29.11.2012 Aufrufe

Nur selbstversorgt heißt Souverän - Norbert Hofer

Nur selbstversorgt heißt Souverän - Norbert Hofer

Nur selbstversorgt heißt Souverän - Norbert Hofer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Michael Howanietz<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt<br />

Wer Wasser, Nahrung und Energie hat,<br />

dem wird Freiheit<br />

gegeben<br />

Herausgeber: NAbg. <strong>Norbert</strong> <strong>Hofer</strong>


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt<br />

Souverän<br />

Wer Wasser, Nahrung und Energie hat,<br />

dem wird Freiheit gegeben


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

4


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort HC Strache.....................................................................................6<br />

Vorwort <strong>Norbert</strong> <strong>Hofer</strong>..................................................................................8<br />

Einleitung.....................................................................................................9<br />

Die Grüne Gentechnik.................................................................................18<br />

Kontrollverzicht, das Ende der Freiheit........................................................29<br />

Industriefreundlich und konsumentenfeindlich: die Gesetzeslage...............34<br />

Politische Verwirrspiele................................................................................47<br />

Schöpfung in Ketten.....................................................................................54<br />

Keine Gentechnik auf dem Teller!................................................................62<br />

In der EU zugelassene genmanipulierte Pflanzen.......................................65<br />

Frei ist, wer hat, was er zum (Über)Leben braucht......................................69<br />

Ausverkauf an allen Fronten........................................................................81<br />

Die Vielfalts-Ressource................................................................................93<br />

Wasser, Urstoff des Lebens.........................................................................99<br />

Gott spielen mit den Bausteinen des Lebens..............................................109<br />

Energie-Gigantomanie statt Versorgungssicherheit....................................113<br />

Impressum...................................................................................................118<br />

5<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

6<br />

Vorwort HC Strache<br />

Als soziale Heimatpartei sehen und empfinden<br />

wir es als unseren Auftrag, für Österreich die Unabhängigkeit<br />

von unsicheren Energie-Importen<br />

herzustellen und die Selbstversorgungsfähigkeit<br />

auf dem Lebensmittelsektor zu garantieren.<br />

Als Naturschutzpartei betrachten wir es als vorrangige<br />

Aufgabe, unsere intakte Umwelt zu bewahren.<br />

Naturschutz ist Heimatschutz,<br />

Importunabhängigkeit die Voraussetzung künftiger<br />

Wettbewerbs-, ja Überlebensfähigkeit, in<br />

einem von Finanzkrisen erschütterten und von<br />

Versorgungsengpässen bedrohten Umfeld.<br />

Wir verstehen uns als das patriotische Angebot<br />

für alle Österreicher, denen Selbstbestimmung,<br />

Heimat und Umwelt, als untrennbare Stiftungselemente unserer Identität wie unserer<br />

Zukunft, ein Anliegen sind.<br />

Die wesentlichste Grundlage nationalstaatlicher Souveränität ist die Selbstversorgungsfähigkeit<br />

auf dem Wasser-, dem Lebensmittel- und dem Energiesektor. In allen<br />

drei Bereichen existieren Bedrohungsszenarien, aber auch schon handfeste Realitäten,<br />

die mit dem Anspruch der Wahl- und Handlungsfreiheit nicht vereinbar sind.<br />

Etwa die Abhängigkeit von fossil-atomaren Energie-Importen oder der Einsatz der<br />

Gentechnik in der Landwirtschaft, der zu Monopolbildungen in der Nahrungsmittelproduktion<br />

und dem Ende des freien Bauernstandes führt.<br />

Die Wasserversorgung wiederum ist gefährdet durch absurde Cross Border Leasingverträge<br />

und Liberalisierungspläne, die in zahlreichen Weltregionen zum Nachteil<br />

der Verbraucher wie der Volkswirtschaften umgesetzt wurden.<br />

Es geht uns um Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit. Die FPÖ will Österreich<br />

auch für kommende Generationen selbstbestimmt und konkurrenzfähig erhalten.<br />

An Anschauungsbeispielen, weshalb die Energie-Autonomie anzustreben und<br />

die sogenannte Grüne Gentechnik strikt abzulehnen ist, fehlt es weltweit nicht. Die<br />

aktuelle Situation auf den Finanzmärkten tut ein Übriges, uns den Abbau der Abhängigkeiten<br />

des Staates von Konzernen und Monopolen, den so mächtigen wie<br />

unkontrollierbaren Betreibern eines fatalen Casino-Kapitalismus, als vorrangiges<br />

Ziel betrachten zu lassen. Jeder von uns kann zur Erreichung der Energie-Autonomie<br />

seinen persönlichen Beitrag leisten. Die Politik aber muss die Rahmenbedingungen<br />

dafür schaffen. Das ist in Österreich durch ein substanzloses


Ökostromgesetz im Energiebereich und aufgrund der mit dem EU-Verfassungsvertrag<br />

endgültigen Bevormundung durch die Gentechnik-Lobbying betreibende EU-<br />

Kommission im Bereich der Grünen Gentechnik derzeit nicht der Fall.<br />

Unsere Umwelt, unsere Heimat und damit unsere Zukunft sind zu wichtig, um sie<br />

EU-hörigen Parteien wie SPÖ und ÖVP zu überlassen, die ausschließlich den Interessen<br />

Brüssels, heißt: der Konzerne, und nicht jenen der Österreicher dienen;<br />

deren Protagonisten sich ausschließlich als Parteifunktionäre und nicht als Volksvertreter<br />

verstehen. Auch wendehälsige Grün-Politiker, die den Umweltschutz als<br />

Tarnmäntelchen zur Durchsetzung bizarrer gesellschaftspolitischer Experimente<br />

missbrauchen, disqualifizieren sich als Bewahrer des Unverzichtbaren selbst.<br />

Weil nur seine Teile das intakte Ganze ergeben und das weite Feld der Umweltpolitik<br />

ein wesentlicher, jedoch fahrlässig vernachlässigter Aspekt des lebensfähigen<br />

Staates ist, widmet sich die FPÖ verstärkt diesem Thema. Es geht um nicht weniger<br />

als unsere Natur, unsere Heimat und unsere Freiheit, um unser Österreich!<br />

HC Strache<br />

FPÖ-Bundesparteiobmann<br />

7<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

8<br />

Vorwort <strong>Norbert</strong> <strong>Hofer</strong><br />

Die meisten von uns sind bereits einmal in einem<br />

Flugzeug gesessen, um so das heiß ersehnte<br />

Urlaubsziel zu erreichen oder um für die Firma<br />

im Ausland aktiv zu sein.<br />

Vielflieger machen sich wenig Sorgen, der eine<br />

oder andere Passagier bleibt aber nervös, wenn<br />

er sein Schicksal dem Piloten und der fragilen<br />

Technik überlässt. Flugzeuge sind aber relativ sicher.<br />

Alle Bauteile von der kleinsten Niete bis<br />

zum Bordcomputer werden in aufwändigen Verfahren<br />

mehrfach überprüft und getestet. Die<br />

Triebwerke werden besonders strengen Kontrollen<br />

unterzogen und über lange Zeiträume auf<br />

ihre Praxisfähigkeit getestet. Trotz all dieser Vorkehrungen<br />

stürzen Flugzeuge hin und wieder ab. Nichts was der Mensch macht, ist<br />

frei von Fehlern.<br />

Was würden Sie aber nun sagen, wenn ausgerechnet in unmittelbar die Gesundheit<br />

des Menschen betreffenden Bereichen Technologien eingesetzt werden, die<br />

nicht erprobt sind. Technologien, die direkten Einfluss auf die Gesundheit des Menschen,<br />

ja sogar auf die Gesundheit seiner Nachkommen haben können. Technologien,<br />

die einigen Unternehmen hohe Profite bringen und mit höchsten Risiken für<br />

den Konsumenten verbunden sind. Und genau hier gibt es diese langjährige Erprobung<br />

nicht. Niemand weiß, wie sich das Verzehren von gentechnisch manipulierten<br />

Organismen auf den Menschen auswirkt.<br />

Umgelegt auf die Sicherheitsstandards in der Luftfahrt bedeutet dies, daß wir ein<br />

fremdes Flugzeug besteigen, das noch keinen Testflug absolviert hat, dessen Bauteile<br />

in der Praxis noch nie geprüft wurden. Wir sind Versuchskaninchen, eine lebende<br />

Fracht, die den Kurs nicht mitbestimmen kann.<br />

Wir und unsere Kinder sind auch die Langzeitversuchsobjekte der Gentechnik -<br />

industrie. Grüne Gentechnik bekämpft nicht den Hunger, sie bringt keine besseren<br />

Nahrungsmittel hervor, aber sie macht reich – einige wenige zumindest.<br />

NAbg Ing. <strong>Norbert</strong> <strong>Hofer</strong><br />

Stv. FPÖ-Bundesparteiobmann


Einleitung<br />

Während die eiserne Allianz der Alibipolitiker und<br />

Systemmedien der Natur vordergründig Abhilfe<br />

für die an ihr verübten Verbrechen leistet, indem<br />

da ein Tag des Wassers und dort ein Tag des<br />

Waldes ausgerufen wird, werden unvermindert<br />

Gewässer vergiftet und Wälder abgeholzt. Während<br />

die Event- und Imagegesellschaft mit<br />

einem Tag des Kuchens, einem Tag des Handtuchs<br />

oder einem Tag des Stotterns – und allem<br />

zugehörigen Brimborium – bei Laune gehalten<br />

wird, schnellen die Preise ihrer unmittelbarsten<br />

Lebensgrundlagen in die Höhe.<br />

Weshalb aber werden Energie und Lebensmittel<br />

in einem noch vor wenigen Jahren undenkbaren<br />

Ausmaß teurer? Und: sind nur die Verbraucher betroffen oder müssen auch die „Global<br />

Player“ und mit ihnen die Verursacher der globalen Finanzkrise, die Zocker, Spekulanten,<br />

Hyänen und Heuschrecken, den Gürtel enger schnallen?<br />

Einerseits hat sich das im Bereich der Rohstoff-Spekulationen investierte Kapital binnen<br />

weniger Jahre verzigfacht. Andererseits sehen wir uns mit einer gigantischen Geldmengenausweitung<br />

konfrontiert, die im Euroraum bei etwa 12 Prozent pro Jahr liegt.<br />

Diese hat eine Halbierung der Kaufkraft innerhalb weniger Jahre zur Folge. Der Euro<br />

hat seit seiner Einführung 50 Prozent seines Wertes verloren und gilt für kritische Experten,<br />

ebenso wie der schrankenlos in Umlauf gebrachte Dollar, mittlerweile als<br />

„legales Falschgeld“. Die Frage stellt sich somit: werden tatsächlich unsere Lebensmittel<br />

teurer oder verliert nicht viel mehr unser Geld an Wert? Zweiteres ist der<br />

Fall, was für den Konsumenten allerdings nichts am Kaufkraftverlust und an der Herabminderung<br />

seines Lebensstandards ändert. Zum Dritten läßt sich an den Umsatzund<br />

Gewinnzahlen der Konzerne ablesen, daß zumindest sie, im Unterschied etwa<br />

zu den Bauern, trefflich von der aktuellen Hochpreisspirale profitieren.<br />

Diese Feststellung gilt für den Nahrungsmittel- wie den Energiebereich gleichermaßen.<br />

Um einige der großen Weltmarkt-Akteure im Ölgeschäft anzuführen, die beitragen<br />

könnten, die mißliche Lage der Konsumenten rasch und entscheidend zu<br />

verbessern: Der US-Ölriese Exxon Mobil verdiente 2010 rund 30 Milliarden Dollar.<br />

Der US-Multi Chevron kam auf 19 Milliarden Dollar Jahresgewinn. Die Nummer drei,<br />

Conoco Phillips, brachte es immer noch auf stattliche 11 Milliarden Dollar an Überschüssen.<br />

Und auch in Europa wird gut am Öl verdient, in welchem die Börsen von<br />

9<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

10<br />

hunderten Millionen Autofahrern mariniert sind. Total aus Frankreich steigerte den<br />

Gewinn 2010 auf ein Nettoergebnis von 10,3 Milliarden Euro. Die norwegische Statoil<br />

erhöhte 2010 ihren Nettogewinn auf 17,5 Milliarden Euro. Auch Europas größter<br />

Ölkonzern Royal Dutch Shell steigert seine Gewinne von Jahr zu Jahr. 2008 lag<br />

man mit einem Umsatz von 458 Milliarden Dollar auf Platz 1. Das Bruttoinlandsprodukt<br />

der Schweiz beträgt zum Vergleich 493 Milliarden Dollar. Da verwundert es<br />

nicht, daß sich unter den hundert größten Wirtschaftseinheiten der Welt 51 Konzerne<br />

und nur noch 49 Staaten finden (gemäß einer Untersuchung des Washingtoner<br />

Instituts für politische Studien). Von den 10 umsatzstärksten Konzernen<br />

wiederum sind 7 in der Ölbranche tätig. Sie alle pulverisieren jegliche Profitmaximierungsvorstellungen<br />

des unbedarften Durchschnittsverdieners im Jahresrhythmus.<br />

Einzig BP laboriert an den Folgen des Umweltdesasters im Golf von Mexiko.<br />

Die russische Gazprom indes bleibt auf der Überholspur. Und auch die Kauflaune<br />

der Multis scheint krisenfest. Der Raffineriebetreiber Holly kauft für 2,85 Milliarden<br />

Dollar den Rivalen Frontier Oil. Unter dem Namen „HollyFrontier“ betreibt das Pärchen<br />

künftig fünf Raffinerien mit einer Gesamtkapazität von knapp 450.000 Barrel<br />

Öl – pro Tag.<br />

Ähnlich die Situation in jenem Marktsegment, das die großen Gentechnik-Konzerne<br />

als Spielwiese ihrer Profitspannen entdeckt haben. Novartis, Pharma-Mutter des<br />

Schweizer Gentech-Riesen Syngenta, weist immer neue Rekordmarken bei Gewinn<br />

und Umsatz aus. Der Reingewinn stieg 2010 um 18 Prozent auf fast 10 Milliarden<br />

Dollar. Der Umsatz kletterte auf 51 Milliarden Dollar (+ 14 Prozent). Vor allem „neue<br />

Freiheitlicher Umweltgipfel mit HC Strache, Umwelt -<br />

sprecher <strong>Norbert</strong> <strong>Hofer</strong> und Autor Michael Howanietz:<br />

Die FPÖ steht für sichere Versorgung, intakte Natur und<br />

damit: eine lebenswerte Zukunft.


Produkte“ und die Erlöse aus dem Schweinegrippeimpfstoff schlagen hier zu Buche.<br />

Daß die angedrohte H1N1-Pandemie nicht stattfand, schlägt sich in der Konzernbuchhaltung<br />

naturgemäß nicht nieder. Und daß Novartis in den USA trotzdem hunderte<br />

Vollzeitstellen abbaut, mag an der Notwendigkeit frei verfügbaren Kapitals<br />

liegen. So ließ sich der Pharmagigant die Komplettübernahme des US-Augenspezialisten<br />

Alcon beachtliche 12,9 Milliarden Dollar kosten (zum Übernahmezeitpunkt<br />

waren das etwa 9,6 Milliarden Euro, dank derer Alcon-Verkäufer Nestlé* seinen<br />

Reingewinn 2010 verdreifachte). Monsanto, das Flaggschiff der mit Freibeutermentalität<br />

und Brachialmethoden durchgeführten gentechnischen Revolution in der<br />

Landwirtschaft, freut sich gleichfalls über Gewinne. Angesichts des Booms bei Pflanzen-Treibstoffen<br />

und des wachsenden Fleischhungers der Schwellenländer, der für<br />

eine massiv erhöhte Nachfrage auf den Getreidemärkten sorgt, profitieren Agrochemiekonzerne<br />

erheblich. Erst recht durch die wieder steigende Nachfrage nach<br />

Unkrautvernichtungsmitteln. Syngenta, das seinen Reingewinn bereits 2007 um<br />

nicht weniger als 75 Prozent gesteigert hatte, kündigte an, den Gewinn pro Aktie<br />

künftig jährlich prozentual zweistellig steigern zu wollen. Der US-Chemietitan Du-<br />

Pont hat nach einem starken Schlussquartal 2010 seine Gewinnprognose für 2011<br />

erhöht. Das Unternehmen stellt nun einen Überschuss je Aktie zwischen 3,45 und<br />

3,75 Dollar (zwischen 2,54 und 2,76 Euro) in Aussicht. Bisher ging der Konzern von<br />

3,30 bis 3,60 Dollar aus. Im vierten Quartal 2010 verzeichnete DuPont einen Gewinn<br />

von 376 Millionen Dollar. Das machte offenbar Appetit auf Beute und so kündigte Du-<br />

Pont den Kauf des dänischen Lebensmittel-Zutaten-Herstellers Danisco für immerhin<br />

5,8 Milliarden Dollar an.<br />

Ob nun diese Zahlen und der unverhohlene Jubel über explodierenden Reibach mit der<br />

Propaganda der „Lösung des Welthungerproblems“ kompatibel sind, sei der Beurteilung<br />

des Lesers überlassen. Tatsache ist, daß in der gegenständlichen Zeitspanne nicht nur Millionen<br />

von Westeuropäern – die sich aus guten Gründen der Gentechnik auf dem Teller<br />

weitgehend enthalten – in die Armutsfalle abdrifteten, sondern auch die von der Gentech-<br />

Industrie bereits erschlossene Dritte Welt an nie gesehenem Hunger darbte. Peter Brabeck-Letmathe,<br />

Verwaltungsratspräsident des weltgrößten Nahrungsmittelkonzerns<br />

Nestlé, sieht das freilich anders. Er spricht konkret dem Biolandbau in einem Interview mit<br />

der Wiener Zeitung jede Nachhaltigkeit ab, stellt aber in Aussicht, der Einsatz der Agrogentechnik<br />

könne die Produktivität um sieben bis zehn Prozent steigern. Dem Industriekapitän<br />

dürfte, auf Jubelfahrten durch das geschmolzene Gold der auf dem Rücken der<br />

Konsumenten lukrierten Profite, die Gischt jede Sicht auf die Realität genommen haben.<br />

Selbst im Mutterland der Agrogentechnik, den USA, belegen Studien unzweifelhaft, daß<br />

die gentechnische Landwirtschaft geringere Erträge hervorbringt als der Einsatz von konventionellem<br />

oder biologischem Saatgut. So bringt eine Untersuchung der Universität Michigan<br />

zu Tage, daß nach einer weltweiten Komplettumstellung auf ökologischen Landbau<br />

mindestens so viel Nahrung produziert werden könnte, wie dies aktuell der Fall ist. Der<br />

Weltagrarbericht, eine Studie der Deutschen Bank und der Arbeitsbericht des Büros für<br />

Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag belegen die Abhängigkeit einer<br />

11<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

12<br />

sicheren Welternährung von einer nachhaltigen, umweltverträglichen Agrarpolitik. Die<br />

Agro-Gentechnik kann demzufolge hierzu keinen Beitrag leisten. Eine Studie der Universität<br />

von Kansas schließlich kommt zu dem Ergebnis, daß Gentech-Soja gegenüber konventionellem<br />

Saatgut tatsächlich einen um zehn Prozent abweichenden Ertrag einbringt<br />

– allerdings einen um zehn Prozent geringeren Ertrag. Untersucht wurde dabei die Sojabohne<br />

„Roundup Ready“ von Monsanto.<br />

Was aber tat die hohe Politik, diesen Widerspruch zu enttarnen oder gar seine Ursachen<br />

und Verursacher einzubremsen? Nichts. Im Gegenteil. In den USA wurden weitere<br />

Feldunfrüchte der Roundup-Ready-Kategorie zugelassen (Zuckerrübe und<br />

Luzerne). In Europa beriet man unverdrossen über die Zulassung genau jener ertragsschwachen<br />

Roundup-Ready-Sojabohne. Und um das Ganze abzurunden, beschloß<br />

man am 22. Februar 2011 gleich eine erlaubte Verunreinigung von in Europa<br />

gehandelten Futtermitteln mit in der EU nicht zugelassenen gentechnisch veränderten<br />

Organismen. Auch das angeblich Gentechnik-kritische Österreich unterstützte diese<br />

Verschmutzungserlaubnis** und fiel damit vor der, erst kürzlich einen ungeheuerlichen<br />

Dioxin-Skandal verursacht habenden Futtermittel-Industrie auf die ohnedies schon<br />

blankgescheuerten Knie. Man stieß sich auf österreichischer Seite auch nicht daran,<br />

daß ein bereits vorab publiziertes Rechtsgutachten des BUND (Bund für Umwelt- und<br />

Naturschutz Deutschland) offenlegte, weshalb dieser Kontaminationsfreibrief gegen<br />

geltendes EU-Recht verstößt! Umgekehrt gab es von Seiten Österreichs keinerlei Anstrengungen,<br />

den pointierten Weg Bulgariens zu kopieren, wo man mit einer besonderen<br />

Schutzzonenregelung den GVO-Anbau verunmöglicht hat.<br />

Die Konzerne haben sich mit der Politik arrangiert, um Belastungen und Gewinnhemmnisse<br />

abzubauen. Ob und welche Gegenleistungen dafür zu erbringen sind, sei<br />

dahingestellt. Faktum ist: Immer mehr offensichtliche personelle Verquickungen entblößen,<br />

wer für wen tätig ist. Jüngster Coup der Industrie ist die Unterbringung des<br />

Gentechnik-Befürworters Peter Bleser als parlamentarischer Staatsekretär im deutschen<br />

Landwirtschaftsministerium. Der bekennende Gentech-Beklatscher, der der mitunter<br />

gentechnikkritischen Agrarministerin Ilse Aigner offenbar als Aufpasser und<br />

Widerpart zur Seite gestellt werden sollte, sieht den Ökolandbau konsequenterweise<br />

als „Rückkehr in die Nostalgie“. Auf EU-Ebene hat sich Kommissionspräsident Barroso,<br />

als indifferenter Gentechnik-Unterstützer berüchtigt, statt des in Gentechnikfragen<br />

hie und da aufsässigen Griechen Stavros Dimas, den in dieser Frage willfährigen Janez<br />

Potocnik ins Konzern-Eskorten-Boot geholt. Als Gesundheits- und Verbraucherkommissar<br />

fungiert mit dem Malteser John Dalli ebenfalls ein ausgewiesener Gentechnik-<br />

Fanatiker. Die vormals für Gentech-Zulassungen in der EU-Behörde EFSA zuständige<br />

belgische Biotechnologin Suzy Renckens ist in die Chefetage des Gentech-Multis Syngenta<br />

gewechselt. Eines Konzerns, dessen Anträge sie davor unkritisch durchgewinkt<br />

hat. Diana Banati, die EFSA-Vorsitzende, hat ihren Aufsichtsratssitz beim International<br />

Life Science Institut (ILSI) nach öffentlichem Druck zwar niedergelegt. Das ändert aber<br />

nichts an der mutmaßlichen Tendenz in Frau Banatis Entscheidungen. Schließlich pro-


pagiert das ILSI den Einsatz der Gentechnik. Das tun damit auch jene EFSA-Experten,<br />

die über ILSI Forschungsgelder lukrieren. Das tun damit auch die beiden für die Risikoprüfung<br />

von GVO-Pflanzen zuständigen EFSA-Experten Harry Kuiper und Gijs Kleter,<br />

die Testbiotech mit ILSI in Verbindung bringt. Dessen Chef Milan Kova wiederum<br />

sitzt im Verwaltungsrat der EFSA. Dort auch mit dabei: Jiri Ruprich, Wissenschaftsrat<br />

des tschechischen Danone-Instituts, Piet Vanthemsche, leitendes Mitglied einer für<br />

Agrarkonzerne aktiven Landwirtschaftsvereinigung und Matthias Hors, Konzernvertreter<br />

für Nestlé, Coca-Cola und Unilever. Ein Kreis, der vor Unbefangenheit geradezu<br />

strotzt! Die Bestätigung Diana Banatis in ihrem Amt als Vorsitzende der EFSA ist deshalb<br />

so heikel, weil Personen, die über ILSI Biotech- und Agrogentechnik-Konzerne<br />

wie Monsanto, Bayer und BASF beraten, nicht wirklich unvoreingenommen sein können.<br />

Das kann auch Herr Islam A. Siddiqui nicht, den US-Präsident Obama als US-<br />

Chefunterhändler für Agrarhandelsfragen in der Welthandelsorganisation vorschlug.<br />

Denselben Herrn Siddiqui, der, als Vizepräsident von CropLife, den Interessen der<br />

Gentech-Konzerne Monsanto, Syngenta, Bayer, BASF, Dow Chemical und anderen<br />

mehr dient. Tun das auch jene Fachleute der deutschen Zentralkommission für Biologische<br />

Sicherheit (ZKBS) beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit,<br />

die augenscheinliche Verbindungen zur Industrie unterhalten? Vermutlich.<br />

Und wie steht es mit Behördenvertretern wie Detlev Bartsch, dem kommissarischen<br />

Leiter der Abteilung Gentechnik im Bundesamt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft,<br />

der 2008 eine Studie mit Wissenschaftlern erstellte, die im Sold von Monsanto,<br />

DuPont Crop Genetics, Syngenta und BASF stehen? Immerhin führte die Kooperation<br />

zu der Empfehlung, nur jene Genpflanzen zu prüfen, die bereits in Laborversuchen<br />

So kennen und lieben wir unser Land. Österreich soll ein Hort<br />

des Lebens, intakter Natur und landschaftlicher Schönheit<br />

bleiben. Die Pläne der Profitindustrien, der Welteiner und Globalisierer<br />

drohen diese Idylle zu zerstören.<br />

13<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

14<br />

(etwa als bienengefährlich) „auffällig“ werden. Wohin diese Strategie führt, läßt sich<br />

absehen, erweisen sich doch viele Defizite der Gen-Gewächse erst im Anbau. So zeigten<br />

Gewächshausversuche mit GVO-Weizen keine Verdachtsmomente, während<br />

Schweizer Forscher im Anbauversuch feststellten, daß sich die Ähren nun zwar gegen<br />

Mehltau widerstandsfähig zeigten, dafür aber für den giftigen Mutterkornpilz anfällig<br />

waren. Hier wird also ein herbeigeredeter Teufel mit einer ganzen Heerschar unergründeter,<br />

aber realer Beelzebuben ausgetrieben. Faktum ist folglich weiters: Konzerne<br />

und Oligopole regieren heute nicht nur in Brüssel. Da Brüssel seinerseits in Wien regiert,<br />

ist der Handlungsspielraum Österreichs auch in diesem Bereich enden wollend.<br />

Wo man agieren könnte, etwa in Förderung und Ausbau der Erneuerbaren Energien,<br />

etwa in Förderung und Ausbau der keinesfalls die enorme Nachfrage befriedigen könnenden<br />

Biolandwirtschaft, legt man die Hände in den ministerialen Schoß. Wozu anstrengen?,<br />

mag man sich denken, wo mit dem Vertrag von Lissabon doch ohnedies<br />

jegliche dieser Mühen als obsolet zu betrachten wäre. Wozu wählen?, fragen sich<br />

darob immer mehr Österreicher, wie sinkende Wahlbeteiligungen, Demokratiemüdigkeit<br />

und Politik-er-Verdrossenheit bekunden.<br />

Eine Frage, die aktuell bleiben und zu weiter zunehmender Urnengangsverweigerung<br />

führen wird. Immerhin kostet auch die Untätigkeit der tapferen Volksvertreter, die in<br />

Wien demokratiepolitische Wortplacebos verteilen, um in Brüssel jedem Entzug unserer<br />

Hoheitsrechte zuzustimmen, manche bare Münze. Der sogenannte Emissionszertifikatehandel,<br />

der Ankauf von Verschmutzungsrechten, etwa schlägt bereits heute mit<br />

knapp 500 Millionen österreichischer Steuermillionen zu Buche***. Dieser Betrag ist<br />

ebenso ohne jede Nachhaltigkeit verjuxt wie die 1,5 Milliarden an Strafzahlungen für die<br />

Nichterreichung der selbst gesetzten und 1997 von Martin Bartenstein im Zuge des<br />

Kyoto-Protokolls unterzeichneten Klimaschutzziele. Gleichzeitig verunmöglicht das<br />

Hemmnis eines mehr schlecht als recht novellierten Ökostromgesetzes den sehr wohl<br />

als nachhaltig zu erachtenden Ausbau der erneuerbaren, heimischen Energien.<br />

Nicht viel anders die Situation in der Lebensmittelversorgung. Unverändert müssen 15<br />

österreichische Bauernhöfe und landwirtschaftliche Betriebe täglich ihre Pforten schließen.<br />

Für immer. Österreichische Landwirte bieten ihre frischen, hochwertigen Feldfrüchte<br />

in finsteren U-Bahn-Stationen feil, weil in den Warenregalen der<br />

konsumberauschten Glitzerwelt kein Platz bleibt, neben unreif geernteten, so geschmacksarmen<br />

wie belastungsreichen, spritzmittelgetränkten Billigimporten aus der<br />

Türkei, Spanien und Übersee. Chilenische oder südafrikanische Trauben und neuseeländische<br />

Äpfel über zigtausende Kilometer zu transportieren, ist natürlich auch ein<br />

klimaschonender Weg, der die regionale Versorgung der kurzen Wege aus klimapolitischer<br />

Sicht locker in den Schatten stellt. Zu dieser Annahme verleitet jedenfalls die von<br />

den Globalisierungsbetreibern und -mitläufern geübte Praxis. Tatsächlich liegt das von<br />

Fernimporten zu regionaler Versorgung einzusparende CO 2-Kontingent bei einem vierstelligen<br />

Faktor, was die erwähnten Destinationen betrifft. Chilenische Weintrauben


verursachen im Vergleich zur Nahversorgung mit ihrer österreichischen Verwandtschaft<br />

das 1.000fache an CO 2-Emissionen. Insgesamt belaufen sich die Umwelt- und sogenannten<br />

Klimaveränderungskosten, die alleine durch den Lebensmittelimport nach<br />

Österreich zustande kommen – und von der Allgemeinheit zu tragen sind – auf jährlich<br />

über 100 Millionen Euro.<br />

Cui bono? All dem liegt die Macht jener zugrunde, die an der Not anderer verdienen.<br />

Es sind einige Superreiche, die als Besitzer und Teilhaber einschlägig bekannter Konzerne<br />

einzig darauf aus sind, ihre Investitionen möglichst schnell zu möglichst hohen<br />

Gewinnen zu machen. Voraussetzung dafür sind Lohnkürzungen und Standortwechsel<br />

in Länder mit niedrigem Lohnniveau. Beides geht zu Lasten der kaufkraftgeschwächten<br />

oder um den Arbeitsplatz gebrachten Mittel- und Westeuropäer. Die<br />

Nachfrage sinkt, die Segmente teurerer, weil hochwertiger Produkte, wie der heimischen<br />

Lebensmittel, brechen sukzessive ein. Die Verarmung der Mittelschichten geht<br />

somit direkt auf Lohndumping zurück. Über verzweigte Umwege bezahlt der österreichische<br />

Konsument ja nicht nur für die von europäischen Billigmassenproduzenten<br />

verursachten Umweltschäden, sondern auch für jene in Südamerika oder Asien angerichteten.<br />

Letzten Endes kommen ihn Flugzeugtraube und Frachtschiffapfel um ein<br />

Mehrfaches teurer als es heimische Biofrüchte täten. Da es aber keine Kostenwahrheit<br />

gibt und der Produzent nicht für die von ihm verursachten Umweltreparaturkosten aufkommen<br />

muß, hat der heimische Landwirt das Nachsehen gegenüber jenen Großproduzenten,<br />

die Masse statt Klasse, Quantität statt Qualität und Pestizidrückstände<br />

statt Vitaminschübe liefern. Verbraucher wie Landwirt bezahlen die Verbannung des Eigenen<br />

zugunsten des Importierten zusätzlich durch fortschreitenden Autarkie-Verlust.<br />

Der Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln ist ja nicht nur Indikator, sondern geradezu<br />

Synonym der Nahrungsmittelsouveränität (Selbstversorgungsgrad 100 Prozent<br />

oder darüber). In Österreich ist diese in vielen Segmenten (etwa Fleisch) aktuell noch<br />

vorhanden, in anderen (Obst, Gemüse) nicht mehr. Generell zeigt die Tendenz in allen<br />

Bereichen der Selbstversorgungsfähigkeit mit Nahrung kontinuierlich nach unten. In<br />

geradem Verhältnis zur Zahl<br />

der bäuerlichen Betriebe<br />

schwinden auch unsere<br />

Selbstversorgungspotentiale<br />

und schwindet damit:<br />

unsere Souveränität.<br />

Aber nochmals zur Verarmung<br />

der Mittelschichten<br />

und dem Lohndumping des<br />

Kapitals. In den USA führte<br />

diese von den politischen<br />

Entscheidungsträgern nicht<br />

nur geduldete, sondern mit-<br />

15<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

16<br />

getragene Entwicklung zur Verschuldung der Privathaushalte, die Kredite aufnehmen<br />

mußten, um ihren Lebensstandard einigermaßen halten zu können. Die Banken<br />

übertrafen sich gegenseitig mit immer günstigeren Kreditbedingungen, ohne<br />

jemals auf die Kreditwürdigkeit der Kreditnehmer zu achten. Nicht die Kaufkraft<br />

wurde gestärkt, was im Interesse der Steuerzahler gelegen wäre, sondern der Rubel<br />

wurde über günstige Kredite am Rollen und somit der Konsum künstlich auf hohem<br />

Niveau gehalten. Mit dieser Methodik wurde die Verschuldung der US-amerikanischen<br />

Privathaushalte auf das Niveau des Bruttoinlandsprodukts gehoben. Um diesen<br />

ökonomischen Amoklauf zu komplettieren, verfiel man auf die – für ihre<br />

Initiatoren natürlich einträgliche – Kateridee, mit Schulden zu spekulieren. Verkaufe<br />

Risiko an Banken, die mit Investmentfonds handeln und schaffe einen unüberschaubaren,<br />

auf nicht tragfähigen Beinen stehenden Kreditmarkt, um das Werkel<br />

am Laufen zu halten. Es lief nicht lange. Der Kollaps ebendieses Scheinmarktes<br />

war eine Ursache der aktuellen Finanzkrise, die in ihren Konsequenzen den Schwarzen<br />

Freitag des Jahres 1929 noch übertreffen könnte. – Zumal das bislang unterbewertete<br />

zweite, osteuropäisch-asiatische Epizentrum zu einem weiteren<br />

Katalysator ökonomisch-apokalyptischer Entwicklungen werden könnte. Zumal etliche<br />

europäische Mittelmeeranrainerstaaten unrettbar in der selbst gestellten Schuldenfalle<br />

zappeln. Zumal die absehbar unausweichliche Währungsreform speziell<br />

Europa völlig unvorbereitet treffen wird.<br />

Vorgeblich wandelndes Klima und steigende Lebensmittelpreise haben demnach<br />

gemein, Teil derselben irregehenden Strategie zu sein, die Urheber tarnt, Krisengewinnler<br />

fördert und Verbraucher prellt, die für den Staat Geldvernichtung, für den<br />

Steuerzahler Kaufkraftverluste und für die getarnten Urheber monsunartige Geldregenfälle<br />

bedeutet. – Vor denen sie auch der aus hunderten Euro-Milliarden geflickte<br />

Euro-Rettungsschirm nicht schützt. Das politisch-wirtschaftliche Establishment<br />

führt die Weltöffentlichkeit an der Nase herum, indem es Geldpflaster verteilt, um<br />

Budgetlöcher zu stopfen und damit nicht Konsolidierung zu bewirken, sondern einzig<br />

Zeit zu gewinnen. Indem es zuerst das unhaltbare Versprechen der Lösung des<br />

Welthungerproblems verkündete und nunmehr die dort versagt habende Grüne<br />

Gentechnik als Allheilmittel der Energiekrise, einer möglichen weiteren Erderwärmung<br />

oder, je nachdem, einer drohenden Eiszeit in Aussicht stellt. Diese suggerierte<br />

Lösungskompetenz ist, in Ermangelung jeden Nachweises, ja auf der Basis<br />

das Gegenteil untermauernder Studien, eine glatte Unwahrheit ****. Nichtsdestotrotz<br />

fließen Abermillionen an Steuergeldern, auch aus Österreich, in die weitere Erforschung<br />

der gentechnischen Landwirtschaft. Für die Stärkung des ländlichen<br />

Raumes, der kleinstrukturierten alpinen Landwirtschaft, der sich stetig steigender<br />

Nachfrage erfreuenden ökologischen Landwirtschaft, fehlen dagegen die Mittel. Die<br />

Förderungen für den Umstieg auf Biolandwirtschaft wurden in Österreich gar eingestellt.<br />

Für Kampagnen zur Irreführung der Bevölkerung und die Etablierung einer<br />

Agrarrevolution, die zum Verlust der sicheren Werte des traditionellen Landbaus


führen wird, werden auf Geheiß jederzeit Mittel locker gemacht. So schwer dies zu<br />

akzeptieren ist, so leicht ist es zu verstehen, verdeutlicht man sich, wem sich politische<br />

Entscheidungsträger in unseren Tagen verpflichtet fühlen. Das Volk, das sie gewählt<br />

hat, ist es jedenfalls nicht.<br />

Michael Howanietz<br />

* In der Nahrungsmittelbranche brachte es der zweitgrößte Lebensmittelkonzern Kraft<br />

Foods 2007 auf 40 Milliarden Dollar Umsatz, Weltmarktführer Nestlé in den ersten neun<br />

Monaten 2008 auf 18 Milliarden Franken bzw. 12,2 Milliarden Euro. 2010 stehen Gewinne<br />

von 34,2 Milliarden Franken bzw. 26,2 Milliarden Euro zu Buche. Kraft Foods stagnierte<br />

im Jahr 2010 leicht, weil man teure Werbekampagnen zur Kundenrekrutierung<br />

fuhr. Immerhin konnte sich der Konzern aber den Kauf des britischen Süßwarenherstellers<br />

Cadbury leisten – für die Kleinigkeit von 18,4 Milliarden Dollar.<br />

** Der Begriff „Gen-Verschmutzung“ wurde 1992 von Nobelpreisträger Georges Köhler<br />

geprägt.<br />

*** Über das JI/CDM-Programm („grüne Investitionen im Ausland“) werden auch Projekte<br />

in China gefördert. In jenem Reich der Mitte, dessen auf Überholspur getrimmte<br />

Industrie keinerlei Klimaschutz-Auflagen kennt. In vergleichenden Zahlen sieht das so<br />

aus: Zwischen 1990 und 2007 reduzierte die EU ihren CO 2-Ausstoß um 125 Millionen<br />

Tonnen. Im gleichen Zeitraum stieg jener Chinas um 2.860 Millionen Tonnen an. Von<br />

den heute rund 1,8 Milliarden von China ausgestoßenen Tonnen CO 2 resultieren 80<br />

Prozent aus der Kohleverbrennung. Parallel zu den für China hoch profitablen „Klimaschutz-Geschäften“<br />

mit Ländern wie Österreich läuft in China die Errichtung immer<br />

neuer Kohlekraftwerke. Die solcher klimapolitischen Schizophrenie zugrundeliegende<br />

Logik ist wahrhaft verblüffend.<br />

**** Der „goldene Reis“, einst Vorzeigeprodukt der Gott spielenden, potentiellen Nahrungsmittelmonopolisten,<br />

sollte Millionen mangelernährter Menschen vor der Erblindung<br />

bewahren. Nach mehr als zehnjähriger Forschungszeit ist der zu diesem Zweck<br />

vorgesehene, „erhöhte“ Vitamin A-Gehalt weiterhin so minimal, daß eine Ration von<br />

etlichen Kilogramm nötig wäre, um die angestrebte Tagesdosis zu erreichen. Zudem<br />

braucht der Körper Fettreserven, um Vitamin A aufnehmen zu können. Mangelernährte<br />

erfüllen diese Voraussetzung nicht. Des Weiteren weisen einige traditionelle Reissorten<br />

höhere Vitamin A-Gehalte auf als er von den Machern des „goldenen Reises“ jemals<br />

angestrebt war.<br />

Es sei auch darauf verwiesen, daß das Gros der Gensaaten zur Futtermittel-Herstellung<br />

und nicht für die Ernährung der Hungernden der Welt angebaut wird.<br />

17<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

18<br />

Die Grüne Gentechnik<br />

Bei der Gentechnik handelt es sich um ein Teilgebiet der Biotechnologie. Jener Technologie,<br />

die, zur Heilslehre des 21. Jahrhunderts verklärt, nicht weniger als absolute<br />

Problemlösung und damit die Er-lösung des Mängelwesens Mensch verspricht. Der<br />

Genetiker Joseph Muller legte seine diesbezüglichen Visionen bereits vor über einem<br />

halben Jahrhundert offen: „Wenn der Mensch erst seine Evolution selbst manipuliert,<br />

wird er ein gottgleiches Wesen nach seinem Bilde schaffen, vor dem die mythischen<br />

Gottheiten der Vergangenheit mehr und mehr lächerlich erscheinen werden.“ Der Garten<br />

Eden, erklärte Muller in hellster Verzückung, werde sodann zur rein technischen<br />

Aufgabe, die hier und jetzt zu vollziehen sei.<br />

Die Krone der Schöpfung, so sei vorausgeschickt, ist vom Vollzug dieser Aufgabe<br />

heute um Lichtjahre weiter entfernt als zu Mullers Zeiten, da noch in trügerische Illusionen<br />

phantasiebegabter Technokraten verpackt werden konnte, was sich mittlerweile<br />

als gefährlichste, weil unbedarfteste „wissenschaftliche“ Brandlegung der<br />

Geschichte entpuppt hat.<br />

Zur Begriffsklärung: Das Gen ist ein Abschnitt<br />

auf der Desoxyribonukleinsäure (DNA), der die<br />

Grundinformation zur Herstellung einer biologisch<br />

aktiven Ribonukleinsäure (RNA) enthält.<br />

Allgemein werden Gene als Erbanlage oder<br />

Erbfaktor bezeichnet, da sie Träger von Erbinformationen<br />

sind, die durch Reproduktion an die<br />

Nachkommen weitergegeben werden. Verändert<br />

man die DNA eines Organismus, verändert<br />

man damit zwangsläufig alle von diesem abstammende<br />

Nachkommen.<br />

Man unterscheidet die rote oder gelbe Gentechnik,<br />

die in der Medizin zum Einsatz kommt<br />

(Entwicklung von diagnostischen und therapeutischen<br />

Verfahren und von Arzneimitteln), die<br />

weiße oder graue Gentechnik, deren Anwendungsbereiche<br />

in Industrie und Mikrobiologie liegen<br />

(Herstellung von Enzymen,<br />

Ob Paradeiser, Erdäpfel, Zuckerrübe oder<br />

Mais. Je größer die von der Agro-Gentechnik<br />

bediente Palette an Feldfrüchten wird,<br />

umso größer die Absatzchancen der<br />

Industrie und umso größer die Chancen für<br />

deren endgültige Absicht: die Komplett-<br />

Übernahme der Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion.<br />

Feinchemikalien), und<br />

die Grüne oder Agrogentechnik.<br />

Diese aus<br />

landwirtschaftlichen<br />

Nutzungen bekannte


und deshalb bekannteste Anwendung der Gentechnik ist gleichzeitig die umstrittenste.<br />

Weshalb? Gegenüber herkömmlichen Zuchtmethoden überschreitet die Genmanipulation<br />

