben o<strong>der</strong> nicht.Patientenfluss – TrackingbogenDer Verlaufs- und Trackingbogen dokumentiert für allePatienten, die nicht mehr bei ihren ursprünglichen Substitutionsärztenin Behandlung waren, den Verlauf nachEnde <strong>der</strong> Substitution. <strong>Die</strong> Interviewer erhielten die Aufgabe,eine diesbezügliche Aufklärung für möglichst alle Patientenzu erreichen und, soweit datenschutzrechtlich möglich,alle Informationsquellen zu kontaktieren. Patienten,die jedoch zu t 3wie<strong>der</strong> bei ihrem ursprünglichen Substitutionsarztin Behandlung waren, werden nicht auf demTrackingbogen dokumentiert. Für jede "Station" im Verlaufwurde im Rahmen des Suchprozesses ein eigenerTrackingbogen angelegt, sodass für viele Patienten mehrals ein (61% <strong>der</strong> Patienten), für manche mehrere (bis zu8) Trackingbögen vorliegen. In die Outcome-Beurteilungfließen die letzten aktuellen und interpretationsfähigen Informationenein. Es ist ferner zu berücksichtigen, dass fürmanche Patienten, die initial mit einem Trackingbogenverfolgt wurden, am Ende <strong>der</strong> t 3-Erhebung wie<strong>der</strong> eineneuerliche Substitution eingeleitet wurde. Dabei gelanges auch in 104 Fällen neue, bisher nicht <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie zugehörige Ärzte für die Studie zu gewinnen, sodassletztlich vollständige Daten erhoben werden konnten.Der Trackingbogen wurde auch verwendet, um dieStabilität <strong>der</strong> Substitution bzw. die Stabilität <strong>der</strong> Abstinenzüber die subjektiven Aussagen des Patienten (Patientenfragebogen)bzw. den Urintest o<strong>der</strong> die Arztangaben hinauszu verifizieren.Dosiersystemanalyse (MeDoSys)<strong>Die</strong> Prüfung <strong>der</strong> Zusammenhänge von Dosierung mit Beikonsum,Abbruch und Therapieerfolg ist in <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie auf die querschnittliche Betrachtung beschränkt.Eine tagesgenaue längsschnittliche Charakterisierung desDosierungsschemas wird über Daten des MeDoSys Systemserfolgen. Zum heutigen Zeitpunkt liegen die Dosierungsverläufevon ca. 1.000 an diesem System teilnehmendenPatienten vor, die überwiegend mit Methadon undBuprenorphin substitutiert werden. <strong>Die</strong> Verwendung <strong>der</strong>anonymisierten Daten wurde – mit Einverständnis <strong>der</strong> Einrichtungen– über die Firma CompWare Medical GmbHermöglicht. <strong>Die</strong> Aufbereitung <strong>der</strong> Daten für zeitbezogeneAnalysen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.Analysen werden nach Patientencharakteristika(Alter, Geschlecht etc.), Substitutionsmittel, Dauer <strong>der</strong> Behandlungsowie nach Einrichtungsmerkmalen durchgeführt.<strong>Die</strong>se Ergebnisse werden geson<strong>der</strong>t berichtet und sind aufGutachterwunsch nicht Gegenstand dieses Berichts.2.5 STATISTISCHE AUSWERTUNG<strong>Die</strong> schrittweise gesammelten Daten wurden nach Kontrolleund Editierung in die Datenbank eingefügt. <strong>Die</strong> Datenaller Wellen wurden aufwändigen Plausibilitätskontrollenunterzogen. Bei unvollständigen Daten bzw. missing va-Suchtmed 13 (5) 2011223


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ZIELE UND METHODIKlues wurden die Daten über Einsatz von statistischenModellierungen ersetzt, sodass sich die Ergebnisse, sofernnicht an<strong>der</strong>s ausgewiesen, auf die 1.624 bzw. 2.284 teilnehmendenPersonen <strong>der</strong> Grundgesamtheit beziehen. DasVerfahren <strong>der</strong> Multiplen Imputation (van Buuren, Boshuzien,& Knook 1999) wurde zur Schätzung <strong>der</strong> unvollständigenDaten zur t 1und t 3Erhebung eingesetzt. <strong>Die</strong> zu imputierendenMerkmale wurden in ansteigen<strong>der</strong> Reihenfolgenach ihrem Anteil von Fehlwerten geordnet und die Fehlwertemittels Regressionen geschätzt. SoziodemografischeMerkmale (Alter, Bildung, Berufsstatus), <strong>der</strong> Substitutionsstatus,das aktuelle Substitutionsmittel, die Dauer <strong>der</strong> aktuellenSubstitution und <strong>der</strong> ASI-Wert dienten als Prädiktoreneines Fehlwertes. Zusätzlich wurden die Werte <strong>der</strong> Vorerhebungals Prädiktoren eingesetzt in Abhängigkeit <strong>der</strong> zuimputierenden Variablen.Designtechnische Effekte wurden durch Gewichtungen <strong>der</strong>Daten verrechnet. Bei den statistischen Analysen kamennach Prüfung <strong>der</strong> Voraussetzungen entsprechende deskriptiv-analytischeVerfahren zur Anwendung (Häufigkeitenetc.). <strong>Die</strong> grafische Aufbereitung <strong>der</strong> dimensionalen Datenerfolgte mit sogenannten Kerndichteschätzern (Silverman1992). Ein Kerndichteschätzer wird oft als geglättetesHistogramm bezeichnet, <strong>der</strong> Schätzer stellt die Verteilungeines Merkmales grafisch dar. RegressionsanalytischeVerfahren wurden nach dem spezifischen Ansatz je nachTyp und Skalenniveau <strong>der</strong> abhängigen Variablen gewählt(als Übersicht zu statistischen Verfahren für longitudinaleDaten siehe Singer & Willett 2003): Für zeitabhängigeVariablen wurden Survival-Analyse und Cox-Regressioneingesetzt, wobei sowohl Modelle mit zeitabhängigen wiezeitunabhängigen Kovariaten berücksichtigt wurden. Fürdichotome und polytome abhängige Variablen wurden logistischeRegression und multinomiale Logit-Modelle eingesetzt.<strong>Die</strong> Anzahl diskreter Ereignisse (z.B. Anzahl <strong>der</strong>Rückfälle) wurden über Poisson-Regressionen modelliert.Intervallskalierte Variablen wurden mit Hilfe von multiplerlinearer Regression analysiert. Neben diesen Standardverfahrenkam eine Anzahl von Spezialverfahren zumEinsatz:• <strong>Die</strong> Charakteristika <strong>der</strong> Stellen wurden mit Hilfe vonHierarchischen Linearen Verfahren (HLM) in die Analysenmit einbezogen (Raudenbush & Bryk 2002). Mo<strong>der</strong>nestatistische Software erlaubt die Anwendung solcherVerfahren für alle <strong>der</strong> oben genannten Regressionsanalysen(z.B. HLM 6; siehe Raudenbush et al. 2004).• <strong>Die</strong> Bildung von empirisch basierten Typologisierungenvon Patienten und PatientInnen erfolgte mittels latenterKlassenanalyse (Hagenaars & McCutcheon 2002).Programme wie M-Plus erlauben die simultane Auswertung<strong>der</strong> oben genannten Regressionstechniken mitden entsprechenden Gruppen von Respon<strong>der</strong>n als kategorischeabhängige Variablen (Muthen & Muthen2005-2006).• Spezielle Verfahren zu multiplen Follow-ups wurdenebenfalls mit M-Plus modelliert, wobei simultane Gleichungssystemezur Anwendung kamen (für die zugrundeliegenden Formeln und Annahmen: Rehm et al. 1992).• Weiterhin wurden Latent-Growth-Modelle eingesetzt(Singer & Willett 2003), um individuelle Verläufe darzustellen,die ebenfalls mit Hilfe von M-Plus modelliertwurden (Muthen & Muthen 2005-2006).2.6 ETHISCHE ASPEKTE<strong>Die</strong> Studie wurde <strong>der</strong> Ethikkommission <strong>der</strong> MedizinischenFakultät <strong>der</strong> TUD vorgelegt und ohne Auflagen bewilligt(21.4.2004, EK 15022004). <strong>Die</strong> Einverständniserklärungen<strong>der</strong> Einrichtungen und Patienten liegen vor. <strong>Die</strong> Durchführungvon <strong>PREMOS</strong> basiert auf den aktuellen ICH-GCP(Good Clinical Practice)-Guidelines, die auf <strong>der</strong> Deklarationvon Helsinki fußen. <strong>Die</strong>s beinhaltet die Betreuung in<strong>der</strong> Studienphase sowie volle Information und Aufklärung<strong>der</strong> Teilnehmer über die Risiken <strong>der</strong> Studie und die Datenverwendung.2.7 ANMERKUNGEN ZUM PROJEKTABLAUFObwohl punktgenau die übergeordneten Feldphasen abgeschlossenwerden konnten, war <strong>der</strong> Ablauf des Projektswesentlich komplikationsreicher als erwartet. <strong>Die</strong>s ist <strong>der</strong>Komplexität des logistischen Ablaufs in Verbindung mit<strong>der</strong> untersuchten äußerst schwierigen Patientenpopulationsowie <strong>der</strong> logistischen Steuerung mit den Einrichtungengeschuldet. Es war z.T. nicht möglich, die geplanten Arbeitsschrittein <strong>der</strong> vorgesehenen Weise zeitgenau zu realisieren.Abweichend vom beantragten Proze<strong>der</strong>e sind vorallem folgende Beson<strong>der</strong>heiten zu beachten:1. Es wurde deutlich, dass die Erhebungsarbeit in <strong>der</strong> überwiegendenMehrzahl <strong>der</strong> Einrichtungen persönlicheAssessments erfor<strong>der</strong>te, bei <strong>der</strong> unsere Mitarbeiter dieEinrichtungen auf allen Ebenen aktiv bei <strong>der</strong> Vervollständigung<strong>der</strong> Arztassessments, <strong>der</strong> Durchführung vonPatientenerhebungen, sowie gelegentlich auch bei <strong>der</strong>sachgerechten und qualitätsgesicherten Durchführung<strong>der</strong> Urinscreenings unterstützten.2. <strong>Die</strong> Einrichtungsbögen wurden bei <strong>der</strong> Mehrzahl alsInterview durchgeführt, um einheitliche Beurteilungsstandardssicherzustellen.3. <strong>Die</strong> unerwartet hohe Anzahl von Behandler- und Ortswechselnmachte einen vielfach höheren Suchaufwandunserer Mitarbeiter erfor<strong>der</strong>lich (Trackingbögen), umüber Kontakte mit Behandlern, Einrichtungen, Freun-224 Suchtmed 13 (5) 2011


ZIELE UND METHODIK | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEden und Familienmitglie<strong>der</strong>n belastbare Informationenzu sammeln.4. Durch diese Belastungen wurden vielfache Personalwechselund ein wie<strong>der</strong>holt großer Nachschulungsaufwanddes Personals notwendig, da viele Mitarbeiterden fortdauernden Arbeitsdruck nicht tolerierten.2.8 STÄRKEN UND GRENZEN DES UNTERSUCHUNGS-ANSATZESUm sicherzustellen, dass die Ergebnisse nicht durch selektiveAusfälle verzerrt sind, wurden in einer Reihe von systematischenVergleichen während des Auswertungsproze<strong>der</strong>esumfangreiche Prüfungen vorgenommen, inwieweit sichPatienten, die nicht eingeschlossen o<strong>der</strong> vollständig untersuchtwurden, von den Untersuchten unterscheiden. <strong>Die</strong>seAnalysen finden sich in den Tabellen im Anhang (www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin). Obwohl insgesamtkeine interpretierbaren generellen Hinweise für solcheVerzerrungen gefunden wurden, wird vereinzelt – soweitnotwendig – auf die Relevanz solcher möglichen Effekteverwiesen.Insgesamt ist hervorzuheben, dass ein überaus befriedigendesAusschöpfungsergebnis erreicht wurde. Zudem liegenhinreichend große Gruppen für gezielte Teilanalysenvor (z.B. Frauen, Substitutionsmittel, Einrichtungsformen);dies liefert eine gute Ausgangsbasis für eine detaillierteVerlaufsbeschreibung. <strong>Die</strong> folgende Aufstellung gibt eineÜbersicht zu Vorteilen und Grenzen <strong>der</strong> Stichprobenziehungsowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen.Angesichts <strong>der</strong> Studienanlage und befriedigenden Ausschöpfungkönnen die <strong>PREMOS</strong>-Ergebnisse – mit den üblichenstudienspezifischen allgemeinen Einschränkungen– als repräsentativ für die Patienten angesehen werden,die zu Studienbeginn im Jahre 2004 in einer Substitutionseinrichtungin Behandlung waren. Es ist also zu beachten,dass es sich um eine Prävalenzstichprobe handelt, d.h.,alle Patienten wurden bereits vor Aufnahme in die Studiesubstituiert und das über Zeiträume von mindestens einigenMonaten bis zu mehreren Jahren. Eine Darstellung<strong>der</strong> gesundheitlichen und sozialen Lage <strong>der</strong> Patienten vorAufnahme ihrer ersten Substitution ist nicht vorhanden.Dementsprechend können keine Aussagen bezüglich folgen<strong>der</strong>Aspekte getroffen werden:• über Erkenntnisse zu erstmalig begonnenen Substitutionsbehandlungen,• über den Effekt einer Substitutionsbehandlung gegenübernicht substituierten Patienten sowie• über die Verän<strong>der</strong>ungen, die einzelne Patienten gegenüberihrem Zustand vor Aufnahme in die Substitutionerfahren haben.• Des Weiteren liegen keine adäquaten absoluten undrelativen Referenzwerte unserer Substitutionspatientenvor. Ist z.B. ein reduziertes, aber nach wie vor bemerkenswertesAusmaß an komorbiden Störungen bei Patientenim Einzelfall als positives o<strong>der</strong> ein negativesVerlaufs- und Outcomedatum zu werten? Obwohl versuchtwurde, sinnvolle Referenzdaten aus an<strong>der</strong>en chronischenKrankheitsgruppen zu finden (Diabetes mellitus,Schizophrenie etc.), erwies sich dies aus verschiedenenGründen als wenig sinnvoll.Es ist somit davor zu warnen, die folgenden Befunde direktmit Ergebnissen randomisierter klinischer Untersuchungenzu vergleichen o<strong>der</strong> die in solchen Studien beobachtbarenEffektgrößen zur Abschätzung heranzuziehen. AllePatienten <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie waren zur Baselinemessungbereits behandelt und es kann gut begründet angenommenwerden, dass die etwaigen Verbesserungen bereits vor<strong>der</strong> Baseline eingetreten waren. Somit geht es primär umdas Halten des Patienten, die Sicherung des Erreichten,StärkenGrenzen• Bundesrepräsentativ für Versorgungssituation 2003-2010• Aussagen über die Gesamtpopulation aller Substituierter• Klinisch differenzierte Erkenntnisse zum langfristigen(5-7 Jahre) Verlauf• Differenzierte Verlaufsuntersuchung durchVerän<strong>der</strong>ungsanalysen (t 1, t 2, t 3, t 4)• Große Stichprobe, gute statistische Power• Verschiedene Subgruppen• Möglichkeiten <strong>der</strong> vollständigen Modellschätzung durchLOCF-Methode (Last Observation Carried Forward) etc.• Berücksichtigung von Clustereffekten (Einrichtung, Region,Substitutionsmittel)• Stichprobenziehung 2003; d.h. nur eingeschränkt repräsentativ fürgegenwärtigen Zeitpunkt; Aussagen sind zwangsläufig auf dieVersorgungssituation 2003-2009 bezogen• Heterogenität <strong>der</strong> Stichprobe• Bei Baseline wurden „alte“ wie auch „neue“ (erstmalig)Substituierte berücksichtigt• Keine Selektionskriterien (leichte wie auch schwere,multimorbide, alle Mittel)• Substituierte in allen Stadien <strong>der</strong> Therapie• Restunsicherheit – punktuelle Einschränkungen durch nichtuntersuchte Patienten• Aussagen über die Effektivität einzelner Verfahren nicht möglich• Keine kontrollierte randomisierte Studie• Indikation von Verfahren abhängig von Therapie- und Verlaufsstadiumdes PatientenSuchtmed 13 (5) 2011225


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ZIELE UND METHODIKum weitere Stabilisierung und um die Frage, wie gut imweiteren Verlauf auftretende Krisen bewältigt wurden.<strong>Die</strong> Ergebnisübersicht glie<strong>der</strong>t sich in vier Teile, die entsprechendFragestellung und Untersuchungsdesign aufgebautsind:A. Zunächst wird <strong>der</strong> Status <strong>der</strong> Patienten bei Studienbeginn(t 1) präsentiert, welcher einen Überblick undein Hintergrundverständnis über die untersuchten Patientenhinsichtlich ihrer soziodemographischen, klinischenund sozialen Situation zum Zeitpunkt Baseline,also bei Studieneinschluss geben soll. Dabei werdendie Kernbefunde zugunsten <strong>der</strong> besseren Lesbarkeit inAbbildungsform dargestellt, während detaillierte Tabellenim Anhang (www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin)zu finden sind. <strong>Die</strong> Anhangstabellen enthalten darüberhinaus Daten, die eine Beurteilung erlauben, inwieweitdie nachuntersuchte Stichprobe von 1.624 Probandensystematische Verzerrungen durch selektiveAusfälle aufweist.B. Anschließend wird <strong>der</strong> Status <strong>der</strong> Patienten nach 6 Jahren(t 3) hinsichtlich <strong>der</strong> primären und wichtigsten sekundärenOutcomevariablen dargestellt. Damit werdendie Fragestellungen 1 (Beschreibung von Verlaufund Outcome), 2 (Zuordnung <strong>der</strong> Patienten zu den Outcomegruppen)sowie 3 (Wechselprozesse) beantwortet.C. Darüber hinaus werden die Ergebnisse zu spezifischenAspekten inhaltlicher Art (z.B. Interventionen und PSB,siehe Fragestellungen 7, 11, 12, 13, 14), die wichtigstenSubgruppenbefunde (z.B. Unterschiede zwischenFrauen und Männern, Patienten mit hohem Schweregrad,Verstorbene, Abstinente; siehe Fragestellungen:4 und 5) sowie die Ergebnisse <strong>der</strong> Prädiktoranalysenverdeutlicht.Des Weiteren wird darauf verwiesen, dass einige vertiefendeFragestellungen (z.B. 6, 8 und 15) noch nicht differenziertin die Ergebnisdarstellung A-C eingeflossen sind.Sie werden – da sie weitergehende statistische Modellierungsschrittesowie den Einbezug qualitativer Datenauswertungenerfor<strong>der</strong>n – zu einem späteren Zeitpunkt (z.B.bei <strong>der</strong> abschließenden Einarbeitung <strong>der</strong> Stellungnahmen<strong>der</strong> Fachverbände) in geson<strong>der</strong>ten Publikationen berücksichtigt.Auswertungsgrundlage sind – sofern nicht an<strong>der</strong>s ausgewiesen– N = 1.624 aus 2.284 für die Untersuchung eligiblenPatienten, für die protokollgerecht <strong>der</strong> Verlauf ermitteltwerden konnte. Zur Vereinfachung wird im Textvon einem 6-jährigen Verlaufszeitraum gesprochen, obwohl<strong>der</strong> Abstand zur Basisuntersuchung zwischen 48 und67+ Monaten variiert. <strong>Die</strong>se 1624 schließen auch die mitdem Mortalitätsfragebogen charakterisierten 131 verstorbenenPatienten ein; deshalb werden dimensionale Verän<strong>der</strong>ungsanalysennur für die verbliebenen 1.493 Patientendargestellt.Literatur ist im Gesamtliteraturverzeichnis ausgewiesen,S. 296.226 Suchtmed 13 (5) 2011


<strong>PREMOS</strong>-PATIENTEN B. STUDIENBEGINN | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE<strong>Die</strong> soziale, klinische und therapeutische Situation von Substitutionspatienten:Der Status <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Patienten bei Studienbeginn(Baseline t 1)Hans-Ulrich Wittchen 1 , Gerhard Bühringer 1,2 , Jürgen T. Rehm 1,3 , Michael Soyka 4,5 , Anna Trä<strong>der</strong> 1 ,Sebastian Trautmann 11Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden2Institut für Therapieforschung (IFT), München3Centre for Addiction and Mental Health, Toronto (Canada)4Psychiatrische Klinik, Universität München5Privatklinik Meiringen, MeiringenKorrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische UniversitätDresden, Chemnitzer Str. 46, D-01187 Dresden, Email: wittchen@psychologie.tu-dresden.deZusammenfassungDer Beitrag beschreibt die sozialen, klinischen und therapeutischen Merkmalevon Substitutionspatienten in Deutschland und damit zugleich dieAusgangsdaten <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong> Patienten bei Studieneinschluss. Bei Baselineberichteten die Patienten einen mittleren Opioidgebrauch von 15,4 Jahrenund eine Substitutionsbehandlung vor Studieneinschluss von im Mittel5,8 Jahren. Es zeigte sich ein mittlerer o<strong>der</strong> erheblicher Suchtschweregradbei 40% sowie ein breites Spektrum von Problemlagen sozialer (u.a.19% ohne Schulabschluss, 53% arbeitslos) und psychologischer Art auf(84% hohe psychopathologische Symptombelastung, 38% Depressionen,22% schwer beeinträchtigt in <strong>der</strong> Lebensqualität). 32% waren körperlichmultimorbid erkrankt (HCV, pulmonal, HIV/AIDS), 38% zeigten klinischbedeutsamen Beikonsum ohne Einbezug von Cannabis, für 24% ergab sichkonkomitanter Opioidgebrauch. In Übereinstimmung mit dieser ausgeprägtenLeidens- und Morbiditätslage verfolgten die behandelndenSubstitutionsärzte vor allem Interventionsziele, die die Motivation <strong>der</strong>Patienten zur Fortsetzung <strong>der</strong> Substitution, soziale Stabilisierung sowiedie Reduktion und Prävention von konkomitantem Drogenkonsum, psychischerund somatischer Morbidität und kriminellem Verhalten in denMittelpunkt stellten. Lediglich die Thematik "Abstinenz" wurde als untergeordnetund nur für eine Min<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> Patienten als realistischesTherapieziel bewertet. Psychosoziale Begleitung erfolgte mindestenszweimal pro Woche für nahezu alle Patienten. Jeweils 8% befanden sichgleichzeitig in Behandlung bei Psychiatern bzw. Psychotherapeuten. Fernerergaben diese Grunddaten lediglich eine geringfügig längere aktuelleSubstitutionsepisode von Patienten in <strong>der</strong> Auswertungsstichprobe(n = 1624) im Vergleich zur Ausgangstichprobe <strong>der</strong> 2284 Patienten, sodassmit hoher Wahrscheinlichkeit keine systematischen Selektionseffektevorliegen.Schlagwörter: Substitution, Opiatabhängigkeit, psychische Komorbidität,somatische Komorbidität, TherapiezieleAbstractThe Social, Clinical and Treatment Situation of Opioid MaintenanceTreatment in a Prevalence Sample of Patients at BaselineThe paper describes the social, clinical, and treatment characteristics ofsubstitution patients in Germany and provides at the same time thebaseline data of the <strong>PREMOS</strong> patients at the time of their inclusion. Atbaseline patients reported a mean of 15.4 years of opioid use and aprevious maintenance treatment of 5.8 years in average. 40% were ratedas having a mo<strong>der</strong>ate to severe addiction severity in the AddictionSeverity Index. There was a wide range of social (i.e. 19% without anyschooling level, 53% unemployed) and psychological problems (84%high general psychopathological severity, 38% depressions, 22%seriously affected in quality of life) in this sample. 32% suffered fromsomatic multimorbidity (HCV, pulmonary, HIV/AIDS), 38% consi<strong>der</strong>ableconcomitant substance use excluding cannabis, 24% had a concomitantopioid use. In accordance to this pronounced suffering and morbiditysituation the treatment goals of substituting physicians were particularlymotivation of patients for continuing maintenance treatment, stabilisingsocial, somatic and mental health as well as reducing and preventingconcomitant substance use and criminal acts. Abstinence was rated tobe a realistic therapy goal for only a minority of patients. Psychosocialcare was provided at least twice a week for nearly all of the patients. 8%received additional treatment by psychotherapists and psychiatrists.Basic data yielded a current maintenance episode of participants in theanalysed sample (n = 1.624) which was only a few longer than in the totaleligible sample of 2.284 patients. Therefore systematic selection biasescan be excluded most likely.Keywords: Opioid maintenance treatment, opioid dependence, mentaldisor<strong>der</strong>s, somatic comorbidity, treatment goals<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie * wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführtund aus diesen Mitteln finanziert. Es erfolgte eine Prüfung durch die Ethikkommission<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden (EK313122007) sowie die Registrierung <strong>der</strong> Studie beim National Institute for Health (NIH)in Washington D.C. (NCT-ID: NCT00673647).Mitarbeiter des <strong>PREMOS</strong>-Projektes sind: Prof. Dr. H.-U. Wittchen, Dipl.-Psych. A. Trä<strong>der</strong>,Dipl.-Psych. S. Trautmann, Dipl.-Psych. K. Mark, Dipl.-Psych. K. Langer, Dipl.-Psych. C. Wolf(Dresden), Prof. Dr. G. Bühringer (Dresden/München), PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg), Prof. Dr. M. Schäfer (Essen),Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer (Wien),Prof. N. Scherbaum (Essen).*Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und OutcomeSuchtmed 13 (5) 227 2011 – 231 (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg227


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | <strong>PREMOS</strong>-PATIENTEN B. STUDIENBEGINN1 EINLEITUNG<strong>Die</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> Baseline-Untersuchung wurden bereitsausführlicher in mehreren Publikationen im Rahmen desVorläuferprojektes <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie publiziert unddiskutiert, sodass in diesem Beitrag nur eine kurze Zusammenfassung<strong>der</strong> Ergebnisse präsentiert wird (Wittchen etal 2005a, b; Wittchen 2006; Wittchen et al. 2008). Dabeiwird ein Schwerpunkt auf die Frage gelegt, ob sich in <strong>der</strong>Verlaufsauswertungsstichprobe Hinweise für systematischeVerzerrungen gegenüber <strong>der</strong> Baseline-Ausgangsstichprobeergeben.2 ERGEBNISSE2.1 SOZIODEMOGRAPHISCHE MERKMALE<strong>Die</strong> nachuntersuchte <strong>PREMOS</strong>-Stichprobe <strong>der</strong> 1624 Patientensetzt sich zusammen aus 1.100 Männern und 524 Frauenmit einem mittleren Alter von 35 Jahren bei Studieneinschluss(bzw. 41 Jahren zum Zeitpunkt <strong>der</strong> t 3-Durchführung6 Jahre nach Baseline). 30,3% fallen in die Altersgruppe18-30, 42,6% in die Gruppe 31-40 Jahre und 27,2%sind älter als 41 Jahre alt. Der schulische Ausbildungsstandist mit im Mittel 10 Schuljahren unterdurchschnittlichgegenüber <strong>der</strong> Allgemeinbevölkerung: 74,5% besuchtenweniger als 10 Jahre die Schule, 19% haben keinen Schulabschluss,20,4% einen Realschul- und lediglich 5,6% einengymnasialen Abschluss. Der Anteil Arbeitsloser ist deutlicherhöht (53,1%), <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> in einem BeschäftigungsverhältnisStehenden mit 23% erniedrigt.54,8% aller Patienten waren alleinstehend, 12,1% verheiratet,20% geschieden und 13,1% lebten getrennt. In Übereinstimmungmit dieser Familienstandssituation lebten43% allein in eigener Wohnung, 5,5% in einer Wohngemeinschaft.Der Anteil <strong>der</strong> mit einem Partner Lebendenbetrug 30,4%, in <strong>der</strong> Herkunftsfamilie lebten 17,5%. Wohnungsloso<strong>der</strong> in geschützten o<strong>der</strong> betreuten Wohnsituationenwaren 3,6% <strong>der</strong> Patienten. 40,7% <strong>der</strong> Patientenhatten eigene Kin<strong>der</strong>, 23,4% eines, 11,8% zwei, und 5,5%drei und mehr eigene Kin<strong>der</strong>.➤ Tab. A1 im Anhang (www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin) informiert über die Patientencharakteristik<strong>der</strong> 1.624 Patienten, prüft auf statistisch signifikante Unterschiedegegenüber <strong>der</strong> Ausgangsstichprobe aller 2.284Patienten, vergleicht die Charakteristik <strong>der</strong> Männer mitdenen <strong>der</strong> Frauen und testet Geschlechtsunterschiede aufSignifikanz.Gibt es systematische Verzerrungen durch nicht untersuchtePatienten?Sowohl im Vergleich zu <strong>der</strong> Baseline-Ausgangsstichprobevon 2.694 wie auch im Vergleich zu den 660 nicht protokollgerechtUntersuchten weist die nachuntersuchte <strong>PREMOS</strong>-Stichprobe keine erkennbaren signifikanten Unterschiedeo<strong>der</strong> Hinweise für Verzerrungen durch selektive Ausfälle auf.Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen SubstitutionspatientenEs ergab sich eine Reihe von signifikanten Unterschiedenin den soziodemographischen Merkmalen, die z.T. aufeine etwas bessere soziale Integration <strong>der</strong> weiblichen Substituiertenschließen lassen. Frauen waren etwas jünger(M: 35,7, F: 34,3, p < .001) und gehörten häufiger <strong>der</strong>jüngsten Altersgruppe von 18 bis 30 an (M: 28,6, F: 33,8%,p < .009). Sie hatten bei gleichem Anteil von Patientenohne Schulabschluss im Vergleich zu Männern einen höherenschulischen Ausbildungsstand (p < .000) mit höherenAnteilen von Real- (24,1% vs. 18,6%) und Gymnasialabschlüssen(7,7% vs. 4,6%). Frauen waren weniger häufigarbeitslos (42,5% vs. 58,2%), häufiger verheiratet(13,2% vs. 11.6%), waren aber zugleich auch häufigergeschieden/getrennt lebend o<strong>der</strong> verwitwet (28,7% vs.15,9%, p < .000). Frauen lebten häufiger in gemeinsamerWohnung mit ihrem Partner (36,8% vs. 27,3%), aber deutlichseltener in ihrer Herkunftsfamilie (9,8% vs. 21,1%).Insgesamt 50,7% <strong>der</strong> Frauen (M: 36,0%) hatten Kin<strong>der</strong>.2.2 SCHWEREGRAD UND SUCHTERKRANKUNGS- UNDTHERAPIEMERKMALE<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Stichprobe setzt sich ausnahmslos aus langjährigopioidabhängigen Patienten zusammen. Charakteristischist, dass sich die Substitutionsbehandlungen über vieleJahre hinweg erstrecken und die überwiegende Mehrzahlzumeist mehrfache Substitutionsbehandlungsepisoden aufweisen.Einrichtung und Medikation: Wie ➤ Tab. A2 im Anhang(www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin) (siehe auch ➤ Tab.A1 einschließlich <strong>der</strong> Daten in <strong>der</strong> Ausgangsstichprobesowie Geschlechtsunterschiede) zeigt, waren zur Baseline33% <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Stichprobe in kleinen, 48,3% mittelgroßenEinrichtungen und 18,7% in großen Substitutionszentrenin Behandlung. Methadon/Levomethadon war zumZeitpunkt <strong>der</strong> Baselinemessung die häufigste Substitutionsmedikation(75,4%), gefolgt von Buprenorphin (24%).Vorgeschichte: <strong>Die</strong> durchschnittliche Dauer des Opioidgebrauchsin <strong>der</strong> Vorgeschichte betrug im Mittel 15,4 Jahre.Nur 7% hatten eine Gebrauchszeit von weniger als 5 Jah-228 Suchtmed 13 (5) 2011


<strong>PREMOS</strong>-PATIENTEN B. STUDIENBEGINN | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEren, 25,3% gaben mehr als 20 Jahre an. <strong>Die</strong> erste Substitutionsbehandlungliegt im Mittel 5,8 Jahre zurück, bei20% weniger als ein Jahr, bei 22,1% mehr als 9 Jahre.Für 28,6% <strong>der</strong> Patienten war die Baseline-Substitution dieerste Behandlungsepisode mit Substitution, 12,8% hattenvier bis mehr Vorbehandlungsepisoden. Im Mittel hattendie <strong>PREMOS</strong>-Patienten 2,3 vorangehende Substitutionsbehandlungen.<strong>Die</strong> bei <strong>der</strong> Baseline laufende Substitutiondauerte kontinuierlich im Mittel 18,9 Monate an, bei 57,2%weniger als ein Jahr, bei 21,6% mehr als 25 Monate.Schweregrad: Der interventionsbezogene Schweregrad <strong>der</strong>Erkrankung, gemessen mit dem mehrdimensionalen AddictionSeverity Index (ASI), ergibt für die überwiegende Mehrzahl(61,1%) einen in <strong>der</strong> Substitution zur Baseline beurteiltenleichten Schweregrad. 32,5% werden als mittelschwereingestuft und 6,4% <strong>der</strong> höchsten Schweregradstufe zugeordnet.Schwergradig auffällige ASI-Domain-Werte ergabensich für Arbeits- und Unterhaltssituation (40,1%),Familie und Sozialbeziehungen (34,1%) sowie psychischerStatus (28%). 35,1% waren in keinem Bereich schwergradigauffällig, 14,4% in 4 o<strong>der</strong> mehr <strong>der</strong> 7 Problembereichendes ASI (➤ Tab. A4 im Anhang (www.ecomedmedizin.de/suchtmedizin)für eine differenzierte Darstellung<strong>der</strong> ASI-Werte).Konkomitanter Drogengebrauch: Bei diesen Angaben istzu berücksichtigen, dass die Urintest-Ergebnisse sich aufden zum Untersuchungszeitpunkt ermittelten Befund beziehen,die Angaben <strong>der</strong> Patienten und Ärzte sich jedoch aufdie 4 Wochen vor <strong>der</strong> Untersuchung beziehen. Praktischbedeutet dies, dass die Arzt- und Patientenangaben zwangsläufig– perfekte Gültigkeit unterstellt – immer größer alsdie Urintestbefunde sein müssten. Als Hauptbezug ziehtdieser Bericht die vali<strong>der</strong>en Urinbefunde heran. Zwischen<strong>der</strong> Ausgangs- und <strong>der</strong> Untersuchungsstichprobe ergebensich keinerlei signifikante Unterschiede.In <strong>der</strong> Untersuchungsstichprobe <strong>der</strong> 1.624 Patienten zeigtsich zur Baseline bei geringfügig abweichenden Angabenvon Arzt, Patient und Urintest, dass nach dem Urinscreening(➤ Tab. A3 im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin):• 21,4% <strong>der</strong> Patienten neben dem Substitut weitere Opioideillegal konsumierten, wobei <strong>der</strong> nicht verschriebeneGebrauch von Methadon bei Buprenophin-Substituiertenkeine Rolle spielt (1,3%). (Anmerkung: Buprenorphin-Nachweisfür t 1war noch nicht verfügbar!)• Klinisch bedeutsamer Beikonsum (ohne Cannabis) liegtinsgesamt bei 38,0% vor, wobei neben an<strong>der</strong>en Opioiden(z.B. Heroin) Benzodiazepine (22,5%), Kokain (8,3%)und Codein (4,2%) am häufigsten genannt werden.• Unter Einbezug von Cannabis waren 59,5% <strong>der</strong> Screeningspositiv.<strong>Die</strong>se Angaben stimmen recht gut mit den Angaben desPatienten zu den letzten 4 Wochen überein (Kappa: .42)weichen aber z.T. deutlich von den Arztangaben ab, dietendenziell bei Opioiden, Cannabis und Benzodiazepinenniedriger ausfallen. Bei den Angaben zu Benzodiazepinenist hinsichtlich des Urintests nicht auszuschließen, dasseinige Ärzte übersehen haben, dass nur die nicht verschriebenenBenzodiazepine zu werten sind.Generische Lebensqualität: Hinsichtlich <strong>der</strong> generischenLebensqualität wurden 26,8% in <strong>der</strong> Selbstbeurteilung <strong>der</strong>Patienten als <strong>der</strong>zeit unauffällig gesund (EQ-5D Wert: 0,75o<strong>der</strong> höher) und 21,8% als schwer beeinträchtigt (< 0,6)eingestuft. <strong>Die</strong> Beeinträchtigung ergab sich nahezu ausnahmslosdurch ungünstige Werte hinsichtlich gesundheitlicherBeschwerden und Schmerzen sowie psychischer Problemeaus dem Angst- und Depressionsspektrum (➤ Tab.A4 im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin).Gibt es systematische Verzerrungen durch nicht untersuchtePatienten?Sowohl im Vergleich zur Baseline-Ausgangsstichprobe wieauch im Vergleich zu den 660 nicht-protokollgerecht Untersuchtenweist die <strong>PREMOS</strong>-Stichprobe mit einer Ausnahmekeine erkennbaren o<strong>der</strong> signifikanten Unterschiedebzw. Hinweise für Verzerrungen in den dargestelltenVariablenbereichen durch selektive Ausfälle auf. <strong>Die</strong> Ausnahmebetrifft die etwas höhere Dauer <strong>der</strong> aktuellen Substitutionunter den teilnehmenden Patienten (18,9 Monatevs. 17,1 Monate, p < .009).Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen SubstitutionspatientenEs ergibt sich eine Vielzahl bedeutsamer Unterschiede zwischenmännlichen und weiblichen Substitutionspatienten;diese werden geson<strong>der</strong>t in Abschnitt 3.8. diskutiert.2.3 KOMORBIDITÄT UND PSYCHOPATHOLOGISCHEBELASTUNGOpioidabhängigkeit ist definitionsgemäß eine schweremultimorbide Störung mit chronischem Verlauf und erfor<strong>der</strong>tbei <strong>der</strong> Interpretation keine gesunden Personen alsReferenz, son<strong>der</strong>n solche mit vergleichbar schwerwiegen<strong>der</strong>chronischer Erkrankung. Konsistent mit <strong>der</strong> Definitionvon Opioidabhängigkeit sowie den oben dargestelltenASI-Befunden für somatische und psychische Beeinträchtigungenist die überwiegende Mehrzahl <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Patienten – trotz ihrer bereits monate- o<strong>der</strong> jahrelangenSubstitutionstherapie – durch ausgeprägte Multimorbiditätcharakterisiert. Lediglich 23% haben keine schwerwiegen-Suchtmed 13 (5) 2011229


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | <strong>PREMOS</strong>-PATIENTEN B. STUDIENBEGINNde körperliche und nur 35,4% keine schwerwiegende psychischeErkrankung nach Beurteilung des Arztes.Insgesamt 32% <strong>der</strong> Stichprobe sind als körperlich multimorbidzu klassifizieren. <strong>Die</strong> häufigste Erkrankung ist einezumeist chronische HCV-Infektion (67,7%), gefolgt vonpulmonalen Erkrankungen (9,8%), HIV/AIDS (7,6%) undkardiovaskulären Erkrankungen (5,8%). 17,2% <strong>der</strong> Patientensind zudem psychisch multimorbid erkrankt (2+ Störungennach ICD-10 F) und nach <strong>der</strong> aktuellen dimensionalenpsychopathologischen Charakteristik (Brief SymptomInventory, BSI) sind 83,9% aller Patienten durch einehohe psychopathologische Symptombelastung gekennzeichnet.Unter den psychischen Störungen sind nach ArzturteilDepressionen (38,4%), Persönlichkeitsstörungen(20,2%), Angststörungen (16,9%) und Schlafstörungen(13,5%) die häufigsten Einzeldiagnosen (➤Tab. A5 imAnhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin).Gibt es systematische Verzerrungen durch nicht untersuchtePatienten?Sowohl im Vergleich zu <strong>der</strong> Baseline-Ausgangsstichprobewie auch im Vergleich zu den 660 nicht-protokollgerechtUntersuchten weist die <strong>PREMOS</strong>-Stichprobe auch hierkeine erkennbaren o<strong>der</strong> signifikanten Unterschiede bzw.Hinweise für Verzerrungen durch selektive Ausfälle auf.2.4 BEHANDLUNGSZIELE UND INANSPRUCHNAHMEInterventionsziele: Konsistent mit den allgemeinen undkomplexen Therapiezielen einer Substitutionsbehandlungsowie dem eingeschränkten Gesundheitszustand geben diebehandelnden Einrichtungen ein breites Spektrum vonInterventionszielen für die Zukunft an.Zur Baseline berichteten die substituierenden Ärzte nahezuausnahmslos bei jedem Patienten über ein breites Spektrumvon Zielen, die sie in den nächsten 6 Monaten mithoher Priorität verfolgen wollten. Dabei stand Folgendesim Vor<strong>der</strong>grund bei nahezu allen (> 90%) Ärzten: die Motivation<strong>der</strong> Patienten für die Fortsetzung <strong>der</strong> Substitutionauszubauen, die soziale Stabilisierung sowie die Reduktionund Prävention konkomitanten Drogenkonsums, <strong>der</strong>psychischen und somatischen Morbidität und des kriminellenVerhaltens. Deutlich geringere Priorität hatten dieTherapieziele "Freiheit von jeglichem Opioid und Substitut"(Abstinenz: 52,7%), die Steigerung <strong>der</strong> Motivationfür eine substitutionsfreie Abstinenztherapie (58,6%) sowieAbstinenz von allen illegalen Drogen (68,9%).Weitere Interventionen und PSB: Für nahezu alle Patientenwerden zumeist mehrfache psychosoziale Interventionenim Sinne <strong>der</strong> PSB angegeben. Bei 75,9% findet dieseinnerhalb <strong>der</strong> Substitutionseinrichtung und Drogenberatungsstellen(60,9%) statt, bei 12,8% in Zusammenarbeitmit Psychotherapeuten und in 11,1% mit an<strong>der</strong>en Beratungsstellen.Zusätzlich wird bei 14,4% die Einbeziehungvon Sozialdiensten unterschiedlicher Art angegeben. <strong>Die</strong>Häufigkeit und Frequenz von PSB-Maßnahmen ist mitmindestens zweimal pro Woche bemerkenswert hoch. 8,3%sind zugleich auch in Behandlung bei Psychiatern, weitere7,9% bei Psychotherapeuten. <strong>Die</strong> Anzahl an Arztbesucheninnerhalb <strong>der</strong> letzten 12 Monate ist im Vergleich zuralters- und geschlechtsgematchten Allgemeinbevölkerung(4,2) mit im Mittel 9,2 Besuchen deutlich erhöht.(➤Tab. A6 im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin). Zu beachten ist, dass die PSB nicht dauerhafterfolgte, son<strong>der</strong>n hauptsächlich in Krisenzeiten zumEinsatz kam.3 DISKUSSIONZusammenfassend konnte gezeigt werden, dass sich durchdie Studienmethodik und studienbedingte Ausfälle von Patientenkeine Hinweise auf eine inhaltlich relevante Verzerrung<strong>der</strong> Ergebnisse durch systematische und selektive Ausfällefinden lassen. <strong>Die</strong> Ergebnisse von <strong>PREMOS</strong>, die sichin erster Linie auf 1.624 Patienten mit vollständigen Datensätzeneinschließlich Todesfälle bzw. Teilgruppen davonbeziehen können also insgesamt als eine aussagekräftigeGrundlage für die Gesamtgruppe aller ursprünglich 2.694eingeschlossenen Patienten gewertet werden. Durchaus bestehende,geringfügige und teilweise statistisch signifikanteUnterschiede zwischen Frauen und Männern werden imFolgenden nicht diskutiert, da sie inhaltlich und klinischwenig relevant (vgl. zur ausführlichen Auswertung Abschnitt8.6.) in Bezug auf die Fragestellungen erscheinen.Zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses stellte sich die<strong>PREMOS</strong>-Untersuchungsstichprobe wie folgt dar: DasDurchschnittsalter lag bei 35,3 Jahren, n = 524 (32,3%)sind Frauen, <strong>der</strong> Anteil 18- bis 30-Jähriger betrug 30,3%und <strong>der</strong> über 40-Jährigen 27,2%. <strong>Die</strong> Dauer des Schulbesuchslag bei 10,0 Jahren. 19% hatten keinen Abschluss,41,4% einen Hauptschulabschluss, 26% einen Realschulo<strong>der</strong>Gymnasialabschluss (Männer: 23,2%, Frauen 31,8%).23,0% waren berufstätig und 53,1% arbeitslos (Männer:58,2%, Frauen: 42,5%). Ledig waren 54,8% (bei etwagleichem Alter; Männer: 60,3%, Frauen 43,1%), getrenntlebend/geschieden/verwitwet 20% (Männer 15,9%, Frauen28,7%). 59,3% hatten keine Kin<strong>der</strong> (Männer: 64,1%,Frauen: 49,3%), 2 o<strong>der</strong> mehr Kin<strong>der</strong> hatten 17,3%. Nur3,7% hatten keinen festen Wohnsitz o<strong>der</strong> lebten in Einrichtungen.17,5% lebten noch bei den Eltern o<strong>der</strong> Familienangehörigen,43% lebten allein und 30,4% mit einem Lebenspartnerin eigener Wohnung.230 Suchtmed 13 (5) 2011


