Erfolg nach Plan - Ute Goedecke - Fotografie
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22<br />
!das PORTRÄT<br />
!der SPORT<br />
Zwei Riesenschleifen gab es in Hong Kong<br />
zu den Goldmedaillen für Hinrich Romeike<br />
und Marius.<br />
„Man sieht es ihm am Auge an,<br />
was für ein großartiges Pferd er<br />
ist.“ Hinrich Romeike über seinen Marius<br />
Hinrich Romeike<br />
<strong>Erfolg</strong> <strong>nach</strong> <strong>Plan</strong><br />
Eigentlich ist er Zahnarzt. Sein Hobby: die Vielseitigkeit.<br />
Das können Hinrich Romeike und Marius so gut, dass sie<br />
unter anderem Doppelgold bei den diesjährigen<br />
Olympischen Spielen in Hong Kong (CHN) holten. Seitdem<br />
ist der Trubel um die beiden riesig und reißt nicht ab.<br />
as ist der ganz alltägliche Wahn-<br />
„Dsinn“, lacht Hinrich Romeike und<br />
hebt zwei riesige Eimer mit Äpfeln in den<br />
Kofferraum. Drei Monate ist es her, dass<br />
Hinni und Marius die olympischen Goldmedaillen<br />
der Vielseitigkeitsreiter im Doppelpack<br />
gewonnen haben. Eine mit der<br />
Mannschaft, eine in der Einzelwertung. Immer<br />
noch kommen täglich Kisten mit Äpfel<br />
und Möhren aus der gesamten Bundesrepublik<br />
in der Rendsburger Zahnarztpraxis<br />
an. „Danke Marius!“ steht als Notiz dabei<br />
oder „Marius soll es gut gehen“. Die beiden<br />
Siege haben die Reiterwelt bewegt. „Wir<br />
Buschreiter bekommen jetzt eine ganz andere<br />
Aufmerksamkeit. Das ist gut so, denn<br />
unser Sport ist toll“, freut sich der 45-Jährige<br />
Vater von drei Kindern.<br />
Mit Familie und Logistik<br />
Hinrich Romeike hat es diesen Sommer<br />
in Hong Kong geschafft zwei olympische<br />
Goldmedaillen zu erreiten. Etwas, was ihm<br />
so leicht niemand <strong>nach</strong> macht, denn der<br />
Zahnarzt aus Nübbel in Schleswig-Holstein<br />
ist Amateur. Das zeitaufwendige Training<br />
ist für einen berufstätigen Familienvater<br />
mit eigenem Unternehmen eine logistische<br />
Meisterleistung. In der Regel reitet<br />
er abends, <strong>nach</strong>dem auch der letzte Patient<br />
zufrieden <strong>nach</strong> Hause gegangen ist.<br />
„Um ein Pferd im Galopp fi t zu bekommen,<br />
braucht man Berge und die haben wir hier<br />
nicht. Also fahren wir mittwochs, wenn ich<br />
früher aus der Praxis komme, in die Lüneburger<br />
Heide. Das kommt oft so aus, dass<br />
ich es eben noch schaffe vor der Dunkelheit<br />
das Pferd wieder aufzuladen. Wenn ich<br />
<strong>nach</strong> sieben Stunden zurück bin, habe ich<br />
allerdings gerade mal ein Pferd geritten.“<br />
Dabei stehen zuhause im Stall in Nübbel<br />
fünf weitere Pferde, die geritten werden<br />
wollen. Neben den Reitpferden hält Romeike<br />
einige Zuchtstuten und Jungtiere. Insgesamt<br />
sind es 15 Pferde, die versorgt und<br />
gefüttert werden wollen. Ohne die Mithilfe<br />
von Ehefrau Susanne und den beiden Söhnen<br />
Claas-Hermann und Broder wäre die<br />
Arbeit am Hof nicht zu schaffen. Beharrlichkeit<br />
und zielorientierter Einsatz sind<br />
Eigenschaften, die Hinrich Romeike – dem<br />
quirligen Holsteiner mit der unverwüstlich<br />
guten Laune – zu eigen sind. Aus Dingen,<br />
die ihm am Herzen liegen, schöpft er Kraft.<br />
So viel, dass es wirkt, als sei er als Kind in<br />
einen Kessel mit Zaubertrank gefallen. „Ich<br />
fokussiere mich auf Dinge die mir wichtig<br />