Artgrenzen. Sieht man von der von den Verfechtern der „natürlichen Gentechnik“ ins<br />

Treffen geführten autarken Veränderungen ab, die lebende Zellen möglicherweise an ihren<br />

DNA-Sequenzen vornehmen, wobei Viren als Signalträger eine entscheidende Rolle<br />

spielen sollen, sind mutwillige Manipulationen der DNA dem Menschen vorbehalten*.<br />

Kurz nachdem Gene isoliert werden konnten, die Rede vom gläsernen Organismus war,<br />

begannen auch offiziell Experimente, in denen, mittels widernatürlichem Gentransfer, das<br />

isolierte Gen einer Wesenheit in einen beliebigen, jedenfalls fremden Zielorganismus verbracht<br />

wurde. Anders als bei der Technik des Agrobakterium-vermittelten Transfers, kombiniert<br />

die somatische Hybridisierung die gewünschten Merkmale von Elternpflanzen.<br />

Besonders das Ergebnis des Beschusses eines Organismus mittels Genkanone, waren<br />

zunächst und sind heute noch unzählige Fehlschläge. Der Einbau erfolgt per se nach dem<br />

Zufallsprinzip. Wo wie viele Fremdgene wie ins Erbmaterial des Empfängerorganismus gelangen<br />

und was sie dort bewirken, ist unbekannt. Bekannt ist lediglich, daß die neukombinierte<br />

DNS Gene ausschalten oder aber verstärkt aktivieren kann. Was für Pflanze, Tier,<br />

Mensch und Umwelt selbstverständlich nicht folgenlos bleibt. Gelingt der Transfer**,<br />

ist das Resultat eine künstlich manipulierte Erbsubstanz, ein gentechnisch veränderter<br />

Organismus (GVO, dessen Definition erfolgt häufig auch als „lebens- und vermehrungsfähiger<br />

gentechnisch veränderter Organismus). Unter anderem auf der<br />

Seite der WKO (Wirtschaftskammer Österreich) wird § 4 Gentechnikgesetz zitiert:<br />

Ein gentechnisch veränderter Organismus (GVO) ist ein Organismus, dessen genetisches<br />

Material so verändert worden ist, wie dies unter natürlichen Bedingungen<br />

durch Kreuzung oder natürliche Rekombination oder andere herkömmliche Züchtungstechniken<br />

nicht vorkommt.<br />

Hierbei spielt es, von ethischen Vorbehalten abgesehen, rein technisch, keine Rolle,<br />

ob Gene von Bakterien, Pflanzen, Tieren und Menschen auf artgleiche Organismen<br />

oder artüberschreitend übertragen werden. Der Mensch spielt Schöpfung. Seine<br />

Kompetenz dies zu tun ist weniger mangelhaft als vielmehr nicht existent. Über das<br />

Geschehen im Zielorganismus, die heraufbeschworenen Interaktionen, gibt es keine<br />

detaillierten Erkenntnisse. Genau darin wurzelt die erste, grundlegende Unwahrheit<br />

hinter der Technologie: Genome, so auch das Menschliche, wurden zwar aufgelistet,<br />

das impliziert aber bei weitem nicht ihre Entschlüsselung und daraus resultierendes<br />

tieferes Verständnis ihres Zusammenspiels. Die Hybris der „Schaffung neuen Lebens“,<br />

der „Verbesserung von Natur“, der beliebigen Verletzung der Integrität der<br />

Individuen und Arten wurde aber schnell als potentiell einträgliches Geschäft begriffen.<br />

Jegliche Einwände wurden sonach mit als „Fortschrittverweigerung“ und<br />

„Misanthropie“ zu subsumierenden Schlagworten vom Tisch gefegt, Lobbys zur Bearbeitung<br />

politischer Entscheidungsträger entsandt und alsbald beträchtliche Subventionen<br />

aus öffentlichen Mitteln locker gemacht.<br />

19<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

20<br />

Geldmacht und Politik, ein unheilvolles Tandem<br />

Die Ziele der fortan in diesem Bereich tätigen Unternehmen gehen aus diesbezüglichen<br />

Kontakten ihrer Vertreter mit der US-Regierung, vor allem seit Beginn der<br />

1990er-Jahre, hervor. Sie lassen sich in dem vielzitierten Satz des vormaligen US-<br />

Außenministers Henry Kissinger zusammenfassen: „Wer das Öl kontrolliert, kontrolliert<br />

die Nationen, wer die Nahrung kontrolliert, kontrolliert die Menschen.“<br />

Es war und ist die Nahrungsmittelversorgung, auf die sich die neuen Gentechnik-<br />

Konzerne, nahezu durchwegs Töchter oder Enkelinnen von multinationalen Pharmaund<br />

Chemieriesen***, kaprizierten. Leben ohne den Energieerwerb der Nahrungsaufnahme<br />

ist nicht möglich. Gegessen werden muß zu allen Zeiten, an allen Orten.<br />

Eine einträglichere Branche kann es auf diesem Planeten – sieht man von einer Rationierung<br />

der Atemluft oder des Trinkwassers ab – folglich nicht geben. Gelingt es,<br />

in diesem Segment Monopole zu schaffen und die gesamte Versorgung, von Saatgut,<br />

über Anbau und Produktion, bis hin zum Handel, in eine Hand zu bekommen,<br />

sind Erträge beliebig zu steuern und Preise willkürlich festzusetzen. Das Monopol<br />

alleine verfügt, wer zu welchem Preis (Lizenzgebühren für die Nutzung von Erfindungen,<br />

als die „Patente auf Leben“ selbstredend gelten) bezugsberechtigt ist –<br />

wobei diese Umschreibung im Klartext bedeutet: wer zu essen bekommt und wer<br />

nicht. Das Monopol alleine bestimmt, wer wann womit beliefert wird. Das Monopol<br />

alleine weiß, was in seinem Saatgut enthalten ist und welche vom Konsumenten<br />

vielleicht erwünschten, vielleicht aber auch unerwünschten Wirkungen damit zu erzielen<br />

sind. – Immerhin wurden Kontroll- und Zulassungsbestimmungen, von den<br />

USA ausgehend, weltweit, unter tätiger Mithilfe der politisch Verantwortlichen, so<br />

strukturiert, daß keine Möglichkeit für unabhängige, den Ansprüchen des Gesundheits-<br />

und Umweltschutzes genügende Untersuchungen gegeben ist. In Anbetracht<br />

militärischer Forschungen an erntevernichtenden Waffen und auch nichtmilitärischer<br />

Forschungen an Designer-B (Biologischen)-Waffen, die sich gegen bestimmte, genetisch<br />

definierte Bevölkerungsgruppen richten – und die auch über Nahrungsmittel<br />

verabfolgt werden können – ein Musterbeispiel politischer<br />

Verantwortungslosigkeit.<br />

Und schließlich: Das Monopol alleine bestimmt das Ausmaß seiner Gewinnspannen.<br />

Für skrupellose Profitjäger das perfekte Geschäft!<br />

Welche Schäden aber können Gesundheit und Umwelt nehmen? Worin bestehen die<br />

Konsumations- und Freisetzungsrisiken der eben deswegen als Hochrisikotechnologie<br />

titulierten Agrogentechnik? Da Langzeituntersuchungen aufgrund der erwähnten<br />

Zulassungsdefizite und der Formel der „substantiellen Äquivalenz“, die ohne jedes<br />

wissenschaftliche Fundament gentechnisch manipulierte mit konventionellen Pflanzen<br />

gleichsetzt, nicht vorgenommen werden, stützen sich alle vorliegenden Studien<br />

auf Kurzzeitbeobachtungen. Die allerdings durchaus erhellend sind. Von Allergien<br />

über Karies und Fettleibigkeit bis zu Unfruchtbarkeit und Organschädigungen reicht<br />

die Palette der möglichen Folgen des Verzehrs von Gentechniknahrung. Studien be-


legen, daß das menschliche Immunsystem gentechnisch veränderte Produkte als<br />

fremdartig erkennt, irritiert wird und entsprechend – folgenschwer – reagiert. Die Entstehung<br />

von Giftstoffen oder Allergien auslösenden Eiweißen in genmanipulierten<br />

Nahrungsmitteln ist evident, doch, weil keiner wissenschaftlichen Erhebung unterworfen,<br />

auch keiner Kontrolle zu unterziehen. Da Gentechniker zur späteren Identifizierung<br />

einer gelungenen Genübertragung Antibiotika-Resistenzgene benützen,<br />

können diese, nach Verzehr des verarbeiteten Konstrukts, von Darmbakterien aufgenommen<br />

werden. Bakterien werden solcherart unempfindlich gegen das entsprechende<br />

Antibiotikum. Der gleiche Vorgang ist bei Krankheitserregern möglich, was<br />

eine Antibiotika-Behandlung wirkungslos macht.<br />

In der Werbung der Gentech-Industrie erfährt man über mögliche Folge- und Kollateralschäden<br />

der eigenen Produkte freilich nichts. Hier setzt man den Einsatz der Gentechnik<br />

zur Entwicklung leistbarer Impfstoffe, etwa gegen Malaria, voraus. Tatsächlich<br />

verweigert die Pharmaindustrie armen Ländern die Zurverfügungstellung wirksamer<br />

Medikamente. Und tatsächlich käme eine weltweit durchgeführte Malaria-Impfaktion<br />

mit vorhandenen Seren sehr viel billiger als die Entwicklung genmodifizierter Zutaten<br />

und Seren. Die aus der Entdeckung eines Brustkrebsgens resultierenden Forschungsarbeiten<br />

hätten unter Umständen Millionen Frauen vor Leid und vorzeitigem<br />

Ableben bewahrt. Vielversprechende diagnostische und therapeutische Verfahren<br />

wurden entwickelt. Dann kam ein US-Konzern, der sich die Patente an den Forschungsergebnissen<br />

sicherte. Fortan konnte sich niemand mehr weitere Erörterungen<br />

und tiefergehende Analysen der Materie leisten, da hierfür opulente Lizenzgebühren<br />

Über seine künftige Freiheit wird<br />

heute entschieden. Wir alle entscheiden<br />

darüber, weil Regierungen<br />

stets nur das umsetzen<br />

können, was ihre Völker tolerieren.<br />

21<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

22<br />

an den Patenthalter zu entrichten gewesen wären. Beide Verfahren sind deshalb<br />

schubladisiert. Schlußendlich sind es auch Gentechniker, die behaupten, das Bevölkerungswachstum<br />

der hyperfertilen südlichen Hemisphäre bereite dem Blauen Planeten<br />

kein Problem, sobald man ausreichende Nahrungsmittelkontingente<br />

genmanipulierten Ursprungs verfügbar habe. Eine aus mehreren Gründen unhaltbare<br />

Aussage, die für sich nicht zutrifft und dazu weitere, lebenssichernde Versorgungsnotwendigkeiten,<br />

wie jene mit Wasser, völlig außer Acht läßt.<br />

Trotz aller Werbelügen und all der höchst unerquicklichen Begleiterscheinungen von<br />

Technologie und Konsum ihrer Nahrungsmittel-Ersatzstoffe gelten Gentechnik-Erzeugnisse,<br />

gemäß dem erwähnten, frei erfundenen Gleichheitsprinzip, als de facto<br />

ident mit herkömmlichen Lebensmitteln.<br />

Gefahrenpotentiale der Agrogentechnik<br />

Für die Umwelt liegt die erste gentechnische Gefahr in der massenhaften Anwendung<br />

von hochgiftigen Spritzmitteln, auf die die Pflanzen – und nicht umgekehrt – abgestimmt<br />

sind. Die gentechnische Landwirtschaft erfordert, im Vergleich zur konventionellen,<br />

mittelfristig ein Vielfaches an Pflanzenschutz- und<br />

Schädlingsbekämpfungsmitteln. Deren Rückstände finden sich sodann in den Nahrungsmitteln<br />

(mit welchen Folgen werden wir an anderer Stelle erhellen), gelangen<br />

aber auch in Böden, Gewässer, Naturkreisläufe, Ökosysteme und die Nahrungsketten<br />

der ansässigen Fauna. Ein dramatischer Schwund in der lokalen Artenvielfalt ist<br />

die Folge. Das Massensterben von Bienenvölkern in den USA (CCD, Colony Collapse<br />

Disorder) wird ebenfalls auf den dort verbreiteten Einsatz der Agrogentechnik zurückgeführt.<br />

Hierbei spielt der auf Bienen tödlich wirkende, in zahlreichen Agrospritzmitteln<br />

hochdosiert enthaltene Wirkstoff Clothianidin eine Rolle, ebenso, wird vermutet,<br />

der an die Bienen verfütterte Maissirup gentechnischen Ursprungs. Während die Clothianidin-Enttarnung<br />

als bienengefährliche, mutmaßlich bienentötende Substanz in<br />

Deutschland dazu führte, daß acht saatgutbeizende Pestizide umgehend aus dem<br />

Verkehr gezogen wurden, blieben diese in Österreich weiterhin zugelassen.<br />

Die unverzichtbare Biene<br />

Mit dem Honig liefern sie eines der<br />

wertvollsten Naturprodukte, als Bestäuber<br />

sind Bienen unverzichtbar.<br />

Die industrialisierte Landwirtschaft<br />

dürfte sich dieser Tatsache allerdings<br />

zunehmend weniger bewußt sein.<br />

Zahlreiche der als Organophosphate<br />

bekannten Pestizide rücken den fleißigen<br />

Immen auf den Pelz. Die pe-


trochemisch hergestellten Substanzen sind hauptverantwortlich dafür, daß Bienen von<br />

Frühjahr zu Frühjahr in geringerer Zahl unsere Wiesen und Wälder aufsuchen. Dabei<br />

sind knapp achtzig Prozent der heimischen Pflanzen auf die Bestäubungstätigkeit der<br />

Bienen angewiesen. Obstbau ohne Bienen ist, auch in Zeiten agrarischer Hochtechnologie,<br />

undenkbar. Konventionelle Monokulturen bedürfen ausufernder Mengen an<br />

Agrospritzmitteln, die wiederum fatale Wirkungen für den Organismus der Bienen zeitigen.<br />

Gleiches gilt für die auf Monokulturen fußende gentechnisch veränderte Landwirtschaft.<br />

Die größten Monokulturen, für deren Betrieb Bienenvölker rund ums Jahr über den gesamten<br />

Kontinent gekarrt werden, finden sich in Nordamerika. Ebenso die größten<br />

Anbauflächen für gentechnisch veränderte Organismen. Diese Form von Streß bleibt<br />

europäischen Bienen vorerst erspart. Nicht aber die laut jüngsten Studien bienengefährlichsten,<br />

weil Immunsystem und Orientierungssinn der Immen beeinträchtigenden<br />

Pestizide der Gruppe Neonikotinoide. Bedenkliche Beizmittel wurden in der<br />

Bundesrepublik Deutschland deshalb bereits teilweise verboten. In Österreich eigenartigerweise<br />

nicht.<br />

Das ist fatal, denn das rätselhafte Bienenvölkersterben, kurz CCD (Colony Collapse<br />

Disorder) genannt, hat, von den USA ausgehend, auch Europa erreicht. Sind in einzelnen<br />

Bundesstaaten der USA bereits zwischen 50 und 80 Prozent aller Bienenvölker<br />

verschwunden, liegen die europäischen Vergleichswerte bei der Hälfte dieser<br />

Raten. Gehandelt werden muß deshalb sofort. Denn man muß nicht auf Albert Einstein<br />

zurückgreifen, der der Menschheit nach dem Verschwinden der Bienen nur noch<br />

vier Jahre gab, um den drohenden Totalverlust zu bewerten.<br />

Süßungsmittel, Lebensmittel, Heilmittel, in alle diese Kategorien läßt sich Honig einordnen.<br />

Von den über 180 nachgewiesenen Wirkstoffen, die das flüssige Gold enthält,<br />

sind antibakterielle und antibiotische Eigenschaften die markantesten. Gegenüber Industriezucker<br />

lassen die Süßstoffe des Honigs den Blutzuckerspiegel erheblich langsamer<br />

ansteigen. Stoffwechselanregende Enzyme, Vitamine, Mineral- und<br />

Aromastoffe sowie Pollen gelten allesamt als gesundheitsfördernd.<br />

In der EU, aber auch in Österreich, der vormalige Umweltminister Josef Pröll war hier<br />

einer der eifrigsten Wortspender, spricht man im Zusammenhang mit der gentechnischen<br />

Landwirtschaft gerne und häufig von Koexistenz-Regelungen****.<br />

Dieses Vokabel ist im gegenständlichen<br />

Kontext unwiderruflich zu streichen. In diesem Bereich liegen<br />

ausnahmsweise ausreichende und einhellige Erkenntnisse<br />

vor, die klar bekunden, daß ein Nebeneinander von<br />

gentechnischer mit biologischer und/oder konventioneller<br />

Landwirtschaft mittelfristig unmöglich ist. Pufferzonen einzurichten,<br />

die zumeist zwischen 20 und 50 Metern betragen,<br />

ist lächerlich, bedenkt man, daß der Pollensammelflug<br />

einer einzelnen Biene über mehrere Kilometer führen kann.<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

23


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

24<br />

Neben der Windvertragung ist demnach die Bestäubung die häufigste Auskreuzungsform,<br />

die Koexistenz-Regelungen als Formel zur Quadratur des Kreises und damit als<br />

wertlose Niederschrift des Unmöglichen entlarvt. Wenn demnach Pro-Gentechnik-<br />

Lobby-Vereine wie die deutsche InnoPlanta „Mantelstreifen“ von 25 Metern als Koexistenzgrundlage<br />

hinstellen, ist das schlicht nicht ernst zu nehmen. Die Folgen der Koexistenz-Unmöglichkeit<br />

dagegen müssen allzu ernst genommen werden, denn sie sind<br />

weitreichend: die manipulierten Saaten kreuzen aus, die gentechnikfreien werden sukzessive<br />

verdrängt. Die Gentechnik-Freiheit biologischer Nutzpflanzen kann nicht mehr<br />

gewährleistet werden. Die EU entschloß sich deshalb bereits prophylaktisch zu einer<br />

Grenzwerterhöhung für die erlaubte gentechnische Verunreinigung von Bio-Lebensmitteln<br />

(0,9 Prozent statt wie bis dahin in Österreich 0,1 Prozent). Es ist absehbar, daß<br />

auch dieser Grenzwert erhöht wird, sobald er aufgrund einer weiteren Verbreitung des<br />

Gentechnik-Anbaus nicht mehr haltbar erscheint. Daß dem so sein wird müssen, belegt<br />

das Beispiel Kanadas, wo Pollenflug für eine flächendeckende Ausbreitung von<br />

Gen-Raps sorgte, was den dortigen Biolandbau nahezu zum Erliegen brachte.<br />

Demaskiert wird die Plumpheit der Koexistenz-Lüge nicht zuletzt von einer spanischen<br />

Studie (Institut für Umweltwissenschaften und Technologie der Autonomen Universität<br />

Barcelona), die die Auswirkungen des Gentechnik-Anbaus in Spanien in großem Stil<br />

unter die Lupe nahm. Aufgrund ungenügender Infrastrukturen seien Vermischungen<br />

von Saatgut und Ernte unvermeidlich, so die Studie. Als Ergebnis präsentiert sie einen<br />

Rückgang der Biomais-Anbaufläche in der Region Aragon um satte 75 Prozent. Eine<br />

medial unter den Gentechnik-Rasenteppich gekehrte Testreihe des österreichischen<br />

Umweltbundesamtes ergab bei allen untersuchten Proben rumänischer Soja gentechnische<br />

Verunreinigungen. Der Schluß liegt somit nahe, daß in dem EUropäischen<br />

Vorreiterland in Sachen Gentech-Anbau bereits über 90 Prozent der gesamten Sojaproduktion<br />

kontaminiert sind. Den Einwand mancher Gentechnik-Befürworter, man<br />

könne Gentechnik-Äcker jederzeit in den konventionellen Anbau rückführen, entkräftet<br />

eine schwedische Studie. Sie gibt nicht nur Aufschluß darüber, daß die Genmais-<br />

Sorte MON 810 von Monsanto gravierende Schwankungen im Gehalt des<br />

pflanzeneigenen Insektengiftes aufweist, sondern belegt auch die zehnjährige Keimfähigkeit<br />

der Genmais-Samen im Erdreich.<br />

Ein ebenso unstimmiges Pärchen sind gentechnische Landwirtschaft und Versorgungssicherheit.<br />

Welche Probleme eine von, auf petrochemischer (Erdöl)Basis hergestellten<br />

Spritz- und Düngemitteln abhängige Landwirtschaftsform im (Öl)Krisenfall<br />

aufwirft, läßt sich in einem Wort zusammenfassen: Versorgungsnotstand.<br />

Sterilität und Gifte<br />

Damit zur, obzwar dieses Resultat obsolet machenden, nichtsdestoweniger letztgültigen<br />

Kriegserklärung der Gentech-Industrie an den freien Bauernstand, die in-


takte Umwelt und die Biodiversität. Das Terminator-Gen unterbindet die Keimfähigkeit<br />

der mit ihm beimpften Pflanze. Dabei bleibt es aber nicht. Durch die unvermeidliche<br />

Auskreuzung greift das Todes-Gen auf alle Wild- und Nutzpflanzen über.<br />

Jeder natürliche Vermehrungsprozeß kommt zum Erliegen. Ganz nebenbei, und<br />

das ist der eigentliche Zweck der Übung, zwingt die Selbststerilisierung der Pflanzen<br />

die Vertragsbauern der Gentechnik-Konzerne zum jährlichen Ankauf neuen<br />

Saatgutes. Damit müssen die Felder dieser agrarischen Leibeigenen einer lebensfeindlichen<br />

Industrie nicht mehr, wie heute üblich, durch Armeen von Detektiven<br />

überwacht werden. Es bleibt ihnen keine andere Wahl mehr als Jahr für Jahr neues,<br />

gegenüber herkömmlichem mehrfach teureres Saatgut anzukaufen.<br />

Was sie damit kaufen und in Folge aussäen, kann im Einzelfall nur vermutet werden.<br />

Gesicherte Erkenntnisse gibt es nur zu ausreichend untersuchten Sorten. Zu mit<br />

einem Bohnen-Gen aufgepeppten Gentech-Erbsen etwa, nach deren zwangsweisem<br />

„Genuß“ Labormäuse schwere, allergiebedingte Lungenerkrankungen aufwiesen,<br />

weil sich die zur Erhöhung der Widerstandskraft eingeschleusten Eiweißstoffe<br />

als unverträglich erwiesen. Zu Gen-Kartoffeln etwa, die auch nach dem Kochen giftig<br />

und für den Konsum ungeeignet blieben. Zu einem ohne Terminator-Technologie<br />

entwickelten Genmais der Firma Monsanto, der, einmal ausgesetzt, unbeeindruckt<br />

weiterwuchert, weil Winterfröste nicht, wie diesmal von der Natur vorgesehen, die<br />

Keimfähigkeit der Körner unterbinden. Zu Genmaissorten, deren Konsum nachweislich<br />

zu erheblichen Veränderungen des Blutbildes, enormer Erhöhung des Blutzuckerspiegels<br />

wie Entzündungen und Schrumpfungen der Nieren führt. Zu<br />

Genmais-Sorten, die Versuchstiere veranlassen lieber zu verhungern, als sie zu<br />

fressen, und die sie töten, werden sie damit zwangsernährt. Oder zu gentechnisch<br />

manipuliertem Raps, den selbst die Europäische Umweltbehörde (EEA) zur Hochrisikopflanze<br />

erklärt, weil er sich ebenfalls wild<br />

ausbreitet und zudem das lokale Aussterben<br />

zahlreicher nützlicher Insekten verursacht.<br />

Landwirtschaftliche Anbaumethoden haben unmittelbare<br />

und eminente Auswirkungen auf den<br />

Verbraucher. Daß die Mast von Nutztieren mit<br />

gentechnisch veränderten Futtermitteln weder<br />

auf Tier noch Mensch Folgen habe, wird von tiefergehenden<br />

Untersuchungen als hohle Werbephrase<br />

entlarvt. Sowohl im Organismus des<br />

GVO-gefütterten Tieres wie in jenem des<br />

menschlichen Endverbrauchers, der also Produkte<br />

vom gentechnisch gemästeten Tier verzehrt,<br />

sind die künstlichen Gensequenzen<br />

nachweisbar, mit allen noch weithin unbekannten<br />

und gerade deshalb erforschungswürdigen Konsequenzen.<br />

Übrigens funktioniert auch der um-<br />

25<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

26<br />

gekehrte „Übertragungsweg“. Die in der Tiermast immer noch massenhaft zur Anwendung<br />

gebrachten Antibiotika, finden sich auch in Pflanzen, die mit der Gülle<br />

ebenjener Tiere gedüngt wurden. Zu guter Letzt verschärft die gentechnische Landwirtschaft<br />

auch die größte Sünde des erosiven konventionellen Massenanbaus: die<br />

Zerstörung der Böden. Daß die durchschnittliche Abtragsdauer (Netto-Bodenverlust)<br />

fruchtbarer Schichten bei üblicher Mächtigkeit derselben in etwa der Lebensdauer<br />

von Kulturen entspricht, ist vermutlich kein Zufall. Der Mensch zieht sich,<br />

durch unkluge agrarische Praktiken, sozusagen selbst den Boden unter den Füßen<br />

weg. Hier könnte und sollte aus historischen Beispielen in aller Welt gelernt werden.<br />

Daß vom ÖVP-Umweltminister in dieser wie in anderen Fragen keine Hilfe, zunächst<br />

im Sinne seriöser Aufklärung, zu erwarten ist, belegt seines Vorgängers und Mentors<br />

illustrierte Doppelzüngigkeit. Nicht Ja oder Nein sei die Gentechnik-relevante<br />

Frage, sondern Wie? Ein bißchen schwanger also, um den umgangssprachlichen<br />

Vergleich zu bemühen. Genau diese Inkonsequenz österreichischer Politiker, mutmaßlich<br />

ein Symptom systemimmanenter Unaufrichtigkeit, ist verantwortlich für die<br />

Nichtbehauptung österreichischer Interessen in nahezu allen substantiellen Fragen,<br />

in sämtlichen Politikfeldern. So beklagte die Sprecherin der deutschen Agrarministerin<br />

Ilse Aigner (CSU), daß der deutsche Vorstoß für eine EU-Kennzeichnungspflicht<br />

auch für GVO-Inhaltsstoffe tierischer Produkte keine Unterstützung seitens<br />

der übrigen EU-Mitgliedsländer gebracht hätte. Auch von Österreich nicht, dessen<br />

fachzuständige Ministerriege sich doch stets so volksinteressenverbunden gibt. Welche<br />

Konsequenzen die europäische Kennzeichnungsfarce bereits für Europas jüngste<br />

Bürger hat, zeigt sich etwa am Beispiel Babynahrung. In Milchersatzprodukten<br />

sind erhebliche, für die Mütter beim Einkauf nicht erkennbare Gentechnikspuren<br />

nachzuweisen. Wie die Funde nicht gekennzeichneter, jedoch gentechnikverunreinigter<br />

Schokoriegel im deutschen Handel, belegt auch dieser Fall die schwerwiegenden<br />

Folgen politischer Unzulänglichkeiten. Der vorauseilende Gehorsam, nicht<br />

nur der Austrominister, gegenüber Brüssel wird weiter begünstigt, indem vor allem<br />

die USA hinter und vor den Kulissen vehement Druck ausüben, auf alle europäischen<br />

Regierungen, die sich hie und da Gentechnik-kritische Anmerkungen gestatten.<br />

In einer Aussendung der US-Botschaft vom 20. März 2008 heißt es, unter dem<br />

Titel „US Statement zu GMOs in Österreich“, etwa: „�Die Vereinigten Staaten und<br />

Österreich unterhalten seit vielen Jahren hervorragende bilaterale Beziehungen,<br />

deren Erhalt den USA ein wichtiges Anliegen ist. Aus diesem Grund haben die USA<br />

versucht, die Angelegenheit mit Geduld und in einem ganz und gar multilateralen<br />

Rahmen zu lösen.“ Mit anderen Worten: Spurst du nicht nach unserem Willen,<br />

Österreich, ist es mit den guten Beziehungen vorbei! Soviel zum Umgang mit „befreundeten“,<br />

wenigstens auf dem Briefpapier seiner nicht immer würdigen Würdenträger<br />

souveränen Staaten.


* Die „klassische“ Gentechnik ist längst nicht das Ende Frankenstein´scher Zukunftsvisionen.<br />

Anläßlich des Symposiums Life under (Re)Construction wurde im<br />

November 2008 auch in Wien die geplante nächste Steigerungsstufe des fidelen<br />

Erbsubstanz-Jonglierens vorgestellt. Die „Synthetische Biologie“ wird nach Möglichkeit<br />

künstliche Lebewesen das Dämmerlicht der Welt erblicken lassen. Künstliche<br />

Viren-DNA brachte andere Zellen im Versuch bereits dazu, Virus-Partikel zu<br />

produzieren. Weitere Versuche sehen vor, nicht mehr nur einzelne Gene ein- oder<br />

auszubauen, sondern ganze Gen-Module zu transferieren. Da DNA-Bauteile mittlerweile<br />

auch kommerziell gehandelt werden, dem Mißbrauch damit Tür und Tor geöffnet<br />

sind, könnten die Massenvernichtungswaffen von morgen anderer Qualität<br />

als die befürchtete „schmutzige Bombe“ sein. Wobei sich hier die vom Thema abweichende<br />

Grundsatzfrage stellt, ob Massenvernichtungswaffen in „falsche Hände“<br />

geraten können, da dieser Ansatz impliziert, daß Derartiges irgendwo in „richtigen<br />

Händen“ sein könnte.<br />

Mit Gen-Systemen nicht genug, wird auch die Herstellung in der Natur nicht vorgesehener<br />

Moleküle erwogen. Da von den bislang bekannten hundert Aminosäuren lediglich<br />

zwanzig als Bausteine natürlicher Proteine erhoben werden konnten, bietet<br />

sich eine breite Palette an Möglichkeiten, mutmaßlich widernatürliche Proteine zu erzeugen.<br />

Das regt forschen Forschergeist fraglos an. Mehr dazu im Kapitel Gott spielen<br />

mit den Bausteinen des Lebens.<br />

** Die Laborakrobaten des Schweizer Gentechnik-Konzerns Syngenta sollen 176<br />

Versuche benötigt haben, um eine �azillen-Gen-(bacillus thuringiensis)- „bereicherte“<br />

Maissorte zu zimmern. Das Konstrukt trägt deshalb den sinnigen Namen Bt-<br />

176.<br />

*** Auffallend an der gehäuften Übernahme von Biotech-Unternehmen durch die<br />

Pharmaindustrie ist der Zeitpunkt, da aktuell eine Vielzahl wichtiger Pharma-Patente<br />

ausläuft und die Laboratorien der Industrie wenig Neues zu bieten haben. Der britische<br />

Pharmariese GlaxoSmithCline kaufte Sirtris Pharmaceuticals um vergleichsweise<br />

günstige 270 Millionen Dollar. Bristol-Myer Squibb bot 4,5 Milliarden Dollar<br />

für ImClone. Millennium Pharmaceuticals wurde von Takeda Pharmaceuticals für<br />

8,8 Milliarden Dollar übernommen. Und der Schweizer Pharmagigant Roche unterbreitete<br />

der US-amerikanischen Genentech, an der er bereits zu 56 Prozent beteiligt<br />

ist, für die verbliebenen 44 Prozent ein Offert von sage und schreibe 43,7<br />

Milliarden Dollar.<br />

**** Die „Koexistenz“ funktioniert auch im Handel nicht. Stichproben fördern immer<br />

wieder Verunreinigungen von nicht als gentechnisch kontaminiert gekennzeichneten<br />

Produkten zu Tage. Die Dunkelziffer freilich ist sehr viel höher. Zum einen handelt<br />

es sich nur um Stichproben. Zum anderen wird oft gar nicht gekennzeichnet,<br />

was dennoch enthalten ist. Untersuchungen in Sachsen ergaben unzweideutig, daß<br />

27<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

28<br />

?<br />

� die gentechnische Landwirtschaft eine Vielzahl unkalkulierbarer Freisetzungsund<br />

Gesundheitsrisiken birgt?<br />

in Nougatcremes, die gentechnisch veränderte Soja enthielten, nicht einmal Soja<br />

als solches auf der Zutatenliste angegeben war. Etwas nicht Angeführtes kann<br />

schlecht mit einer Sonderkennzeichnung versehen werden. Auch das ist eine Strategie<br />

zur Irreführung des Verbrauchers. Eine Strategie, die auch in der Futtermittelbranche<br />

zu konstatieren ist. Auch hier findet sich, etwa bei Sojaextraktionsschrot,<br />

immer wieder nicht gekennzeichnete kennzeichnungspflichtige Ware.<br />

Wußten Sie, daß �<br />

� die vielgepriesene Koexistenz zwischen gentechnischer und konventioneller<br />

oder biologischer Landwirtschaft wegen unvermeidbarer Verunreinigungen (Auskreuzungen)<br />

unmöglich ist?<br />

� „Patente auf Leben“ das Ende des freien Bauernstandes und damit der Nahrungsmittel-Souveränität<br />

der Staaten bedeuten?<br />

� die weltgrößten Gentechnik- und Saatgutkonzerne ursprünglich Chemie-Unternehmen<br />

waren und großteils noch sind, die für Todesgifte wie Dioxin und<br />

Agent Orange und eine Unzahl krebserregender Substanzen verantwortlich<br />

sind?<br />

� die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gentechnisch<br />

veränderte Organismen auf Basis von Herstellergutachten zuläßt, ohne eigene<br />

Untersuchungen anzustellen?<br />

� jährlich über 500.000 Tonnen gentechnisch veränderter Futtermittel nach<br />

Österreich importiert werden, obwohl ausreichend gentechnikfreie Futtermittel<br />

vorhanden wären?<br />

� die Gentechnik-Industrie die Lösung des Welthungerproblems verspricht, die<br />

Agro-Gentechnik tatsächlich aber zu gravierenden Ernteeinbußen führt?<br />

� der Plan zur Erreichung der Weltherrschaft über die vollständige Kontrolle<br />

der globalen Nahrungsmittelversorgung in den USA bereits vor über 60 Jahren<br />

entstand?


Kontrollverzicht, das Ende der Freiheit<br />

In keiner Phase der abwechslungsreichen Menschheitsgeschichte sah sich der wesenskernverankerte<br />

Wunsch nach freigeistiger Selbstbestimmung mit derart titanischen<br />

Herausforderungen konfrontiert, wie sie ihm heute, an der Schwelle des<br />

prognostizierten Endzeitalters, begegnen. Die apokalyptische Gefahr von Computerangriffen<br />

auf kritische Infrastrukturen vor Augen, entfalten sich ungehindert die<br />

Abhängigkeiten schaffenden Mechanismen der in Monopolen geeinten, vernetzten<br />

Weltgemeinde. Zu diesen sich in Fusion und feindlicher Übernahme entfaltenden<br />

Oligopolen zählt auch die von Grund auf totalitär ausgerichtete Gentechnologie. Anders<br />

als bei den zunehmend Internet-abhängigen und damit zunehmend von Cyber-<br />

Kriminellen angreifbaren kritischen Infrastrukturen wie Wasser- oder<br />

Energieversorgung*, trägt die Gentechnik schon in ihrem ureigensten Ansatz der<br />

profitorientierten Alleinherrschaft den Keim der Diktatur. Der Etablierung dieser wie<br />

jeder anderen plutokratischen Despotie entgegenzuwirken, braucht es für sämtliche<br />

fundamentale Lebensgrundlagen dezentrale, regional wie national lenkbare Versorgungsmodelle.<br />

In jeder anderen als der da und dort um den gesunden Hausverstand gebrachten,<br />

konsumberauschten Hurragesellschaft wäre Verbesserungsbedarf oder ein zu behebender<br />

Mangel die Voraussetzung, um Altbewährtes aufgeben und durch Neuerungen<br />

ersetzen zu wollen. Mit der Grünen Gentechnik verhält es sich nicht anders.<br />

Zwar wird der Völkergemeinschaft versprochen, genmodifizierte Hybridpflanzen würden<br />

künftighin den Hunger der Welt stillen, die Realität aber spricht dieser Vermarktungsstrategie<br />

Schöpfung spielender DNAnalphabeten Hohn.<br />

Die weltweite Etablierung genmanipulierten Saatguts dient einem einzigen, in Etappen<br />

zu vollziehenden, unheiligen Zweck. Zunächst gilt es, die Saatgut-Hoheit des<br />

traditionellen Bauernstandes zu brechen. Sind Bauern und in deren Folge Völker<br />

und Staaten von GVO-Saatgut und den mit diesem von Wurzel bis Knospe abgestimmten<br />

agrochemischen Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmitteln abhängig,<br />

sind nicht nur astronomische Gewinne zu erzielen. Es wird vor allem die Installation<br />

einer globalen, auf lange Sicht unumkehrbaren, über den Speisetisch steuerbaren<br />

Diktatur möglich.<br />

Entsprechend dieser Schreckensvision, die nur betriebsblinden Profithaien ein<br />

Schlaraffenland verheißt, wird agiert und agitiert. Mit allen unerlaubten, weil undemokratischen<br />

Mitteln, ohne Rücksicht auf Verluste. Und im Schulterschluß mit willfährigen<br />

Politikern und Behörden. So betätigt sich etwa die EU-Kommission seit<br />

Jahr und Tag als Vorfeld-, weil Lobby-Organisation der Gen-Industrie. Die diesbezügliche<br />

Wirkkraft der Kommission wird unter anderem in der Reaktion auf als unliebsam<br />

empfundene Entscheidungen deutlich. Nach dem EU-Agrarministerrat im<br />

29<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

30<br />

Dezember 2006, der Österreich die Beibehaltung seiner Gentechnik-Verbote zubilligte,<br />

erklärte die Kommission trotzig, man werde nun eben andere Wege finden,<br />

Österreich auf Kurs zu bringen, sprich: in die Knie zu zwingen. Man fand sie, wenn<br />

auch nicht „anders“.<br />

Die neuerliche Abstimmung am 30. Oktober 2007 brachte eine 15:4-Mehrheit für<br />

die österreichische Position – Aufrechterhaltung der nationalen Genmais-Importverbote.<br />

Das reichte aber nicht für eine „qualifizierte Mehrheit“ nach augenscheinlich<br />

demokratiefeindlichen EU-Vorgaben. So ging der Ball an die Kommission, die<br />

erwartungsgemäß die österreichischen Importverbote, vorerst teilweise, aufhob. Diesem<br />

Akt der Brachialbevormundung lag unter anderem jenes WTO-Urteil zugrunde,<br />

welches das de facto Gentechnik-Moratorium der EU für nicht WTO-konform erklärte<br />

und die österreichischen Genmais-Importverbote als rechtswidrig klassifizierte.<br />

Bezeichnend am nachfolgenden Geschehen war und ist, daß die<br />

EU-Kommission auf eine Berufung gegen dieses Urteil verzichtete und stattdessen<br />

mit den USA über die an diese zu entrichtenden Strafzahlungen (!) verhandelte.<br />

Völlig unzureichende Zulassungsverfahren<br />

Entsprechend ihrer unaufrichtigen Politik, die reines Hochquellwasser predigt und<br />

klammheimlich gentechnisch kontaminiertes Abwasser aufbereitet, verzichtet die<br />

EU auf die Einrichtung der erforderlichen Kontrollmechanismen bzw., wo diese kulissenhaft<br />

vorhanden sind, deren Nutzung. Zulassungen im Bereich der Grünen<br />

Gentechnik beruhen ausschließlich auf von den Herstellern selbst erstellten bzw. in<br />

Auftrag gegebenen Studien. Diese Praxis hat, neben mangelnder Transparenz und<br />

In der gentechnischen Landwirtschaft<br />

gibt es keine bäuerliche<br />

Saatguthoheit mehr und der freie<br />

Bauernstand war einmal.


Objektivität, fehlende Überwachung zur Folge. Auch die mannigfachen Funde gentechnisch<br />

veränderten Langkornreises (LL62, LL601** / Bayer) in unterschiedlichsten,<br />

als konventionell gekennzeichneten Reisprodukten im europäischen Handel,<br />

sind auf diese vorsätzliche Arglosigkeit zurückzuführen. Gleiches gilt für Verunreinigungen<br />

mit Gentechnik-Reis (Bt63) in chinesischen Importen und die Kontamination<br />

einer Vielzahl von Tofu-Produkten. Wie es zu den als „ungewollt“ und „zufällig<br />

zustande gekommen“ apostrophierten Verunreinigungen kommen konnte, liegt bis<br />

heute im Dunkeln. Es dort zu belassen, ist Brüssel ein offenkundiges Anliegen.<br />

Zu guter Letzt sei im Zusammenhang mit Genehmigungs- und Zulassungsverfahren<br />

und damit vorab erfolgender Kontrolltätigkeit auf das Europäische Patentamt verwiesen.<br />

Zwar hat selbiges auf den ersten Blick wenig mit der Inverkehrbringung gentechnisch<br />

veränderter Organismen zu tun. Zwar ist diese von 30 europäischen<br />

Staaten und der Türkei unterhaltene Institution keine EU-Behörde. Dennoch arbeitet<br />

sie nach demselben zentralistischen, Macht monopolisierenden, die Mitgliedsländer<br />

bevormundenden Schema. Im Zusammenhang mit der Grünen Gentechnik,<br />

die mit ihren für die Überfettung der eigenen Bilanzen konstruierten Patenten auf<br />

Leben wuchert, käme ihr die Rolle eines frühen Warners zu, wo Gefahr für Leib und<br />

das nicht patentierte Leben im Verzuge scheint.<br />

Im Unterschied zu seinem österreichischen Pendant kann die europäische Schwesterbehörde<br />

diese Aufgabe nicht wahrnehmen. In Österreich wird der gesamte Bereich<br />

der Biotechnologie, dem die Grüne Gentechnik zuzuzählen ist, von einem<br />

Biopatent-Monitoring-Komitee überwacht. Dieses 1998 vom Österreichischen Nationalrat<br />

eingesetzte und selbigem berichtspflichtige Komitee hat lediglich die Befugnis,<br />

für den österreichischen Markt ausgestellte, österreichische Patente zu<br />

bewerten. Die ohne substantielle Kontrolle vom Europäischen Patentamt vergebenen<br />

Patente werden Österreich, ohne Zugriffsmöglichkeit des österreichischen Komitees,<br />

zur Übernahme aufgezwungen. Neben diesem eklatanten Versäumnis, dem<br />

nur durch die Schaffung eines unabhängigen europäischen Biopatent-Monitoring-<br />

Komitees beizukommen ist, weist auch Österreich selbst erhebliche Unzulänglichkeiten,<br />

insbesondere eklatante Informationslücken auf. So wurde der im Mai 2006<br />

fertiggestellte Bericht des Biopatent-Monitoring-Komitees erst nach monatelangen<br />

Verzögerungen dem österreichischen Nationalrat vorgelegt. Dies ist allerdings kein<br />

Versäumnis des den Bericht erstellt habenden Komitees, sondern ausschließlich<br />

des damals zuständigen Ministers, Werner Faymann.<br />

Neben der resultierenden, gezielten Nicht- bzw. einseitigen Desinformation der Bevölkerung,<br />

schwächte und schwächt die ministeriale Ignoranz fraglos die österreichische<br />

Position im internationalen Diskurs zu einer tragfähigen Risikobewertungsund<br />

Zulassungsverfahrensordnung (deren Neuausrichtung Frankreich für das Ende<br />

seiner EU-Ratspräsidentschaft, im Dezember 2008, – leider nur – angekündigt<br />

hatte). Wenn schon der zuständige Minister die Zügel seiner unmittelbarsten Verantwortlichkeit<br />

schleifen läßt, kann niemand ernsthaft erwarten, daß Österreich mit<br />

31<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

32<br />

seiner alibihaften Forderung nach strengeren Kontrollen auf europäischer Ebene zu<br />

den maßgeblichen Ohren durchdringt.<br />

Das ernüchternde Resümee lautet: Versäumte Einwände, versäumte Chance. Wer<br />

schweigt, ist einverstanden. Welch fatale Folgen Schweigen und damit unterstelltes<br />

Einverständnis im Kontext mit der Grünen Gentechnik haben können, wird nachfolgend<br />

skizziert. Die feige Vogel-Strauß-Politik der österreichischen Regierung jedenfalls<br />

läßt für den unmittelbar<br />

bevorstehenden Kampf gegen die Freisetzung<br />

genmanipulierten Saatgutes auf österreichischem<br />

Boden nichts Gutes erwarten. Sie<br />

spielt der Verharmlosungs- und Verschleierungspolitik<br />

Brüssels, die jede Seriosität in der<br />

Bewertung von Freisetzungs- und Konsumationsrisiken<br />

vermissen läßt, in die bigott gefalteten<br />

Hände. Seit Inkrafttreten des<br />

EU-Verfassungsvertrages sind jegliche diesbezügliche<br />

Hoffnungen auch theoretisch hinfällig,<br />

da sonach unwiderruflich keinerlei<br />

Einflußmöglichkeit nationaler Regierungen<br />

mehr geltend zu machen sein wird. Es wird<br />

demnach der Bevölkerung, den Verbrauchern,<br />

den Müttern und Vätern selbst überlassen<br />

Mit der EU weht Österreich ein anderer<br />

Wind entgegen. Der Gentechnik<br />

wurde Tür und Tor geöffnet!<br />

sein, gegen den Ausverkauf der heimatlichen Landschaften, gegen Saatgut-Sklaverei<br />

und Nahrungsmitteldiktatur – und gegen den EU-Verfassungsvertrag – aufzutreten.<br />

Entschlossen aufzutreten!<br />

Der in wertkonservativen Kreisen verbreitete Irrglaube, hinter jedweder Form offensiv<br />

artikulierten Umweltbewußtseins müßten sich linkslinke Zeitgeister verbergen, ist<br />

zu überwinden. Die Weltdiktatur der von Henry Kissinger geweissagten, US-geführten<br />

Gentechnokratie verhindern zu wollen, ist kein Auswuchs grün getünchter<br />

Ecological Correctness, sondern die wache Regung des urweltlichen Selbsterhaltungstriebes.<br />

Es geht schließlich um nichts weniger als den Erhalt einer intakten,<br />

von Vielfalt und Homogenität gewachsener Lebensgemeinschaften geprägten Umwelt,<br />

um hochwertige Lebensmittel, die Gesundheit unserer Kinder und Kindeskinder,<br />

einen freien Bauernstand und damit die unverzichtbare Selbstversorgungs- wie<br />

Selbstbestimmungsfähigkeit eines souveränen Staates.<br />

* Die Publikationen von Wikileaks oder die Attacke auf das österreichische Emissionshandelssystem<br />

zeugen vom Handlungspotential von Hackern. Da nahezu sämtliche<br />

Regierungseinrichtungen, polizeilichen Datenbanken und Militärbasen heute<br />

vom „Netz“ abhängig sind, läßt sich das mögliche, von Cyber-Kriminellen anzurichtende<br />

Schadensausmaß vage erahnen.