<strong>PREMOS</strong>-PATIENTEN B. STUDIENBEGINN | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEEs muss berücksichtigt werden, dass sich diese Merkmalewie auch die folgenden auf eine Prävalenzstichprobe Substituierterbeziehen. Das heißt, alle Patienten standen bereitsbei Einschluss zum Teil jahrelang in Therapie, sodass dieseCharakteristika nicht als Merkmale <strong>der</strong> Patienten bei Aufnahmeeiner Substitutionstherapie fehlinterpretiert werdendürfen. Es ist davon auszugehen, dass erstbehandelte Substitutionspatientengravierend schlechtere bzw. ungünstigereMerkmale aufweisen.Störungsmerkmale <strong>der</strong> Patienten bei Baseline (Studieneinschluss):<strong>Die</strong> eingeschlossenen <strong>PREMOS</strong>-Patienten sindlangjährig (überwiegend länger als 10 Jahre) opioidabhängig,und mehrheitlich bereits seit mehr als 4 Jahren ineiner Substitutionsbehandlung. Sie sind nahezu ausnahmslosals chronisch multimorbid Schwerstkranke mit einemhohen Ausmaß an körperlicher und psychischer Komorbiditätzu beschreiben. Bei Studieneinschluss betrug die Dauerdes vorangegangenen Opioidgebrauchs sowie <strong>der</strong> Abhängigkeitim Durchschnitt 15,4 Jahren, bei 25,3% sogar über20 Jahre.• Alle Patienten standen zu Studieneinschluss im Rahmen<strong>der</strong> Baseline-Untersuchung bereits seit mindestens2 Monaten in Substitution. Der Zeitabstand zwischenBeginn <strong>der</strong> Opioidabhängigkeit und erster Substitutionstherapiebetrug mindestens 6 Jahre, im Mittel 11,2Jahre.• Für 28,6% aller Patienten war die Behandlung zu Studieneinschlussdie erste Substitutionstherapie, für 41,1%die zweite und für 30,2% die dritte, vierte o<strong>der</strong> fünfteSubstitutionsepisode. <strong>Die</strong> erste Substitutionstherapie lagim Durchschnitt 5,8 Jahre zurück, bei 22,1% über 9Jahre (Männer: 21%, Frauen 24,4%). <strong>Die</strong> Dauer <strong>der</strong>aktuellen Substitution bei Baseline betrug 18,9 Monate;57,2% <strong>der</strong> Patienten waren aktuell weniger als 11Monate substituiert und 21,6% mehr als 25 Monate.Zum Studieneinschluss nach im Mittel 19 Monaten Substitutionstherapiewurden zu Baseline 61,1% <strong>der</strong> Patientennach dem Addiction Severity Index (ASI) als insgesamtleichtgradig, 32,5% als mittelschwer und 6,4% als extremschwer suchtkrank beurteilt (Anteil mittel o<strong>der</strong> extrembeurteilter Männer: 41,5%, Frauen: 33,5%). Bei dieserEinstufung ist zu berücksichtigen, dass die Patienten zumeistbereits Jahre in Behandlung waren, sodass die Wertenicht den Anfangszustand bei Beginn <strong>der</strong> Behandlungwie<strong>der</strong>geben. Trotz <strong>der</strong> überwiegend langen Substitutionsvorbehandlungwurde bei Baseline ein bemerkenswerterkonkomitanter Substanzgebrauch festgestellt; je nach Informationsquelle(Urinscreening, Arzt o<strong>der</strong> Patient) lag dieserbei guter Übereinstimmung von Patientenangabe undUrinscreening zum Beispiel für Heroin bei 20-25%, fürnicht verschriebenen Methadonkonsum bei 1-10%, für Kokainbei 8-13% und für Cannabis bei 27-47%.<strong>Die</strong> somatische Morbidität in <strong>der</strong> Stichprobe war bei Baselineinsgesamt 4-fach im Vergleich zur deutschen altersundgeschlechtsgematchten Durchschnittsbevölkerung erhöht(Bundesgesundheitssurvey 1998): 77% hatten eineo<strong>der</strong> mehrere schwerwiegende körperliche Erkrankungen,32,1% sind als körperlich multimorbid zu klassifizieren.An erster Stelle standen chronische HCV-Infektionen bei67,7% <strong>der</strong> Fälle sowie Erkrankungen aus dem pulmonalenund kardiovaskulären Formenkreis. Der Anteil HIV/AIDS-Erkrankter betrug 7,6%. 41,3% <strong>der</strong> Stichprobe wiesenein Fehlgewicht auf, davon 10,4% Adipositas und30,9% Unter- o<strong>der</strong> Übergewicht. <strong>Die</strong> psychische Morbiditätwar mit 64,6% ebenfalls sehr hoch (zweifache Erhöhunggegenüber <strong>der</strong> deutschen alters- und geschlechtsgematchtenDurchschnittsbevölkerung), 30% sind psychischmultimorbid erkrankt (zwei o<strong>der</strong> mehr Störungen nachICD-10 F), im Vor<strong>der</strong>grund standen Depressionen (38,4%),Persönlichkeitsstörungen (20,2%) und Angststörungen(16,9%). Das hohe Ausmaß <strong>der</strong> psychopathologischen Belastungspiegelt sich auch in dem vom Patienten beurteiltenBrief Symptom Inventory (BSI) wie<strong>der</strong>, wo 83,8% allerPatienten auffällig erhöhte Werte angaben. <strong>Die</strong> Einschätzung<strong>der</strong> generischen Lebensqualität (EQ-5D) ergab für73,3% eine merkliche Min<strong>der</strong>ung, bei 21,8% <strong>der</strong> Patientensogar eine gravierend erniedrigte Lebensqualität imVergleich zur standardisierten deutschen Durchschnittsbevölkerung.Literatur ist im Gesamtliteraturverzeichnis ausgewiesen,S. 296.Suchtmed 13 (5) 2011231


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNGDer Verlauf und Ausgang von Substitutionspatienten unter denaktuellen Bedingungen <strong>der</strong> deutschen Substitutionsversorgungnach 6 JahrenHans-Ulrich Wittchen 1 , Gerhard Bühringer 1,2 , Jürgen T. Rehm 1,3 , Michael Soyka 4,5 , Anna Trä<strong>der</strong> 1 ,Kathleen Mark 1 , Sebastian Trautmann 11Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden2Institut für Therapieforschung (IFT), München3Centre for Addiction and Mental Health, Toronto (Canada)4Psychiatrische Klinik, Universität München5Privatklinik Meiringen, MeiringenKorrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische UniversitätDresden, Chemnitzer Str. 46, D-01187 Dresden, Email: wittchen@psychologie.tu-dresden.deZusammenfassungBei überaus befriedigen<strong>der</strong> Ausschöpfung wurde <strong>der</strong> 6-Jahres-Verlauffür 1.624 opiat-substituierte Patienten vollständig und umfassend, fürweitere 470 zumindest hinsichtlich des primären Verlaufs und Outcomesbeurteilt; darüber hinaus wurden Informationen für 131 verstorbenePatienten dokumentiert. Nach 6 Jahren (t 3) zeigte sich bei denprimären Outcomes, dass noch 70% <strong>der</strong> Ausgangsstichprobe in Substitutionstanden (Haltequote), 47% in temporär stabiler Substitution. 8%hatten die Behandlung regelhaft beendet bzw. waren temporär abstinent,davon die Hälfte (4%) gesichert stabil abstinent (> 6 Monate). Konservativliegt damit <strong>der</strong> Anteil positiver, günstiger Verläufe bei 55%. Verstorbenwaren 8% aller t 1-Patienten (standardisierte jährliche Mortalitätsrate1%), 13% hatten einen instabilen Substitutionsverlauf, 3% warenzumeist langfristig inhaftiert o<strong>der</strong> in stationärer medizinischer Behandlung.Zusammen mit verlaufsunklaren Patienten ohne Substitution undsolchen mit Behandlungsabbrüchen können maximal 30% als ungünstigeVerläufe klassifiziert werden. Insgesamt zeigt sich im Langzeitverlaufeine hohe Outcomevariabilität (z.B. Unterbrechungen, Abdosierung,Abstinenzphasen). Bezüglich sekundärer Outcomes wurden relativ niedrigeOpioid- (< 12%) und illegale Beigebrauchsraten (20-30%) festgestellt;dagegen unverän<strong>der</strong>t hohe bzw. nur leicht positiv (gegenüber t 1und t 2) verän<strong>der</strong>te somatische und psychiatrische Morbidität, aber deutlichgebesserte soziale Integration und geringe Kriminalitätsraten(< 9%). Es ergeben sich Hinweise für gehäufte ungünstige Verläufe (z.B.instabile Substitution, Abbruch, Mortalität) bei Einrichtungen mit einerhohen Abstinenzorientierung.Schlagwörter: Substitution, Haltequote, Mortalität, LangzeitverlaufAbstractThe 6-Years Course and Outcome of Opioid Maintenance Treatmentof 1.624 Patients in the German Substitution SystemThe six-year long-term course and outcome was assessed for 1.624patients in opiate maintenance treatment in Germany and a further 470patients regarding at least primary course and outcome. Additionallyinformation of 131 deceased patients was documented. After 6 years (t 3)primary outcome reveals that 70% patients of the total sample was stillin opioid maintenance treatment (retention rate), 47% of these in"temporary stable" substitution. 8% became abstinent according tophysician ratings, of which 4% were verified as stable abstinence (> 6months). Overall 55% were rated as having a favorable outcome. 8% ofthe patients were deceased (standardised mortality rate 1%), 13% didan instable course, 3% were mostly long-term arrested or treated as inpatientsbecause of their addiction or somatic reasons. In combinationwith patients who dropped out of maintenance or showing an unclearcourse about 30% can be classified as unfavorable courses. Overall, longtermcourse shows high variability of outcomes (e.g. interruptions, phasesof abstinence). Regarding secondary outcomes, relative low concomitantopioid (< 12%) and illegal substance use rates (20-30%) were found. Onlyfew consistent positive changes were observed with regard to highsomatic and mental morbidity rates. In contrast social integration wasmuch improved including overall lower criminality rate (< 9%). Thereare indications for increased risk of unfavorable courses (e.g. instablemaintenance, termination of treatment, mortality) in substitutionsettings characterised by a high abstinence orientation.Keywords: Opioid maintenance treatment, retention rate, mortality,long-term course<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie * wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführtund aus diesen Mitteln finanziert. Es erfolgte eine Prüfung durch die Ethikkommission<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden (EK313122007) sowie die Registrierung <strong>der</strong> Studie beim National Institute for Health (NIH)in Washington D.C. (NCT-ID: NCT00673647).Mitarbeiter des <strong>PREMOS</strong>-Projektes sind: Prof. Dr. H.-U. Wittchen, Dipl.-Psych. A. Trä<strong>der</strong>,Dipl.-Psych. S. Trautmann, Dipl.-Psych. K. Mark, Dipl.-Psych. K. Langer, Dipl.-Psych. C. Wolf(Dresden), Prof. Dr. G. Bühringer (Dresden/München), PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg), Prof. Dr. M. Schäfer (Essen),Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer (Wien),Prof. N. Scherbaum (Essen).*Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und Outcome232 Suchtmed 13 Suchtmed (5) 232 – 13 246 (5) (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg


VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNG | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE1 EINLEITUNG<strong>Die</strong> kurz- und mittelfristige (6- bis 12-monatige) Wirksamkeiteiner Substitutionstherapie Opioidabhängiger wurdein <strong>der</strong> Vergangenheit ebenso wie ihre Kosteneffektivitätvielfach und eindrucksvoll nachgewiesen. <strong>Die</strong> Erkenntnislagezu den Effekten <strong>der</strong> langfristigen Substitutionstherapie(über Jahre) bleibt demgegenüber bisher immer noch lückenhaftund vor allem unter Berücksichtigung <strong>der</strong> aktuellenBehandlungsoptionen unklar. <strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studiehatte das übergeordnete Ziel, den langfristigen Verlaufopioidgestützter Substitutionstherapien zu beschreiben unddamit Grundlagen für eine zielgruppenspezifische undbedarfsgerechte Optimierung <strong>der</strong> Versorgung zu schaffen.Damit wurde in vielerlei Hinsicht wissenschaftliches Neulandbetreten, da <strong>der</strong>artige Langzeitstudien an repräsentativenStichproben von Patienten unter den aktuellen Versorgungsbedingungenund Behandlungsoptionen bislangfehlten.Auf <strong>der</strong> Grundlage einer bundesweit repräsentativen Auswahlvon Substitutionspatienten wurde in einer vielschichtigenprospektiv-longitudinalen klinisch-epidemiologischenStudie <strong>der</strong> klinische, psychopathologische, soziale undsubstanzbezogene Verlauf und Outcome von mehr als 2.000Patienten und Patientinnen aus über 200 Einrichtungenüber sechs Jahre untersucht und beschrieben und <strong>der</strong> Versuchunternommen, anhand von Indikatoren die Patientenzwei wesentlichen Outcomegruppen zuzuordnen:1. Patienten mit einer langfristigen und erfolgreichen Substitution,definiert als (a) stabile fortdauernde Substitutionund (b) keine längerfristigen Unterbrechungen> 3 Monate aufgrund disziplinarischer Verstöße undBeikonsum o<strong>der</strong> (c) stabile Abstinenz (> 3 Monate) o<strong>der</strong>(d) Wechsel in eine substitutsfreie abstinenzorientierteTherapie.2. Patienten mit einem ungünstigen Verlauf: (a) unregelmäßigeSubstitution, (b) Unterbrechungen und kritischerBeikonsum, (c) keine Substitution aufgrund Abbrucho<strong>der</strong> Haft/Delinquenz und (d) Todesfälle.Es werden zunächst die primären Zielkriterien <strong>der</strong> Studie(Anzahl <strong>der</strong> Patienten mit einer erfolgreichen bzw. ungünstigverlaufenden langfristigen Substitution) und anschließenddie sekundären Zielkriterien wie Verbesserung <strong>der</strong>Lebensqualität o<strong>der</strong> des konkomitanten Drogenkonsumsdargestellt.2 ERGEBNISSE2.1 VERLAUFS- UND OUTCOMEKLASSIFIKATION NACH DENPRIMÄREN OUTCOMEKRITERIEN ZU T 3Unsere Ergebnisse zeigen für die Statusbeurteilung <strong>der</strong>Patienten zu t 3ein differenziertes, aber überwiegend positivesBild (➤ Abb. 1; Ausgangsstichprobe für t 3: n = 1.624).Gemäß unserer Studienkonventionen konnten – auf <strong>der</strong>Grundlage <strong>der</strong> Ziele und Prinzipien einer Substitutionstherapie– konservativ 54,6% aller Substitutionspatienteneinem formal positiven bzw. günstigen Verlauf zugeordnetwerden:• 46,4% hatten einen insgesamt guten, d.h. temporärstabilen, Substitutionsverlauf ohne gravierende längereUnterbrechungen o<strong>der</strong> Abbrüche und• 8,2% wurden abstinent o<strong>der</strong> befanden sich in einerabstinenzorientierten Therapie ohne Substitution.<strong>Die</strong>se 54,6% werden aus zwei Gründen als konservativeAngabe bezeichnet: Zum einen lagen bei weiteren 11,7%<strong>der</strong> Patienten in Substitution nicht hinreichend belastbareklinisch-ärztliche Angaben hinsichtlich <strong>der</strong> Stabilität vor,zum an<strong>der</strong>en konnten bei weiteren 7,6% <strong>der</strong> Patientenohne Substitution – über die Angaben des Patienten hinaus– keine ergänzenden ärztlichen Auskünfte erhobenwerden. Letztere bezeichneten sich zum Teil (2,1%) alslangfristig abstinent, während die verbleibenden 5,5% z.T.nicht unerheblichen illegalen Drogengebrauch angaben(beachte Unterschied zur Studiendefinition von Abstinenz).Beim Anlegen weicherer Kriterien unter Einbezug dieserfraglichen Fälle könnte sich also <strong>der</strong> Anteil günstiger Verläufeum maximal 13,8% erhöhen; bei 5,5% können bezüglicheiner Zuordnung zum günstigen Verlaufstyp keineklaren Aussagen getroffen werden. Somit liegt insgesamt<strong>der</strong> Anteil positiver und günstiger Verläufe vermutlichzwischen dem konservativen Wert von 54,6% und einembreiter definierten Wert von 68,4%.Demgegenüber wurden kriteriumsgemäß konservativ 25,9%einem formal unbefriedigenden bzw. ungünstigen Verlaufstypzugeordnet. <strong>Die</strong>s schließt ein:• alle im Verlauf Verstorbenen (8,1%),• Patienten mit einem instabilen Substitutionsverlauf(12,7%; charakterisiert durch häufige längere (3+ Monate)Unterbrechungen) sowie zwischenzeitlichen disziplinarischenAbbrüchen, die aber aktuell in Substitutionstehen,• Patienten ohne Substitution nach Abbrüchen, im Zusammenhangmit längeren Haftzeiten o<strong>der</strong> stationärenBehandlungsphasen (5,1%).Suchtmed 13 (5) 2011233


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNGAbb. 1:Globale zusammenfassende 6-Jahres-Verlaufs- und Outcomeklassifikation <strong>der</strong>1.624 Patienten (Ergebnisse für Männerund Frauen differenziert, siehe Anhang➤ Tab. B1.1 – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin)Zählten die oben erwähnten Patienten ohne Substitutionmit unklarem Verlauf (5,5%) zu dem eher ungünstigenVerlaufstyp, läge im 6-Jahres-Verlauf <strong>der</strong> Anteil ungünstigerVerläufe bei 31,4%. Zu beachten ist ferner, dass beidieser Zuteilung die Rolle des konkomitanten Drogenkonsumsnicht berücksichtigt wurde, da dieses Merkmalals Outcomevariable eingeordnet wird (➤ Abb. 1).2.2 ÄNDERUNGEN VON T 1ZU T 2NACH T 3UND RETENTIONIN DER SUBSTITUTION➤ Abb. 2 zeigt einen Überblick über die gesamte Beobachtungsstrecke.Zu Baseline t 1waren definitionsgemäß allePatienten noch in Substitution. Zu t 2wurde für 60,7% einstabiler 12-Monats-Substitutionsverlauf beurteilt, für 10,1%ein instabiler Verlauf. Zu t 3– sechs Jahre später – hat sichAbb. 2: Globale Verlaufscharakteristik von Baseline zum 12-Monats- (t 2) und 6-Jahres-Follow-up t 3(n = 1.624)234 Suchtmed 13 (5) 2011


VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNG | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE<strong>der</strong> Anteil temporär stabiler Verläufe etwas reduziert (von60,7% auf 46%), die Rate <strong>der</strong> instabilen Verläufe ist marginalangestiegen. Jedoch muss berücksichtigt werden, dasszu t 3bei weiteren 11,7% keine eindeutige Entscheidung(stabil vs. instabil) möglich war; diese Fälle können eherdem günstigen Typ zugeordnet werden (beachte: Arzteinschätzungbezüglich Abstinenz zum jeweiligen Befragungszeitpunkt).Zusammenfassend ist also gegenüber dem 12-Monats-Follow-up beim 6-Jahres-Follow-up eine insgesamt rechtähnliche Verteilung sichtbar; bemerkenswerte Unterschiedeergeben sich lediglich – bei Nichtberücksichtigung <strong>der</strong>unklaren Fälle – durch die höhere Mortalitätsrate sowieetwas geringere Nutzungsraten drogenfreier Therapie.Retentionsrate t 1zu t 3<strong>Die</strong> Haltequote <strong>der</strong> Patienten in <strong>der</strong> Substitution – ohneDifferenzierung des Verlaufstyps stabil vs. instabil – liegtbei insgesamt 70% und damit nahezu identisch wie zur t 2-Untersuchung. Frauen haben eine etwas schlechtere Haltequoteals Männer (n.s.). Hinsichtlich des Substitutionsmittelsist bei Patienten, die mit Buprenorphin behandeltwurden, die Haltequote mit 75% etwas höher bei den mitMethadon Behandelten (69%; ➤ Abb. 3).2.3 MERKMALE DER SUBSTITUTIONSTHERAPIE IM VERLAUFSubstitutionseinrichtungen:Im Zeitraum von <strong>der</strong> Baseline t 1zur t 3-Untersuchung habensich trotz durchaus häufiger Behandlerwechsel (bei<strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Patienten gab es mindestens einmal einenWechsel des behandelnden Substitutionsarztes) keinebemerkenswerten Verschiebungen zwischen den drei nachGröße differenzierten Einrichtungsformen ergeben. <strong>Die</strong>Anteile <strong>der</strong> in kleinen Einrichtungen (


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNGAbb. 4: Unterbrechungen <strong>der</strong> Substitution nach Häufigkeit, Dauer und Gründen (n = 1.624)Unterbrechungen in <strong>der</strong> SubstitutionsbehandlungUnterbrechungen sind ein durchaus häufiges Phänomenin <strong>der</strong> langfristigen Substitution. Im Mittel wurde pro Jahr1,7-mal, in den letzten 12 Monaten vor t 3im Mittel 1,4-mal die Substitution unterbrochen. <strong>Die</strong>ser Mittelwerttäuscht aber darüber hinweg, dass bei 2/3 aller Patientennicht unterbrochen wurde. Das heißt, es scheint eine Risikogruppevon etwa 20-30% zu geben, bei denen Unterbrechungenüberproportional häufig vorkommen (➤ Abb. 4sowie ➤Tab. B2 im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin).➤ Abb. 4 zeigt, dass 31,9% aller Patienten über zumindesteine Unterbrechung im 6-Jahres-Verlauf berichten, dieHälfte davon über Unterbrechungen in den letzten 12 Monatenvor t 3. Es kann vermutet werden, dass diese ArztundPatientenangaben für die Jahre 2-5 im 6-jährigen t 2-t 3Zeitraum eine Unterschätzung darstellt. Deshalb ist dieGruppe <strong>der</strong> stabilen Substitutionspatienten ausschließlichanhand des 12-Monats-Zeitraums vor <strong>der</strong> t 3-Untersuchungdefiniert und wird als temporär stabile Substitution gewertet.In ➤ Abb. 4 sind ebenfalls die Häufigkeit <strong>der</strong> Unterbrechungen,ihre Anzahl und Dauer sowie die Gründe für dieUnterbrechungen ausgewiesen. Der Anteil von Patientenmit nur einer Unterbrechung ist mit insgesamt 69% amhöchsten, Patienten mit sehr häufigen Unterbrechungensind also die Ausnahme in <strong>der</strong> langfristigen Substitution.Kurze Unterbrechungen von 1-5 Wochen Dauer kommenam häufigsten vor und sind überwiegend in <strong>der</strong> Gruppe<strong>der</strong> als temporär stabil klassifizierten Patienten zu finden(62%). Sie stehen zumeist im Zusammenhang mit Nebenwirkungenund kurzfristigen disziplinarischen Maßnahmen.Längere Unterbrechungen von mehr als 10 Wochentreten bei mehr als 40% und überwiegend (87%) bei denals instabil klassifizierten Patienten auf; hier werden gehäuftals Gründe disziplinarischer Abbruch – zumeist wegenBeigebrauch psychotroper Substanzen – sowie Entzugsbehandlungenund Complianceprobleme angegeben.2.4 KONKOMITANTER DROGENKONSUM<strong>Die</strong> Angaben zum konkomitanten Drogengebrauch (➤ Tab.B3 im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin –und ➤ Abb. 5) lassen z.T. abweichende Angaben erkennen,je nachdem, welche Quellen herangezogen werden.<strong>Die</strong> Übereinstimmung für irgendeinen Konsum liegt amniedrigsten für den Arzt- und Patientenvergleich (Kappa:236 Suchtmed 13 (5) 2011


VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNG | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE.26) und am höchsten für den Vergleich von Patient vs.Urintest (Kappa: .43). Zu berücksichtigen ist, dass bei <strong>der</strong>Verän<strong>der</strong>ungsanalyse t 1-t 3die Werte für neu erfasste t 3-Substanzen (Buprenorphin, Barbiturate und Antidepressiva)nicht berücksichtigt wurden.Der Vergleich <strong>der</strong> t 3-Befunde mit Baseline ergibt im Urinscreeningeine bedeutsame Reduktion nahezu aller Substanzen.Bemerkenswert ist die Reduktion des Beikonsumsvon nicht verschriebenen Opioiden um nahezu 40%. Bezogenauf eine breitere Definition potenziell "schwerwiegenden"Drogenbeikonsums (Opioide, Kokain, alle illegalenDrogen ohne Cannabis) ergibt sich eine Reduktion von23,7% auf 12,7% (p < .003); dabei verringerte sich <strong>der</strong>Opioidbeikonsum von 21,2% auf 12,8% (p < .017). JeglicherBeikonsum (einschließlich Cannabis) reduzierte sichvon 58,9% auf 40,7% (p < .000).<strong>Die</strong> häufigsten Beikonsumsubstanzen waren zu t 3Cannabis(33,4%), Benzodiazepine und Barbiturate (18,6%) sowieOpioide (12,8%). Der nicht verschriebene Gebrauchvon Buprenorphin wurde von 7% angegeben. Inwieweitdies gegenüber Baseline eine Verän<strong>der</strong>ung darstellt, kannwegen <strong>der</strong> Nichtverfügbarkeit eines entsprechenden Nachweisesbei <strong>der</strong> t 1-Erhebung nicht beurteilt werden.2.5 PSYCHOSOZIALE LAGE (VERÄNDERUNGEN T 1-T 2-T 3)Bezüglich <strong>der</strong> beruflichen Situation stieg <strong>der</strong> Anteil berufstätigerPatienten von 24,1% bei t 1auf 34% sowie <strong>der</strong> Anteil<strong>der</strong>jenigen in berufsqualifizierenden und beruflich-rehabilitativenMaßnahmen von 7,5% auf 19,4%. Zugleichreduzierte sich <strong>der</strong> Anteil Arbeitsloser von 51,6% auf 42%.Es ergab sich also insgesamt eine deutliche und signifikanteVerbesserung hinsichtlich <strong>der</strong> beruflichen Integration(p < .000; ➤ Tab. B1, B1.1 und B1.2 im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin).Hinsichtlich <strong>der</strong> Wohnsituation erhöhte sich sowohl <strong>der</strong>Anteil <strong>der</strong>jenigen, die in einer eigenen Wohnung alleinewohnten (von 41,8% auf 50,3%) bei einem gleichbleibendenAnteil <strong>der</strong> gemeinsam mit Partner (30,9% bzw.28,1%) und <strong>der</strong> in einer Wohngemeinschaft Lebenden(5,6% bzw. 6,4%). Demgegenüber reduzierte sich – vermutlichaltersbedingt – <strong>der</strong> Anteil von in <strong>der</strong> HerkunftsfamilieLebenden von 17,9% auf 8,9%. Wie auch zu Beginn<strong>der</strong> Studie blieb <strong>der</strong> Anteil wohnungsloser Personen(0,9% bzw. 0,3%) niedrig, während betreute Wohnformen(betreute WG, Heime, etc.) von 2,7% auf 6% zunahmen.Insgesamt kam es also zu verbesserten Wohnumständen(p < .000), über 90% lebten zu t 3in einer selbstständigenWohnsituation (t 2: 78%).Auch hinsichtlich Drogenkriminalität und Haft ergabensich statistisch bedeutsame Reduktionen. In den 12 Monatenvor <strong>der</strong> t 1-Untersuchung waren 8,2% zumindestkurzeitig inhaftiert, zu t 2nur noch 2,5%, zu t 30,9%. Fürden Zeitraum vor <strong>der</strong> 12-Monats-Untersuchung gaben 34%aller Patienten zu t 2zumindest einmalige Drogendeliktean; zu t 3nur noch 9%.Nahezu keine Verän<strong>der</strong>ungen ergaben sich hinsichtlich desFamilienstatus; die Mehrzahl aller Patienten ist alleinstehend(55,1%; 53,3%), lebt getrennt bzw. ist verwitwet o<strong>der</strong>geschieden (19,2%; 20,5%). Eine deutliche Zunahme ergabsich allerdings hinsichtlich <strong>der</strong> Patienten mit Kin<strong>der</strong>n;25,4% (t 1: 23,2%) haben ein Kind, 15,3% (t 1: 11,9%)zwei Kin<strong>der</strong> und 8,1% (t 1: 5,3%) drei o<strong>der</strong> mehr Kin<strong>der</strong>.Abb. 5:Konkomitanter Beikonsum zu Baseline t 1und t 3Follow-upSuchtmed 13 (5) 2011237Abb. 5: Konkomitanter Beikonsum zu Baseline t 1und t 3Follow-up


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNGAbb. 6:Dimensionale Verbesserung im ASI(n =1.493)2.6 ADDICTION SEVERITY INDEX UND LEBENSQUALITÄTSchwere <strong>der</strong> Suchterkrankung (Addiction Severity Index– ASI)Nimmt man den ASI als ein reliables, globales und domainspezifischesMaß für die behandlungsrelevante Schwere<strong>der</strong> Suchterkrankung, so ergibt sich gegenüber <strong>der</strong> Baseline-Untersuchungt 1wie auch gegenüber <strong>der</strong> 12-Monats-Untersuchung (t 2) 6 Jahre später zu t 3ein konsistent undstatistisch bedeutsam gebessertes Bild in den Mittelwertenaller Domains. Darüber hinaus hat sich <strong>der</strong> Anteilvon Patienten ohne schwerwiegende Auffälligkeiten deutlicherhöht.Der Gesamtmittelwert reduzierte sich von 2,68 auf 2,09.<strong>Die</strong> stärksten Verbesserungen sind für die Domains illegalerDrogengebrauch (2,59 auf 1,58), rechtliche Probleme(1,6 auf 0,9), Arbeit und berufliche Situation (3,88 zu 3,01)sowie familiäre und soziale Situation (3,52 auf 2,75) zuerkennen. Zu beachten ist, dass sich die körperliche undpsychische Gesundheit relativ geringfügig verbessert hatsowie dass, trotz Besserungen, die Domain-Werte für familiäreund soziale Beziehungen wie für Arbeit und Unterhaltin Relation zu den an<strong>der</strong>en Domains noch verhältnismäßighoch sind (➤ Abb. 6 und ➤ Tab. B4 im Anhang– www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin). In diesen Domainsfindet sich auch <strong>der</strong> höchste Anteil von PatientenAbb. 7:Anteil <strong>der</strong> Patienten mit schwerwiegendenbehandlungsbedürftigenProblemen (> 4) im ASI (n = 1493)238 Suchtmed 13 (5) 2011


VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNG | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEmit schwergradiger Ausprägung von 4 o<strong>der</strong> mehr, <strong>der</strong> aufInterventionsbedarf schließen lässt.Betrachtet man die ASI-Werte hinsichtlich des Anteils <strong>der</strong>ermit nach wie vor auffälligen Werten, so ergibt sich eindifferenzierteres Bild, das zeigt, dass sich viele Patientenverbessern, einige jedoch nicht. (a) Der Anteil von Patientenmit schwerwiegendem Gesamtscore (> 4) hat sich leichtvon 17,3% auf 21,9% (p < .000) erhöht. <strong>Die</strong>s ist in ersterLinie auf einen Anstieg ungünstiger Werte hinsichtlich körperlicherProbleme zurückzuführen (von 14,7% bei Baselineauf 20,3% bei t 3). Eine diskrete Zunahme (n.s.) <strong>der</strong> Patientenmit schwerwiegenden Problemen hinsichtlich <strong>der</strong>psychischen Gesundheit ist erkennbar (➤ Abb. 7).Auch hat sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Patienten mit Auffälligkeitenin vier o<strong>der</strong> mehr ASI-Domains nicht verän<strong>der</strong>t (13,4%zu Baseline vs. 14,3% zu t 3). An<strong>der</strong>erseits ist positiv hervorzuheben,dass sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Patienten ohne auffälligeWerte von 36,2% auf 47,2% deutlich erhöht hat.<strong>Die</strong>s zeigt zwar für die überwiegende Mehrzahl eine deutlicheBesserung, für einige (ca. 14-22%) jedoch eine Verschlechterung.<strong>Die</strong> Beurteilung <strong>der</strong> generischen Lebensqualität zeigt ebenfallssignifikante Verbesserungen. <strong>Die</strong>se fallen im Mittelwertsehr mo<strong>der</strong>at aus (0,72 vs. 0,7; p = .022, Signifikanzvermutlich wegen großer Stichprobe), was darauf zurückzuführenist, dass sich einerseits <strong>der</strong> Anteil nun unauffälligerPatienten erhöht hat (p = .008), an<strong>der</strong>erseits <strong>der</strong> Anteilschwer Beeinträchtiger von 20,6% auf 34,5% (p < .000)angestiegen ist. <strong>Die</strong> Beeinträchtigungen <strong>der</strong> Lebensqualitätergeben sich nahezu gänzlich aus extrem hohen Wertenfür Angst und Nie<strong>der</strong>geschlagenheit sowie Schmerz.ASI und Lebensqualität nach OutcomegruppenIn ➤ Abb. 8 wurden – im Sinne einer Validierung <strong>der</strong>Outcomegruppen – die Ergebnisse (Mittelwerte) für dieSchwere <strong>der</strong> Suchterkrankung sowie die Lebensqualitätfür ausgewählte Gruppen dargestellt.Hinsichtlich <strong>der</strong> Schwere <strong>der</strong> Suchterkrankung sieht mandie günstigsten Werte und Verbesserungen für die abstinentgewordenen Patienten, gefolgt von denen, die in einertemporär stabilen Substitution stehen. <strong>Die</strong> Werte sindam ungünstigsten für die Patienten ohne Substitution nachAbbruch, die als einzige Gruppe auch signifikante Verschlechterungenzeigt (p < .000).Für die generische Lebensqualität zeigen abstinent Gewordeneund stabil Substituierte die günstigsten Werte. Allerdingssind auch bei den instabil Substituierten bemerkenswerteVerbesserungen in <strong>der</strong> Lebensqualität zu beobachten.Jedoch zeigen auch hier die Patienten, die eine Substitutionabgebrochen haben, als einzige Gruppe einen signifikantenRückgang <strong>der</strong> Lebensqualität. Allerdings ist bemerkenswert,dass sich <strong>der</strong> EQ-5D-Mittelwert <strong>der</strong> Grup-Abb. 8: Dimensionale Verbesserung im ASI und EQ-5D nach ausgewählten OutcomegruppenSuchtmed 13 (5) 2011239


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNGpen mit Ausnahme <strong>der</strong> Abstinenten nicht unterscheidet(Beachte: Abstinenzdefinition).2.7 SOMATISCHE UND PSYCHISCHE MORBIDITÄTSomatische Morbidität<strong>Die</strong> zur Baseline bemerkenswert hohe somatische Komorbiditäthat sich im 6-Jahres-Verlauf insgesamt bedeutsamreduziert; die mittlere ärztliche Diagnoserate reduzierte sichvon 1,23 auf 0,97 (p < .000). Zugleich erhöhte sich <strong>der</strong>Anteil von Patienten ohne schwerwiegende somatischeMorbidität von 23,9% auf 35,6% (p < .000). <strong>Die</strong>ser Rückgangist überwiegend auf eine bedeutsam reduzierte Ratevon Hepatitis B und C zurückzuführen. Demgegenübererhöhte sich – vermutlich altersbedingt – die Diagnosehäufigkeitkardialer, pulmonaler und gastrointestinaler Erkrankungengegenüber <strong>der</strong> Baseline. Es ergaben sich keine Hinweiseauf erhöhte Raten und bemerkenswerte Neuerkrankungenvon HIV/AIDS (beachte Mortalitätsergebnisse) o<strong>der</strong>neurologische Erkrankungen (➤ Abb. 9 und ➤ Tab. B5im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin).Psychische Morbidität<strong>Die</strong> zur Baseline bemerkenswert hohe psychiatrische Komorbiditäthat sich im 6-Jahres-Verlauf nicht deutlich verbessert.Zwar hat sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Patienten ohne eineschwerwiegende psychische Störung von 36,7% auf 44,3%(p < .000) erhöht, die psychopathologische Gesamtbelastung(dimensionaler BSI-Wert, ➤ Abb. 11) in RichtungBesserung verschoben und <strong>der</strong> Anteil multimorbi<strong>der</strong> Störungenetwas reduziert (17% auf 13,5%, p = .000), jedochbleiben mehr als die Hälfte aller Patienten psychopathologischschwer auffällig (siehe Tab. B5 im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin). Gegenüber <strong>der</strong> Baselineweist ➤ Abb. 10 bedeutsam höhere Diagnoseraten für dieMehrzahl aller berücksichtigter Diagnosen auf. <strong>Die</strong>s belegteine signifikante Zunahme von depressiven, stressundtraumabezogenen Störungen, Angst- und Schlafstörungenebenso wie von psychotischen Syndromen undPersönlichkeitsstörungen. Für nahezu alle Diagnosen reduziertesich <strong>der</strong> Schweregrad bei den Erkrankten nicht.Ermutigend ist allerdings, dass sich die Behandlungsrateinsgesamt sowie bei mehreren Diagnosen z.T. deutlicherhöht hat.2.8 BEHANDLUNGSZIELE UND ERREICHUNG NACH URTEILDER ÄRZTEZur Baseline hatten die substituierenden Ärzte nahezu ausnahmslosbei jedem Patienten ein breites Spektrum vonZielen festgesetzt, die sie mit hoher Priorität verfolgenwollten. Als prioritär deutlich untergeordnet wurden dieZiele "Jegliche Opioidfreiheit (Opioidabstinenz einschließ-Abb. 9: Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> somatischen Morbidität von t 1zu t 3(n=1.493)240 Suchtmed 13 (5) 2011


VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNG | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEAbb. 10:Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> psychischen Morbiditätvon t 1zu t 2und t 3(n = 1.493)Abb. 11:Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> psychopathologischenGesamtbelastung von t 1zu t 2und t 3(n =1.493)lich Substitut)" (53,1%), "Motivation für eine substitutionsfreieabstinenzorientierte Therapie" (59,4%), und "Abstinenzvon allen illegalen Drogen" (68,6%) eingeordnet.➤ Abb. 12 gibt die Ziele bei Baseline an, sowie, bezogenauf die Personen mit dem jeweiligen Ziel, in wieviel Prozent<strong>der</strong> Fälle das Ziel auch erreicht wurde. <strong>Die</strong>se Angabenberuhen auf <strong>der</strong> Aggregation <strong>der</strong> einzelnen Patienteneinschätzungendes Arztes (beachte Unterschied zur Studiendefinitionvon Abstinenz).Zum Zeitpunkt des t 3-Follow-up gab die überwiegendeMehrzahl an, die vorrangigen Therapieziele weitgehen<strong>der</strong>reicht zu haben. Wie ➤ Abb. 12 zeigt, wurden nachMeinung <strong>der</strong> Ärzte die Ziele "Soziale Stabilisierung","Motivation für Substitutionstherapie", "Reduktion <strong>der</strong>körperlichen Morbidität" und "Prävention und Reduktionkriminellen Verhaltens" am häufigsten als weitgehen<strong>der</strong>reicht beurteilt. Demgegenüber werden alle abstinenzorientiertenZiele nur selten bzw. bei weniger als ein Drittelals erreicht eingeschätzt. Bemerkenswert ist auch, dassnur 59,8% angeben, eine Reduktion <strong>der</strong> psychischen Morbiditäterreicht zu haben.2.9 INANSPRUCHNAHME ZUSÄTZLICHER BEHANDLUNGWährend die Intensität <strong>der</strong> psychosozialen und psychologischenMaßnahmen im Zeitraum 12 Monate vor dem t 3-Follow-up eine deutliche Reduzierung erkennen lässt,nimmt die Häufigkeit <strong>der</strong> ärztlichen Inanspruchnahmeaußerhalb <strong>der</strong> Substitutionssettings, vermutlich auch durchdie alterskorrelierte Zunahme von Erkrankungen mitbedingt,deutlich zu (➤ Tab. B6 im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin). So steigt die Anzahl <strong>der</strong>Arztbesuche insgesamt von einem Mittel von 9,1 auf 12,6(p < .000) an, wobei zu beachten ist, dass die niedrigeSuchtmed 13 (5) 2011241


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNGAbb. 12:Initiale Behandlungsziele <strong>der</strong> Ärzte zu Baselineund prozentualer Anteil <strong>der</strong> Mediziner,die eine weitgehende Zielerreichung beiden Patienten zu t 3angaben (n = 1.493)mittlere Rate an psychiatrischer (1,0) und psychotherapeutischer(1,5) Inanspruchnahme trotz <strong>der</strong> hohen Morbiditätkeinen wesentlichen Einfluss zeigte.Der Anteil von Patienten mit PSB-Maßnahmen innerhalbund außerhalb <strong>der</strong> Substitution reduzierte sich ebenso wiedie Inanspruchnahme von psychiatrischen, psychotherapeutischenund sozialen <strong>Die</strong>nsten deutlich (➤ Abb. 13).Für 29,2% aller Patienten wurden von den Ärzten undden Patienten selbst in den letzten 12 Monaten keine PSBo<strong>der</strong> Inanspruchnahmen an<strong>der</strong>er Hilfsangebote angegeben(für die studienrelevante Definition <strong>der</strong> PSB).2.10 VERGLEICHE VON PATIENTEN MIT UNTERSCHIED-LICHEM BEHANDLUNGSSTATUSGemäß <strong>der</strong> Studienkonventionen wurden eingangs – auf<strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Ziele und Prinzipien einer Substitutionstherapie– 54,6% aller Substitutionspatienten einem formalpositiven bzw. günstigen Verlauf zugeordnet, da:• 46% einen nach ärztlicher Meinung temporär stabilenSubstitutionsverlauf zeigten, ohne gravierende längereUnterbrechungen o<strong>der</strong> Abbrüche aufzuweisen o<strong>der</strong>• sie in 8,6% <strong>der</strong> Fälle abstinent wurden o<strong>der</strong> sich ineiner abstinenzorientierten Therapie ohne Substitutionseit mehr als 3 Monaten befanden.Abb. 13:PSB und Inanspruchnahme PSB, psychologischer,psychiatrischer und sozialer <strong>Die</strong>nste<strong>der</strong> Patienten zu t 3(n=1.493)242 Suchtmed 13 (5) 2011


VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNG | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEEinem formal unbefriedigenden Verlaufstyp wurden kriteriumsgemäß25,9% zugeordnet, die sich folgen<strong>der</strong>maßenaufteilen:• alle im Verlauf Verstorbenen (8,1%),• Patienten mit einem instabilen Substitutionsverlauf(12,7%, häufige längere (3+ Monate) Unterbrechungen)und schließlich• Patienten ohne aktuelle Substitution nach o<strong>der</strong> im Zusammenhangmit Abbrüchen, längeren Haftzeiten o<strong>der</strong>stationären Behandlungsphasen (5,1%).In ➤ Tab. 1 wurden diese Gruppen hinsichtlich einigerausgewählter dimensionaler und kategorialer Verlaufs- undOutcomevariablen vergleichend gegenübergestellt. Dabeistehen die links angeordneten Werte für die als günstigpostulierten Gruppen <strong>der</strong> Abstinenten und stabil Substituierten,während rechts die als ungünstig definierten Verläufeaufgeführt sind. Zu beachten ist, dass aufgrund <strong>der</strong> Fragestellungdie stabilen Substitutionspatienten aufgeteilt wurdenin Personen mit und ohne schwerwiegenden Beikonsum(wie<strong>der</strong>holter Opioid- und illegaler Drogenkonsumohne Berücksichtigung von Cannabis).Betrachtet man die dimensionalen Gesamtergebnisse unddomainspezifischen Ergebnisse des ASI als einen zentralenund übergreifenden Indikator für den klinisch behandlungsrelevantenSchweregrad, so wird sichtbar, dass sichdie Abstinenten eindrucksvoll von allen Vergleichsgruppendurch die niedrigsten Werte abheben. Nahezu ähnlich positiv– mit zumeist nur marginal höheren Werten – stellensich die ASI-Befunde für die "temporär Stabilen ohneschwerwiegenden Beikonsum" dar. Auffällig höher als in<strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Abstinenten sind die Werte hinsichtlich<strong>der</strong> somatischen und psychischen Morbidität.Tabelle 1: Ausgewählte dimensionale und kategoriale Outcome-Indikatoren von Patienten mit Unterscheidung in positive und negative Outcomeszu t 3Positiver Outcome Negativer OutcomeAbstinent Stabile Substitution Instabile KeineohnemitSubstitution SubstitutionGebrauchGebrauch 1konkomitanten konkomitantem(n = 140) (n = 682) (n = 65) (n = 207) (n = 208)N % N % N % N % N %Generische Lebensqualität; EQ-5D;MW (SD)0.76 (0.22) 0.70 (0.26) 0.67 (0.28) 0.66 (0.28) 0.71 (0.23)Addiction Severity Index (ASI);MW (SD)Gesamt 1.64 (1.25) 1.98 (1.29) 2.74 (1.78) 2.74 (1.71) 2.01 (1.32)Körperlicher Zustand 1.51 (1.30) 2.45 (2.22) 2.20 (2.22) 2.71 (2.23) 1.89 (1.31)Arbeits-/Unterhaltssituation 2.52 (1.64) 2.92 (2.28) 3.72 (2.52) 3.78 (2.42) 2.87 (1.36)Alkoholgebrauch 0.99 (1.67) 1.19 (2.13) 1.77 (2.36) 1.71 (2.47) 1.16 (1.49)Drogengebrauch 1.31 (1.51) 1.26 (1.68) 3.69 (2.53) 2.41 (2.31) 1.50 (1.40)Rechtliche Situation 0.69 (1.22) 0.70 (1.46) 1.43 (2.38) 1.46 (2.16) 0.87 (1.54)Familie und Sozialbeziehung 2.31 (1.54) 2.70 (2.34) 3.35 (2.72) 3.39 (2.40) 2.58 (1.37)Psychischer Status 1.99 (1.60) 2.68 (2.29) 3.03 (2.77) 3.37 (2.58) 2.45 (1.53)Körperliche MorbiditätHIV/Aids 6 11.0 39 5.8 2 3.1 11 5.1 12 12.5HCV 19 38.8 413 60.6 40 61.5 92 44.4 17 43.6Durchschnittl. Anzahl von Störungen;MW (SD)0.46 (0.72) 1.32 (0.97) 1.11 (1.00) 1.14 (0.99) 0.46 (0.73)Keine 89 63.6 106 15.5 17 26.2 53 25.6 136 65.4Psychische MorbiditätDurchschnittl. Anzahl von Störungen;MW (SD)0.58 (1.04) 1.30 (1.39) 1.49 (1.70) 1.61 (1.55) 0.78 (1.21)Keine 95 67.9 250 36.7 27 41.5 57 27.5 118 56.71 25 17.9 195 28.6 13 20.0 61 29.5 52 25.02 10 7.1 109 16.0 7 10.8 38 18.4 19 9.13 5 3.6 66 9.7 9 13.9 25 12.1 10 4.84+ 5 3.6 62 9.1 9 13.9 26 12.6 9 4.3Ausgeschlossene Patienten: n = 131 verstorben, n = 190 unbekannter Verlauf <strong>der</strong> Substitution1konkomitanter Substanzgebrauch = Buprenorphin (während Methadonbehandlung), Methadon (während Buprenorphinbehandlung),an<strong>der</strong>e Opioide, Kokain, Amphetamine, MetamphetamineSuchtmed 13 (5) 2011243


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNGDeutlich ungünstiger fallen die Werte für die temporärstabilen Patienten mit Beikonsum aus; dabei ist vor allemauf die schlechteren Werte in den psychosozialen Domains(Arbeit, Unterstützung, Familie, Soziales Netwerk) sowiedie erhöhten Werte hinsichtlich rechtlicher Probleme hinzuweisen.Insgesamt ähnlich auffällig mit zum Teil ungünstigerenWerten erscheinen die Patienten mit instabiler Substitution.Demgegenüber zeichnet sich bei den Patienten, die dieSubstitution nicht regelhaft beendet haben und <strong>der</strong>zeit nichtmehr in Substitution stehen, kein negativeres Bild: im Gesamtwertund den meisten ASI-Domains lassen sie durchausähnliche Werte erkennen wie die stabil Substituierten.Ferner ist an den Werten zur Lebensqualität und Morbiditäterkennbar, dass diese Einteilung nur begrenzt die heterogenenVerlaufs- und Outcome-Ergebnisse abdeckt. Zusammenfassendlassen sich die postulierten Outcomegruppenzwar durchaus empirisch-statistisch in begrenztemMaße bestätigen, jedoch hat diese Einteilung offensichtlichaufgrund <strong>der</strong> Heterogenität <strong>der</strong> Problemlagen auf <strong>der</strong>einen und <strong>der</strong> zeitlichen Variabilität des Krankheitsverlaufsauf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite nur begrenzten Wert für eine patientenspezifischeund klinisch differenzierte Beurteilung(vgl. ➤ Schlussfolgerungen und Empfehlungen für Forschungund Praxis).2.11 VERGLEICHE SUBSTITUIERTER FRAUEN UND MÄNNERIn ➤ Tab. A1, A2 und Bx.1 sowie Bx.2 (www.ecomedmedizin.de/suchtmedizin)sind für die wesentlichen Verlaufs-und Outcomevariablen geson<strong>der</strong>te Analysen fürFrauen und Männer ausgewiesen. <strong>Die</strong>se werden im Folgendenzusammengefasst.SoziodemographieMännliche und weibliche Substitutionspatienten unterschiedensich bereits zu Baseline z.T. deutlich voneinan<strong>der</strong>:Frauen waren etwas jünger als Männer (M: 35,7, F: 34,3,p < .001) und gehörten häufiger <strong>der</strong> jüngsten Altersgruppevon 18 bis 30 an (M: 28,6, F: 33,8%, p < .009). Sie hattenbei gleichem Anteil von Patienten ohne Schulabschlussim Vergleich zu Männern einen höheren schulischen Ausbildungsstand(p < .000) mit höheren Anteilen von Real-(24,1% vs. 18,6%) und Gymnasialabschlüssen (7,7% vs.4,6%). Frauen waren weniger häufig arbeitslos (42,5%vs. 58,2%), häufiger verheiratet (13,2% vs. 11.6%), warenaber zugleich auch häufiger geschieden/getrennt o<strong>der</strong>verwitwet (28,7% vs. 15,9%, p < .0000). Frauen lebtenhäufiger in gemeinsamer Wohnung mit ihrem Partner (36,8%vs. 27,3%), aber deutlich seltener in ihrer Herkunftsfamilie(9,8% vs. 23,1%). Insgesamt 50,7% <strong>der</strong> Frauen (M: 36%)hatten Kin<strong>der</strong>. In all diesen Variablen ergaben sich mitAusnahme des im Vergleich zu Männern höheren Anteilsvon Kin<strong>der</strong>n keine unterschiedlichen Ergebnistendenzenfür Frauen.SubstitutionstherapieFrauen wiesen bei Baseline trotz einer etwas kürzeren Dauerdes Opioidkonsums (14,8 vs. 15,7 Jahre, p < .045) höhereWerte hinsichtlich <strong>der</strong> Zeit seit <strong>der</strong> ersten Substitutionsbehandlungauf (Frauen 6,1 Jahre vs. Männer: 5,6,p < .043). Ferner fällt ihr mittlerer Schweregrad (2,6 vs.2,8, p < .008) geringfügig niedriger aus aufgrund wenigerFälle mit einem schwergradigen Status; dieser signifikanteUnterschied findet sich zu t 3(Frauen 1,85 vs. Männer 2.20).Zu Baseline wie auch t 3entsprach die Verteilung <strong>der</strong> Behandlungssettingswie auch <strong>der</strong> Substitutionsmittel fürFrauen denen <strong>der</strong> Männer; bei Baseline und Follow-upwurden für Frauen niedrigere mittlere Dosierungen vonLevomethadon angegeben. Es ergaben sich keine Unterschiedehinsichtlich <strong>der</strong> Anzahl und Dauer von Unterbrechungenim Substitutionsverlauf sowie <strong>der</strong> Häufigkeit vonAbdosierungen mit dem Ziel Abstinenz.Grobe OutcomeindikatorenFrauen weisen gegenüber Männern keine markanten Unterschiedehinsichtlich Abstinenz und Mortalität auf. Sie wurdentendenziell häufiger einem Verlauf ohne aktuelle Substitution(24,1% vs. 20,2%) bzw. einem nicht eindeutigengünstigen o<strong>der</strong> ungünstigen Verlaufstyp zugeordnet (15,3%vs. 10%), sodass die Rate stabiler Substitutionsverläufeinsgesamt mit 40,5% gegenüber 46,7% bei den Männernerniedrigt erscheint.Es ergeben sich keine Geschlechtsunterschiede in <strong>der</strong> Haltequote.Konkomitanter DrogengebrauchFrauen weisen zu Baseline wie auch zu t 3eine niedrigereRate von Opioidbeikonsum und schwerwiegendem Beigebrauchauf: Im t 1-t 3-Verlauf fällt entsprechend die Verbesserungweniger eindrucksvoll als bei Männern aus.Lebensqualität und ASI-DomainsEs ergeben sich etwas verbesserte Werte für Männer, währenddie Werte für Frauen sich tendenziell etwas verschlechtern.Beide Geschlechtergruppen verbessern sich bedeutsamim Gesamtwert und den meisten Subskalen. Frauenhatten günstigere Baseline-Werte, die auch zu t 3zumeiststatistisch bedeutsam gegenüber den Männern erhaltenbleiben. Ausnahme sind die Subskalen für somatische undpsychische Gesundheit, Familie und Unterstützung, hierergeben sich zu t 3keine Geschlechterunterschiede.244 Suchtmed 13 (5) 2011


VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNG | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEOutcome Domains Variable Verän<strong>der</strong>ungMännerSoziodemographieBerufFamilienstandKin<strong>der</strong>WohnenBeruf & Wohnengebessert,mehr Kin<strong>der</strong>Verän<strong>der</strong>ungFrauenBeruf & Wohnengebessert,mehr Kin<strong>der</strong>Unterschied t 3:Frau vs. MannFrauen bessereIntegrationSubstitutionstherapieMittelDosisUnterbrechungenSchwereMET Dosisanstieg,reduzierte SchwereMET Dosisanstieg,reduzierte SchwereFrauen geringereSchwerePrimäre OutcomesDrogenbeigebrauchAbstinenzTodstabile SubstitutionHaltequoteOpiateillegale Drogen (ohneCannabis)n.a. n.a Frauen weniger stabileSubstitutionDeutlich reduziert Leicht reduziert Frauen: geringereBeikonsumrateLebensqualität generisch Leicht verbessert unverän<strong>der</strong>t Frauen etwas schlechterAbb. 14:Zusammenfassende Übersichtzu den Unterschieden zwischenMännern und FrauenASI-Domains Deutlich verbessert Deutlich verbessert Frauen besser (Ausn.:somatische, psychischeLQ, Familie, sozialeUnterstützung)Zielerreichung 10 Bereiche Überwiegen<strong>der</strong>reicht (AusnahmeAbstinenz)Überwiegen<strong>der</strong>reicht (AusnahmeAbstinenz)Zielerreichung fürAbstinenz bei FrauenhöherZielerreichungBei nahezu gleichen Baseline-Zielprofilen ergeben sich in<strong>der</strong> ärztlichen Zielerreichungsbeurteilung für Frauen signifikantbessere Werte für das Erreichen von Abstinenzund für die Motivation zur Abstinenztherapie.3 DISKUSSION<strong>Die</strong> Studie stellt aufgrund <strong>der</strong> bundesweit repräsentativenStichprobe, <strong>der</strong> prospektiv-längsschnittlichen Anlage und<strong>der</strong> guten Ausschöpfung eine aussagekräftige Basis für dieBeurteilung <strong>der</strong> längerfristigen Effekte einer Substitutionsbehandlungin <strong>der</strong> deutschen Routineversorgung dar. <strong>Die</strong>Ergebnisse belegen, dass bei <strong>der</strong> überwiegenden Mehrzahldie prioritären Substitutionsziele (Haltequote, Sicherungdes Überlebens, Reduktion von Drogenkonsum und körperlicherMorbidität, gesellschaftliche Teilhabe) erreichtwerden.Unsere Ergebnisse zeigen für die Statusbeurteilung <strong>der</strong>Patienten zu t 3ein differenziertes, aber überwiegend positivesBild:• 46% aller Patienten hatten einen zumindest temporärstabilen Substitutionsverlauf in den letzten 12 Monaten,7,1% waren zur Nachuntersuchung mindestens 3Monate lang abstinent (4% gesichert stabil abstinent)und 1,5% befanden sich in einer abstinenzorientiertenTherapie ohne Substitution. Insgesamt können alsokonservativ 54,6% <strong>der</strong> Stichprobe gemäß unserer Studiendefinitionals Patienten mit günstigem und erfolgreichemVerlauf klassifiziert werden. Dazu kommenmöglicherweise bis zu 13,8% weitere Patienten hinzu,bei denen keine Angaben vorlagen (11,7%) bzw. dieerhobenen positiven Angaben (2,1%) zu ungesichertwaren.• Bei einer zeitlich differenzierteren Analyse zeigt sich allerdingsfür die gesamte Beobachtungszeitstrecke, dasseine vollständig "stabile" Substitution ohne jeglicheUnterbrechung und ohne bedeutsame Verän<strong>der</strong>ungenvon Dosierung und Mittel nur für eine Min<strong>der</strong>heit <strong>der</strong>Patienten von 30% gilt. Typisch für den Verlauf <strong>der</strong>meisten Patienten sind zumindest einmalige, oft aberauch mehrmalige disziplinarische Unterbrechungeno<strong>der</strong> Abbrüche bzw. nach einer Unterbrechung die Wie<strong>der</strong>aufnahme<strong>der</strong> Substitution bei dem gleichen o<strong>der</strong>einem an<strong>der</strong>en Arzt.• Gleichermaßen muss hinsichtlich <strong>der</strong> Abstinenz berücksichtigtwerden, dass diese überwiegend als temporärerfolgreiche Abstinenz einzuordnen sind. <strong>Die</strong> meisten(85%) <strong>der</strong> als abstinent klassifizierten Patienten bei<strong>der</strong> 12-Monats-Nachuntersuchung waren beim 6-Jahres-Follow-upwie<strong>der</strong> in Substitution; gleichermaßenwaren von sechs abstinenten Patienten zu t 3bei t 4fünfwie<strong>der</strong> in Substitution.• Der Anteil <strong>der</strong> Patienten mit einem ungünstigen Verlauflag – je nach Verrechnung <strong>der</strong> nur partiell untersuchtenPatienten mit unklarem Verlauf (s.o.) – zwischen25,9% und 31,4% und setzt sich zusammen aussolchen in instabiler Substitution (12,7%), denjenigen,die die Substitutionstherapie abgebrochen haben undwie<strong>der</strong> rückfällig wurden, die Patienten mit unklaremVerlauf ohne Substitution o<strong>der</strong> die in Haft waren (5,1%),die verstorben waren (8,1%), bzw. nach Abbruch einenSuchtmed 13 (5) 2011245


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | VERLAUF U. AUSGANG AKTUELLER SUBSTITUTIONSVERSORGUNGunklaren Verlauf ohne Substitution aufwiesen (5,5%).• Insgesamt erwies sich dieser Klassifikationsversuch"günstiger versus ungünstiger Verläufe" als wenig befriedigend,da er <strong>der</strong> Heterogenität und zeitlichen Dynamik<strong>der</strong> Erkrankung im Beobachtungszeitraum nichtgerecht wird und vermutlich nur eine geringe klinischeNützlichkeit aufweist. Wie auch bei <strong>der</strong>artigenBeurteilungsversuchen in an<strong>der</strong>en chronischen Krankheitsgruppen(z.B. Schizophrenie und Diabetes mellitus)beschränkt sich die Nützlichkeit und Aussagekraftimmer nur auf relativ kurze Zeiträume von etwa einemJahr.Auch die Beurteilung <strong>der</strong> sekundären Zielkriterien ergabein überwiegend positives Bild.• Es ergibt sich aufgrund <strong>der</strong> Urinproben ein deutlicherRückgang nahezu aller konkomitant gebrauchten Substanzen.Der Opioidbeikonsum reduziert sich von 21,2%auf 12,8%; jeglicher Beikonsum reduziert sich von58,9% auf 40,7%; <strong>der</strong> Gebrauch beson<strong>der</strong>s kritischerSubstanzen (alle illegalen Drogen ohne Cannabis) halbiertsich nahezu von 23,7% auf 12,7%.• Zum Zeitpunkt t 3ist allerdings <strong>der</strong> Konsum von Benzodiazepinenund Barbituraten (18,6%), an<strong>der</strong>en Opioiden(12,4%) sowie von Cannabis (33,4%) durchausnoch bemerkenswert erhöht.• Bei <strong>der</strong> Interpretation des Beikonsums ist zu berücksichtigen,dass ca. ein Drittel aller Studienpatienten zu allenUntersuchungszeitpunkten Dosierungen erhielten,die unterhalb <strong>der</strong> allgemein empfohlenen minimal erfor<strong>der</strong>lichenErhaltungsdosis liegen. Obwohl entsprechendevertiefende Analysen keine eindeutigen Schlussfolgerungenzulassen, kann vermutet werden, dass ein nichtunerheblicher Teil <strong>der</strong> Patienten Beikonsum betreibt,um die möglicherweise unzureichende Substitutionsdosiszu kompensieren.• <strong>Die</strong> Auswertung <strong>der</strong> Gesamtmittelwerte des AddictionSeverity Index ergab eine deutliche mittlere Verbesserunggegenüber den Voruntersuchungen insbeson<strong>der</strong>efür folgende Bereiche: Konsum illegaler Drogen, rechtlicheProbleme, Arbeit und berufliche sowie familiäreSituation. <strong>Die</strong> deutliche mittlere Besserung darf nichtdarüber hinwegtäuschen, dass sich <strong>der</strong> Anteil von Patientenmit einem hochproblematischen Gesamtwert(> 4) von 17,3% auf 21,9% erhöht hat und dass dieWerte für die psychosozialen Zielbereiche (Beziehungen,Arbeit) trotz <strong>der</strong> Verbesserungen noch verhältnismäßighohe problematische Werte zeigen.• Kritisch und bemerkenswert ist auch, dass sich die beiden ersten beiden Untersuchungszeitpunkten bereitsschlechte körperliche und psychische Morbiditätslage<strong>der</strong> PatientInnen kaum verbessert hat. <strong>Die</strong>se Situationist wesentlich mitverantwortlich für den angestiegenenAnteil von PatientInnen mit hochproblematischenASI-Werten. <strong>Die</strong> somatische Morbidität hinsichtlichschwerwiegen<strong>der</strong> Erkrankungen ging zwar zurück,bedingt vor allem durch Verbesserungen bei HepatitisB und C, ebenso stieg <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Patienten ohnepsychische Störung von 36,7% auf 44,3%, doch nahm<strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Patienten bei zahlreichen Einzeldiagnosenzu und die Absolutwerte für Depressionen (42%),Angststörungen (19,3%) sowie Persönlichkeitsstörungen(22,4%) sind zu t 3massiv gegenüber den Referenzwertenan<strong>der</strong>er Krankheitsgruppen erhöht.• <strong>Die</strong> generische Lebensqualität (WHO EQ-5D) hat sichim Mittel zwar statistisch signifikant, aber klinischwenig beeindruckend verbessert. Dabei zeigen sich zweientgegengesetzte Entwicklungen: <strong>der</strong> Anteil unauffälligerPatienten hat sich von 27,6% auf 30,7% erhöht,<strong>der</strong> Anteil schwer Beeinträchtigter ebenso von 20,6%auf 34,5%. <strong>Die</strong> Beeinträchtigungen <strong>der</strong> Lebensqualitätergaben sich nahezu vollständig aus sehr hohen Wertenfür Angst, Nie<strong>der</strong>geschlagenheit und Schmerzen.• <strong>Die</strong> höchsten Verbesserungen beim ASI und <strong>der</strong> generischenLebensqualität zeigten sich bei den Teilgruppen<strong>der</strong> Abstinenten und <strong>der</strong> Patienten mit einem stabilenSubstitutionsverlauf.• Erfreulich ist die Verbesserung <strong>der</strong> beruflichen Situation,z.B. stieg <strong>der</strong> Anteil berufstätiger Patienten von24,1% auf 34% sowie <strong>der</strong>jenigen in berufsqualifizierendenMaßnahmen von 7,5% auf 19,4%. Der AnteilArbeitsloser sinkt entsprechend von 51,6% auf 42%.• <strong>Die</strong> Wohnsituation verbesserte sich bei über 90% unddie Werte für die Drogenkriminalität zeigten ebenfallseine deutliche Verbesserung, z.B. sank die Haftquotein den letzten 12 Monaten vor t 1von 8,2% auf 0,9%.<strong>Die</strong> Drogendelikte gingen von 34% (t 2) auf 9% (t 3)zurück.Zusammenfassend gaben die Ärzte an, dass die von ihnenformulierten Ziele in etwa 70-80% <strong>der</strong> Fälle erreicht wurden.Überdurchschnittlich positiv waren die Angaben beimZiel "Abstinenz von illegalen Drogen", deutlich geringerfielen diese für das Ziel "Überweisung in eine Abstinenztherapie"aus. Trotz dieses positiven Gesamtbildes gibt esin einigen Bereichen offensichtlichen Optimierungsbedarf(z.B. Umgang mit Beikonsum, Therapie behandlungsbedürftigerkomorbi<strong>der</strong> psychischer Störungen). Ferner erscheintin einigen Aspekten eine Anpassung <strong>der</strong> Therapiezielebei <strong>der</strong> langfristigen Substitution erfor<strong>der</strong>lich zu sein(z.B. regelhafte Beendigung mit dem Ziel <strong>der</strong> Abstinenz,Weiterbetreuung nach erreichter Abstinenz, Definition <strong>der</strong>PSB). <strong>Die</strong>se Aspekte sollten in zusätzlichen Studien undAnalysen bereichsspezifisch vertiefter betrachtet werden, umangemessene Verbesserungsansätze zu identifizieren undversorgungstechnisch umzusetzen.Literatur ist im Gesamtliteraturverzeichnis ausgewiesen,S. 296.246 Suchtmed 13 (5) 2011


MORTALITÄT I. D. LANGFRISTIGEN SUBSTITUTION | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEMortalität in <strong>der</strong> langfristigen Substitution: Häufigkeit, Ursachen undPrädiktorenMichael Soyka 1,3 , Anna Trä<strong>der</strong> 2 , Jens Klotsche 2 , Markus Backmund 4 , Gerhard Bühringer 2,5 ,Jürgen T. Rehm 2,6 , Hans-Ulrich Wittchen 21Psychiatrische Klinik, Universität München2Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden3Privatklinik Meiringen, Meiringen4Praxiszentrum im Tal (pit), München5Institut für Therapieforschung (IFT), München6Centre for Addiction and Mental Health, Toronto (Canada)Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Michael Soyka, Privatklinik Meiringen, PF 612, CH-3860 Meiringen, Tel: +41 33 972 81 11,Fax: +41 33 972 82 20, Email: Michael.Soyka@privatklinik-meiringen.chZusammenfassungHintergrund: Das stark erhöhte Risiko einer frühzeitigen Sterblichkeitbei Opioidabhängigen kann im Rahmen einer Substitutionstherapiebedeutsam gesenkt werden. Aufgrund <strong>der</strong> methodischen Heterogenitätbisheriger Studien besteht jedoch nach wie vor Unklarheit über dieSituation <strong>der</strong> langfristig Substituierten in Deutschland bezüglichMortalitätsrisiko, Todesursachen und Prädiktoren von Frühmortalität.Methode: N = 2.284 eligible Patienten wurden im Rahmen einerdeutschlandweit repräsentativen, klinisch-epidemiologischen Studienkohortezum 6-Jahres-Follow-up untersucht. Zur besseren Vergleichbarkeitmit an<strong>der</strong>en Studien wurde das conditional mortality risk (CMR)verwendet, das die Anzahl an Todesfällen auf die Personenjahre desBeobachtungszeitraums bezieht.Ergebnisse: Das standardisierte jährliche Mortalitätsrisiko lag bei 1,15%pro 100 Personenjahre. Häufigste Todesursachen waren: Folgen o<strong>der</strong>Komplikationen somatischer Erkrankungen (37%), Überdosis illegalerDrogen/Polyintoxikation (28%) und Suizid (16%). Das Substitut selbststellte keine bedeutsame Ursache dar. Patienten, die mit Buprenorphinbehandelt wurden, hatten ein signifikant niedrigeres Mortalitätsrisikoals Methadonpatienten (CMR: 0,73 vs. 1,29). Als Prädiktoren frühzeitigerMortalität zeigten sich: höheres Alter, soziale Desintegration, Dauer <strong>der</strong>Suchtvorgeschichte, Arbeitslosigkeit, hoher Suchtschweregrad, psychischeStörungen sowie Unterbrechung und Abbruch <strong>der</strong> Behandlung.Schlussfolgerungen: <strong>Die</strong> Befunde bestätigen, dass die Substitutionstherapieeffektiv das Mortalitätsrisiko <strong>der</strong> Patienten senkt und Zeitphasenohne Substitution eine Hochrisikophase für erhöhte Sterblichkeitdarstellen. Das standardisierte jährliche Mortalitätsrisiko in <strong>der</strong> langfristigenSubstitution unter den deutschen Versorgungsbedingungenist bedeutsam niedriger als in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n.Schlagwörter: Mortalität, Todesursachen, Opiatabhängigkeit, Heroin,SubstitutionAbstractMortality in Long-Term Opioid Maintenance Treatment in Germany:Frequency, Causes and PredictorsBackground: The consi<strong>der</strong>ably increased mortality risk of opioiddependentscan be reduced significantly by opioid maintenancetreatment. Because of methodological heterogeneity of previous studiesthe situation of long-term-substituted patients in Germany remainsunclear regarding mortality risk, causes of death and predictors of earlymortality.Method: N = 2.284 eligible patients in a longitudinal-prospectivenaturalistic study were assessed at 6-year-follow-up. To improve thecomparability of our findings the conditional mortality risk (CMR) wasused, relating the number of deaths to person-years during follow-upperiod.Results: The conditional mortality risk was 1.15% per 100 person-years.Most frequent causes of death were consequences or complications ofsomatic diseases (37%), overdose of illegal drugs resp. poly-intoxication(28%), and suicide (16%). The drug itself did not show significant influenceon mortality rate. Patients being treated with buprenorphine had asignificantly lower mortality risk than methadone-treated patients (CMR:0.73 vs. 1.29). Predictors of early mortality were: higher age, socialdisintegration, length of addiction history, unemployment, higheraddiction severity (ASI > 3.5), mental disor<strong>der</strong>s, somatic diseases as wellas disruption and termination of treatment.Conclusions: The findings give strong evidence that long-term opioidmaintenance treatment significantly reduces mortality risk and that outof-substitutionperiods carry a high risk for higher death rate of opioiddependentpatients in Germany. The conditional mortality risk of patientsin Germany appears to be lower than that observed for other countries.Keywords: Opioid maintenance treatment, opioid dependence, heroin,mortality, causes of death<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie * wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführtund aus diesen Mitteln finanziert. Es erfolgte eine Prüfung durch die Ethikkommission<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden (EK313122007) sowie die Registrierung <strong>der</strong> Studie beim National Institute for Health (NIH)in Washington D.C. (NCT-ID: NCT00673647).Mitarbeiter des <strong>PREMOS</strong>-Projektes sind: Prof. Dr. H.-U. Wittchen, Dipl.-Psych. A. Trä<strong>der</strong>,Dipl.-Psych. S. Trautmann, Dipl.-Psych. K. Mark, Dipl.-Psych. K. Langer, Dipl.-Psych. C. Wolf(Dresden), Prof. Dr. G. Bühringer (Dresden/München), PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg), Prof. Dr. M. Schäfer (Essen),Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer (Wien),Prof. N. Scherbaum (Essen).*Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und OutcomeSuchtmed 13 (5) 247 2011 – 252 (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg247


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | MORTALITÄT I. D. LANGFRISTIGEN SUBSTITUTION1 EINLEITUNGOpioidabhängigkeit als eine schwere, chronische undkomplikationsreiche Erkrankung ist mit einer hohen frühzeitigenSterblichkeit assoziiert. Eine Substitutionstherapiekann das Mortalitätsrisiko bedeutsam senken. Jedoch istauch die Mortalität unter den Substituierten immer nochgravierend gegenüber <strong>der</strong> Durchschnittsbevölkerung erhöhtund die Substitutionsmittel selbst können – in Kombinationund Interaktion mit kritischem Beikonsum von illegalerworbenen Opioiden o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Substanzen – inerheblichem Ausmaß zu diesem erhöhten Mortalitätsrisikobeitragen. <strong>Die</strong> Frage, inwieweit eine langfristige, also jahrelangeSubstitutionsbehandlung das Mortalitätsrisiko weitersenken kann und das Spektrum <strong>der</strong> Todesursachen verän<strong>der</strong>t,ist <strong>der</strong>zeit international und national kaum zu beantworten.<strong>Die</strong> verfügbaren Untersuchungen sind methodischäußerst heterogen (z.B. Stichprobe, Beobachtungsstrecke) undquantifizieren das Mortalitätsrisiko zumeist so unterschiedlich,dass keine Aussagen möglich sind (Hulse et al. 2009).Eine Möglichkeit, diese Heterogenität und Uneinheitlichkeitzu min<strong>der</strong>n, ist die Verwendung eines "conditionalmortality risk"-Maßes (CMR). Das CMR bezieht die Anzahlan Todesfällen auf die Anzahl <strong>der</strong> Personenjahre desBeobachtungszeitraumes (Anzahl Todesfälle/100 Personenjahreim Follow-up-Zeitraum); damit ist ein Vergleich unterschiedlicherStudien möglich (Darke et al. 2007).Eine kritische Metaanalyse (Degenhardt et al. 2011) über58 Studien zur Sterblichkeit Opioidabhängiger ergibt mitSchwankungen nach Region, Länge <strong>der</strong> Beobachtungsstreckeund Methodik ein durchschnittliches konditionalesMortalitätsrisiko (CMR) von 2,09 pro 100 Personenjahrefür Opioidabhängige insgesamt. Auf <strong>der</strong> Grundlagevon sechs Studien, die geprüft haben, inwieweit Unterbrechungenund Abbrüche mit <strong>der</strong> Mortalität verknüpft sind,weisen die Autoren darauf hin, dass die CMR für Patientenaußerhalb <strong>der</strong> Substitution nahezu 2-fach erhöht sind.Weiterhin ergab sich ein deutlich (2- bis 3-fach) erhöhtesMortalitätsrisiko für die an HIV/AIDS erkrankten opioidabhängigenPatienten. <strong>Die</strong> Studie fasst zusammen, dass diemeisten Patienten an einer Überdosis sterben, wobei dasRisiko für Männer sowie während einer Unterbrechung<strong>der</strong> Substitutionsbehandlung größer ist. Der Mittelwert von2,09% über alle Studien hinweg weist jedoch großeSchwankungen nach Art und Ort <strong>der</strong> Studie auf. AsiatischeStudienergebnisse liegen mit einem CMR von 5,2%deutlich über denen für West-Europa (2,2%), den USA(1,7%), Zentraleuropa (1,6%) und Australien (1,1%).Vor diesem Hintergrund werden in Fortführung von Mortalitätsanalysenzum 12-Monats-Verlauf (Soyka et al.2006a; Wittchen et al. 2005; Wittchen et al. 2008) auf <strong>der</strong>Grundlage <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Daten nachfolgend aufgeführteAspekte bearbeitet, um die ungelösten Fragen <strong>der</strong> Mortalitätin <strong>der</strong> langfristigen Substitution zu beantworten.2 FRAGESTELLUNGEN1. Wie hoch ist das Mortalitätsrisiko langfristig Substituierterunter den Bedingungen <strong>der</strong> Substitutionstherapiein Deutschland?2. Welcher Anteil <strong>der</strong> Mortalität ist auf das Substitutionsmittelzurückzuführen? Wie viele Personen versterbenwährend <strong>der</strong> Substitution?3. Was sind die häufigsten Todesursachen? Welche Rollespielen Intoxikation, körperliche Erkrankungen undSuizid?4. Gibt es Unterschiede in <strong>der</strong> Mortalitätsrate in Abhängigkeitvon dem verwendeten Substitutionsmittel (Buprenorphinvs. Methadon)?5. Was sind die wichtigsten Prädiktoren für frühzeitigeMortalität in <strong>der</strong> langfristigen Substitution?3 METHODIKFür den 1-Jahres-Verlauf (COBRA) <strong>der</strong> Substitutionstherapiebei 2.694 Patienten (Soyka et al. 2006a) wurde eineMortalitätsrate für Methadon- und BuprenorphinbehandeltePatienten von bereits 1,04% ermittelt. <strong>Die</strong> hier dargestellten<strong>PREMOS</strong>-Auswertungen basieren auf dem 6-Jahres-Follow-upüber 2.284 eligible Patienten (Soyka et al.in press). Zu berücksichtigen ist, dass für 190 von 2.284Patienten eine Aussage zum Überlebensstatus nach 6 Jahrennicht mit ausreichen<strong>der</strong> Sicherheit getroffen werdenkann, da diese nicht aufgefunden werden konnten. ValideInformationen zur Mortalität konnten somit für 91,7%(2.094 Patienten) bis zu 6 Jahre nach <strong>der</strong> Baseline-Untersuchungermittelt werden.4 ERGEBNISSEMortalität und Mortalitätsrate nach Jahren und Geschlecht131 Patienten verstarben während des 6-jährigen Untersuchungszeitraumes.<strong>Die</strong> beobachtete reine Mortalitätsratebeträgt 1,2% nach einem Jahr (28/2.284) bzw. 5,7%nach sechs Jahren (131/2.284). <strong>Die</strong> durchschnittliche jährlicheMortalität liegt also bei 1,0%. <strong>Die</strong> standardisiertejährliche Mortalitätsrate liegt bei einem CMR von 1,15%pro 100 Personenjahre. Es gibt keine statistisch signifikantenUnterschiede bezüglich <strong>der</strong> Mortalitätsrate zwischenmännlichen und weiblichen Substitutionspatienten(p = 0,393; CMR Männer: 1,2 vs. Frauen 1,0).248 Suchtmed 13 (5) 2011


MORTALITÄT I. D. LANGFRISTIGEN SUBSTITUTION | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEAbb. 1:Todesursachen während und außerhalb <strong>der</strong>SubstitutionstherapieTodesursachenWie ➤ Abb. 1 zeigt, lassen sich während und außerhalb<strong>der</strong> Substitutionstherapie verschiedene Todesursachen unterscheiden.Häufigste Todesursachen waren: Folgen von o<strong>der</strong> Komplikationenim Zusammenhang mit körperlichen Krankheiten(n = 48/131; 36,6%, z.B. AIDS, HIV, kardiovaskuläreKrankheiten), Überdosis illegaler Substanzen bzw. Polyintoxikation(n = 37/131; 28,3%) sowie Suizid (21/131;16%). Bei fünf Patienten konnte eine Hauptursache nichteindeutig entschieden werden (z.B. HIV/AIDS + Überdosis+ Suizid). Unter "an<strong>der</strong>en Ursachen" wurden Unfälle(n = 5) und Gewalttat (n = 1) vermerkt. Bei 12 Patientenkonnte die Todesursache nicht ermittelt werden; mit einerAusnahme handelt es sich um Patienten, bei denen zumeistschon vor längerer Zeit (Monate-Jahre) die Substitutionabgebrochen wurde und somit keine verlässliche Quelle<strong>der</strong> Information identifiziert werden konnte (➤ Abb. 1).In ➤ Tab. 1 sind die Todesursachen getrennt nach Geschlecht,Substitutionsstatus (verstorben während Substitution/außerhalbSubstitution) und dem letzten Substitutionsmittelvor dem Tod aufgeführt.bei Personen auf, die zumeist schon seit mehreren Monatennicht mehr in Substitution standen. <strong>Die</strong> Rate <strong>der</strong> aneiner Überdosis Verstorbenen ist unter ihnen höher (31,5%)als unter den Patienten, die während <strong>der</strong> Substitutionstherapieverstarben (24,1%).Mortalität während <strong>der</strong> Substitution nach SubstitutionsmittelInsgesamt wie auch bezogen auf die unterschiedliche Häufigkeit<strong>der</strong> Anwendung von Methadon, Levomethadon undBuprenorphin verstarben mehr Methadon- als Buprenorphin-Behandelte(➤ Abb. 2). Von den 58 während <strong>der</strong> Substitutionverstorbenen Patienten verstarben:a. sechs <strong>der</strong> insgesamt n = 578 seit t 1mit Buprenorphinbehandelten Patienten (1%) sowieb. 52 <strong>der</strong> insgesamt 1.690 seit t 1mit Methadon bzw.Levomethadon Behandelten (3,1%; Methadon: 38/1348; 2,8%, Levomethadon 14/342; 4,1%).Buprenorphinpatienten haben bei einem CMR von 0,73im Vergleich zu Methadonpatienten (CMR: 1,29) ein signifikantniedrigeres Mortalitätsrisiko (p = 0,005).Mortalität im Zusammenhang mit Substitution und SubstitutionsmittelBei 6 <strong>der</strong> 37 Personen, die durch eine Überdosis verstorbenwaren, wurde das Substitutionsmittel nach Einschätzung<strong>der</strong> Kliniker zumindest teilweise als mitverantwortlichgesehen für den Tod. Nur 2 Patienten starben aufgrundeiner Überdosis durch das Substitutionsmittel allein (1,5%).<strong>Die</strong> überwiegende Mehrzahl (55,7%) <strong>der</strong> Todesfälle tratPrädiktorenFolgende Baseline-Charakteristika konnten als signifikantePrädiktoren für vorzeitige Mortalität (➤ Tab. C1 im Anhang– www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin) identifiziertwerden:a. soziodemographische Variablen wie höheres Alter (OR:1,06; 95% CI: 1,03-1,08) und Arbeitslosigkeit (OR:3,20; 95% CI: 1,77-5,78),Suchtmed 13 (5) 2011249


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | MORTALITÄT I. D. LANGFRISTIGEN SUBSTITUTIONTabelle 1: Todesursachen differenziert nach Geschlecht, Substitutionsstatus und -mittel zum Todeszeitpunkt bzw. beim letzten KontaktGeschlecht Gesamt Männer FrauenN % N % N %Differenzen a OR(95% CI)TodesursachenAnzahl Patienten 131 94 37Suizid 1 21 16.0 15 16.0 6 16.2 1.02 (0.36 - 2.88)Körperliche Erkrankung 48 36.6 30 31.9 18 48.7 2.02 (0.93 - 4.41)Überdosis illegaler Drogen/Polyintoxikation 2 37 28.3 30 31.9 7 18.9 0.50 (0.20 - 1.27)Überdosis Substitutionsmittel 2 1.5 1 1.1 1 2.7 2.58 (0.16 - 42.87)multiple Ursachen 5 3.8 5 5.3 0 0.0 -an<strong>der</strong>e Ursachen 3 6 4.6 3 3.2 3 8.1 2.68 (0.51 - 14.00)unbekannt 12 9.2 10 10.6 2 5.4 0.48 (0.10 - 2.32)Substitutionsmittel Gesamt Buprenorphin MethadonN % N % N %Differenzen OR(95% CI)Anzahl Patienten in Substitution 58 6 52Suizid 9 15.5 0 - 9 17.3 -Körperliche Erkrankung 23 39.7 2 33.3 21 40.4 1.35 (0.22 - 8.21)Überdosis illegaler Drogen/Polyintoxikation 2 14 24.1 3 50.0 11 21.2 0.27 (0.05 - 1.54)Überdosis Substitutionsmittel 2 3.5 0 - 2 3.9 -multiple Ursachen 5 8.6 0 - 5 9.6 -an<strong>der</strong>e Ursachen 3 4 6.9 1 16.7 3 5.8 0.31 (0.03 - 3.60)unbekannt 1 1.7 0 - 1 1.9 -Substitutionsmittel Gesamt Buprenorphin MethadonN % N % N %Differenzen OR(95% CI)Anzahl Patienten NICHT in Substitution 73 11 62Suizid 12 16.4 3 27.3 9 14.5 0.46 (0.10 - 2.10)Körperliche Erkrankung 25 34.3 3 27.3 22 35.5 1.50 (0.36 - 6.32)Überdosis illegaler Drogen/Polyintoxikation 2 23 31.5 3 27.3 19 30.6 1.21 (0.28 - 5.11)Überdosis Substitutionsmittel 0 - 0 - 0 - -multiple Ursachen 0 - 0 - 0 - -an<strong>der</strong>e Ursachen 3 2 2.7 1 9.1 2 3.2 0.35 (0.03 - 2.94)unbekannt 11 15.1 1 9.1 10 16.2 1.96 (0.22 - 17.34)1Intoxikation mit Substitutionsmittel n=3; Intoxikation mit illegalen Drogen n=7; Intoxikation mit beiden n=12Substitutionsmittel und Beigebrauch an<strong>der</strong>er Substanzen n=63Unfall n=5, ermor<strong>der</strong>t n = 1*p < .05, **p < .01, ***p < .001aUnterschiede wurden durch logistische Regressionsanalysen berechnetb. die Schwere <strong>der</strong> Suchterkrankung: erhöhter AddictionSeverity Index (EuropASI) (OR: 1,27; 95% CI: 1,14-1,42),c. vermehrt schwerwiegende psychische (OR: 2,23; 95%CI: 1,44-3,43) und/o<strong>der</strong> somatische (OR: 1,97; 95%CI: 1,22-3,17) Erkrankungen,d. die Dauer <strong>der</strong> Suchtvorgeschichte (OR: 1,06; 95% CI:1.04-1,08)e. Unterbrechung o<strong>der</strong> Abbruch <strong>der</strong> Behandlung (OR:4,13; 95% CI: 2,86-5,94).Darüber hinaus ergeben sich Hinweise darauf, dass eineausgeprägte Abstinenzorientierung bei Patienten mit einemhohen Schweregrad <strong>der</strong> Suchterkrankung (ASI-Gesamtwert> 3,5) mit einem deutlich erhöhten Mortalitätsrisiko(14,1%) einhergeht, während bei den weniger schwerenFällen die Rate bei 6,3% liegt. <strong>Die</strong> Mortalitätsrate in250 Suchtmed 13 (5) 2011


MORTALITÄT I. D. LANGFRISTIGEN SUBSTITUTION | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEinternational besten Mittelwert im australischen Bereich.<strong>Die</strong> Todesfälle verteilen sich über den Beobachtungszeitraumrelativ stabil auf die einzelnen Jahre (➤ Abb. 3).Abb. 2: Mortalitätsrate in Abhängigkeit des Substitutionsmittels zumTodeszeitpunkt und absolute Bezugsgrößen im Vergleich zur BaselineEinrichtungen ohne Abstinenzorientierung als individuellesBehandlungsziel liegt bei 6,8% bei leicht- bis mittelgradigen(ASI-Wert < 3,5) bzw. 10,9% bei schwergradigenPatienten (siehe Artikel zu ➤ Abstinenz als ein Behandlungsziel<strong>der</strong> opiatgestützten Substitutionstherapie: Häufigkeitund Risiken).5 DISKUSSIONInsgesamt ergibt sich für <strong>PREMOS</strong> ein im Vergleich zuden internationalen Daten (Degenhardt et al. 2011) relativniedriges standardisiertes Mortalitätsrisiko (CMR) von1,15 gegenüber 1,55 in an<strong>der</strong>en zentraleuropäischen Studien.<strong>Die</strong>ses vergleichsweise günstige CMR entspricht demBetrachtet man die CMR-Raten für einige Merkmalsgruppenvon Patienten, so ergibt sich die höchste Mortalitätfür die bereits bei Baseline mit HIV Infizierten bzw. anAIDS Erkrankten (CMR: 3,58). Erhöhte CMR weisen fernerdie älteren Substitutionspatienten sowie die zur Baselinean Depression erkrankten Patienten auf. <strong>Die</strong> niedrigstenMortalitätsrisiken finden sich für jüngere Patienten (CMR:0,79) und die mit Buprenorphin Behandelten (CMR: 0,73).Das niedrigere Mortalitätsrisiko bei Buprenorphin-Behandeltenin <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie bestätigt Beobachtungen undStudienbefunde aus Frankreich (Auriacombe et al. 2001)sowie Befunde von Metaanalysen (Barnett et al. 2001;Connock et al. 2007) aus zumeist naturalistischen Studienbzw. post-hoc-Analysen klinischer Studiendaten.Hinsichtlich <strong>der</strong> Todesursachen findet sich – abweichendvon an<strong>der</strong>en Studien – für unsere Studie kein Geschlechterunterschied,Überdosierung als Ursache nimmt einen deutlichgeringeren, körperliche Erkrankungen und Suizid einengrößeren Stellenwert ein. <strong>Die</strong> höhere Bedeutung körperlicherErkrankungen dürfte weitgehend durch die zumeistälteren HIV/AIDS-Patienten, die multimorbiden Patientensowie im Falle von Hepatitis B und C (HCV) von erhöhtenKo-Infektionsraten HIV/AIDS mit HCV beeinflusst sein.Denn unter den nur HCV-Infizierten ist das Mortalitätsrisikosignifikant erniedrigt.Es lassen sich keine Hinweise darauf finden, dass in <strong>der</strong>langfristigen Substitution das Substitutionsmittel selbsteinen wesentlichen Faktor <strong>der</strong> Mortalität darstellt; lediglichbei 6 Patienten spielte das Substitutionsmittel selbst eineRolle und nur bei zwei Patienten wurde es als alleinigeAbb. 3:Baseline-Merkmale und standardisiertesMortalitätsrisiko (CMR) pro Follow-up-JahrSuchtmed 13 (5) 2011251