sind. Was einem wichtig ist, das erreicht<br />
man auch“, erklärt er seine Philosophie und<br />
strahlt dabei, als hätte er die beiden Goldmedaillen<br />
eben erst erhalten.<br />
Von Generation zu Generation<br />
Der reitende Zahnarzt zeigt Biss und bleibt<br />
dabei mit Beruf und Hobby der Familientradition<br />
treu. Die Zahnarztpraxis in Rendsburg<br />
wurde bereits von seinem Großvater<br />
gegründet – im März 1929. Nächstes Jahr<br />
wird 80-jähriges Jubiläum gefeiert. Sein Vater<br />
hat die Praxis seinerzeit übernommen.<br />
Jetzt führt sie Hinrich Romeike gemeinsam<br />
mit seinem Onkel, einem Assistenten und<br />
einem weiteren Zahnarzt. Und weil bereits<br />
der Vater ein Pferd hatte und geritten ist,<br />
lag nichts näher, als selbst zu reiten. Das<br />
Pferd war schließlich da. Genauso wie seine<br />
vier Geschwister stieg Hinrich in den Sattel<br />
und entdeckte im Alter von etwa zehn<br />
Jahren den Reitsport für sich. „Als ich 13<br />
❦ fon: (033238) 80561<br />
war, drohte meine kleine Schwester Carsta<br />
besser zu werden“, lacht das sympathische<br />
Nordlicht, „da musste was passieren.“ Also<br />
trainierte er etwas mehr.<br />
Von Dressur zur Vielseitigkeit<br />
Damals ritt er Paulinchen, eine kleine<br />
schwarze Trakehnerstute aus der Zucht von<br />
Georg-Otto Heyser, die Freunden seiner<br />
Eltern gehörte. „Dressur war großartig“,<br />
erinnert sich der beherzte Buschreiter, der<br />
mit Marius erst fünf Mal den alternativen<br />
Weg wählte „Ich wusste alles über die Wiener<br />
Hofreitschule. Ich kannte alle Übungen,<br />
wusste wie die Ballotade, die Levade und<br />
die Kapriole aussah. Aber über Sprünge zu<br />
reiten, war saugefährlich. Dazu war ich zu<br />
ängstlich.“<br />
Diese Einstellung änderte sich, als er einige<br />
Zeit später regelmäßig das Pferd seines Onkels<br />
ritt. Mit Molar (lateinisch für Backenzahn)<br />
wagte der 15-Jährige seinen ersten<br />
Sprung und stellte fest, dass Springen Spaß<br />
machte. Zum Schlüsselerlebnis wurde ein<br />
Besuch bei der Vielseitigkeit in Schenefeld,<br />
die damals zum dritten Mal ausgetragen<br />
wurde. Vater Romeike erklärte dem Sohn<br />
„Vielseitigkeit ist richtiger Männersport.“<br />
Für den jungen Hinrich das entscheidende<br />
Argument. Von da an widmete er sich der<br />
Vielseitigkeit. Mit 17 Jahren ritt er auf A-<br />
Niveau. Mit einem Pferd, das der Familie<br />
empfohlen wurde, obwohl es einen schlech-<br />
ANZ_Das!Pf_Hennig180x30:Layout 6 04.09.2008 14:11 Seite 1<br />
Marius genießt Familienanschluss und steht im Mittelpunkt,<br />
hier zwischen Hinrich und Susanne Romeike.<br />
ten TÜV hatte, wurde er schließlich erfolgreich.<br />
Zuverlässig und ohne jemals lahm<br />
oder krank zu sein, sprang der englische<br />
Vollblüter über feste A- und L-Hindernisse.<br />
1981 wurde das Paar bei den Junioren Dritte<br />
der Landesmeisterschaften und startete<br />
da<strong>nach</strong> bei den Deutschen Meisterschaften<br />
in Luhmühlen. Die Lektionen der Wiener<br />
Hofreitschule hatten längst nicht mehr<br />
oberste Priorität. „Ich war letzter in der<br />
Dressur, aber schnellster im Gelände“, lacht<br />
Romeike. In den folgenden Jahren ritt er bei<br />
den Deutschen Meisterschaften der Jungen<br />
Reiter mit. 1987 schließlich startete er bei<br />
den Senioren. Examen und die erste Assistenzarztstelle<br />
drängten die Reiterei in den<br />