** 18 Prozent der untersuchten Proben wiesen 2006 ein positives Ergebnis auf.<br />

Durch die Verwässerung der Gentechnik-Gesetzgebung (Etablierung bzw. Erhöhung<br />

von Grenzwerten,�) ist der vordergründige „Rückgang“ von Beanstandungen<br />

bei laufenden Lebens- und Futtermitteluntersuchungen zu erklären. So stehen 9 positiven<br />

von 153 untersuchten Proben aus dem Jahr 2001 23 positive von 212 untersuchten<br />

Proben 2007 gegenüber. Als Resultat scheinen für 2001 2,6 Prozent<br />

verunreinigter Proben, für 2007 0,0 Prozent auf. Es läßt sich unschwer erkennen,<br />

daß nicht nur im Rahmen der Kriminalitätsstatistik mit geschönten Zahlen operiert<br />

wird, um ein Sicherheitsgefühl zu transportieren, das jeder Berechtigung, weil jeder<br />

Grundlage entbehrt. Wo Bewertungskriterien aufgeweicht werden, kommt es<br />

zwangsläufig zu verzerrten Ergebnissen, die mit historischen Werten, die auf Basis<br />

strengerer Beurteilung erhoben wurden, nicht verglichen werden dürfen.<br />

Zur Reis-Linie LL601 ist ergänzend zu sagen, daß diese nach Bayer-Angaben lediglich<br />

in den Jahren 1999 bis 2001 angebaut wurde, und dies nur auf Testfeldern.<br />

Die Jahre später erfolgten Verunreinigungen im Lebensmittelhandel erwerblicher<br />

Reisprodukte, tat der Konzern mit dem Gemeinposten der „höheren Gewalt“ ab.<br />

Ähnlich verhielt es sich mit der genmanipulierten Leinsamensorte FP 967, die angeblich<br />

nur in Kanada und dort angeblich nur bis 2001 angebaut wurde. Dennoch<br />

kam es 2009 zu Verunreinigungen mit genmanipuliertem Leinsamen der Sorte FP<br />

967 in Backwaren auf dem deutschen und österreichischen Markt.<br />

33<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

34<br />

Industriefreundlich und konsumentenfeindlich:<br />

die Gesetzeslage<br />

Die überwältigende Mehrheit der Österreicher wie der übrigen Europäer lehnt die Agro-<br />

Gentechnik und den Konsum gentechnisch veränderter Nahrungsmittel entschieden ab.<br />

Trotzdem lässt das politisch-industrielle Establishment nichts unversucht, Gentechnik auf<br />

unsere Felder und Teller zu bringen. Die aus diesem Bestreben abgeleitete Gentechnik-<br />

Rechtsetzung ist somit ein Paradebeispiel für die völlige Außerachtlassung des Mehrheitswillens<br />

der Bevölkerung. Die detaillierte Betrachtung der dahinter stehenden<br />

Mechanismen zeigt unzweideutig, daß die WTO (Welthandelsorganisation) Druck auf<br />

Brüssel, dieses wiederum auf die EU-Mitgliedsländer ausübt. Der Vertrag von Lissabon<br />

liefert alle erforderlichen, diesem Zwecke dienlichen Instrumentarien. Die Entmachtung<br />

der nationalen Regierungen, Parlamente und Bevölkerungen ist damit weitestgehend<br />

vollzogen.<br />

Mit Hilfe der WTO können die in der Agrogentechnik führenden Länder, vor allem also die<br />

USA, aber auch Argentinien und Kanada, die durch sie transportierten Interessen multinationaler<br />

Gentech-Konzerne durchsetzen (etwa im „EU Biotech Case“ gegen das bis<br />

2004 bestehende GVO-Zulassungsmoratorium der EU). Das Prinzip des Freihandels und<br />

Gesetze wie Eigendynamik des Marktes gelten als Dogmen, jegliche Vorbehalte dagegen<br />

als unentschuldbare Globalisierungsketzerei. Vorsorge- und Verursacherprinzip werden<br />

von diesem Zugang verunmöglicht, Umwelt- und Gesundheitsschutz als lästiger Ballast<br />

des sich selbst und seinen Vorbetern genügenden Profitstrebens abgeworfen.<br />

1995 folgte die WTO dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen GATT (Allgemeines<br />

Zoll- und Handelsabkommen, General Agreement on Tarifs and Trade), das neben<br />

GATS (Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, General Agreement<br />

on Trade in Services) und TRIPS (Abkommen über handelsbezogene Aspekte<br />

der Rechte an geistigem Eigentum, Trade Related Aspects of Intellectual Property)<br />

eines ihrer Hauptabkommen blieb. Oberstes GATT-Bestreben war bereits die Liberalisierung<br />

des weltweiten Freihandels. Die Landwirtschaftspolitik allerdings war nicht<br />

Gegenstand dieses Abkommens. Deshalb bedurfte es, aus Sicht der Freihandelsfreibeuter,<br />

eines international rechtsverbindlichen Abkommens, das erstens die Agrarpolitik<br />

einschloß und das sich zweitens nicht damit begnügte Abkommen zu sein, sondern<br />

handlungs- und sanktionsfähige Organisation wurde. Der WTO gehören heute 153<br />

Staaten an. Ihr Sitz ist Genf.<br />

Bedeutend im Hinblick auf die Gentechnik sind auch die in TRIPS (in Österreich: Abkommen<br />

über handelsbezogene Aspekte der Rechte des Geistigen Eigentums) festgelegten<br />

Regelungen geistiger Eigentumsrechte (Patente auf Leben). Dieses<br />

Vertragswerk ist, ganz im Sinne seiner Macher, ein wirkmächtiges Instrument zur rücksichtslosen<br />

Durchsetzung von Konzerninteressen. Ein Heer von Lobbyisten hat mit po-


litischer Assistenz Gesetze zur Ermöglichung der Patentierung von Leben produziert.<br />

Jeder einzelne gentechnisch veränderte Organismus (GVO) ist patentiert. GVO- Saatgut<br />

gehört folglich nicht mehr dem Bauern, sondern dem jeweiligen Konzern. Der Bauer<br />

ist sodann gezwungen, Jahr für Jahr neues Saatgut zu kaufen und dafür vom Patenthalter<br />

beliebig festsetzbare Lizenzgebühren zu entrichten.<br />

Patente auf Leben – der Mensch als Schöpfer?<br />

Die Patentierung von Leben ist per se ein Unding, da der Mensch durch die Erzeugung<br />

fragwürdiger Genkonstrukte nicht zum Schöpfer, zum „Erfinder“ von Leben,<br />

sondern lediglich zum, die Integrität der Arten und Wesen verletzenden Manipulator<br />

von Lebensformen wird. Dem hätte jegliche Gentechnik-Gesetzgebung Rechnung<br />

zu tragen. Das tut sie aber wohlweislich nicht. Im Zweijahresrhythmus<br />

entscheidet eine Konferenz der zuständigen Minister über die Zukunft der Weltwirtschaft.<br />

Die Entscheidungen müssen einstimmig, von allen Mitgliedern des internationalen<br />

Handelssystems getroffen werden. Es liegt auf der Hand, daß<br />

Landwirtschaft und Industrie gegeneinander aufgewogen und ausgespielt werden<br />

müssen, um zu Resultaten zu kommen.<br />

Folgerichtig beklagen Landwirtschaftsvertreter in aller Welt, daß WTO-Beschlüsse die<br />

bäuerliche Landwirtschaft zerstören, zugunsten einer gigantomanischen Agroindustrie<br />

á la USA. Dieser wiederum sind die auch bei „Patenten auf Leben“ umtriebigen Saatgut-,<br />

Chemie- und Handelskonzerne zuzurechnen. Absiedlung aus dem ländlichen<br />

Raum (Landflucht, „Bauernsterben“), weitere Verstädterung, Massentierleid, Umweltzerstörungen<br />

pyramidalen Ausmaßes (für die freilich nicht der Verursacher, sondern die<br />

„öffentliche Hand“<br />

haftet) und pestizidverseuchte,<br />

minderwertige, oftmals<br />

akut gesundheitsgefährdende<br />

Nahrungsmittel<br />

sind die Folgen<br />

dieser Agro-Monopolitik.Grundsätzlich<br />

ist die<br />

Landwirtschaft<br />

Die Stallidylle könnte schon bald<br />

der Vergangenheit angehören. Die<br />

EU setzt Schritte in Richtung Massentierleid.<br />

kein geeignetes<br />

Objekt der grünrevolutionierten,agroindustrialisierten<br />

Internationale.<br />

Daher die gleich-<br />

35<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

36<br />

bleibende Forderung der FPÖ, eine sofortige<br />

Renationalisierung der Landwirtschaft<br />

anzustreben. Ein Ansinnen, das mit dem<br />

EU-Verfassungsvertrag vorerst allerdings<br />

verunmöglicht wurde.<br />

„Freihandel“ heißt Abbau von Handelsbarrieren.<br />

Dementsprechend darf laut WTO-<br />

Regelungen kein Mitgliedsland Handel mit<br />

bzw. Import oder Anbau von GVOs generell<br />

verbieten. Auch einzelne GVOs dürfen<br />

ohne wissenschaftlich erbrachten Nachweis<br />

einer Gesundheits- oder Umweltgefährdung<br />

nicht dauerhaft verboten werden.<br />

Diesen Nachweis zu erbringen, fällt ob der<br />

Vielzahl der „Einzelfälle“ einigermaßen<br />

schwer, da über 95 Prozent aller Wissenschaftler<br />

im Bereich der Biotechnologie für<br />

die Industrie tätig und daher für, noch dazu<br />

sehr kostenintensive, unabhängige Studien<br />

nicht verfügbar sind. Gentechnik-Gesetze<br />

müßten folglich dafür Sorge tragen, die Unbedenklichkeit<br />

neuer Konstrukte vor Inverkehrbringung,<br />

auf Kosten des Herstellers,<br />

aber dem Primat des Konsumenten- und<br />

Einzelne GVOs dürfen ohne wissenschaftlich<br />

erbrachten Nachweis einer Gesundheits-<br />

oder Umweltgefährdung nicht<br />

dauerhaft verboten werden. Über 95 Prozent<br />

aller Wissenschaftler im Bereich Biotechnologie<br />

sind aber für die Industrie tätig...<br />

Naturschutzes folgend, nachzuweisen. Auch das tun sie, wiederum wohlweislich,<br />

nicht. Daran wird auch der Kommissionvorschlag, der den Mitgliedsstaaten „Anbaufreiheit“<br />

gewähren will, nicht das Geringste ändern. In der EU wird die Zulassung<br />

von GVOs künftig vermutlich dergestalt geregelt sein, daß der einzelne<br />

Mitgliedsstaat kein Recht zur Verhängung von Import- oder Anbauverboten mehr<br />

haben wird, sondern eine solche Maßnahme nur gemeinsam beschlossen werden<br />

kann. Was sie, wie die Politik Brüssels nachdrücklich beweist, niemals werden wird.<br />

Zudem unterbindet die seit 2004 gültige Verordnung 1829/2003 die Möglichkeit zu<br />

einem generellen Import- und Anbauverbot.<br />

All dem widerspricht allerdings das 2003 aktivierte Cartagena-Protokoll. Dieser Abschnitt<br />

der Biodiversitäts-Konvention ist die erste, völkerrechtlich bindende Übereinkunft,<br />

den grenzüberschreitenden Transport, die Handhabung und den Umgang<br />

mit GVOs betreffend. Die Mitgliedsstaaten sollen demnach, dank zeitgerechter Information,<br />

autonome Entscheidungen über die Genehmigung des Imports treffen zu<br />

können. Jeder Staat hat demzufolge das Recht, importbeschränkende Maßnahmen<br />

für bestimmte GVOs zu setzen, um potentiell schädliche Auswirkungen auf die Artenvielfalt<br />

sowie Risiken für die menschliche Gesundheit zu verhindern, Zusatz: so-


fern hinsichtlich eines GVOs mangelnde wissenschaftliche Sicherheit aufgrund unzureichender<br />

Informationen oder unzureichenden Wissens gegeben ist. Weshalb<br />

diesem von 132 Staaten abgesegneten Protokoll lediglich Papierwert zukommt, liegt<br />

unter anderem daran, daß es von jenen Staaten, die 75 Prozent aller weltweiten<br />

Gentechnik-Anbauflächen ihr Eigen nennen: USA, Kanada und Argentinien, nicht<br />

unterzeichnet wurde. Für den unterzeichnet habenden Staat und damit seine Bürger<br />

bedeutet das den dreisten Zynismus: Ich gebe dir ein Rechtsmittel an die Hand,<br />

legitimiere es aber nicht!<br />

Ho Ruck-Beurteilungen ohne Langzeitbeobachtung<br />

Um den Nachweis der Gefährlichkeit von GVOs zu erbringen, bedürfte es, neben<br />

enormer finanzieller Mittel, Langzeitbeobachtungen, -studien und/oder -Fütterungsversuche.<br />

Derartiges gibt es bis dato nirgendwo auf diesem Planeten. Angedacht<br />

sind lediglich Langzeitüberwachungen nach der Markteinführung. Ein solches Projekt<br />

läuft an der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien. Zum Fehlen<br />

jeglicher, der Zulassung vorausgehenden Risikobewertung, die mindestens jener<br />

von Medikamenten* zu entsprechen hätte, kommt ein im Sinne der Gentech-Lobby<br />

verankerter Winkelzug des WTO-SPS-Übereinkommens (Abkommen über die Anwendung<br />

sanitärer und phyto-sanitärer Maßnahmen).<br />

Hier wird zwar dargelegt, daß „kein Mitglied von der Annahme oder Durchführung<br />

von Maßnahmen abgehalten werden soll, die zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit<br />

von Menschen, Tieren oder Pflanzen notwendig sind“. Allerdings bedürfen<br />

alle darunter fallenden Maßnahmen einer wissenschaftlichen Begründung auf Basis<br />

einer Risikobewertung (Artikel 5.1.). Diese aber gibt es, aus den oben genannten<br />

Gründen – keine Risikobewertung ohne Untersuchung! – nicht.<br />

Oftmals reichen aber auch schon Kurzzeit-Fütterungsversuche, um den Nachweis<br />

der Gefährlichkeit von GVOs zu führen. So zeigte Arpad Pusztai am schottischen<br />

Rowett Research Institute, daß der Verzehr genmanipulierter Erdäpfel das Immunsystem<br />

der untersuchten Ratten dramatisch schwächte. Als er mit diesen Resultaten<br />

an die Öffentlichkeit ging, erfolgten Hausarrest und Maulkorberlaß. Bald verlor<br />

der renommierte Wissenschafter seine Stellung. Seine Ergebnisse wurden später<br />

bestätigt, Pusztai aber nicht rehabilitiert.<br />

Eine Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit** wie des Nachwuchses (Tot- und<br />

Fehlgeburten, Degenerationen) von Ratten, die eine dem Menschen sehr ähnliche<br />

Morphologie aufweisen, konnte Irina Ermakowa in der Russischen Akademie der<br />

Wissenschaften erheben, nachdem sie genmodifiziertes Sojamehl in das Futter der<br />

Ratten gemischt hatte. Die von einer Umweltorganisation gerichtlich erzwungene<br />

Veröffentlichung konzerneigener Studien zu einer als bedenklich eingestuften Genmais-Sorte,<br />

belegte gravierende physiologische Beeinträchtigungen. Kein Wunder,<br />

daß der Konzern, der diese Delikatesse auf den Markt bringen wollte, die Studien-<br />

37<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

38<br />

ergebnisse zu unterdrücken gedachte. Die Fütterung mit der Maissorte MON863<br />

aus dem Hause Monsanto bescherte den damit zwangsbeglückten Ratten jedenfalls<br />

markante Blutbildveränderungen und Organschädigungen. Das italienische Forschungsinstitut<br />

für Ernährung und Lebensmittel (Infan) kam im Zuge einer<br />

Fütterungs-Studie im November 2008 zu dem Ergebnis, daß der Gen-Mais MON810<br />

signifikante und keinesfalls vorteilhafte Veränderungen im Immunsystem bewirken<br />

kann. Die mit transgenem Maismehl gefütterten Mäuse wiesen deutliche Veränderungen<br />

in Milz, Darm und Blut auf, die auf entzündliche Prozesse und Allergien<br />

schließen lassen.<br />

Besonders interessant für Österreich ist die, spät aber doch, von Gesundheits- und<br />

Lebensministerium in Auftrag gegebene Fütterungsstudie zum Monsanto-Erzeugnis<br />

NK603xMON810. Eine in Zusammenarbeit mit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit<br />

an der Veterinärmedizinischen Universität Wien durchgeführte<br />

Testreihe brachte zu Tage, was Biotech-Industrie, EU-Kommission und EFSA hartnäckig<br />

in Abrede stellen. Die mit NK603xMON810 gefütterten Mäuse wiesen nicht<br />

nur eine erheblich reduzierte Fruchtbarkeit (weniger Nachkommen), sondern auch<br />

unübersehbare Organveränderungen auf. Die von der EFSA beurkundete Unbedenklichkeit<br />

von MON810 ist damit, ebenso wie die Zulassung als Lebens- und Futtermittel,<br />

endgültig nichtig. Die himmelschreienden Defizite der EUropäischen<br />

Rechtslage in Gentechnik-Zulassungsfragen werden dafür, einmal mehr, evident.<br />

EXIT<br />

Mitunter scheint ein EU-Austritt der einzige<br />

Weg zurück zur Freiheit zu sein. Die Alternative<br />

heißt, die EU von innen zu verändern.<br />

Ein Versuch, derzeit so aussichtsreich<br />

wie die Quadratur des Kreises. Aber die<br />

Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.


Schleichende Vergiftung durch Agrospritzmittel?<br />

Besonders interessant für alle Europäer, denen an ihrer und ihrer Kinder Gesundheit gelegen<br />

ist, ist auch folgende Erhebung, die manches bislang Befürchtete in den Schatten<br />

industrieller Skrupellosigkeit und eurokratischer Verantwortungslosigkeit stellt. Eine<br />

Studie der Universität Caen deckte auf, daß die Glyphosat-Herbizide, deren Rückstände<br />

sich in nahezu allen im europäischen Handel befindlichen Gentech-Nahrungs- und Futtermitteln<br />

finden, fatale, ja letale Folgen zeitigen können. Die getesteten Konzentrationen<br />

der untersuchten Herbizide des Gentech-Chemiekonzerns Monsanto lagen unter<br />

dem jeweils in der EU zugelassenen Wert. Das Ergebnis der Tests war der Nachweis<br />

dramatischer Auswirkungen auf menschliche Zellen, als Blockade der Zellatmung, als<br />

totales Zellsterben binnen 24 Stunden nach der Aufnahme. Die betroffenen, mit der<br />

agrochemischen Giftspritze mißhandelten Pflanzen sind allesamt auf dem europäischen<br />

Markt zugelassen. Zudem sei auch an dieser Stelle an die – auf gleiche Weise chemisierten<br />

– hunderttausenden Tonnen Gen-Soja erinnert, die alljährlich als Futtermittel<br />

nach Österreich importiert werden.<br />

An der willfährigen, industriefreundlichen Zulassungspolitik der EU haben die dargestellten<br />

Ergebnisse und viele Warnrufe mehr bis dato nichts geändert. Es drängt sich an<br />

dieser Stelle deshalb die Frage auf: Was sind Gesetze, genauer gesagt: was sind Gesetzgeber<br />

wert, die sehenden Auges Gefährdungen der Bevölkerung in Kauf nehmen,<br />

um sich der globalen Geldaristokratie anzudienen? Sie haben Freisetzung und kommerziellen<br />

Anbau von Saaten genehmigt, die potentiell gesundheits-, landwirtschaftsund<br />

umweltgefährdend sind. Trotz aller im Raume stehenden Vorbehalte haben die gentechnokratischen<br />

botanischen Fälschungen die Labors mit politischem Sanctus verlassen.<br />

Die „freie Wildbahn“, unsere wenngleich nicht vollkommene doch einzige Umwelt,<br />

wurde zum Versuchsfeld degradiert. <strong>Nur</strong> hier war und ist billige Massenproduktion möglich.<br />

Hätte man Sorgfalt walten lassen wollen, so wäre zunächst eine verantwortbare<br />

Zwischenlösung denkbar gewesen. Man hätte etwa auf marktreif konzipierte und erprobte<br />

Aluminium-Container zurückgreifen können, die nicht nur jede Gärtnerarbeit überflüssig<br />

machen. In diesen voll automatisierten, geschlossenen Systemen, aus denen<br />

kein Pollen nach außen dringt, dirigiert ein Computer Licht, Temperatur und Roboter, die<br />

ihrerseits Pflanzen arrangieren und, nach Größe gereiht, in mehreren Etagen umsetzen.<br />

Ein einziger Container bringt die Erntemengen mehrerer hundert Hektar hervor. Aber...!<br />

Aber: Ein einziger Container kostet auch 200.000 Euro. Eine Summe, die mit dem Profit-<br />

und mutmaßlich auch Kontaminationsstreben der Gentechniker nicht vereinbar war<br />

noch ist. Zulassungsbehörden und politische Entscheidungsträger zu „überzeugen“<br />

kommt da offenbar sehr viel günstiger. Und Mutter Natur liefert auch ihren Schändern<br />

Boden, Wasser und Sonne gratis. Auch jenen, die dieser ihrer Mutter Skalpell und Injektionsnadel<br />

ansetzen, die sie entmündigen, sie für verbesserungswürdig und faktisch<br />

gescheitert erklären, um sie schließlich, konsequenterweise, schleichend zu vergiften.<br />

Solange sie es sich gefallen läßt. Solange die fütternde Hand sich beißen läßt, ehe sie<br />

ihre Gabenverteilung reduziert, regional oder großflächig einstellt.<br />

39<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

40<br />

Die EU-Gentechnikgesetzgebung*** entspricht, wie erwähnt, den Vorgaben der<br />

WTO. Es überrascht demnach nicht, daß sämtliche im letzten Jahrzehnt auf EU-<br />

Ebene beschlossenen Gentechnik-Verordnungen und -Richtlinien einem Kalkül folgen:<br />

Den europäischen Markt schrankenlos der Gentechnik zu öffnen.<br />

Nachzuvollziehen ist das an der zahnlosen Kennzeichnungspflicht für gentechnisch<br />

veränderte Lebens- und Futtermittel, von der tierische Produkte ausgenommen sind.<br />

Dies verunmöglicht die Wahlfreiheit des Verbrauchers, der nicht weiß, ob das erworbene<br />

Produkt (Fleisch, Milch, Eier) von einem mit GVOs gefütterten Tier stammt.<br />

Nachzuvollziehen ist dies an der EU-Ökoverordnung, die den Grenzwert für die erlaubte<br />

gentechnische Verunreinigung von Bio-Lebensmitteln von 0,1 auf 0,9 Prozent<br />

verneunfachte. Welcher anderen Strategie wird damit gedient als jener,<br />

Verunreinigungsbarrieren aufzuweichen, um Grenzwerte künftig, nach Bedarf, weiter<br />

zu erhöhen?! Da Koexistenz zwischen gentechnischer und konventioneller bzw.<br />

biologischer Landwirtschaft nachweislich unmöglich ist, wird solcherart Vorsorge für<br />

die künftig unvermeidbaren Kontaminationen getroffen. Gleiches gilt für die nunmehr<br />

erlaubte Verunreinigung von in der EU gehandelten Futtermitteln mit in der<br />

EU nicht zugelassenen GVOs****. Der Grünen Gentechnik wird der Weg bereitet,<br />

jede andere Landwirtschaftsform mittelfristig verunmöglicht. Dazu trägt maßgeblich<br />

auch der EuGH bei, dessen Entscheidungen die Intentionen der übrigen Brüsseler<br />

Behörden tätig unterstützen. So untersagte der EuGH dem Land Oberösterreich am<br />

5. Oktober 2005, mit fadenscheinigster Begründung, sich zur gentechnikfreien Region<br />

zu erklären. Er bestätigte dieses Urteil<br />

am 13. September 2007. Was den<br />

Ländern bleibt, ist einzig der Erlaß sogenannter<br />

Gentechnik-Vorsorgegesetze,<br />

die eine mehr oder weniger hürdenreiche<br />

Registrierungspflicht des GVO-Anbaus<br />

vorsehen. Angesichts fortgesetzter Eingriffe<br />

in die verbliebenen, rudimentären<br />

Hoheitsrechte der Mitgliedsländer verwundert<br />

es nicht, wenn immer mehr Kritiker<br />

auf den Plan treten. So schrieb der<br />

ehemalige deutsche Bundespräsident<br />

Roman Herzog in seinem in der Frankfurter<br />

Allgemeinen Zeitung veröffentlichten<br />

Artikel „Stoppt den Europäischen<br />

Gerichtshof!“ einleitend: „Es kracht gewaltig<br />

im Gebälk der europäischen<br />

Rechtsprechung. Ursache ist der Europäische<br />

Gerichtshof (EuGH), der mit<br />

immer erstaunlicheren Begründungen<br />

den Mitgliedsstaaten ureigene Kompe-<br />

Zahnlose Kennzeichnungspflichten bei Lebensmitteln.<br />

Keine Wahlfreiheit für Verbraucher,<br />

die nicht wissen, ob das erworbene<br />

Produkt (Fleisch, Milch, Eier) von einem mit<br />

GVOs gefütterten Tier stammt.


tenzen entzieht und massiv in ihre Rechtsordnungen eingreift.“ Bezeichnend für die<br />

Doppelbödigkeit der österreichischen Politik in dieser Frage, ist die Tatsache, daß<br />

die EU-Biopatentrichtlinie 1998, unter dem damaligen EU-Vorsitz Österreichs, auf<br />

Schiene gebracht wurde. Die Verantwortung der EU für alle diesbezüglichen Mißstände<br />

ist demnach auch als Verantwortung aller nationalen Regierungen der EU-<br />

Mitgliedsstaaten zu betrachten, die ihre Handlungsspielräume willentlich und<br />

wissentlich ungenützt ließen, solange sie über solche verfügten. Der Vorwurf der<br />

Unaufrichtigkeit ist deshalb besonders jenen Regierungen zu machen, die in der<br />

Heimat ihren Willen zur Gentechnik-Freiheit bekunden, auf EU-Ebene aber gegenteilig<br />

handeln – wie es österreichische Regierungen in den entscheidenden Momenten<br />

stets taten.<br />

Das betrifft auch das vorsätzliche Wegschauen, wo EU-Behörden selbst EU-Recht<br />

brechen. Wie im Falle der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA),<br />

die der EU-Verordnung 178/2002 zu Lebensmittelrecht und Lebensmittelsicherheit<br />

zuwider handelt, indem sie in Gentechnikfragen nicht der verordneten Verpflichtung<br />

nachkommt, Langzeitrisiken eines Lebensmittels auf nachfolgende Generationen<br />

zu erfassen. Sie entscheidet auf Basis von Herstellergutachten*****, was vergleichbar<br />

mit einer Führerscheinvergabe ist, in der sich der Kandidat selbst und ungeprüft<br />

seinen Fahrtauglichkeitsnachweis ausstellt. Vorsorgeorientierte Risikoabschätzung<br />

gibt es nicht. Auch die verfügbaren empirischen Werte aus den Gentechnik-Anbauländern,<br />

über rückläufige Erntemengen, steigenden Pestizidbedarf und verbreitete<br />

Unkrautresistenzen, werden nicht berücksichtigt. Es überrascht deshalb wenig, daß<br />

die EFSA bislang keinen einzigen Antrag auf Zulassung eines GVO abgelehnt hat.<br />

Sie ist vor allem aus strukturellen Gründen gar nicht in der Lage, seriöse Risikobewertungen<br />

vorzunehmen, was aber nicht als Vorwand für ihr offensives Versagen<br />

gelten darf, sondern ein Hinweis darauf ist, daß sich Brüssel diesen zahnlosen Papiertiger<br />

als Feigenblatt hält, um wenigstens so tun zu können als würde im Bürgerinteresse<br />

untersucht, was in Wahrheit unbesehen auf den europäischen Markt<br />

kommt.<br />

Die EU pulverisiert Europas<br />

agrarische Überlebensfähigkeit<br />

Ins Gesamtbild paßt vortrefflich auch die Neuzulassung von Pflanzenschutzmitteln<br />

im Zuge der neuen EU-Pestizid-Richtlinie. Auf dieser Liste findet sich eine Vielzahl<br />

als bedenklich zu kategorisierender Substanzen. Die Produkte entstammen in ihrer<br />

überwiegenden Mehrzahl den Giftküchen der Agrochemie- und Agrogentechnik-<br />

Konzerne. Wiederum gilt: industriefreundlich und verbraucherfeindlich!<br />

Ins Gesamtbild passen auch die „Selbstbeschädigungen“ von EU-Verhandlern, zu<br />

denen „Zugeständnisse“ im Rahmen der Doha-Runde und vergleichbarer übernationaler<br />

Befehlsausgaben führen. Etwa die weitere Öffnung des europäischen Marktes<br />

bei Agrarerzeugnissen. Konzessionen wie die vorgeschlagene Zollsenkung für<br />

41<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

42<br />

„Made in the EU“ statt „In Österreich hergestellt“!<br />

Österreich hat gegenüber der EU<br />

kaum noch Handlungsfreiheiten.<br />

landwirtschaftliche Produkte von bis zu<br />

60 Prozent sind einseitige, vorgebliche Fort-Schritte auf einem Weg, auf dem den<br />

Europäern niemand entgegenzukommen bereit ist. Je mehr die EU anbietet, umso<br />

höher werden die Forderungen seitens der USA und der Schwellenländer geschraubt.<br />

Dieses Muster ist durchgängig zu beobachten. Etwa auch bei der versuchten<br />

Auflösung des Schutzes geographischer Ursprungsbezeichnungen. Die<br />

USA pochen vehement auf eine Verwässerung der Herkunftshinweise. Ihr Instrument<br />

dies zu erreichen ist einmal mehr die WTO, in deren Regelwerk Bestimmungen<br />

zum Tier- und Umweltschutz und eben jenem der Herkunftsbezeichnungen nicht<br />

vorkommen. Die EU zeigt sich auch gegenüber diesem Angriff auf – dank steigendem<br />

Qualitätsbewußtsein – milliardenschwere europäische Marktvorteile aufgeschlossen<br />

und assistiert nach Kräften. Die Debatte um die künftige<br />

Alibi-Herkunftsbezeichnung „Made in the EU“ statt z. B. „In Österreich hergestellt“,<br />

ist nur ein Indiz für diesen Lakaiendienst an einer übergeordneten Regie. Deren<br />

Fernziel ist vermutlich der Ursprungsnachweis „Made on Planet Earth“. >Faszinierend!<<br />

mag sich dabei mancher Vulkanier denken. Der Handlungsauftrag für die<br />

österreichische Politik hieße, in der EU-Gesetzgebung das Selbstbestimmungsrecht<br />

der Regionen auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft zu gewährleisten. Diesem<br />

Auftrag wird nicht nachgekommen.


Wohin Wegschauen, Abnicken und Kniefälligkeit führen: Österreich ist heute laut<br />

EU-Recht verpflichtet, sämtliche in EU-Gremien beschlossene Richtlinien in nationales<br />

Recht umzusetzen und die Verordnungen direkt zu übernehmen. Dort, wo<br />

noch Handlungsfreiheiten vorhanden wären, nützt man sie nicht. So gibt es heute<br />

alleine in Brasilien ausreichend gentechnikfreie Futtermittel, um nahezu die gesamte<br />

EU damit zu versorgen. Dieses Angebot wird es nur geben, solange eine entsprechende<br />

Nachfrage besteht. Diese könnte und müßte Österreich – denken wir nur an<br />

die wenige Jahre zurückliegenden Gentechnik-Freiheits-Monologe Josef Prölls –<br />

aufrechthalten. Das tut Österreich aber nicht. Sich GVO-freie Futtermittel zu beschaffen<br />

wird jenen Bauernverbänden, die Wert darauf legen, selbst überlassen.<br />

Des Pröll-Erben Berlakovichs offizielles Österreich dagegen importiert jährlich rund<br />

500.000 Tonnen genmodifizierter Futtermittel, was die Nichtigerklärung der eigenen<br />

Bekenntnisse zur Gentechnik-Freiheit bedeutet.<br />

Trotz der hohen Mitverantwortung der nationalen Regierungen****** ist abschließend<br />

eines festzuhalten, ohne aus Platzgründen diesbezügliche Wertungen über<br />

Sinnhaftigkeit sowie damit verbundene Vor- und Nachteile abzugeben: daß der Weg<br />

zurück zur (Entscheidungs)Freiheit nur über einen Austritt aus der WTO führt, steht<br />

außer Zweifel. Dieser allerdings kann isoliert nicht erfolgen und setzt einen EU-Austritt<br />

voraus. Zu diesem Szenario wiederum wäre eine umfassende Aufarbeitung notwendig.<br />

Da diese den Rahmen des vorliegenden Buches mehrfach sprengen würde,<br />

sei lediglich auf die vertragsimmanente Verflechtung hingewiesen.<br />

Was wäre wenn� ist ein undankbares Fundament der Erörterung. Dennoch: was<br />

möglich gewesen wäre, zeigt das Beispiel Schweiz. Die Eidgenossen stimmten für<br />

ein vorerst befristetes kommerzielles Gentechnik-Anbauverbot. Nichts kann und wird<br />

die Schweizer davon abhalten, dieses Votum zu gegebener Zeit zu erneuern. Österreich<br />

hat diese Möglichkeit als EU-Mitglied nicht mehr. Abgesehen davon, wird der<br />

direkten Demokratie von SPÖ und ÖVP auch dort der Weg verbaut, wo sie noch artikulationsfähig<br />

wäre. Wiederum ist hier auf den Vertrag von Lissabon zu verweisen,<br />

der eine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung bedeutet<br />

und damit einer Volksabstimmung unterzogen werden hätte müssen. Daß er mit<br />

den Stimmen von Rot, Schwarz und Grün dennoch am Volk als Souverän vorbeiratifiziert<br />

wurde, hat Beobachter zum vielsagenden Terminus der „gelebten Demokratur“<br />

inspiriert.<br />

Ist auch die Chance des verbindlichen nationalen Referendums endgültig vertan,<br />

ist die Entmündigung des Bürgers, die Entrechtung des Souveräns, ebenso endgültig<br />

vollzogen. Österreich ist nicht mehr nur auf die Unterstützung anderer EU-<br />

Staaten (siehe Abstimmungen über Genmais-Importverbote) angewiesen, es ist<br />

rechtloser Spielball, der dort landet, wo andere ihn sehen wollen. Dieser Weg wurde<br />

wohlgemerkt von demokratisch legitimierten „Volksvertretern“ beschritten und konsequent<br />

gegangen. Bis zum bittersten aller Enden, dem Ende der Freiheit?<br />

43<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

44<br />

* Daß sich die gesetzlichen Vorgaben für die Bewertung und Zulassung von Medikamenten<br />

in der Theorie da und dort als zwischen den Interessensgruppen ausgewogen<br />

darstellen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die geübte Praxis dieses Fundament<br />

mehrfach aufhebt. Bestechung, Korruption, falsche „Selbsthilfegruppen“, Ärzte<br />

als Mietmäuler, instrumentalisierte Medien und gekaufte, vorgeblich redaktionelle und<br />

deshalb vermeintlich vertrauenswürdige Beiträge schaffen das Umfeld, in dem schwerwiegendste<br />

Nebenwirkungen ansonsten wirkungsloser Präparate toleriert werden, in<br />

dem „Stimmungsaufheller“ zugelassen sind, die Menschen – ihre eigentliche Bestimmung<br />

konterkarierend – in den Selbstmord treiben. Aktuell sterben in der EU jährlich<br />

rund 197.000 Menschen an den Nebenwirkungen eingenommener Medikamente, wie<br />

ein Pharmakologe der MedUni Graz im Kurier vom 19.2.2009 bestätigt.<br />

** Der industrialisierte Reproduktionsstillstand ist freilich kein neues, auf die diesbezüglichen<br />

Errungenschaften der Gentechniker angewiesenes Phänomen. Massenhaft<br />

zur Anwendung kommende Alltagschemikalien unterbinden die Fortpflanzungsfähigkeit<br />

von Tier und Mensch seit Jahr und Tag. Ein Gutteil der über sieben Millionen zeugungsunfähigen<br />

Männer (alle Altersgruppen) alleine im deutschsprachigen Raum wäre<br />

so zu erklären. Vor allem hormonaktive Substanzen, die z. B. in Pestiziden und Phthalaten<br />

(Weichmacher, Verwendung in nahezu allen Kunststoffen und zahlreichen Kosmetika)<br />

enthalten sind, stehen im vielfach bestätigten Verdacht Auslöser von<br />

Unfruchtbarkeit zu sein. Für die Zulassung von Chemikalien wird prinzipiell nur die Gefährlichkeit<br />

der isolierten Substanz bewertet, auf den Menschen einwirkende Mixturen<br />

und Chemie-Cocktails bleiben unberücksichtigt. Gerade sie sind es aber, die fatale<br />

Wirkungen zeitigen. Nicht zuletzt wird die überbordende Zunahme sogenannter Zivilisationskrankheiten<br />

(Allergien, Diabetes, Krebs,�) auf die inflationäre Anwendung ungenügend<br />

überprüfter Chemikalien zurückgeführt. Die Erkrankung erfolgt dabei bereits<br />

vorgeburtlich, im Mutterleib, ist die Mutter schädlichen Dosen der jeweiligen Substanzen(-Mischungen)<br />

ausgesetzt, ebenso wie die Degenerationen speziell männlicher<br />

Nachkommen. Von wegen „Schicksal“. An zahlreichen Parametern wie der anogenitalen<br />

Distanz (Abstand zwischen Phallus und Anus) lassen sich verkörperlichte Verweiblichungen<br />

der Knaben ablesen. Eine Erhebung des Arctic Monitoring und<br />

Assessment Programme (AMAP) in einigen nördlichen Regionen der USA und Japans<br />

ergab einen Rückgang des männlichen Nachwuchses von 250.000 Jungen gegenüber<br />

dem statistisch zu erwartenden Normalwert. In den arktischen Regionen Kanadas,<br />

in Sibirien und Grönland werden demnach bereits doppelt so viele Mädchen als Buben<br />

geboren. Als Ursache wird die Umweltbelastung mit (großteils durch Wind und Wetter<br />

verschleppten) Chemikalien ins Treffen geführt, da deren hohe Konzentration einerseits<br />

die Entwicklung männlicher Föten blockiere, andererseits jene Spermien schädige,<br />

die das männliche Geschlechtschromosom enthalten. Was immer die chemische<br />

Industrie, deren massives Lobbying 2006 zu einer branchengerecht weichmacherverdächtigen<br />

Aufweichung des EU-Chemikalienrechts REACH führte, zu ihrer Entlastung<br />

vorzubringen bemüht ist, lassen riesige Konvolute von Studienergebnissen nur einen


Schluß zu: Es handelt sich bei den illustrierten Angriffen auf die Lendenkraft (vor allem)<br />

der nördlichen Hemisphäre um eine epidemische Form der Entmannung, die den<br />

sterilisierenden Effekt zahlreicher Chemiebomben – besonders aus demographischer<br />

Sicht – prekär verstärkt. Gender Mainstreaming mit den Methoden der chemischen<br />

Industrie gewissermaßen. Denn das Problem der fortschreitenden<br />

Übervölkerung des Planeten wird in den bevorzugt betroffenen Weltregionen, da<br />

ohnedies von unter der Selbsterhaltungsfähigkeit liegenden Geburtenraten ausgedünnt,<br />

nicht zu lösen sein.<br />

*** Dabei müßten laut EU-Recht und EU-Leitlinien folgende Kriterien vor Zulassung<br />

eines GVO ausreichend untersucht sein:<br />

1, die direkten gesundheitlichen Auswirkungen auf den Menschen<br />

2, die indirekten gesundheitlichen Auswirkungen aufgrund unerwarteter genetischer<br />

Änderungen (hormonelle oder toxische Wirkungen, allergene Potentiale,�)<br />

3, etwaige unerwünschte Auswirkungen auf die Umwelt, wie Übertragung von Fremdgenen<br />

auf dritte Organismen (Pflanzen, Tiere, sämtliche Nichtzielorganismen), Auswilderung<br />

der GVOs, Einflüsse auf das Artenspektrum / die Artenvielfalt<br />

**** Schwellenwerte für nicht zugelassene GVOs gibt es in keinem anderen Land der<br />

Welt, nur in der EU. Die erlaubte Verunreinigung von Futtermitteln wird allgemein als<br />

Vorhut zur erlaubten Saatgut-Verunreinigung gewertet. Auch diese wird seit langem<br />

von der Industrie gewünscht. Weshalb liegt auf der Hand. Während konventionelles<br />

Saatgut zu keiner Beeinträchtigung gentechnisch veränderter Organismen führt, klappt<br />

der Transfer in umgekehrter Richtung umso besser. Das Verunreinigungspotential sogenannter<br />

Selbstbefruchter (etwa Weizen) liegt bei einer Verzehnfachung der GVO-Anteile,<br />

bei Fremdbefruchtern (etwa Mais) bei einer Verhundertfachung, während einer<br />

Blütezeit, vor allem, wenn die GVO-Pflanzen vor der konventionellen Konkurrenz blühen.<br />

Der Landwirt hat darüber keinerlei Handhabe. Daß der Industrie ein solches Szenario<br />

in die Hände spielt, ist klar. Daß auch der Bundesverband Deutscher<br />

Pflanzenzüchter (BDP) die Einführung eines Schwellenwerts für Saatgut fordert, erscheint<br />

vor diesem Hintergrund geradezu bizarr. Auf den ersten Blick wenigstens. Bei<br />

genauerer Betrachtung erkennt man, daß sich alle Agrogentechnik-Konzerne unter<br />

den BDP-Mitgliedern finden. Wohl auch deshalb regt der BDP bereits den erwarteten<br />

Schritt an, eine Toleranzschwelle für Gentechnik-Verunreinigungen bei Saatgut einzuführen.<br />

Wiederum geht es dabei um nicht zugelassene GVOs.<br />

***** Die EFSA erstellt ihre Gutachten auf Basis von Unternehmensunterlagen, die keineswegs<br />

vollständig vorgelegt werden müssen. Weshalb tut sie das? Zunächst aufgrund<br />

der unleugbaren personellen Verbindungen, die objektives Urteilen de facto<br />

verunmöglicht. Dieses wird aber auch durch indiskutable gesetzliche Vorgaben beeinträchtigt.<br />

Wer eine Studie an genmanipulierten Pflanzen erstellen will, bedarf der Kontrolllinien<br />

des zu untersuchenden Saatguts. Die Muttersaat, die später genmodifiziert<br />

45<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

46<br />

wurde, kann aber nur das Unternehmen zur Verfügung stellen, das die Manipulationen<br />

vornahm. Um dieses zu erhalten, muß ein Vertrag unterzeichnet werden, der festlegt,<br />

daß ohne Einverständnis des Unternehmens nichts über die Studie veröffentlicht werden<br />

darf. Sobald die Untersuchung also Defizite der Technologie bzw. Mängel der Produkte<br />

ruchbar macht, wird das Unternehmen sein Veto gegen die Veröffentlichung<br />

einlegen und die Studie landet – gezwungenermaßen – in der Schublade. Die Industrie<br />

zog damit wohl ihre Lehren aus dem Fall Arpad Pusztai, der 1998 eine aus Sicht der<br />

Gentechnik-Konzerne höchst unliebsame Studie publizierte. Bereits damals war nachweibar,<br />

was heute immer noch hartnäckig geleugnet wird: Nicht das Transgen als solches<br />

ist das Primär-Problem der Technologie, sondern sein Einbau ins Genom. Die<br />

Einschleusung eines einzigen Fremdgens beeinträchtigt und verändert demnach die<br />

Funktion von mehreren tausend Genen des Wirtsorganismus. Zudem, so betont Arpad<br />

Pusztai zu dessen „Aggressivität“, ist das Transgen dazu geschaffen, in fremde Genome<br />

einzudringen. Es enthalte genetische Sequenzen aus Bakterien oder Viren, die<br />

ja für die Überwindung von Abwehrmechanismen konzipiert wären, und verhalte sich<br />

entsprechend wie ein Parasit.<br />

****** In Deutschland etwa werden Programme zur Erbgut-Analyse bei Tieren und<br />

Pflanzen („FUGATO“ bzw. „GABI“) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

gefördert. Die Förderrichtlinien betonen ausdrücklich, daß die Forschungsresultate<br />

mittels Urheberrechten über eigene Lizenz- und Patentagenturen gesichert<br />

werden sollen. Das heißt, die Ergebnisse staatlich – also mit öffentlichen Geldern –<br />

finanzierter Forschung werden mit offizieller Legitimation in privatwirtschaftliche Monopole<br />

abgezweigt. Ja selbst die Kosten für Patentanwälte,� werden von den ministerialen<br />

Programmen getragen. Das freut die Industrie aus nachvollziehbaren<br />

Gründen, weshalb Bayer, BASF und andere Marktgrößen derartigen Projekten an<br />

vorderster Front angehören.<br />

In GABI (Genomanalyse im biologischen System Pflanze) sind derzeit 39 Projekte<br />

gelistet, die gefördert werden. 7,6 Millionen Euro des Fördervolumens trug die Industrie,<br />

54 Millionen Euro steuerte die „öffentliche Hand“ bei. Damit trägt der Steuerzahler,<br />

der die Grüne Gentechnik mit Dreiviertelmehrheit ablehnt, fast 90 Prozent<br />

des Finanzierungsvolumens. Dafür stellt die Industrie im Wissenschaftlichen Beirat<br />

von GABI 7 von 13 Mitgliedern und zusätzlich den Vorsitzenden, Günter Strittmatter<br />

von der KWS Saat AG.<br />

Der von der deutschen Bundesregierung eingesetzte BioÖkonomieRat setzt sich<br />

überhaupt nur aus Experten von Forschungseinrichtungen und Industrievertretern<br />

(BASF, KWS, Dow AgroSciences) zusammen. Verbraucherschützer sind nicht mit<br />

am Tisch, also offenkundig unerwünscht. Die Bundesregierung aber folgt den Empfehlungen<br />

des Rates fast ausnahmslos.