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | MORTALITÄT I. D. LANGFRISTIGEN SUBSTITUTIONUrsache eingeschätzt. <strong>Die</strong> überwiegende Zahl <strong>der</strong> Patientenverstarb außerhalb <strong>der</strong> Substitution – zumeist Monatenach einem Therapieabbruch. <strong>Die</strong>s bestätigt zusammenmit <strong>der</strong> Prädiktoranalyse die bekannten Befunde, dass Zeitphasenohne Substitution eine Hochrisikophase für erhöhteMortalität darstellen (Degenhardt et al. 2011).<strong>Die</strong> Prädiktoranalyse bestätigt ferner, dass eine ausgeprägtesoziale Desintegration (alleinlebend, getrennt lebend, verwitwet/geschieden,nicht berufstätig) sowie die Länge undSchwere <strong>der</strong> Suchterkrankung weitere signifikante Prädiktorendes Mortalitätsrisikos im Langzeitverlauf darstellen.Im Gegensatz zur 12-Monats-Untersuchung, in <strong>der</strong> keinsignifikanter Unterschied hinsichtlich des Mortalitätsrisikosfür Methadon- und Buprenorphin-Behandelte festgestelltwurde, ergab sich nach 6 Jahren ein durchaus bemerkenswertniedrigeres Risiko für Buprenorphin. Obwohl sichbeide Gruppen bei Baseline nicht signifikant hinsichtlichihrer Erkrankungsschwere unterschieden, kann nicht ausgeschlossenwerden, dass diese günstigeren Befunde fürBuprenorphin durch spezifische, jedoch in <strong>PREMOS</strong> nichtkontrollierbare Selektionskriterien <strong>der</strong> Ärzte bedingt sind.Zusammenfassend sprechen die Ergebnisse dafür, dass dieSubstitutionstherapie effektiv das Mortalitätsrisiko <strong>der</strong> Patientensenkt, ohne Hinweise darauf zu geben, dass dasSubstitutionsmittel selbst ein Risikofaktor sein könnte. Iminternationalen Vergleich scheint die Substitution in Deutschlanddas Mortalitätsrisiko im Langzeitverlauf von Opioidabhängigenebenso so gut zu senken wie in den Län<strong>der</strong>nmit dem niedrigsten CMR. Dem vorliegenden Befund einermöglichen Überlegenheit von Buprenorphin in dieser Hinsichtmuss in kontrollierten klinischen Studien nachgegangenwerden.Literatur ist im Gesamtliteraturverzeichnis ausgewiesen,S. 296.252 Suchtmed 13 (5) 2011


ABSTINENZ ALS BEHANDLUNGSZIEL | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEAbstinenz als ein Behandlungsziel <strong>der</strong> opiatgestütztenSubstitutionstherapie: Häufigkeit und RisikenHans-Ulrich Wittchen 1 , Sebastian Trautmann 1 , Anna Trä<strong>der</strong> 1 , Jens Klotsche 1 , Markus Backmund 2 ,Gerhard Bühringer 1,3 , Jürgen T. Rehm 1,41Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden2Praxiszentrum im Tal (pit), München3Institut für Therapieforschung (IFT), München4Centre for Addiction and Mental Health, Toronto (Canada)Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische UniversitätDresden, Chemnitzer Str. 46, D-01187 Dresden, Email: wittchen@psychologie.tu-dresden.deZusammenfassungHintergrund: Abstinenz sowohl von illegalen Opioiden als auch dem Substitutgilt in Deutschland nach wie vor als ein zentrales vom Arzt zu verfolgendenIdealziel in <strong>der</strong> Substitutionsbehandlung Opioidabhängiger.Unklar ist, wie oft dieses anspruchsvolle Ziel tatsächlich erreicht wirdund inwiefern das Verfolgen dieses Ziels mit negativen Auswirkungenund Risiken assoziiert ist.Methode: N = 2.284 eligible Patienten wurden im Rahmen einerdeutschlandweit repräsentativen, klinisch-epidemiologischen Studienkohortezum 6-Jahres-Follow-up untersucht. Als abstinent wurden Patientenbezeichnet, <strong>der</strong>en Substitutionsbehandlung regelhaft mit <strong>der</strong> Beurteilung„abstinent“ beendet wurde bzw. Patienten, die mindestens 3Monate lang als abstinent beurteilt wurden und keine Opioide konsumierten.Grundlage dafür lieferten Arzt- und Patientenaussagen sowieUrinscreenings.Ergebnisse: <strong>Die</strong> meisten Patienten, die zu t 2abstinent waren, befandensich zu t 3wie<strong>der</strong> in Substitution. Knapp ein Drittel <strong>der</strong> Ärzte stuften „Abstinenz“als realistisches Behandlungsziel ein; nur bei 21% <strong>der</strong> Patientenwurde im Therapieverlauf zumindest ein Versuch unternommen,den Patienten zur Abstinenz zu führen. Von diesen Patienten wurde beijedem zweiten zumindest eine dreimonatige Abstinenz erreicht, jedochkonnte nur bei insgesamt 4% eine länger andauernde Opioidfreiheitdurch Urinscreenings verifiziert werden. Bei Einrichtungen mit ausgeprägterAbstinenzorientierung wurde ein deutlich erhöhtes Risiko langfristigerUnterbrechungen <strong>der</strong> Substitution sowie von Abbrüchen undein erhöhtes Mortalitätsrisiko gefunden.Schlussfolgerungen: Opiatfreiheit ist für die Mehrzahl <strong>der</strong> substituierendenÄrzte kein realistisches Behandlungsziel und in langfristig stabilerForm äußerst selten. Eine ausgeprägte Abstinenzorientierung <strong>der</strong> Einrichtungist offensichtlich mit erhöhten negativen Verlaufsrisiken <strong>der</strong>Patienten assoziiert. In <strong>der</strong> Praxis ausschlaggebend sind Wunsch desPatienten, Krankheitszustand und -verlauf sowie die Abwägung vonChancen und Risiken im Einzelfall.Schlagwörter: Opiatfreiheit, Abstinenz, Therapieziele, Opiatabhängigkeit,Heroin, SubstitutionAbstractAbstinence as a Treatment Goal in Opiate Maintenance Treatments:Frequency and RisksBackground: Abstinence of illegal opioids as well as of the drug is consi<strong>der</strong>edas a core treatment goal of opioid maintenance treatment inGermany. Little is known though about how often this challenging aim iseffectively reached as well as whether this treatment goal is associatedwith significant risks for patients.Method: N = 2.284 eligible patients of a longitudinal-prospectivenaturalistic study were assessed at 6-year-follow-up. Patients who hadbeen rated by their physician as having become "abstinent" for at least3 months and did not use any opioids – as ascertained by drug screens –were classified as abstinent.Results: Abstinence overall was rare and rarely a stable. Most patientswho had been abstinent at t 2were in substitution again at t 3. Only onethird of physicians rated abstinence as being a realistic therapy goal andonly in 21% of the patients at least one attempt was done in course of 6years of treatment. Of patients the physician pursued abstinence as agoal for them, about one in two achieved abstinence for at least 3 months,though overall only 4% of patients were classified as abstinent as verifiedby urine testing. In institutions with higher abstinence orientation thereis a substantially increased risk for an unstable course of patients (i.e. dropout and mortality risk).Conclusions: Abstinence is not a realistic therapy goal for the majority ofphysicians and it is rarely achieved in the long-term. Settings with apronounced abstinence orientation revealed substantially increasedrisks for patients. The decisive factors in practice are the wish of the patient,medical health status and course as well as the consi<strong>der</strong>ation of chancesand risk in the particular case.Keywords: Abstinence, therapy goals, opioid dependence, heroin,methadone maintenance<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie * wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführtund aus diesen Mitteln finanziert. Es erfolgte eine Prüfung durch die Ethikkommission<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden (EK313122007) sowie die Registrierung <strong>der</strong> Studie beim National Institute for Health (NIH)in Washington D.C. (NCT-ID: NCT00673647).Mitarbeiter des <strong>PREMOS</strong>-Projektes sind: Prof. Dr. H.-U. Wittchen, Dipl.-Psych. A. Trä<strong>der</strong>,Dipl.-Psych. S. Trautmann, Dipl.-Psych. K. Mark, Dipl.-Psych. K. Langer, Dipl.-Psych. C. Wolf(Dresden), Prof. Dr. G. Bühringer (Dresden/München), PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg), Prof. Dr. M. Schäfer (Essen),Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer (Wien),Prof. N. Scherbaum (Essen).*Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und OutcomeSuchtmed 13 (5) 253 2011 – 257 (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg253


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ABSTINENZ ALS BEHANDLUNGSZIEL1 EINLEITUNGOpioidfreiheit im Sinne vollständiger Abstinenz sowohlvon illegalen Opioiden als auch dem Substitutionsmittelgilt in Deutschland nach wie vor als eines <strong>der</strong> zentralenvom Substitutionsarzt zu verfolgenden Idealziele einerSubstitutionsbehandlung bei Opioidabhängigkeit. <strong>Die</strong>sesZiel wird durch die Ausführungsbestimmungen zur Substitutionsbehandlungund von den Qualitätssicherungskommissionenauch durchaus formal gefor<strong>der</strong>t; so sind Substitutionsärzteangehalten, in regelmäßigen Abständen dieMöglichkeiten einer Abdosierung mit dem Ziel einer regelhaftenBeendigung zu prüfen und ggf. entsprechende Versucheeinzuleiten, den Patienten entwe<strong>der</strong> in eine nicht substitutgestützte,zumeist langfristige Abstinenztherapie zuüberweisen o<strong>der</strong> ambulant in die Abstinenz zu begleiten.<strong>Die</strong>ses hochgesteckte und durch gesetzliche Grundlagenverankerte Ziel ist allerdings international durchaus ungebräuchlich.International dominiert das Prinzip <strong>der</strong> langfristigenstabilen Substitution, wie bei an<strong>der</strong>en chronischenkörperlichen Erkrankungen auch (vgl. die Notwendigkeit<strong>der</strong> Zuführung von Insulin bei Diabetes mellitus Typ I).Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass diemeisten an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong> nicht über eine <strong>der</strong> deutschen Situationvergleichbare breitere systematische Angebotslagean psychologischen und psychosozialen substitutionsfreienEinrichtungen verfügen, die den Abstinenzprozess begleitenund unterstützen können.Unklar ist zum einen, wie, wie oft und auf welchen Wegendieses anspruchsvolle Ziel tatsächlich in <strong>der</strong> langfristigenSubstitution verfolgt wird, zum an<strong>der</strong>en ob und wennja in welchem Ausmaß es bei konsequentem Verfolgendieses Zieles zu negativen Auswirkungen kommt. Zweifelloskann <strong>der</strong> Versuch einer Abdosierung durchaus mitkritischen Nebenwirkungen assoziiert sein. Hierzu könnendie Steigerung des konkomitanten Drogengebrauchsim Sinne einer Selbstmedikation und die damit erhöhteGefahr eines disziplinarischen Abbruchs <strong>der</strong> Substitutionmit all ihren Risiken (Rückfall, instabiler Verlauf, Kriminalisierung,Infektionsgefahren, Mortalität) gehören. Aufgrunddieser Gefahren und angesichts <strong>der</strong> zumeist multipelgestörten Patienten mit oft kaum kontrollierbaren Risikobündelnwird von vielen Substitutionsärzten das Zielabgelehnt o<strong>der</strong> zumindest relativiert. Vor diesem Hintergrundhat die Neufassung <strong>der</strong> BÄK (2010) dieses Ziel auchkürzlich insofern eingeschränkt, dass das Verfolgen allerSubstitutionsziele, einschließlich Abstinenz, wesentlich von<strong>der</strong> individuellen Situation des Patienten abhängig ist.2 FRAGESTELLUNGENFür Deutschland liegen bislang keine belastbaren empirischenBefunde zur Häufigkeit vor, in <strong>der</strong> dieses Ziel bzw.die Teilziele (abstinenzorientierte Therapie ohne Substitut)erreicht werden. In <strong>der</strong> COBRA-Studie wurde für einen12-Monats-Zeitraum ermittelt, dass 4,4% <strong>der</strong> Patientenin eine abstinenzorientierte Therapie ohne Substitutionverwiesen wurden und weitere 4,2% <strong>der</strong> Patienten dieSubstitution regelhaft beendeten und abstinent wurden(Studiendefinition; insgesamt 8,2% gewichtet, keine doppelteZählung, wenn Abstinente gleichzeitig in abstinenzorientierterBehandlung waren; Wittchen et al. 2008).Mit <strong>PREMOS</strong> wird geprüft,1. ob diese nach 12 Monaten abstinent gewordenen Patientendauerhaft abstinent geblieben sind o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>rückfällig wurden bzw. nach einiger Zeit erneut in eineSubstitutionstherapie verwiesen wurden,2. wie häufig von Substitutionsärzten <strong>der</strong> Versuch einerregelmäßigen Beendigung mit welchem Erfolg vorgenommenwird,3. wie viele Patienten nach 6 Jahren abstinent wurdenund wie stabil diese Abstinenzepisoden sind.4. Über die Angaben <strong>der</strong> individuellen Ziele <strong>der</strong> Ärztesowie ihre globale Selbsteinschätzung einer Abstinenzorientierungkann auch geprüft werden, inwieweit bestimmteRisiken bei einer hohen Abstinenzorientierunggehäuft zu beachten sind.Als abstinent wurden dabei in strenger Definition Patientenbezeichnet, die mindestens drei Monate nicht in Substitutionwaren und keine Opioide konsumierten. <strong>Die</strong>s wurdedurch Arzt- und Patientenaussage sowie Urintest verifiziert.Zu beachten ist, dass darüber hinaus im Folgendenauch vereinzelt Daten berichtet werden, die ausschließlichauf Arzt- o<strong>der</strong> Patientenangaben beruhen.3 ERGEBNISSE1. Blieben die bei t 2abstinent gewordenen Patienten imVerlauf abstinent?Bei <strong>der</strong> Nachuntersuchung zum 12-Monats-Follow-up wardie Substitution bei 89/2.284 Personen (4,2% gewichtet)nach Angabe des Behandlers regelhaft beendet worden;davon n = 42 – also fast je<strong>der</strong> zweite – auch durch Urindrogenscreeningverifiziert über zumindest drei Monate,bei den übrigen 47 konnten keine objektiven Indikatorenzum Abstinenzstatus gewonnen werden.Von den 89 abstinenten t 2-Patienten waren zu t 3:• n = 42 Patienten wie<strong>der</strong> in Substitution. <strong>Die</strong> Substitutionsbehandlungwurde zumeist in dem Jahr nach Abstinenzwie<strong>der</strong> aufgenommen.254 Suchtmed 13 (5) 2011


ABSTINENZ ALS BEHANDLUNGSZIEL | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE• 10 Patienten standen zum Teil mehrfach im Beobachtungsintervallin einer Substitution, waren aber zumZeitpunkt t 3aus unterschiedlichen Gründen nicht substituiert(Haft, Krankenhaus, rückfällig).• 8 Patienten wurden als wie<strong>der</strong>um abstinent (> 3 Monate)nachuntersucht,• 16 Patienten verweigerten eine neuerliche Untersuchung,gaben aber zum Teil (n = 4) an, weiterhin abstinentzu sein, jedoch nicht erneut teilnehmen zu wollen,da sie befürchteten, aufgrund <strong>der</strong> Teilnahme wie<strong>der</strong>rückfällig zu werden.• 13 Patienten konnten nicht aufgefunden werden.Weitere n = 96 (4,4%) Patienten waren zu t 2in eine abstinenzorientierteTherapie gewechselt. Trotz vielfacher Bemühungenist es aus Datenschutzgründen nicht gelungen,über eine t 3-Befragung <strong>der</strong> Einrichtungen den weiteren Aufenthaltsortund Status zu ermitteln. Lediglich 6/96 wurdenzufällig durch Kontaktierung <strong>der</strong> ehemalig behandelndenEinrichtung wie<strong>der</strong> aufgefunden. Sie befanden sich inSubstitution (3 stabil, 3 instabil).2. Wie häufig wurden Versuche einer regelhaften Beendigungmit dem Ziel Abstinenz unternommen?Konsistent mit den Behandlungszielangaben <strong>der</strong> behandelndenSubstitutionsärzte zu t 1, in denen nur knapp einDrittel das Behandlungsziel "Abstinenz" als realistischeinstuften, wurde auch nur bei 21% aller Patienten imVerlauf zumindest ein Versuch unternommen, bei 15% nureinmal, bei 3,5% zweimal, bei 2,4% dreimal o<strong>der</strong> mehrals dreimal (➤ Abb. 1). Bei etwa jedem zweiten Patientenmit mindestens einem Versuch wurde nach Angaben <strong>der</strong>Ärzte auch eine zumindest dreimonatige Abstinenz erreicht(9,6% aller Patienten), wobei diese Zahlen nicht mit demuntersuchten Abstinenzstatus zu t 3verwechselt werden dürfen.Zum Zeitpunkt t 3wurden 7,3% aller untersuchten t 3-Patienten als abstinent klassifiziert (beachte Unterschiedzur Studiendefinition stabiler Abstinenz); dabei konnte bei<strong>der</strong> Hälfte auch das Drogenscreening durchgeführt werden,das in Übereinstimmung mit den Angaben keineOpioide im Nachweis zeigte. <strong>Die</strong> Stabilität <strong>der</strong> Abstinenzerscheint bestenfalls temporär gegeben, da nur wenige Patientengefunden werden konnten, bei denen über mehrereJahre Arzt und Patient Substitutions- und Opioidfreiheitals dauerhaft angaben.3. AbstinenzorientierungIn verschiedenen Arbeitsschritten wurde versucht, für diebehandelnden Einrichtungen aufgrund ihrer Charakteristikaund Behandlungsphilosophien einen einheitlichen Indikatorensatzfür Abstinenzorientierung abzuleiten (Trautmann2010; s.a. Kap 7.9). Deshalb wurde <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong>Abstinenzorientierung patientenbezogen aufgrund <strong>der</strong>Baseline-Daten für die gesamte t 3-Stichprobe berechnet unddiese Einrichtungstypologie konfirmatorisch herangezogen.➤ Tab. 1 zeigt für die 1.624 t 3-Patienten ausgewählteOutcomemaße nach dem Ausmaß <strong>der</strong> Abstinenzorientierungihrer behandelnden Ärzte auf, dabei wurde eine hoheAbstinenzorientierung (n = 503 Patienten) mit einer niedrigeno<strong>der</strong> mittleren Abstinenzorientierung (n = 1.121) verglichen.Da davon ausgegangen werden kann, dass dieseAbstinenzorientierung mit dem Schweregrad <strong>der</strong> Patientenzusammenhängt, wurde die Interaktion mit <strong>der</strong> Schwere<strong>der</strong> Suchterkrankung in die Analyse einbezogen. <strong>Die</strong> Ergebnissezeigen, dass Abstinenzorientierung zu Baseline durchauseinen bemerkenswerten Einfluss auf die Verlaufs- undAbb. 1:Anteil versuchter und erreichter Abstinenzim Verlauf und zu t 3Suchtmed 13 (5) 2011255


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ABSTINENZ ALS BEHANDLUNGSZIELOutcome-Dynamik haben kann. Bei hoher Abstinenzorientierungzeigt sich für Patienten mit einem hohenSchweregrad zu Beginn <strong>der</strong> Behandlung, dass• zwar mehr Patienten zu t 3abstinent sind (8,3% vs.6,2%),• bei weniger Patienten illegale Drogen im Urin (25,3%vs. 37,0%) nachgewiesen wurden• und Patienten im Mittel einen niedrigen t 3-ASI-Wertaufweisen (2,77 vs. 2,96),aber auch, dass:• mehr Patienten versterben (14,2% vs. 10,9%),• weniger Patienten zu t 3in Substitution (58,3% vs. 71%)bzw. stabiler Substitution (11,7% vs. 14%) stehen sowiehäufiger Abbrüche und Unterbrechungen vorkommen(0,44 vs. 0,23).4 DISKUSSIONUnsere Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass:1. Eine regelhafte Beendigung <strong>der</strong> Substitution mit demZiel Abstinenz für die überwiegende Mehrzahl allerteilnehmenden Substitutionsärzte und die Mehrzahlihrer Patienten im langfristigen Therapieverlauf keinsinnvolles Behandlungsziel ist.2. Etwa ein Drittel aller Substitutionsärzte scheint jedochbei überproportional vielen ihrer Patienten wie<strong>der</strong>holtund offensichtlich bewusst forciert (Aussagen im Einrichtungsbogen)das Ziel <strong>der</strong> Abdosierung und Abstinenzzu verfolgen. Da keine Hinweise darauf gefundenwurden, dass dies durch die bei <strong>PREMOS</strong> untersuchtenMerkmale <strong>der</strong> Patienten (Schweregrad, DauerTabelle 1: Abstinenzorientierung <strong>der</strong> Ärzte und t 3-Outcomes in <strong>der</strong> Auswertungsstichprobe (ohne Verstorbene n = 131)t 3-OutcomeGesamt n = 1624Abstinenz nicht als Therapieziel Abstinenz als Therapiezieln = 1121 n = 503 VergleichASI ≤ 3.5 ASI > 3.5 ASI ≤ 3.5 ASI > 3.5 leicht 1 schwer 2n = 780 n = 341 n = 383 n = 120n % n % n % n % p-Wert p-WertVerstorben 53 6.8 37 10.9 24 6.3 17 14.2 0.733 0.031in Substitutionsbehandlung 574 73.6 242 71.0 259 67.6 70 58.3 0.041 0.036Stabile Substitution 105 13.5 49 14.4 39 10.2 14 11.7 0.110 0.458Instabile Substitution 394 50.5 144 42.2 168 43.9 41 34.2 0.030 0.121unbekannter Verlauf 75 9.6 49 14.4 52 13.6 15 12.5 0.042 0.610nicht in Substitutionsbehandlung 153 19.6 62 18.2 100 26.1 33 27.5 0.041 0.036abstinent 72 9.2 21 6.2 37 9.7 10 8.3 0.813 0.413inhaftiert 2 0.3 3 0.9 5 1.3 5 4.2 0.030 0.018stationär 13 1.7 7 2.1 5 1.3 3 2.5 0.639 0.772Therapieabbruch 14 1.8 10 2.9 14 3.7 3 2.5 0.052 0.806unklar 52 6.7 21 6.2 39 10.2 12 10.0 0.036 0.160Konkomitanter Substanzgebrauch*Substanzgebrauch Urintest positiv 3 178 26.0 105 37.0 70 20.5 24 25.3 0.054 0.037Opioidgebrauch Urintest positiv 4 67 9.8 39 13.7 33 9.7 12 12.6 0.958 0.785Anzahl Unterbrechungenletzte 12 Monate, MW (SD)*Häufigkeit <strong>der</strong> Abdosierung mit ZielAbstinenz; MW(SD)*0.19 (0.58) 0.23 (0.60) 0.17 (0.53) 0.44 (0.96) 0.280 0.0000.38 (1.11) 0.30 (0.87) 0.27 (0.77) 0.37 (0.92) 0.000 0.089Addiction Severity Index (ASI); MW(SD)* 1.81 (1.26) 2.96 (1.45) 1.72 (1.18) 2.77 (1.47) 0.015 0.0621Prüfung von Abstinenz nicht als Therapieziel vs. Abstinenz als Therapieziel für Patienten mit niedrigen ASI-Werten (≤ 3.5)2Prüfung von Abstinenz nicht als Therapieziel vs. Abstinenz als Therapieziel für Patienten mit hohen ASI-Werten (> 3.5)3Cannabis ausgenommen4an<strong>der</strong>e Opioide, Wechsel von Methadon zu Buprenorphin, Wechsel von Buprenorphin zu Methadon* ohne verstorbene Patienten256 Suchtmed 13 (5) 2011


ABSTINENZ ALS BEHANDLUNGSZIEL | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEAbb. 2: Voraussetzungen für erfolgreicheAbstinenz<strong>der</strong> Substitution etc.) erklärbar ist, scheint dies dafürzu sprechen, dass es sich hier um eine instituts- bzw.behandlerspezifische Orientierung handelt.3. Das Erreichen einer regelhaften Beendigung mit kurzfristigerAbstinenz (


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | PSYCHOSOZIALE BEGLEITUNG I. D. LANGFRISTIGEN BEHANDLUNG<strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Psychosozialen Begleitung in <strong>der</strong> langfristigenSubstitutionsbehandlungHans-Ulrich Wittchen 1 , Anna Trä<strong>der</strong> 1 , Jens Klotsche 1 , Markus Backmund 2 , Gerhard Bühringer 1,3 ,Jürgen T. Rehm 1,41Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden2Praxiszentrum im Tal (pit), München3Institut für Therapieforschung (IFT), München4Centre for Addiction and Mental Health, Toronto (Canada)Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische UniversitätDresden, Chemnitzer Str. 46, D-01187 Dresden, Email: wittchen@psychologie.tu-dresden.deZusammenfassungHintergrund: Trotz <strong>der</strong> klaren Notwendigkeit einer effizienten psychosozialenBegleitung (PSB) im Rahmen einer Substitutionsbehandlungfehlen bislang empirische Grundlagen zu Stellenwert und Wirksamkeitvor allem im Langzeitverlauf. Fragen zu Art und Häufigkeit eingesetzterFormate, <strong>der</strong> Rolle von PSB als Prädiktor für Verlauf und Outcome sowiewahrgenommene Barrieren in <strong>der</strong> Umsetzung sind bislang ungelöst.Methode: N = 2.284 eligible Patienten wurden im Rahmen einer deutschlandweitrepräsentativen, klinisch-epidemiologischen Studienkohortezum 6-Jahres-Follow-up untersucht. Zusätzlich wurden Daten aus demEinrichtungsbogen einbezogen, um eine differenzierte Beschreibung<strong>der</strong> versorgungsstrukturellen und konzeptuellen Bedingungen aus ArztundPatientenperspektive zu ermöglichen.Ergebnisse: <strong>Die</strong> überwiegende Mehrzahl <strong>der</strong> Patienten erhielt eine PSBinnerhalb <strong>der</strong> Substitutionseinrichtung (76%), 61% bei Drogenberatungsstellen,12% bei Psychologen und Psychotherapeuten, 11% beiFamilien-/Paarberatungen, 14% bei Sozialdiensten. Im langfristigenVerlauf ergab sich eine deutliche Reduktion des Anteils <strong>der</strong> Patienten(nur je<strong>der</strong> zweite) und <strong>der</strong> Häufigkeit einer Inanspruchnahme, obwohlfast alle Ärzte eine soziale Stabilisierung nach wie vor als prioritär ansahen(91%). Versorgungsdefizite spielten nur eine untergeordnete Rollevor allem im ländlichen/kleinstädtischen Bereich. Ein systematischerEinfluss hoher PSB-Intensität auf bedeutsam positivere Outcomes wurdenicht gefunden, allerdings erhielten Patienten mit instabilem Verlaufvermehrt PSB-Maßnahmen.Schlussfolgerungen: <strong>Die</strong> psychosoziale Begleitung (PSB) im Langzeitverlaufist durch eine wachsende Variabilität hinsichtlich Häufigkeit ihresEinsatzes sowie <strong>der</strong> Anwendungsformate gekennzeichnet. Ihr Stellenwertist offensichtlich ein an<strong>der</strong>er als in frühen initalen Stadien <strong>der</strong>Substitution. Randomisierte klinische Studien sind erfor<strong>der</strong>lich, um ihrenStellenwert und ihre vielversprechendsten Strategien für denLangzeitverlauf zu bestimmen.Schlagwörter: Psychosoziale Betreuung, Opiatabhängigkeit, Heroin,SubstitutionAbstractThe role of Psychosocial Interventions in Long-term Opiate-maintenanceTreatment of Opioid-Dependent Patients in GermanyBackground: There is a lack of scientific studies regarding to the role andeffectiveness of adjuvant psychosocial interventions especially withregard to its role in the long-term management of opiate maintenancetreatment. Core issues about type, frequency, and the role of psychosocialtreatment as a predictor of treatment course and outcome as wellas perceived barriers in implementation are unresolved.Method: N = 2.284 eligible patients of a longitudinal-prospective naturalisticstudy were assessed at 6-year-follow-up and analysed withregard to psychosocial treatment components. Patient and physiciandata were supplemented by data from the treatment facility.Results: Most of the patients received psychosocial treatment componentswithin substituting settings (76%), 61% in drug counselingcenters, 12% by psychologists and psychotherapists, 11% in family andcouples counselling, 14% by social services. In long-term course both,the proportion of patients receiving any psychosocial intervention aswell as the overall frequency of such intervention decreased significantly,even though social stabilizing was still reported as a goal by nearly all ofthe physicians (91%). Availability of treatment resources did not play adecisive role except for rural areas. There was no systematic measurableeffect of psychosocial treatments on better outcomes; patients with aninstable course received the highest degree of psychosocial interventions.Conclusions: Provision of psychosocial intervention is extremely variablein the longterm treatment. The role and value appears to be quitedifferent in longterm substitution as compared to early stages.Randomized clinical trials including cost-benefit-analyses are neededto provide solid evidence for the utility and effectiveness and mostsuitable formats.Keywords: Psychosocial care, opioid dependence, heroin, methadonemaintenance<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie * wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführtund aus diesen Mitteln finanziert. Es erfolgte eine Prüfung durch die Ethikkommission<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden (EK313122007) sowie die Registrierung <strong>der</strong> Studie beim National Institute for Health (NIH)in Washington D.C. (NCT-ID: NCT00673647).Mitarbeiter des <strong>PREMOS</strong>-Projektes sind: Prof. Dr. H.-U. Wittchen, Dipl.-Psych. A. Trä<strong>der</strong>,Dipl.-Psych. S. Trautmann, Dipl.-Psych. K. Mark, Dipl.-Psych. K. Langer, Dipl.-Psych. C. Wolf(Dresden), Prof. Dr. G. Bühringer (Dresden/München), PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg), Prof. Dr. M. Schäfer (Essen),Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer (Wien),Prof. N. Scherbaum (Essen).*Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und Outcome258 Suchtmed 13 Suchtmed (5) 258 – 13 262 (5) (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg


PSYCHOSOZIALE BEGLEITUNG I. D. LANGFRISTIGEN BEHANDLUNG | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE1 EINLEITUNG<strong>Die</strong> Notwendigkeit einer effizienten psychologischen (Woodyet al. 1983, 1984, 1987, 1995) sowie psychosozialen Begleitung(Pren<strong>der</strong>gast et al. 2000; NICE 2007; Drake etal. 2008; Dutra et al. 2008) bei einer medikamentengestütztenBehandlung Opioidabhängiger ist unumstritten.Bislang fehlt jedoch eine empirische Basis zum Stellenwertund zur Wirksamkeit <strong>der</strong> verschiedenen Formate undModalitäten von psychosozialen Beratungsinterventionen.<strong>Die</strong>s gilt vor allem im Hinblick auf den Langzeitverlauf.Selbst für die Akutbehandlung ist umstritten und unklar,was eine psychosoziale Begleitung genau beinhaltet. Nichtabschließend geklärt ist auch, welche Bedeutung sie füreine erfolgreiche Substitutionsbehandlung hat (Amato etal. 2008a, 2008b).Allgemein kann die psychosoziale Betreuung als ein nie<strong>der</strong>schwelligesGesprächsangebot für die Betroffenen definiertwerden. PSB soll bei <strong>der</strong> Orientierung im Umgang mitÄmtern, Formularen und Anträgen helfen, Informationüber Hilfsangebote vermitteln und im sozialen RahmenMöglichkeiten <strong>der</strong> beruflichen Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung eröffnen.<strong>Die</strong> psychosoziale Betreuung konfrontiert aber auchmit Verhaltensauffälligkeiten und soll die Verbindung zumArzt herstellen und aufrechterhalten. <strong>Die</strong> Drogensozialarbeitals etablierte institutionalisierte Komponente des PSB-Versorgungssystems vermittelt den Kontakt zu Institutionendes sozialen Netzes und zur Lebenswelt des Patienten(z.B. Drogenkonsum, Umgang, Wohnen, Gerichte, Arbeit,Kin<strong>der</strong>). Sie soll dem Arzt ein notwendiges Korrektiv fürdie Beurteilung <strong>der</strong> sozialen und persönlichen Entwicklungdes Patienten sein. In <strong>der</strong> Substitutionsschwerpunktpraxisist es <strong>der</strong> Idealfall, dass die PSB-Drogensozialarbeitin das Team <strong>der</strong> behandelnden Ärzte und des Krankenpflegepersonalsintegriert ist. In weniger gut ausgestattetenSubstitutionspraxen werden PSB-Aufgaben aber in <strong>der</strong> Regelüber Kooperationen mit bestehenden <strong>Die</strong>nsten außerhalb<strong>der</strong> Einrichtung o<strong>der</strong> im Falle ihres Fehlens durchausnur rudimentär in <strong>der</strong> Praxis durch den Arzt realisiert.Erschwerend kommt hinzu, dass die Grenzen zwischensozialen Interventionen, Beratung und lebenspraktischerHilfestellung ebenso wie die Überlappungen mit explizitenpsychologischen o<strong>der</strong> gar psychotherapeutischen Interventioneno<strong>der</strong> sozialpsychiatrischen Ansätzen nach wievor fließend sind. Zudem grenzen sich die bestehendenunterschiedlichen Hilfesysteme (soziale, psychologische,medizinische) oft voneinan<strong>der</strong> ab statt in Schnittbereichensynergetisch zu kooperieren.Ungeachtet <strong>der</strong> deutschlandspezifischen sozial- und versicherungsrechtlichenRegelungen von psychosozialer Begleitungals integralem Bestandteil einer Substitutionstherapieist zusammenfassend bislang unklar, was genau eineadäquate und effektive psychosoziale Begleitung im Detailausmacht und vor allem welchen Stellenwert sie in<strong>der</strong> langfristigen Substitution einnimmt.Aus kontrollierten Studien zur Kurzzeit-(6- bzw. 12-Monats-)Effektivitäteiner Substitutionsbehandlung sind durchauswohldefinierte Manuale zu einer optimierten PSB hervorgegangen.Aus einigen wenigen kontrollierten Studien(z.B. Modellprojekt <strong>der</strong> heroingestützten Behandlung) liegensehr umfangreiche Operationalisierungen zu Form,Struktur und Inhalt einer optimierten PSB vor (Komponenten:Drogenberatung mit Psychoedukation, 16 wöchentlicheGruppensitzungen, Case-Management als strukturierte,personenzentrierte und nachgehende Maßnahme mitmotivieren<strong>der</strong> Gesprächsführung). Für diese sind gute Akzeptanzseitens <strong>der</strong> Patienten, verbesserte Compliance bei<strong>der</strong> Substitutionsbehandlung sowie verbesserte Outcomesnachgewiesen.Allerdings ist fraglich, ob diese Ergebnisse erstens auchauf den Langzeitverlauf und zweitens überhaupt auf dieRoutineversorgung übertragbar sind, da wohl an keinerEinrichtung entsprechende Personal- und Kompetenzstrukturenverfügbar und finanzierbar sind.2 FRAGESTELLUNGEN<strong>PREMOS</strong> kann als naturalistische Verlaufsstudie an einerPrävalenzstichprobe höchst heterogener Patienten und Einrichtungennatürlich keine Aussagen zur Wirksamkeit treffen.Ebenso wenig kann die grundsätzliche Frage geklärtwerden, welche Wirkungen eine gezielte Betreuung in <strong>der</strong>Langzeitsubstitution haben sollte bzw. welche Formate undUmsetzungsstrategien am besten geeignet sind. Was <strong>PREMOS</strong>allerdings als Erkenntnisgewinn beitragen kann, sind Antwortenzu folgenden Fragen:1. Wie oft und wie häufig kommen PSB-Maßnahmen imlangfristigen Verlauf <strong>der</strong> medikamentengestützten Therapievon Opioidabhängigkeit zur Anwendung?2. Hat eine hohe PSB-Intensität zur Baseline einen Einflussauf den langfristigen Verlauf bzw. hat eine hohePSB-Intensität im Verlauf und zu t 3einen Einfluss?3. Welche Modelle und Formate <strong>der</strong> PSB werden im langfristigenVerlauf am häufigsten eingesetzt?4. Wie beurteilen Patienten und Ärzte die PSB und ihreNotwendigkeit im Langzeitverlauf und welche Barrierenerfahren sie bei <strong>der</strong>en Umsetzung?3 METHODIKIn <strong>PREMOS</strong> wurde eine Deskription und Analyse allerpsychologischen, psychiatrischen, psychotherapeutischenSuchtmed 13 (5) 2011259


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | PSYCHOSOZIALE BEGLEITUNG I. D. LANGFRISTIGEN BEHANDLUNGund sozialen Interventionen und Angebote vorgenommen,die Patienten in ihrer Substitutionsbehandlung erhalten.<strong>Die</strong> Studie hat hierzu differenzierte Beschreibungen (z.B.WHO care modalities) <strong>der</strong> versorgungsstrukturellen undkonzeptuellen Bedingungen wie auch <strong>der</strong> individuellen patientenbezogenenAktivitäten berücksichtigt. Damit ist essowohl aus Arzt- wie auch Patientenperspektive möglich,einige für die psychosozialen Interventionen relevanten Elementezu beschreiben und ihren Einfluss auf den Outcomezu betrachten. Allerdings muss betont werden, dass angesichts<strong>der</strong> Heterogenität <strong>der</strong> Einrichtungen und Patientensowie des deskriptiven Charakters <strong>der</strong> Studie eine Aussagezum Einfluss psychosozialer Maßnahmen (z.B. bezüglichArt und Intensität <strong>der</strong> Konzepte und Maßnahmen) aufVerlauf und Ergebnis <strong>der</strong> Substitution nicht möglich ist.heißt, dass die überwiegende Mehrzahl neben <strong>der</strong> Substitutionseinrichtungzumindest einen an<strong>der</strong>en psychosozialen<strong>Die</strong>nst im weitesten Sinne in Anspruch genommen hat.Im langfristigen Verlauf ergab sich bis zu t 3eine deutlicheReduktion <strong>der</strong> Inanspruchnahme einer PSB. <strong>Die</strong>ser Rückgangzeigt sich hinsichtlich des Anteils <strong>der</strong> Patienten miteiner PSB wie auch in <strong>der</strong> Häufigkeit <strong>der</strong> Inanspruchnahme:nur je<strong>der</strong> zweite Substitutionspatient gab in dem 12-Monatszeitraum vor <strong>der</strong> 6-Jahres-Untersuchung noch dieNutzung von PSB-Maßnahmen an. <strong>Die</strong>ser Rückgang hinsichtlichHäufigkeit und Art korrespondiert nicht mit <strong>der</strong>ärztlichen Interventionspriorität: nach wie vor geben 91,7%aller Ärzte eine soziale Stabilisierung als prioritär an.Allerdings scheinen die realistischen Interventionsmöglichkeitenzu t 3bei vielen Patienten ausgeschöpft zu sein.4 ERGEBNISSEa) PSB-Form und -Intensität bei Baseline t 1und t 3-Follow-upZu Baseline ergab sich nahezu bei allen Patienten – inÜbereinstimmung mit dem breiten Spektrum <strong>der</strong> Behandlungsziele<strong>der</strong> Substitutionsärzte hinsichtlich z.B. sozialerStabilisierung (bei 97,7% <strong>der</strong> Patienten) – eine relativhohe Intensität von PSB-Maßnahmen im engeren Sinne(➤ Tab. A6 – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin):75,9% erhielten diese innerhalb <strong>der</strong> Substitutionseinrichtung,60,9% bei Drogenberatungsstellen bzw. 12,1% beiPsychologen und Psychotherapeuten. Zusätzlich wurdenan<strong>der</strong>e Beratungsstellen (Familien-/Paarberatung: 11,3%),Sozialdienste 14,4% und an<strong>der</strong>e 12,3% angegeben. DasWie ➤ Abb. 1 zeigt, geben die behandelnden Ärzte füreinen hohen Prozentsatz (24,7-82,8%) ihrer Patienten an,dass eine entsprechende Intervention "nicht erfor<strong>der</strong>lich"scheint bzw. dass diese bereits zufriedenstellend realisiertsei. Kapazitäre Probleme bzw. Versorgungsengpässe scheinenmit Ausnahme von Maßnahmen hinsichtlich Berufund Arbeit keine wesentliche Rolle zu spielen.b) Haben Patienten mit hoher PSB-Inanspruchnahme zuBaseline einen besseren t 3-Ausgang?Sowohl bei Berücksichtigung <strong>der</strong> primären Outcomegruppen(Mortalität, stabile und instabile Abstinente etc.) wieauch Berücksichtigung <strong>der</strong> Unterbrechungshäufigkeit, demAbb. 1:Einschätzung <strong>der</strong> Ärzte zur Notwendigkeitverschiedener psychosozialer Interventionen260 Suchtmed 13 (5) 2011


PSYCHOSOZIALE BEGLEITUNG I. D. LANGFRISTIGEN BEHANDLUNG | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEBeikonsum und den dimensionalen Outcomes finden sichkeine interpretierbaren Effekte, die einen Einfluss <strong>der</strong> PSB-Intensität bei Baseline auf die Effektgrößen beim 1-Jahres-o<strong>der</strong> 6-Jahres-Outcome nahelegen. Bei den Vergleichenkeine vs. mittlere und hohe PSB-Nutzung ergabensich mit zwei Ausnahmen keine signifikanten Unterschiede:Zum einen zeigen Patienten mit hoher PSB-Intensitäteinen signifikant höheren Mittelwert in <strong>der</strong> Anzahl vonUnterbrechungen als die Patienten, die PSB in mittleremAusmaß o<strong>der</strong> gar nicht erhielten (hoch: 0,55 Unterbrechungenvon t 1-t 3vs. mittel: 0,34 bzw. keine PSB: 0,39;p = .007). Hohe PSB-Intensität scheint ferner mit niedrigerenBeikonsumraten von Opioiden (positiver Urintest) insgesamtassoziiert zu sein (Opioide hohe PSB-Intensität:8,5% vs. 10,5% bei mittlerer und 14,7% bei keiner PSB;p = .024). Ein ähnliches Bild ergibt sich bei sonstigemernsthaften Beikonsum (23,5% für hohe PSB-Intensität vs.35,3% für keine PSB; p = .003). Bei den übrigen Maßengilt tendenziell, dass auffällige Verän<strong>der</strong>ungen eher gegenläufigsind, das heißt, Patienten mit schlechteren Outcomesergeben sich häufiger in <strong>der</strong> PSB-Gruppe mit hoherIntensität (➤ Tab. C2 im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin).Ebenso wurde geprüft, ob bei Durchführung <strong>der</strong> PSB außerhalb<strong>der</strong> Substitutionseinrichtung an<strong>der</strong>e Ergebnisse resultieren.Es zeigen sich mit Ausnahme eines signifikantungünstigeren ASI-Wertes bei hoher vs. mittlerer PSB-Intensitätund nicht durchgeführter PSB keine signifikantenUnterschiede.c) Ist eine intensive Nutzung <strong>der</strong> PSB mit einer Verringerungdes Beikonsums assoziiert?Es ergeben sich keine Hinweise auf Zusammenhänge vonhoher PSB-Intensität, Haltequote, Beikonsum und dimensionalenOutcomemaßen. Wie<strong>der</strong>um legen die Daten nahe,dass bei negativeren Outcomes (z.B. instabile Substitution,Unterbrechungen, Beikonsum – alle Unterschiede nichtsignifikant auf dem 1%-Niveau – PSB-Maßnahmen häufigereingesetzt werden als bei positiven Outcome-Konstellationen.Aus ➤ Abb. 2 wird ersichtlich, dass zu t 3bei deninstabilen Patienten häufiger PSB-Maßnahmen angegebenwerden als bei den stabilen Verläufen (➤ Tab. C2 imAnhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin).5 DISKUSSION<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Befunde zeigen – auch bei Berücksichtigung<strong>der</strong> methodischen Einschränkungen – recht eindrucksvoll,dass sich <strong>der</strong> Stellenwert <strong>der</strong> PSB im langfristigen 6-Jahres-Verlaufgegenüber <strong>der</strong> Baseline deutlich verän<strong>der</strong>t:1. Insgesamt kommt es zu einer deutlichen Reduktion <strong>der</strong>PSB-Inanspruchnahme und ihrer Intensität. Offensichtlichsehen die behandelnden Ärzte bei nahezu jedemzweiten Patienten unter Berücksichtigung des Machbareneinen "Deckeneffekt" erreicht, das heißt, sieschätzen eine explizite PSB entwe<strong>der</strong> gar nicht mehro<strong>der</strong> nur noch in geringem Umfang als notwendig ein.2. Bei <strong>der</strong> Entscheidung spielen offensichtlich kapazitärebzw. Versorgungsdefizite aus Sicht <strong>der</strong> Substitutionseinrichtungnur eine untergeordnete Rolle.3. Es gibt we<strong>der</strong> Hinweise darauf, dass eine hohe PSB zuBaseline noch zu einem <strong>der</strong> Follow-ups einen nachweisbarensystematischen Einfluss auf ein bedeutsampositiveres Outcomemuster hat. Wenn es Zusammenhängegibt, dann weisen diese tendenziell dahin, dassPatienten mit instabilem und schlechterem Verlauf vermehrtPSB-Maßnahmen erhalten. <strong>Die</strong>s scheint anzudeuten,dass die PSB sinnvollerweise dann intensiviertAbb. 2:Häufigkeit <strong>der</strong> Anwendung von PSB-Maßnahmenbei temporär stabilem und instabilemSubstitutionsverlaufSuchtmed 13 (5) 2011261


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | PSYCHOSOZIALE BEGLEITUNG I. D. LANGFRISTIGEN BEHANDLUNGwird, wenn beim Patienten akut o<strong>der</strong> chronisch gehäuftProbleme auftreten.<strong>Die</strong>se Hauptbefunde, die keinen erwarteten positiven Effekteiner PSB erkennen lassen, können für naturalistischeVerlaufsstudien als durchaus typisch angesehen werden.Hieraus lassen sich aber – im Gegensatz zu randomisiertenkontrollierten Studien – keine belastbaren Aussagen überdie Effizienz o<strong>der</strong> Ineffizienz von PSB-Maßnahmen ableiten.Allerdings scheint es notwendig und durchaus sinnvollsein, zukünftig die geeigneten Betreuungsformate, ihreEffektivität und ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis in <strong>der</strong>artigenStudien zu prüfen mit dem Ziel <strong>der</strong> Ableitung empirischgestützter Leitlinien und einer praxisnahen Anpassung<strong>der</strong> Ausführungsbestimmungen.<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Daten legen nahe, neue Ausführungsbestimmungenfür die PSB im langfristigen Verlauf zu entwickeln.Aufgrund <strong>der</strong> beobachteten Diskrepanz zwischenärztlicher Einschätzung <strong>der</strong> Notwendigkeit einer PSB und<strong>der</strong> tatsächlich sehr viel geringeren Nutzung <strong>der</strong> PSB imUntersuchungsverlauf liegt nahe anzuregen, die einzelnenTeilbereiche des Hilfebedarfs aufgrund einer Anfangsdiagnosesowie die möglichen Leistungen <strong>der</strong> PSB (innerhalbund außerhalb <strong>der</strong> Substitutionseinrichtung) stärkerzu präzisieren, den im Langzeitverlauf erfolgten Verän<strong>der</strong>ungenanzupassen und in einem Leistungskatalog festzuhaltensowie die Maßnahmen jeweils im individuellenEinzelfall nach Bedarf und Dauer festzulegen.Darüber hinaus ist es notwendig, dass pro Fall durch eineentsprechende Koordination sichergestellt wird, dass Nutzungund Fortschritt <strong>der</strong> PSB regelmäßig dokumentiert undvon den beteiligten Stellen gemeinsam besprochen wird.Angesichts <strong>der</strong> häufigen laienhaften Fehlwahrnehmung,dass eine PSB auch den Behandlungsbedarf hinsichtlichmanifester psychiatrischer Erkrankungen befriedigen kann,ist eine klare Abgrenzung von psychiatrischer und psychotherapeutischerTherapie auf <strong>der</strong> einen sowie psychosozialenBetreuungsmaßnahmen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite dringen<strong>der</strong>for<strong>der</strong>lich.Literatur ist im Gesamtliteraturverzeichnis ausgewiesen,S. 296.262 Suchtmed 13 (5) 2011


ROLLE UND DOSIERUNG DES SUBSTITUTIONSMITTELS | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE<strong>Die</strong> Rolle des Substitutionsmittels und seiner Dosierung in <strong>der</strong>langfristigen SubstitutionsbehandlungHans-Ulrich Wittchen 1 , Anna Trä<strong>der</strong> 1 , Jens Klotsche 1 , Markus Backmund 2 , Gerhard Bühringer 1,3 ,Jürgen T. Rehm 1,4 , Michael Soyka 5,61Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden2Praxiszentrum im Tal (pit), München3Institut für Therapieforschung (IFT), München4Centre for Addiction and Mental Health, Toronto (Canada)5Psychiatrische Klinik, Universität München6Privatklinik Meiringen, MeiringenKorrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische UniversitätDresden, Chemnitzer Str. 46, D-01187 Dresden, Email: wittchen@psychologie.tu-dresden.deZusammenfassungHintergrund: In einigen Studien werden Hinweise auf eine differenzielleEignung von Methadon (MET), Buprenorphin (BUP) und Levomethadon(LEVO) für Patientensubgruppen diskutiert. Neben Korrelaten niedrigerund hoher Dosen werden auch Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Dosierungshöhe imLangzeitverlauf und <strong>der</strong>en Auswirkung auf Behandlungsoutcomes betrachtet.Methode: Grundlage waren Patienten <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Kohorte, bei denenüber den 6-Jahres-Follow-up-Zeitraum kein Substitutswechsel erfolgte(MET: n = 775, LEVO: n = 168, BUP: n = 196).Ergebnisse: <strong>Die</strong> Dauer <strong>der</strong> aktuellen Substitution als indirektes Maß fürdie Stabilität einer Substitutionsbehandlung erhöhte sich bei allen Substanzensignifikant im Verlauf. Der Anteil niedrig dosierter MET-Patientensank, während <strong>der</strong> Anteil hoch dosierter zunahm; ein gegenläufigesMuster zeigte sich jedoch bei LEVO. <strong>Die</strong> empfohlene Erhaltungsdosiswurde bei einem Drittel <strong>der</strong> Patienten zu allen Erhebungszeitpunktenunterschritten. Unter MET zeigte sich höherer Beikonsum als bei BUP,eine niedrigere Haltequote und häufigere Unterbrechungen als beiLEVO sowie eine geringere Rate stabil Substituierter als unter LEVO undBUP. <strong>Die</strong> Rate abstinent gewordener Patienten war für LEVO deutlichniedriger als bei MET und BUP. BUP-Patienten zeigten eine ausgeprägtereBesserung von Suchtschweregrad und psychopathologischer Gesamtbelastungals MET- und LEVO-Patienten.Schlussfolgerungen: Eine tendenziell günstigere Prognose im Vergleichzu MET zeigte sich für LEVO in einigen und für BUP in mehreren Indikatoren.<strong>Die</strong> Befunde weisen auf differenzielle Indikationsstrategien vielerÄrzte hin; <strong>der</strong> Nachweis einer grundsätzlichen Überlegenheit vonBUP bleibt kontrollierten klinischen Studien vorbehalten.Schlagwörter: Methadon, Buprenorphin, Dosierung, Opiatabhängigkeit,Heroin, SubstitutionAbstractThe Role of Different Substitution Drugs and Dosage in Long-termOpiate Maintenance TreatmentBackground: The differential efficacy of methadone (MET), buprenorphine(BUP) and levomethadone (LEVO) as well as the implications ofdosages in the long-term Opiate Maintenance Treatment is controversiallydiscussed.Method: Analyses are based on patients of <strong>PREMOS</strong> cohort who did notreceive different substitutes in 6-year follow-up period (MET: n = 775,LEVO: n = 168, BUP: n = 196).Results: Duration of current substitution – as an indirect measure oftreatment stability – increased significantly with all substances. The rateof low-doses among MET-patients decreased, whereas the rate of thosewith higher dosages increased, the reverse pattern was found for LEVO.One third of all patients received lower maintenance dose than recommended.There was higher concomitant substance use un<strong>der</strong> METthan un<strong>der</strong> BUP, a lower retention rate and more treatment interruptionsthan with LEVO as well as a lower rate of patients in stable substitutionthan un<strong>der</strong> LEVO and BUP. There were fewer patients who had becomeabstinent un<strong>der</strong> LEVO than un<strong>der</strong> MET and BUP. Patients who had beentreated with BUP showed better improvement in addiction severity andpsychopathological symptoms as the two comparators.Conclusions: In comparison to MET a better prognosis was found for LEVOin a few and for BUP in several indicators. Findings suggest differentialindication strategies of many physicians. Randomized clinical trials areneeded to provide firmer evidence for these findings observed in thisnaturalistic study.Keywords: Methadone, buprenorphine, dose, heroin, maintenancetreatment<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie * wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführtund aus diesen Mitteln finanziert. Es erfolgte eine Prüfung durch die Ethikkommission<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden (EK313122007) sowie die Registrierung <strong>der</strong> Studie beim National Institute for Health (NIH)in Washington D.C. (NCT-ID: NCT00673647).Mitarbeiter des <strong>PREMOS</strong>-Projektes sind: Prof. Dr. H.-U. Wittchen, Dipl.-Psych. A. Trä<strong>der</strong>,Dipl.-Psych. S. Trautmann, Dipl.-Psych. K. Mark, Dipl.-Psych. K. Langer, Dipl.-Psych. C. Wolf(Dresden), Prof. Dr. G. Bühringer (Dresden/München), PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg), Prof. Dr. M. Schäfer (Essen),Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer (Wien),Prof. N. Scherbaum (Essen).*Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und OutcomeSuchtmed 13 (5) 263 2011 – 268 (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg263


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ROLLE UND DOSIERUNG DES SUBSTITUTIONSMITTELS1 EINLEITUNGObwohl es in <strong>der</strong> Literatur durchaus – z.T. umstrittene –Hinweise auf differenzielle Indikationskriterien für Methadon,Levomethadon und Buprenorphin bezüglich einer relativenbesseren Eignung des einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Mittelsim Hinblick auf subgruppenspezifische Probleme, Sicherheitund Effekte auf komorbide psychische Störungen (z.B.antivirale HCV-Therapie Risikogruppen, antidepressiveEffekte) gibt (Barnett et al. 2001; Kakko et al. 2003, 2007;Connock et al. 2007; Bin<strong>der</strong> et al. 2008; Cleary et al.2010; Kamien et al. 2008), spielen diese in <strong>der</strong> Praxisnach den Ergebnissen <strong>der</strong> COBRA-Studie keine entscheidendeRolle bei <strong>der</strong> Wahl des Mittels im Einzelfall.Das einzige signifikante Merkmal, das in <strong>der</strong> COBRA-Studie mit einer häufigen Verschreibung von Buprenorphinassoziiert war, ist die Einrichtungsart: Kleinere und hausärztlicheSettings mit wenigen Patienten präferierten eindeutigBuprenorphin, vor allem bei Patienten am Beginnihrer Substitutionsbehandlung, ohne dass bemerkenswerteUnterschiede in den Patientenmerkmalen hinsichtlichSchweregrad und Komplikationsgrad festgestellt konnten(Wittchen et al. 2008). Entgegen <strong>der</strong> Erwartung wurdenauch keine signifikanten Effekte hinsichtlich <strong>der</strong> Vorteilevon Buprenorphin in Bezug auf verbesserte psychopathologischeBelastungswerte gefunden. <strong>Die</strong>s legt die Vermutungnahe, dass primär Kosten, organisatorische Kriterien(Automat) und persönliche Präferenzen des Arztes eine entscheidendeRolle in <strong>der</strong> kurzfristigen Substitutionstherapiespielen. In diesem Artikel werden – in fortführen<strong>der</strong> Analyse<strong>der</strong> COBRA-Daten – Gemeinsamkeiten und Unterschiede<strong>der</strong> beiden Substitutionsmittel im Hinblick auf Korrelateniedriger und hoher Dosierungen sowie den langfristigenVerlauf und Outcome betrachtet.<strong>Die</strong> Tagesdosis von 60 mg Methadon wird in <strong>der</strong> internationalenFachliteratur oft als Mindestmenge für die Wirksamkeit<strong>der</strong> Therapie mit Methadon definiert (siehe Bertschy& Calanca 1993; APA 1995; California Society of AddictionMedicine 1998; Department of Health 1999). Legt mandiese Definition zugrunde, müsste ein gewichtiger Anteil<strong>der</strong> Patienten in Deutschland aus klinischer Sicht als medikamentösunterbehandelt gelten. Bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong>entsprechenden Mittelwerte aus <strong>der</strong> Voruntersuchung solltebedacht werden, dass die Verteilung <strong>der</strong> Methadondosenüber die Patienten stark einer lognormalen Verteilung ähnelt(d.h. linksgipflig und rechtsschief ist). Somit bedeutetein Mittelwert von 60 mg, dass die meisten PatientInnenunter dem Mittelwert von 60 mg liegen (da in lognormalenVerteilungen Median und Modalwerte niedriger als <strong>der</strong>Mittelwert sind). Ähnlich spielt die Dosierung bei Buprenorphineine entscheidende Rolle (Mattick et al. 2003). Konkretbestehen aufgrund unserer Vorarbeiten zwei Hypothesen:(1) Sinkt die Dosierung unter eine medikamentspezifischeSchwelle, erhöht sich <strong>der</strong> Beikonsum. (2) Je höherdie Dosierung, desto besser das Wohlbefinden.2 FRAGESTELLUNGENAuf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> bei Baseline verschriebenen Substitutionssubstanzwurde untersucht, ob Methadon-, Levomethadon-und Buprenorphin-Behandelte einen unterschiedlichenVerlauf o<strong>der</strong> Outcome zeigen. Dabei wurdenfolgende Fragestellungen bearbeitet:1. Hat sich die Dosierung von Methadon, Levomethadonund Buprenorphin über den Studienverlauf verän<strong>der</strong>t?2. Haben Patienten mit niedrigen Dosierungen einen höherenBeikonsum?3. Unterscheiden sich die Medikamentengruppen hinsichtlich<strong>der</strong> primären Outcomeklassen (Mortalität, Abstinenz,stabile vs. instabile Substitution) sowie den dimensionalenWerten zu t 3?4. Bestätigen sich diese Unterschiede auch bei Kontrollehinsichtlich des initialen Schweregrades und an<strong>der</strong>eretwaiger Unterschiede bei Baseline?3 METHODIKGrundlage <strong>der</strong> Analyse sind alle Patienten, bei denen überden 6-Jahres-Zeitraum hinweg kein Wechsel des Substitutionsmittelserfolgte und die demnach kontinuierlich mitMethadon (n = 775), Levomethadon (n = 168) o<strong>der</strong> Buprenorphin(n = 196) behandelt wurden. (Beachte: <strong>Die</strong> Zahlenweichen von dem n aller Patienten nach Substitutionsmittelab, da nur die kontinuierlich und ohne SubstitutwechselBehandelten hier berücksichtigt werden). Bei den dimensionalenOutcomes werden die verstorbenen Patienten (keineDaten) außer Acht gelassen. Bei den Outcomemaßenwurden die Variablen Haltequote, Unterbrechungen, Dosierung,ASI-Suchtschwere-Score sowie Beikonsum und dieGesamtpsychopathologie berücksichtigt.Zu Baseline unterscheiden sich die Vergleichsgruppen (➤Tab. C3 im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin)hinsichtlich folgen<strong>der</strong> Merkmale: Buprenorphin-Patienten(Alter MW: 34,5 Jahre) sind im Vergleich zu Methadon-Patienten (Alter MW: 35,5 Jahre) und Levomethadon-Patienten(Alter MW: 38,5) etwas jünger und weisen mitdurchschnittlich 14,2 Jahren Opioidkonsum und 5 JahrenSubstitution vor Baseline signifikant niedrigere Vorerkrankungszeitenauf (alle Vergleiche p < .003). Levomethadon-Patienten weisen eine höhere Anzahl von Monaten in <strong>der</strong>aktuellen Substitutionsepisode auf (MW: 25,7 Monate vs.19,7 Monate bei Buprenorphin, p < .000, und 21,8 Mona-264 Suchtmed 13 (5) 2011


ROLLE UND DOSIERUNG DES SUBSTITUTIONSMITTELS | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEte bei Methadon, ns). Buprenorphin-Patienten weisen –bei nicht signifikanten unterschiedlichen Baseline-ASI-Werten– zu t 3deutlich niedrigere ASI-Werte auf (MW: 2,3 vs.2,8; p < .000).Zu Baseline betrug die mittlere Dosierung von Methadon(MET) in <strong>der</strong> Gesamtstichprobe (n = 1.624) 73,5 mg, dievon Levomethadon (LEVO) 47,5 mg und von Buprenorphin(BUP) 7,1 mg. <strong>Die</strong> Baseline-Werte <strong>der</strong> hier betrachtetenTeilstichprobe von Patienten ohne Medikamentenwechselsind nahezu identisch (MET: 73,6, LEVO: 50,1, BUP: 7,0;➤ Tab. C4 im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin), sodass Selektionseffekte unwahrscheinlichsind. Im Folgenden wird von niedrigen Dosierungen gesprochen,wenn die Dosierung für MET < 60 mg, für LEVO< 30 mg und für BUP < 5 mg liegt und von hoher Dosierung,wenn die folgenden Dosierungen überschritten werden:MET > 80 mg, LEVO > 40 mg und BUP > 10 mg.Abb. 1: Tagesdosen Methadon, Levomethadon, Buprenorphin in mgSuchtmed 13 (5) 2011265


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ROLLE UND DOSIERUNG DES SUBSTITUTIONSMITTELS4 ERGEBNISSEa) DosierungBetrachtet man die Dosierungen von Baseline zum t 3-Follow-up,so erkennt man für MET (t 1: 73,6; t 3: 77,0) undLEVO (t 1: 50,1, t 3: 58,2) einen leichten, aber nicht statistischbedeutsamen Anstieg <strong>der</strong> mittleren Dosierung. Beibeiden Gruppen ergeben sich jedoch in den Anteilen gering,mittel und hoch dosierter Patienten signifikante Verschiebungenin Richtung höherer Dosierungen (p < .000).<strong>Die</strong>se Effekte sind substitutionsmittelabhängig unterschiedlichbedingt. Bei MET sinkt zu t 3<strong>der</strong> Anteil niedrig dosierterPatienten ab und <strong>der</strong> Anteil hoch Dosierter nimmt zu,bei LEVO sieht man ein gegenläufiges Muster, <strong>der</strong> Anteilniedrig Dosierter nimmt zu, <strong>der</strong> Anteil hoch Dosierter nimmtab. Der bemerkenswert hohe Anteil hoher Methadondosierungenzu t 1steigt zu t 3weiter an (13,6%).Demgegenüber bleibt die mittlere Dosis und die Verteilungfür BUP weitgehend unverän<strong>der</strong>t (➤ Abb. 1).<strong>Die</strong> in allen drei Gruppen deutlich höhere mittlere zeitlicheStabilität <strong>der</strong> Substitution zu t 3zeigt sich eindrucksvollan <strong>der</strong> mittleren Länge <strong>der</strong> aktuellen Substitution,die sich bei Methadon im Mittel von 18,8 auf 21,8 Monate,bei Levomethadon von 21,1 auf 25,7 Monate, und beiBuprenorphin von 8,8 auf 10,7 Monate erhöht (alle Unterschiedep < .000; ➤ Tab. C3 im Anhang – www.ecomedmedizin.de/suchtmedizin).b) Dosierungshöhe, Beikonsum und Befinden<strong>Die</strong> vielfach vermutete Hypothese, dass viele Substituiertemöglicherweise eine zu niedrige Dosis erhalten, bestätigtsich eindrucksvoll durch die <strong>PREMOS</strong>-Befunde. Selbstwenn unterstellt wird, dass sich ein Viertel aller Patientenaktuell in einer Abdosierungsphase befinden, ist <strong>der</strong> Befund,dass mehr als ein Drittel aller <strong>PREMOS</strong>-Patientenweniger als die minimal empfohlene Erhaltungsdosierungerhalten, bemerkenswert.Zur Prüfung <strong>der</strong> naheliegenden Hypothese, dass sich beiniedrigen Dosierungen <strong>der</strong> Beikonsum erhöht und dasWohlbefinden erniedrigt, wurde sowohl zur Baseline alsauch zum Follow-up <strong>der</strong> Zusammenhang von Dosierungmit a) Beikonsum von Opioiden, Benzodiazepinen undan<strong>der</strong>en Drogen sowie b) dem psychopathologischen Gesamtwertgetestet. Hierbei ergaben sich bei einer Gesamtanalysekeine eindeutigen Effekte. Jedoch ergaben sichHinweise auf Interaktionen mit <strong>der</strong> Art und dem Ausmaßaktueller behandlungsbedürftiger psychosozialer Probleme,sodass hierfür zu einem späteren Zeitpunkt neue undweitere Modellierungen erfor<strong>der</strong>lich sind, um die Hypothesedifferenzierter beantworten zu können.c) Kategoriale Outcomes nach MedikamentengruppeEs ergeben sich auch bei Berücksichtigung <strong>der</strong> Unterschiedezu Baseline statistisch bedeutsame Unterschiede in denkategorialen Outcomekriterien. Insgesamt resultieren fürLevomethadon und Buprenorphin günstigere Ergebnisseals für die Methadon-Behandelten (➤ Abb. 2).Für LEVO ergibt sich bezogen auf die Vergleichsgruppeneine signifikant niedrigere Rate abstinent gewordener Patienten(1,2% vs. 6,1% (BUP) und 7,1% (MET), p


ROLLE UND DOSIERUNG DES SUBSTITUTIONSMITTELS | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEAbb. 3:Zeitabhängige Analyse <strong>der</strong> Haltequotenach Substitutsgruppenmit und ohne Wechsel von t 1nach t 3in Wochen<strong>Die</strong> MET-Gruppe:• weist im Vergleich zu BUP einen höheren Beikonsumvor allem von Opioiden auf (6,7% vs. 5,8%, p < .000),wobei LEVO eine noch höhere Rate aufweist (13,2%),• zeigt eine niedrigere Haltequote als die LEVO-Gruppe(70,7% vs. 83,9%)• sowie eine geringere Rate stabil Substituierter als beideVergleichsgruppen (46,1% vs. 59,7% vs. 68,5%); dieseist auch deutlich anhand <strong>der</strong> zeitabhängigen Verlaufsdarstellung(➤ Abb. 3) abzulesen, aus <strong>der</strong> hervorgeht,dass vor allem Patienten mit einem Substitutwechselzu Methadon eine deutlich abweichende undungünstigere Haltequote zeigen.d) Dimensionale Outcomes nach Medikamentengruppe<strong>Die</strong>se weniger günstigen Ergebnisse für Methadon bestätigensich auch für die dimensionalen Variablen (➤ Abb. 4).Methadon-Patienten weisen häufiger Substitutionsunterbrechungenals LEVO-Patienten auf. Buprenorphin-Patientenhaben zu t 3einen signifikant besseren Suchtschweregrad(ASI) und psychopathologischen Befindenswert (BSI)als MET- und LEVO-Patienten (p < .000).5 DISKUSSIONInsgesamt kann für die <strong>PREMOS</strong>-Stichprobe festgehaltenwerden, dass bei einem nicht unerheblichen Anteil <strong>der</strong>Patienten das Dosierungsmittel sehr niedrig dosiert ist unddie empfohlene Erhaltungsdosis im langfristigen Verlaufzu allen Erhebungszeitpunkten bei etwa einem Drittel <strong>der</strong>Patienten unterschritten wird.Darüber hinaus zeichnen sich – auch bei Berücksichtigungleicht unterschiedlicher Ausgangswerte in <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Kohorte – einige bemerkenswerte Unterschiede im Langzeitverlaufab, die andeuten, dass Patienten unter Levome-Abb. 4:Dimensionale Outcomemaße fürMethadon-, Levomethadon- undBuprenorphin-Behandelte zu t 3Suchtmed 13 (5) 2011267


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ROLLE UND DOSIERUNG DES SUBSTITUTIONSMITTELSthadon in einigen Indikatoren und Patienten unter Burprenophinin mehreren Indikatoren eine etwas günstigere Prognoseals Methadon-Behandelte haben.Bei Levomethadon kann aufgrund <strong>der</strong> Baseline-Charakteristikavermutet werden, dass <strong>der</strong> längere und stabilereVerlauf <strong>der</strong> Substitution vor Studieneinschluss sich im weiterenVerlauf fortsetzt. <strong>Die</strong> Haltequote zu t 3ist besser, eskommt zu nur wenigen Unterbrechungen und <strong>der</strong> Anteilstabil Substituierter ist höher; ebenso weist diese Gruppemit über 40 Monaten die längste mittlere Dauer <strong>der</strong> aktuellenSubstitution auf. Allerdings muss auch berücksichtigtwerden, dass die höhere Substitutionsstabilität <strong>der</strong>Levomethadon-Gruppe sich nicht in weiteren Outcome-Variablen entsprechend positiv nie<strong>der</strong>schlägt: <strong>Die</strong> Rate abstinentgewordener Patienten ist demgegenüber mit 1,2%niedrig, das psychopathologische Befinden verbessert sichnur mo<strong>der</strong>at und die Gesamtschwere <strong>der</strong> Erkrankung (ASI)ist trotz signifikanter Verbesserung mit 2,2 nach wie vorbemerkenswert hoch.Gegenüber beiden Methadon-Gruppen fallen die Ergebnissein <strong>der</strong> Buprenorphin-Gruppe in mehreren Indikatoren signifikantbesser aus. <strong>Die</strong>ses günstigere Profil im langfristigenVerlauf war hinsichtlich <strong>der</strong> deutlichen Besserung in<strong>der</strong> psychopathologischen Gesamtbelastung vor dem Hintergrunddes pharmakologischen Profils von Buprenorphin(Soyka et al. 2008a, 2008b) durchaus erwartet.Nicht erwartet war die Durchgängigkeit zumindestens tendenziellgünstigerer Befunde in vielen Indikatoren sowiedie hohe Stabilität hinsichtlich <strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> aktuellenSubstitution. Zu beachten ist, dass <strong>der</strong> Anstieg <strong>der</strong> Substitutionsdauervon 8 Monaten zu Baseline auf über 30 Monatezu t 3vermutlich dem Umstand geschuldet ist, dassBuprenorphin erst Anfang 2000 flächendeckend verfügbarwar, sodass die Dauer zwangsläufig begrenzt war.Aufgrund <strong>der</strong> Baseline-Charakteristika kann spekuliertwerden, ob diese günstigen Merkmale mit dem etwas jüngerenAlter, <strong>der</strong> kürzeren Substitutionsvorgeschichte o<strong>der</strong>dem etwas geringeren initialen Schweregrad <strong>der</strong> Erkrankungin Verbindung stehen. Zudem lässt sich vor demHintergrund <strong>der</strong> erhöhten Rate von Patienten, die bei Baselinemit Buprenorphin behandelt wurden, dann aber zuMethadon wechselten, feststellen, dass systematisch schwerwiegendeVerläufe in <strong>der</strong> Therapie von Buprenorphin aufMethadon umgestellt werden, sodass unsere Auswertungsstichprobeeine positive Selektion darstellt. Obwohl diemeisten Wechsel von Buprenorphin auf Methadon von denSubstitutionsärzten mit kurzfristigen Lieferengpässen desMedikaments und <strong>der</strong> Umstellung auf Suboxone begründetwerden (konsistent damit liegen die meisten Umstellungenin diesem Jahr), kann diese Möglichkeit nicht ausgeschlossenwerden.Da <strong>PREMOS</strong> nicht auf einem kontrollierten klinischenStudiendesign beruht, kann also keinesfalls auf eine grundsätzlicheÜberlegenheit von Buprenorphin geschlossenwerden. Vielmehr zeigen die Befunde, dass in <strong>der</strong> klinischenRoutine <strong>der</strong> Substitution viele Ärzte zum Teil unbekanntedifferenzielle Indikationsentscheidungen einfließenlassen und dabei das volle Spektrum <strong>der</strong> medikamentösenSubstitutionsoptionen ausschöpfen.Literatur ist im Gesamtliteraturverzeichnis ausgewiesen,S. 296.268 Suchtmed 13 (5) 2011


VERGLEICH 6-JAHRES- MIT 7-JAHRESDATEN | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE<strong>Die</strong> Stabilität <strong>der</strong> 6-Jahres-Langzeitbefunde in <strong>PREMOS</strong>: Ein Vergleichmit den 7-Jahresdaten ein Jahr späterHans-Ulrich Wittchen 1 , Gerhard Bühringer 1,2 , Jürgen T. Rehm 1,3 , Jens Klotsche 11Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden2Institut für Therapieforschung (IFT), München3Centre for Addiction and Mental Health, Toronto (Canada)Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische UniversitätDresden, Chemnitzer Str. 46, D-01187 Dresden, Email: wittchen@psychologie.tu-dresden.deZusammenfassungHintergrund: <strong>Die</strong> Stabilität <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong> (t 3-) Langzeit-Befunde hinsichtlichdimensionaler und kategorialer Outcomemaße wird überprüft.Methodik: Auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> N = 2.284 Patienten umfassenden<strong>PREMOS</strong> wurde aus allen untersuchten t 3-Patienten eine 35%-Zufallsstichprobegezogen (n = 289). <strong>Die</strong> t 4-Stichprobe unterscheidet sich bisauf eine höhere mittlere Dauer <strong>der</strong> aktuellen Substitutionsepisode undeinen geringfügig höheren Anteil schwergradiger Fälle nicht von <strong>der</strong>t 3-Stichprobe.Ergebnisse: Von t 3(90%) zu t 4(81%) befanden sich tendenziell wenigerPatienten in Substitution. Der Anteil stabil substituierter Patienten reduziertesich (75% vs. 60%) zugunsten eines Anstiegs nicht in SubstitutionStehen<strong>der</strong> bzw. instabil Substituierter mit längeren Unterbrechungen.Der Prozentsatz Abstinenter sank erheblich von 5,2% auf 1,8%. Derkonkomitante Konsum von Opioiden, Cannabis und sonstigen illegalenDrogen ging weiter zurück, <strong>der</strong> Beigebrauch von Benzodiazepinen bliebunverän<strong>der</strong>t hoch. Es zeigten sich keine Verän<strong>der</strong>ungen im Suchtschweregrad.Schlussfolgerungen: <strong>Die</strong> zu t 3nach 6 Jahren beobachteten Verlaufstendenzenwerden ein Jahr später weitgehend bestätigt. Ebenfalls bestätigtsich <strong>der</strong> Befund, dass <strong>der</strong> Langzeitverlauf durch eine bemerkenswerteVariabilität charakterisiert ist. Trotz diskreter weiterer Besserung<strong>der</strong> dimensionalen Daten zeigen sich Wechsel von stabilem zu instabilemVerlauf und von temporärer Abstinenz zurück in Substitution o<strong>der</strong>in einen Rückfall.Schlagwörter: Opiatabhängigkeit, Substitution, Langzeitverlauf,OutcomeAbstractThe Stability of 6-year Course and Outcome Data about OpiateMaintenance Treatment: A comparison of 6 to 7-year dataBackground: To examine the stability of t 36-year course and outcomedata of patients regarding dimensional and categorial outcome indicators,with data from the 7-year follow-up.Method: Based on N = 2.284 patients of a longitudinal-prospectivenaturalistic study we compared the 6-year with the 7-year outcomedata. 7-year outcome data were based on a 35% random sample(n = 289) of all patients assessed at 6 years. There are no differencesbetween t 3and t 4sample except for a higher average length of currentsubstitution episode and a marginal higher percentage of high gradeaddiction severity.Findings: From t 3(90%) to t 4(81%) fewer patients were in maintenancetreatment. The proportion of stable substituted patients decreased (75%vs. 60%) in favor of an increased rate of patients being out of maintenancetreatment or instably maintained with consi<strong>der</strong>able interruptions.Percentage of abstinent patients dropped significantly from 5,2% to1,8%. Concomitant substance use of opioids, cannabis and other illicitdrugs decreased in contrast to high rates of benzodiazepines use.Conclusions: The course and outcome findings at 6 months were largelyconfirmed at 7 years. Despite further improvements with regard to dimensionalmeasures there were changes from stable to instable courseand from temporary abstinence back into treatment or relapse.Keywords: Opioid dependence, opioid maintenance treatment, longtermcourse, treatment outcome<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie * wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführtund aus diesen Mitteln finanziert. Es erfolgte eine Prüfung durch die Ethikkommission<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden (EK313122007) sowie die Registrierung <strong>der</strong> Studie beim National Institute for Health (NIH)in Washington D.C. (NCT-ID: NCT00673647).Mitarbeiter des <strong>PREMOS</strong>-Projektes sind: Prof. Dr. H.-U. Wittchen, Dipl.-Psych. A. Trä<strong>der</strong>,Dipl.-Psych. S. Trautmann, Dipl.-Psych. K. Mark, Dipl.-Psych. K. Langer, Dipl.-Psych. C. Wolf(Dresden), Prof. Dr. G. Bühringer (Dresden/München), PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg), Prof. Dr. M. Schäfer (Essen),Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer (Wien),Prof. N. Scherbaum (Essen).*Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und Outcome1 EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG<strong>Die</strong> t 4-Follow-up-Untersuchung wurde an einer Zufallsauswahl<strong>der</strong> t 3-Teilnehmer durchgeführt. Ziel war es, die Stabilität<strong>der</strong> t 3-t 4-Jahresergebnisse zu überprüfen und zugleichdie Möglichkeit für spätere Verlaufsmodellierungen zu eröffnen.Dabei wurde auf Grundlage <strong>der</strong> Vorbefunde in denHypothesen davon ausgegangen, dassSuchtmed 13 (5) 269 2011 – 271 (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg269


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | VERGLEICH 6-JAHRES- MIT 7-JAHRESDATEN1. sich <strong>der</strong> t 3-Ergebnisstatus bei den dimensionalen Maßenim Wesentlichen bestätigt,2. sich aber zugleich bezüglich <strong>der</strong> kategorialen primärenOutcomegruppen eine Reihe von Verschiebungenergeben. So wurde insbeson<strong>der</strong>e erwartet, dassa. einige Patienten mit einem zu t 3stabilen Substitutionsverlaufin Richtung "instabil" o<strong>der</strong> "Abbruch"wechseln sowieb. dass formal abstinente Patienten wie<strong>der</strong> rückfälligwerden und entwe<strong>der</strong> in die Kategorie "unklarerVerlauf" o<strong>der</strong> in eine noch nicht stabile Substitutionwechseln.Der scheinbare Wi<strong>der</strong>spruch zwischen gleichbleibendeno<strong>der</strong> sich verbessernden dimensionalen Outcomewertenaber möglicherweise ungünstigen kategorialen Wechselnwird mit <strong>der</strong> dem Krankheitsverlauf nicht gut passfähigenKonvention von temporär stabiler vs. instabiler Substitutionüber einen kurzen 12-Monatszeitraum erklärt. Stimmenunsere Hauptbefunde, so ist die Wahrscheinlichkeitdes Versuchs einer Abdosierung und möglicherweise einesRückfalls umso höher, je länger die Substitution stabil bzw.<strong>der</strong> Patient abstinent ist.umfangreiche Studienprotokoll im Routinebetrieb zu realisieren.Allerdings wurde zumindest sichergestellt, dasskeiner dieser Patienten verstorben war. Deshalb mussteauf diese Patienten verzichtet werden; die Fälle wurdenals qualitätsneutraler Ausfall gewertet, sodass die verbleibendeGrundgesamtheit 318 (100%) beträgt.Von diesen konnten 289/318 (Responserate 91%) wie<strong>der</strong>erfolgreich und protokollgerecht untersucht werden: 221bezüglich aller Outcomevariablen, 62 bezüglich <strong>der</strong> primärenOutcomevariablen, 6 Patienten waren zwischenzeitlichverstorben. Alle Patienten wurden mit dem gleichenUntersuchungsinstrumentarium und -proze<strong>der</strong>e wie bei denvorangegangenen Wellen untersucht. <strong>Die</strong> t 4-Stichprobeunterscheidet sich mit zwei Ausnahmen in keiner weiterenbiosozialen und klinischen Variable zu t 1und zu t 3von <strong>der</strong> Gesamtstichprobe t 3(➤ Tab. C5 im Anhang –www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin). Zum einen hatdie t 4-Outcomegruppe bezüglich <strong>der</strong> aktuellen Substitutionsdauermit 20,6 Monaten eine höhere mittlere Dauer alsdie Ausgangsstichprobe (16,6 Monate, p = .019). Zum zweitenweist die t 4-Stichprobe einen geringfügig höheren Anteilschwergradiger Fälle auf (9,5% vs. 6,0%, ➤ Tab. C6im Anhang – www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin).2 METHODIK<strong>Die</strong> t 4-Untersuchung wurde mittels einer 35%-Stichprobe(n = 400/1.147) aus allen zu t 3untersuchten Patienten gezogen.11 <strong>der</strong> Einrichtungen, aus denen 89 dieser zufälliggezogenen Patienten stammen, verweigerten die Teilnahme,da das Personal es als nicht tragbar ansah, nach <strong>der</strong>aufwändigen t 3-Welle 12 Monate später nochmals das3 ERGEBNISSEOutcome-Status-Vergleich von t 3und t 4für die primärenKriterien➤ Abb. 1 stellt die Outcome-Charakteristik <strong>der</strong> t 4-Kohorte<strong>der</strong> Gesamt-t 3-Ausgangsgruppe aller 1.624 Patientensowie den neuen t 4-Follow-up-Befunden gegenüber. Er-Abb. 1:Vergleich <strong>der</strong> Outcome-Charakteristikvon t 4-Kohorte und Gesamt-t 3-Ausgangsgruppealler 1624 Patienten sowie zu denneuen t 4-Follow-up-Befunden270 Suchtmed 13 (5) 2011


VERGLEICH 6-JAHRES- MIT 7-JAHRESDATEN | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEAbb. 2:Anteil Patienten mit positivemUrinscreening von t 1bis t 4wartungskonform ist ein leichter Rückgang <strong>der</strong> in Substitutionbefindlichen Patienten von t 3(90%) zu t 4(80,9%)sichtbar. Ebenso hat sich <strong>der</strong> Anteil von in stabiler Substitutionstehenden Patienten (74,8% vs. 59,9%) zugunsteneines Anstiegs nicht in Substitution stehen<strong>der</strong> bzw. instabilSubstituierter mit längeren Unterbrechungen im 12-Monatszeitraumreduziert. Beide Werte liegen jedoch immernoch deutlich über dem Haltequoten-Wert von 70,5% in<strong>der</strong> t 3-Gesamtstichprobe bzw. dem stabilen Substitutionswertvon 46%.Ebenfalls erwartungskonform hat sich <strong>der</strong> Anteil Abstinentererheblich von 5,2% auf 1,8% reduziert und entsprichtdamit recht gut <strong>der</strong> w.o. angenommenen Rate von ca. 2%stabil und langfristig Abstinenter. Kein Patient ist in einesubstitutionsfreie abstinenzorientierte Therapie gewechselt,1,4% sind längerfristig stationär versorgt und 0,4% inHaft.Verän<strong>der</strong>ungen im BeikonsumDer Beikonsum insgesamt – einschließlich Cannabis – ebensowie bei Opioidkonsum und sonstigem schwerwiegendenillegalen Drogengebrauch hat sich zumindest tendenziellgegenüber t 3weiter reduziert. Der Anteil von Patientenmit einem Beigebrauch von Opioiden ist auf 11,8% gesunken,dabei spielt <strong>der</strong> Konsum von nicht verschriebenemBuprenorphin o<strong>der</strong> Methadon keine Rolle. Unverän<strong>der</strong>terhöht und über die gesamte Beobachtungsstrecke stabilbleibt <strong>der</strong> Beikonsum von Benzodiazepinen und Barbituraten(➤ Abb. 2). <strong>Die</strong> detaillierten Angaben zum Beikonsumeinschließlich <strong>der</strong> hier nicht diskutierten Arzt- undPatientenangaben zum Konsum in den letzten 4 Wochenfinden sich im Anhang (➤ Tab. C8, www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin).Verän<strong>der</strong>ungen im Addiction Severity IndexWe<strong>der</strong> in den einzelnen Domainwerten noch im Gesamtwertzeichnen sich bedeutsame Verän<strong>der</strong>ungen von t 3zu t 4ab. (➤ Tab. C7.2 im Anhang, www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin)4 DISKUSSION<strong>Die</strong> t 4-Follow-up-Untersuchung zeigt zusammenfassend eineweitgehende Bestätigung <strong>der</strong> bereits zu t 3gewonnenenErkenntnisse zu Verlaufstendenzen. Bei insgesamt hoherStabilität <strong>der</strong> Befunde t 3-t 4zeigt sich erwartungskonformein Gleichbleiben bzw. eine diskrete weitere Besserung inden dimensionalen Daten, jedoch auch bei einigen Patienten<strong>der</strong> Wechsel von stabil zu instabil bzw. Abbrücheo<strong>der</strong> Wechsel von temporärer Abstinenz zurück zur Substitutiono<strong>der</strong> in einen Rückfall.<strong>Die</strong>se Ergebnisse können vermutlich auch als weiterer indirekterHinweis auf die in dieser Studie vorgenommene– durchaus problematische – kategoriale Outcome-Klassifikationvon Verlaufstypen gesehen werden. Hierbeiwerden möglicherweise minimale krankheitstypischeSchwankungen im Verlauf als ein Wechsel von <strong>der</strong> einenin die an<strong>der</strong>e Kategorie gewertet, die unter Umständengar nicht sinnvoll und klinisch gesehen gerechtfertigt seinmag.Literatur ist im Gesamtliteraturverzeichnis ausgewiesen,S. 296.Suchtmed 13 (5) 2011271