Politische Verwirrspiele<br />

Weltweit wurden GVOs in den letzten Jahren, in etwa gleichbleibend, auf rund 115<br />

Millionen Hektar in 23 Staaten ausgebracht. Hauptanbauländer waren und sind unverändert<br />

die USA (über 55 Millionen Hektar), Argentinien, Kanada und China. Brasilien<br />

verzeichnet vor allem bei Gen-Soja deutliche Zuwächse (über 11 Millionen<br />

Hektar). In größerem Umfang werden bis dato Soja, Mais, Raps und Baumwolle in<br />

gentechnischer Landwirtschaft unkultiviert.<br />

In der EU stieg die GVO-Anbaufläche 2007 auf 110.000 Hektar, seither gab es einen<br />

leichten Rückgang. Spanien liegt mit 80.000 Hektar an der Spitze, gefolgt von Frankreich<br />

(das seine Gentechnikgesetzgebung allerdings bereits deutlich verschärfte),<br />

Deutschland, der Tschechei, Portugal, Rumänien und jüngst der Slowakei und<br />

Polen. In Österreich dürfen derzeit keine gentechnisch manipulierten Pflanzen angebaut<br />

werden. Vor allem die ÖVP läßt aber immer deutlicher erkennen, daß sie<br />

diesen Zustand lieber heute als morgen ändern möchte. So war es der ÖVP-Langzeitminister<br />

Wilhelm Molterer, der 2001 einen Gesetzesentwurf vorlegte, der die<br />

gentechnische Verunreinigung (0,5 Prozent) von Saatgut gestattet hätte. Damit gedachte<br />

Molterer einen Schritt zu setzen, der mittelfristig die Vernichtung der biologischen<br />

Landwirtschaft in Österreich gebracht hätte. Dabei ist diese der ÖVP ja ein<br />

ganz besonderes Herzensanliegen, wie Molterers Nachfolger im Amt des Umweltministers<br />

Josef Pröll in seiner Amtszeit gerne fabulierte. Molterers Gentechnik-Pläne<br />

scheiterten wie er selbst. Der vormalige Landwirtschaftsminister blieb aber unverdrossen.<br />

In einem Interview mit dem Kurier erklärte Molterer 2007, die Gentechnik<br />

fördern und im Kampf gegen den Klimawandel (Biomasse) einsetzen zu wollen. Dieser<br />

scheinbare Widerspruch hat nichts mit ÖVP-internen Querelen zu tun, er ist die<br />

Demaskierung der Methode ÖVP. Diese als „Volkspartei“ firmierende Selbstzweckgemeinschaft<br />

von Brüssels Gnaden versucht in allen Politikfeldern das Spektrum<br />

möglicher Wählerschichten von weit links bis weit rechts zu ködern und rhetorisch<br />

abzudecken – ob es Agrar-, Familien- oder Sicherheitspolitik betrifft<br />

Hierzu bedarf es mehrerer Spieler, die der jeweiligen Klientel versichern, gerade ihre<br />

Interessen würden von der ÖVP mit besonderer Vehemenz vertreten. Daß die damit<br />

geschlagenen Haken, der resultierende Zielgruppen-Spagat, schlichtweg nicht praktikabel<br />

ist, spielt keine Rolle, für eine Partei, die nur ein Ziel hat: an der Macht zu bleiben.<br />

Ausreichend gentechnikfreie Futtermittel vorhanden<br />

Entlarvend für ihren politischen Arm ist das Wirken der ÖVP-nahen Raiffeisen-Bank<br />

nicht nur in Fragen Biosprit (Festhalten der ÖVP an widersinnigen Beimengungsgraden,<br />

weil die Bank zig Millionen Euro in eine Produktionsstätte investiert hat),<br />

47<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

48<br />

sondern auch im Bereich Gentechnik. Auch Raiffeisen betätigt sich, zusammen mit<br />

den von den Giebelkreuzlern erworbenen Medien, massiv als Gentechnik-Interessensvertretung.<br />

Das äußert sich unter anderem darin, daß Landwirten auf Anfrage<br />

erklärt wird „Haben wir nicht!“ Gemeint sind gentechnikfreie Futtermittel. Die Raiffeisen-Lagerhäuser<br />

könnten aber unschwer auf GVO-freies Tierfutter umstellen, wollten<br />

sie das.<br />

Der vormals stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Landwirtschaft und<br />

ländliche Entwicklung im EU-Parlament, Wilhelm Graefe zu Baringdorf, erhellt die<br />

Hintergründe der Gentechnik-Offensive. Strenge Bestimmungen im Lebensmittelrecht<br />

und lange Zulassungsverfahren seien laut Futtermittelindustrie die Ursachen<br />

steigender Nahrungsmittelpreise. Die Einfuhr billiger Gentechnik-Futtermittel nicht<br />

länger zu blockieren, werde eine Toleranzgrenze für Verschmutzungen mit nicht zugelassenen<br />

GVOs gefordert (die mittlerweile ja Realität ist).<br />

Der Anfang vom Ende der biologischen Landwirtschaft könne mit der ersten, die<br />

Nulltoleranz aufhebenden Grenzwertfestlegung besiegelt werden. Die EU-Agrarminister<br />

dürften sich keinen Bären aufbinden lassen. Nach der jetzigen Rechtslage<br />

darf die EU die Entscheidung, was als unbedenkliches Lebens- und Futtermittel zugelassen<br />

ist, nicht an die Lebensmittelbehörden der USA abgeben. Die Aussage,<br />

EU-Zulassungsverfahren für GVOs wären für steigende Lebensmittelpreise verantwortlich,<br />

sei ein Märchen. Die vehemente Forderung nach Einfuhrgenehmigungen<br />

für Gen-Mais etwa hat andere Hintergründe: Es ist für die US-Exporteure mit hohem<br />

Aufwand verbunden, GVO-freien Mais von zugelassenen und nicht zugelassenen<br />

Gentech-Konstrukten zu trennen. Graefe zu Baringdorf: „Es ist weiterhin genügend<br />

gentechnikfreies und zugelassenes Futter für unsere Tiere vorhanden. Aber gentechnikfrei<br />

wird eben nur solange produziert, solange es nachgefragt wird.“<br />

Es besteht somit kein Angebots-, sondern ein Nachfragedefizit. Dieses bestärkt die<br />

ÖVP mit ihrem Lagerhäuser unterhaltenden Ableger, indem beide so tun als gäbe<br />

es nicht, was gerade in Österreich gefragt ist. 500.000 Tonnen Gen-Soja werden<br />

jährlich importiert, in den Lagerhäusern ist GVO-freies Futtersoja kaum vorhanden,<br />

auf dem Weltmarkt ist es aber zu nahezu gleichen Preisen erhältlich.<br />

Daraus ist kein anderer Schluß zu ziehen als jener, daß Raiffeisen für die Gentechnik-Industrie<br />

agiert. In Deutschland betreibt man gar offene Reklame für die häufig<br />

so bezeichnete Frankenstein-Technologie, die doch in Landwirtschaft und Tierfütterung<br />

gefördert werden müsse. Findet sich dann ein Bauernbund, der auf Gentechnik-Freiheit<br />

beharrt, oder kommt es zu Bauernprotesten, stellen Genossenschaften<br />

überraschend schnell um, wie die Raiffeisen Zentralgenossenschaft Baden. Die Vorbeter<br />

der Propaganda, GVO-frei sei nicht mehr lieferbar, enttarnen damit die eigenen<br />

Lügen und zeigen, daß ausreichend vorhanden ist, was nicht vorhanden sein<br />

darf. Der historische Anfang des Übels liegt freilich darin, daß man gezielt den Niedergang<br />

der geschlossenen Kreislaufwirtschaft betrieb, weil für Großindustrien<br />

nichts daran zu verdienen ist, wenn der Bauer die für seinen Viehbestand benötigten<br />

Futtermittel in Eigenregie anbaut. Dies sei aber nur am Rande angemerkt.


Die ÖVP als Partei der Widersprüche<br />

Auch besagter Josef Pröll enttarnte sich, ohne auf die Assistenz seiner Mitstreiter angewiesen<br />

zu sein, selbst. Auf der Seite „seines Lebensministeriums“ positionierte<br />

der wendige Neffe des niederösterreichischen Landeshauptmanns zwar vollmundig<br />

die „Österreichische Charta für Gentechnikfreiheit“, sprach aber gleichzeitig<br />

davon, daß die Frage der Gentechnik keine Frage des Ob, sondern nur eine des Wie<br />

sei („Es geht dabei nicht um ein Ja oder Nein, sondern es geht um das Wie!“, am 5.<br />

April 2006 bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der damaligen EU-Agrarkommissarin<br />

Mariann Fischer-Boel). Pröll verkündete dann umgehend wieder das<br />

Gegenteil, so im Plenum des österreichischen Nationalrats am 7. November 2007:<br />

„Solange die Koexistenzfrage nicht geklärt ist, wird in Österreich keine Gentechnik<br />

angebaut!“ und: „Die Gentechnikfreiheit in Österreich steht nicht zur Disposition!“<br />

All diese verwässernden, einander aufhebenden Positionen bilden auch eine politische<br />

Linie, die der ÖVP nämlich, schlingernd, unverbindlich, unversöhnliche Gegenpole<br />

virtuell verbindend. Am Beispiel USA und Mexiko ist unschwer<br />

nachvollziehbar wie sich GVOs über Staatsgrenzen hinweg verbreiten, wird im<br />

Nachbarland Gentechnik-Landwirtschaft betrieben. Von den über 160 Sorten des<br />

Mais-Ursprungslandes Mexiko sind heute viele gentechnisch kontaminiert, weil Wind<br />

und Insekten für die Übertragung, illegale Importe für weite Verbreitung gesorgt<br />

haben. Auf eine parlamentarische Anfrage, die dieses Beispiel auf die Situation des<br />

GVO-Anbaus in Bayern und aus diesem möglicherweise resultierende Verunreini-<br />

49<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

50<br />

„Da in Österreich kein GVO-<br />

Anbau erfolgt, sind auch<br />

keine technischen Maßnahmen<br />

zu treffen.“ Das ist<br />

Vogel-Strauß-Politik zur Potenz.<br />

Weil in deinem Haus<br />

kein Dieb wohnt, brauchst<br />

du kein Schloß!<br />

gungen in Österreich überträgt,<br />

antwortet Josef Pröll<br />

unter anderem: „�eine<br />

GVO-Pollenkontamination in<br />

Österreich unwahrscheinlich<br />

ist. Das vereinzelte Vorkommen<br />

von gentechnisch veränderten<br />

Pollen kann aber<br />

nie ganz ausgeschlossen<br />

werden.“ Das kann es vor<br />

allem deshalb nicht, weil das<br />

schwarze Umwelt- wie das<br />

durch viele Jahre schwarz<br />

gewesene Gesundheitsministerium<br />

auf substantielle<br />

Kontrollmechanismen verzichteten<br />

und (auch unter aktuell<br />

roter Regie) verzichten<br />

und sich mit „routinemäßigen,<br />

stichprobenartigen Kontrollen“<br />

zufriedengeben – es<br />

soll ja, Gott behüte, nichts<br />

gefunden werden. Im genauen<br />

Wortlaut heißt das:<br />

„Da in Österreich kein GVO-Anbau erfolgt, sind auch keine technischen Maßnahmen<br />

zu treffen.“ Das ist Vogel-Strauß-Politik zur Potenz. Weil in deinem Haus kein Dieb<br />

wohnt, brauchst du kein Schloß! Will nun ein zu Recht skeptischer Imker oder Landwirt<br />

wissen, ob seine Wiesen, Felder oder Wälder kontaminiert wurden, hat er die<br />

Kosten für etwaige Erhebungen selbst zu tragen, wie dieselbe Anfragebeantwortung<br />

festhält. Auch diese Täter-Opfer-Umkehrung hat in der ÖVP, in Anlehnung an<br />

bauernfeindliche rot-grüne Gepflogenheiten, gebückt unter US- und WTO-Diktat,<br />

seit geraumer Zeit Tradition.<br />

Welche Folgen der Verzicht auf nationalstaatliche Kontrollmechanismen und der<br />

ihm vorhergehende Kompetenzverzicht haben, zeigt das im Kapitel „Kontrollverzicht,<br />

das Ende der Freiheit“ angeführte Beispiel der EU-Abstimmung über die österreichischen<br />

Genmais-Importverbote. Josef Pröll nahm diese neuerliche<br />

Bankrotterklärung einer kollabierenden Nahrungsmittel-Souveränität zum Anlaß, mit<br />

der Beschwichtigungsformel: „�es wird kaum Auswirkungen haben, weil die großen<br />

Lebensmittelketten keine Gentech-Produkte führen werden“ an die entgeisterte<br />

Öffentlichkeit zu treten. Diese Behauptung ist lachhaft, weil nunmehr jedermann in<br />

Österreich den zwangsfreigegebenen Gen-Mais importieren darf. Täuschen und tarnen<br />

im Namen der Wählergunst! Gegen den Wählerwillen!


Gentechnik-Lobbyismus von Teilen der ÖVP<br />

Weniger tarntäuschend unterwegs ist da schon der vormalige EU-Agrarkommissar<br />

Franz Fischler, ÖVP. Er nahm sich kein gentechnisch manipuliertes Blatt vor den<br />

Graubart als er im September 2008 forderte, verstärkt auf die Gentechnik zu setzen.<br />

Den Konsumenten müßten die „Vorteile der Gentechnik“ überzeugend nähergebracht<br />

werden, verkündete der verschmitzte Märchenonkel, der, wie böse Zungen<br />

behaupten, im Sold der Gentechnik-Industrie stehen soll. So wird darauf verwiesen,<br />

daß Fischler Mitglied der Gentechnik-Lobbyistengruppe IPC (Intellectual Property<br />

Committee) in der Welthandelsorganisation WTO sei. Zu seinen dortigen Kollegen<br />

zählten unter anderem Caspar Ridley, Chef des Gentechnikkonzerns Syngenta und<br />

Jerry Steiner, Vizepräsident des weltgrößten Gentechnikkonzerns Monsanto. Das<br />

überrascht nicht wirklich, bedenkt man, daß die erste Zulassung des kommerziellen<br />

Gentechnik-Anbaus (1996) wie die Installierung der EU-Biopatentrichtlinie (1998),<br />

die „Patente auf Leben“ erst legitimierte, in die Ära des EU-Agrarkommissars Franz<br />

Fischler fielen. Es überrascht demnach auch wenig, daß ausgerechnet Franz Fischler<br />

der österreichische Kandidat für den Generaldirektorsessel der FAO (Food and<br />

Wo die Schattenregierungen<br />

der Industrie-Lobbys<br />

am Werk sind, wird die Politik<br />

immer öfter zum willfährigen<br />

Erfüllungsgehilfen.<br />

51<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

52<br />

Agriculture Organization, Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten<br />

Nationen) ist.<br />

Die bekannteste der weltweit aktiven Gentechnik-Lobbyorganisationen ist die ISAAA<br />

(International Service for the Acquisition of Agri-Biotech Applications).<br />

An Durchschlagskraft fehlt es aber auch dem IPC beileibe nicht. Was Herr Fischler<br />

von sich gibt, hat also Gewicht. Seine Lobbying-Tätigkeit verlor allerdings an Bedeutung,<br />

seit der Vertrag von Lissabon das Schicksal der österreichischen Gentechnikfreiheit<br />

langfristig endgültig besiegelt. Diese zum „Reformvertrag“ behübschte<br />

europäische Verfassung ist ihrerseits nur der Vorläufer des für 2015 geplanten Unheilswerks<br />

TAFTA (Transatlantischer Binnenmarkt). Mit diesem sollen gemeinsame<br />

Zulassungskriterien von USA und EU in Kraft treten, was punkto Gentechnik eine<br />

Überflutung des europäischen Marktes mit „patentiertem Leben“ verheißt. Immerhin<br />

ist sonach in Europa alles im Handel, was in den USA zugelassen wurde – oftmals<br />

von privaten Vereinen, die keiner Regierungsbehörde unterstehen. Besonders beruhigend<br />

dabei: vertrauliche Firmenangaben werden den US-Genehmigungsbefugten<br />

gar nicht vorgelegt. Eine „Sicherheitsprüfung“ erfolgt durch „freiwillige<br />

Konsultationen“ mit den Konzernen, die damit selbst entscheiden, was den Prüforganen<br />

vor-gelegt und was denselben vor-enthalten wird*.<br />

Der Etablierung dieserSelbstzulassungen<br />

in Europa ebnet<br />

die in EUVP umzutaufende<br />

ÖVP offensiv<br />

den Weg. Sie tut<br />

das im Verein mit<br />

einer personell erschreckend<br />

armselig<br />

aufgestellten SPÖ<br />

und einem parlamentarischenOpportunistenklub,<br />

der sich „die<br />

Grünen“ nennt. Wie<br />

die ÖVP-Ministerien<br />

Die EU-Kommission entscheidet alleine<br />

über Gentechnik-Zulassungen, wenn der<br />

Ministerrat keine „qualifizierte Mehrheit“ zustande<br />

bringt. Das kommt häufig vor und<br />

endet immer mit Entscheidungen pro Gentech-Industrie.<br />

für Wirtschaft und Arbeit<br />

sowie Wissenschaft<br />

und<br />

Forschung, fördert<br />

auch das rote Wien<br />

(Kulturabteilung, MA<br />

7) den mutmaßlich<br />

pro Gentechnik agitierenden<br />

Verein dialog


gentechnik. Wie die ÖVP haben auch SPÖ und<br />

Grüne einen EU-Verfassungsvertrag ratifiziert, der<br />

die gentechnische Invasion in Österreich freibrieflich<br />

ermöglichen wird. Als verschmolzene SPEUVP<br />

hat das Duo Gusenbauer-Molterer Österreich in<br />

eine schier ausweglose Lage versetzt. Als SPEU-<br />

SAVP wird das Duo Faymann-Spindelegger diesen<br />

Kurs fortsetzen und möglicherweise über den point<br />

of no return führen. Die Grünen, die sich zunächst<br />

für eine Beteiligung an der zur Gerade-noch-<br />

Regierungsfähigkeit geschrumpften „großen“ Koalition<br />

aufgedrängt hatten, tun ein Übriges, um der österreichischen<br />

Selbstbestimmungsfähigkeit den coup de grace, den Todesstoß zu versetzen. Ihr<br />

„kritisches Ja“ zum Vertrag von Lissabon wurde vom österreichischen Wähler am 28.<br />

September 2008 zu Recht mit einem ganz und gar unkritischen Nein beantwortet.<br />

Sich den Mächtigen anbiedernde, vom System absorbierte und instrumentalisierte<br />

Scheinopposition ist wahrlich das Letzte, was dieses Land braucht.<br />

Über 1,2 Millionen Österreicher unterzeichneten zwischen 7. und 14. April 1997 das<br />

Gentechnik-Volksbegehren. Aus ihrem Votum wurde abgeleitet, daß es größter<br />

Sorgfalt bedarf, den Österreichern Gentech-Kost heimlich durch die Hintertür zu servieren.<br />

Diese Sorgfalt ließ man walten. Durch freiwillig provozierte Selbstentrechtung,<br />

Selbstentmündigung, ja Selbstkastration, ging man den Weg zur<br />

supranationalen Bevormundung. Hinterher kann man immer noch beherzt erklären,<br />

man wollte das alles nicht, aber jetzt seien eben EU, WTO, TAFTA oder sonstige<br />

Schreckenskürzel am Wort. Wenn Studien, wie jene der Schweizer Konjunkturforschungsstelle<br />

(KOF), Österreich alljährlich zum „meist globalisierten Land“ der Welt<br />

küren, zeigt das den „Erfolg“ der rot-schwarzen Ausverkaufspolitik mit grünem Feigenblatt.<br />

Dieser Ausverkauf umschließt Familiensilber, heißt: Volksvermögen (ATW,<br />

Post, ÖBB, AUA,�) und Hoheitsrechte (EU-Knebelung) und damit nationalstaatliche<br />

Souveränität. Eine Demokratie, in der „alles Recht vom Volke ausgeht“, gerät solcherart<br />

zur fremdbestimmten Demokratur. Es ist ein böses Spiel, das mit ihnen gespielt<br />

wird, und immer weniger Österreicher machen dazu noch die durch<br />

Sonntagsreden und leere Wahlversprechen forcierte gute Miene. Mit ihrer Selbstbestimmungsfähigkeit<br />

steht die Zukunft der Republik Österreich auf diesem Spiel,<br />

mit ihr die Freiheit der Österreicher.<br />

* Die daraus erwachsenden Großprobleme für die wachsende Zahl bewußt einkaufender<br />

Menschen betreffen nicht nur den Kosmetik- oder Pharma-Markt. Vor allem<br />

die angestrebte „Harmonisierung“ zu Patentrecht und Urheberschutz wäre für<br />

Europas Landwirtschaften fatal. Was mit dem Argument der „Kosteneinsparungen“<br />

beworben wird, hätte tatsächlich teure Folgen für Europa, wären doch auch GVO-<br />

Zulassungen künftig nicht mehr autark von Europa aus steuerbar.<br />

53<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

54<br />

Schöpfung in Ketten<br />

Patentierte Lebewesen ermöglichen der Gen-Industrie die Entfaltung einer globalen<br />

Nahrungsmitteldiktatur. Zu dieser Industrie zählen Konzerne wie Syngenta, DuPont,<br />

Pioneer, BASF oder Bayer. Marktführer im Bereich der Manipulation und Patentierung<br />

von Seinsformen ist Monsanto. Von Kritikern heute „Monsatan“ getauft und mit<br />

„Mon-san-tezumas Rache“ in Verbindung gebracht, wurde der Konzern 1901 in<br />

St.Louis/ Missouri als Chemie-Unternehmen gegründet. Maßgeblichste Produkte<br />

waren und sind Pflanzenschutzmittel, die Dioxin enthalten. Dieses, auch in dem im<br />

Vietnam-Krieg zum Einsatz gekommenen Entlaubungsmittel Agent Orange enthaltene<br />

Gift führt zu schweren genetischen Funktionsstörungen.<br />

Weitere relevante Produkte sind Aspartam, ein Süßstoff, der im Verdacht steht<br />

krebserregend zu sein; PCBs (polychlorierte Biphenyle, in Weichmachern und Isoliermitteln),<br />

die Krebs und Hepatitis auslösten und seit 2001 weltweit verboten sind;<br />

das Rinderwachstumshormon rBGH (rekombiniertes Rinderwachstumshormon),<br />

das, zur Steigerung der Milchleistung als Posilac im Handel, zu schwersten Erkrankungen<br />

der Tiere wie Brustdrüsenentzündung oder Euterentzündung führt, wodurch<br />

Eiter und verabreichte Antibiotika in die Milch gelangen. Paradeprodukt des<br />

Konzerns ist Roundup*, ein Totalherbizid (Hauptkomponente Glyphosat), das nach<br />

schwedischen und französischen Studien karzinogen ist. Roundup beeinflußt demnach<br />

die Zellteilung im menschlichen Körper, Zellen werden instabil, Krebs entsteht.<br />

Roundup tötet alle Pflanzen, nur jene nicht, die gentechnisch resistent gemacht wur-<br />

Aus der Vereinigung von Licht<br />

und Wasser entstand das Leben.<br />

Den jahrmillionenlangen Evolutionsprozeß,<br />

der von der Ursuppe<br />

seinen Ausgang nahm, wollen<br />

kühne Labortechniker, durch die<br />

Schaffung einer künstlichen, „verbesserten“<br />

Parallelnatur, außer<br />

Kraft setzen.


den – und die ohne Roundup nicht überleben. Da Roundup alles pflanzliche Leben<br />

tötet, die Gentechnik-Pflanzen gleichzeitig auskreuzen, verlieren die Bauern ihr eigenes,<br />

nicht kontaminiertes Saatgut. Sie brauchen für die sonach gentechnisch verunreinigten<br />

Pflanzen: Roundup. Die Abhängigkeitsfalle, verstärkt durch einen<br />

Technologienutzungs-Vertrag, der Lizenzgebühren fällig stellt, schnappt zu. Die<br />

transgene Verunreinigung liegt folglich im Kalkül des Konzerns. Ziel ist die Landwirtschaft<br />

ohne Landwirte.<br />

Weshalb kann der Konzern seine mutmaßlich Krankheit und Tod bringenden Produkte<br />

weithin ungehindert vermarkten? Sehr einfach: Der Weg Monsantos ist gepflastert<br />

mit kaltgestellten, unter Druck gesetzten und mit Prozessen eingedeckten,<br />

kritischen Wissenschaftlern, mit entlassenen Tierärzten und versetzten Beamten,<br />

die unbequem geworden waren; er ist gepflastert mit unterdrückten und mutmaßlich<br />

gefälschten Studien, mit Bestechungsversuchen, Korruption, von Monsanto bestellten<br />

Postenbesetzungen, irreführender Werbung, enteigneten Bauern usw. Ein<br />

gewisser Michael Taylor war über lange Jahre Monsanto-Anwalt. Er entwarf für den<br />

Konzern ein Strategiekonzept zur Zulassung von GVOs. Er wurde von Monsanto<br />

mitsamt seinem Konzept in eine entscheidende Position in der FDA (Food and Drug<br />

Administration), der zuständigen Zulassungsbehörde der USA reklamiert. Die GVOs<br />

wurden danach ohne jede Risikobewertung, ohne jede Langzeitstudie, zugelassen.<br />

Herr Taylor wurde wieder von der FDA abberufen und zum Vizepräsidenten von<br />

Monsanto gemacht. Das politisch-industrielle „Drehtürprinzip“ war begründet.<br />

Die Schattenregierung der Lobbyisten<br />

Darüberhinaus ist Lobbyismus, trotz der aktuell dort tätigen rund 15.000 Konzernwerber,<br />

keine Brüsseler Erfindung. Lobbyismus war und ist in den USA, namentlich im Bereich<br />

Gentechnik, so umfassend, so nachdrücklich, daß die US-Politik die<br />

Biotechnologie für zu wichtig erklärte, um sie durch Vorschriften und Kontrollen behindern<br />

zu dürfen**. Interessant zu den ersten Zulassungen in den USA ist auch das<br />

Datum: 1995/1996. Ein Zeitraum, in dem ein gewisser Al Gore, der heute als zukunftsbesorgter<br />

Umweltschützer und selbsternannter Klimaretter um den Globus tingelt,<br />

Vizepräsident der USA war (1993-2001).<br />

90 Prozent aller weltweit angebauten GVOs stammen von Monsanto. 90 Prozent der<br />

in den USA angebauten Soja-Pflanzen sind Roundup-Ready-Soja. 70 Prozent aller<br />

Nahrungsmittel in den USA sind gentechnisch kontaminiert. Die Bevölkerung der USA<br />

ist Opfer des größten Menschenversuchs der Geschichte. Eines akribisch überwachten<br />

Versuchs. Monsanto beschäftigt eine eigene Gen-Polizei (zu der nach jüngsten<br />

Angaben auch Nahostkriegserfahrene Blackwater-Söldner zählen), die vor allem die eigenen<br />

Vertragsfarmer, aber nicht nur diese, observiert. Knapp hundert Mitarbeiter und<br />

ein zweistelliges Dollar-Millionen-Jahresbudget stehen alleine für die Kontrolle möglicher<br />

Patentverletzungen durch Landwirte zur Verfügung. Ist ein Nicht-Gentechnik-<br />

55<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

56<br />

Acker verunreinigt, wird der betreffende Landwirt umgehend wegen Patentverletzung<br />

verklagt, obwohl nicht er das patentierte Saatgut angebaut hat, sondern durch Windverwehung,<br />

Bestäubung,� damit zwangsbeglückt wurde. Berühmt wurde in diesem<br />

Zusammenhang der Fall des kanadischen Farmers Percy Schmeiser, der über Jahre<br />

gegen Monsanto prozessierte.<br />

Den Weg des Gentech-Giganten stören Gerichtsverfahren wie Maulwurfhügel die Planierwalze.<br />

Seit 1995 kaufte der Konzern weltweit über 50 Saatgutunternehmen auf und<br />

investierte dafür die Kleinigkeit von 13 Milliarden US-Dollar. Mit dem Saatguthandel<br />

Marmot SA übernahm man gleich auch die in Guatemala beheimatete Semillas Christiani<br />

Burkhard (SCB), die in Lateinamerika vor allem mit Mais- und Soja-Saatgut prominent<br />

vertreten ist. Als Kaufpreis wurden 135 Millionen Dollar kolportiert. Seminis, der<br />

weltgrößte Produzent von Gemüse-Saaten, ging 2005 für 1,2 Milliarden Dollar an Monsanto.<br />

Beachtliche Beträge und doch: bescheidene Summen, für die Erreichung der totalen<br />

Saatguthoheit, der totalen Lebensmittelkontrolle, der irreversiblen<br />

Nahrungsmittel-Diktatur. Diese begründet sich nicht zuletzt auf der, dem Absorbieren<br />

der Konkurrenz folgenden Sortenverarmung. Schon heute verfügen die zehn größten<br />

Saatgutanbieter über einen mehr als 50prozentigen Marktanteil. Nicht nur alte Sorten,<br />

denen neuerdings in zahlreichen Bildbänden Reminiszenz erwiesen wird, sind davon<br />

betroffen. Ob in Indien oder im Irak, es ist kein Zufall, daß, parallel zur Etablierung der<br />

Agrogentechnik, offensiv gegen die alten Saatgutbanken in den (strategisch und/oder<br />

militärisch) ins Visier genommenen Ländern vorgegangen wird. Im Irak hat die US-Militärregierung<br />

den ansässigen Bauern die Wiederaussaat alter Sorten de facto verboten<br />

und mit ihrer Order 81 ausdrücklich den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen<br />

„gestattet“, sprich: den Kauf des Gentech-Saatgutes der Firma Monsanto emp- oder<br />

be-fohlen. Ein dem Saatgutmarkt vergleichbares Monopolisierungsszenario begegnet<br />

dem Pflanzenschutzmittel suchenden<br />

Kunden von Baumärkten, wo<br />

unter dem Namen zahlreicher Subunternehmen<br />

letztendlich Monsanto-<br />

Produkte verkauft werden.<br />

Noch hat Europa die Wahl<br />

Europa befindet sich vorerst in einem<br />

Frühstadium dieser Eroberungs- und<br />

Verdrängungspolitik. Private Firmen<br />

wie etwa Europlant kaufen Sortenrechte<br />

für alte Nutzpflanzen. Untersagt<br />

die Firma alsdann deren Anbau, wie<br />

vor einigen Jahren mit Deutschlands<br />

populärster Erdäpfelsorte Linda ge-<br />

Europas Bürger wollen<br />

keine Gentechnik auf dem<br />

Teller und haben dies zahlreich<br />

artikuliert. Dennoch<br />

hört die EU lieber auf die<br />

Gentechnik-Lobby.


schehen, entsteht eine Marktlücke, die GVO-Saatgut ausfüllen kann und mutmaßlich auch<br />

soll. Linda, die festkochende Kartoffel mit tiefgelbem Innenleben, die als äußerst aromatisch<br />

gilt und sich deshalb besonderer Beliebtheit erfreut, erfuhr im Zuge der Kampagne<br />

„Solidarität mit Linda“ allerdings große medienöffentliche Aufmerksamkeit, was zu ihrer<br />

weiteren Freigabe beitrug. Landwirte und Verbraucherverbände führten überdies ins Treffen,<br />

Europlant habe den Grundsatz gebrochen, wonach es nach Ablauf des 30jährigen<br />

Sortenschutzes der Allgemeinheit freistehe, die Sorte lizenzfrei zu nutzen. Europlant habe<br />

sich eine Gesetzeslücke im Saatgutverkehrsgesetz zunutze gemacht, um Landwirte daran<br />

zu hindern, Linda weiterhin anzubauen und damit die eigene Sorte Belana auf dem Markt<br />

zu positionieren. Widerstand gegen industrielle Bevormundungsversuche lohnt also, aber<br />

nicht jede Sorte verfügt über einen so populären Namen wie Linda. Viele verschwinden<br />

unbemerkt und gehen – wie nahestehende Menschen – erst dann ab, wenn sie nicht<br />

mehr sind.<br />

Bedeutsam zu erwähnen ist in diesem Kontext, und damit dem industriellen Bemühen<br />

um Einfalt statt Vielfalt, der Versuch der EU-Kommission, den Anbau von Feldfrüchten<br />

künftig regional zu reglementieren. Die Pläne sehen vor, die Mitgliedsländer nicht mehr<br />

die gesamte Agrarpalette anbauen zu lassen. Salat würde sonach etwa in Österreich,<br />

Broccoli in Italien, Erdäpfel würden in Deutschland, Marillen in Frankreich angebaut.<br />

Was dieses Szenario, von der künstlichen Erzeugung gegenseitiger Abhängigkeiten<br />

abgesehen, im Falle von lokalen, etwa wetterbedingten Ernteausfällen bedeutet, liegt<br />

auf der Hand. Das betreffende agrarische Produkt, inklusive aller Folgeerzeugnisse,<br />

wäre sodann in der gesamten EU nicht mehr verfügbar und müßte um teures Geld<br />

nach Europa importiert werden. Gentechnik-Konzerne wären mit einiger Wahrscheinlichkeit<br />

die ersten, die sich zur abzugeltenden Krisenhilfe bereitfänden. Der im Namen<br />

der Globalisierung erfolgende Ausverkauf der europäischen Landwirtschaften erhielte<br />

solcherart eine dramatische Beschleunigung.<br />

Auch Tiere sollen patentiert werden<br />

Die Biopiraterie im Dienste des Teller-Monopols beschränkt sich freilich längst nicht<br />

auf Hain und Acker. Ihre Vorhut pocht bereits an manche Stalltür, schleicht bereits um<br />

manche Koppel, schwimmt bereits in manchem Wildbach. Da gibt es zunächst die<br />

überformatigen Monsterlachse einer kanadischen Firma, die schneller wachsen und erheblich<br />

größer geraten als die wildlebende Verwandtschaft. Verpaaren sich die transgenen<br />

Lachse mit wildlebenden Weibchen, übertragen sie ihre Degenerationen<br />

(Krankheitsanfälligkeit, kürzere Lebenserwartung,�) auf den Nachwuchs. Mittelfristig<br />

könnten auf diese Weise ganze Populationen aussterben.<br />

Auch auf das Rind ist man in den gentechnischen Labors dieser Welt längst gekommen.<br />

Während Österreich eifrig Fleckvieh in die Türkei exportiert, weil man dort eine<br />

eigene Zucht mit den alpenländischen Nutztieren plant, baut man in China auf alternative<br />

Milchproduzenten. Kühe mit spezifischer Genausstattung sind vorgesehen,<br />

57<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

58<br />

„menschliche“ Milch zu produzieren. Vorerst wurden 300 Kühe entsprechend programmiert.<br />

Ein medial bereits länger reflektierter Coup zur Entfaltung des viehwirtschaftlichen<br />

Aspekts der Despotie, ist die Anmeldung zweier Patente auf Schweinezucht in über 160<br />

Staaten der Erde. Die Konsequenzen einer vollinhaltlichen Annahme des diesbezüglichen<br />

Antrags wären endzeitlich. Nach der Getreidewirtschaft verlöre alsbald auch die<br />

Viehwirtschaft den Boden der Selbstbestimmung unter Füßen und Hufen. Im Patent<br />

WO 2005/015989 beschreibt Monsanto gebräuchliche Methoden der Schweinezucht<br />

wie Kreuzung, Selektion und künstliche Besamung. Eine bestimmte Kombination dieser<br />

Elemente soll künftig als „Erfindung“ gelten. Dieser Anspruch bezieht sich sowohl<br />

auf die Verfahren als auch auf die Tiere. Das Patent WO 2005/017204 spricht ein Gen-<br />

Diagnose-Verfahren für Schweine an. Monsanto will solcherart Schweine identifizieren,<br />

die dank ihres natürlichen Genoms besonders schnell wachsen. Als Patent soll<br />

auch hier nicht nur die Diagnose-Methodik, sondern die gesamte erfaßte Herde gelten.<br />

Das tut sie, wenn auch in abgeschwächter Form, seit der entsprechende europäische<br />

Patentantrag EP 1651777 – mittlerweile hatte die US-Firma Newsham Choice Genetics<br />

das Patent gekauft – im Juli 2008 bewilligt wurde. Problem dabei: Die als Patente<br />

angemeldeten DNA-Sequenzen sind keine „Erfindungen“, kommen etwa im skizzierten<br />

Fall in jedem europäischen Zuchtschwein vor. Die Folgen einer vollinhaltlichen Annahme<br />

der alleinigen Nutzungshoheit wären horrende Lizenzgebühren, die fortan jeder<br />

europäische Schweinezüchter an den US-Konzern zu entrichten hätte. Genau darauf<br />

Die rot-weiß-rote Kuh gehört<br />

bald der Vergangenheit<br />

an. Auch auf das Rind ist<br />

man in den gentechnischen<br />

Labors dieser Welt längst<br />

gekommen.