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | EINRICHTUNGSCHARAKTERISTIKA UND BEHANDLUNGSFORMATEEinrichtungscharakteristika und Behandlungsformate vonSubstitutionseinrichtungenHans-Ulrich Wittchen 1 , Gerhard Bühringer 1,2 , Jürgen T. Rehm 1,3 , Sebastian Trautmann 11Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden2Institut für Therapieforschung (IFT), München3Centre for Addiction and Mental Health, Toronto (Canada)Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische UniversitätDresden, Chemnitzer Str. 46, D-01187 Dresden, Email: wittchen@psychologie.tu-dresden.deZusammenfassungHintergrund und Ziele: <strong>Die</strong> deutsche Versorgungslandschaft ist durch eineVielzahl von unterschiedlichen Einrichtungsformen charakterisiert, dieSubstitutionsbehandlungen anbieten. Erkenntnisse über ihre jeweiligenSpezialisierungen sowie Rahmenbedingungen fehlen bislang.Methodik: 161 Einrichtungen, die an <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie teilgenommenhaben, werden unterteilt in kleine, mittelgroße und spezialisierte großeEinrichtungen, um ausgewählte versorgungsstrukturelle Aspektebeschreiben zu können.Ergebnisse: (a) Knapp ein Drittel aller Einrichtungen bzw. nahezu dieHälfte <strong>der</strong> großen personalstärkeren Zentren gaben eine Spezialisierungauf Risikogruppen an; am häufigsten wurden Patienten mit psychischenStörungen sowie HCV und HIV/AIDS angegeben. Nur in wenigenEinrichtungen sind Angebote für weibliche Substitutionspatienten vorhanden.(b) 36% <strong>der</strong> Einrichtungen geben fest definierte Kriterien fürkritischen Beikonsum an: Als kritischste Substanzen in Kombination mitdem Substitutionsmittel wurden Benzodiazepine, an<strong>der</strong>e Opioide, Alkoholund Amphetamine/Kokain angegeben. Cannabis wurde von keinerEinrichtung als problematischer Beikonsum eingestuft. Illegaler Umgang(Dealen) mit Substitutionsmedikamenten wurde für alle Substanzklassennur selten beobachtet. Psychiatrische bzw. psychotherapeutischeMaßnahmen konnten nur in 25% bzw. 23% <strong>der</strong> Einrichtungen angebotenwerden; eine regelmäßige Zusammenarbeit mit externen psychiatrischenbzw. psychotherapeutischen Angeboten fand nur bei 22% bzw.18% <strong>der</strong> untersuchten Einrichtungen statt. <strong>Die</strong> Kooperation mit psychosozialerBetreuung wurde von den Substitutionseinrichtungen vor allemin Ballungsräumen als gut eingeschätzt, aber 36% Einrichtungenbeklagten ein starkes strukturelles Versorgungsdefizit in ihrer Region.Diskussion: <strong>Die</strong> deutsche Substitutionslandschaft ist durch hohe Variabilitätgekennzeichnet und offenbart, dass Spezialisierung sich nicht immerim erfor<strong>der</strong>lichen Ausmaß an den tatsächlichen Versorgungserfor<strong>der</strong>nissenorientiert. Auffällig sind die Defizite vor allem hinsichtlich <strong>der</strong>Angebote für Frauen mit und ohne Kin<strong>der</strong> sowie für Patienten mit psychischenStörungen.Schlagwörter: Opiatabhängigkeit, Substitutionstherapie, Einrichtungscharakteristika,Versorgung<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie * wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführtund aus diesen Mitteln finanziert. Es erfolgte eine Prüfung durch die Ethikkommission<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden (EKAbstractCharacteristics of substitution settings and treatment format inGermanyBackground and aims: The German care system for Opiate MaintenanceTreatment is characterized by a consi<strong>der</strong>able degree of variability thatremains up to now poorly described.Methods: Selected characteristics of n = 161 settings participating in the<strong>PREMOS</strong> project are described. Settings were stratified by size andnumber of personnel. Data were collected via the "institutional settingquestionnaire".Results: (a) One third of all settings offer specialised services for risk groups.Most frequent specialisations were patients with mental disor<strong>der</strong>s, HCV,and HIV/AIDS. Specialised services for women were rare and restrictedto a few large centers. (b) Regarding concomitant substance use 36% ofsubstitution settings apply strong defined criteria. As most criticalsubstance combinations the combination of the substitution drug withbenzodiazepines, other opioids, alcohol, and amphetamines/ cocaine. Nosetting named cannabis as "critical". Dealing with substitutes was almostnever mentioned as a problem in the long-term treatment. Psychiatricresp. psychotherapeutic services were indicated for about 25% resp. 23%of all settings. A regular cooperation with external psychiatric/psychotherapeuticservices was established in 22% resp. 18% of settings. Cooperationwith psychosocial services was rated as good, but 36% of settingscomplained strong structural deficiencies in routine care in their region.Conclusion: The type and range of services offered by substitution settingsis highly variable and does not always correspond with the needs ofpatients. Remarkable deficits are demonstrated for females as well aspatients with mental disor<strong>der</strong>s.Keywords: Opioid dependence, opioid maintenance treatment,substitution settings, routine care313122007) sowie die Registrierung <strong>der</strong> Studie beim National Institute for Health (NIH)in Washington D.C. (NCT-ID: NCT00673647).Mitarbeiter des <strong>PREMOS</strong>-Projektes sind: Prof. Dr. H.-U. Wittchen, Dipl.-Psych. A. Trä<strong>der</strong>,Dipl.-Psych. S. Trautmann, Dipl.-Psych. K. Mark, Dipl.-Psych. K. Langer, Dipl.-Psych. C. Wolf(Dresden), Prof. Dr. G. Bühringer (Dresden/München), PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg), Prof. Dr. M. Schäfer (Essen),Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer (Wien),Prof. N. Scherbaum (Essen).*Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und Outcome272 Suchtmed 13 Suchtmed (5) 272 – 13 277 (5) (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg


EINRICHTUNGSCHARAKTERISTIKA UND BEHANDLUNGSFORMATE | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE1 EINLEITUNG<strong>Die</strong> Substitutionsversorgung in Deutschland ist durch einegroße Heterogenität und Variabilität hinsichtlich Größe,Spezialisierung und Arbeitsweisen gekennzeichnet (Wittchenet al. 2008). In diesem Beitrag werden einige Eckdatenund Befundaspekte aus den Einrichtungserhebungendes <strong>PREMOS</strong> Projektes dargestellt, um einige Hintergrunddatenbereitzustellen, die in zukünftigen weiterführendenAnalysen vertieft werden sollten. Der Fokus liegt auf Artund Umfang von Spezialisierungen <strong>der</strong> Einrichtungen aufbestimmte Risikogruppen, Einrichtungsangaben zu Kombinationenkritischen Beikonsums und Zusammenarbeitmit psychiatrischen und psychotherapeutischen Einrichtungen.Analysiert wurden überwiegend die Ergebnisse <strong>der</strong>Einrichtungsbögen, die von den Substitutionsärzten undMitarbeitern ausgefüllt wurden. <strong>Die</strong> Auswertungsgrundlagesind n = 161 Bögen, da Einrichtungen, die neu aufgrundvon Behandlerwechsel <strong>der</strong> Patienten hinzugekommenwaren, wegen fehlenden Vorerhebungen hier nichtberücksichtigt werden. An einzelnen Stellen wird auchgeson<strong>der</strong>t Bezug auf die Ergebnisse <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Patientenund Arztbeurteilungen genommen; somit werden dieErfassungsebenen verknüpft. ➤ Abb. 1 gibt einen Überblicküber die berücksichtigten Themen- und Variablenbereiche.Eine tabellarische Gesamtzusammenstellung <strong>der</strong>Einrichtungsdaten findet sich in ➤ Tab. A1-a bis e (www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin).2 ERGEBNISSEArt und Umfang von Spezialisierungen <strong>der</strong> Einrichtungenauf bestimmte RisikogruppenKnapp ein Drittel aller Substitutionseinrichtungen gibt an,sich in ihrer Einrichtung auf bestimmte Risikogruppen zumTeil mehrfach spezialisiert zu haben und beson<strong>der</strong>e Angebotsformatevorzuhalten. Wie ➤ Abb. 2 erkennen lässt,werden solche Angebote in erster Linie von den großenpersonalstärkeren Zentren angeboten, die überwiegend ingroßstädtischen Ballungsräumen vorkommen. KleinereEinrichtungen, die vor allem in ländlichen und kleinstädtischenRegionen überrepräsentiert sind, weisen <strong>der</strong>artigeSpezialangebote nur in Ausnahmefällen auf.<strong>Die</strong> meisten genannten Spezialisierungen betreffen psychischeStörungen sowie HCV bzw. HIV/AIDS-Angebote,die in den meisten Fällen kombiniert in einer Einrichtungangeboten werden. Obwohl über ein Drittel aller SubstitutionspatientenFrauen sind, die Mehrzahl davon mitKin<strong>der</strong>n, haben sich nur wenige Einrichtungen auf dieseZielgruppe ausgerichtet.Einrichtungsangaben zu Kombinationen kritischen Beikonsumsund illegalem Umgang (Dealen) mit SubstitutionsmedikamentenKritischer Beigebrauch:36% aller Einrichtungen geben an, definierte und relativfeste Kriterien in ihrer alltäglichen Arbeit anzuwenden,63,4% machen die Entscheidung "riskanter Beikonsum"von ihrer Abschätzung in <strong>der</strong> konkreten Patientenkonstellationabhängig. Darüber hinaus wurden sie gebeten, getrenntfür Methadon und Buprenorphin anzugeben, welcheSubstanz für sie unter Methadon bzw. Buprenorphin"beson<strong>der</strong>s problematisch" sei. ➤ Abb. 3 zeigt, dass bezüglichdieser Einschätzung bei Buprenorphin <strong>der</strong> Beikonsum"an<strong>der</strong>er Opioide" sowie von Benzodiazepinen mitjeweils 32,9% als häufigste kritische Beikonsumkombi-Abb. 1:Themen und Variablenbereiche zu Einrichtungenund TherapieSuchtmed 13 (5) 2011273


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | EINRICHTUNGSCHARAKTERISTIKA UND BEHANDLUNGSFORMATEAbb. 2:Spezialisierung <strong>der</strong> Substitutionseinrichtungennach Einrichtungsgrößenation angesehen wird. <strong>Die</strong> zwei nächstkritischen sindAlkohol (24,8%) und Amphetamine/Kokain (14,9%). Esergeben sich keine Unterschiede zwischen den Einrichtungsformen.Bei gleicher Reihenfolge <strong>der</strong> Substanzen zeigen sich fürdie kritischen Kombinationen mit Methadon:1. z.T. deutlich höhere Häufigkeitsangaben2. sowie deutliche Unterschiede zwischen den EinrichtungsformenRelativ konsistent beurteilen die kleinen Einrichtungen nahezualle Kombinationen als bedeutend kritischer als diegroßen Einrichtungen und Zentren; Letztere lassen durchgängigdie niedrigsten Werte erkennen. Cannabis wird vonkeiner Einrichtung als problematischer Beikonsum eingestuft.➤ Tab. C11 im Anhang (www.ecomed-medizin.de/Abb. 3: Häufigste kritische Beikonsumkombinationen für Methadon und Buprenorphin nach Einrichtungsklassen274 Suchtmed 13 (5) 2011


EINRICHTUNGSCHARAKTERISTIKA UND BEHANDLUNGSFORMATE | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEAbb. 4:Häufigste Substitutionsmedikamente, die gedealtwerden, nach Einrichtungsartsuchtmedizin) listet die häufigsten Nennungen beson<strong>der</strong>skritischer Beikonsumkombinationen in qualitativer Zusammenstellungauf.Häufigkeit illegalen Umgangs (Dealen) mit Substitutionsmedikamenten➤ Abb. 4 zeigt die Berichte <strong>der</strong> Einrichtungen, wie häufigsie die Erfahrung gemacht haben, dass ihre Patienten mitden Substitutionsmedikamenten gedealt haben. Da die Kategorie"sehr häufig" nahezu keine Nennungen aufweist,wurden die Angaben "sehr häufig" und „häufig“ zusammengefasst.Insgesamt scheint das Problem "Missbrauchdes Substitutionsmedikaments" selten zu sein, da für alleSubstanzklassen von mehr als 75% angegeben wird, dassdies selten o<strong>der</strong> nie beobachtet wird.➤ Abb. 4 lässt weiterhin für Suboxone das niedrigste Missbrauchspotentialund für Methadon das relativ höchsteerkennen, wobei berücksichtigt werden muss, dass dieseEinschätzungen vermutlich erheblich von dem verfügbarenGesamtvolumen am Markt abhängig sind, das für Methadonetwa doppelt so hoch liegt. Bemerkenswert ist auchhier <strong>der</strong> Unterschied zwischen den Einschätzungen <strong>der</strong> großenZentren, die nahezu durchgängig am höchsten ausfallenund den kleinen und mittleren Zentren, die deutlich niedrigereWerte angeben. Auffällig ist auch <strong>der</strong> hohe Wert fürSubutex – allerdings nur bei den großen Einrichtungen.Abb. 5:Einschätzung <strong>der</strong> regionalen Versorgungslagefür Substitutionspatienten, die einer psychotherapeutischenMitbehandlung bedürfenSuchtmed 13 (5) 2011275


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | EINRICHTUNGSCHARAKTERISTIKA UND BEHANDLUNGSFORMATEZusammenarbeit mit psychiatrischen und psychotherapeutischenEinrichtungenAngesichts <strong>der</strong> hohen psychiatrischen Morbidität kommteiner rechtzeitigen sowie kontinuierlichen diagnostischenund therapeutischen Betreuung <strong>der</strong> Substitutionspatienteneine entscheidende Rolle zu. <strong>Die</strong>se kann nach Angaben<strong>der</strong> Einrichtungen mehrheitlich nicht in <strong>der</strong> Substitutionspraxisgeleistet werden. Nur 24,8% <strong>der</strong> Einrichtungengaben an, psychiatrische bzw. psychotherapeutische Angebote(23%) machen zu können, lediglich die großenZentren gaben an, zu 36,2% für psychiatrische und 26,1%für psychotherapeutische Aufgaben Kapazität zu haben.Vor diesem Hintergrund käme einer engen regelmäßigenZusammenarbeit mit externen psychiatrischen/psychotherapeutischenEinrichtungen eine zentrale Rolle zu. <strong>Die</strong>sewird aber offensichtlich nicht realisiert. Regelmäßige Zusammenarbeitmit psychotherapeutischen Einrichtungenwird nur von 18%, mit psychiatrischen nur von 22,4%<strong>der</strong> untersuchten Einrichtungen angegeben. <strong>Die</strong> Werte für"es gibt so gut wie keine Zusammenarbeit" liegen mit27,3% (Psychotherapie) und 13% (Psychiatrie) bedenklichhoch. Daher kann es nicht überraschen, dass die Beurteilung<strong>der</strong> Versorgungssituation für Patienten, die einer fachpsychiatrischeno<strong>der</strong> psychotherapeutischen Behandlungbedürfen, überwiegend sehr negativ ausfällt (➤ Abb. 5).Dabei ergeben sich zwischen den Einrichtungsformen jedocheinige bemerkenswerte Unterschiede; so geben kleinereEinrichtungen tendenziell bessere Noten als größere.Deutliche bessere Noten erhält demgegenüber die regionaleVersorgungslage für die Substitution insgesamt sowie dieVerfügbarkeit und Kooperation hinsichtlich <strong>der</strong> psychosozialenBeratung und Mitbehandlung (PSB; ➤ Abb. 6).<strong>Die</strong> Noten für PSB fallen mit Werten von 1,9 bis 2,2 gutaus. Allerdings gibt es eine quantitativ stark ins Gewichtfallende Ausnahme: Bei den über 36% Einrichtungen, dieein starkes strukturelles Versorgungsdefizit in ihrer Regionbeklagen, fällt die Benotung <strong>der</strong> PSB deutlich schlechteraus.Wie ➤ Abb. 6 erkennen lässt, ist dies vor allem auf diezumeist abseits von den großen Ballungsräumen liegendenkleineren und mittelgroßen Einrichtungen zurückzuführen.Demgegenüber wird in den Ballungsräumen vonden Zentren häufiger eine angemessen Versorgungsdichtefür ihre Patienten konstatiert, von einigen wenigen sogareine Überversorgung.Dass sich dies auch direkt auf die Patienten auswirkt, zeigtin ➤ Abb. 6 die Prozentangabe <strong>der</strong> Patienten, die nurweniger als 2 PSB-Kontakte pro Monat hatten. <strong>Die</strong>se Angabewurde über die Zuordnung <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Patientendatenzu den Einrichtungen berechnet. In Regionen miteinem starken Defizit liegt <strong>der</strong> Anteil ohne regelhafte PSB-Versorgung bei nahezu 52%, in Regionen mit einer angemessenenVersorgung bei 38%.3 DISKUSSION<strong>Die</strong> Daten unterstreichen eindrucksvoll, dass die deutscheSubstitutionslandschaft durch eine hohe Variabilität gekennzeichnetist. <strong>Die</strong> Ergebnisse offenbaren auch, dass dieSpezialisierungen sich nicht immer im erfor<strong>der</strong>lichen Ausmaßan den tatsächlichen Versorgungserfor<strong>der</strong>nissen orientieren.Auffällig sind die Defizite vor allem hinsichtlich<strong>der</strong> Angebote für Frauen mit und ohne Kin<strong>der</strong> sowie fürPatienten mit psychischen Störungen.• Etwa 30% <strong>der</strong> Einrichtungen (insbeson<strong>der</strong>e die großenZentren) gaben eine Spezialisierung für Risikogruppenan. Häufigste Schwerpunkte sind psychischeStörungen (12,4%), HCV (8,7%) und HIV (5,6%).Abb. 6:Einschätzung des regionalen Versorgungsangebotsfür Substitution sowie Kooperationsgütemit PSB aus Sicht <strong>der</strong> Einrichtungen276 Suchtmed 13 (5) 2011


EINRICHTUNGSCHARAKTERISTIKA UND BEHANDLUNGSFORMATE | <strong>PREMOS</strong>-STUDIETrotz des hohen Anteils von Patientinnen mit Kin<strong>der</strong>nwird ein entsprechen<strong>der</strong> Schwerpunkt (Schwangere,Familien mit Kin<strong>der</strong>n etc.) nur selten genannt (8,4%).• Im Vergleich zu dem hohen Ausmaß an psychischenStörungen (63,3% <strong>der</strong> Patienten zu t 1und 55,7% zu t 3)und <strong>der</strong> hohen Einschätzung eines Behandlungsbedarfsdurch die Ärzte (95,4% zu t 1, 84,3% zu t 3) ist sowohl<strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> spezialisierten Einrichtungen wie auch<strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Einrichtungen mit einer entsprechendenregelmäßigen Zusammenarbeit gering (18% Psychotherapie,22,4% Psychiatrie; für kleinere Einrichtungenetwas bessere Angaben).• Spezialisierte Angebote sind zudem extrem ungleichbundesweit verteilt und zumeist auf großstädtische Ballungsräumebegrenzt. Für die Mehrzahl <strong>der</strong> Betroffenensind <strong>der</strong>artige Angebote daher oft nicht verfügbaro<strong>der</strong> nicht zugänglich. Wegen dieser Verteilungscharakteristikaund <strong>der</strong> geringen Angebotslage konntenauch keine messbaren Effekte hinsichtlich <strong>der</strong> Patienten-Outcomesfestgestellt werden.Demgegenüber werden die in <strong>der</strong> Tagespresse und in Fachdiskussionenhäufig zugespitzten Eindrücke bezüglich eineshohen Ausmaßes an illegalem Handel mit Substitutionsmittelnnicht bestätigt. Zwei Drittel aller Substitutionseinrichtungengeben an, dass Patienten mit dem Substitutionsmedikamentnicht handeln. Überdurchschnittlich hohe Wertefür "Dealen" wurden allerdings von den großen Einrichtungengenannt, in denen möglicherweise eine an<strong>der</strong>e Situationvorherrscht.Bemerkenswert ist auch die Variabilität <strong>der</strong> Einrichtungenhinsichtlich des Umgangs mit "kritischem Beikonsum" ihrerSubstitutionspatienten. 64% <strong>der</strong> Einrichtungen gabendefinierte, feste Regeln für den Umgang mit riskantem Beikonsuman, 36% wenden ein flexibles Vorgehen an. Alsriskanter Beikonsum wurden unter Methadon einige Substanzenwie Amphetamine/Kokain, Opioide und Benzodiazepinehäufiger genannt (insbeson<strong>der</strong>e von kleineren Einrichtungen)als unter Buprenorphin.Literatur ist im Gesamtliteraturverzeichnis ausgewiesen,S. 296.Suchtmed 13 (5) 2011277


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ABSTINENZORIENTIERUNG UND BEHANDLUNGSPRAXISAbstinenzorientierung und Behandlungspraxis – Eine Analyse von 161Substitutionseinrichtungen in Deutschland (Extended Abstract)Eine umfangreichere Fassung dieses Beitrags ist erschienen in: Substance Use and MisuseSebastian Trautmann & Hans-Ulrich WittchenInstitut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität DresdenKorrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische UniversitätDresden, Chemnitzer Str. 46, D-01187 Dresden, Email: wittchen@psychologie.tu-dresden.deSchlagwörter: Opiatabhängigkeit, Substitutionstherapie, Behandlungsphilosophie,AbstinenzorientierungKeywords: Opioid dependence, maintenance treatment, treatmentphilosophy, abstinence orientation1 HINTERGRUND UND EINLEITUNG<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie * wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführtund aus diesen Mitteln finanziert. Es erfolgte eine Prüfung durch die Ethikkommission<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden (EK313122007) sowie die Registrierung <strong>der</strong> Studie beim National Institute for Health (NIH)in Washington D.C. (NCT-ID: NCT00673647).Mitarbeiter des <strong>PREMOS</strong>-Projektes sind: Prof. Dr. H.-U. Wittchen, Dipl.-Psych. A. Trä<strong>der</strong>,Dipl.-Psych. S. Trautmann, Dipl.-Psych. K. Mark, Dipl.-Psych. K. Langer, Dipl.-Psych. C. Wolf(Dresden), Prof. Dr. G. Bühringer (Dresden/München), PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg), Prof. Dr. M. Schäfer (Essen),Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer (Wien),Prof. N. Scherbaum (Essen).*Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und Outcome<strong>Die</strong> Effektivität <strong>der</strong> Substitutionsbehandlung für Opioidabhängigkeitwurde in den letzten Jahren eindrücklich bestätigt(Amato et al. 2005; Connock et al. 2007; Johanssonet al. 2007). Sie bewirkt eine Reduktion von Mortalität(Clausen et al. 2007; Scherbaum et al. 2002; Soyka et al.2006), Beigebrauch illegaler Drogen (Maremmani et al.2007; Wittchen et al. 2008; Wittchen et al. 2008a) undKriminalität (Lind et al. 2005) und verbessert neben psychischerund körperlicher Gesundheit auch die Lebensqualität(Maremmani et al. 2007; Wittchen et al. 2008; Wittchenet al. 2008a).Allerdings unterscheiden sich Einrichtungen beträchtlichin <strong>der</strong> Art und Weise wie eine Substitutionsbehandlung,z.B. hinsichtlich Dosierung und Wahl des Substitutionsmittelssowie des Einsatzes psychologischer und psychosozialerBehandlungskomponenten (D’Aunno und Vaughn 1992;D’Aunno und Pollack 2002; Willenbring et al. 2004;Wittchen et al. 2008; Wittchen et al. 2008a) durchgeführtwird. Derartige Unterschiede werden in jüngerer Zeit häufigerunter dem Schlagwort <strong>der</strong> "Behandlungsphilosophie"diskutiert. Dabei steht im Vor<strong>der</strong>grund des jüngeren Interessesdie Frage, inwieweit die Behandlungsphilosophiehinsichtlich Abstinenzorientierung einen Beitrag zum besserenVerständnis <strong>der</strong> Unterschiede hinsichtlich Behandlungspraxisund Behandlungseffektivität leisten kann.Ein hohes Ausmaß an Abstinenzorientierung scheint mitniedrigeren Dosierungen von Methadon (Willenbring etal. 2004) und einer höheren Entlassungsrate assoziiert zusein (Caplehorn et al. 1996b); ebenso wurde eine geringereHaltequote bei höherer Abstinenzorientierung gefunden(Caplehorn et al. 1993; Caplehorn 1994; Caplehorn et al.1998; Willenbring et al. 2004). Caplehorn (1994) belegteeinen erhöhten Beigebrauch von Heroin und Amphetaminenbei zeitlich begrenzter abstinenzorientierter Behandlung,vermutlich vermittelt durch eine niedrigere Dosierung (Bellet al. 1995; Gerlach und Caplehorn 1999). Zudem schiedenPatienten in dieser Bedingung häufiger aus <strong>der</strong> Behandlungaus und wurden danach häufiger rückfällig.<strong>Die</strong>ser Beitrag prüft die Unterschiede von Substitutionseinrichtungenin Deutschland hinsichtlich ihrer Abstinenzorientierungund untersucht, ob diese Unterschiede in <strong>der</strong>Behandlungsphilosophie mit Unterschieden bei Aspekten<strong>der</strong> klinischen Behandlungspraxis einhergehen.2 METHODIKIm Rahmen einer bundesweiten, longitudinalen, klinischepidemiologischenStudie in Deutschland wurden 161 Einrichtungenaus dem zweiten Follow-up <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studieanalysiert. Aspekte <strong>der</strong> Behandlungspraxis wurdendurch Einrichtungs-, Patienten- und Arztdaten gewonnen.Für jede Einrichtung wurde ein Indexwert zur Schätzung<strong>der</strong> Einstellung zu Abstinenz berechnet, welcher zwischenhoch (HAO), mittel (MAO) und niedrig (LAO) abstinenzorientiertenEinrichtungen differenziert. HAOs sehen Abstinenzals wesentliches Behandlungsziel an, stufen einenerheblichen Anteil Patienten als geeignet für die Erreichungvon Abstinenz ein und zeigen eine rigide Einstellung zu278 Suchtmed 13 Suchtmed (5) 278 – 13 280 (5) (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg


ABSTINENZORIENTIERUNG UND BEHANDLUNGSPRAXIS | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEkonkomitantem Gebrauch. Für binäre, kategoriale unddimensionale Outcomes wurden logistische, multinomiallogistische und lineare Regressionsanalysen verwendet.3 ERGEBNISSEAbstinenzorientierungFür 30,4% <strong>der</strong> Einrichtungen war Abstinenz kein realistischesBehandlungsziel. 17,3% zeigten eine niedrige (LAO),61,4% eine mittlere (MAO) und 21,3% eine hohe Abstinenzorientierung(HAO).DosierungSowohl in <strong>der</strong> Einstellungs- als auch in <strong>der</strong> Erhaltungsphaseverschrieben HAOs signifikant niedrigere maximaleDosen von Methadon als weniger abstinenzorientierte Einrichtungen(➤ Abb. 1). <strong>Die</strong> Einrichtungen unterschiedensich nicht signifikant hinsichtlich <strong>der</strong> Maximaldosis vonBuprenorphin.Umgang mit konkomitantem BeigebrauchIn HAOs wurden im Vergleich zu MAOs häufiger wöchentlicheUrintests (OR: 3,9; 95% CI: 1,1-13,5) und Unterbrechungen<strong>der</strong> Substitution aufgrund eines positivenAlkoholbefunds im Urin realisiert (OR: 2,5; 95% CI:1,0-6,2). Take-home-Medikation von mehr als 7 Tageseinheitenwurde in HAOs seltener als in LAOs verschrieben.Psychosoziale <strong>Die</strong>nsteMAOs wiesen einen kleineren Anteil von Patienten ohneexterne psychosoziale Unterstützung auf als LAOs. Ebensorealisierten MAOs eher eine Drogenberatung als LAOs(OR: 2,4; 95% CI: 1,6-3,6) und HAOs (OR: 1,9; 95% CI:1,2-2,9). Der berufliche Wie<strong>der</strong>einstieg wurde häufiger inHAOs als in LAOs verwirklicht (OR: 2,2; 95% CI: 1,1-4,5). Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlichSchuldnerberatung und Sozialdienste.Psychiatrische und psychotherapeutische BehandlungenPsychiatrische Behandlungen wurden am häufigsten fürPatienten in HAOs realisiert, gefolgt von MAOs (OR: 2,2;95% CI: 1,3-3,7) und LAOs (OR: 3,1; 95% CI: 1,6-6,3).Patienten in HAOs unterzogen sich signifikant häufigerpsychotherapeutischer Behandlung als Patienten in MAOs(OR: 2,6; 95% CI: 1,4-4,8) und LAOs (OR: 2,2; 95% CI:1,0-4,7), auch bei Kontrolle nach dem psychologischenGesundheitszustand (EuropASI).4 SCHLUSSFOLGERUNGEN<strong>Die</strong> bisherigen Befunde zur Beziehung zwischen Abstinenzorientierungund Dosierung von Methadon werden bestätigt(Willenbring et al. 2004), für Buprenorphin konntedieser Zusammenhang nicht festgestellt werden. <strong>Die</strong> rigi<strong>der</strong>eEinstellung von HAOs im Zusammenhang mit Beikonsumzeigte sich u.a. in häufiger durchgeführten Urintestsund Konsequenzen für Alkoholkonsum. Einrichtungen mithoher Abstinenzorientierung realisierten häufiger psychiatrischeo<strong>der</strong> psychotherapeutische Behandlungen – auchbei Kontrolle des Schweregrades psychischer Probleme.Hinsichtlich <strong>der</strong> generellen Take-home-Vergabe zeigtensich allerdings keine Unterschiede. Take-home-Medikationist eine weitverbreitete Praxis und jenseits <strong>der</strong> rechtlichenBestimmungen für viele Ärzte unabhängig von <strong>der</strong> Abstinenzorientierungeine logistische Notwendigkeit, da häufigeine beträchtliche Distanz zwischen dem Wohnort desPatienten und <strong>der</strong> Substitutionseinrichtung besteht.<strong>Die</strong> Ergebnisse zur Beziehung zwischen Abstinenzorientierungund <strong>der</strong> Einbeziehung psychosozialer <strong>Die</strong>nsten sindinkonsistent. Lediglich eine Behandlungskomponente tratbei Patienten in Einrichtungen mit hoher Abstinenzorientierunghäufiger auf (berufliche Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung). Folglichscheint Abstinenzorientierung kaum Einfluss auf dieRealisierung psychosozialer Maßnahmen zu haben.Zusammenfassend deuten die Daten auf eine Reihe systematischerund substanzieller Effekte <strong>der</strong> Abstinenzorientierunghin, welche für die Relevanz dieses Konzepts bei <strong>der</strong>Erklärung <strong>der</strong> Varianz in <strong>der</strong> Substitutionspraxis sprechen.Literatur ist im Gesamtliteraturverzeichnis ausgewiesen,S. 296.Abb. 1:Maximaldosis von Methadon und Buprenorphin in<strong>der</strong> Einstellungs- und Erhaltungsphase nachAbstinenzorientierungSuchtmed 13 (5) 2011279


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSEZusammenfassung <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-StudieHans-Ulrich Wittchen 1 , Gerhard Bühringer 1,2 , Jürgen T. Rehm 1,31Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden2Institut für Therapieforschung (IFT), München3Centre for Addiction and Mental Health, Toronto (Canada)Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische UniversitätDresden, Chemnitzer Str. 46, D-01187 Dresden, Email: wittchen@psychologie.tu-dresden.de1 KONZEPTION UND ZIELE DER STUDIE<strong>Die</strong> kurz- und mittelfristige (6- bis 12-monatige) Wirksamkeiteiner Substitutionstherapie Opioidabhängiger wurdein <strong>der</strong> Vergangenheit ebenso wie ihre Kosteneffektivitätvielfach und eindrucksvoll nachgewiesen. <strong>Die</strong> Erkenntnislagezu den Effekten <strong>der</strong> langfristigen Substitutionstherapie(über Jahre) war demgegenüber bisher lückenhaft und vorallem unter Berücksichtigung <strong>der</strong> aktuellen Behandlungsoptionenunklar. <strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie hatte das übergeordneteZiel, den langfristigen Verlauf opioidgestützter Substitutionstherapienzu beschreiben und damit Grundlagen füreine zielgruppenspezifische und bedarfsgerechte Optimierung<strong>der</strong> Versorgung zu schaffen. Damit wurde in vielerleiHinsicht wissenschaftliches Neuland betreten, da <strong>der</strong>artigeLangzeitstudien an repräsentativen Stichproben vonPatienten unter den aktuellen Versorgungsbedingungen undBehandlungsoptionen bislang fehlten.<strong>Die</strong> Fragestellungen <strong>der</strong> Studie lassen sich zwei Themenbereichenzuordnen:<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie * wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführtund aus diesen Mitteln finanziert. Es erfolgte eine Prüfung durch die Ethikkommission<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden (EK313122007) sowie die Registrierung <strong>der</strong> Studie beim National Institute for Health (NIH)in Washington D.C. (NCT-ID: NCT00673647).Mitarbeiter des <strong>PREMOS</strong>-Projektes sind: Prof. Dr. H.-U. Wittchen, Dipl.-Psych. A. Trä<strong>der</strong>,Dipl.-Psych. S. Trautmann, Dipl.-Psych. K. Mark, Dipl.-Psych. K. Langer, Dipl.-Psych. C. Wolf(Dresden), Prof. Dr. G. Bühringer (Dresden/München), PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg), Prof. Dr. M. Schäfer (Essen),Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer (Wien),Prof. N. Scherbaum (Essen).*Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und Outcome(1) Beschreibung von Verlauf und Ergebnis langfristigerSubstitutionIm Mittelpunkt standen deskriptive Analysen zur Stabilitätund zu Unterbrechungen im Verlauf <strong>der</strong> Substitutionüber sechs Jahre (einschließlich <strong>der</strong> retrospektivenErfassung zu t 1) und zum Erfolg nach verschiedenenprimären Zielkriterien wie (temporär) stabile Substitution,Wechsel in eine abstinenzorientierte Behandlungo<strong>der</strong> in den Status stabiler Abstinenz. SekundäreZielkriterien waren Fortschritte im Bereich <strong>der</strong> psychischenund somatischen Morbidität, <strong>der</strong> Lebensqualitätund <strong>der</strong> Delinquenz. Weitere Themen warendie Auswertung ausgewählter Teilgruppen (z.B. Frauenmit Kin<strong>der</strong>n), die Erfassung von Problemen undHin<strong>der</strong>nissen bei <strong>der</strong> Substitution sowie Strategien undErfahrungen bei ihrer planmäßigen Beendigung.(2) Analyse <strong>der</strong> Einflussfaktoren auf Verlauf und Ergebnislangfristiger SubstitutionUntersucht wurde die mögliche Relevanz von Patienten-,Einrichtungs- und Behandlungsmerkmalen auf Verlaufund Ergebnis <strong>der</strong> Substitution. Beispiele für solcheMerkmale sind somatische und psychische Komorbidität,Größe <strong>der</strong> Substitutionseinrichtung, Art undDosierung des Substitutionsmittels o<strong>der</strong> Art und Umfang<strong>der</strong> psychosozialen Betreuung.2 DURCHFÜHRUNG UND METHODIK DER STUDIE<strong>Die</strong> für Deutschland repräsentative klinisch-epidemiologischeLängsschnittstudie zum naturalistischen langfristigenVerlauf <strong>der</strong> Substitution bei Opioidabhängigen in <strong>der</strong> deutschenRoutineversorgung wurde von 2003 bis 2010 miteiner Voruntersuchung (t 0), einer Basisuntersuchung (t 1) unddrei Nachuntersuchungen (t 2: nach einem Jahr, t : nach 5-36 und t 4: nach 6-7 Jahren) durchgeführt (Anmerkung: vereinfachtwird im Folgenden von einem 6-Jahres-Zeitraumgesprochen). Beteiligt waren zu t 12.694 Patienten aus 223repräsentativ ausgewählten und nach ihrer Größe stratifiziertenSubstitutionseinrichtungen; entsprechend zur Situation<strong>der</strong> deutschen Substitutionsversorgung kamen die Patientenzu Baseline sowohl aus kleinen, zumeist nur wenigeSubstitutionspatienten (


ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEgroßen spezialisierten Substitutionszentren (> 100 Patienten)mit einem breiteren Angebotsspektrum (überwiegendin großstädtischen Ballungsräumen). 18,7% aller Einrichtungensind dem letztgenannten Typus zuzuordnen.Es ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine sogenanntePrävalenzstichprobe handelt, das heißt, entsprechend <strong>der</strong>tatsächlichen Verteilung von Substitutionspatienten in <strong>der</strong>Routineversorgung sind sowohl Patienten eingeschlossen,die vor wenigen Monaten erstmals eine Substitutionstherapiemit Methadon o<strong>der</strong> Buprenorphin begonnen hatten,wie auch Patienten, die sich schon seit mehr als 10 Jahrenin einer Substitutionstherapie befanden. Da also alle Patientenbereits monatelang behandelt sind und keine Befundeerhoben wurden, die den Schweregrad und die Situationvor Aufnahme <strong>der</strong> Substitutionstherapie beschreiben, sinddie folgenden Ergebnisse zum langfristigen 6-Jahres-Verlaufnicht o<strong>der</strong> nur eingeschränkt vergleichbar mit denStudienergebnissen kurzzeitiger kontrollierter klinischerEffektivitätsstudien.<strong>Die</strong> Ausschöpfungsquote lag je nach Untersuchungszeitpunktzwischen 71 und 91%. <strong>Die</strong> Analyse <strong>der</strong> Ausfälle zut 3ergab sowohl im Vergleich zur Ausgangsstichprobe fürt 3wie zur ursprünglichen Ausgangsstichprobe für t 1keinesignifikanten Unterschiede als mögliche Hinweise für Verzerrungen<strong>der</strong> Ergebnisse. <strong>Die</strong> Untersuchung t 4wurde miteiner Zufallsauswahl von 35% <strong>der</strong> t 3-Patienten durchgeführt.<strong>Die</strong> Daten zur Voruntersuchung t 0(2003), zur Basisuntersuchungt 1(2004/5) und zur Erhebung t 2(2005/06) wurdenbereits an an<strong>der</strong>er Stelle publiziert. Gegenstand dieserStudie sind die Ergebnisse zu t 3(2008/09) bzw. t 4(2010)sowie die Verläufe im gesamten Untersuchungszeitraumvon 6 Jahren (t 1-t 3/4). <strong>Die</strong> Ergebnisse beziehen sich auf diefür t 3erreichten Patienten (n = 2.094), die je nach Fragestellunggemeinsam o<strong>der</strong> als Teilgruppen ausgewertet wurden(vollständige Datensätze persönlich untersuchter Patienten:n = 1.493, vollständige Datensätze zu Todesfällen:n = 131, eingeschränkte Datensätze ("Proxies"): n = 470).Im Folgenden werden zusammenfassend die Hauptbefundeunter weitgehen<strong>der</strong> Beschränkung auf Vergleiche zwischenBaseline und dem 6-Jahres-Outcome beschrieben; <strong>der</strong> Übersichtlichkeitwegen werden die Zwischenmessungen weitgehendnicht berücksichtigt und nur bei ausgewähltenTeilaspekten diskutiert.3 PATIENTEN- UND STÖRUNGSMERKMALE ZU T 1<strong>Die</strong> folgenden Angaben beziehen sich zwar in erster Linieauf 1.624 Patienten mit vollständigen Datensätzen einschließlichTodesfälle bzw. Teilgruppen davon. Jedochkönnen diese Befunde durchaus auf die Ursprungsgesamtheit(mit den üblichen allgemeinen Einschränkungen) generalisiertwerden, da sich keine Hinweise auf systematischeVerzerrungen durch selektive Ausfälle ergaben.Biosoziale und soziodemografische Merkmale zu BaselineDurchaus bestehende, geringfügige und teilweise statistischsignifikante Unterschiede zwischen Frauen und Männernwerden im Folgenden nicht diskutiert, da sie inhaltlichund klinisch wenig relevant (vgl. zur ausführlichenAuswertung Abschnitt 8.6) in Bezug auf die Fragestellungenerscheinen. Zum Zeitpunkt des Studieneinschlussesstellte sich die Untersuchungsstichprobe wie folgt dar:• Alter und Geschlecht: Das Durchschnittsalter lag bei35,3 Jahren, n = 524 (32,3%) sind Frauen, <strong>der</strong> Anteil18- bis 30-Jähriger betrug 30,3% und <strong>der</strong> über 40-Jährigen27,2%.• Schulabschluss: <strong>Die</strong> Dauer des Schulbesuchs lag bei10,0 Jahren. 19% hatten keinen Abschluss, 41,4% einenHauptschulabschluss, 26% einen Realschul- o<strong>der</strong>Gymnasialabschluss (Männer: 23,2%, Frauen 31,8%),• Beruflicher Status: 23,0% waren berufstätig und 53,1%arbeitslos (Männer: 58,2%, Frauen: 42,5%)• Familiensituation: ledig waren 54,8% (bei etwa gleichemAlter; Männer: 60,3%, Frauen 43,1%), getrenntlebend/geschieden/verwitwet 20% (Männer 15,9%,Frauen 28,7%).• Kin<strong>der</strong>: 59,3% hatten keine Kin<strong>der</strong> (Männer: 64,1%,Frauen: 49,3%), 2 o<strong>der</strong> mehr Kin<strong>der</strong> hatten 17,3%.• Wohnsituation: nur 3,7% hatten keinen festen Wohnsitzo<strong>der</strong> lebten in Einrichtungen. 17,5% lebten nochbei den Eltern o<strong>der</strong> Familienangehörigen, 43% lebtenallein und 30,4% mit einem Lebenspartner in eigenerWohnung.Störungsmerkmale <strong>der</strong> Patienten bei Baseline(Studieneinschluss)<strong>Die</strong> eingeschlossenen Patienten sind langjährig (überwiegendlänger als 10 Jahre) opioidabhängig, und mehrheitlichbereits seit mehr als 4 Jahren in einer Substitutionsbehandlung.Sie sind nahezu ausnahmslos als chronischmultimorbid Schwerstkranke mit einem hohen Ausmaß ankörperlicher und psychischer Komorbidität zu beschreiben(➤ Tab. A2-A5, www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin):• Bei Studieneinschluss betrug die Dauer des vorangegangenenOpioidgebrauchs sowie <strong>der</strong> Abhängigkeit imDurchschnitt 15,4 Jahren, bei 25,3% sogar über 20Jahre.• Alle Patienten standen zu Studieneinschluss im Rahmen<strong>der</strong> Baseline-Untersuchung bereits seit mindestens2 Monaten in Substitution. Der Zeitabstand zwischenBeginn <strong>der</strong> Opioidabhängigkeit und erster Substitutions-Suchtmed 13 (5) 2011281


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSEtherapie betrug mindestens 6 Jahre, im Mittel 11,2Jahre.• Für 28,6% aller Patienten war die Behandlung zu Studieneinschlussdie erste Substitutionstherapie, für 41,1%die zweite und für 30,2% die dritte, vierte o<strong>der</strong> fünfteSubstitutionsepisode. <strong>Die</strong> erste Substitutionstherapie lagim Durchschnitt 5,8 Jahre zurück, bei 22,1% über 9Jahre (Männer: 21%, Frauen 24,4%). <strong>Die</strong> Dauer <strong>der</strong>aktuellen Substitution bei Baseline betrug 18,9 Monate;57,2% <strong>der</strong> Patienten waren aktuell weniger als 11Monate substituiert und 21,6% mehr als 25 Monate.• Zum Studieneinschluss nach im Mittel 19 MonatenSubstitutionstherapie wurden zu Baseline 61,1% <strong>der</strong>Patienten nach dem Addiction Severity Index (ASI) alsinsgesamt leichtgradig, 32,5% als mittelschwer und6,4% als extrem schwer suchtkrank beurteilt (Anteilmittel o<strong>der</strong> extrem beurteilter Männer: 41,5%, Frauen:33,5%). Bei dieser Einstufung ist zu berücksichtigen,dass die Patienten zumeist bereits Jahre in Behandlungwaren, sodass die Werte nicht den Anfangszustandbei Beginn <strong>der</strong> Behandlung wie<strong>der</strong>geben. Trotz<strong>der</strong> überwiegend langen Substitutionsvorbehandlungwurde bei Baseline ein bemerkenswerter konkomitanterSubstanzgebrauch festgestellt; je nach Informationsquelle(Urinscreening, Arzt o<strong>der</strong> Patient) lag dieser beiguter Übereinstimmung von Patientenangabe und Urinscreeningzum Beispiel für Heroin bei 20-25%, für nichtverschriebenen Methadonkonsum bei 1-10%, für Kokainbei 8-13% und für Cannabis bei 27-47%.• <strong>Die</strong> somatische Morbidität in <strong>der</strong> Stichprobe war beiBaseline insgesamt 4-fach im Vergleich zur deutschenalters- und geschlechtsgematchten Durchschnittsbevölkerungerhöht (Bundesgesundheitssurvey 1998): 77%hatten eine o<strong>der</strong> mehrere schwerwiegende körperlicheErkrankungen, 32,1% sind als körperlich multimorbidzu klassifizieren. An erster Stelle standen chronischeHCV-Infektionen bei 67,7% <strong>der</strong> Fälle sowie Erkrankungenaus dem pulmonalen und kardiovaskulären Formenkreis.Der Anteil HIV/AIDS-Erkrankter betrug 7,6%.41,3% <strong>der</strong> Stichprobe wiesen ein Fehlgewicht auf, davon10,4% Adipositas und 30,9% Unter- o<strong>der</strong> Übergewicht.• <strong>Die</strong> psychische Morbidität war mit 64,6% ebenfallssehr hoch (zweifache Erhöhung gegenüber <strong>der</strong> deutschenalters- und geschlechtsgematchten Durchschnittsbevölkerung),30% sind psychisch multimorbid erkrankt(zwei o<strong>der</strong> mehr Störungen nach ICD-10 F), imVor<strong>der</strong>grund standen Depressionen (38,4%), Persönlichkeitsstörungen(20,2%) und Angststörungen (16,9%).• Das hohe Ausmaß <strong>der</strong> psychopathologischen Belastungspiegelt sich auch in dem vom Patienten beurteiltenBrief Symptom Inventory (BSI) wie<strong>der</strong>, wo 83,8% allerPatienten auffällig erhöhte Werte angaben.• <strong>Die</strong> Einschätzung <strong>der</strong> generischen Lebensqualität (EQ-5D) ergab für 73,3% eine merkliche Min<strong>der</strong>ung, bei21,8% <strong>der</strong> Patienten sogar eine gravierend erniedrigteLebensqualität im Vergleich zur standardisierten deutschenDurchschnittsbevölkerung.4 BEHANDLUNGSMERKMALE: VERGLEICH DES BASE-LINE-STATUS MIT DEM STATUS 6 JAHRE SPÄTERUnter Behandlung werden im Folgenden alle Interventioneninnerhalb und außerhalb <strong>der</strong> Substitutionspraxis einbezogen,die für die einzelnen Patienten von Arzt bzw.Einrichtung festgelegt wurden. Grundlage sind die vollständigenDatensätze <strong>der</strong> nachuntersuchten lebenden Patienten(n = 1.493).BehandlungszieleIm Verlauf des untersuchten Zeitraums (t 1-t 3) haben sichdie Behandlungsziele – wahrscheinlich als Folge einerzumindest zeitweiligen und partiellen Zielerreichung imVerlauf <strong>der</strong> Behandlung – deutlich verän<strong>der</strong>t (➤ Tab. B6):• Bei Baseline (t 1) standen für nahezu für alle Patienten(85-99%) Behandlungsziele im Vor<strong>der</strong>grund, die aufVermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> negativen Auswirkungen des Konsumsillegaler Drogen, <strong>der</strong> Reduktion kriminellen Verhaltens,<strong>der</strong> somatischen und psychischen Komorbiditätsowie dem Beziehungsaufbau zum Patienten (vertrauensvolletherapeutische Beziehung: 97,9%) abzielen.Alle diese Zielsetzungen gingen um etwa 5-12 Prozentpunktezurück.• Demgegenüber stiegen die anfangs seltener genanntenZielsetzungen (53-69%) hinsichtlich des Erreichens vonOpioid- bzw. Substitutionsfreiheit sowie Abstinenz vonillegalen Drogen deutlich um etwa 15-20 Prozentpunktean.Therapeutische Interventionen und SubstitutionsverlaufIm Untersuchungszeitraum ergab sich ein differenziertesBild mit Teilgruppen unterschiedlichster Intensität undKontinuität <strong>der</strong> Maßnahmen (➤ Tab. B2, B6):• 74,7% erhielten zu t 1Methadon, 24,7% Buprenorphin,0,7% an<strong>der</strong>e Substitutionsmittel. Zu t 3verän<strong>der</strong>te sich<strong>der</strong> Anteil für Methadon nur unwesentlich (73,9%),<strong>der</strong>jenige für Buprenorphin wies einen scheinbarenRückgang auf (Anteil Buprenorphin-Behandelter 16,3%),<strong>der</strong> weitgehend auf Patienten zurückzuführen ist, diedie Behandlung im Verlauf regelhaft beendet hatten,und als abstinent beschrieben wurden. Der Anteil ohneSubstitution stieg signifikant auf 9,9% (abstinent o<strong>der</strong>Abbruch).• Obwohl diese Daten insgesamt nahelegen, dass Wechselzwischen den Substanzen eher selten vorkommen(bei ca. 10%), sind im 6-Jahres-Verlauf bei einem be-282 Suchtmed 13 (5) 2011


ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEmerkenswerten Anteil aller Patienten (36%) durchauszum Teil mehrfache zeitweilige Wechsel zwischen Methadon,Levomethadon und Buprenorphin vorgekommen;im Falle von Buprenorphin scheint dabei auchdie im Beobachtungszeitraum erfolgte Umstellung vonSubutex zu Suboxone eine bedeutsame Rolle gespieltzu haben.• <strong>Die</strong> aktuelle Dosis zu t 3betrug 77,9 mg für Methadon,55,2 mg für Levomethadon und 7,1 mg für Buprenorphin(mit hohen Standardabweichungen und geringfügigerZunahme bei Methadon und Levomethadon vont 1zu t 3). Im Unterschied zur Baseline-Untersuchung stiegzu t 3in allen Präparatgruppen <strong>der</strong> als stabil eingeschätzteDosisstatus <strong>der</strong> Patienten an, während <strong>der</strong> Anteilvon Patienten in Abdosierung abnahm.• Bei einer groben Gesamtbetrachtung anhand <strong>der</strong> Haltequote<strong>der</strong> Patienten in <strong>der</strong> Substitution ergibt sich fürdie Mehrzahl aller Patienten ein positives Bild: 70%aller Patienten wurden global betrachtet über den 6-jährigen Beobachtungszeitraum in <strong>der</strong> Substitutiongehalten.• Bei 21% aller Patienten wurde im Beobachtungszeitraummindestens einmal <strong>der</strong> Versuch einer regelhaftenBeendigung (Abdosierung mit dem Ziel <strong>der</strong> Abstinenz)unternommen.• <strong>Die</strong> durchschnittliche Anzahl <strong>der</strong> Arztbesuche (letzte12 Monate) war – angesichts <strong>der</strong> ausgeprägten somatischenund psychischen Komorbidität – sowohl zuBaseline wie auch im weiteren Verlauf gering. Beson<strong>der</strong>sauffällig sind die beson<strong>der</strong>s niedrigen Werte fürpsychiatrisch/psychotherapeutische Interventionen (Psychiaterund Psychotherapeut im Mittel je ein Termin/Jahr); während die mittlere Arztkontakthäufigkeit fürsomatische Störungen mit 7 Kontakten/Jahr bei Baselineund 10/Jahr zur 6-Jahres-Nachuntersuchung eher <strong>der</strong>somatischen Morbiditätslast <strong>der</strong> Patienten entspricht.• Der Anteil <strong>der</strong> Patienten mit einer regelmäßigen undkontinuierlichen Inanspruchnahme psychosozialer <strong>Die</strong>nsteim langfristigen Verlauf war vergleichsweise geringund im Untersuchungszeitraum deutlich zurückgehend(PSB in substituieren<strong>der</strong> Einrichtung von 76,1% <strong>der</strong> Patientenauf 54,8%, PSB in Drogenberatungsstellen von60,8% auf 47,1%, psychiatrische <strong>Die</strong>nste von 8,0%auf 3,6%, Psychotherapie von 8,0% auf 6,8%).• Geschlechtsunterschiede bei einer Realisierung <strong>der</strong> Maßnahmenwaren vergleichsweise gering.5 ERGEBNISSE FÜR DIE GESAMTGRUPPEEs werden zunächst die primären Zielkriterien <strong>der</strong> Studie(Anzahl <strong>der</strong> Patienten mit einer erfolgreichen bzw. ungünstigverlaufenden langfristigen Substitution) und anschließenddie sekundären Zielkriterien wie Verbesserung <strong>der</strong>Lebensqualität o<strong>der</strong> des konkomitanten Drogenkonsumsdargestellt.Primäre Zielkriterien<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie hat den Versuch unternommen, anhandvon Indikatoren die Patienten zwei wesentlichenOutcomegruppen zuzuordnen:1. Patienten mit einer langfristigen und erfolgreichen Substitution,definiert als (a) stabile fortdauernde Substitutionund (b) keine längerfristigen Unterbrechungen> 3 Monate aufgrund disziplinarischer Verstöße undBeikonsum o<strong>der</strong> (c) stabile Abstinenz (> 3 Monate) o<strong>der</strong>(d) Wechsel in eine substitutsfreie abstinenzorientierteTherapie.2. Patienten mit einem ungünstigen Verlauf: (a) unregelmäßigeSubstitution, (b) Unterbrechungen und kritischerBeikonsum, (c) keine Substitution aufgrund Abbrucho<strong>der</strong> Haft/Delinquenz und (d) Todesfälle.Unsere Ergebnisse zeigen für die Statusbeurteilung <strong>der</strong> Patientenzu t 3ein differenziertes, aber überwiegend positivesBild (Ausgangsstichprobe für t 3: n = 1.624):• 46% aller Patienten hatten einen zumindest temporärstabilen Substitutionsverlauf in den letzten 12 Monaten,7,1% waren zur Nachuntersuchung mindestens 3Monate lang abstinent (4% gesichert stabil abstinent)und 1,5% befanden sich in einer abstinenzorientiertenTherapie ohne Substitution. Insgesamt können also konservativ54,6% <strong>der</strong> Stichprobe gemäß unserer Studiendefinitionals Patienten mit günstigem und erfolgreichemVerlauf klassifiziert werden. Dazu kommen möglicherweisebis zu 13,8% weitere Patienten hinzu, bei denenkeine Angaben vorlagen (11,7%) bzw. die erhobenenpositiven Angaben (2,1%) zu ungesichert waren.• Bei einer zeitlich differenzierteren Analyse zeigt sichallerdings für die gesamte Beobachtungszeitstrecke,dass eine vollständig "stabile" Substitution ohne jeglicheUnterbrechung und ohne bedeutsame Verän<strong>der</strong>ungenvon Dosierung und Mittel nur für eine Min<strong>der</strong>heit<strong>der</strong> Patienten von 30% gilt. Typisch für den Verlauf<strong>der</strong> meisten Patienten sind zumindest einmalige, oftaber auch mehrmalige disziplinarische Unterbrechungeno<strong>der</strong> Abbrüche bzw. nach einer Unterbrechung dieWie<strong>der</strong>aufnahme <strong>der</strong> Substitution bei dem gleichen o<strong>der</strong>einem an<strong>der</strong>en Arzt.• Gleichermaßen muss hinsichtlich <strong>der</strong> Abstinenz berücksichtigtwerden, dass diese überwiegend als temporärerfolgreiche Abstinenz einzuordnen sind. <strong>Die</strong> meisten(85%) <strong>der</strong> als abstinent klassifizierten Patienten bei<strong>der</strong> 12-Monats-Nachuntersuchung waren beim 6-Jahres-Follow-upwie<strong>der</strong> in Substitution; gleichermaßenwaren von sechs abstinenten Patienten zu t 3bei t 4fünfwie<strong>der</strong> in Substitution.Suchtmed 13 (5) 2011283


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE• Der Anteil <strong>der</strong> Patienten mit einem ungünstigen Verlauflag – je nach Verrechnung <strong>der</strong> nur partiell untersuchtenPatienten mit unklarem Verlauf (s.o.) – zwischen25,9% und 31,4% und setzt sich zusammen aussolchen in instabiler Substitution (12,7%), denjenigen,die die Substitutionstherapie abgebrochen haben und wie<strong>der</strong>rückfällig wurden, die Patienten mit unklarem Verlaufohne Substitution o<strong>der</strong> die in Haft waren (5,1%),die verstorben waren (8,1%), bzw. nach Abbruch einenunklaren Verlauf ohne Substitution aufwiesen (5,5%).• Insgesamt erwies sich dieser Klassifikationsversuch"günstige versus ungünstige Verläufe" als wenig befriedigend,da er <strong>der</strong> Heterogenität und zeitlichen Dynamik<strong>der</strong> Erkrankung im Beobachtungszeitraum nichtgerecht wird und vermutlich nur eine geringe klinischeNützlichkeit aufweist. Wie auch bei <strong>der</strong>artigenBeurteilungsversuchen in an<strong>der</strong>en chronischen Krankheitsgruppen(z.B. Schizophrenie und Diabetes mellitus)beschränkt sich die Nützlichkeit und Aussagekraftimmer nur auf relativ kurze Zeiträume von etwa einemJahr.Sekundäre ZielkriterienAuch die Beurteilung <strong>der</strong> sekundären Zielkriterien ergabein überwiegend positives Bild (➤ Tab. B1, B3 – B6; Auswertungsstichprobefür t 3ohne Verstorbene, n = 1.493).• Es ergibt sich aufgrund <strong>der</strong> Urinproben ein deutlicherRückgang nahezu aller konkomitant gebrauchten Substanzen.Der Opioidbeikonsum reduziert sich von 21,2%auf 12,8%; jeglicher Beikonsum reduziert sich von58,9% auf 40,7%; <strong>der</strong> Gebrauch beson<strong>der</strong>s kritischerSubstanzen (alle illegalen Drogen ohne Cannabis) halbiertsich nahezu von 23,7% auf 12,7%.• Zum Zeitpunkt t 3ist allerdings <strong>der</strong> Konsum von Benzodiazepinenund Barbituraten (18,6%), an<strong>der</strong>en Opioiden(12,4%) sowie von Cannabis (33,4%) durchausnoch bemerkenswert erhöht.• Bei <strong>der</strong> Interpretation des Beikonsums ist zu berücksichtigen,dass ca. ein Drittel aller Studienpatientenzu allen Untersuchungszeitpunkten Dosierungen erhielten,die unterhalb <strong>der</strong> allgemein empfohlenen minimalerfor<strong>der</strong>lichen Erhaltungsdosis liegen. Obwohl entsprechendevertiefende Analysen keine eindeutigenSchlussfolgerungen zulassen, kann vermutet werden,dass ein nicht unerheblicher Teil <strong>der</strong> Patienten Beikonsumbetreibt, um die möglicherweise unzureichendeSubstitutionsdosis zu kompensieren.• <strong>Die</strong> Auswertung <strong>der</strong> Gesamtmittelwerte des AddictionSeverity Index ergab eine deutliche mittlere Verbesserunggegenüber den Voruntersuchungen insbeson<strong>der</strong>efür folgende Bereiche: Konsum illegaler Drogen, rechtlicheProbleme, Arbeit und berufliche sowie familiäreSituation. <strong>Die</strong> deutliche mittlere Besserung darf nichtdarüber hinwegtäuschen, dass sich <strong>der</strong> Anteil von Patientenmit einem hochproblematischen Gesamtwert(> 4) von 17,3% auf 21,9% erhöht hat und dass dieWerte für die psychosozialen Zielbereiche (Beziehungen,Arbeit) trotz <strong>der</strong> Verbesserungen noch verhältnismäßighohe problematische Werte zeigen.• Kritisch und bemerkenswert ist auch, dass sich die beiden ersten beiden Untersuchungszeitpunkten bereitsschlechte körperliche und psychische Morbiditätslage<strong>der</strong> PatientInnen kaum verbessert hat. <strong>Die</strong>se Situationist wesentlich mitverantwortlich für den angestiegenenAnteil von PatientInnen mit hochproblematischenASI-Werten. <strong>Die</strong> somatische Morbidität hinsichtlichschwerwiegen<strong>der</strong> Erkrankungen ging zwar zurück, bedingtvor allem durch Verbesserungen bei Hepatitis Bund C, ebenso stieg <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Patienten ohne psychischeStörung von 36,7% auf 44,3%, doch nahm<strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Patienten bei zahlreichen Einzeldiagnosenzu und die Absolutwerte für Depressionen (42%), Angststörungen(19,3%) sowie Persönlichkeitsstörungen(22,4%) sind zu t 3massiv gegenüber den Referenzwertenan<strong>der</strong>er Krankheitsgruppen erhöht.• <strong>Die</strong> generische Lebensqualität (WHO EQ-5D) hat sichim Mittel zwar statistisch signifikant, aber klinischwenig beeindruckend verbessert. Dabei zeigen sich zweientgegengesetzte Entwicklungen: <strong>der</strong> Anteil unauffälligerPatienten hat sich von 27,6% auf 30,7% erhöht,<strong>der</strong> Anteil schwer Beeinträchtigter ebenso von 20,6%auf 34,5%. <strong>Die</strong> Beeinträchtigungen <strong>der</strong> Lebensqualitätergaben sich nahezu vollständig aus sehr hohen Wertenfür Angst, Nie<strong>der</strong>geschlagenheit und Schmerzen.• <strong>Die</strong> höchsten Verbesserungen beim ASI und <strong>der</strong> generischenLebensqualität zeigten sich bei den Teilgruppen<strong>der</strong> Abstinenten und <strong>der</strong> Patienten mit einem stabilenSubstitutionsverlauf.• Erfreulich ist die Verbesserung <strong>der</strong> beruflichen Situation,z.B. stieg <strong>der</strong> Anteil berufstätiger Patienten von24,1% auf 34% sowie <strong>der</strong>jenigen in berufsqualifizierendenMaßnahmen von 7,5% auf 19,4%. Der AnteilArbeitsloser sinkt entsprechend von 51,6% auf 42%.• <strong>Die</strong> Wohnsituation verbesserte sich bei über 90% unddie Werte für die Drogenkriminalität zeigten ebenfallseine deutliche Verbesserung, z.B. sank die Haftquotein den letzten 12 Monaten vor t 1von 8,2% auf 0,9%.<strong>Die</strong> Drogendelikte gingen von 34% (t 2) auf 9% (t 3)zurück.Beurteilung <strong>der</strong> ZielerreichungZusammenfassend gaben die Ärzte an, dass die von ihnenformulierten Ziele in etwa 70-80% <strong>der</strong> Fälle erreicht wurden.Überdurchschnittlich positiv waren die Angaben beimZiel "Abstinenz von illegalen Drogen", deutlich geringerfielen diese für die Ziele "Abstinenztherapie vermitteln"und "Opioidabstinenz" aus.284 Suchtmed 13 (5) 2011


ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE6 VERGLEICHE VON AUSGEWÄHLTEN PATIENTEN-GRUPPENAusgewählte Patienten mit positivem bzw. negativemSubstitutionsverlaufEs wurden aus <strong>der</strong> Auswertungsstichprobe zu t 3(n = 1.624)die 54,6% <strong>der</strong> Patienten mit einem positiv beurteiltenVerlauf (46% temporär stabile Substitution und 8,6%abstinent o<strong>der</strong> in abstinenzorientierter Substitution) undmit einem unbefriedigenden Verlauf (8,1% Verstorbene,2,7% instabile Substitution, 5,1% ohne Substitution) verglichen.In fast allen sekundären Erfolgskriterien zeigtensich bedeutsame Unterschiede:• Für alle untersuchten Variablen (Lebensqualität, ASI-Schweregradindex, Morbidität) zeigten die Gruppe <strong>der</strong>Abstinenten die besten Ergebnisse, gefolgt von <strong>der</strong>Gruppe in temporär stabiler Substitution ohne konkomitantenDrogengebrauch (hier allerdings auffälligschlechte Werte für die Morbidität).• <strong>Die</strong> Patienten in temporär stabiler Substitution mit konkomitantemDrogengebrauch und diejenigen in instabilerSubstitution haben demgegenüber deutlich schlechtereWerte.• <strong>Die</strong> Gruppe ohne Substitution zeigte – entgegen <strong>der</strong> negativenEinstufung des Substitutionsverlaufs – vergleichsweisegute Werte. <strong>Die</strong>s ist ein Hinweis auf den weiterenUntersuchungsbedarf zur Optimierung <strong>der</strong> Einstufung <strong>der</strong>individuellen und sehr komplexen Substitutionsverläufedieser Teilgruppe (etwa 5% <strong>der</strong> Patienten).Vergleiche von Frauen und MännernTrotz zahlreicher signifikanter Unterschiede bei sozioökonomischemStatus, Störungsausprägung und Ergebnissensind die Unterschiede zwischen Frauen und Männern klinischwenig bedeutsam (➤ Tab. A1, A2, Bx.1 und Bx.2,www.ecomed-medizin.de/suchtmedizin):• Frauen waren im Durchschnitt etwas jünger (34,3 vs.35,7 Jahre) und stellten einen deutlich größeren Anteilbei <strong>der</strong> jüngeren Altersgruppe bis 30 Jahre (33,8% bis28,6%). Sie hatten einen höheren schulischen Ausbildungsstand(z.B. Real- o<strong>der</strong> Gymnasialabschluss 31,8%vs. 23,2%), waren weniger arbeitslos (42,5% vs. 58,2%),häufiger geschieden/getrennt lebend/verwitwet (28,7%vs. 15,9%) und hatten mehr Kin<strong>der</strong> (50,7% vs. 36%).• <strong>Die</strong> Merkmale zur Charakterisierung <strong>der</strong> Substanzstörungund des Substitutionsverlaufs zeigen wenig relevanteUnterschiede mit Ausnahme einer etwas geringenKonsumdauer, aber einem früheren Beginn <strong>der</strong> Substitutionund einem etwas geringeren ASI-Schweregradindexbei Frauen. Der Anteil stabiler Substitutionsverläufeist deutlich geringer (40,5% vs. 46,7%).• In den Ergebnissen zeigten sich – bei geringerem konkomitantenKonsum zu t 1– im Verlauf bis t 3keine bzw.geringe Unterschiede gegenüber Männern (z.B. unterBerücksichtigung irgendeiner <strong>der</strong> erfassten Substanzen:Rückgang von 52,6% auf 34,2% und bei Männernvon 62% auf 43,8%).• Bei den ASI-Einstufungen zeigten beide Geschlechtereine signifikante Verbesserung des Gesamtwertes, aberFrauen wiesen eine geringere Ausgangs- und Endbelastungsowie einen geringeren Anteil mit schwerwiegen<strong>der</strong>enBelastungen in einzelnen Bereichen auf (z.B.zu t 345% vs. 56,6% <strong>der</strong> Fälle).• Bei den Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> psychischen und somatischenKomorbidität zeigten sich keine Unterschiede.<strong>Die</strong> ärztliche Beurteilung <strong>der</strong> Zielerreichung ist für Frauendurchweg – zumeist klinisch geringfügig – bessermit einigen deutlich günstigeren Werten für die Reduktionillegalen Drogenkonsums (77,1% vs. 69,7%), Abstinenzvon illegalen Drogen (72,2% vs. 63,3%) undvollkommene Substanzfreiheit einschließlich einer Substitution(35,2% vs. 26,8%).7 ERGEBNISSE ZU SPEZIELLEN FRAGESTELLUNGENMortalität: Häufigkeit, Ursachen und Prädiktoren• Das standardisierte jährliche Mortalitätsrisiko (CMR)liegt bei 1,15% (131 Todesfälle in sechs Jahren); dieseRate ist deutlich günstiger als im internationalen Vergleich.• Häufigste Todesursachen waren Komplikationen in Zusammenhangmit Erkrankungen (36,6%) sowie Überdosis/Polyintoxikation(28,3%) und Suizid (16%). Iminternationalen Studienvergleich bedeutet dies einedeutlich erhöhte Suizidrate sowie deutlich erhöhte Mortalitätaufgrund körperlicher Erkrankungen.• Sehr selten im internationalen Vergleich war bei <strong>der</strong>Mortalität das Substitut ursächlich beteiligt: Nur zwei<strong>der</strong> 37 Patienten mit Überdosis starben alleine aufgrunddes Substitutionsmittels, bei weiteren vier war das Substitutionsmittelmöglicherweise beteiligt.• Unter Patienten in stabiler Substitution ist die Mortalitätsrategeringer als bei solchen mit häufigeren Unterbrechungenim Verlauf bzw. bei Patienten ohne Substitution(24,1% vs. 31,5%).• Risikofaktoren für einen vorzeitigen Tod sind: höheresAlter, Arbeitslosigkeit, erhöhter ASI, schwerwiegendepsychische und somatische Erkrankungen, Dauer <strong>der</strong>Substanzstörung und Unterbrechung/Abbruch <strong>der</strong> Substitutionsowie Art des vorwiegenden Substitutionsmittels.Insgesamt bestehen keine bedeutsamen Geschlechterunterschiede.Suchtmed 13 (5) 2011285


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSEAbstinenz: Häufigkeit, Stabilität und Risiken• Zu t 2waren 8,2% abstinent ohne Behandlung (89 Personen)o<strong>der</strong> in einer abstinenzorientierten Therapie (96Personen).• Zu t 3waren von den ursprünglich 89 abstinenten Personenohne Behandlung nur 8 Personen sicher abstinent,vier weitere wahrscheinlich abstinent, 52 Personensicher nicht abstinent und bei 25 Personen war <strong>der</strong>Status unbekannt.• Von den ursprünglich 96 Personen in einer abstinenzorientiertenBehandlung konnten aus Datenschutzgründenkeine Informationen gesammelt werden.• Bei 21% aller Patienten wurde zumindest ein Abstinenzversuchvon den Ärzten begonnen, bei etwa <strong>der</strong> Hälfte(9,6%) wurde eine zumindest dreimonatige Abstinenzerreicht. Zu t 3waren 7,3% als abstinent klassifiziert(bei <strong>der</strong> Hälfte wurde auch ein Drogen-Screening durchgeführt).• Eine hohe Abstinenzorientierung hat einen zweigeteiltenEinfluss auf den Substitutionsverlauf: mehr Patientenmit hohem Schweregrad sind zu t 3abstinent, <strong>der</strong>konkomitante Drogengebrauch ist geringer und <strong>der</strong>ASI-Wert besser, aber: mehr Patienten versterben, wenigerPatienten sind in Substitution und die Abbruchrateist höher.<strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Psychosozialen Betreuung• Psychosoziale Betreuung hat vor dem Hintergrund desvon den Ärzten formulierten Behandlungsbedarfes (z.B.bei 97,7% eine soziale Stabilisierung) einen hohen Stellenwert.75,3% erhalten PSB zu t 1in <strong>der</strong> Substitutionseinrichtung,61,4% in einer Drogenberatungsstelle undje etwa 10-15% bei verschiedenen an<strong>der</strong>en <strong>Die</strong>nsten.• Zu t 3geht – trotz <strong>der</strong> weiterhin hohen Einschätzungdes Bedarfs durch die Ärzte – die Nutzung aller Einrichtungenum 5-20 Prozentpunkte zurück.• Zwischen hoher PSB-Nutzung und Ergebnissen zu t 3zeigte sich kein klinisch relevanter positiver Zusammenhang(Cave: keine Kausalbeurteilung möglich, daPSB sinnvollerweise eher bei problematischen Patientenintensiviert wird).<strong>Die</strong> Rolle des Substitutionsmittels und <strong>der</strong> DosierungZusammenfassend ergab sich, dass Patienten mit Levomethadonin einigen Indikatoren (z.B. Haltequote, Quotestabil Substituierter, Unterbrechungen) und Patienten mitBuprenorphin in mehreren Indikatoren (z.B. Abstinenzrate,ASI-Schweregrad/BSI) bessere Ergebnisse zeigen als solchemit Methadon (Cave: keine kausalen Aussagen möglich;es gibt offensichtlich differenzielle ärztliche Indikationsentscheidungen,die kaum erforschbar sind).Ergebnisse <strong>der</strong> t 4-Untersuchung• In Übereinstimmung mit den oben diskutierten häufigenStadienwechseln ging <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Patienten inSubstitution von t 3zu t 4etwas zurück (90% vs. 80,9%),<strong>der</strong> Anteil stabil Substituierter ebenfalls (74,8% vs.59,9%) und <strong>der</strong>jenige <strong>der</strong> Abstinenten sank von 5,2%auf 1,8%.• Insgesamt bestätigten sich für die zufällig ausgewähltenTeilnehmer an t 4im Wesentlichen die Befunde <strong>der</strong>t 3-Untersuchungswelle.Spezielle Angebote für bestimmte Risikogruppen• Etwa 30% <strong>der</strong> Einrichtungen (insbeson<strong>der</strong>e die großenZentren) gaben eine Spezialisierung für Risikogruppenan. Häufigste Schwerpunkte sind psychischeStörungen (12,4%), HCV (8,7%) und HIV (5,6%).Trotz des hohen Anteils von Patientinnen mit Kin<strong>der</strong>nwird ein entsprechen<strong>der</strong> Schwerpunkt (Schwangere,Familien mit Kin<strong>der</strong>n etc.) nur selten genannt (8,4%).• Spezialisierte Angebote sind zudem extrem ungleichbundesweit verteilt und zumeist auf großstädtische Ballungsräumebegrenzt. Für die Mehrzahl <strong>der</strong> Betroffenensind <strong>der</strong>artige Angebote daher oft nicht verfügbaro<strong>der</strong> nicht zugänglich. Wegen dieser Verteilungscharakteristikaund <strong>der</strong> geringen Angebotslage konntenauch keine messbaren Effekte hinsichtlich <strong>der</strong> Patienten-Outcomesfestgestellt werden.Umgang mit "kritischem Beikonsum"• 64% <strong>der</strong> Einrichtungen gaben definierte, feste Regelnfür den Umgang mit riskantem Beikonsum an, 36%wenden ein flexibles Vorgehen an. Als riskanter Beikonsumwurden unter Methadon einige Substanzen wieAmphetamine/Kokain, Opioide und Benzodiazepinehäufiger genannt (insbeson<strong>der</strong>e von kleineren Einrichtungen)als unter Buprenorphin.• Zwei Drittel aller Substitutionseinrichtungen geben an,dass Patienten mit dem Substitutionsmedikament nichthandeln. Überdurchschnittlich hohe Werte wurden jeweilsvon den großen Einrichtungen genannt.Zusammenarbeit mit psychiatrischen und psychotherapeutischenEinrichtungenIm Vergleich zu dem hohen Ausmaß an psychischen Störungen(63,3% <strong>der</strong> Patienten zu t 1und 55,7% zu t 3) und <strong>der</strong>hohen Einschätzung eines Behandlungsbedarfs durch die Ärzte(95,4% zu t 1, 84,3% zu t 3) ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Einrichtungenmit einer entsprechenden regelmäßigen Zusammenarbeitgering (18% Psychotherapie, 22,4% Psychiatrie; für kleinereEinrichtungen etwas bessere Angaben).286 Suchtmed 13 (5) 2011


SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN | <strong>PREMOS</strong>-STUDIESchlussfolgerungen und Empfehlungen für eine bedarfs- und zielgruppengerechtereGestaltung <strong>der</strong> langfristigen Substitution OpioidabhängigerHans-Ulrich Wittchen 1 , Jürgen T. Rehm 1,2 , Jörg Gölz 3 , Michael R. Kraus 4 , Martin Schäfer 5 , Michael Soyka 6,7 ,Norbert Scherbaum 8 , Markus Backmund 9 , Gerhard Bühringer 1,101Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden2Centre for Addiction and Mental Health, Toronto (Canada)3Praxiszentrum Kaiserdamm, Berlin4Kreiskliniken Altötting-Burghausen, Medizinische Klinik II, Burghausen5Kliniken Essen-Mitte, Evang. Huyssens-Stiftung, Klinik f. Psychiatrie, Essen6Psychiatrische Klinik, Universität München7Privatklinik Meiringen, Meiringen8LVR-Klinikum Essen, Kliniken/Institut <strong>der</strong> Universität Duisburg-Essen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Essen9Praxis im Tal (pit), München10Institut für Therapieforschung (IFT), MünchenKorrespondenzadresse: Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische UniversitätDresden, Chemnitzer Str. 46, D-01187 Dresden, Email: wittchen@psychologie.tu-dresden.de<strong>Die</strong> Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen<strong>der</strong> Studie orientiert sich an den beiden Hauptzielen:Zum einen <strong>der</strong> deskriptiven Beschreibung von Verlauf undErgebnis langfristiger Substitution, zum an<strong>der</strong>en <strong>der</strong> Analysevon Faktoren, die den Verlauf und die Ergebnisse beeinflussen,etwa im Hinblick auf Risikofaktoren fürvorzeitige Todesfälle. Anschließend folgen verschiedeneEmpfehlungen für die Verbesserung <strong>der</strong> Praxis und fürnotwendige Forschungsvorhaben, die auf einem mehrstufigenBeratungsprozess mit den Beiräten und externenBeratergruppen (z.B. mit <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft fürSuchtmedizin) beruhen.1 VERLAUF UND ERGEBNISSE LANGFRISTIGERSUBSTITUTION(1) Opioidabhängige in Substitution sind charakterisiertdurch ein schwerwiegendes multimorbides Krankheitsbildmit chronischem VerlaufPatienten in Substitution gehören nach <strong>PREMOS</strong> mehrheitlichzu den Schwerstkranken mit chronischem Verlauf<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie * wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführtund aus diesen Mitteln finanziert. Es erfolgte eine Prüfung durch die Ethikkommission<strong>der</strong> Medizinischen Fakultät <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden (EK313122007) sowie die Registrierung <strong>der</strong> Studie beim National Institute for Health (NIH)in Washington D.C. (NCT-ID: NCT00673647).Mitarbeiter des <strong>PREMOS</strong>-Projektes sind: Prof. Dr. H.-U. Wittchen, Dipl.-Psych. A. Trä<strong>der</strong>,Dipl.-Psych. S. Trautmann, Dipl.-Psych. K. Mark, Dipl.-Psych. K. Langer, Dipl.-Psych. C. Wolf(Dresden), Prof. Dr. G. Bühringer (Dresden/München), PD Dr. M. Backmund (München),Dr. J. Gölz (Berlin), PD Dr. M.-R. Kraus (Würzburg), Prof. Dr. M. Schäfer (Essen),Prof. M. Soyka (München/Meiringen), Prof. F. Tretter (München), Prof. G. Fischer (Wien),Prof. N. Scherbaum (Essen).*Predictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und Outcomeim Gesundheitssystem. Neben einer stark erhöhten undüber den Verlauf gleichbleibenden Frühmortalität (pro Jahrstirbt etwa 1% vorzeitig an den Folgen <strong>der</strong> Erkrankung)wurden im Rahmen einer langjährigen Heroin- bzw. Opioidabhängigkeit(im Durchschnitt nur etwa 15 Jahre) folgendeHauptcharakteristika beobachtet: zumeist multipleschwere körperliche Erkrankungen und Komplikationenaller Organsysteme, multiple und über das Abhängigkeitssyndromhinausgehende psychische Störungen, eine schlechtepsychosoziale Situation (etwa 50% sind arbeitslos bzw.vorzeitig krankheitsbedingt berentet) und eine deutlich gemin<strong>der</strong>tegenerische Lebensqualität (bei 75%).<strong>Die</strong> Interaktion zwischen diesen psychosozialen, psychischenund somatischen Aspekten und Problemlagen sowieihren Interaktionen mit den eigentlichen Suchtprozessenbestimmt einen inter- und intraindividuellen höchst komplexenund variablen Langzeitverlauf, bei denen sich Phasenrelativer Stabilität und Besserung mit krisenhaftenZuspitzungen und Verschlechterungen selbst bei positivverlaufen<strong>der</strong> Substitutionstherapie abwechseln können.<strong>Die</strong>se variable Krankheitsdynamik bedingt einen kontinuierlichenund fortdauernden individualisiert hochspezifischenBehandlungsbedarf (siehe auch Punkt 8).(2) <strong>Die</strong> Substitutionstherapie ist effektiv und erreicht überwiegenddie allgemeinen primären Ziele (primäre Erfolgskriterien)Zusammenfassend weisen 46% einen zumindest temporärguten und stabilen Substitutionsverlauf auf. Unter Einbeziehungnicht gesicherter positiver Angaben und <strong>der</strong>Personen in temporärer Abstinenz bzw. in einer abstinenzorientiertenTherapie erhöht sich die Gruppe <strong>der</strong> Perso-Suchtmed 13 (5) 287 2011 – 293 (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg287


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGENnen mit einer positiven Statusbeurteilung nach sechs Jahrenauf – je nach Kriterium – etwa 55% bis über 65%.Allerdings scheint empirisch die Vorstellung einer langfristigüber Jahre hinweg stabil positiv verlaufenden Substitutionebenso wie das Therapieziel einer langfristig stabilenAbstinenz nicht haltbar zu sein. Wie bei allen chronischenKrankheitsbil<strong>der</strong>n ist vielmehr im Langzeitverlauf eine hoheStadienvariabilität charakteristisch.Im Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong> Behandlungsziele stand beinahe beiallen Patienten (90-100%) die Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> negativenAuswirkungen einer langjährigen Drogenabhängigkeit:kritischer Konsum illegaler Substanzen, delinquentesVerhalten, somatische und psychische Erkrankungenund die Etablierung und Erhaltung einer tragfähigen therapeutischenBeziehung. Bei dem gegebenen komplexenStörungsbild in sinnvoller Weise nachgeordnet waren diedeutlich seltener als prioritär und realistisch beurteiltenZiele im Hinblick auf eine vollständige Opioid- bzw. Substitutionsfreiheit.(3) Es zeigen sich deutliche Verbesserungen des Störungsbildesim Verlauf <strong>der</strong> Substitution (sekundäre Erfolgskriterien)<strong>Die</strong> Untersuchungsergebnisse zum Verlauf über sechs Jahreund die dabei erzielten Ergebnisse zeigen ein überwiegendpositives Bild im Hinblick auf zahlreiche Verbesserungenin zentralen Störungsbereichen. Trotz <strong>der</strong> bereitsmehrjährigen Behandlung konnte <strong>der</strong> konkomitante Substanzkonsumim Durchschnitt um ein Drittel von etwa 60auf 40% reduziert, bei den beson<strong>der</strong>s kritischen Substanzenvon etwa 20 auf 10% halbiert werden. <strong>Die</strong> somatischeMorbidität hat sich zwar nicht generell, jedoch ineinigen Bereichen (z.B. HCV) verbessert, psychosozial hatsich die Wohnsituation und die berufliche Situation positivverän<strong>der</strong>t, die drogenbezogenen Delinquenzmerkmalegingen deutlich zurück, ebenso wie <strong>der</strong> durchschnittlicheIndex für den Schweregrad <strong>der</strong> Abhängigkeit. <strong>Die</strong> positivenErgebnisse zeigen sich auch in <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong>Situation durch die Ärzte zu t 3: Für 70-80% <strong>der</strong> Patientenkonnten die individuell für den jeweiligen Patienten definiertenBehandlungsziele erreicht werden.(4) <strong>Die</strong> Substitution ermöglicht die Behandlung <strong>der</strong> komorbidenStörungenNeben den originären Behandlungszielen (Ersatz illegalenKonsums durch legales Medikament, Reduzierung <strong>der</strong> negativenFolgen des i.V.-Konsums illegaler Drogen) stelltdie Substitution durch die gelungene Bindung an eine Einrichtungdie Chance dar, die schweren komorbiden psychischenund somatischen Störungen zu behandeln unddas Ausmaß von Komplikationen zu reduzieren.(5) Auch nach 6 Jahren besteht weiterhin hoher Behandlungsbedarfbei ausgewählten StörungsaspektenEine deutlich schlechtere Bewertung ergibt sich hinsichtlich<strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> psychischen Morbidität: hiernahm <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Patienten bei einigen Einzeldiagnosensogar zu und die Werte für die wichtigsten Störungen warennach sechs Jahren unverän<strong>der</strong>t hoch (Depression etwa40%, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen je etwa20%). Ferner zeigt sich gerade bei <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> vonpsychischen Störungen ausgeprägt belasteten Patienten gehäuft,dass eine bemerkenswerte Anzahl von Patienten nochweitere hochproblematische Störungsmerkmale aufweisen:z.B. haben etwa 20% einen hohen ASI (größer als 4), <strong>der</strong>Anteil schwer beeinträchtigter Personen bei <strong>der</strong> Lebensqualitätsteigt von etwa 20 auf 35% und auch die somatischeMorbidität zeigt bis auf eine Besserung <strong>der</strong> HCV-Symptomatik keine deutlichen Verbesserungen. Art, Ausmaßund Kombinationen von psychischer und somatischerKomorbidität sowie kritischer psychosozialer Krisen variierenim Langzeitverlauf häufig. <strong>Die</strong>se ausgeprägte Krankheitsdynamikerfor<strong>der</strong>t eine kontinuierliche, bezüglich <strong>der</strong>Behandlungsdichte flexible und engmaschige Betreuung,die immer wie<strong>der</strong> an die jeweils im Vor<strong>der</strong>grund stehendenProblemlagen angepasst werden muss.(6) Der konkomitante Konsum weiterer Substanzen erfor<strong>der</strong>teine differenzierte Analyse <strong>der</strong> Ursachen<strong>Die</strong> Substitution kann nur die Reduktion illegal gebrauchterOpioide erreichen, nicht aber den Konsum weiterer psycho--troper Substanzen. Jeglicher sonstiger Konsum muss deshalbdifferenziert im Hinblick auf die möglichen Ursachenanalysiert und therapeutisch bearbeitet werden. Ursachenkönnen sein:• temporäre o<strong>der</strong> fortdauernde Unterdosierung des Substitutionsmittels• komorbide Abhängigkeit von weiteren Substanzen• (ungeeignete) Fremdmedikation mitbehandeln<strong>der</strong> Ärzte(z.B. Benzodiazepine für Schlafstörungen)• ungeeignete Selbstmedikation (z.B. Kokain bei Sexualstörungen)• gelegentlicher o<strong>der</strong> regelmäßiger Konsum aufgrund <strong>der</strong>euphorisierenden Wirkung(7) Ein Abbruch aus disziplinarischen Gründen muss sorgfältiggeprüft und auf absolut kritische Einzelfälle begrenztwerdenAbbruch aus disziplinarischen Gründen führt in <strong>der</strong> Regelentwe<strong>der</strong> zu einem ständigen Wechsel <strong>der</strong> Substitutionsein-288 Suchtmed 13 (5) 2011


SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN | <strong>PREMOS</strong>-STUDIErichtungen o<strong>der</strong> zu einer Phase ohne Behandlung mit dendamit verbundenen Risiken.Wie bei an<strong>der</strong>en chronischen Erkrankungen sollte <strong>der</strong>Abbruch sorgfältig geprüft und nur bei drei Indikationen– bei gleichzeitiger Sicherstellung einer alternativen Betreuungsoption– erfolgen:• schwerwiegende Störung <strong>der</strong> Arzt-Patient-Beziehung• Selbstgefährdung (Konsum von Substanzen mit erheblichenRisiken für die Gesundheit bzw. für vorzeitigenTod)• Fremdgefährdung (aggressives Verhalten in <strong>der</strong> Praxis)(8) Es besteht ein langfristiger und individuell hochspezifischerBehandlungsbedarfDer Schweregrad, die Komplexität und <strong>der</strong> Komplikationsreichtumsowie die zeitliche Dynamik <strong>der</strong> Interaktionenerfor<strong>der</strong>n zwingend einen langfristigen und vermutlich beivielen Patienten lebenslangen Behandlungsbedarf in zahlreichenLebens- und Funktionsbereichen auch jenseits <strong>der</strong>unmittelbaren Ziele einer abhängigkeitsfokussierten Substitutionstherapie.Interventionsbedarf besteht im Bereich <strong>der</strong>möglichst effizienten Eindämmung des konkomitantenSubstanzgebrauchs, <strong>der</strong> frühzeitigen und umfassenden Behandlung<strong>der</strong> schwerwiegenden somatischen Erkrankungen,<strong>der</strong> frühzeitigen und umfassenden Behandlung <strong>der</strong>psychischen Störungen und einer kontinuierlichen Arbeitzur Verbesserung <strong>der</strong> psychosozialen Situation, um ein möglichstbreites Spektrum gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen.Zur Behandlung einer Opioidabhängigkeit unter Substitution,insbeson<strong>der</strong>e unter dem Aspekt eines komplexen undmultimorbiden Störungsbildes und <strong>der</strong> Notwendigkeit einerMitbehandlung durch verschiedene Fachdisziplinen, sindumfassende Leitlinien (möglichst S 3) absolut erfor<strong>der</strong>lich.(9) Angesichts <strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong> Problemlagen ist dieBehandlungsintensität außerordentlich gering<strong>PREMOS</strong> zeigt, dass diesem erfor<strong>der</strong>lichen Bedarf bei <strong>der</strong>Mehrzahl <strong>der</strong> betroffenen PatientInnen nicht entsprochenwird. Für die Gesamtgruppe ist vor dem Hintergrund desschweren Störungsbildes die Inanspruchnahme therapeutischerund psychosozialer <strong>Die</strong>nste erstaunlich gering. Inden letzten 12 Monaten vor t 3fand im Durchschnitt einTermin bei einem Psychiater o<strong>der</strong> Psychotherapeuten, etwaein Termin pro Monat in <strong>der</strong> Substitutionspraxis und knappein Termin bei an<strong>der</strong>en Ärzten zur Behandlung <strong>der</strong> krankheitsassoziiertenMorbiditäten statt. Der Anteil <strong>der</strong> Patienten,<strong>der</strong> solche <strong>Die</strong>nste in Anspruch nimmt, sinkt erheblichvon 70-80% auf etwa 50% für psychosoziale <strong>Die</strong>nsteund für psychiatrische und psychotherapeutische <strong>Die</strong>nstevon etwa 10% auf etwa 4-7%.(10) Es gibt eine Diskrepanz zwischen Notwendigkeit undtatsächlicher Nutzung <strong>der</strong> PSBIm Behandlungsverlauf nimmt die Nutzung <strong>der</strong> psychosozialenBeratungsstellen (PSB-Maßnahmen) auf etwa 50%ab, obwohl über 90% <strong>der</strong> Ärzte nach wie vor eine sozialeStabilisierung als prioritär ansehen. Es bedarf weitererUntersuchungen, um festzustellen, inwieweit hier eine Fehleinschätzungdes Beratungsbedarfs vorliegt o<strong>der</strong> aber geeignete(Motivierungs-)Maßnahmen nicht zur Verfügungstehen. Es gelingt offensichtlich beson<strong>der</strong>s in schlecht versorgtenGebieten oft nicht, dem jeweiligen psychosozialenHilfebedarf in einer mehrjährigen Substitution patientengerechtzu entsprechen bzw. ihn logistisch umzusetzen.Es scheint keine generellen Kapazitätsengpässe zu geben,die diese Diskrepanz erklären könnten. Eher ergeben sichHinweise auf regionale Defizite sowie Fehlallokation bzw.Finanzierungsbarrieren.Zusammenhänge zwischen PSB-Inanspruchnahme undErgebnissen in den verschiedenen Bereichen zeigen, dasseine hohe PSB-Inanspruchnahme in geringem Umfang miteiner geringeren Rate positiver Ergebnisse verbunden ist.<strong>Die</strong>s weist darauf hin, dass Patienten mit instabilem schlechtenVerlauf eher PSB-Maßnahmen erhalten. <strong>Die</strong>s ist unterklinisch-therapeutischen Gesichtspunkten (Risikoreduktion)als sinnvolle Strategie anzusehen.(11) Frauen mit Kin<strong>der</strong>n benötigen eine bessere BetreuungIm Vergleich zum Anteil <strong>der</strong> Frauen mit Kin<strong>der</strong>n habensich nur sehr wenige Einrichtungen (unter 10%) auf diesePatientengruppe spezialisiert. Darüber hinaus zeigen diedetaillierten Interviews, dass zwar für Schwangere vor <strong>der</strong>Geburt ein intensives und abgestimmtes Hilfeangebot zurVerfügung steht, dass dies aber nach <strong>der</strong> Geburt deutlichreduziert und zu wenig koordiniert durchgeführt wird.2 EINFLUSSFAKTOREN AUF VERLAUF UND ERGEB-NISSE LANGFRISTIGER SUBSTITUTION(12) Es konnte kein allgemeines Modell <strong>der</strong> Einflussfaktorenfür günstige bzw. ungünstige Langzeitverläufegefunden werden<strong>Die</strong>ses Ergebnis ist inhaltlich bedeutsam und Ausdruckdes chronischen Krankheitsprozesses mit hoher Variabilität<strong>der</strong> Krankheitsdynamik, die keine stabilen Endzustände,son<strong>der</strong>n nur temporär stabile Zwischenzustände kennt.Kategoriale Endpunkte wie Heilung, Abstinenz und psychosozialeIntegration sind angesichts des Krankheitsbildesvon nur sehr begrenzter Nützlichkeit und als nichtpatientengerecht anzusehen.Suchtmed 13 (5) 2011289