zielen zahlreiche weitere der<br />

über 5.000 beim Europäischen<br />

Patentamt in München angemeldete<br />

„Patente auf Tiere“ (auch<br />

Rinder, Geflügel,�) ab. Auch<br />

hierbei wird etwa mit einem Verfahren<br />

zur Geschlechtsselektion<br />

von Sperma für die künstliche<br />

Befruchtung von Säugetieren<br />

(einschließlich des Menschen)<br />

gleich das tiefgekühlte Sperma<br />

als solches zur „Erfindung“ erklärt<br />

werden (Patent EP 1257168).<br />

Nachkommen als Patentverletzungen?<br />

Kinder als Konzerneigentum?<br />

Die Rückkehr zu<br />

Sklaverei und Leibeigenschaft?<br />

Überzeichnete Schreckensvision<br />

oder nur eine Frage der Zeit?<br />

Im Jänner 2004 gab Monsanto seine Zusammenarbeit mit MetaMorphix bekannt, einer<br />

Firma, die ihrerseits 2002 die Sparte Genomanalyse am Tier von der Genom-Firma<br />

Celera erworben hatte. MetaMorphix und nun mutmaßlich auch Monsanto (Exklusivzugang<br />

dank Lizenzvertrag) gelangten auf diese Weise an die Genomdaten von<br />

Schweinen, Rindern und Geflügel. Die Datenbank umfasst alleine von Schweinen rund<br />

600.000 Genabschnitte. Im Bereich Rinder ging MetaMorphix eine Kooperation mit<br />

dem US-Agrarmulti Cargill ein, im Bereich Geflügel mit Wilmar. Das Unternehmen stellt<br />

allerdings auch eigenständige Patentanträge (etwa auf mit Wachstumsgenen manipulierte<br />

Eizellen, Gene zur Erhöhung der Milchleistung von Nutztieren***,�). Durch eigene<br />

Hyperaktivität und umfangreiche Kooperationen haben die „Leben erfindenden“<br />

Konzerne ein nahezu lückenlos dichtes Netz gewoben, aus dem es, geht es nach ihrem<br />

Willen, alsbald kein Entrinnen geben wird. Keine überzeichnete Horrorvision, sondern,<br />

dank tätiger politischer Unterstützung, wohl doch nur eine Frage der Zeit. Allerdings:<br />

Man will selbstredend nur unser aller Bestes!<br />

Wie sehr die Konzernmitarbeiter den eigenen Produkten vertrauen, mag ein Blick hinter<br />

die Kulissen der heraufdämmernden Nahrungsmitteltyrannei erhellen: In der Kantine<br />

der britischen Monsanto-Niederlassung wird, Medienberichten zufolge,<br />

ausschließlich gentechnikfreie Kost serviert. Diese GVO-frei-Diät der Produzenten, die<br />

unweigerlich an einen Auto-Vertreter erinnert, der irritierenderweise im Konkurrenzwagen<br />

vorfährt, mag dieselben Ursachen haben wie das spürbare Vertrauen, das Versicherungen<br />

der „revolutionären“ neuen Landwirtschaftsform entgegenbringen. Die fünf<br />

59<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

60<br />

größten landwirtschaftlichen Versicherungen Großbritanniens weigern sich, genmanipulierte<br />

Pflanzen zu versichern. Eine Umfrage unter österreichischen Branchenkollegen<br />

brachte zu Tage, daß Gentechnik-Risiken als „nicht versicherbar“ kategorisiert<br />

werden. Der Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs soll zudem Richtlinien<br />

ausarbeiten, die einen generellen Haftungsausschluß für durch Genmanipulationen<br />

auftretende Schäden enthalten. Ob diese offensichtliche und weit verbreitete Panik<br />

der Prämienkaiser vor nicht bezahlbaren Folgeschäden auf einen Nenner mit der propagierten<br />

„Sicherheit der Technologie“ und ihrer „Koexistenzfähigkeit“ zu bringen ist?<br />

* Zuletzt wies der argentinische Professor Andrés Carrasco die Gefährlichkeit von<br />

Roundup für die Gesundheit des Anwenders nach. Carrasco ist Leiter des Labors für<br />

Molekulare Embryologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Buenos Aires<br />

und Mitglied des Argentinischen Rates für Wissenschaftliche und Technische Forschung.<br />

Forscher aus mehreren Ländern arbeiteten an der unter seiner Leitung erstellten<br />

wissenschaftlichen Untersuchung, deren Ergebnisse belegen, daß Monsanto<br />

und die GVO-Industrie die Heimtücke von Roundup verschleierten. Bereits in weit geringeren<br />

Konzentrationen als den üblicherweise in der Landwirtschaft zur Anwendung<br />

kommenden, steht Roundup im Verdacht Mißbildungen hervorzurufen. Glyphosat, der<br />

Hauptwirkstoff von Roundup, rief bei Embryos von Fröschen und Hühnern bereits in<br />

weit unterhalb der agrarischen Anwendungsusancen liegenden Konzentrationen Mißbildungen<br />

hervor. Die getesteten Dosen lagen auch weit unter den gültigen EU-Toleranzgrenzen.<br />

** Der Weltmarktführer Informationen statt Gene manipulierender Agenturen ist das<br />

US-Unternehmen Burson Marsteller. Wie der europäische Markt gentechnisch zu erschließen<br />

wäre, geht aus einem publik gewordenen Instruktionspapier der Agentur an<br />

EuropaBio (Namensdach der Biotech-Industrie in Europa) hervor. Darin ist von „Geschichten“<br />

statt Sachinformation, von Meidung konfliktbehafteter Diskussionen, der<br />

Vermeidung von Selbstlob – das an zweite und dritte zu delegieren ist – und der Instrumentalisierung<br />

und Benützung aller verfügbaren (gemeint könnte sein: gekauften/käuflichen)<br />

Medien die Rede.<br />

An Ausweisen für die Glaubwürdigkeit der Agentur mangelt es nicht. Beratung von Diktatoren<br />

und vernehmlich in Fragen der psychologischen Kriegsführung, Hilfe zur Verschleierung<br />

des Ausmaßes von Umweltkatastrophen, Organisation mutmaßlich bezahlter<br />

„Bürgerbewegungen“, um – aufgrund von Gesundheitsschäden – in die Kritik geratene<br />

Brustimplantate weiterhin an die Frau zu bringen und anderes mehr. Ihrer Selbstdarstellung<br />

zufolge sieht die Agentur „Kommunikation als Instrument, durch Überzeugung Verhaltensweisen<br />

herbeizuführen, die zum wirtschaftlichen Erfolg der Kunden führen.“ Der<br />

Kunde ist König, einer kommt, einer geht, Image ist käuflich, heute dieses, morgen sein<br />

Gegenteil. Die trefflichste Visitenkarte der Gentech-Propagandisten ist demnach jene, um<br />

das Jahr 1990 eine Anti-Klimaschutzkampagne mit der Werbebotschaft „Es gibt keine Klimaveränderung<br />

und CO 2 ist kein Problem für die Atmosphäre“ betrieben zu haben und<br />

heute der Atomlobby das Wort zu reden – mit der Kunde: „Wegen der Klimaveränderung


auchen wir unbedingt neue Atomkraftwerke“. Wenigstens die Bevölkerung Japans kann<br />

diese Darstellung seit März 2011 nicht mehr teilen.<br />

*** Es liegt auf der Hand, was der Terminus „Nutztier“ auszudrücken beabsichtigt. Daß<br />

damit die völlige Entrechtung fühlender Mitwesen einhergeht, die, zur Kapitalanlage<br />

und Ware verkommen, entsprechender artfremder Be- oder besser: Mißhandlung ausgesetzt<br />

sind, ist ein Aspekt, der zu dringendem Handeln aufruft. Aus Selbstschutzgründen,<br />

weil der Konsument all die von der gequälten Kreatur ausgeschütteten<br />

Streßhormone zu sich nimmt und damit ihren gesamten Leidensweg in sich manifestiert.<br />

Aus ethischen Gründen, weil es eine Sache ist, Tiere zu töten, um selbst zu überleben<br />

(was allerdings auch ohne die Zufuhr tierischen Eiweißes mangelfrei möglich<br />

ist), eine ganz andere, Tieren überflüssige Leiden zuzufügen, ehe sie ihrem letzten<br />

Weg, der meist viel zu langen Fahrt in den Schlachthof, und schließlich ihrer erbarmungswürdigen<br />

Bestimmung zugeführt werden.<br />

61<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

62<br />

Keine Gentechnik auf dem Teller!<br />

Tips für den gentechnikfreien Einkauf<br />

Mit April 2004 trat die EU-Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Nahrungsmittelinhaltsstoffe<br />

in Kraft. In der zumeist mikroskopisch klein gedruckten Zutatenliste<br />

verborgen, finden sich seither Beisätze wie „aus genetisch veränderter Soja<br />

hergestellt“ oder „enthält genetisch veränderten Mais“. Die Kennzeichnung umschließt<br />

auch verarbeitete Produkte wie Maisstärke, Sojalecithin oder Rapsöl.<br />

In Österreich finden sich diese Hinweise nicht, da eine Selbstverpflichtung des österreichischen<br />

Handels Gentechnik-Freiheit in den Warenregalen garantiert.<br />

Aber kann sie das überhaupt? Nicht vollständig. Zum einen kommt es im Zuge diesbezüglicher<br />

Erhebungen immer wieder zur Entdeckung von gentechnischen Verunreinigungen<br />

in als konventionell gekennzeichneten Produkten. Konkret war dies in den<br />

letzten Jahren bei Reis- und Tofu-Produkten (hier auch bei ökologischen) der Fall. Zum<br />

anderen sind tierische Nahrungsmittel wie Fleisch, Milch und Eier ausdrücklich von der<br />

EU-Kennzeichnungspflicht ausgenommen. Der Konsument wird bei konventioneller<br />

Ware deshalb keinen Hinweis darauf finden, ob das jeweilige Tier mit gentechnisch<br />

veränderten Futtermitteln gefüttert wurde (über 80 Prozent der weltweit angebauten<br />

GVO-Pflanzen werden zu Tierfutter verarbeitet)<br />

Du bist, was du ißt! Aber was essen wir im Zeitalter<br />

der gentechnischen Großexperimente? Nicht<br />

alles, was genmanipuliert auf unsere Teller<br />

kommt, ist kennzeichnungspflichtig.


Um dennoch sicher zu gehen, Gentechnik-frei einzukaufen,<br />

ist Folgendes zu beachten:<br />

Bio-Lebensmittel sind gemäß geltender Gesetzeslage Gentechnik-frei. Die Bio-Eigenmarken<br />

der großen Handelsketten (etwa: Ja!Natürlich; Natur pur) bieten eine<br />

breite Palette an Frischwaren und verarbeiteten Produkten, die ohne Gentechnik<br />

hergestellt wurden. Der Hinweis „gentechnikfrei erzeugt“ inkludiert selbstredend<br />

auch Gentechnik-freie Futtermittel und umfaßt gemäß Lebensmittelcodex sämtliche<br />

solcherart gekennzeichnete (nicht nur Bio-) Produkte. Beim Vermerk „Biologisch<br />

gemäß EU Bio-Verordnung“ ist zu bedenken, daß diese eine gentechnische Verunreinigung<br />

von bis zu 0,9 Prozent gestattet. Etliche Bio-Anbieter unterwerfen sich allerdings<br />

freiwillig sehr viel strengeren Auflagen als sie die EU-Gesetzgebung<br />

vorsieht.<br />

Zudem geben Umweltorganisationen regelmäßig Einkaufsratgeber heraus, die Firmen<br />

auflisten, welche ausdrücklich oder nach Möglichkeit (Vorlieferanten) auf Gentechnik<br />

in ihren Produkten verzichten (etwa: Alnatura, Hipp, Kärntnermilch, NÖM<br />

Frischmilch, Tiroler Milch Gentechnik-frei, Landliebe,�).<br />

Weitere Informationen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) sind abrufbar unter:<br />

www.gentechnikfrei.at<br />

www.keine-gentechnik.de<br />

www.genfood.at<br />

www.bio-austria.at<br />

www.umweltbundesamt.at<br />

http://www.ages.at/uploads/media/ADRESSEN.PDF<br />

(Adressliste für den Bezug von Bio-Saatgut)<br />

www.gentechnik.gv.at (Lebensministerium)<br />

http://www.landnet.at/article/archive/5113/ (Lebensministerium)<br />

http://www.umweltbundesamt.de/<br />

http://www.gentechnikfreie-regionen.de/<br />

http://www.vielfalterleben.de<br />

(Petition gegen die Grüne Gentechnik)<br />

http://www.greenpeace.de/GP_SYSTEM/1QNTIPF6.HTM<br />

http://gentechnik-gesetz.rainbownet.ch/gentechnik_links.php<br />

http://ec.europa.eu/food/food/biotechnology/index_de.htm<br />

http://www.efsa.europa.eu/EFSA/ScientificPanels/efsa_locale-<br />

1178620753824_GMO.htm<br />

http://www.transgen.de/home/<br />

63<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

64<br />

?<br />

Wußten Sie, daß �<br />

� Tiere in Österreich mit gentechnisch veränderten Organismen gefüttert werden und<br />

sich die künstlichen Gensequenzen, über die aus solchen Tieren gewonnenen Nahrungsmittel,<br />

auch auf den Menschen übertragen?<br />

� Studien die Gefährlichkeit Glyphosat-haltiger Agrospritzmittel belegen und diese bei<br />

Tieren in der Anwendungsumgebung massenhaft zu Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten<br />

führen?<br />

� weder EU-Behörden noch österreichische Ministerien wissen (wollen), in welchem<br />

Ausmaß gentechnisch veränderte Baumwolle in nach Österreich importierten Textilien<br />

enthalten ist?<br />

� ein US-Bundesgericht die Zulassung für gentechnisch veränderte Zuckerrüben auf<br />

Eis legte, die Politik dieses Urteil aber außer Kraft setzte?<br />

� Gentechnik-Konzerne massiv Saatguthersteller aufkaufen und damit Monopolbildungen<br />

auf dem Nahrungsmittelproduktionssektor entstehen?<br />

� eine Vielzahl von Mitarbeitern und Gutachtern der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit<br />

(EFSA) gleichzeitig für die Gentechnik-Industrie tätig ist?<br />

� in der EU auch Futtermittel-Verunreinigungen mit in der EU nicht zugelassenen gentechnisch<br />

veränderten Organismen erlaubt sind?


In der EU zugelassene genmanipulierte Pflanzen<br />

Aktuell sind in der EU 31 gentechnisch veränderte Pflanzen für Anbau und/oder Import<br />

zugelassen. Sämtliche Sorten, die als Lebens- und Futtermittel zugelassen sind,<br />

können auch auf den österreichischen Markt gelangen (so der Handel seine Selbstverpflichtung<br />

zum Verzicht auf GVO-Produkte aufheben oder zu dieser Aufhebung<br />

veranlaßt werden sollte):<br />

17 Sorten Gen-Mais:<br />

DAS1507 / Pioneer and Dow AgroSciences<br />

DAS59122 / Pioneer and Dow AgroSciences<br />

DAS1507xMON603 / Pioneer and Dow AgroSciences<br />

59122xNK603 / Pioneer<br />

MON810* / Monsanto<br />

MON863 / Monsanto<br />

MON863xNK603 / Monsanto<br />

MON863xMON810 / Monsanto<br />

NK603 / Monsanto<br />

NK603xMON810 / Monsanto<br />

MON863xMON810xNK603 / Monsanto<br />

MON88017 / Monsanto<br />

MON89034 / Monsanto<br />

T25 / Bayer<br />

BT-11 / Syngenta (BT: bacillus thuringiensis)<br />

GA21 / Syngenta<br />

MIR604 / Syngenta<br />

3 Raps-Sorten:<br />

GT73 / Monsanto<br />

MS8, RF3, MS8xRF3 / Bayer<br />

T45 / Bayer CropScience<br />

6 Baumwoll-Typen**:<br />

MON1445 / Monsanto<br />

MON15985 / Monsanto<br />

MON15985xMON1445 / Monsanto<br />

MON531 / Monsanto<br />

MON531xMON1445 / Monsanto<br />

LLCotton25*** / Bayer CropScience<br />

65<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

66<br />

Im Zuge einer Protestaktion brachten Demonstranten<br />

mittels Klebern zum Ausdruck, was sie<br />

über Gentechnik auf dem Teller denken...


3 Soja-Sorten:<br />

MON40-3-2 / Monsanto<br />

MON89788 / Monsanto<br />

A2704-12**** / Bayer CropScience<br />

1 Zuckerrübensorte:<br />

H7-1 / Monsanto<br />

1 Kartoffelsorte:<br />

Amflora***** / BASF<br />

Herstellerfirmen wie Monsanto, Pioneer und Bayer haben über ein Dutzend weiterer<br />

Zulassungen für genmanipulierte Pflanzen zum EU-weiten Anbau beantragt. Eine<br />

erheblich umfangreichere Antragsflut droht, hat doch alleine Monsanto bereits über<br />

tausend „Patente auf Leben“ angemeldet.<br />

Die für die Kartoffelsorte Amflora des Herstellers BASF beantragte Anbau-Zulassung<br />

wurde im Jänner 2010, unter dem neuen EU-Kommissar John Dalli, erteilt. Aktuell<br />

einer neuerlichen Überprüfung unterzogen werden die Gen-Mais-Sorten Bt-11<br />

des Konzerns Syngenta (bislang nur zum Import zugelassen) und DAS1507 von<br />

Pioneer. Beide Sorten wurden von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit<br />

(EFSA), trotz sachlicher Vorbehalte, als unbedenklich eingestuft. Das wurde<br />

auch die bereits zugelassene Amflora, über die allerdings eine Antibiotikaresistenz<br />

auf Bodenbakterien übergehen und über diese (bis in den menschlichen Magen-<br />

Darm-Trakt) weiter verbreitet werden kann.<br />

„Unbedenklich“ klingt beruhigend, verschweigt aber, daß ebenjenes Antibiotikum zu<br />

den wichtigsten Arzneimitteln gegen Tuberkulose zählt, wie der BUND (Bund für<br />

Umwelt und Naturschutz) darlegt. Einer Krankheit, die seit der „Ostöffnung“ der EU<br />

und den mit dieser eingeleiteten Touristenströmen und Völkerwanderungen eine Renaissance<br />

in Mitteleuropa erlebt.<br />

Der deutsche Naturschutzbund (NABU) indes verweist auf die Sinnlosigkeit der Amflora-Zulassung,<br />

da bereits konventionell gezüchtete Kartoffeln mit vergleichbaren<br />

Eigenschaften, um deren Willen die Gentech-Edäpfel beworben wird, auf dem Markt<br />

sind. Bayer beharrt auf dem Zulassungsantrag für die Reis-Linie LL62, obwohl das<br />

darin enthaltene, weil im Reiskorn nach Besprühung angereicherte Unkrautvernichtungsmittel<br />

Glufosinat das Nervensystem schädigt und insbesondere für Kinder<br />

gefährlich ist. Diesen Nachweis führten selbst die amerikanische Umweltbehörde<br />

EPA und die EFSA, die zudem mannigfache Umweltgefährdungen erhob.<br />

* MON 810 war bis zur Amflora-Zulassung im Jänner 2010 die einzige gentechnisch<br />

veränderte Pflanze, die bereits seit 1998 kommerziell in der EU angebaut werden darf.<br />

Aktuell liegt eine zweistellige Zahl weiterer Anträge auf Anbau-Zulassung vor, denen<br />

nach derzeitigem Stand, früher oder später, durchgehend stattgegeben werden wird.<br />

67<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

68<br />

Nach einem anhand von Monsanto-Forschungsunterlagen durchgeführten Test hielt der<br />

Wissenschaftler Gilles-Eric Séralini gegenüber LeMonde fest: „Zum ersten Mal haben wir<br />

bewiesen, daß GVO weder ausreichend untersucht noch für die Kommerzialisierung geeignet<br />

ist� Jedes Mal, bei allen drei GVOs, gab es mit den Nieren und der Leber (der Versuchstiere,<br />

Anm.) Probleme, die Organe, die hauptsächlich auf eine chemische<br />

Lebensmittelvergiftung reagieren.“ Die drei getesteten Sorten waren: MON810, MON863<br />

und NK603.<br />

Obwohl in der BRD ein Anbauverbot für MON810 gilt, wurde 2011 in Nordrhein-Westfalen<br />

verunreinigtes Saatgut aus dem Verkehr gezogen, nachdem in vier von 16 Proben<br />

MON810 gefunden worden war.<br />

** Obwohl eine indische Studie zeigt, daß der bedeutendste Baumwollschädling auf genmanipulierter<br />

Baumwolle überlebt, wachsen bereits über 50 Prozent der weltweit angebauten<br />

Baumwolle aus genmanipuliertem Saatgut. Zu den Überlegungen, wie<br />

Gentech-Produkte im Körper wirken, sollte man sich also längst auch die Frage stellen,<br />

wie sie auf dem Körper wirken. Anfragen der FPÖ im österreichischen Nationalrat und an<br />

die EU-Kommission brachten zu Tage, daß man sich dort keinerlei Gedanken darüber<br />

macht. Wie hoch der Anteil von Gen-Baumwolle in welchen Textilien aus welchen Herkunftsländern<br />

ist, wird nicht erhoben. Die diesbezügliche Zusammensetzung von Textilien,<br />

auch bei Importen, wird nicht festgestellt. An diesbezügliche Kennzeichnungsregelungen<br />

ist auch in Zukunft nicht gedacht. Mögliche gesundheitliche Folgen (des somit kaum vermeidbaren)<br />

Tragens von Genbaumwolle wurden und werden nicht erhoben.<br />

*** Wie üblich ging der Zulassung die Unfähigkeit der EU-Agrarminister voraus, die im Juli<br />

2008 zu keiner Einigung gelangten. Die Entscheidung oblag damit der EU-Kommission,<br />

die einmal mehr pro Gentechnik-Industrie entschied. Gleiches wird sich als Folge des ergebnislosen<br />

EU-Agrarrates ereignen, der im Jänner 2009 über den Gen-Raps T45 als<br />

Ausgangsstoff zur Biodieselgewinnung und die Nelkensorte einer australischen Firma mit<br />

gentechnisch veränderter Blütenfarbe beriet und abstimmte, ohne zu einer „qualifizierten<br />

Mehrheit“ pro oder contra zu gelangen.<br />

**** Der Import (als Nahrungsmittel sowie zur Tierfutter-Herstellung) der Gen-Soja A2704-<br />

12 von Bayer CropScience wurde von der EU-Kommission am 8. September 2008 bewilligt.<br />

Grundlage dieser Entscheidung war ein Gutachten der EFSA, die ihrerseits auf<br />

eigene Untersuchungen verzichtet und sich, wie an anderer Stelle bereits erwähnt, ausschließlich<br />

an Hersteller-Aussagen orientiert.<br />

***** Aus einer Anfragebeantwortung der EU-Kommission geht hervor, daß die „Nebenprodukte<br />

der Stärkeherstellung“ als Futtermittel Verwendung finden. Das heißt, die angeblich<br />

ausschließlich für industrielle Zwecke zugelassene „Stärkekartoffel“ findet doch<br />

den Weg in die Nahrungskette und endet somit, über die Produkte der damit gefütterten<br />

Tiere, auch auf den Tellern und damit im Körper der menschlichen Konsumenten.


Frei ist, wer hat, was er zum (Über)Leben braucht<br />

Es gibt keine staatliche Unabhängigkeit<br />

ohne Nahrungsmittelsouveränität. Der<br />

Codex Alimentarius dient heute mutmaßlich<br />

als Instrument zur vollständigen Nahrungsmittelkontrolle<br />

und damit des<br />

Souveränitätsraubes. Nationale Nahrungsmittelsouveränität<br />

bedeutet vereinfacht<br />

gesagt: In einem Staat werden so<br />

viele oder mehr Nahrungsmittel erzeugt<br />

als seine Bewohner verbrauchen. Der<br />

Selbstversorgungsgrad liegt demnach bei<br />

100 Prozent oder darüber. Im Falle Österreichs<br />

ist das heute in einzelnen Lebensmittelsparten<br />

(z.B. Rindfleisch) gegeben,<br />

in anderen nicht (z.B. Obst)*.<br />

„Souveränität“ wird von jenen, die sie untergraben,<br />

gerne zum Gegenstand freier<br />

Interpretierbarkeit erklärt. Alleine, es geht<br />

hier nicht um eine Frage der Definition.<br />

Auch wenn „lediglich“ Futtermittel eingeführt<br />

werden müssen, um die zur Erreichung<br />

des vollständigen<br />

Selbstversorgungsgrades erforderlichen<br />

Wo Obst und Gemüse wachsen, ist in der<br />

globalisierten Welt belanglos, nur die Verfügungsgewalt<br />

über Rohstoffe zählt. Nicht<br />

die Bevölkerung verfügt aber, sondern das<br />

Kapital. Nicht Staaten verfügen, sondern<br />

immer öfter die Aufkäufer der Konzerne.<br />

69<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

70<br />

Nutztiere zu ernähren, liegt staatliche Ernährungssouveränität nicht mehr vor. Neben<br />

den bewährten kleinbäuerlichen Strukturen geht es deshalb um Erhalt bzw. Wiederherstellung<br />

der Kreislaufwirtschaft, die die regionale Verfügbarkeit ausreichender<br />

Futtermittel garantiert. Müssen jährlich Millionen Tonnen an Tierfutter importiert werden,<br />

weil der diesbezügliche heimische Anbau in verantwortungslosem Maß herabgemindert<br />

wurde, könnten die hiesigen Tiere im Fall eines, wodurch immer<br />

begründeten Lieferstops der Exportländer nicht ausreichend versorgt werden.<br />

Auch die weitreichende Aufgabe der Futtermittelproduktion ist zu einem Gutteil den<br />

„Zwängen“ wie den Verlockungen der Globalisierung geschuldet. Hinzu kommt der<br />

Verlust an potentiellen Bauern, werden im Zuge der Urbanisierung doch ganze<br />

Landstriche entvölkert. Weitere Anschläge des zur globalen Freihandelszone deklarierten<br />

ökonomischen Welteinheitsstaates auf die nationale bäuerliche Souveränität,<br />

sind Monopolbildungen im Saatgutbereich, unzumutbare Erzeugerpreise<br />

(Milchmarkt), das Weinhandelabkommen der EU mit den USA, die neue Zuckermarktordnung<br />

und das repressive Regime der Welthandelsorganisation, die ein wesentlichstes<br />

Instrument der Initiatoren von Gleichmacherei, marktbeherrschenden<br />

Oligopolen und gegenseitigen Abhängigkeiten ist.<br />

Mitunter fällt im Zusammenhang mit marktbeherrschenden Erzeugern minderwertiger,<br />

pestizidverseuchter Massenware, dem, im Zuge des „freien Warenverkehrs“<br />

und eines irrwitzigen EU-Agrarförderungssystems galoppierenden Bauernsterbens<br />

und dem Verlust der bäuerlichen Saatguthoheit das Wort „Bevölkerungskontrolle“.<br />

Vielen scheint es weit hergeholt, daß es irgendjemanden auf unserem blauen Planeten<br />

geben könne, dem an einer massiven Reduktion der Weltbevölkerung durch<br />

Nahrungsmittelentzug und Nährstoffminderung gelegen sein könnte. Auf welche Indizien<br />

stützt sich solcher Verdacht also? Was müßte jemand tun, die Nahrungsmittelversorgung<br />

nachhaltig zu gefährden? Ein Zustand, der erst herbeigeführt werden<br />

muß. Denn wenn auf unserem Erdball heute gehungert wird, so nicht wegen eines<br />

Quantitätsproblems, sondern ausschließlich wegen eines massiven Verteilungsproblems**.<br />

Minderwertvolle Nahrungsmittel<br />

Zunächst erweist sich für solche Zwecke als nützlich, die Nährwerte der Nahrungsmittel<br />

zu minimieren. Dies geschieht im Zuge der grünen Revolution, dank fehlendem<br />

Fruchtwechsel, Überdüngung, chemischen Spritzmitteln, Monokulturen und<br />

Bodenauslaugung quasi von selbst. Ob Magnesium, Kalium oder beliebige andere<br />

Bodennährstoffe, die Basis des Wertes unserer Feldfrüchte und also unserer Nahrungsmittel<br />

sind, sind heute Rückgänge von bis zu 80 Prozent gegenüber den Vergleichswerten<br />

aus den 1950er-Jahren festzustellen. Ein weiteres, von der<br />

industrialisierten Landwirtschaft verursachtes Problem, ist die inflationäre Anwendung<br />

fossiler Energieträger. Ob Dünge- oder Spritzmittel, handelt es sich um Pro-


dukte petrochemischen Ursprungs. Auf Erdölbasis hergestellt, verursachen sie massive<br />

CO 2-Emissionen. Das wiederum, gleich ob die diagnostizierte Erderwärmung<br />

etwas mit dem Kohlendioxid-Anteil in der Atmosphäre zu tun hat oder nicht, ruft die<br />

Klimakatastrophenbefürchter auf den Plan. Es wird in der Folge, mit Billionenaufwand<br />

und fast ausschließlich in EUropa, alles getan, den CO 2-Anteil in der Atmosphäre<br />

durch Ausstoßreduktionen zu drosseln. Problem dabei: CO 2 ist für das<br />

Pflanzenwachstum extrem wichtig. Je höher der CO 2-Gehalt der Atmosphäre, umso<br />

besser gedeihen Pflanzen. Je besser Pflanzen gedeihen, umso reichhaltiger fallen<br />

die Ernten aus. Und umgekehrt.<br />

Das nächste Indiz ist ein dem Bauernsterben verwandtes Geschehen. Es gibt immer<br />

weniger Imker und damit – immer weniger Bienen. Dazu ereignet sich seit einigen<br />

Jahren ein dramatisches Bienenmassensterben, das, von den USA ausgehend, mittlerweile<br />

auch Europa erreicht hat. Es ist auf Wirk- und Inhaltsstoffe diverser Pflanzenschutzmittel<br />

und auf die gentechnisch veränderte Landwirtschaft<br />

zurückzuführen. Da 4 von 5 unserer Nutzpflanzen auf die Bestäubung durch Bienen<br />

angewiesen sind, bedeutet der Verlust der Bienen auch das Ende der diesbezüglichen<br />

Fruchterträge. Die Agrogentechnik freilich kann noch zahllose Bedrohungsszenarien<br />

mehr bieten. Sowohl die verheerenden Auswirkungen der<br />

Terminator-Technologie wie rückläufige Ernteerträge und daraus resultierende Versorgungsengpässe<br />

wurden bereits an anderer Stelle erwähnt. Hinzu kommen die<br />

mannigfachen, gleichfalls bereits skizzierten Gesundheitsgefährdungen und unmittelbare<br />

Auswirkungen auf die regionale Artenvielfalt. Schlußendlich sei an dieser<br />

Stelle der Codex Alimentarius erwähnt, das machtvollste Instrument zur Verheerung<br />

lokaler, regionaler oder gar nationaler Versorgungssouveränität.<br />

Was ist der Codex Alimentarius?<br />

Ursprünglich ist der Codex Alimentarius eine rotweißrote Erfindung. Um Gerichten ein<br />

Instrument zur Urteilsfindung von im Lebensmittelbereich angesiedelten Streitfällen an<br />

die Hand zu geben, schuf die österreichisch-ungarische Monarchie im Jahre 1893 ein<br />

Codex Alimentarius (lat. Lebensmittel-Codex)<br />

benanntes Regelwerk.<br />

Die Vereinten Nationen<br />

reanimierten diese nach 1918 in<br />

Vergessenheit geratene Innovation<br />

1962 als gemeinsames<br />

Werkzeug von FAO (Welternährungsorganisation)<br />

und WHO<br />

(Weltgesundheitsorganisation).<br />

Maßgeblichster Autor war der<br />

vormalige Wehrwirtschaftsführer<br />

des Dritten Reiches, Fritz ter<br />

71<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

72<br />

Meer. Wurde der Codex neu seiner proklamierten Zielsetzung, die Gesundheit der Bevölkerung<br />

zu garantieren, zunächst einigermaßen gerecht, änderte sich dies im Laufe<br />

der 1980er und verstärkt der 1990er-Jahre. Verunsichert ob augenscheinlicher Fehlentwicklungen<br />

zogen FAO und WHO schließlich einen Gutachter zu Rate. Der empfahl,<br />

den Codex einzumotten.<br />

Nachdem sich die Industrie eingeschaltet und deutliche Worte bezüglich ihrer Interessenslagen<br />

gefunden hatte, wurde nicht der Codex, sondern lediglich die zum<br />

Ursprungsgedanken zurückführende Version des Gutachters eingestampft. Seither<br />

sind die USA, denen 2008 auch der Vorsitz in diesem Gremium zugesprochen<br />

wurde, die dominierende Kraft in der 174 Mitgliedsstaaten zählenden Codex-Kommission<br />

(CAC). Diese machtvolle Instanz, die Normen für Lebensmittelsicherheit<br />

und Produktqualität erarbeiten soll, folgt seit geraumer Zeit einer recht eigenwilligen<br />

Auslegung ihres Handlungsauftrages. Sie tagt alle zwei Jahre, verfügt allerdings<br />

über zahlreiche Task Forces und 25 aktive, nachgeordnete Organe, sogenannte<br />

Codex-Komitees, die häufiger zusammentreten. Die von den Regierungen der Mitgliedsländer<br />

entsandten Delegierten setzen sich aus Vertretern der Industrie, von<br />

Verbraucher- und Erzeugerverbänden sowie Wissenschaftlern zusammen. Daß das<br />

Gremium insgesamt schwer konzernlastig ist, belegen nicht zuletzt Aussagen wie<br />

jene des Vereins für Konsumenteninformation (VKI: „industriefreundlich“, 1998) und<br />

des – noch EUnverdorbenen – damaligen EU-Agrarkommissars und späteren Gentechnik-Lobbyisten<br />

Franz Fischler („Interessen der Industrie sind überrepräsentiert,<br />

die Konsumenten werden kaum gehört“, 1995). Die so umschriebene Kommission<br />

legt Bewertungen von Zusatzstoffen, Höchstwerte für Pestizidrückstände, Kennzeichnungspflichten,<br />

Lebensmittel-Zusatzstoffe, Schadstoff-Grenzwerte und vieles<br />

mehr fest. Sie ist die weltweit höchste Instanz für Lebensmittelstandards.<br />

Ein Status, der jüngst vermehrt zu Kritik und apokalyptisch anmutenden Befürchtungen<br />

von Verbraucherschützern und Demokratiehygienikern Anlaß gibt. Dabei<br />

geht es primär um die näheren und ferneren Zielsetzungen, welche die Kommission<br />

verfolgt. Da gab es, anläßlich des Treffens in Calgary, im Mai 2009 den – für<br />

diesmal erfolglosen – Versuch, künftighin ein globales Verbot für die Kennzeichnung<br />

gentechnisch veränderter Nahrungsmittel zu erwirken. Wenngleich dieses –<br />

dem gleichen Wortbetrug wie der „freie Handel“ folgend – zunächst als „Aufhebung<br />

der Kennzeichnungsverpflichtung“ wortgepolstert wurde. Wenngleich sich die USA<br />

offiziell noch mit der Forderung bescheiden, die Bezeichnung „Gentechnik“ durch<br />

den entemotionalisierenden Verwässerungscode „Moderne Biotechnologie“ zu ersetzen.<br />

Da gibt es konkrete Pläne, die manchem lukullischen Freigeist das Wasser<br />

nicht im Munde zusammenlaufen, sondern schreckenserkaltet auf die Stirn treten<br />

lassen. So soll „alsbald möglich“ weltweit verfügt werden, daß Lebensmittel, inklusive<br />

Wasser, strengstens reglementiert werden. So werden Nährstoffe als Giftstoffe<br />

betrachtet, die aus Lebensmitteln zu entfernen sind, weil der Codex die Verwen-


dung von Nährstoffen zur „Vorbeugung, Behandlung oder Heilung � von Krankheiten“<br />

untersagt.<br />

Radioaktiv bestrahlte Lebensmittel<br />

Entsprechend weisen für den Handel zugelassene Vitamin- und sonstige Nahrungsergänzungspräparate<br />

stetig reduzierte Dosierungen auf. Mit der Möglichkeit<br />

einer Hypervitaminose (Befindlichkeitsstörungen aufgrund übermäßiger Vitamin-<br />

Zufuhr) hat das aber nichts zu tun. Vielmehr gelten die Nährstoffe den CAC-Vorbetern<br />

per se als potentielles Übel. Demzufolge soll eine Bestrahlung (etwa radioaktive<br />

Sterilisierung mit bis zu 10 Kilogray) sämtlicher Lebensmittel durchgeführt werden,<br />

um ebendiese „Giftstoffe“ unschädlich zu machen – wie es in den USA, an den Beispielen<br />

Kopfsalat und Spinat, bereits praktiziert wurde. Und wie sie WHO und FAO<br />

bereits 1999 vorschnell für völlig unbedenklich erklärt hatten. Parallel dazu legt die<br />

für Etikettierungsvorschriften zuständige Kommission fest, daß bezüglich nicht patentierbarer<br />

Pflanzen und Substanzen keinerlei Aussagen über deren etwaige gesundheitsfördernde<br />

Wirkungen ausgeschildert werden dürfen. Dieses Privileg soll<br />

künftig Erzeugnissen der Pharmaindustrie (etwa dem aus Industrieabfällen erzeugten<br />

Fluorid) vorbehalten bleiben. Oder aber auch den mit dieser, meist als Tochter,<br />

in engem Verwandtschaftsverhältnis stehenden Gentechnik-Konzernen.<br />

Als Kulisse für diesen Zweck wurde in der EU 2005 die Alibi-Diskussion entfacht, wie<br />

Arzneimittel und Kosmetika künftig voneinander abgegrenzt werden sollten. Diese<br />

und andere Spiegelfechtereien (etwa EU-Regelung für Nahrungsergänzungsmittel,<br />

2002/46/EG) bereiten den Boden für die baldige, undifferenzierte Übernahme der<br />

Codex-Vorgaben. Sodann wird eine weitere, akribisch geplante Zäsur auf dem Markt<br />

der Vitamin- und Mineralstoffquellen erfolgen. Immerhin lief mit 31.12.2009 jene<br />

Übergangsfrist ab, in der in den EU-Mitgliedsstaaten vom Brüsseler Reglement noch<br />

nicht tangierte Mineralstoff- und Nahrungsergänzungspräparate verwendet werden<br />

dürfen. Auch seit Jahrhunderten erfolgreich angewandten Heilkräutern soll es sonach<br />

an Blatt und Blüte gehen. Wegen ihres angeblichen Allergieauslösungs-Potentials<br />

seien die Heilpflanzen dem Verbraucher nicht zumutbar. Daß tatsächlich die<br />

dem Hygienewahn verfallene Blitzsauber-Gesellschaft das wissenschaftlich bestätigte<br />

Fundament für die meisten Allergien ist, wird zweckdienlich ignoriert.<br />

73<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

74<br />

Dafür gelten die Nahrungsmittelergänzungsbestimmungen, wie erwähnt, nicht für<br />

Arzneimittel, das bedeutet, nach dann gültiger Definition: die nebenwirksame Produktpalette<br />

der Pharmariesen. „Unsere Nahrungsmittel sollen Heilmittel, unsere Heilmittel<br />

Nahrungsmittel sein!“ Die Erfüllung dieses hippokratischen Wunsches rückt in<br />

immer weitere Ferne. Schließlich soll gleich auch jede Form von unabhängiger Ernährungsberatung<br />

untersagt sein und schließlich wird auch an der, heute noch sehr<br />

profunden Kompetenz der Apotheken gesägt, wie diverse EU-Vorstöße (etwa: Apothekenketten,<br />

die nicht von ausgebildeten Apothekern geführt werden,�) zeigen.<br />

Eine weitaus größere Säge wird seit Langem an der nationalstaatlichen Nahrungsmittelsouveränität<br />

angesetzt. Ihr Name: Grüne oder Agro-Gentechnik.<br />

Auf der Internetseite des österreichischen Gesundheitsministeriums liest sich ein<br />

entsprechender Passus zu den Codex Alimentarius-Richtlinien für gentechnisch veränderte<br />

Nahrungsmittel wie folgt: „� Die Ungleichbehandlung von gentechnisch<br />

veränderten und konventionellen Lebensmitteln könnte zur Irreführung von Verbrauchern<br />

führen und ist zu vermeiden. Mögliche Risiken dürfen nicht aufgebauscht<br />

werden und zu treffende Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein.“�“Mögliche<br />

Lenkungseffekte, zum Beispiel durch die Kennzeichnung von Lebensmitteln, müssen<br />

genau bedacht werden. Die Verzerrung des Wettbewerbs ist nicht gerechtfertigt.“<br />

Ähnlicher Tenor in einer Anfragebeantwortung des schweizerischen Bundesrates, in<br />

der es heißt: „Produktion, Industrie und Handel des Landwirtschafts- und Nahrungsmittelsektors<br />

haben ein besonderes Interesse, daß technische Hemmnisse<br />

den freien Handel mit Drittländern nicht behindern.“ Und weiter: „... Die WTO-Abkommen<br />

über sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen und über technische Handelshemmnisse<br />

beziehen sich direkt auf den Codex.“ Hier wie dort gilt das Prinzip<br />

der „substantiellen Äquivalenz“ (gentechnisch veränderter Nahrungsmittel gegenüber<br />

ihren natürlich, ökologisch oder konventionell hergestellten Pendants), das in<br />

den USA erstmals zu Beginn der 1990er-Jahre in die Welt gelogen wurde. Obwohl<br />

durch Studien vielfach ad absurdum geführt, wurde diese unhaltbare Propagandafloskel<br />

auch in der EU, speziell von ihren maßgeblichen Zulassungs- und Entscheidungsgremien<br />

(EFSA, Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, und<br />

Kommission) bereitwillig übernommen.<br />

EU-Regelungen im Sinne der Industrie<br />

Aus demselben unkritischen Zugang, der sich verstetigt dem Verdacht aussetzt, durch<br />

unabhängige Untersuchungen bestätigte Bedenken als Handels- und Geschäftshindernisse<br />

zu verniedlichen, erklärt sich die lückenhafte EU-Kennzeichnungspflicht für<br />

gentechnisch veränderte Nahrungsmittel, von der tierische Produkte bekanntermaßen<br />

ausgenommen sind. Solcherart erklärt sich auch die EU-Ökoverordnung, die eine Ver-


neunfachung des Grenzwertes für die erlaubte<br />

gentechnische Verunreinigung von<br />

Bio-Lebensmitteln von 0,1 auf 0,9 Prozent<br />

mit sich brachte. Bezeichnend hierbei der<br />

auch von der WHO verwendete Terminus<br />

„Verunreinigung“, der auf eine andere Bewertung<br />

hindeutet als sie bei einer bloßen<br />

Beimengung, ob „technisch unvermeidlich“<br />

oder nicht, der Fall wäre. Bezeichnend<br />

auch eine Stellungnahme der FAO, die<br />

noch im Jahr 2000 ausführlich zu den Risiken<br />

der Biotechnologie (zu der die Gentechnik<br />

zählt) Stellung bezieht und ganz<br />

konkret von „Giftstoffen“ und „Allergieaus-<br />

Nicht überall, wo „Bio“ draufsteht, ist auch<br />

„Bio“ drin. Laut EU-Ökoverordnung dürfen<br />

Bio-Lebensmittel bis zu 0,9 Prozent gentechnische<br />

Verunreinigungen enthalten.<br />

lösern“ spricht. In den USA indes beträgt der erlaubte Grenzwert der „Verunreinigung“<br />

von Bioprodukten satte zehn Prozent. Bis zu diesem Wert dürfen Waren das Biolebensmittel-Zertifikat<br />

des US-Landwirtschaftsministeriums tragen.<br />

Da die vielpropagierte Koexistenz von gentechnisch veränderter mit biologischer<br />

oder konventioneller Landwirtschaft aufgrund unvermeidlicher Auskreuzungen (Pollenflug,<br />