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN(13) Es gibt nur geringe klinisch relevante GeschlechtsunterschiedeTrotz zahlreicher statistisch signifikanter Unterschiede inden Patienten-, Störungs- und Behandlungsmerkmalensowie den Ergebnissen gibt es wenig bedeutsame Differenzen,die für die klinische Praxis tatsächlich relevantsind. Bei den soziodemographischen Merkmalen ist insbeson<strong>der</strong>e<strong>der</strong> deutlich höhere Anteil von Frauen mit Kin<strong>der</strong>n(etwa 50% gegenüber 35% Männern mit Kin<strong>der</strong>n)für die Durchführung <strong>der</strong> Behandlung und die Bereitstellungvon psychosozialen Hilfen relevant. Das Störungsbildist etwas weniger ausgeprägt, Unterschiede in Behandlungund Therapieergebnis liegen kaum vor, lediglich <strong>der</strong>Anteil stabiler Substitutionsverläufe ist mit etwa 40% beiden Frauen gegenüber 47% bei den Männern etwas geringer(möglicherweise auch ein methodisches Artefakt aufgrundeines höheren Anteils von Personen mit unklaremStatus). Zusammenfassend ergeben sich aus den vorhandenenUnterschieden keine Hinweise für geschlechtsspezifischeInterventionen mit Ausnahme <strong>der</strong> Notwendigkeit einerbesseren Betreuung von Frauen mit Kin<strong>der</strong>n, insbeson<strong>der</strong>eunmittelbar nach <strong>der</strong> Geburt.(14) Es gibt wahrscheinlich eine differenzielle ärztlicheIndikationsstrategie bei den SubstitutionsmittelnPatienten unter Buprenorphin zeigen im Vergleich zu solchenunter Levomethadon bzw. Methadon einen signifikantenbesseren Behandlungsverlauf und bessere Ergebnisse.<strong>Die</strong> tendenziell besseren Ergebnisse unter Buprenorphinsind – angesichts des Fehlens überzeugen<strong>der</strong> Effektivitäts-Überlegenheitsbelege aus randomisierten klinischen Studien– möglicherweise das Ergebnis einer ärztlichen differenziellenIndikationsstrategie. Insgesamt ist es von erheblichemVorteil, dass für die Substitution ein breites Angebotvon Medikamenten zur Verfügung steht.3 EMPFEHLUNGEN FÜR DIE PRAXISEmpfehlung (1)Anpassung <strong>der</strong> Versorgungsstrukturen und -konzepte sowie<strong>der</strong> gesetzlichen Bestimmungen für substituierte Drogenabhängigean die Behandlungsprinzipien einer chronischenErkrankungBei <strong>der</strong> Entwicklung des Konzepts für eine Methadonsubstitutionfür Drogenabhängige in den USA und ebenfallsbei <strong>der</strong> Einführung in Deutschland wurde für lange Zeitangenommen, dass es sich dabei um eine eindeutig zeitlichbegrenzte Maßnahme handelt, die bei den meistenPatienten nach ein bis zwei Jahren beendet werden kann.<strong>Die</strong> Ergebnisse von <strong>PREMOS</strong> bestätigen demgegenüberim Hinblick auf die langfristige Substitution die bereits in<strong>der</strong> Praxis gemachten Erfahrungen <strong>der</strong> letzten Jahre, dassdas Behandlungskonzept sich an den Behandlungsprinzipienan<strong>der</strong>er chronischer Erkrankungen wie etwa Diabetesmellitus o<strong>der</strong> Schizophrenie orientieren muss. Eine zeitlicheBegrenzung <strong>der</strong> Therapiemaßnahmen ist mit diesenZielen nicht vereinbar. Selbst bei erreichter kurzfristigerAbstinenz nach regelhafter Beendigung bleibt offensichtlichfür nahezu alle Patienten ein erheblicher, fortgesetzterund langfristiger Interventions- und Betreuungsbedarf.<strong>Die</strong>s bedeutet für die Versorgungsstruktur eine Orientierungan mo<strong>der</strong>nen Konzepten, wie sie für an<strong>der</strong>e chronifiziertekomplexe Erkrankungsbil<strong>der</strong> entwickelt und erprobtwurden. Als Ziel sollte eine integrierte Versorgung mitfolgenden Merkmalen angestrebt werden:• Alle beteiligten Stellen wie Haus- und Fachärzte, Krankenhäuser,Apotheken, psychosoziale Beratungsdiensteund Psychotherapeuten arbeiten koordiniert nach einemKonzept zusammen.• <strong>Die</strong> Patienten erhalten eine unter den beteiligten Stellengut abgestimmte kontinuierliche Betreuung undBehandlung mit dem Ziel <strong>der</strong> Reduzierung von BegleitundFolgeerkrankungen sowie <strong>der</strong> Verhin<strong>der</strong>ung vonRückfällen.• Es erfolgt eine kontinuierliche Beobachtung aller zentralenDaten über den Behandlungsverlauf, ein aktivesErinnern des Patienten an nächste Schritte, anstattden nächsten Arztbesuch abzuwarten, sowie eine regelmäßigepatientengerechte Anpassung des individuellenInterventionsbedarfs.• Es erfolgt eine gemeinsame Auswertung aller Informationenzu Behandlungsverlauf und Fortschritten bzw.zu Komplikationen sowie darauf abgestimmten Interventionen.• <strong>Die</strong> individuellen Zielsetzungen einer langfristigen integriertenSubstitutionstherapie bedürfen einer kontinuierlichenund an die jeweiligen Problemlagen des einzelnenPatienten angepassten Priorisierung in mindestensjährlichen Abständen sowie vor allem bei kritischenÜbergängen (z.B. Abdosierung und Abstinenz, kritischerBeikonsum und disziplinarische Unterbrechung).• Der Patient wird im Umgang mit seiner Erkrankungmit dem Ziel einer möglichst aktiven Mitarbeit aufgeklärt.• Entlassungen aus disziplinarischen Gründen werden alsUltima Ratio nur im Falle eines Vorliegen schwerwiegen<strong>der</strong>Gründe ausgesprochen (z.B. schwerwiegendeArzt-Patient-Störung, Selbst- und Fremdgefährdung) beigleichzeitiger Sicherstellung entsprechen<strong>der</strong> alternativerTherapieoptionen.• Planmäßige Beendigungen werden wegen <strong>der</strong> vielennegativen Konsequenzen durch Rückfälle sorgfältig imHinblick auf günstige Voraussetzungen geprüft und290 Suchtmed 13 (5) 2011


SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN | <strong>PREMOS</strong>-STUDIEtherapeutisch intensiv begleitet (siehe auch Empfehlung6).• <strong>Die</strong> verschiedenen einschlägigen Richtlinien müssenim Hinblick auf eine <strong>der</strong>artig harmonisierte Behandlungsstrategieharmonisiert werden und Barrieren <strong>der</strong>Umsetzung beseitigt werden.<strong>Die</strong>se Maßnahmen erfor<strong>der</strong>n angesichts abnehmen<strong>der</strong> Zahlenvon Substitutionsärzten (mangelnde Attraktivität, Rückgangaufgrund Altersstruktur) und ansteigen<strong>der</strong> Zahlenvon Substituierten zwingend eine Erhöhung <strong>der</strong> Versorgungskapazitätvor allem außerhalb <strong>der</strong> bislang vielfachguten Versorgung in großstädtischen Ballungsräumen.Empfehlung (2)Verbesserung <strong>der</strong> Behandlung für ausgewählte Störungsbereicheund ProblemgruppenEine deutliche Verbesserung des Behandlungsangebotes istzum einen für den Teilbereich <strong>der</strong> psychischen Störungenerfor<strong>der</strong>lich. <strong>Die</strong>s betrifft nicht – wie vielfach angenommen– eine kleine Hochrisikogruppe, son<strong>der</strong>n die Mehrzahlaller Substituierter. Hierzu ist unter an<strong>der</strong>em zwingend eineVerbesserung <strong>der</strong> Kooperation mit nie<strong>der</strong>gelassenen Psychotherapeutenund Psychiatern notwendig. Darüber hinaussind auch gesetzliche bzw. administrative Hin<strong>der</strong>nissezu beseitigen wie etwa das bisherige Verbot einer kassenfinanziertenPsychotherapie bei nichtabstinenten Abhängigen.<strong>Die</strong> gerade vorgenommene Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Psychotherapierichtlinieist ein Schritt in die richtige Richtung.Inwieweit damit die notwendigen psychotherapeutischenMaßnahmen bei Substituierten durchgeführt werden können,muss sich in <strong>der</strong> Praxis zeigen.Es ist notwendig, dass Ärzte und Psychotherapeutenkammerndie fachliche Kompetenz zur Behandlung von Suchtkrankensicherstellen sowie die Bereitschaft zur Behandlungvon substituierten Patienten för<strong>der</strong>n.Weiterhin muss die Versorgung für zahlreiche Teilgruppenvon Patienten verbessert werden, insbeson<strong>der</strong>e solche miteiner HCV- und HIV-Infektion bzw. AIDS sowie PatientInnenmit einem hohen Beikonsum (z.B. Benzodiazepine undBarbiturate etwa 20%).Zusammenfassend zeigt sich, dass sich das Versorgungssystemtrotz <strong>der</strong> insgesamt guten Substitutionsverläufenoch stärker als bisher auf die individuellen Störungsprofile<strong>der</strong> einzelnen Patienten ausrichten und dazu stärker alsbisher die beteiligten Stellen und Maßnahmen koordinierenmuss. <strong>Die</strong>s scheint in den großstädtischen Ballungsräumenaufgrund <strong>der</strong> vorhandenen Ressourcen zwar durchausvielerorts bereits <strong>der</strong> Fall zu sein, nicht aber in <strong>der</strong> Flächesowie insgesamt. Obwohl diese Empfehlung nahelegt, hierfürspezialisierte größere multidisziplinäre Substitutionszentrenzu för<strong>der</strong>n, bedarf es vor allem im ländlichen undkleinstädtischen Bereich <strong>der</strong> Entwicklung alternativer integrierterModelle, um dieses Ziel zu erreichen.Empfehlung (3)Ausbau und bessere Koordination <strong>der</strong> Hilfen für Müttermit Kin<strong>der</strong>nZur besseren Betreuung von Müttern mit Kin<strong>der</strong>n und imHinblick auf eine Prävention <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> – insbeson<strong>der</strong>ejenseits <strong>der</strong> perinatalen Phase im Alter von 2-16 Jahren –wird empfohlen, dass die verschiedenen <strong>Die</strong>nste diese fürdie Mütter kritische Zeitspanne besser beachten, proaktivtätig werden und ihre Maßnahmen besser koordinieren.<strong>Die</strong> erkennbaren regionalen Defizite von spezialisiertenAngeboten für Frauen und Männer mit Kin<strong>der</strong>n in einerSubstitutionsbehandlung sollten aufgehoben werden.Empfehlung (4)Spezifizierung des Bedarfs an PSB und bessere Koordination<strong>der</strong> Umsetzung<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Daten legen nahe, neue Ausführungsbestimmungenfür die PSB im langfristigen Verlauf zu entwickeln.Aufgrund <strong>der</strong> beobachteten Diskrepanz zwischenärztlicher Einschätzung <strong>der</strong> Notwendigkeit einer PSB und<strong>der</strong> tatsächlich sehr viel geringeren Nutzung <strong>der</strong> PSB imUntersuchungsverlauf wird vorgeschlagen, die einzelnenTeilbereiche des Hilfebedarfs aufgrund einer Anfangsdiagnosesowie die möglichen Leistungen <strong>der</strong> PSB (innerhalbund außerhalb <strong>der</strong> Substitutionseinrichtung) stärker zupräzisieren, den im Langzeitverlauf erfolgten Verän<strong>der</strong>ungenanzupassen und in einem Leistungskatalog festzuhaltensowie die Maßnahmen jeweils im individuellen Einzelfallnach Bedarf und Dauer festzulegen. Darüber hinaus ist esnotwendig, dass pro Fall durch eine entsprechende Koordinationsichergestellt wird, dass Nutzung und Fortschritt<strong>der</strong> PSB regelmäßig dokumentiert und von den beteiligtenStellen gemeinsam besprochen wird (siehe auch Empfehlung10 zum Forschungsbedarf).Angesichts <strong>der</strong> häufigen laienhaften Fehlwahrnehmung,dass eine PSB auch den Behandlungsbedarf hinsichtlichmanifester psychiatrischer Erkrankungen befriedigen kann,ist eine klare Abgrenzung von psychiatrischer und psychotherapeutischerTherapie auf <strong>der</strong> einen sowie psychosozialenBetreuungsmaßnahmen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite dringen<strong>der</strong>for<strong>der</strong>lich.Empfehlung (5)<strong>Die</strong> Verfügbarkeit verschiedener Substitutionsmittel hatsich klinisch bewährtEntsprechend <strong>der</strong> Richtlinien <strong>der</strong> WFSBP (2011) hat sichbewährt, alle therapeutischen Optionen des EvidenzgradesSuchtmed 13 (5) 2011291


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGENA und B in <strong>der</strong> Versorgung vorzuhalten. Offensichtlichkommt es – trotz des Fehlens wissenschaftlich etablierterdifferenzieller Indikationsregeln – in <strong>der</strong> Routineversorgungdurchaus zu patientenbezogenen Optimierungsprozessen,die bei einer bemerkenswerten Anzahl von PatientInnenzu positiveren Effekten führen. Entsprechend wird empfohlen,angesichts <strong>der</strong> Heterogenität <strong>der</strong> Störungs- und Problemlagendie nicht fachlich begründeten Regelungsbarrierenin Bezug auf die Wahl des Substitutionsmittels zubeseitigen.Empfehlung (6)Maßnahmen zur Erreichung <strong>der</strong> Abstinenz müssen für jedenEinzelfall sorgfältig vorbereitet werden<strong>Die</strong> Ergebnisse zeigen, dass von den immer wie<strong>der</strong> durchgeführtenMaßnahmen zur Erreichung einer Abstinenz(etwa 20% aller Patienten) nur ein sehr geringer Teil auchtatsächlich zeitweilig abstinent wird und dass eine längereAbstinenz im Langzeitverlauf über mehrere Jahre nurvereinzelt zu beobachten ist. <strong>Die</strong>ser zentrale Befund weistauch auf das Risiko eines forcierten Abstinenzversuchs hin.Je<strong>der</strong> Rückfall ist mit erheblichen Komplikationen verbunden,bis wie<strong>der</strong> eine stabile Substitution erreicht wird.<strong>Die</strong> Risiken einer sehr langfristigen bzw. lebenslangen Substitutionsind geringer als ständige Rückfälle mit dem Risikoeiner weiteren Progression des Krankheitsbildes. Ausdiesem Grund sollten alle Abstinenzversuche im Einzelfallsorgfältig und zurückhaltend geprüft und vorbereitetwerden und <strong>der</strong> "gefühlte Druck" <strong>der</strong> Ärzteschaft zur Beendigung<strong>der</strong> Substitution sollte abgebaut werden. Voraussetzungfür eine solche Beendigung <strong>der</strong> Substitution sindeine stabile Motivation des Patienten, gute psychosozialeRahmenbedingungen, die erfolgreiche Behandlung bzw.gute Stabilisierung möglicher somatischer und psychischerStörungen sowie eine enge psychosoziale und psychotherapeutischeBegleitung des Abstinenzprozesses. Wie beieiner abstinenzorientierten Behandlung müssen wirksameVerfahren zur Rückfallprävention angeboten werden: z.B.Kenntnis und Bewältigung von rückfallkritischen internenund externen Auslösern, Rollenspiele zur Ablehnung vonDrogenangeboten sowie Umgang mit problematischen Lebenssituationen,die kritisch für einen Rückfall sein können.Empfehlung (7)Präventive Maßnahmen zur Beeinflussung von Risikofaktorenfür vorzeitige Todesfälle müssen umgesetzt werdenDurch die <strong>PREMOS</strong>-Studie konnten eine Reihe von Risikofaktorenidentifiziert werden, die bei Kenntnis durch diebeteiligten Mitarbeiter vorzeitig erkannt und zumindestteilweise beeinflusst werden können. <strong>Die</strong>s gilt angesichts<strong>der</strong> hohen psychischen Komorbidität und dem hohen Anteilan Suiziden vor allem für eine sensitivere differenzialdiagnostischeBeachtung psychischer Morbidität, aberauch <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Risikofaktoren für vorzeitige Todesfälle.Es wird vorgeschlagen, dass bei Vorliegen einzelnerRisikofaktoren für den jeweiligen Patienten die beteiligtenStellen und Mitarbeiter über diese Risiken informiertwerden und dass ein spezifischer Interventionsplan ausgearbeitetund gemeinsam umgesetzt wird.Empfehlung (8)Es soll eine Leitlinie für die langfristige Substitutionsbehandlungentwickelt werden<strong>Die</strong> <strong>PREMOS</strong>-Ergebnisse zeigen neben zahlreichen positivenErgebnissen auch, dass das therapeutische Vorgehenstrukturell und fachlich verbessert werden muss. Es wirdzur Sicherstellung eines wissenschaftlich basierten Vorgehensdie Entwicklung einer Leitlinie unter Einbeziehung allerFachgesellschaften empfohlen (möglichst auf S 3-Niveau).Empfehlung (9)Erprobung von Organisations- und Finanzierungskonzeptenfür eine Substitution im ländlichen RaumDas multimorbide Krankheitsbild erfor<strong>der</strong>t eine enge undräumlich nahe beieinan<strong>der</strong>liegende Kooperation zahlreicherBeratungs- und Behandlungsstellen mit einer hohenfachlichen Kompetenz (z.B. HIV/AIDS- und Hepatitisbehandlungo<strong>der</strong> Psychotherapie bei chronisch Abhängigen).In ländlichen Gegenden ist dieses Behandlungsnetz nichtimmer sichergestellt. In Modellvorhaben sollten geeigneteKooperations- und Finanzierungsmodelle unter solchenBedingungen erprobt werden.Empfehlung (10)Modellprogramm zur Erprobung von Kooperationsmodellenzwischen Substitutionsstelle, PSB und Psychotherapeuten/Psychiatern<strong>Die</strong> Ergebnisse zeigen eine geringe Nutzung und unklareStrukturierung <strong>der</strong> Kooperation mit PSB, Psychotherapeutenund Psychiatern trotz eines hohen Behandlungsbedarfs.In Modellprogrammen sollen verbindliche Kooperationsmodellesowie die erzielten therapeutischen Verbesserungenauf <strong>der</strong> Grundlage einer individuellen Problemanalyseund eines darauf aufbauenden Therapieplans mit regelmäßigerRückmeldung des Behandlungsfortschritts erprobtwerden. Dabei soll sowohl die Erbringung <strong>der</strong> Leistungen(PSB, Psychotherapie, Psychiatrie) innerhalb o<strong>der</strong> außerhalb<strong>der</strong> Substitutionsstelle einbezogen werden.292 Suchtmed 13 (5) 2011


SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE4 EMPFEHLUNGEN FÜR DIE FORSCHUNGEmpfehlung (11)Forschungsprogramm zum Umgang mit konkomitantemSubstanzgebrauch und disziplinarischen EntlassungenDer Umgang mit konkomitantem Substanzkonsum hateinen engen Bezug zu disziplinarischen Entlassungen undgehört nach den <strong>PREMOS</strong>-Ergebnissen zu kritischen therapeutischenSituationen mit einem heterogenen Vorgehen<strong>der</strong> Ärzteschaft und vielen negativen Folgen für diePatienten. Es besteht Forschungsbedarf, wie konkomitanterKonsum nach dem Bedingungsgefüge (Unterdosierung,Kokainabhängigkeit, falsche Behandlung) differenziert undbehandelt wird und wie die Anzahl disziplinarischer Entlassungenminimiert werden kann.Empfehlung (12)Forschungsprogramm zur Entwicklung eines Leitfadensfür die planmäßige Beendigung <strong>der</strong> Substitution und Sicherung<strong>der</strong> AbstinenzVor dem Hintergrund <strong>der</strong> übergeordneten Zielsetzung einerlangfristigen Abstinenz (soweit diese bei gegebenenpsychosozialen Rahmenbedingungen und <strong>der</strong> Stabilisierung<strong>der</strong> somatischen und psychischen Komorbidität erreichtwerden kann) sowie <strong>der</strong> im Untersuchungsverlaufimmer wie<strong>der</strong> beobachteten, jedoch zumeist erfolglosenAbstinenzversuche wird vorgeschlagen, ein umfassendesForschungsprogramm zur Optimierung des Prozesses <strong>der</strong>Einleitung, Erreichung und Stabilisierung einer Abstinenzdurchzuführen. Dabei sollten in einer Studie die Voraussetzungenfür die Einleitung und das Interventionskonzeptmanualisiert und empirisch überprüft werden.Empfehlung (13)Forschungsprogramm zur Behandlung <strong>der</strong> psychischen KomorbiditätAufgrund des hohen Anteils von Patienten mit psychischenStörungen (einschließlich Persönlichkeitsstörungen) wirdein Forschungsprogramm zur Behandlung dieser Störungenund zur Überprüfung <strong>der</strong> erwarteten positiven Auswirkungenauf die Stabilisierung einer erfolgreich verlaufendenSubstitution empfohlen.Suchtmed 13 (5) 2011293


<strong>PREMOS</strong>-STUDIE | KURZBERICHT AN DAS BUNDESMINISTERIUMKurzbericht an das Bundesministerium für GesundheitPredictors, Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatments – Effekte <strong>der</strong> langfristigenSubstitution Opioidabhängiger: Prädiktoren, Mo<strong>der</strong>atoren und OutcomeSchlüsselbegriffeRessort, InstitutAuftragnehmer(in)ProjektleitungAutor(en)Beginn 01.11.2007Ende 30.06.2011Opioidabhängigkeit, langfristige SubstitutionInstitut für Klinische Psychologie und PsychotherapieTU DresdenChemnitzer Straße 4601187 DresdenTechnische Universität Dresden (Prof. Dr. H.-U. Wittchen)Prof. Dr. H.-U. WittchenProf. Dr. H.-U. Wittchen, Prof. Dr. G. Bühringer, Prof. Dr. J. RehmVORHABENSBESCHREIBUNG, ARBEITSZIELE<strong>Die</strong> kurz- und mittelfristige (bis einjährige) Wirksamkeitund Sicherheit <strong>der</strong> Substitutionstherapie Opioidabhängigerist durch zahlreiche kontrollierte klinische wie auch naturalistischeStudien hinsichtlich eines breiten Spektrums vongesundheitlichen und psychosozialen Erfolgsparameternbelegt. <strong>Die</strong> Erkenntnisse zu langfristigen Effekten <strong>der</strong> opioidgestütztenSubstitutionstherapie sind demgegenüberlückenhaft und wi<strong>der</strong>sprüchlich. <strong>PREMOS</strong> (Predictors,Mo<strong>der</strong>ators and Outcome of Substitution Treatment) versuchtdiese bedeutsame Erkenntnislücke mittels einer prospektiv-longitudinalen,epidemiologisch fundierten 6-Jahres-Verlaufsstudiean Patienten in <strong>der</strong> RoutineversorgungDeutschlands zu schließen. Anhand primärer (z.B. Mortalität,Morbidität, Lebensqualität, Delinquenz, stabile Substitution,Beikonsum) sowie einem weiten Spektrum klinisch-versorgungsbezogener,psychologischer und sozialerIndikatoren beschreibt <strong>PREMOS</strong> Verlauf und Outcome.<strong>Die</strong> Studie versucht Verlaufstypen, Prädiktoren sowie regelhafteProzesse und Komplikationen herauszuarbeiten undzu systematisieren sowie Problembereiche <strong>der</strong> Versorgungzu identifizieren. Auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> gewonnenen Datenund Expertenbewertungen werden Empfehlungen füreine zielgruppenspezifische und bedarfsgerechte Optimierung<strong>der</strong> Versorgung und Faktoren zur Vorhersage einesstabilen, positiven Behandlungsergebnisses abgeleitet.DURCHFÜHRUNG, METHODIK<strong>PREMOS</strong> beruht auf einer bundesweit repräsentativ angelegtenklinisch-epidemiologischen Zufallsstichprobe vonursprünglich 2.694 SubstitutionspatientInnen aus 223 Einrichtungen.<strong>Die</strong>se wurden über bis zu 7 Jahre (im Mittel 6Jahre) mit drei Nacherhebungswellen (12 Monate: t 2, 5-7Jahre: t 3, 6-8 Jahre: t 4) untersucht. Es handelt sich um einePrävalenzstichprobe von Patienten, die sich zum Zeitpunktdes Studieneinschlusses bereits unterschiedlich lang (2 Monatebis mehrere Jahre) in einer Substitutionstherapie befanden.Einrichtungen und Patienten wurden standardisiertund persönlich (z.B. Arzt- und Patienteninterview, Urinscreenings)hinsichtlich Verlauf und Outcome von Substitution,Substanzkonsum, klinisch-medizinischen, psychopathologischenund sozialen Aspekten untersucht. In zusätzlichenTeilstudien wurden vertiefende Strategien verwendet(qualitative Interviews, Mortalitätsassessments etc.). <strong>Die</strong>Analysen wurden gewichtet nach Design (z.B. Größe <strong>der</strong>Einrichtung). Ausschöpfungsaspekte wurden mittels deskriptiverund inferenzstatistischer Verfahren durchgeführt (➤ s.Abb. 3, Consort Statement <strong>der</strong> <strong>PREMOS</strong>-Studie, S. 222).GENDER MAINSTREAMINGUm die spezifische Situation und Problemlage von opioidabhängigenFrauen in Substitution zu charakterisieren,wurden alle zentralen Auswertungsschritte geson<strong>der</strong>t fürMänner und Frauen durchgeführt. Darüber hinaus wurdenneue frauenspezifische Fragen in das Assessment-Programmaufgenommen, um speziell die Situation von Frauenmit Kin<strong>der</strong>n sowie Aspekte im Zusammenhang mit Substitutionund Schwangerschaft zu untersuchen. Hierzuwurde ein separates Fraueninterview entwickelt, welchessich insbeson<strong>der</strong>e mit <strong>der</strong> Prä-, Peri- und Postpartalzeitsowie <strong>der</strong> Adoleszenz <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> beschäftigt.ERGEBNISSE, SCHLUSSFOLGERUNGEN, FORTFÜHRUNGMit einer – angesichts <strong>der</strong> schwierigen Patientenpopulation– überaus befriedigenden Ausschöpfung von 71-91% (jenach Nachuntersuchungszeitpunkt) konnten insgesamt294 Suchtmed 13 Suchtmed (5) 294 – 13 295 (5) (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg


KURZBERICHT AN DAS BUNDESMINISTERIUM | <strong>PREMOS</strong>-STUDIE1.624 Patienten vollständig und umfassend persönlichuntersucht sowie weitere 470 Patienten hinsichtlich <strong>der</strong>primären Verlaufs- und Outcome-Indikatoren (z.B. verstorbenePatienten) charakterisiert werden.Primäre Outcomes (nach 6 Jahren): 8% aller Patientenwaren verstorben, was einem – im internationalen Vergleich– überaus niedrigen durchschnittlichen jährlichenstandardisierten Mortalitätsrisiko von 1,15% entspricht.Insgesamt 8% <strong>der</strong> Patienten waren im Rahmen einer regelhaftbeendeten Therapie abstinent o<strong>der</strong> befanden sichin abstinenzorientierter Therapie; als gesichert stabil abstinentwurden jedoch nur ca. 4% beurteilt. Bei hoher Gesamthaltequotevon 70% zeigten 46% einen temporär stabilenSubstitutionsverlauf (ohne Unterbrechungen und ohneAbbrüche). 13% wiesen einen instabilen Verlauf auf und3% waren zumeist langfristig inhaftiert o<strong>der</strong> in stationärermedizinischer Behandlung. Zusammen mit verlaufsunklarenPatienten ohne Substitution und solchen mit Behandlungsabbrüchenkönnen maximal 30% als ungünstige Verläufeklassifiziert werden. Insgesamt zeigt sich im Langzeitverlaufeine hohe Variabilität <strong>der</strong> Resultate (z.B. bezüglichUnterbrechungen, Abdosierung, Abstinenzphasen).Hinsichtlich <strong>der</strong> sekundären Outcomes nach 6 Jahren zeigtensich – im Vergleich zu den Baseline- und 12-Monatsbefunden– relativ niedrige Beigebrauchsraten von Opioiden(< 12%) und illegale Drogen (20-30%). <strong>Die</strong> psychischeund physische Morbidität erwies sich unverän<strong>der</strong>t als sehrhoch; nur hinsichtlich <strong>der</strong> körperlichen Morbidität wurdeeine tendenzielle Besserung verglichen mit t1 und t2 erreicht.Insgesamt 73% lebten selbstständig in eigener Wohnung,23% waren berufstätig, hingegen 53% arbeitslos.Exploratorische Analysen deuten an, dass ungünstige Behandlungsresultate(Tod, instabile Substitution) möglicherweisegehäuft bei Einrichtungen mit einer starken Abstinenzorientierungzu beobachten sind. Günstigere Outcomesergeben sich tendenziell für Patienten, die mit Buprenorphinbehandelt wurden.<strong>Die</strong> Suche nach einem Prädiktormodell für eine positivverlaufende Substitution ergab kein überzeugendes Resultat;vielmehr zeigte sich eine Vielzahl höchst unterschiedlichersubgruppenspezifischer Teilmodelle, die angesichts<strong>der</strong> extremen Heterogenität <strong>der</strong> Patienten und ihrer Verläufekein einheitliches Gesamtmodell erlauben.<strong>Die</strong> Ergebnisintegration bezüglich <strong>der</strong> spezifischen Situationvon opioidabhängigen Frauen mit Kin<strong>der</strong>n ist aufgrundmethodenbezogener Beson<strong>der</strong>heiten ebenso wie die Ableitungund Systematisierung von Prädiktormodellen nochnicht abgeschlossen und wird in geson<strong>der</strong>ten Publikationenzu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt, da die Zusammenführungqualitativer und quantitativer Daten nochmehrere Monate Auswertungszeit erfor<strong>der</strong>t.<strong>PREMOS</strong> belegt, dass die überzeugend positiven kurzfristigenBehandlungsergebnisse einer umfassenden Substitutionstherapieweitgehend auch auf den langfristigen Verlaufübertragen werden können. Bei <strong>der</strong> überwiegenden Mehrzahl<strong>der</strong> Patienten werden – trotz extremer Schwere undKomplikationsreichtum hinsichtlich zumeist chronischergesundheitlicher Probleme (HCV, HIV/AIDS etc.) sowie<strong>der</strong> schlechten psychosozialen Ausgangslage bei Baseline– die prioritären Substitutionsziele (Haltequote, Sicherungdes Überlebens, Reduktion von Drogenkonsum und körperlicherMorbidität, gesellschaftliche Teilhabe) erreicht.Trotz dieses positiven Gesamtbildes gibt es Optimierungsbedarf.In einigen Aspekten erscheint eine Anpassung <strong>der</strong>Therapieziele bei <strong>der</strong> langfristigen Substitution erfor<strong>der</strong>lich:(1) Stabile Abstinenz (Opioidfreiheit) ist ein seltenesPhänomen (< 4%). Das Behandlungsziel "Abstinenz" imlangfristigen Verlauf scheint unrealistisch und mit bedeutsamenRisiken (Tod, Abbruch) für den Patienten verbundenzu sein. (2) <strong>Die</strong> Kriterien für "regelhafte Beendigung" und"stabile Substitution" sind problematisch und wenig zielführend.(3) <strong>Die</strong> Richtlinien für den Umgang mit konkomitantemDrogengebrauch scheinen ebenso wie (4) die Regelungenzur psychosozialen Betreuung (PSB) für den Langzeitverlaufeine praxis- und patientennähere Anpassungzu erfor<strong>der</strong>n. (5) <strong>Die</strong> Behandlung schwerer und chronischerpsychischer Störungen bei Opioidabhängigen in Substitutionist unzureichend (Unter- und Mangelversorgung). (6)Abgesehen von offensichtlich befriedigen<strong>der</strong> perinatalerVersorgung ist die Situation von Frauen mit Kin<strong>der</strong>n nachgeburtlichproblemreich und das Ausmaß von abgestimmterHilfe und Unterstützung defizitär.<strong>Die</strong> langfristige Substitution ist im Zusammenhang mitden überaus komplexen und facettenreichen Problemlagenkrankheitsassoziierter Probleme sehr variabel. <strong>Die</strong> Ableitungvereinfachter Typologien wie auch zusammenfassen<strong>der</strong>Prädiktionsmodelle für positiv bzw. schlecht verlaufendeSubstitution erscheint statistisch kaum möglich und klinischfragwürdig. <strong>Die</strong> langfristige Substitution ist eher –ähnlich wie an<strong>der</strong>e schwerwiegende chronische Erkrankungen(Diabetes mellitus, Schizophrenie) – als vielschichtigerProzess im Zeitverlauf zu beschreiben, bei dem sich ineinem komplexen Bedingungsgefüge Stadien <strong>der</strong> relativgünstigen Symptom- und Beschwerdelagen immer wie<strong>der</strong>mit kurz- und mittelfristigen krisenhaften Zuspitzungenabwechseln.UMSETZUNG DER ERGEBNISSE DURCH DAS BMG<strong>Die</strong> <strong>Drogenbeauftragte</strong> <strong>der</strong> Bundesregierung plant einGespräch mit Expertinnen und Experten <strong>der</strong> Versorgungssituationvon Opioidabhängigen in Deutschland, um dieErgebnisse vorzustellen und die Optimierungsvorschlägezu diskutieren.Suchtmed 13 (5) 2011295


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Suchtmedizin in Forschung und PraxisAutorenhinweiseHerausgeber:Prof. Dr. med. Michael Soyka (Wissenschaftliche Schriftleitung)Privatklinik MeiringenPostfach 612CH-3860 MeiringenTel.: 0041-(0)33 972 82 95; Fax: 0041-(0)33 972 82 91michael.soyka@privatklinik-meiringen.chPriv.-Doz. Dr. med. Markus Backmund (Schriftleitung Innere Medizin,Akutmedizin)Institut für Suchtmedizin und AdipositasTal 9, Rgb.80331 MünchenTel: 0049/89/4522856-0; Fax: 0049/89/4522856-22Markus.Backmund@p-i-t.info1. Allgemeines:"Suchtmedizin in Forschung und Praxis" veröffentlicht von den Herausgebernangefor<strong>der</strong>te Themenbeiträge sowie unaufgefor<strong>der</strong>t eingereichteOriginalbeiträge. Jede eingereichte Arbeit wird von mindestenszwei qualifizierten Gutachtern geprüft.<strong>Die</strong> Beiträge müssen so abgefasst sein, dass eine sprachliche Überarbeitungseitens <strong>der</strong> Redaktion nicht erfor<strong>der</strong>lich ist. Es ist beson<strong>der</strong>s aufeine übersichtliche Glie<strong>der</strong>ung (Überschriftenhierarchien durch Zahlenkennzeichnen!) und eine verständliche Darstellung zu achten.Das Manuskript muss von allen beteiligten Autoren genehmigt sein.Bereits an<strong>der</strong>weitig veröffentlichte Texte, Tabellen o<strong>der</strong> Abbildungensind mit genauer Quellenangabe zu versehen. <strong>Die</strong> Nachdruckgenehmigungdes betreffenden Verlages bzw. Urhebers muss vorliegen(Copyright!).2. Manuskriptumfang und -inhalt:<strong>Die</strong> Länge des Beitrags muss dem Inhalt angemessen sein. <strong>Die</strong> Beiträgesollen straff abgefasst sein; auf bekannte Tatsachen soll nur durchLiteraturzitate verwiesen werden. <strong>Die</strong> Literatur zum Thema (insbeson<strong>der</strong>edie internationale!) muss dazu aktuell und kritisch ausgewertetwerden. Wissenschaftliche Originalarbeiten, Fallstudien und Statusberichtesollten maximal 6-8 Druckseiten lang sein und maximal 10Abbildungen inkl. Tabellen umfassen. Literaturstudien und Übersichtsarbeitenkönnen auch länger sein; im Zweifelsfall wenden Sie sichbitte an die Redaktion. Eine Druckseite enthält ca. 5000 Zeichen(inkl. Leerzeichen) und entspricht etwa 2,5 Manuskriptseiten. <strong>Die</strong>Zeichenzahl ermitteln Sie in Word mithilfe <strong>der</strong> Funktion: Extras →Wörter zählen.<strong>Die</strong> Arbeit ist als Datei per E-Mail o<strong>der</strong> auf Diskette (bitte alle Dateieneindeutig benennen!) beim Herausgeber o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Redaktioneinzureichen. <strong>Die</strong> Zusendung eines Ausdrucks ist zunächst nicht notwendig;die Redaktion for<strong>der</strong>t ihn bei Bedarf an.Je<strong>der</strong> wissenschaftliche Beitrag muss folgende Teile enthalten: Beitragsüberschrift,alle Autorennamen inkl. Vornamen und vollständigenInstitutsadressen, Korrespondenzautor mit Telefon- und Faxnummerund E-Mail-Adresse, Zusammenfassung mit max. 1500 Zeichen,3-6 Schlagwörter in deutscher Sprache, englischer Abstract mit max.1500 Zeichen mit Überschrift, 3-5 englische Keywords. Zusammenfassungund Abstract sollten möglichst folgen<strong>der</strong>maßen geglie<strong>der</strong>tsein: Hintergrund/Background, Methode/Method, Ergebnisse/Results,Schlussfolgerungen/Conclusions. Alle englischen Teile des Manuskriptssollen von einem native speaker kontrolliert werden; für <strong>der</strong>en Qualitätsind ausschließlich die Autoren verantwortlich!Bevorzugtes Dateiformat für Texte ist das DOC- (für Microsoft Word)o<strong>der</strong> das RTF-Format. Bitte formatieren Sie den Text so wenig wiemöglich; die Gestaltung des Layouts übernimmt <strong>der</strong> Verlag. <strong>Die</strong> Übernahmechemischer Formeln und spezieller Dateiformate muss mit <strong>der</strong>Redaktion abgeklärt werden. Auf Fußnoten und hochgestellte Verweisziffernsollte möglichst verzichtet werden. Abkürzungen im Textsind bei <strong>der</strong> ersten Erwähnung auszuschreiben.Redaktion:Susanne FischerVerlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbHUnternehmensbereich ecomed MedizinJustus-von-Liebig-Straße 186899 LandsbergTel.: 08191/125-500Fax: 08191/125-292susanne.fischer@hjr-verlag.deWir verwendet die gemäßigte neue Rechtschreibung. Informationendazu finden Sie z.B. im Internet unter www.neue-rechtschreibung.de.Bitte bei Dezimalzahlen keine Punkte, son<strong>der</strong>n Kommata verwenden.<strong>Die</strong> Schreibweise medizinischer Fachausdrücke richtet sich nach demRoche-Lexikon Medizin (Verlag Urban und Fischer).3. Literatur:Das Literaturverzeichnis enthält nur die im Text zitierte Literatur. ImText ist die Zitierweise bei einem Autor (Müller 2003), bei zwei Autoren(Müller und Schmidt 2003) und bei drei und mehr Autoren (Mülleret al. 2003). Im Literaturverzeichnis erfolgt die Aufzählung alphabetisch.<strong>Die</strong> Zitierweise orientiert sich an <strong>der</strong> "Vancouver-Konvention"(N Engl J Med 1997: 336, 309-315):a) Bis zu sechs Autoren alle auflisten, bei mehr als 6 Autoren 3 auflisten,dann mit et al. abkürzen.b) <strong>Die</strong> Vornameninitialen werden den Familiennamen nachgestellt;keine Punkte hinter den Vornameninitialen und keine Leerzeichenzwischen den Vornameninitialen.c) <strong>Die</strong> Autorennamen werden durch Kommata voneinan<strong>der</strong> getrennt.d) Zeitschriftennamen werden abgekürzt (nach Medline, wenn möglich).Weitere Einzelheiten ergeben sich aus den folgenden Beispielen:Zeitschriftenartikel (die Heftangabe in runden Klammern kann auchentfallen):Borbé R, Braun B, Batra A. Schwerwiegende Komplikation unterBupropion-Therapie zur Tabakentwöhnung bei Nichtbeachtung <strong>der</strong>Kontraindikationen. Suchtmed. 2003; 5(4): 214-6.Bücher und an<strong>der</strong>e Monographien:Christiane Fahrmbacher-Lutz C, Hrsg. Suchtberatung in <strong>der</strong> Apotheke.Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, 2004; 83-96.Buchkapitel/Beiträge in Sammelwerken o<strong>der</strong> Loseblattwerken:Reimer J, Schulte B, Haasen C, Krausz M. Epidemiologie <strong>der</strong> Sucht:Cannabis. In: Backmund M, Hrsg. Sucht-Therapie. 5. Ergänzungslieferung6/04, ecomed Medizin, Landsberg, 2004.<strong>Die</strong> Angaben für hier nicht genannte Textarten (Gesetze, Tagungsberichte,Leitlinien etc.) müssen möglichst vollständig und nachvollziehbarsein. Bei Internetadressen ist das Datum des letzten Abrufs anzugeben.4. Abbildungen und Tabellen:Abbildung sollen möglichst in digitaler Form eingereicht werden. <strong>Die</strong>Auflösung muss mindestens 300 dpi betragen. Es können TIF, JPG,Excel, Powerpoint und an<strong>der</strong>e Dateiformate verwendet werden; imZweifelsfall setzen Sie sich bitte mit <strong>der</strong> Redaktion in Verbindung. <strong>Die</strong>Linienstärke in Strichzeichnungen muss mindestens 0,5 pt (0,2 mm)betragen. <strong>Die</strong> Aufnahme von Farbabbildungen ist nur in Ausnahmefällenund nur nach Absprache mit <strong>der</strong> Redaktion möglich.Tabellen müssen mit einem Tabellen-Editor (z.B. in Word) o<strong>der</strong> ineinem Tabellenprogramm (z.B. Excel) erstellt werden; Tabellen inPowerPoint sind ungeeignet! Zur Einrichtung von Tabellenspaltenkeinesfalls Tabulatoren o<strong>der</strong> Leerzeichen benutzen.Tabellen und Abbildungen müssen so gekennzeichnet sein, dass sieproblemlos dem Text zugeordnet werden können. <strong>Die</strong> Legenden müssenso gestaltet sein, dass <strong>der</strong>en Inhalt auch ohne Lektüre des Textsverständlich ist.300Suchtmed 13 (5) 300 (2011)© ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg

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