Bestäubung,�) eine leere Worthülse bleiben wird, ist es nur eine Frage der<br />

Zeit, bis die in der EU gültigen Grenzwerte jenen der USA angeglichen werden müssen<br />

– so lange, bis Bio von gentechnisch verändert, also verunreinigt, also kontaminiert,<br />

nicht mehr unterscheidbar und damit, als Gütezeugnis ablegende wie<br />

ideologisch ersatzreligiöse Marke, tot ist. Sodann ist vollzogen, was in den USA<br />

1992, unter George Bush sen., mit der Mär von der „substantiellen Äquivalenz“ strategisch<br />

ausgeklügelt begonnen wurde.<br />

Willkürliche Grenzwerterhöhungen für Schadstoffe, die Wiederzulassung bekannt<br />

toxischer, karzinogener und unfruchtbar machender Pestizide, die inflationäre Anwendung<br />

berüchtigter Rinderwachstumshormone, die bei den Tieren zu Lahmheit<br />

und Euterentzündungen, beim Menschen zu steigenden Zellteilungsraten und Tumorwachstum<br />

führen; die Festschreibung erlaubter Vitamindosen, die um das zehnbis<br />

tausendfache unter den gesundheitsrelevanten Wirkwerten liegen, all das könnte<br />

unumkehrbare Gültigkeit erlangen, sollten die WTO- und Codex-Mitgliedsstaaten<br />

ihre letzten Ausstiegschancen verschlafen (wollen). Anhaltende Unterversorgung<br />

des Körpers etwa mit Vitamin C (Ascorbinsäure) führt zu Arterienverkalkung, zu<br />

Herzinfarkt und Schlaganfall. Ein Mangel an Folsäure (Vitamin B9, B11) bedingt<br />

Hautprobleme und hat verheerende Auswirkungen auf das ungeborene Leben (mögliche<br />

Folge: Spina bifida, offenes Rückgrat). Fehlt es an Vitamin A (Retinol), ist das<br />

schlecht für Sehkraft und Zellwachstum. Fehlt es an den Vitaminen B1 (Thiamin)<br />

und B3 (Niacin), leiden Nervenkraft bzw. Konzentrationsfähigkeit. Die Vitamine B12<br />

75<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

76<br />

Soja, diese Bohne ist nicht ohne – Risiko<br />

Nicht weil bei Stichproben auch in Bio-Tofu gentechnische<br />

Verschmutzungen festgestellt wurden, ist der Tofu-Ausgangsstoff<br />

Soja besonders zu hinterleuchten. Vielmehr ist<br />

es die kurze Geschichte, die Soja als angeblich unentbehrliche<br />

– vor allem – Futterpflanze aufweist, die ebendiese<br />

angebliche Unentbehrlichkeit hinterfragenswert<br />

macht. Schließlich hat diese Frage auch akute Gentechnik-Relevanz,<br />

werden doch alleine in das „Gentechnikfreie“<br />

Österreich über 500.000 Tonnen Gen-Soja jährlich importiert. Und mit<br />

einiger Wahrscheinlichkeit auch vollständig verfüttert! Britische Forscher entdeckten<br />

die Spuren dieses transgenen Soja auch in menschlichen Därmen, was<br />

die Erzeugerpropaganda vom Nichtübergehen der künstlichen Gensequenzen<br />

vom derart gefütterten Tier auf den menschlichen Konsumenten als plumpe<br />

Schutzbehauptung entlarvt.<br />

Die Sojabohne ist eben kein traditionelles Nahrungsmittel, sondern eine strategische<br />

Entwicklung der Lebensmittelindustrie, die von Bauern weltweit lange nicht<br />

angebaut wurde. Das hat seinen guten Grund, ist die Bohne doch nicht nur roh,<br />

sondern auch nach dem Kochen giftig. Erst die industrielle „Toastung“ inaktiviere<br />

die enthaltenen Giftstoffe und mache die geschmacklose Bohne wenigstens genießbar.<br />

Auch bei Gen-Soja. So jedenfalls die Kunde der Industrie.<br />

Der japanische Gentechnik-Grundlagenforscher Prof. Masaharu Kawata bezweifelt<br />

das. Kochversuche von Gen-Soja hätten ergeben, daß erst nach halbstündigem<br />

Kochen bei 220 Grad Celsius die zur Verwertbarkeit des Gen-Soja<br />

erforderlichen Denaturierungen eingetreten wären. Keine Ölmühle der Welt toaste<br />

Gen-Soja aber derart lange bei so hoher Temperatur. Prof. Kawata erklärt<br />

deshalb: „Gen-Soja hätte nicht zugelassen werden dürfen� Das Ergebnis steht<br />

für mich in direktem Zusammenhang mit den gestiegenen Allergiezahlen. Daß<br />

Monsanto den Schluß zieht: Gen-Soja ist sicher, ist falsch, wahrscheinlich sogar<br />

kriminell.“<br />

Ob der Nährwert der Hülsenfrucht überhaupt den erfolgreichen oder -losen Aufwand<br />

wert ist, scheint generell fraglich, ist doch der Eiweißgehalt von Edamer-<br />

Käse oder Putenbrust (je 25 Prozent) deutlich höher als jener von Tofu (8<br />

Prozent). Ganz nebenbei ist Soja ein potentes Allergen, das Pollenallergiker meiden<br />

sollten. Ganz nebenbei hat Soja einen gewissen Gendereffekt, da es das<br />

hormonelle Gleichgewicht von Kindern irritiert, was unmittelbare Folgen auf die<br />

geschlechtliche Prägung hat. Nicht wenige Experten forderten daher bereits die


Verabreichung von Sojaprodukten wie Sojamilch an Kinder unter ärztliche Aufsichtspflicht<br />

zu stellen.<br />

Was das vertrauenerweckende Böhnchen mit werblich designtem Öko-Image<br />

auch zum Umweltfaktor macht, ist der Kahlschlag, der im Namen seines Siegeszuges<br />

praktiziert wird. Bis zu den 1970er-Jahren verschwanden 1,5 Millionen<br />

Hektar südamerikanischer Urwaldfläche durch die Offensive des Sojaanbaues.<br />

Danach begann die Zerstörung riesiger, artenreicher Savannen zugunsten der<br />

pappigen Giftbohne. Die Rinderbarone, von denen man die Savannenböden<br />

kaufte, wanderten ihrerseits in den Regenwald, wo nunmehr sie das Verwüstungswerk<br />

der Soja-Weltbeglücker fortsetzten.<br />

(Cobalamin), B6 (Pyridoxin) B2 (Riboflavin) und B5 (Pantothensäure) sind bedeutsam<br />

für Blut- bzw. Hämoglobinbildung bzw. die Wundheilung, womit absehbar ist,<br />

wozu ihr Fehlen führen kann. Vitamin B7 (Biocin) ist wichtig für Haut, Haare und<br />

Nägel und schützt vor Hautentzündungen. Das hormonähnliche Vitamin D (Calciferol)<br />

ist für die Kalzium- und Phosphoraufnahme unerläßlich und unterstützt das Immunsystem<br />

als Provitamin D3. Vitamin E (Tocopherol) stärkt die Abwehrkräfte und<br />

unterbindet Gefäßablagerungen. Vitmain K (Phyllochinon) schließlich spielt eine bedeutende<br />

Rolle bei Blutgerinnung und Knochenaufbau.<br />

Unsere, dank der ersten „grünen Revolution“, vom jahrzehntelangen Raubbau der<br />

Intensivlandwirtschaft, Überdüngung,� ausgelaugten Böden weisen frappante<br />

Nährstoffrückgänge auf, die mitunter über 70, selten über 80 Prozent betragen und<br />

entsprechende Auswirkungen auf die auf diesen Böden angebauten Feldfrüchte<br />

haben. Das gilt allerdings nicht nur für Vitamine, sondern auch für lebensnotwendige<br />

Mineralstoffe wie Magnesium oder Kalzium. Was bleibt als Resümee? Vielschichtige<br />

Vergiftungen und chronische Mangelernährung als Programm! Aber wem nützt es?<br />

Können nicht auch Konzerne und Oligopole nur Profite erzielen, solange brave, weil<br />

werbegebeugte oder vom Seuchengespenst verängstigte Kunden ihre Produkte<br />

kaufen? Oder geht der Plan der Strippenzieher über ein Milliardenheer duldsamer<br />

Patienten und Kunden der Pharmamultis noch hinaus?<br />

Ein Verbündeter weniger<br />

Schwarz-Gelb waren die Farben der Monarchie, mit der 1893 die Geschichte des<br />

Codex Alimentarius begann. 2011 ist es eine leider vergebliche Forderung an<br />

Schwarz-Gelb in Berlin, sorgsam zu überlegen, wie den bekannten Gefahren einer<br />

heraufdämmernden Nahrungsmittel- und Mangelernährungsdiktatur rechtzeitig begegnet<br />

werden kann. Denn die von Umfragetief zu Umfragetief torkelnde Berliner<br />

Koalition ritt auf der mittlerweile abgeflauten, transatlantisch orientierten Wester-<br />

77<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

78<br />

Auch Deutschland fährt einen<br />

klaren Pro-Gentechnik-Kurs...<br />

welle nicht nur lange Zeit einen (schließlich<br />

durch die Vorfälle im japanischen<br />

AKW Fukushima erschütterten) ungeteilten<br />

Pro-Atomkraft-, sondern reitet unverändert<br />

auch einen klaren<br />

Pro-Gentechnik-Kurs. Tragisch für Österreich,<br />

haben wir unsere noch aufrechten<br />

Genmais-Anbauverbote doch dem bisherigen<br />

Abstimmungsverhalten der Deutschen<br />

bei den entsprechenden<br />

EU-Ministerräten zu verdanken. Daß<br />

trotzdem noch etwas bewegt werden<br />

kann, zeigt etwa das Beispiel Australien.<br />

Um die im Falle eines späteren Zuwiderhandelns gegen Codex-Vorgaben drohenden<br />

Wirtschaftssanktionen präventiv abzuwenden, hat die Therapeutic Goods Administration<br />

(TGA) erwirkt, daß die Codex-Richtlinien für Vitamin- und<br />

Mineralstoffnahrungsergänzungsmittel in Australien keine Gültigkeit erlangen werden.<br />

Die restsouveränen 27 EU-Mitgliedsstaaten, die dem Codex ebenso beigetreten<br />

sind wie bezeichnenderweise gesondert und zusätzlich die Brüsseler Union, sollten<br />

raschest erkennen: Wird verabsäumt, den Anfängen zu wehren, droht – Lissabon<br />

läßt grüßen! – ausweglose Entmündigung. Man geriete, um der schwedischen EU-<br />

Innenkommissarin die zweifelhafte Ehre anzutun, in einen unentrinnbaren Malmström.<br />

Das Modell politischer Rundumgefälligkeiten für, wenngleich kriselnde doch<br />

finanzkräftige Industrien, fand indes seine jüngste Fortführung in der rein virtuellen<br />

Schweinegrippe-“Pandemie“. Hier wurden weltweit nicht nur zig Milliarden Euro<br />

lockergemacht, um hunderte Millionen Dosen eines in seinen Neben- und möglicherweise<br />

-Wirkungen ungeprüften Serums anzukaufen. Hier rief Barack Obama<br />

nicht nur den nationalen Notstand und zur breiten Beteiligung an den beginnenden<br />

Massenimpfungen auf, die auch in Impf-Centern „abseits des normalen Krankenhausbetriebes“<br />

vorgenommen werden konnten. Nein, hier wurde von seiner Gesundheitsministerin<br />

Kathleen Sibelius auch ein Erlaß unterzeichnet, der die<br />

Hersteller von Schweinegrippe-Impfstoffen präventiv rechtlich immunisiert, sprich:<br />

mögliche Schadenersatz-�-Klagen etwaiger Geschädigter, Angehöriger oder Hinterbliebener<br />

verunmöglicht.<br />

Das eng verwobene Netzwerk aus Lobbyisten, der von deren Arbeitgebern in Entscheidungsgremien<br />

platzierten Helfer und – nicht immer nur von fachlicher Kompetenz<br />

und Umsicht „überzeugten“ – politischen Vollzugsgehilfen agiert mit<br />

verblüffender Effizienz. Das rechtliche Skelett zur Umsetzung ertragreicher industrieller<br />

Großoffensiven wird, neben deren Medienbeteiligungen, die einer geson-


derten Aufarbeitung bedürften, nicht zuletzt an den Mitgliedschaften an Hoheitsrechten<br />

verschlankter Nationalstaaten in überstaatlichen Gremien deutlich. So<br />

haben sich die Mitgliedsländer der WTO verpflichtet, den Codex Alimentarius einzuführen.<br />

So ist ein EU-Austritt Voraussetzung, um aus der WTO*** austreten zu<br />

können, der ihrerseits den Rücken kehren muß, der dem Codex entgehen möchte.<br />

Dem allem die übergeordnete Regie abzusprechen, mag von manchem modischen<br />

Verdacht befreien, fällt einer wachsenden Zahl kritischer Beobachter aber zunehmend<br />

schwer.<br />

Auch gewohnheitsmäßige Vorsicht gegenüber kruden Verschwörungstheorien<br />

schützt längst nicht mehr vor schreckensvollen Szenarien und allzu realen Zukunftsängsten.<br />

Die ob „hygienischer Maßnahmen“ erfolgende Sterilhaltung unserer<br />

Kinder, ihre physische und mentale Schädigung durch Falschernährung, Bewegungsmangel<br />

und ausufernden Medienkonsum (selbst amerikanische Studien belegen<br />

inzwischen den Zusammenhang von Vielfernsehen und Depressionen), die<br />

weitere Massenverfrachtung von Menschen in lebenswidrige, jedoch leicht verwaltund<br />

kontrollierbare Megametropolen, die Zerschlagung demokratischer Strukturen<br />

(Politikerverdrossenheit), gewachsener Identitäten (Massenzuwanderung) und Nationalstaaten<br />

(Souveränitätspreisgabe) sowie natürlicher Geschlechterrollen (Gender<br />

Mainstreaming), die Proklamation inszenierter Weltprobleme („Welthunger“,<br />

„Klimawandel“ – Weltklima, „Pandemie“ – Weltseuche,�), die RFID-Chips und allgegenwärtigen<br />

Augen des Überwachungs(welt)staates, alles das sind Mosaiksteinchen<br />

im Bild des pflegeleichten, beliebig steuerbaren, beliebig austauschbaren<br />

Weltbürgers nach kosmokapitalistischem, tyrannischem Ideal.<br />

Wohin der Weg auch führt, die nächste Sitzung des Exekutivkomitees der Codex-<br />

Alimentarius-Kommission wird ihren Beitrag zur Weichenstellung leisten. Die wenigsten,<br />

die daran teilnehmen und Hochbrisantes unbesehen durchwinken, die<br />

wenigsten, die zuschauen und nicht adäquat darüber berichten, die wenigsten, die<br />

ihre Völker achselzuckend der Geiselhaft der allesverschlingenden Welt(nicht)ernährungsmonopole<br />

ausliefern, wissen, was sie kommenden Generationen antun.<br />

Der damit auf ihre Schultern geladenen Verantwortung zu entbinden sind sie deshalb<br />

aber nicht.<br />

* Die Situation wird durch grob unfaire Wettbewerbsverzerrungen verschärft. So gelten<br />

in Österreich und der BRD sehr viel strengere Tierschutzbestimmungen als in<br />

anderen EU-Staaten. Die Bauern hierzulande werden also durch ein dichtes Regelwerk<br />

und höheren finanziellen Aufwand gegängelt, während in z. B. Spanien oder<br />

Polen munter drauflos ge-land-wirtschaftet wird. Der deutsche Selbstversorgungsgrad<br />

bei Eiern etwa lag 2001 noch bei über 75%. Bis 2010 sackte er auf unter 60%<br />

ab. Hauptursache ist das in der BRD geltende Käfighaltungsverbot, das in der übrigen<br />

EU größtenteils nicht gilt. Man kann sich einmal mehr schwerlich des Eindrucks<br />

erwehren, daß EU-Regularien bevorzugt zu Lasten des deutschsprachigen Mittel-<br />

79<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

80<br />

europa gehen. Wie seriös und aufrichtig Tierschutz ist, der da bevormundet und dort<br />

die schlimmst denkbaren Tierfabriken erlaubt, ist dagegen unschwer zu beurteilen.<br />

** Die jährlich wachsende Menge weggeworfener Lebensmittel untermauert das.<br />

Restmüllanalysen im Burgenland ergaben, daß von den 102 Kilogramm Restmüll,<br />

die jährlich pro Kopf anfallen, 8% Lebensmittel sind. Davon wiederum sind 5% noch<br />

originalverpackt. Das Ergebnis für das Burgenland pro Jahr lautet 2.400 Tonnen<br />

weggeworfener Lebensmittel (davon 1.500 Tonnen in Originalverpackung). In der<br />

BRD landen alljährlich rund 20 Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll. Das<br />

sind 500.000 Lastwagenladungen, die aneinandergereiht von Berlin bis Peking<br />

reichten. Jede zweite Erdäpfel, jeder zweite Salat und jedes fünfte Brot endet auf<br />

dem Müll. Ein Großteil der Feldfrüchte, die ohne Verdauungsumweg zu Mist werden,<br />

wird bereits auf dem Feld vernichtet. Begründung: EU-Normen wie vorgeschriebene<br />

Krümmungswinkel,... Stellt man dieser Massenvernichtung von Nahrung im konventionellen<br />

Bereich die ökologische Landwirtschaft gegenüber, so schneidet diese<br />

sehr viel ressourcenschonender ab. Denn es darf nicht vergessen werden, daß die<br />

massiv geförderte Massenagrarwirtschaft (45% des 126-Milliarden-Euro-EU-<br />

Budgets gehen in die Landwirtschaft) zu überdüngten Äckern, mit Nitrat und Pestiziden<br />

verseuchtem Trink- und Grundwasser und mannigfachen weiteren Umweltund<br />

Kollateralschäden führt. – Für Überproduktionen, die auf Deponien statt auf Tellern<br />

landen!<br />

*** Die Stellung der EU zur WTO äußert sich, mehr noch als in den sterilen Buchstabenreihen<br />

ungnädiger Selbstentrechtungsregularien, in den Stellungnahmen der<br />

EUrokratie. Man hoffe darauf, daß es mit dieser oder jener Regelung, dank dieses<br />

oder jenes Entgegenkommens, keine Klage der WTO geben werde, wird da gerne<br />

formuliert, als gälte es die Gnade überirdischer Instanzen zu erbetteln. Diese „Hoffnung“<br />

wird deshalb häufig ventiliert, weil WTO-Gebote dem Willen der Europäer zumeist<br />

diametral entgegenstehen. Daß diese den Ausverkaufsverhandlern ihrer<br />

vorgeblichen Brüsseler Vertretung die Letztentscheidungskompetenz der WTO zu<br />

verdanken haben, wird wohlweislich nicht erwähnt. Man bescheidet sich damit, die<br />

selbst inthronisierten zu höheren Mächten zu stilisieren, ganz so wie man die Ursachen<br />

der Europa zunehmend überschwemmenden Flüchtlingsströme als Naturgesetz<br />

hinstellt, um von eigener Verantwortlichkeit und Verantwortungsverweigerung<br />

abzulenken.


Ausverkauf an allen Fronten<br />

Die Landwirtschaft ist, wenngleich ein monumental wesentlicher, nur ein ressourcengebundener<br />

Parameter der Selbstbestimmungsfähigkeit. Der Verlust der Verfügungsgewalt<br />

über die eigenen agrarischen Erzeugnisse bzw. der agrarischen<br />

Importunabhängigkeit, kurz: der Selbstversorgungsfähigkeit, bedeutet für den Staat<br />

zwangsläufig Souveränitätsverlust, ja -verunmöglichung. Nicht zuletzt aufgrund seiner<br />

prioritären Stellung in der Lebens- und Überlebenssicherung kommt dem Wasser<br />

eine selbst der Lebensmittel- und Energieversorgung überzuordnende<br />

Bedeutung zu. Wie ist es aber um die künftigen Besitzverhältnisse, und damit: Verfügungsrechte,<br />

in Österreich bestellt? Angesichts der auch in diesem Bereich an<br />

Nachdruck zunehmenden Liberalisierungstendenzen nicht zum Besten.<br />

Grundsätzlich ist festzuhalten, daß, wo die Wasserversorgung privatisiert wurde,<br />

Wasserqualität und Versorgungssicherheit in dem Maße abnahmen, in dem umgekehrt<br />

die Verbraucherpreise anstiegen. Wegen mangelhafter oder, weitaus häufiger,<br />

gar nicht durchgeführter Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten war eine<br />

Reprivatisierung in vielen Fällen unumgänglich. Übrig blieb ein herbes Defizit in den<br />

jeweiligen kommunalen Budgets, das durch wiederum erhöhte Verbraucherpreise<br />

ausgeglichen werden mußte. Nichtsdestoweniger finden spekulative Aufkäufer, wie<br />

seit Jahr und Tag in diesem Geschäftsfeld aktive Unternehmen, immer wieder unkritische<br />

politische Verantwortungsträger, die sich zu Neuauflagen eines weltweit<br />

vielfach gescheiterten Liberalisierungsexperiments verleiten und hinreißen lassen.<br />

Nun versicherte Ex-Außenministerin Ursula Plassnik zwar wortreich, daß die EU<br />

beim Wasser auch künftig nichts gegen „unseren Willen“ tun könne. Tatsache ist<br />

aber, daß das Einstimmigkeitsprinzip mit Inkrafttreten des EU-Verfassungsvertrages<br />

auch im Bereich Wasser hinfällig ist. Das vereinfachte Änderungsverfahren, in<br />

Verbindung mit der sogenannten Solidaritätsklausel, ermöglicht es dem Europäischen<br />

Rat, über Österreichs Ressourcen, auch seine Wasserreserven, nach Belieben<br />

zu verfügen, ohne das österreichische Parlament in diesen<br />

Entscheidungsprozeß überhaupt einbinden zu müssen. Frau Plassniks Beruhigungspille<br />

war ein rhetorisches Placebo ohne jede europäische Wirkkraft.<br />

Österreichs Wasserschatz ist heiß begehrt<br />

Es war wohl alles andere als Zufall, wenn genau einen Tag nachdem der österreichische<br />

Nationalrat am 9. April 2008, mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen,<br />

den EU-Verfassungsvertrag ratifiziert hatte, Spanien erste diesbezügliche Begehrlichkeiten<br />

anmeldete. Via Brüssel lancierten die Iberer einen Vorstoß und mahnten<br />

die „europäische Wassersolidarität“ ein. Nun hat Spanien ein veritables Wasser-<br />

81<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

82<br />

problem, das allerdings hausgemacht ist. Wasservergeudung, illegale Brunnenbohrungen<br />

und Intensivlandwirtschaft lassen im Süden Spaniens die erste Wüste<br />

des europäischen Kontinents entstehen und sorgen landesweit für – noch – temporäre<br />

Engpässe (siehe dazu Kapitel Wasser, Urstoff des Lebens). Dieser Umstand<br />

wird die Eurokratie in den Brüsseler Tintenburgen jedoch wenig beeindrucken, geht<br />

es eines Tages darum, zur transeuropäischen Wasserumverteilung zu schreiten.<br />

Österreich wird nicht befragt, sein Wasserschatz von einem supranationalen, demokratisch<br />

nicht legitimierten Gremium mehr oder weniger konfisziert werden. Zur<br />

Bedrohung einer möglichen Liberalisierung aus Profitgründen gesellt sich damit die<br />

im Falle Österreichs akutere Bedrohung einer plumpen Entrechtung, respektive Beschlagnahme.<br />

Dasselbe Spanien führt uns gleichzeitig den jammervollen Zustand der westlichen<br />

Industrienationen vor Augen, indem es an der Golfküste um die Aufrechterhaltung<br />

seiner Liquidität bettelt. Haben die europäischen Regierungen noch im Frühjahr<br />

2008 das Eindringen arabischer und/oder chinesischer Staatsfonds händeringend<br />

abgelehnt, war dieses Bekenntnis bereits im Oktober 2008 hinfällig. Spaniens Regierung<br />

flehte im Reich der Scheichs, arabische Staatsfonds mögen doch spanische<br />

Staatsanleihen kaufen, um den Iberern Liquidität zu verschaffen. Der mit ihren<br />

Rohstoffen, sprich dem Erdöl, erwirtschaftete Reichtum gibt den Golfstaaten die<br />

Möglichkeit, öffentliche Schulden westlicher Industrienationen zu kaufen. Auch hier<br />

wird die allgegenwärtige Finanz- und Bankenkrise schlagend. Das politisch geduldete,<br />

ja oftmals politisch forcierte Herabwirtschaften westlicher Geldinstitute durch<br />

abenteuerlichste Geschäftsgebarung und wildeste Spekulationen führte dazu, daß<br />

sich asiatische, russische und arabische Fonds auf breiter Front in die westlichen<br />

Banken einkauften. Dies mag in letzter Konsequenz als Hinweis auf die Kräfteverschiebungen<br />

innerhalb der Staatengemeinschaft gelten, die in bedrückenden wirtschaftlichen<br />

Realitäten enden, die Schwellenländer auf der Überholspur, die alten<br />

Ökonomien Europas – und damit das Modell des Sozialstaats – aber auf dem absteigenden<br />

Ast sehen. Es steht per se zu bezweifeln, daß das heutige politische<br />

Österreich jemals im Interesse der eigenen Volkswirtschaft handeln und finanziellen<br />

Nutzen aus der Verwertung seiner Wasserressourcen ziehen würde. Es ist im skizzierten<br />

Fall der Einmahnung der Solidaritätsklausel durch einen anderen EU-Mitgliedsstaat<br />

gar nicht in der Lage, einen solchen Schritt, ernsthaft oder theoretisch,<br />

in Erwägung zu ziehen. Schließlich umfaßt diese Klausel nicht nur durch Naturgewalten,<br />

sondern auch durch Menschenhand ausgelöste Katastrophen. Und damit<br />

auch den drohenden, selbst verursachten spanischen Wassernotstand.<br />

Ressourcen zum eigenen Vorteil zu nutzen oder aber im Zuge der Globalisierung*,<br />

der sich in einem „Liberalisierung“ getauften Staats- und Volksenteignungsprozeß<br />

ungehindert entfaltenden Konzernokratie preiszugeben, ist der Richtungsentscheid,<br />

der die künftige Weltordnung maßgeblich prägen wird. Viel wurde bereits darüber<br />

diskutiert, ob und worin autokratische Regime den westlichen Demokratien überlegen<br />

seien. Unter dem Aufhänger des „Systemwettbewerbs“ wird moniert, daß etwa


die hohen Energiepreise nicht nur auf die unsichtbare Hand des Marktes, sondern<br />

insbesondere die aufgehaltene Hand der Autokraten zurückzuführen sind. Wirtschaftliche<br />

Abgrenzung, scharfe Kontrollen der Waren- und Finanzströme und offensivere<br />

Außenpolitik werden als Lösungsansätze empfohlen. Beides wird, unter<br />

Berücksichtigung einer zwischen Helfersyndrom und Paralyse taumelnden EU-Nomenklatura<br />

und der bedingungslosen Unterwerfung unter das Joch der Globalisierung,<br />

bloßes Wunschdenken bleiben.<br />

Zurück aber zum blauen Gold der Alpen.<br />

Entgegen ministerialer Lippenbekenntnisse<br />

hat der Ausverkauf des österreichischen<br />

Wassers längst begonnen. Der lange Arm<br />

der Globalisierung hat den vordergründig<br />

achtsam gehüteten flüssigen Schatz längst<br />

auf mehreren Ebenen angezapft. Mit Römerquelle,<br />

Markusquelle und etlichen anderen,<br />

sind renommierte österreichische<br />

Mineralwasser-Marken heute in Händen<br />

multinationaler Konzerne, die in Österreich<br />

zwar keine Arbeitsplätze schafften, dafür<br />

aber reiche Profite abzweigen. Jüngstes Abbausteinchen<br />

einer von der Öffentlichkeit<br />

weithin unbemerkten Ausverkaufspolitik ist die burgenländische Waldquelle Kobersdorf,<br />

die an die tschechische Carlsbader Mineralwasser AG ging. Ein Geschäft,<br />

bei dem bezeichnenderweise die schwarze Raiffeisen-Landesbank ihre Finger im<br />

Spiel hatte. Der ÖVP ist offensichtlich kein Stück Familiensilber in unserem Land<br />

heilig. Kostbarstes Volksvermögen wird verscherbelt wie alte Heringe auf dem Fischmarkt.<br />

Während die Privatisierung von ATW (Austria Tabakwerke), Post, ÖBB und<br />

AUA jedoch über eine mehr oder minder öffentliche Bühne gingen und gehen, wird<br />

der Zugriff auf das Wasser klammheimlich vollzogen, um empörte Reaktionen der<br />

Österreicher gar nicht erst aufkommen zu lassen. Wenn sie dann eines Tages informiert<br />

werden, wird es zu spät sein und der quellende alpine Wasserschatz längst<br />

zur Einkommens-Quelle der Rohstoffmonopolisten degradiert sein. Auch in die unmittelbare<br />

Trinkwasserversorgung wurde bereits eingegriffen. So wurde der Klagenfurter<br />

Wasserdienstleister Aquassist zunächst ausgelagert, um am Gemeinderat<br />

vorbei verjubelt werden zu können. Dem politischen Zugriff entzogen, kam, was, der<br />

Liberalisierungsmanie folgend, kommen mußte. Aquassist wurde von den Klagenfurter<br />

Stadtwerken an den französischen Wasserriesen Veolia verkauft.<br />

Der gesetzliche Rahmen ist deshalb in vielen Bereichen – dringend – renovierungsbedürftig.<br />

Ein Indiz dafür ist auch der Prozeß des Landes Salzburg gegen<br />

jenen Industriellen, der mit einem von den Bundesforsten erworbenen Grundstück<br />

83<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

84<br />

gleich auch strategisch wertvolle Wasserreserven aufkaufte. Zwar verbietet das Bundesforstegesetz<br />

in § 1 Absatz 3a den Verkauf von Wasserressourcen, die Klage des<br />

Landes wurde in erster Instanz aber dennoch abgewiesen, da das Land als Dritter<br />

hierzu nicht berechtigt gewesen wäre. – Obwohl ein Gutachten das Vorhandensein<br />

besagter Reserven bestätigt. Hier besteht akuter Handlungsbedarf. Schließlich wird<br />

auch aus den steirischen Wildalpen Quellwasser abgefüllt und international vermarktet.<br />

Österreichs Wasserreichtum ist Ziel zahlreicher Begehrlichkeiten, die mit<br />

fortschreitender Wasserverknappung und ausuferndem Spekulationskapital von potentiellen<br />

Krisengewinnlern weiter zunehmen werden. Die Bundesregierung hat es<br />

nicht verstanden, dem flüssigen Gold durch entsprechende gesetzliche Regelungen<br />

den ihm gebührenden Schutz zukommen zu lassen.<br />

Der Boden, der uns nährt<br />

Eine der wichtigsten Ressourcen ist der Boden, in und auf dem unsere Nahrung<br />

wächst. Nun hören wir häufig, daß auch eine wachsende Weltbevölkerung mit den<br />

verfügbaren Anbauflächen ernährt werden könnte, weil das Hungerproblem eben<br />

auf Verteilungsungleichgewichte und nicht auf mangelnde Kapazitäten zurückzuführen<br />

sei. Das ist nur bedingt richtig. Begrenzt verfügbare Flächen können dauerhaft<br />

unmöglich eine schrankenlos wachsende Anzahl von Menschen ernähren.<br />

Hinzu kommen Erosionsprozesse und andere, vor allem im Zuge der Intensivlandwirtschaft<br />

heraufbeschworene Bodenzerstörungen**. Hinzu kommen Nährstoffdefizite<br />

von auf ausgelaugten Böden gedeihenden Feldfrüchten. Wie bereits an anderer<br />

Stelle ausgeführt: Die Gehalte von<br />

Magnesium, Kalzium und anderen relevanten<br />

Inhaltsstoffen intakter, fruchtbarer<br />

Böden, liegen heute wesentlich<br />

niedriger als noch zu Mitte des 20.<br />

Jahrhunderts. Die auf solchen Böden<br />

gewachsenen Lebensmittel und Nahrungsmittelausgangsstoffe<br />

weisen<br />

Mängel auf, die sich als Mangelernährung<br />

auf den Konsumenten übertragen.<br />

Die Minderversorgten leiden<br />

aber nicht etwa an Hunger, vielmehr<br />

an der chronischen Nichtabdeckung<br />

lebensnotwendiger Stoffwechselbausteine<br />

trotz Sättigung. Fruchtbare<br />

Böden sind deshalb gefragt. Sie sind<br />

somit auch längst Gegenstand wüstester<br />

Spekulationen. Und sie sind<br />

Gegenstand eines Kaufwettbewerbes,<br />

an dem sich, neben Westeuropa


und den USA, vor allem China, Südkorea und Ölländer wie Saudi-Arabien beteiligen.<br />

Auf dem afrikanischen Kontinent befinden sich bereits über 20 Millionen Hektar in<br />

fremder Investorenhand. Häufig wird dabei Land – wenngleich mit Kaufvertrag –<br />

okkupiert, weil traditionelle Nutzungs- und Gewohnheitsrechte kein anerkannter Gegenwert<br />

für angestrebte Profite sind. Für die Finanziers lohnt sich die Landenteignung<br />

in jedem Fall. Einerseits werden, unter Inkaufnahme verheerender<br />

Umweltschäden, immer höhere Erträge aus mit immer mehr Chemie verseuchten<br />

Böden gepreßt. Andererseits verfügt der Bodenbesitzer stets auch über die auf seinem<br />

Grund vorhandenen Rohstoffe. Das sind, speziell in den von fremder Landnahme<br />

besonders betroffenen Entwicklungsländern, nicht wenige. Ein Drittel der 40<br />

meistbegehrten Rohstoffe ist der „Roten Gruppe“ zuzurechnen. Wo aber Verknappung<br />

droht, winken für den über die Mangelware verfügenden Besitzer satte Gewinne.<br />

Somit gehen belegte oder auch nur vermutete Vorkommen von<br />

Bodenschätzen, Ackerböden, Weideflächen und Anbauflächen für Energiepflanzen<br />

weg wie warme Semmeln. Und weg gehen, neben der lokalen Fauna und Flora,<br />

auch die einstigen Eigentümer und Nutzer des verlorenen Landes. Sie gehen zumeist<br />

genau dorthin, wo jener Geldadel sitzt, der sie bodenlos machte. Ohne Folgen<br />

für den Geldadel, mit drastischen Folgen für die Bevölkerung jener Staaten, wie weiter<br />

unten deutlich werden wird.<br />

Was wir nicht haben, aber brauchen<br />

Was Österreich nicht verschleudern kann, weil es unser Land zwar dringend benötigt,<br />

aber in nennenswertem Umfang nicht besitzt, sind mineralische Rohstoffe. Aus<br />

der BRD gibt es dazu eindrucksvolle Zahlen. Ein durchschnittlicher 80jähriger verbrauchte<br />

im Laufe seines Lebens 1.000 bis 1.100 Tonnen an Rohstoffen. Knapp 65<br />

Prozent davon entfallen auf mineralische Rohstoffe, also Metalle, Steine, Schotter,<br />

Industrieminerale und Erden. Letztere sind kürzlich in die Schlagzeilen geraten, weil<br />

über 95 Prozent der weltweiten Förderung sogenannter „seltener Erden“*** (die<br />

keine Erde im herkömmlichen Sinne sind; deshalb auch: Seltenerdmetalle) auf das<br />

Konto Chinas gehen. Das wurde auch manchem politisch korrekten Wissenschaftsredakteur<br />

bewußt, als China, mit der Begründung höheren Eigenbedarfes,<br />

die Exportmengen drosselte. Die westlichen Industriestaaten befinden sich dabei in<br />

einem derzeit ziemlich alternativlosen Abhängigkeitsverhältnis, was für entsprechende<br />

Sensibilität sorgt, sobald der chinesische Drache Krallen zeigt. Die rohstoffarmen<br />

Nationen Mitteleuropas beziehen mineralische Rohstoffe aber<br />

keineswegs nur aus China, sondern aus über 160 Staaten. Die meisten davon sind<br />

Entwicklungsländer, viele von unberechenbaren Staatsführungen regiert, die jedem<br />

mit natürlichem Selbstschutz Ausgestatteten sagen sollten: auf dieses Regime besser<br />

nicht angewiesen sein! Dazu bedürfte es der zeitgerechten Suche, nicht nach alternativen<br />

Lieferanten, sondern nach alternativen Ausgangsstoffen für industriell<br />

gefertigte Produkte. Im Idealfall Rohstoffe, die im eigenen Land verfügbar sind. Mit-<br />

85<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

86<br />

telfristig werden solche Überlegungen auch für jene anzustellen sein, die sich an Importabhängigkeiten<br />

nicht stoßen, weil das Währungssymbol in ihren Augen jeden<br />

volkswirtschaftlichen Weitblick verhindert. Zwar sind die weltweiten Ressourcen von<br />

mineralischen Rohstoffen nicht unmittelbar knapp. Ihr Vorhandensein ist aber endlich,<br />

weil das auch ihr Vorkommen ist. Recycling wäre ein möglicher, aber stets nur<br />

einen Anteil des wachsenden Bedarfs abdeckender Ausweg.<br />

Ressourcenlügen zählen zu den schlimmsten ihrer Unart. Da gibt es etwa die Kennzeichnungslüge,<br />

die über das Fehlen von Ausgangsstoffen in den Produktnamen<br />

prägenden Regionen hinwegtäuscht. Unverändert gestattet die EU-Gesetzgebung,<br />

im Rahmen „regionaler Spezialitäten“, die grobe Irreführung der Verbraucher. Die<br />

Rohstoffe, aus denen Schwarzwälder Schinken, Tiroler Speck oder Milchprodukte<br />

aus der „Mark Brandenburg“ hergestellt werden, müssen keinesfalls aus der im Produktnamen<br />

angegebenen Region stammen. Selbst dann nicht, wenn es sich um<br />

„geographisch geschützte Angaben“ handelt. Unverändert besteht in der EU eine<br />

mangelhafte Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel. Auch<br />

die von Deutschlands Agrarministerin Ilse Aigner präsentierte „Ohne Gentechnik“-<br />

Deklaration ist fadenscheinig. So ist die für den Erhalt des Aufdrucks erforderliche<br />

Garantie-Zeit, in der Tiere nicht gentechnisch gefüttert werden dürfen, eng befristet.<br />

Bei Schweinen sind es die letzten vier Monate vor der Schlachtung, bei Milch produzierenden<br />

Tieren drei Monate, bei für die Eierproduktion gehaltenem Geflügel<br />

sechs Wochen. Wollte der Gesetzgeber substantielle Regelungen vorgeben, er hätte<br />

die Möglichkeit dazu. Aktuell werden 30 Prozent der Futtermittel nach Europa im-<br />

Wer uns den Boden unter den Füßen wegzieht, wegkauft<br />

oder vergiftet, nimmt uns das Recht zu leben. Nicht zuletzt<br />

die Bodenaufkäufe Chinas und arabischer Staaten zeigen<br />

die enorme Wichtigkeit dieser unwiederbringlichen, und leider<br />

wieder einmal als Spekulationsobjekt mißbrauchten<br />

Ressource.


portiert. Davon ist ein erheblicher Teil (vor allem Soja) gentechnisch veränderten<br />

Ursprungs. Es gebe aber zum einen ausreichend gentechnikfreie Futtermittel auf<br />

dem Weltmarkt (alleine Brasilien könnte das Gros des gesamteuropäischen Bedarfes<br />

abdecken), zum anderen wäre eine Rückkehr zur geschlossenen Kreislaufwirtschaft,<br />

in der der Landwirt die für seine Tiere benötigten Futtermittel selbst herstellt,<br />

kurzfristig möglich. Stattdessen wird importiert, um in Europa gewaltige Überschüsse<br />

an Fleisch zu produzieren, die dann, als Billigware nach Afrika verschifft, die dortigen<br />

regionalen Märkte ruinieren, was wiederum Hunderttausende ihrer Existenzgrundlage<br />

beraubte Afrikaner als „Umweltflüchtlinge“ nach Europa treibt. Dabei an<br />

eine übergeordnete Regie zu glauben sei jedermann unbenommen. Das gleiche<br />

Szenario zeigt sich in der Fischereiwirtschaft, wo die EU mit hunderten Euromillionen<br />

Fischereirechte an Afrikas Küsten erwirbt. Als Folge dieser, primär Spanien zugutekommenden<br />

marinen Schnäppchenjagd werden die afrikanischen Fischer<br />

fisch-, brot- und arbeitslos und entweder zu Piraten, die europäische Schiffe kapern,<br />

oder aber zu Flüchtlingen, die sich in Europa zurückholen, was EUropa ihnen genommen<br />

hat. Die Vertreibung der ansässigen Bevölkerung wird massiv auch durch<br />

das weiter oben behandelte Land Grabbing verstärkt und beschleunigt. Daran sind<br />

auch Staaten aus außereuropäischen Weltregionen beteiligt, die Folgen aber wird,<br />

aufgrund geographischer Realitäten, alleine Europa zu spüren bekommen. Die ökonomische<br />

Selbsterhaltungsfähigkeit, die EUropa den Afrikanern heute nimmt, werden<br />

die Staaten Europas schon morgen durch unvorstellbar weitreichende eigene<br />

Souveränitäts- und Sicherheitsverluste bezahlen müssen. Obzwar dies im vorliegenden<br />

Buch nicht Gegenstand der Erörterung ist, sei darauf verwiesen, daß die<br />

Summe der solcherart Heimatvertriebenen, der bereits in Europa befindlichen über<br />

10 Millionen illegalen Afrikaner (eine Zahl, die selbst der sozialistische spanische<br />

Regierungschef Zapatero bestätigt) und der 30 bis 50 Millionen Menschen umschließenden<br />

Woge der „Klimaflüchtlinge“ (die in Bälde als Flüchtlinge gemäß der<br />

Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden sollen!) für den „alten“ Kontinent<br />

und seine vergreisenden Bewohner nicht bewältigbar sein wird. Statt aber rechtzeitig<br />

gegenzusteuern und den Menschen vor Ort zu helfen, sorgen EU-Förderprogramme<br />

und Subventionsprioritäten für eine Verschärfung der Situation. Da es sich<br />

bei den zig Millionen potentiell dauerhaften Besuchern Europas zu 90 Prozent um<br />

vitale, junge Männer**** handelt, bekommt die Lage zusätzliche Sprengkraft, die in<br />

simplen biologischen Mechanismen wurzelt, die dem Verständnis der EU-Oberen in<br />

ihrer heillos weltentrückten Dimension entglitten sein dürften.<br />

Wertevernichtung durch Transit und Cross Border Leasing<br />

Gleiches gilt für weitere, durch Schnittmengen mit anderen Politikfeldern bezeichnete<br />

umweltpolitische Segmente. Etwa den Alpentransit. Nach Auslaufen des mit<br />

fahrlässig kurzer Gültigkeit ausverhandelten Transitvertrages, explodierte der<br />

Schwerverkehr durch Österreich. Zunächst in Nord-Süd-Richtung, seit der EU-<br />

87<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

88<br />

Dank der EU überrollt eine wachsende<br />

LKW-Transitlawine Österreich.<br />

Osterweiterung vermehrt auch in Ost-West-Richtung. Trotz der weit ins vorige Jahrhundert<br />

zurückreichenden Pläne für den „Ausbau der Schiene“, rollen durch Österreich<br />

heute doppelt so viele Transitfahrten wie durch Frankreich und die Schweiz<br />

zusammen. Streckenweise sind seit dem österreichischen EU-Beitritt 1995 Verachtbis<br />

Verzehnfachungen des Schwerverkehrsaufkommens zu verzeichnen. Die Zunahme<br />

von Atemwegserkrankungen bei Kindern hat darin ebenso ihre Ursache wie<br />

eine Vielzahl weiterer, auf die gravierende Lärm- und Luftverschmutzung zurückgehender<br />

psychischer und physischer Befindlichkeitsstörungen. Der von Brüssel<br />

geplante Einsatz von Mega-Trucks (25 Meter Länge, 60 Tonnen) wird das Problem<br />

vielleicht ver-, entschärfen mit Sicherheit nicht. In Skandinavien werden mit Steuermitteln<br />

bereits Straßenadaptionen für die Monstertrucks vorgenommen, was als erster<br />

Realisierungsschritt ernstgenommen werden sollte.<br />

Dieser komprimierte Auszug umwelt- und souveränitätspolitischer Fehlleistungen,<br />

der von auch nur annähernder Vollständigkeit weit entfernt ist, hat den gemeinsamen<br />

Nenner: auf Geheiß Brüssels, im Dienste der Globalisierung, Österreich und seiner<br />

Bevölkerung, ob als Konsumenten, mit den Menschenrechten auf Leben, körperliche<br />

Integrität und Gesundheit sowie auf Unversehrtheit der Umwelt ausgestattete<br />

Staatsbürger oder als Steuerzahler, abträglich. Die Primärursachen für die Erosion<br />

des Vaterlandes sind mannigfach und oftmals oktroyiert, die abtragenden Kräfte<br />

aber heißen ÖVP, SPÖ und, mit geringerer Möglichkeit, weil geringerer Entscheidungskompetenz<br />

zur Schadensstiftung, Grüne.<br />

Zum Stichwort Ausverkauf muß abschließend noch auf eine besonders zwielichtige<br />

Spielart dieses Prozesses eingegangen werden. Ermöglicht wird sie primär durch<br />

das bereits erwähnte WTO-Abkommen GATS. Spezialität dieses Abkommens, dessen<br />

Verträge in Geheimverhandlungen festgeschrieben werden, ohne einem Meinungsbildungsprozeß<br />

oder parlamentarischer Kontrolle unterworfen zu werden, ist<br />

die Ermöglichung zweckentfremdender Privatisierungen elementarer Versorgungseinrichtungen<br />

und Infrastrukturen, etwa im Energie- und Wasserbereich, aber auch<br />

im Gesundheitswesen. Das genannte zwielichtige Modell verkörpert genau diese<br />

Widersinnigkeit: Infrastruktur wird (ins Ausland) verkauft und hinterher, in so absurder<br />

wie unberechtigter Gewinnerwartung, zurückgeleast. Aktivitäten im Cross Border<br />

Leasing werden von den sie verantwortenden Politikern, nicht zuletzt dank<br />

hunderter Seiten – nicht nur weil in Englisch gehaltenen – unverständlichen Ver-


tragstextes, nicht ansatzweise durchblickt. Nichtsdestoweniger wurde nicht nur beim<br />

Verkauf der Energie AG ein solches Modell (über die selbst bankrottierende, amerikanische<br />

AIG) ventiliert, um lebensnotwendige<br />

österreichische Infrastruktur zu<br />

verjuxen. Auch die Tiwag (Tiroler Wasserkraft<br />

AG) zockte mit und verkaufte Kraftwerke an<br />

US-Investoren*****. Gleiches tat die Verbundgesellschaft<br />

mit acht Donaukraftwerken,<br />

die Post mit Sortieranlagen, die ÖBB mit<br />

Bahnhöfen, Lokomotiven, Waggons und Signalanlagen.<br />

Besonders aktiv auf dem glatten<br />

Terrain mit hohem Rutschpotential war<br />

die rote Wiener Stadtregierung, die sich nicht<br />

mit Verleih und Rückkauf von U-Bahn und<br />

Straßenbahn beschied. Auch das Wiener Kanalnetz<br />

ging über ein derartiges „Geschäft“<br />

in US-Besitz über. Der diesbezügliche Leasingvertrag<br />

ist 1.400 Seiten dick, im Wiener Pleite! Jeder Staatsbürger hat rein stati-<br />

Rathaus war bis dato niemand namhaft zu<br />

machen, dem er zugänglich und verständlich<br />

stisch mindestens 27.000 Euro Schulden.<br />

wäre. Unterschrieben aber wurde er. Im Zuge der von den USA ausgegangenen Finanzkrise,<br />

könnte die Wiener Kanalisation solcherart in die Konkursmasse bankrotter<br />

US-Banken übergehen.<br />

Aus den erwarteten Gewinnen werden sodann schwerste Verluste, für die die Wiener<br />

Bevölkerung zur Kasse gebeten werden wird. Ob man die solche Millionendebakel<br />

anzettelnden Politiker nun als unverbesserlich naiv, unermeßlich dumm, grob<br />

unverantwortlich oder auf dem schmalen Grat legalisierter Kriminalität wandelnd bezeichnen<br />

möchte, ist unerheblich und macht den Schaden nicht geringer. <strong>Nur</strong> ein Indikator<br />

des angerichteten Schadensausmaßes ist die pro-Kopf-Verschuldung der<br />

Österreicher, die aktuell bei über 27.000,- Euro pro Staatsbürger und über 50.000,-<br />

Euro pro Erwerbstätigem liegt (Österreich gesamt über 200.000 Millionen Euro, als<br />

komplette Zahlenreihe also: > 200.000.000.000).<br />

* Als „Globalization“ tauchte das Synonym für Gleichmacherei und Identitätsauflösung<br />

erstmals zu Beginn der 1960er-Jahre in einem englischen Lexikon auf; Ende<br />

der 1980er-Jahre hat es den deutschen Sprachraum erreicht.<br />

** Der Bodenerosion wird heute maßgebliche Verantwortung für den Untergang<br />

zahlreicher Kulturen auf allen Kontinenten zugeschrieben. Die konventionelle Landwirtschaft<br />

führt heute zu einem Nettobodenverlust von 1mm pro Jahr. Das bedeutet,<br />

daß es zwischen 500 und 1.000 Jahre braucht, um die durchschnittliche Stärke<br />

der relevanten Bodenschichten abzutragen.<br />

89<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

90<br />

*** Der Jahresbedarf an „Seltenen Erden“ hat sich zwischen den 1950er-Jahren und<br />

heute vervielfacht, von damals 1.000 Tonnen auf heute 140.000 Tonnen. Wie andere<br />

kostbare Rohstoffe haben sich daher auch die Seltenerdmetalle massiv verteuert<br />

(binnen zwei Jahren um nahezu 200 Prozent).<br />

**** Während in Mitteleuropa durchschnittlich 25 Prozent der Bevölkerung unter 25<br />

Jahre alt sind, liegt dieser Anteil in Afrika und der arabischen Welt zwischen 50 und<br />

knapp 70 Prozent. Algerien (49,7 Prozent), der Iran (50,2 Prozent), die Türkei (50,3<br />

Prozent) und Saudi-Arabien (51 Prozent) finden sich am unteren Ende (alles ist relativ!)<br />

dieser Skala. Syrien (58,8 Prozent), Mauretanien (62,5 Prozent), Palästina<br />

(63,6 Prozent) und der Jemen (67,2 Prozent) bilden die Spitze dieser Wertung. Jugend<br />

ist nicht nur Zukunft, Jugend ist auch ein nicht zu unterschätzender Machtfaktor,<br />

der maßgeblich zur aktuellen Verschiebung der globalen Kräfteverhältnisse<br />

beiträgt.<br />

***** Tiwag und ein Liftbetreiber im Kühtai wollten aus einem Stausee geringe Wassermengen<br />

für eine Beschneiungsanlage entnehmen. Die eingegangenen CBL-Verträge<br />

machten das unmöglich, die USA legten ein Veto gegen das Projekt ein und<br />

demonstrierten damit eindrucksvoll, wer im Heiligen Land Tirol das Sagen hat.<br />

Das „Handbuch freiheitlicher Politik“ gibt Aufschluß über die Linie der FPÖ<br />

zum Themenfeld „Privatisierung, Liberalisierung, Versorgung“:<br />

5.2.8) Streitpunkt Liberalisierung und Privatisierung<br />

Unbestritten ist, daß der Staat für eine verlässliche Grundversorgung mit Waren und<br />

Dienstleistungen für seine Staatsbürger verantwortlich ist und in Zukunft sein muss.<br />

Liberalisierung und Privatisierung sind nur punktuell geeignete<br />

Rezepte, potentielles Marktversagen ist bei<br />

jedem Schritt nachdrücklich zu berücksichtigen. Ein<br />

Staat, der den Bürger nicht über Gebühr belastet und sich<br />

einer Deregulierung verpflichtet fühlt, wird sich höherer<br />

Akzeptanz erfreuen.<br />

Die erfolgte Privatisierung bzw. Teilprivatisierung (ehemals)<br />

staatlich kontrollierter Unternehmen ist eine direkte<br />

Folge marktfundamentalistischer Wirtschaftspolitik und<br />

daher differenziert zu betrachten.<br />

Einerseits ist entsprechend den freiheitlichen Grundsätzen<br />

des Leistungsprinzips sowie der Berücksichtigung<br />

von Wirtschaftlichkeit und Eigenverantwortung die An-


wendung effizienter privatwirtschaftlicher Managementinstrumente auf (ehemals)<br />

staatlich kontrollierte Unternehmen, die nicht in der dienstleistungsmäßigen Basisversorgung<br />

der Bevölkerung tätig sind, ausdrücklich zu begrüßen. Dieses Konzept<br />

soll nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen im Wettbewerb und die Sicherung<br />

vorhandener und Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze garantieren. Insbesondere<br />

sind parteipolitischer Einfluss und Einmischungen halbstaatlicher Akteure<br />

wie bspw. der Kammern und Gewerkschaften nachhaltig zu unterbinden, da sich<br />

derartige Interventionen in der Vergangenheit als verhängnisvoll für die betriebswirtschaftlichen<br />

Entscheidungen der betroffenen Unternehmen erwiesen haben und<br />

dem modernen Wirtschaftsumfeld mit seiner destruktiven intensiven Konkurrenzsituation<br />

keinesfalls gerecht werden können.<br />

Andererseits droht den im europäischen und internationalen Vergleich aufgrund<br />

ihres beschränkten Heimatmarktes naturgemäß eher kleinen österreichischen Unternehmen<br />

unter den Rahmenbedingungen freier Kapitalmärkte stets eine Übernahme<br />

durch ausländische Konzerne, was äußerst nachteilige Folgen auf die<br />

inländische Wertschöpfung und Arbeitsplatzsituation haben kann. Eine Degradierung<br />

zur verlängerten Werkbank internationaler Konzerne kann nicht Sinn und<br />

Zweck einer Privatisierung sein. Die Sicherstellung, daß (teil-)privatisierte Unternehmen<br />

auch in Hinkunft ihre Leistungen im System der österreichischen Volkswirtschaft<br />

erbringen, ist eine ureigene und unumgängliche Aufgabe der Politik.<br />

Schließlich sind auch die weiteren wirtschaftlichen und finanziellen Aussichten der<br />

möglichen Privatisierungsobjekte zu berücksichtigen. Grundsätzlich mutet es bedenklich<br />

an, öffentliche Unternehmen erst mit teils enormem Aufwand an Steuermitteln<br />

zu sanieren und die abgebauten (ehemaligen) Beschäftigten als negativen<br />

externen Effekt finanziell von der Allgemeinheit tragen zu lassen, während andererseits<br />

die künftigen Gewinne der privatisierten Unternehmen ausschließlich einzelnen<br />

privaten Investoren zugute kommen sollen. Die Teilhabe am wirtschaftlichen<br />

Erfolg (teil-)privatisierter Unternehmen ist als eine Rendite für die staatlichen Sanierungsanstrengungen<br />

anzusehen und soll daher auch dem Staat und damit der<br />

Allgemeinheit zugute kommen.<br />

Bei der grundsätzlichen Beurteilung einer erwogenen Privatisierung ist zu allererst<br />

von der Bedeutung des betroffenen Geschäftsfelds für die österreichische Volkswirtschaft<br />

auszugehen. Nationalökonomisch wichtigen Unternehmen aus Schlüsselsektoren<br />

sowie beschäftigungspolitisch bedeutsamen Betrieben ist im Interesse<br />

der Allgemeinheit und des reibungslosen organischen Zusammenwirkens der Volkswirtschaft<br />

ein Verbleib unter maßgeblicher österreichischer Geschäftsleitung zu garantieren.<br />

Dies wird die öffentliche Hand am besten durch den Behalt eines<br />

qualifizierten Anteils, zumindest jedoch der Sperrminorität von 25% plus einer Aktie,<br />

erreichen. Auf diesem Wege kann auch dem oben definierten fiskalischen Ziel der<br />

Gewinnbeteiligung nachgekommen werden. daß diese staatliche Beteiligung dem<br />

91<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

92<br />

wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen keinen Abbruch tut, ist an der Erfolgsgeschichte<br />

mehrerer Unternehmen, an denen der Staat einen derartigen Anteil hält, zu<br />

erkennen.<br />

Ob dieser Rückhalt durch die öffentliche Hand idealerweise durch den Bund, eines<br />

oder mehrere Länder oder andere Trägerkörperschaften gewährleistet wird, bleibt im<br />

Einzelfall zu entscheiden. Eine ausgegliederte Bundesbeteiligungsverwaltung, welche<br />

Anteile an Unternehmen unter den oben definierten Zielen und frei von jeglichem<br />

parteipolitischen Einfluss hält, sollte als optimale Lösungsvariante ins Leben<br />

gerufen und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessenslagen personell<br />

besetzt werden. Eine Ausverkaufsagentur nach Vorbild der ÖIAG ist unserer<br />

Ansicht nach kontraproduktiv.<br />

Grundlegendes Ziel jeder wirtschaftlichen Betätigung ist die Versorgung der Bevölkerung<br />

mit benötigten Gütern und Dienstleistungen und auf diesem Wege die Anhebung<br />

des Lebensstandards.<br />

Bestimmte Dienstleistungen werden nach allgemeiner Überzeugung als notwendig<br />

für eine ansprechende Lebensgestaltung angesehen. Da aufgrund ihrer überragenden<br />

Bedeutung nicht von einer angemessenen Preisgestaltung, sondern eher<br />

von einem in diversen anderen Staaten zu beobachtenden Marktversagen als Folge<br />

der unelastischen Nachfrage ausgegangen werden muss, sind derartige Güter und<br />

Dienstleistungen von der öffentlichen Hand unter den Aspekten der Versorgungssicherheit<br />

und der wohlfahrtsökonomischen Nutzenmaximierung für die Allgemeinheit<br />

und nicht des marktwirtschaftlichen Profitstrebens Einzelner zu erbringen.<br />

Für jene Bereiche der notwendigen Grundversorgung unserer Staatsbürger, die nur<br />

unternehmerisch zu bewältigen sind, sollte ein eigener rechtlicher Typus des öffentlich-rechtlichen<br />

Unternehmens geschaffen werden, welcher als staatliche Einrichtung<br />

der vollen öffentlichen Kontrolle unterliegen muss. Zur Vermeidung von<br />

Wettbewerbsverzerrungen sollten öffentlich-rechtliche Unternehmungen nur in eingeschränktem<br />

Umfang Marktzutritt haben.<br />

Jegliche Bestrebungen, insbesondere auf unionseuropäischer Ebene, beschriebene<br />

öffentliche Dienstleistungen per EU-Rechtsetzung zwangsweise zu liberalisieren<br />

bzw. zu privatisieren, sind von der österreichischen Politik notfalls durch Anwendung<br />

des Vetorechts zu verhindern. Die Grundversorgung der Bevölkerung ist vielmehr<br />

als vordringliche nationale Aufgabe anzusehen und eignet sich keinesfalls für<br />

marktfundamentalistisches Profitstreben und Spekulantentum.


Die Vielfalts-Ressource<br />

Trotz „UNO-Jahr der Biodiversität“ (2010) geht das große Aussterben ungebremst<br />

weiter. Wachsender Bevölkerungsdruck und rücksichtslose Ausbeutung unwiederbringlicher<br />

Ressourcen gefährden die irdische Artenvielfalt. Immer wieder gibt es im<br />

Kampf um die Erhaltung der irdischen Lebensvielfalt Erfolge zu verbuchen. Wo Unbestechlichkeit<br />

und Mut erforderliche Maßnahmen (durch)setzen, können zumeist<br />

erfreuliche Ergebnisse präsentiert werden. So ist etwa der östliche Bestand des Ostsee-Dorsches<br />

seit 2006 um das Dreifache angewachsen. Fangflottenverkleinerung,<br />

rigorose Verfolgung der illegalen Fischerei und ein auf Schonung basierender Wiederaufbauplan<br />

haben die erhoffte Auferstehung ermöglicht. Regional ein schöner<br />

Erfolg, in globaler Dimension ein Tropfen auf heißem Stein. Denn statistisch betrachtet<br />

sterben weiterhin über 30 Arten pro Tag und über 12.000 Arten im Jahr aus.<br />

Sie gehen der irdischen Lebensgemeinschaft auf Nimmerwiedersehen verloren.<br />

Daran ändern auch jene spektakulären Neuentdeckungen nichts, die regelmäßig<br />

Schlagzeilen liefern. 2010 gab es diese „Funde“ etwa in der Tiefsee, in Brasilien<br />

oder auf Borneo, wo alleine 67 bis dahin unbekannte Pflanzen-, 17 Fisch-, fünf<br />

Frosch, drei Schlangen- und eine Vogelart beschrieben wurden, dazu 29 Wirbellose<br />

und zwei Echsen. Imposante Zahlen, die allerdings einmal mehr die Frage aufwer-<br />

Ob Bäume oder Tiere, gewachsene Lebensräume beherbergen<br />

ihre spezifische Artenvielfalt. Wer sie vernichtet,<br />

zerstört den Lebensraum und mit dem Raum<br />

des Lebens das Leben selbst.<br />

93<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

94<br />

fen, was alles ausgerottet, ehe es überhaupt von menschlichen Sinnen wahrgenommen,<br />

wissenschaftlich erfaßt und also „entdeckt“ wurde. Der weltbekannte Dokumentarfilmer<br />

Sir David Attenborough erwartet für die kommenden 100 Jahre ein<br />

Massenaussterben, wie es die Erdgeschichte bereits mehrfach, seit dem Untergang<br />

der Dinosaurier, vor 65 Millionen Jahren, aber nicht mehr gesehen hat. Während<br />

damals ein gigantischer Asteroid, der nahe der mexikanischen Halbinsel Yucatan<br />

einschlug, die Katastrophe ausgelöst haben soll, ist es diesmal der Mensch, der für<br />

die Auslöschung seiner Mitwesen verantwortlich zeichnet. Mindestens die Hälfte der<br />

heute noch den Planeten mit uns teilenden Spezies wird dem rücksichtslosen Wirken<br />

und Werken der Schöpfungskrone zum Opfer fallen. Nicht alle tragen so prominente<br />

Namen, wie das kurzsichtige Rhinozeros oder der stattliche Berggorilla,<br />

aber sie alle werden uns fehlen – aus ästhetischen und psychologisch-ideellen wie<br />

besonders auch aus materiellen Gründen. Und aus gesundheitlichen. Eine Studie<br />

der Princeton Universität erhellt den direkten Zusammenhang von Biodiversitätsverlusten<br />

und dem Auftreten von Epidemien. Die gewachsenen Lebensgemeinschaften<br />

aus Tieren, Pflanzen und Mikroben bilden demnach eine natürliche<br />

Blockade gegen die Ausbreitung von Seuchen. Falle diese Blockade weg, führe das<br />

geradewegs ins Desaster, so die Studienautoren.<br />

Macht euch die Erde untertan!?<br />

Viele bedrohte oder „an der Kippe“ stehende Arten dienen uns als Nahrung, Heilmittel-<br />

und Rohstofflieferanten. Etliche dieser zu unserem Nutzen instrumentalisierten<br />

Mitwesen – es hieß ja: „Macht euch die Erde untertan!“ – gelten unter Biologen<br />

als „lebende Tote“. Ihre Bestände wurden soweit dezimiert, daß die Anzahl der verbliebenen<br />

Individuen zu gering ist, um eine Population mittelfristig zu erhalten (Verarmung<br />

des Gen-Pools,...). Wer oder was<br />

verursacht aber dieses galoppierende Artensterben,<br />

dessen konkrete Auswirkungen<br />

schon sehr bald für uns spürbar sein<br />

werden? In den Weiten der Ozeane, die,<br />

als Ursuppe, Geburtsstätte des Erdenlebens<br />

waren, ist es, neben ausufernder<br />

Verschmutzung, vor allem die Freibeuter-<br />

Mentalität riesiger Fischfangflotten, die irreversible<br />

Schäden verschuldet.<br />

Grundschleppnetze und andere Verheerungsmethoden<br />

entvölkern in ihrem Aktionsradius<br />

den gesamten Meeresgrund,<br />

indem sie wahllos vernichten, was unter<br />

tonnenschwere Scherbretter und zwischen<br />

enge Maschen gerät. Etwa drei


Drei Viertel der gesamten<br />

Fischvorräte<br />

der Erde sind bereits<br />

ausgebeutet.<br />

Viertel der gesamten<br />

Fischvorräte der Erde<br />

sind bereits ausgebeutet.<br />

Daran ändert auch das<br />

eingangs erwähnte<br />

Dorschwunder nichts.<br />

Mit dem durch kontinuierliche<br />

Erwärmung schmelzenden<br />

Meereis der<br />

Antarktis verschwinden<br />

die als Krill bekannten<br />

Krebstierchen. Vom dramatischen<br />

Rückgang dieser<br />

zum Zooplankton<br />

gehörenden Krebschen<br />

sind Wale, Robben, Pinguine und viele Arten mehr betroffen, eben sämtliche Glieder<br />

der auf dem Vorhandensein von Krill aufbauenden Nahrungskette. In den sogenannten<br />

„Todeszonen“ der Meere, die auf Stickstoff-Einschwemmungen, die diesen folgende,<br />

explosionsartige Algenvermehrung und den daraus resultierenden<br />

Sauerstoffmangel zurückzuführen sind, geht über zigtausende Quadratkilometer jedes<br />

tierische und sauerstoffabhängige pflanzliche Leben zugrunde. Durch die Überwärmung<br />

der Meere kommt es zu vermehrter Korallenbleiche und Korallensterben. Selbst<br />

das der Nordostküste Australiens vorgelagerte Große Barriereriff droht binnen weniger<br />

Jahrzehnte abzusterben. Die Zerstörung dieses größten, zusammenhängenden Riffs<br />

der Erde würde, als separiertes Ereignis betrachtet, den Verlust von 6.000 Tier- und<br />

Pflanzenarten bedeuten.<br />

An Land sind Fauna und Flora nicht minder nachhaltig in Bedrängnis geraten. Willkürliche<br />

Siedlungspolitik, großflächige Abholzung von Tropenwäldern und der russischen<br />

Taiga, Schadstoff-Emissionen, Landschaftsverbauung, Trockenlegung von Mooren,<br />

Einschleppung von Bio-Invasoren (gebietsfremder Organismen, Neobiota), Isolation<br />

einzelner Populationen durch Straßen, die Lebensräume als unüberbrückbare Schneisen<br />

durchtrennen, der florierende Handel mit Buschfleisch aus Afrika, Lateinamerika<br />

und Südostasien als Milliarden-Dollar-Markt... Die Aufzählung von Bedrohungsszenarien<br />

und Ausrottungsmechanismen ließe sich beliebig fortsetzen. Alleine, die Ursachen<br />

bleiben stets dieselben und lassen sich in zwei Worten zusammenfassen: Technokratie<br />

und Übervölkerung! Der Mensch ist jene Spezies, deren ungebremste Ausbreitung<br />

keinen Platz für unberührte Natur, grüne Korridore und Wildniszonen lässt. Was sich<br />

aber nach einer relativ unspektakulären Erkenntnis anhört, birgt fatale Sprengkraft. Der<br />

unvergessene Konrad Lorenz wies in zahlreichen Versuchsreihen nach, daß sich der<br />

Zusammenbruch eines Lebensraums an der überproportionalen Zunahme einer Spezies<br />

ankündigt. Welche Spezies dies auf unserem zu klein gewordenen Erdball ist,<br />

lässt sich unschwer nachvollziehen. Nachdem rechtzeitige Aufklärungsarbeit aber aus<br />

95<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

96<br />

den unterschiedlichsten Gründen nicht erfolgt, bleibt ein delikates Problem: Wohin mit<br />

all den Neugeborenen, wenn schon für ihre Eltern und Geschwister kein menschenwürdiger<br />

Wohn- und Lebensraum, kein sauberes Trinkwasser und kaum Nahrung zur<br />

Verfügung steht?<br />

Artenvielfalt – wozu?<br />

Zäumt man den Gaul, der unseren verfahrenen Zivilisationskarren zu ziehen hat,<br />

versuchsweise von hinten auf, stellt sich als erste Frage: Wozu brauchen wir so<br />

etwas wie Artenvielfalt und funktionierende Ökosysteme überhaupt? Als Antwort ein<br />

kleines Beispiel: Die vor der kalifornischen Küste lebenden Seeotter fressen, neben<br />

Muscheln, bevorzugt Seeigel. Als man die Seeotter durch unkontrollierte Bejagung<br />

beinahe ausrottete, kam es zu Massenvermehrungen unter den Seeigeln. Seeigel<br />

ihrerseits weiden mit Vorliebe jene Kelbwälder ab, die die Grundlage der Lebensgemeinschaft<br />

vor Kalifornien bilden. Die Seeigel fraßen und vermehrten sich schrankenlos<br />

und alsbald verschwand der Kelb. Mit dem Riesentang verloren die sonst in<br />

Weltbevölkerung wächst rascher,<br />

Rohstoffvorräte schrumpfen<br />

Neue Prognosen lassen ein weiter beschleunigtes Wachstum der Weltbevölkerung erwarten.<br />

Laut der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung kommt alljährlich jener Wert<br />

hinzu, von dem aus Deutschland seinen demographischen Niedergang begann: 80<br />

Millionen.<br />

Die Verteilung dieses Zuwachses beschränkt sich auf die südliche Hemisphäre. So<br />

wird Indien China als bevölkerungsreichstes Land der Erde absehbar (bis 2030) überholen.<br />

So wird sich die Bevölkerung Afrikas von heute 1,02 Milliarden auf 2 Milliarden<br />

im Jahre 2050 verdoppeln. Bombay (Mumbai) wird bis 2020 mit 24 Millionen Einwohnern<br />

die Spitzenposition unter den „Mega-Cities“ einnehmen. Zu Beginn der britischen<br />

Kolonialherrschaft, im Jahre 1661, zählte man 10.000 Einwohner. Heute leben in den<br />

Slums der Stadt 400.000 Einwohner pro km 2.<br />

Da die Ressourcen des Planeten mit der Zahl seiner Bewohner bekanntermaßen nicht<br />

mitzuwachsen gelernt haben, kommt es zu vermehrten Versorgungsnöten. Dabei geht<br />

es in erster Linie um Wasser und Nahrungsmittel, angesichts des nahenden Endes<br />

des fossil-atomaren Zeitalters aber auch um Energie und mineralische Rohstoffe. Besonders<br />

letztere werden in der Versorgungs- und Verteilungsdebatte gerne vernachlässigt.<br />

Dabei benötigt jeder Mitteleuropäer jährlich rund 12 Tonnen der, von Computer<br />

bis Zahnpasta, von Straßenpflaster bis Industriezucker, in nahezu jedem Produkt enthaltenen<br />

bzw. zu dessen Herstellung notwendigen Sande, Kiese, Tone, Schotter und<br />

Natursteine. Wie alle unsere limitierten Rohstoffquellen, drohen da und dort bald auch<br />

die mineralischen zu versiegen.


seiner Deckung aufwachsenden<br />

Jungfische dessen unverzichtbare<br />

Schutzfunktion und das gesamte im<br />

Kelb heimische Tierleben seine Existenzgrundlage.<br />

Schließlich stellte<br />

man die Jagd auf den Seeotter ein<br />

und der nunmehr Geschonte kehrte<br />

in den betreffenden Teil seines Verbreitungsgebietes<br />

zurück. Mit ihm<br />

tat dies bald auch der Kelb, weil der<br />

Seeigelbestand durch den heimgekehrten<br />

Fressfeind wieder reguliert<br />

wurde. Nach einiger Zeit funktionierte<br />

der gesamte Lebensraum<br />

wieder in der eingespielten, bewährten<br />

Weise.<br />

Soweit ein Modell dessen, was der<br />

Mensch dabei ist, in globalen Maßstäben<br />

anzurichten. Einzelne<br />

Schlüssel(Keystone)-Arten sind für<br />

Ohne intakte Natur, die<br />

durch eine entsprechende<br />

Artenvielfalt ausgewiesen<br />

wird, gibt es mittelfristig<br />

auch kein menschliches<br />

(Über)Leben.<br />

das Überleben ganzer Biozönosen unverzichtbar. Löscht man zehn solcher Arten<br />

aus, verliert man nicht nur diese zehn, sondern Hunderte, ja vielleicht Tausende von<br />

den zehn Schlüssel-Akteuren abhängige Arten. Der Tropenwald-Abholzung kommt<br />

in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu, wie folgende Zahlen untermauern:<br />

auf nur einem Hektar des peruanischen Regenwaldes fand man 600<br />

Bäume vor, unter denen man 283 unterschiedliche Baumarten zählte. Auf einer untersuchten<br />

Fläche von 2,5 km 2 Amazonas-Regenwald wurden, neben diversen Reptilien,<br />

Amphibien und Insekten, 3.000 Pflanzen- und über 530 Vogelarten<br />

nachgewiesen. In einer einzigen Baumkrone lebten 600 verschiedene Käferarten.<br />

Zum Vergleich: pro Tag fallen dem Wüten von Bulldozern und Kettensägen rund<br />

685 km 2 Regenwald zum Opfer. Das macht im Jahr etwa 250.000 km 2 und damit die<br />

sechsfache Fläche der Schweiz.<br />

Als drohendes Mahnmal einer solchen Entwicklung ragt die für ihre Kolossalfiguren<br />

berühmte, landschaftlich verödete Osterinsel aus dem südöstlichen Pazifik. Das<br />

einst reich bewaldete Eiland wurde von seinen polynesischen Besiedlern durch Jahrhunderte<br />

ausgebeutet, bis der letzte Baum gerodet war. Ohne Holz konnte man bald<br />

weder Häuser noch Boote bauen. Ohne Boote gab es keine Fluchtmöglichkeit aus<br />

dem zerstörten Paradies. Es entbrannten blutige Kämpfe um die letzten, verbliebenen<br />

Ressourcen, bis mit diesen auch die Feindseligkeiten endeten und jedes Leben<br />

auf der Osterinsel erstarb.<br />

97<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

98<br />

Der rein materialistisch orientierte Fortschrittsgedanke des lebensfeindlichen Wirtschaftswachstumswahns,<br />

der unsere Gegenwart bestimmt, ist durchaus geeignet,<br />

unserem gesamten Planeten das Schicksal der Osterinsel anzutun. Einziges Gegenmittel<br />

sind weitreichende Einschränkungen. Alle Jahre wieder einen „Tag des<br />

Wassers“, einen „Tag des Waldes“ (2011 wurde gar zum „Jahr des Waldes“ proklamiert),...<br />

auszurufen, wird auf Dauer zu wenig sein, um unseren Planeten, den einzigen<br />

für uns und unsere Mitgeschöpfe verfügbaren Lebensraum, nachhaltig zu<br />

schützen. Unverzichtbare Primär-Voraussetzung unseres Überlebens ist die radikale<br />

Verlangsamung der menschlichen Reproduktionsgeschwindigkeit, vorzugsweise<br />

in der hyperfertilen, südlichen Hemisphäre. Im Jahre 0 unserer Zeitrechnung<br />

bevölkerten etwa 300 Millionen Menschen den Erdball. Im Jahre 1900 waren es 1,9<br />

Milliarden. Heute sind es 7 Milliarden. Solange die menschliche Weltbevölkerung<br />

wächst, wird es effizienten Naturschutz nicht geben. Ohne intakte Natur, die durch<br />

eine entsprechende Artenvielfalt ausgewiesen wird, gibt es mittelfristig auch kein<br />

menschliches (Über)Leben.<br />

Verweigert der Mensch die zur Erhaltung der ihm anvertrauten Schöpfung erforderlichen<br />

Regulierungsmaßnahmen, werden die Selbstreinigungskräfte der Allmutter<br />

Natur ihm diese Aufgabe eines nicht zu fernen Tages abnehmen. Gewiß, wir haben<br />

Bakterien nachgewiesen, die, unterhalb der Erdoberfläche, tief im Boden existieren.<br />

Wir konnten mikrobielles Leben entdecken, das, durch Kälteschutzproteine beschirmt,<br />

im Eis überlebt. Wir kennen Bakterien, die in 400 Grad Celsius heißen Tiefseequellen,<br />

in radioaktivem Müll und in den Wolken der Erdatmosphäre leben. An<br />

irgendeinem, uns bis zu diesem Zeitpunkt möglicherweise immer noch verborgen<br />

gebliebenen Ort des Planeten wird das Leben mit größter Wahrscheinlichkeit überleben.<br />

Es wird an diesem Refugium selbst die Zeitspanne einer vorübergehenden<br />

Unbewohnbarkeit der Planetenoberfläche überdauern und alsbald einen neuen Zyklus<br />

von Entwicklung, Auslese, Weiterentwicklung, Kommen und Gehen, Geschaffen-Werden<br />

und Sterben, kurz: einen neuen Evolutionsprozeß beginnen. Aber<br />

vermag uns diese Aussicht zu trösten? Kaum.


Wasser, Urstoff des Lebens<br />

Auch auf dem Blauen Planeten ist nicht alles Wasser, aber ohne Wasser ist alles nichts.<br />

Was selbstverständlich, weil zeitlich und räumlich vermeintlich unbegrenzt verfügbar ist,<br />

verliert seinen Wert. Dabei lohnte es gerade im Falle des Wassers tiefer in das vermittels<br />

eines Handgriffs leitungsgefüllte Glas zu blicken.<br />

Wasser ist das einzige Element auf der Erde, das natürlich in allen drei Aggregat-Zuständen,<br />

flüssig, gasförmig und fest, vorkommt. Das Leben entstand im Wasser und<br />

kann ohne Wasser nicht existieren. Wasser ist an allen Stoffwechselprozessen, der<br />

Regulierung der Körpertemperatur, bei der Entstehung von Leben und seinem Wachstum<br />

maßgeblich beteiligt. Knapp 1.500 Kubikkilometer der unverzichtbaren Flüssigkeit<br />

bedecken über zwei Drittel der Erdoberfläche. Ein Mehrfaches schwebt kontinuierlich<br />

als Dampf in der Luft und wird periodisch durch Niederschläge und Verdunstung umgewälzt.<br />

Die irdische Vegetation setzt tagtäglich über 300 Millionen Tonnen Wasser<br />

um. Wasser reinigt, löscht Durst und Feuer, nährt des Planeten grünes Pflanzenkleid<br />

und zeigt in mannigfachen Metamorphosen seine Wandlungsfähigkeit.<br />

Im Laufe seines Lebens trinkt der Mensch durchschnittlich 60.000 Liter des klaren<br />

Lebenselixiers. Und: wie das Gestirn, auf dem er lebt, bestehen auch der menschliche<br />

Organismus, sein Blut und sein Gehirn zu rund 70 Prozent aus Wasser. Zufall?<br />

Die Stoffwechselprozesse des menschlichen Körpers laufen nur bei ausreichender<br />

Wasserversorgung wie geschmiert. Studien weisen nach, daß regelmäßiger Wasserkonsum<br />

während des Unterrichts die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit<br />

von Schülern markant erhöht.<br />

Auch hoher Forschungsaufwand konnte nicht alle Geheimnisse des flüssigen<br />

blauen Goldes lüften<br />

Wasser ist eine überaus komplexe Substanz, deren wenigste Eigenschaften als,<br />

nach herkömmlichen Maßstäben, „normal“ bezeichnet werden können. Ein konstanter<br />

Wert ist die chemische Formel, zwei Teile Wasserstoff und ein Teil Sauerstoff.<br />

Hinter dem gleichbleibenden Kürzel H 2O steht aber ein Verhalten imposanter Vielgestaltigkeit<br />

und verblüffender Interaktionen.<br />

Das Gedächtnis des Wassers konnte zunächst mittels naturgegebener Einflüsse<br />

nachgewiesen werden. Die von Sonne, Mond und kosmischer Strahlung verursachten<br />

Schwingungen beeinflussen die Struktur seiner Kristalle, werden also vom<br />

Wasser registriert. Ein ähnlicher Vorgang ist zu beobachten, wenn Proben desselben<br />

Wassers mit unterschiedlichen Musikstücken beschallt werden. Jedes Stück<br />

ruft die Formung spezifischer, von den Vergleichsproben deutlich unterscheidbaren,<br />

Kristallstrukturen hervor. Der japanische Politikwissenschaftler und Wasserfotograf<br />

Dr. Masaru Emoto konnte beweisen, daß die Qualität des Wassers auch vom<br />

99<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


menschlichen Bewußtsein gesteuert werden kann. Sein Buch „Die Botschaft des<br />

Wassers“ wurde, für ein (populär)naturwissenschaftliches Werk durchaus ungewöhnlich,<br />

zum Bestseller.<br />

Emoto gab sich aber nicht damit zufrieden, kristallisierte Wasserproben unterschiedlichen<br />

Ursprungs unter hochempfindlichen Mikroskopen zu untersuchen. Er<br />

unternahm auch Gruppenexperimente, in welchen er und seine Begleiter Gewässer<br />

aufsuchten und diese ihrer Zuneigung versicherten. Zum Erstaunen vor allem skeptischer<br />

Beobachter zeigte sich in Vorher-Nachher-Untersuchungen eine dramatische<br />

Verbesserung der Wasserqualität.<br />

Nach einem anderen, jedoch gleichfalls die Beeinflußbarkeit des Elements nützenden<br />

Konzept geht Johann Grander vor. Seine Experimente, Wasser durch Stromimpulse zu<br />

besonderen Leistungen anzuspornen, führten zur Entdeckung des Grander-Effekts.<br />

Von manchem belächelt, hat die Methode der „Wasserbelebung“ bis heute dennoch<br />

Zehntausende Anhänger überzeugt. Ob auch die bloße Anwesenheit von Wasser<br />

menschliches Verhalten beeinflußt untersuchten österreichische Wissenschaftler in<br />

einem Einkaufszentrum. Über 30.000 Personen wurden mittels Videoanalyse erfaßt.<br />

Ausgewertet wurde ihre Verweildauer an einem Brunnen, wobei dieser abwechselnd<br />

mit Wasser gefüllt war bzw. leer stand. Das Ergebnis: Die Aufenthaltszeit der Passanten<br />

lag bei gefülltem Brunnen um 21,4 Prozent höher. Die Häufigkeit von Berührungen<br />

des Brunnens stieg in gefülltem Zustand um 70 Prozent. Die Schlußfolgerung der Forscher:<br />

Wasser steigert unser Wohlbefinden.<br />

Aus den vielen Erkenntnissen eine<br />

schlüssige Quintessenz abzuleiten, ist<br />

wünschenswert, vorerst aber noch<br />

nicht gelungen. Kein Stoff wurde öfter<br />

und gründlicher untersucht als das<br />

Symbol des Lebens, der Reinheit und<br />

Klarheit. Und doch verstehen wir<br />

weder nachweisbare, weil beobachtbare<br />

Eigenschaften des Wassers noch<br />

die Vielzahl an Interaktionen, die uns<br />

mit ihm verbinden.<br />

Außer Zweifel scheint, daß dem Urstoff<br />

des Lebens etwas Übergeordnetes,<br />

Göttliches innewohnt. Wir sollten<br />

uns diesen Hauch der Schöpfungsmacht<br />

bewußt machen, wann immer<br />

wir mit Wasser in Berührung kommen,<br />

und es gemäß seiner existentiellen<br />

Bedeutung schätzen und<br />

behandeln.<br />

Kein Stoff wurde öfter und gründlicher unter-<br />

100 sucht als das Symbol des Lebens, der Reinheit<br />

und Klarheit.<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän


Unter Anlegern gilt der kostbare Rohstoff längst als Zukunftsinvestition<br />

Der untrügliche Instinkt des internationalen Geldhandels bewertet das blaue Gold<br />

von Jahr zu Jahr höher. Aber nicht nur unter Investoren gilt Wasser als der Rohstoff<br />

der Zukunft. Im Zuge der Erderwärmung sich abzeichnende Desertifikation (Wüstenbildung)<br />

und Dürre-Katastrophen sowie eine ungebremst wachsende Weltbevölkerung<br />

und daraus resultierende Versorgungsengpässe verleihen dem Wasser<br />

enorme ökologische, sozial- und wirtschaftspolitische Bedeutung.<br />

Je spürbarer der Wassermangel für Mensch und Umwelt wird, desto rascher steigt<br />

die Begierde von Anlegern und Unternehmen, ein Stück des flüssigen Kuchens zu<br />

erhaschen. Das Wohlergehen von Mensch und Umwelt freilich zählt nicht zu den Primäranliegen<br />

der Geldmärkte. Die hochschnellenden Investitionen auf dem Wassermarkt<br />

gelten deshalb verbreitet als Indiz kommender Unliebsamkeiten.<br />

Wo immer die Wasserversorgung privatisiert wurde, ob in Deutschland (etwa Goslar,<br />

Potsdam, Rostock), Großbritannien oder den beiden Amerikas, sanken Versorgungssicherheit<br />

und Wasserqualität in dem Maße, in dem die Preise umgekehrt<br />

anstiegen. Nichtsdestotrotz ist in Deutschland ein unverminderter Ausverkauf von<br />

Quellen und Wasserwerken zu beobachten.<br />

Die möglichen Folgen solchen Handelns zeigt ein Blick nach Südafrika. Hier drehte<br />

eine private Wassergesellschaft all jenen, die ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten,<br />

kurzerhand das Wasser ab. Die Menschen tranken fortan verschmutztes Wasser,<br />

eine Cholera-Epidemie brach aus. Angesichts einer noch lange nicht<br />

ausgestandenen Wirtschaftskrise und in ihrem Sog wachsender Armut in Europa, ist<br />

die verantwortliche Politik gut beraten, solche Anschauungsbeispiele aus ferner<br />

Fremde nicht als „bei uns undenkbar“ abzutun.<br />

Seien die diesbezüglichen Angebote internationaler Konzerne auch noch so verlockend,<br />

mag die Privatisierung der Wasserwirtschaft auch kurzzeitige Gewinne versprechen,<br />

sie kommt Staaten oder Kommunen, und damit deren jeweilige<br />

Bevölkerung, letztlich sehr teuer. Immerhin schreiben die gegenständlichen Vertragswerke<br />

fest, daß notwendige Wartungsarbeiten, Instandsetzungen, ... auch weiterhin<br />

zu Lasten des Verkäufers gehen, während der neue, private Eigentümer der<br />

Wassernutzungsrechte als reine Servicegesellschaft auftritt – und satte Gewinne<br />

einstreift.<br />

Apropos Vertragswerke: die Verträge zu den vor einigen Jahren, dank einer Lücke<br />

des US-Steuersystems, in Mode gekommenen Cross Border Leasing-Geschäfte,<br />

umfassen zumeist über tausend, in kaum enträtselbarem Kauderwelsch abgefaßte<br />

Seiten. Die wenigsten, sie unterfertigt habenden Politiker konnten auf Nachfrage<br />

den von ihnen abgesegneten Inhalt auch nur ansatzweise wiedergeben.<br />

Dabei ging es bei den vermeintlich gewinnträchtigen Verkaufs- und Rückkaufobjekten<br />

um nicht weniger als lebenswichtige Infrastruktur, wie im Kapitel Ausverkauf an<br />

allen Fronten detaillierter nachzulesen ist. Nach Experten-Schätzung wird der weltweite<br />

Wasserbedarf bis 2025 um 40 Prozent steigen. Gewinnfluten, so kristallklar<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

101


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

102<br />

wie reinstes Hochquellwasser, locken, und folglich scharen sich die mutmaßlichen<br />

Profiteure künftiger Wasserverknappung um den sprudelnden Schatz.<br />

Fondsmanager unterscheiden vier Investmentbereiche: Wasserversorgung, Umweltdienstleistungen,<br />

Wassertechnologie und abgefülltes Wasser. Besonderes Interesse<br />

gilt auch Firmen, die Filter, Pumpen oder Werkzeuge herstellen, mit denen<br />

Wasser-Infrastruktur erbaut oder gewartet wird.<br />

Die Voraussetzungen, mit Wasseraktien Geld, und zwar sehr viel Geld, zu verdienen,<br />

sind gegeben. Lokale wie nationale Wasserversorger notieren an der Börse,<br />

Fusionen im Bereich der Wassertechnologie-Unternehmen sind an der Tagesordnung.<br />

Auch diese sind untrügliche Anzeichen künftiger Preissteigerungen dank unbedacht<br />

zugelassener Monopolisierung.<br />

Besonders aktiv unter den Einkäufern von Wassertechnologie ist der US-amerikanische<br />

Mischkonzern General Electric. Schon jetzt ein Unternehmen, dessen Umsatzzahlen<br />

die Wirtschaftsleistungen mancher Industriestaaten in den Schatten<br />

stellen, setzt General Electric in seiner Wassersparte bislang über zwei Milliarden<br />

Dollar um. Tendenz steigend. Auch andere Global Player wie Nestlé investieren hor-<br />

Nicht alles auf dem Blauen Planeten ist Wasser, aber ohne Wasser ist alles nichts. Aus der<br />

Vereinigung von Sonne und Wasser gebar Mutter Erde das Leben. Ohne Sonne, ohne Wasser,<br />

hört das Erdenleben auf zu existieren.


ende Summen in die zur „Wachstumsbranche“ mutierte Lebensgrundlage. Der französische<br />

Konzern Veolia (vormals Vivendi) versorgt bereits über 110 Millionen Menschen<br />

mit Trinkwasser. Der Umsatz in dem Milliardenmarkt wächst um jährlich 10 bis<br />

15 Prozent. 2011 soll der weltweite Umsatz laut Prognosen bei deutlich über 400 Milliarden<br />

US-Dollar liegen. Die Société Général hat mit Wowax einen Weltwasserindex<br />

aufgelegt, der die Kursentwicklung der zwanzig größten Wasserunternehmen<br />

nachbildet.<br />

Die seit Jahrzehnten prognostizierten „Kriege ums Wasser“ finden statt. Vorerst aber<br />

nicht zwischen von Versorgungsnotständen geplagten Staaten, sondern zwischen<br />

von Gewinnmaximierungszwängen getriebenen Konzernen und den von diesen mit<br />

Wucherpreisen ausgebeuteten Bevölkerungen.<br />

Demographischer Indikator Wasser:<br />

Liberalisierte Wassermärkte für schrumpfende Völker?<br />

Während in der unterversorgten, aber übervölkerten südlichen Hemisphäre die<br />

schon bislang unbefriedigte Nachfrage nach Wasser weiter steigt, ist in den Industrienationen<br />

ein gegenteiliger Trend zu konstatieren. Die schrumpfende Bevölkerung<br />

Europas bringt die Verschärfung eines bereits heute evidenten<br />

infrastrukturellen Problems mit sich.<br />

Privatisiert oder nicht, stellt sich für viele Versorger die Kardinalfrage der Kosten-<br />

Nutzen-Rechnung. Die Instandsetzung maroder Leitungsnetze ist teuer.<br />

In dünn besiedelten Regionen, wie auch dem von Abwanderungsbewegungen teilentvölkerten<br />

Osten Deutschlands, lohnt der hohe Aufwand kaum. Wartungsarbeiten<br />

bleiben unerledigt, die Versorgung der verbliebenen Bevölkerung ist mittelfristig gefährdet.<br />

Von dieser Entwicklung sind europaweit alle, im Zuge einer zunehmenden Landflucht<br />

der Jugend, überalternden ländlichen Regionen betroffen. Hinter vorgehaltener<br />

Hand werden da und dort bereits der Rückzug aus den vergreisenden<br />

Gegenden und die Stillegung von Leitungen diskutiert.<br />

Die Abstimmung der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung mit Ausbau und Wartung<br />

von Leitungsnetzen gilt den neuen Herren des Wassers als größte Herausforderung<br />

ihres Engagements. Schließlich sollen Umsätze gesteigert und Gewinne<br />

lukriert werden.<br />

In Erfurt, im deutschen Bundesland Thüringen, wurden offen Konzepte für den Rückbau<br />

der Versorgungsnetze ausgearbeitet. Binnen weniger Jahre zeichnet sich ein<br />

Bevölkerungsrückgang von 200.000 auf deutlich unter 170.000 Einwohner ab. Serienweise<br />

stillgelegte Industriebetriebe, Geburtenmangel und fehlende Anreize für<br />

Zuwanderer aus anderen Regionen, senken den Energie- und Wasserbedarf erheblich.<br />

Eine direkte, durchaus ungünstige Auswirkung dieser Entwicklung ist die lange Verweildauer<br />

des Trinkwassers im Netz.<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

103


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

104<br />

Diesem Begleitumstand der Besiedlungsausdünnung ist mit relativ einfachen, mit<br />

vertretbarem Kostenaufwand verbundenen Mitteln beizukommen. Derartige Adaptionen<br />

sind nicht nur legitim, sie liegen auch fraglos im Interesse der Verbraucher.<br />

Ganz anders freilich stellt sich die Situation dar, wo nicht primär Versorgung sichergestellt,<br />

sondern Profit maximiert werden soll.<br />

Alleine in den USA veranschlagt die dortige Umweltbehörde den Investitionsbedarf<br />

in das Trinkwassernetz für die kommenden Jahre auf beinahe 300 Milliarden Dollar.<br />

Es steht außer Frage, daß börsennotierte Unternehmen in privater Hand wenig Interesse<br />

haben, vergleichbare Summen aufzuwenden, um die verinselten Bewohner<br />

vereinsamter Dörfer zu betreuen, wenn der damit verbundene Aufwand Verluste mit<br />

sich bringt.<br />

Der weiteren Liberalisierung des Wassermarktes ist deshalb aus regionaler wie auch<br />

aus gesamteuropäischer Sicht mit größter Skepsis zu begegnen.<br />

Wasservorkommen und -verbrauch<br />

<strong>Nur</strong> 2,5 Prozent des gesamten Wasservorkommens auf unserem Planeten sind<br />

Süßwasser. Die größten Reserven sind im kilometerdicken Eismantel der Antarktis<br />

gebunden. Quantitativ folgen die großen Flußsysteme, wie jenes des<br />

Amazonas oder des Nil. 20 Prozent des nicht gefrorenen Süßwassers der Erde<br />

enthält der russische Baikalsee, der mit 1.700 Meter weltweit tiefste See. Jährlich<br />

fallen 113.500.000.000.000.000 Liter Wasser auf die Landoberfläche der<br />

Erde.<br />

Durchschnittlich verbraucht<br />

die Landwirtschaft<br />

70 Prozent der<br />

erschlossenen Süßwasserreserven.<br />

22 Prozent<br />

gehen auf das Konto der<br />

Industrie, 8 Prozent verbrauchen<br />

die Haushalte.<br />

Der Wassereinsatz zur<br />

Erzeugung eines Kilogramms<br />

Weizenmehl beträgt<br />

1.500 Liter, eines<br />

Kilogramms Rindfleisch<br />

zwischen 5.000 und<br />

20.000 Liter, eines Baumwoll-Leibchens<br />

20.000


Liter. Europäer verbrauchen im Durchschnitt pro Person<br />

und Jahr 57.000 Liter Wasser, US-Amerikaner<br />

100.000 Liter.<br />

Die schwerwiegendsten Probleme heutiger und verstärkt<br />

künftiger Wasserversorgung sind offenkundig. Erstens<br />

ist zu wenig Wasser vorhanden, um eine weiter<br />

wachsende Weltbevölkerung ausreichend versorgen zu<br />

können. Zweitens sind die knappen Süßwasservorkommen<br />

durch eine Vielzahl menschlicher Einflußnahmen<br />

bedroht: Boden-Austrocknung (Übernutzung,<br />

Überdüngung, Rodung,...), Einleiten von Abwässern<br />

(täglich alleine über zwei Millionen Tonnen fäkaler Abwässer)<br />

und Industrie- wie Agrargiften (Schwermetalle,<br />

Pestizide,...) gefährden Reinheit und damit Nutzbarkeit<br />

der Lebensgrundlage Wasser. Dreißig Chemikalien<br />

werden zur Trinkwasseraufbereitung eingesetzt. Die<br />

meisten der 100.000 in der EU gebräuchlichen synthetischen<br />

Chemikalien, darunter eine Vielzahl hormonaktiver<br />

Substanzen, gelangen ins Abwasser.<br />

Landwirtschaft und Industrie als<br />

maßgeblichste Wasserverschwender<br />

Jeglicher Wasservergeudung indes ist ein, alle industriellen Schotten dichtender<br />

Riegel vorzuschieben. Der Zugang des „virtuellen Wassers“ zeigt allzu deutlich, welche<br />

beispiellose Rohstoffvernichtung die industrielle Massenproduktion einer konsumberauschten<br />

Wohlstandsgesellschaft bedeutet. Dieses „verborgene Wasser“<br />

gibt die für die Herstellung eines Produkts, also die virtuell in diesem enthaltene<br />

Wassermenge an.<br />

Was lebt, verbraucht Wasser. Das ist naturgegeben und naturgewollt. Die branchenübergreifende<br />

Überproduktion des Wegwerfzeitalters aber verbraucht Wasser<br />

in unverantwortlicher Weise und fahrlässigem Umfang. Was Milchseen, Butterberge<br />

und andere Zeugen unkontrollierter Überschüsse an Wasser-Gegenwerten darstellen,<br />

sei an einigen alltagstauglichen Beispielen illustriert:<br />

Die konventionelle Herstellung von einem Liter Milch verbraucht 1.000 Liter Wasser.<br />

Eine Semmel erreicht knapp 100 Liter, ein Ei 200 Liter, ein Glas Fruchtsaft 175 Liter<br />

Wasser. Ein aus Massentierhaltung produziertes Kilogramm Rindfleisch schlägt mit<br />

beachtlichen 15.450 Litern, ein Computer mit über 20.000 Litern, ein Mittelklassewagen<br />

mit bis zu 400.000 Litern Wasser zu Buche.<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

105


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

106<br />

Nun könnte man einwenden, daß unser Wasser ohnedies unvergänglich, weil Teil<br />

eines sich ständig widerholenden Kreislaufes ist. Wolken stauen sich an Gebirgen,<br />

regnen ab, fließen über Bäche und Flüsse ins Meer, wo sie wieder zu Wolken werden.<br />

Ganz so einfach ist die Sache leider nicht. Einerseits wird Wasser im Zuge seiner<br />

Benützung vielfach verunreinigt, ob durch Chemikalien, Pharmaprodukte,<br />

Hormone, Pestizide, Düngemittel oder Schwermetalle. Zum anderen wird aus vielen<br />

Reservoirs sehr viel mehr Wasser entnommen als nachfließt.<br />

So leben etwa die USA vom geborgten Wasser künftiger Generationen. Der Ogallala-Grundwasserspeicher<br />

erstreckt sich über eine halbe Million Quadratkilometer.<br />

Jeder durch Versickerung nachfließende Liter Wasser wird 25fach übernutzt, das<br />

heißt 25 Liter werden in demselben Zeitraum entnommen. Die USA sind auch beim<br />

Wasserverbrauch, wenig überraschend, Spitzenreiter. 300 Liter verbraucht ein US-<br />

Amerikaner durchschnittlich pro Tag. In den übrigen Industrieländern liegt dieser<br />

Wert zwischen 100 und 180 Litern. Darin enthalten sind auch die konsumierten virtuellen<br />

Wassermengen aus Industrie und Landwirtschaft.<br />

EU-Subventionssystem fördert Wasservergeudung<br />

Gerade im Agrarbereich ist besonders bedeutsam, was wann wo angebaut wird.<br />

Schließlich eignen sich die lokalen Boden- und Wetterverhältnisse nicht überall für<br />

alles. Im Gegenteil. Bei Weizen etwa liegt der Unterschied für die Ernte eines Kilogramms<br />

Getreide zwischen Osteuropa und Afrika zwischen 450 und 18.000 Litern<br />

verborgenem Wasser.<br />

Vor diesem Hintergrund und der geradezu berüchtigten mediterranen Wasservergeudung<br />

(Verluste von bis zu 95 Prozent in lecken Leitungen,�) kann es als besonders<br />

schwachsinnig angesehen werden, wenn Brüssel die spanische<br />

Intensivlandwirtschaft fördert. Immerhin entsteht im Süden Spaniens die erste Wüste<br />

Europas, weil hier, neben einer halben Million illegaler Brunnen, auch massivst<br />

künstlich bewässert werden muß. Da der Wasserverbrauch aber subventioniert wird,<br />

streifen die Betreiber der Desertifikation satte Gewinne mit den teils gesundheitsgefährdenden,<br />

pestizidvernebelten Plantagenfrüchten ein.<br />

Zu den Pestiziden sei angemerkt, daß deren massenhafter und deshalb im höchsten<br />

Maße wassergefährdender Einsatz vorwiegend auf eine allzu lasche Gesetzgebung<br />

zurückzuführen ist. So besteht in zahlreichen Ländern zwar ein Herbizid-Anwendungsverbot<br />

in gewässer- und grundwasserrelevanten Zonen. Da private Anwender<br />

wie Gartenbesitzer davon aber nichts wissen und etwaige Übertretungen nicht kontrolliert<br />

werden und daher nicht zu ahnden sind, können die Hersteller der Agrogifte<br />

weiterhin satte Gewinne verbuchen. Immerhin wird der private Ge- und Verbrauch<br />

alleine in der Schweiz auf 100 Tonnen Wirkstoffe jährlich geschätzt. Auch Verunreinigung<br />

bedeutet Vergeudung. Und da mittlerweile zwischen 60 und 80 Prozent der<br />

untersuchten Gemeinden auf Herbizide verzichten können, ist dies, durch entsprechende<br />

politische Vorgaben, fraglos auch Privaten zuzumuten.


Was sich manche Staaten, allen voran China (Dreischluchten-Damm), Brasilien<br />

(Belo Monte) und jüngst die Türkei (Ilisu), im Zuge des Baus gigantischer Staudämme<br />

und künstlicher Flüsse punkto schwerwiegender Eingriffe in funktionierende<br />

Systeme leisten, muß hier nicht eigens ausgeführt werden. Dabei wären viele dieser<br />

Maßnahmen ebenso unnotwendig wie die Tiefseebohrungen der Ölindustrie,<br />

setzte man die bereits vorhandenen Einsparungstechniken um. Idealerweise in Verbindung<br />

mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien.<br />

Sowohl in Landwirtschaft wie Industrie lassen sich zwischen 50 und 90 Prozent des<br />

aktuell verbrauchten Wassers einsparen, ohne Produktionsrückgänge oder Ernteeinbußen<br />

in Kauf nehmen zu müssen. Wenn dies, trotz vorhandenem Knowhow,<br />

nicht geschieht, stellt das einmal mehr den offensichtlichen Zusammenhang von politischer<br />

Entscheidungsfindung und großindustrieller Willkür her. Solange aber die<br />

Plünderer des Planeten an den Hebeln der Macht sitzen, wird Ressourcenschonung<br />

über den Status hohler Lippenbekenntnissee nicht hinauskommen.<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

107


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

108<br />

?<br />

Wußten Sie, daß �<br />

� ein Mensch im Laufe seines Lebens durchschnittlich 60.000 Liter Wasser trinkt?<br />

� der weltweite Wasserbedarf bis ins Jahr 2025 um 40 Prozent steigen wird?<br />

� Trinkwasser seit Jahren als Spekulationsobjekt internationaler Finanzhaie mißbraucht<br />

wird?<br />

� Trinkwasser in vielen Staaten Europas knapp wird und trotzdem großteils ungenützt<br />

aus lecken Leitungen versickert?<br />

� Wasser ein Gedächtnis hat und auf Strahlungen, Schwingungen und Emotionen<br />

reagiert?<br />

� die Privatisierung der Wasserversorgung stets zu höheren Preisen und Qualitätseinbußen<br />

geführt hat?<br />

� im Zuge von Cross Border Leasing-Geschäften österreichische Wasserkraftwerke<br />

in die USA verleast wurden?<br />

� für die Erzeugung eines Mittelklassewagens bis zu 400.000 Liter Wasser benötigt<br />

werden?


Gott spielen mit den Bausteinen des Lebens<br />

Die „klassische Gentechnik“ war erst der Anfang.<br />

Jedenfalls wenn es nach den Betreibern<br />

der synthetischen Biologie geht. Sie<br />

planen bereits den Einsatz in der Natur nicht<br />

vorkommender Moleküle und den Transfer<br />

ganzer Gen-Module, um etwa Stoffwechselabläufe<br />

in Zellen zu manipulieren. Von<br />

den bekannten 100 Aminosäuren sind in der<br />

Natur bislang nur 20 als Protein-Bausteine<br />

zu finden. Die künstliche Erweiterung des<br />

Proteinspektrums durch den Einbau weiterer<br />

Aminosäuren lockt daher eine einschlägige<br />

Forschergemeinde. Im Versuch mit<br />

Viren, so die frohe Kunde der selbsternannten<br />

Lebensde- und -rekonstrukteure, funktioniere<br />

das alles schon. Die Frage nach den<br />

möglichen irdischen Konsequenzen stellt<br />

sich für die vorwiegend Labors bewohnenden<br />

Himmelsstürmer freilich nicht.<br />

Natur neu erschaffen? Der<br />

Mensch hat die Anmaßung dazu,<br />

nicht aber die Kompetenz.<br />

Der Verein Testbiotech indes warnt vor synthetischen Organismen, die zur Herstellung<br />

moderner Kraftstoffe verwendet werden (Synthi-Fuels) und beklagt diesbezüglich fehlende<br />

Risikoforschung. Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt seien gänzlich unbekannt.<br />

Gerade ihnen soll aber geholfen werden, glaubt man den Protagonisten, die<br />

mit den unausgereiften Werkzeugen der synthetischen Genetik Menschen heilen, Gewässer<br />

reinigen und ausgelaugte Böden fruchtbar machen wollen. Vor den, solches Anstrebenden<br />

liegt ein weiter Weg. Die 25 um den Forscher Craig Venter tätigen<br />

Wissenschaftler benötigten immerhin fünfzehn Jahre und wenigstens 40 Millionen US-<br />

Dollar, um die synthetische Erbsubstanz eines Bakteriums (Mycoplasma mycoides)<br />

herzustellen. Dessen Komponenten freilich sind keine Neuerfindungen, sondern lediglich<br />

in naturfremder Weise zusammengesetzt. Nach der Zergliederung durch Enzyme<br />

wurde das Erbgut entziffert und schließlich in ein anderes Bakterium<br />

(Mycoplasma capricolum) transplantiert. Der vermeintliche Schöpfungsakt ist demnach<br />

lediglich ein Akt der Manipulation, ganz so wie geklonte Wesenheiten einem Kopiervorgang,<br />

keiner Neuentwicklung entspringen.<br />

Welche Auswirkungen die Entlassung des Designer-Bakteriums in die freie Wildbahn<br />

hätte, blieb und bleibt unerforscht. Der Medizinethiker Giovanni Maio spricht<br />

deshalb von „Selbstüberschätzung“ im Bereich der synthetischen Biologen. Sie verstiegen<br />

sich dazu, den genetischen Code neu schreiben und die Evolution hinter<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

109


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

110<br />

sich lassen zu wollen. Unter keinen Umständen dürften Begrifflichkeiten wie die „lebende<br />

Maschine“ dazu führen, das Leben auf eine beliebig herzustellende, zu patentierende<br />

und zu verkaufende Ware zu reduzieren. Nutzleben mit Ablaufdatum als<br />

Zerstreuungsartikel der Wegwerfgesellschaft gewissermaßen. Was lebt ist aber sehr<br />

viel mehr als die von Craig Venter definierte „organische Informationsmaschine“. So<br />

erkennt auch der Berliner Biologe Andreas Weber das „Grunddilemma der Industriegesellschaft,<br />

daß wir Systeme manipulieren, die wir noch gar nicht genug verstehen“.<br />

Machbarkeitsanmaßung ist kein Ersatz für Schöpfungskompetenz. Die aber<br />

lassen nicht nur „altgediente“ Gentechniker, sondern auch die über einschlägige Internetseiten<br />

vernetzten Biohacker vermissen. In ihrer Szene werden rege Informationen<br />

ausgetauscht, die Manipulationen an DNA-Abschnitten betreffen. Die<br />

Daseinsbastler agieren in Garagen und Scheunen. Sie beziehen ihre Instrumentarien<br />

über ebay und ihr lebendes Experimentiergut (Biobricks) über Firmen wie Geneart,<br />

den globalen Marktführer mit Sitz in Regensburg.<br />

Offiziell sind „wilde Laboratorien“ verboten<br />

Während in Europa genehmigungslos eingerichtete Genlaboratorien verboten sind,<br />

feiert die Biotüftlerszene in den USA fröhliche Urständ. Heimlabors finden sich hier in<br />

der gesetzlosen Zone eines laienwissenschaftlichen Graubereichs, indem beliebig an<br />

Einzellern manipuliert werden kann, denen Farben und Düfte und sonstige Eigenschaften<br />

implantiert werden. Sollte es im Zuge der weltweit von mehreren Tausend<br />

Hobbyschöpfern betriebenen „Forschungen“ zu Schäden an Mensch oder Umwelt<br />

kommen, hätte dies gravierende Auswirkungen für eine aufstrebende Branche, die<br />

wenig Interesse an strengen Spielregeln hat. Schließlich kam die Grüne Gentechnik bis<br />

heute mit der Zwecklüge der „substantiellen Äquivalenz“ ihrer Konstrukte gegenüber<br />

konventionellen<br />

Saaten und Sorten<br />

durch und schließlich<br />

stößt auch die<br />

Nanotechnologie<br />

bis dato auf keine<br />

nennenswerten<br />

Hemmnisse in der<br />

Vermarktung ihrer<br />

vielschichtigen „Innovationen“.<br />

Wie gehabt treten<br />

die selbsternanntenMenschenfreunde<br />

mit hehren<br />

Zielen in den Argu-


mentationsring. Es ginge um eine kurierte Umwelt, um Biosprit und eine neue Generation<br />

wirksamster Medikamente. Die Botschaft vernehmen auch Skeptiker, alleine<br />

ihnen fehlt der Glaube. Die um Forschungsgelder im Hundertmillionenbereich wetteifernden<br />

Philanthropen konnten schließlich noch nicht den Hauch realitätsbezogener Lösungskompetenz<br />

vorweisen. Das hindert das OneWorld Health Institute, die Gates<br />

Stiftung, die britische wie die US-Regierung und andere Kunstbiologiemäzene freilich<br />

nicht, großzügige Fördergelder locker zu machen. Daß auch Militärs längst das in ihren<br />

Augen verheißungsvolle Potential der Daseinsschnitzer erkannt haben und entsprechende<br />

wissenschaftspolitische Prioritätensetzungen unterstützen, steht außer Frage.<br />

Das Pentagon beabsichtigt 2011 sechs Millionen Dollar in ein Projekt zu investieren,<br />

das unter dem Aufhänger BioDesign Zellen für das ewige Leben zu programmieren<br />

gedenkt. Allerdings, so ist zu erwarten: unsterbliche Zellen mit integrierter Selbstzerstörungsoption.<br />

Deren Geburtshelfer folgen mutmaßlich weniger dem Wunsch nach<br />

schrankenlosem Leben als jenem nach unsichtbaren Aggressoren, die sich nach vollbrachter<br />

Untat selbst eliminieren, um eroberte Gebiete für ihre Konstrukteure freizugeben.<br />

Gemessen daran harmlos das Ziel, aber gigantisch die Mittel, die BP 2007 in die mikrobengesteuerte<br />

Spritproduktion investierte: 500 Millionen US-Dollar. Während die<br />

synthetische Morgenluft schnuppernde Forschergemeinde bereits weiter denkt und<br />

der willkürlichen Vermischung des genetischen Alphabets (das bei sämtlichen heute<br />

existierenden Lebensformen aus den Buchstaben A, T, C und G besteht) das Hinzufügen<br />

neuer Buchstaben folgen läßt, stehen politische Entscheidungsträger auf ihrem<br />

bevorzugten verlorenen Posten, der Bremse.<br />

Politik muß Regeln vorgeben<br />

So sieht die Kommission für Biologische<br />

Sicherheit, die das Verbraucherschutzministerium<br />

berät,<br />

keine Notwendigkeit, regulierend<br />

einzugreifen. Von der Synthetischen<br />

Biologie drohten keinerlei<br />

neue Gefahren. Der Schaffung<br />

einer Parallelnatur, die sodann<br />

doch der Entdeckung paralleler<br />

Universen zuvorkommen könnte,<br />

steht somit, vorerst, nichts im<br />

Wege. Schließlich tappt auch die<br />

österreichische Bundesregierung<br />

im Halbdunkel zwischen „ich weiß<br />

nicht, was die wollen“ und „ich will<br />

gar nichts wissen“.<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

111


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

112<br />

Aus Anfragebeantwortungen<br />

der zuständigen Minister läßt<br />

sich klar ablesen, daß nichts<br />

klar ist. Es wird nur dort kontrolliert,<br />

wo es um offizielle Forschungen<br />

dafür eingerichteter<br />

Institute und deren Genehmigungen<br />

geht. Die Gottspieler<br />

im Schuppen bleiben unbeobachtet.<br />

Dabei ließe sich<br />

beim Einkauf der Bastelzutaten<br />

unschwer feststellen, wer was<br />

erwirbt und wo er damit werkt.<br />

Dazu bedürfte es lückenloser,<br />

unzweideutiger Deklarationsvorschriften.<br />

Dazu wiederum<br />

bedürfte es des politischen Wollens, das uns auf diesen Seiten so oft begegnet, zumeist<br />

als sein Gegenteil: als offensives Nichtwollen.<br />

Da die von den USA ausgehende Laienschöpferszene auch in der Schweiz und<br />

Frankreich Fuß gefaßt hat, ergeben sich dringende Reglementierungserfordernisse<br />

aber auch für Europa. Das liegt, wie gewohnt, geschlossen im synthetischen Dornröschenschlaf.<br />

Craig Venter indes gibt das Tempo vor und ergründet, in Kooperation<br />

mit dem Pharmariesen Novartis, neue Laborwege, um im Bedarfsfall rasch verfügbare,<br />

künstlich nachgebaute Grippeimpfstoffe auf den Markt bringen zu können.<br />

Dieser Bedarfsfall, und sei er künstlich herbeigeführt, wird eintreten, davon kann<br />

ausgegangen werden.<br />

Die synthetische Biologie schickt sich an, das genetische<br />

Alphabet zu erweitern. Profilierungschancen gut,<br />

Folgen unbekannt.


Energie-Gigantomanie statt Versorgungssicherheit<br />

Wie in der Beziehung von Mann und Frau aus: „Zu mir oder zu dir?“, sobald Kinder<br />

da sind, sehr rasch das schreigeweckte: „Gehst du oder ich?“ wird, so hat die real<br />

existierende Konzernokratie aus: „Was verbessert unsere Lebenssituation?“ die Primärfrage:<br />

„Was maximiert unsere Gewinnspannen?“ gemacht. Auch in der Energiebranche.<br />

Ob Seatec, Desertec oder kosmische Sonnensegel, dem jenseits des<br />

Jules Verne´schen Utopismus angesiedelten, industriellen Irrwitz sind keine Grenzen<br />

gesetzt. Und wieder sind es „die schlimmsten Folgen des Klimawandels“, die honorige<br />

Herren mit zuvor leeren Auftragsbüchern abwenden wollen, nachdem man<br />

ihnen hochdotierte Forschungsaufträge zugesichert hat.<br />

Binnen fünf Jahren will EU-Energiekommissar Günther Oettinger die ersten Megawatt<br />

Wüstenstrom via Mittelmeer nach Europa geleitet sehen. Ein kühnes Ansinnen,<br />

hält man sich den Entwicklungsstand von Desertec vor Augen, der kaum weiter<br />

gediehen ist als zur Bewerbung Joseph „Joschka“ Fischers für einen gutbezahlten<br />

Beraterposten. Nichtsdestoweniger soll das Projekt einen wesentlichen Beitrag zur<br />

Erreichung des EU-Ziels leisten, bis 2020 ein Fünftel des Energiebedarfs aus erneuerbaren<br />

Quellen zu beziehen. Während aber die erreichbaren Megawatt (von<br />

tausenden ist die Rede) noch Gegenstand der Spekulation sind, stehen die Mindestkosten<br />

mit 400 Milliarden Euro bereits fest. Dem Anspruch der Energieunabhängigkeit<br />

kann damit allerdings nicht Rechnung getragen werden, sollen die<br />

Sonnenkraftwerke doch in den fernen Wüsten Nordafrikas stehen. In recht unruhigen<br />

Landen, wie erst kürzlich wieder überdeutlich wurde. Pro Europäer müßten 20<br />

Quadratmeter Wüste mit Kollektoren bestückt werden, rechnen Projektbetreiber wie<br />

Siemens, RWE und Deutsche Bank vor, während es an die Planung der Verbindungsleitungen<br />

unter dem Mittelmeer geht. Immerhin hat man mit unterseeischem<br />

Ressourcentransfer ja schon im Zuge von Tiefseebohrungen (wie zuletzt im Golf<br />

von Mexiko*) merkenswürdige Erfahrungen gemacht.<br />

Als vordergründig überseeisches Gegenstück fungiert Seatec, ein Projekt, das die<br />

Nordsee zum Kraftwerk umfunktionieren will. Ein riesiges Energienetzwerk soll<br />

Windturbinen an den Küsten Englands, Solarpaneele in Deutschland und Wellenkraftwerke<br />

vor Dänemark und Belgien verbinden. Wiederum würde der gewonnene<br />

Strom über unterseeische Leitungen transportiert, wenngleich die gigantischen Offshore-Windkraftparks<br />

weithin sichtbar aus dem Wasser ragten. Daß es, wegen des<br />

Widerstands gegen neue Leitungen, bislang nicht einmal möglich war, die vergleichsweise<br />

überschaubaren Windfarmen der Bundesrepublik Deutschland zu vernetzen,<br />

kann die Planer nicht irritieren. Immerhin geht es nicht nur um den heiligen<br />

Klimakrieg, sondern auch um das Ende energiepolitischer „Kleinstaaterei“. Tragisch<br />

nur, daß Kleinstaaterei in diesem Fall „dezentrale Versorgung“ heißt und einzig diese<br />

künftige Versorgungssicherheit garantiert.<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

113


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

114<br />

Mit derlei Randproblemen freilich beschäftigen sich die visionären Retter vor klimatischen<br />

Unbilden nicht. Der Physiker Art Rosenfeld etwa, auf den sich US-Energieminister<br />

Steven Chu berief, wenn er Straßen, Autos und ganze Städte weiß tünchen<br />

wollte, um durch die dadurch provozierte Reflexion des Sonnenlichts enorme Energieeinsparungen<br />

zu ermöglichen. Nach dem Bindungsprinzip arbeiten jene Wissenschaftler,<br />

die die Ozeane zum Zwecke der Algenzüchtung mit Eisen düngen<br />

wollen. Die Pflanzen sollen O 2 (Disauerstoff, molekularer Sauerstoff) binden und mit<br />

diesem auf den Meeresboden sinken, sobald sie absterben. Ein Experiment des<br />

deutschen Forschungsschiffes Polarstern beendete die daran geknüpften Hoffnungen,<br />

indem es nachwies, daß zum Zooplankton zählende Ruderfußkrebse die zum<br />

Phytoplankton gehörenden Kleinalgen verputzen, ehe diese „klimawirksam“ werden<br />

können. Ist der Vorschlag des Chemie-Nobelpreisträgers Paul Crutzen leichter umsetzbar?<br />

Ihm zufolge würden Millionen Tonnen Schwefeldioxid (SO 2) per Schiffsartillerie<br />

in die Stratosphäre verbracht, um das einfallende Sonnenlicht<br />

zurückzuwerfen. Ungünstig nur, daß eine derartige Maßnahme das irdische Wettergeschehen<br />

auf den Kopf stellen würde, Tiefdruckgebiete neue Wege einschlügen<br />

und sich Konstante wie Monsun und Passatwinde veränderten.<br />

Gigantische Projekte sollen unsere künftige Versorgungssicherheit<br />

im Strombereich sicherstellen. Oder<br />

doch nur die Namen ihrer Betreiber verewigen?


Sonnenschirme aus der Kanone<br />

Der Astronom Roger Angel, seinem Namen verpflichtet, verlegt den Schauplatz seiner<br />

buchstäblich hochtrabenden Planungen deshalb gleich in den Weltraum. Es<br />

bräuchte etwa 16 Billionen „Sonnenschirme“, um eine anzustrebende Schattenwirkung<br />

von 1,8 Prozent zu erzielen. Mit zwei Kilometer langen Spezialkanonen würden<br />

die hauchdünnen Siliziumscheiben in Tranchen zu je einer Million ins All<br />

befördert. Der Vorgang wiederholte sich, unter Benützung von 20 Kanonen, alle fünf<br />

Minuten, und das über einen Zeitraum von zehn Jahren. Herr Angel kommt damit<br />

den Vorstellungen des verstorbenen Physikers Edward Teller nahe, der Abermillionen<br />

kleiner Aluminiumballons in die Stratosphäre entschweben sah, um den Blauen<br />

Planeten gegen das Böse der Sonne abzuschirmen. Denselben Zweck sollte High-<br />

Tech-Müll erfüllen, mit dem US-Forscher in den 1960ern die Ozeane flächendeckend<br />

zu bepflastern gedachten.<br />

Geradezu konventionell nimmt sich dagegen eine Idee aus Oxfordshire aus. Die<br />

Forscher des Rutherford Appleton Laboratory wollen um Städte und Autobahnen<br />

künstliche Bäume pflanzen, um mit ihrer Hilfe CO 2 abzuscheiden. Für ihr Air-Capture-Verfahren<br />

würde die Luft zunächst mit flüssigen Chemikalien wie Natriumhydroxid<br />

behandelt, die in weiterer Folge mit CO 2 reagierten, welches letztlich<br />

unterirdisch gelagert würde (nach dem Prinzip des CCS, Carbon Capture and Storage).<br />

Auch hier drohen unabsehbare Gefahren, die noch weitgehend unerhoben<br />

sind. Dafür steht der Preis pro Kunstpflanze fest, der laut den akademischen Baumschulwarten<br />

bei 20.000,- Dollar liegen soll. Echte Bäume könnten die Aufgabe der<br />

CO 2-Absorbtion weit billiger erfüllen, bedürfen aber der Bewässerung. Diese stellt<br />

indes die waterboxx des Niederländers Pieter Hoff bereit. Durch Kondensation und<br />

Regen gewonnenes Wasser wird dabei ohne Energieaufwand gespeichert. Ein Feldversuch<br />

in der Sahara brachte eine knapp 90prozentige Überlebensrate der Bäume.<br />

Der Weg mit der Natur ist der gefahrlosere. Daß er eingeschlagen wird, steht dennoch<br />

zu bezweifeln. Natura schenkt, wenn sie gibt, und daran ist nichts zu verdienen.<br />

Mutter Sonne von einem Gestirn fernzuhalten, dem sie seit seiner<br />

Geburtsstunde Leben einhauchte, ist dagegen lukrativ. Ob auch zielführend, ist irrelevant.<br />

Auch das vielfach verzögerte Projekt Fusionsreaktor (ITER, International<br />

Thermonuclear Experimental Reactor) ist von den lauen 100 Millionen Grad Celsius<br />

der Sonne noch manchen kräftigen Hauch entfernt, spielt für seine Initiatoren<br />

aber satte Summen ein.<br />

Übersteigerte Geld- und Geltungsgier bringt Angefangenes selten zu (einem guten)<br />

Ende. Von Weltverheerern instrumentalisierte Forschung indes erinnert an trotzige<br />

Kinder, die größte Mühsal auf sich nehmen, um Sündhaftes, Schädliches, Verbotenes<br />

weiter betreiben zu können. Der Keim jeder Lösung liegt in der Ursache, nicht<br />

in der Wirkung. Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung sind einzudämmen,<br />

nicht durch aberwitzige Ablenkungsmanöver zu kaschieren oder gar<br />

politisch zu legitimieren. Der Mensch ist als Urheber der teilweisen und vorüberge-<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

115


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

116<br />

henden Erderwärmung unserer Tage bis<br />

dato keinesfalls überführt. Da er sich vordergründig<br />

Symptomen stellt, ohne seriöse<br />

Ursachenforschung zu betreiben, kollabiert<br />

im Zuge der Energiegigantomanie etwas anderes<br />

als das zum Vorwand des Jahrhunderts<br />

mutierte Klima: der gesunde<br />

Menschenverstand. Projekte wie die Erdgas-Pipeline<br />

Nabucco, die uns vom Wohlwollen<br />

der selten wohlwollenden Türkei<br />

abhängig machte, oder die nach öffentlichem<br />

Druck wieder verworfene Mitwirkung<br />

am Ilisu-Staudamm-Umweltdesaster sind<br />

Ausdruck eines politischen Hornochsentums,<br />

das haarscharf an mutwillige Allgemeingefährdung<br />

grenzt. Immerhin steht<br />

mehr auf dem Spiel als die vergeigten Milliarden:<br />

unsere künftige Importunabhängigkeit,<br />

die gleichbedeutend mit nationaler<br />

Versorgungssicherheit, mit Souveränität und<br />

Freiheit ist. Diese zu bewahren oder vielmehr:<br />

wieder zu erreichen, muß umgehend<br />

auf erneuerbare, heimische Energieträger gesetzt werden. Fast jedes europäische<br />

Land hat die primär aus Wasser- und Windkraft, Solarthermie, Photovoltaik, Biomasse<br />

und Geothermie lukrierbaren Potentiale, um sich selbst mit Energie zu versorgen.<br />

Ganz besonders hat diese Möglichkeit das Wasserreich Österreich, dessen<br />

klein- und mittelbetrieblicher Innovationsreichtum endlich seine politische Entsprechung<br />

finden muß.<br />

* Nicht einmal ein Jahr nach der Öl-Katastrophe im Zuge der Explosion der BP-Plattform<br />

Deepwater Horizon erteilten die US-Behörden bereits eine neue Genehmigung<br />

für Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko. Die Firma Noble Energy darf demnach in<br />

2.000 Meter Tiefe bohren.


?<br />

Wußten Sie, daß �<br />

� schon eine Photovoltaik-Anlage von 35 m 2 einen durchschnittlichen Haushalt mit<br />

Strom versorgt?<br />

� ein großes Windkraftwerk in mittelmäßiger Lage rund 1.000 Durchschnittshaushalte<br />

mit Strom versorgt und alle österreichischen Windräder aktuell bereits über 600.000<br />

Haushalte mit Strom versorgen?<br />

� die Atomenergie nur deshalb vergleichsweise billig ist, weil sie mit Steuergeldern<br />

massiv subventioniert wird?<br />

� Österreich jährlich bis zu 80 Millionen Euro an Euratom abliefert und damit den „Ausbau<br />

einer mächtigen europäischen Atomindustrie“ fördert?<br />

� Österreich seit 2001 Strom-Importland ist, aber genug Reserven hat, um sich aus<br />

eigener Kraft – wieder – importunabhängig zu machen?<br />

� die geplante Erdgas-Pipeline Nabucco, die Europa von russischen Gaslieferungen<br />

unabhängiger machen soll, von der Türkei kontrolliert werden wird?<br />

� das geplante Wüstenkraftwerk Desertec in den politisch instabilen nordafrikanischen<br />

Krisenregionen angesiedelt ist und über 400 Milliarden Euro kosten soll?<br />

� Österreich gute Voraussetzungen hat, sich binnen weniger Jahrzehnte auch in den<br />

Bereichen Wärme und Mobilität importunabhängig zu machen?<br />

<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

117


<strong>Nur</strong> <strong>selbstversorgt</strong> heißt Souverän<br />

118<br />

Impressum<br />

Copyright:<br />

FPÖ-Bildungsinstitut<br />

Friedrich-Schmidt-Platz 4/3a<br />

1080 Wien<br />

Lektorat und Layout: FPÖ-Bildungsinstitut<br />

Fotos: z. V. g., Fotolia.de: Xaver Klaußner, Reena, bofotolux, Andre Bonn, Franz<br />

Pfluegl, Zoltán Futó, Gernot Krautberger, Gina Sanders, finecki, Udo Ingber, Spectral-Design,<br />

NatUlrich, Jacek Chabraszewski, Junior Gobira, Victoria, dvande, Kanusommer,<br />

OutdoorPhoto, Michael Rosskothen<br />

Alle in diesem Buch enthaltenen Daten, Ergebnisse usw. wurden vom Autor nach<br />

bestem Wissen und Gewissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt überprüft.<br />

Dennoch sind inhaltliche Fehler nicht völlig auszuschließen. Daher erfolgen die Angaben<br />

ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autors, der keinerlei Haftung<br />

für etwa vorhandene inhaltliche Unrichtigkeiten übernimmt.


Zu beziehen über:<br />

FPÖ-Bildungsinstitut<br />

Friedrich-Schmidt-Platz 4/3a<br />

1080 Wien<br />

Tel.: +43 – 1 – 512 35 35 0<br />

Fax: +43 – 1 – 512 35 35 9<br />

www.fpoe-bildungsinstitut.at<br />

€ 12,-- pro Exemplar<br />

Gedruckt in Österreich auf umweltfreundlich hergestelltem Papier.<br />

Auch Völker und Staaten stehen in einem ständigen Wettbewerb. Und im Bedarfsfall geht<br />

Selbstversorgung vor Fremdversorgung. Souverän und krisenfest ist deshalb nur, wer<br />

seine Wasser-, Lebensmittel- und Energieversorgung aus eigener Kraft gewährleisten<br />

kann. Wer importabhängig ist, droht auf der Strecke zu bleiben. Wie Österreich. Was wir<br />

dagegen tun können, zeigt dieses Buch.<br />

ISBN:<br />

978-3-902720-07-8

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!