Hintergrund. Das Energiebündel musste<br />
sich in den neuen Lebensstil erst einfi nden.<br />
„Man denkt als Student, das Studieren sei<br />
anstrengend. Wenn man dann so richtig arbeitet,<br />
stellt man fest, das ist viel anstrengender.<br />
Das erste halbe Jahr war ich abends<br />
einfach fertig. Bei acht Stunden Arbeit war<br />
meine Kreativität mittags schon verpufft.“<br />
Entscheidende Begegnung<br />
Nach und <strong>nach</strong> kam Routine in den Arbeitsalltag<br />
und <strong>nach</strong> einem halben Jahr fand der<br />
Zahnarzt wieder Zeit und Energie zum Reiten.<br />
Mit seinem selbst gezogenen Dimitri<br />
war er erfolgreich unterwegs. Sechsjährig<br />
ging der Wallach Gelände-L. Doch der Vielversprechende<br />
entwickelte ein Überbein<br />
Kompetenz hat einen Namen!<br />
!das PFERDEMAGAZIN | 01-02.2009 01-02.2009 | !das PFERDEMAGAZIN 23<br />
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© collage grafik 2008<br />
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24<br />
!das PORTRÄT<br />
Die ganze Familie Romeike packt an,<br />
– auch Sohn Claas-Herman<br />
Jeden Tag schicken Fans eimerweise Äpfel<br />
für Marius.<br />
In dieser Reetdachhaus-Idylle leben die Romeikes<br />
– ein ruhiger Ort, an dem ein durchorganisiertes<br />
Leben geführt wird.<br />
!das PFERDEMAGAZIN | 01-02.2009<br />
und blieb trotz aller Versuche der Tierärzte<br />
lahm.<br />
In dieser Zeit begegnete Hinrich Romeike<br />
Marius und erwarb ihn als Zweitpferd. „Ich<br />
hatte immer irgendwie das Gefühl, dass<br />
ich das kann, Vielseitigkeit reiten. Und<br />
bei Marius habe ich ganz klar von Anfang<br />
an internationalen Spitzenport gedacht“,<br />
gesteht Romeike. „Ich hab das genau berechnet:<br />
Wenn das ein Kracher ist und in<br />
fünf Jahren sind die nächsten Olympischen<br />
Spiele, die in Frage kommen, dann müsste<br />
er in vier Jahren S gehen. Dann kann es<br />
klappen.“ Um sich später nicht sagen zu<br />
müssen, „Hättest Du mal besser…“, baute<br />
er Marius langsam und besonnen auf.<br />
Ein Jahr lang trainierte Romeike einmal in<br />
der Woche mit Karsten Huck das Springen.<br />
Mit Georg-Otto Heyser arbeitete er an der<br />
Dressur. Konsequent ging der Reiter die<br />
Defi zite seines Top-Pferdes an, um Grundlagen<br />
zu schaffen, die seiner Überzeugung<br />
<strong>nach</strong> für <strong>Erfolg</strong> im Spitzensport notwendig<br />
sind. Bei so viel Energie und Einsatz konnte<br />
der <strong>Erfolg</strong> nicht ausbleiben. Unterstützung<br />
und helfende Hände braucht aber auch ein<br />
goldener Reiter. „Ich kann mich gut konzentrieren“,<br />
kommentiert er seine Stärken.<br />
„Ich höre dann nicht mehr, wenn jemand<br />
mit mir spricht. Das hilft mir in der Prüfung,<br />
wenn ich mir den Weg merke.“ Vorausgesetzt<br />
man ist erst mal drin im Viereck. Denn<br />
damit hat der Zielstrebige schon einmal<br />
Probleme gehabt. „In Aachen war ich so<br />
konzentriert auf meinen Weg innerhalb des<br />
Parcours, dass ich den Eingang nicht gefunden<br />
habe. Ab der Startlinie weiß ich immer<br />
alles ganz genau, aber davor…“ Jörg Näve<br />
rettete den hochkonzentrierten Zahnarzt<br />
und führte Marius am Zügel in die Arena.<br />
Star und Rummel<br />
Mit den Goldmedaillen kam ein neues Problem<br />
für die Reiter-Familie Romeike. „Man<br />
macht einen <strong>Plan</strong> bis zur Siegerehrung.<br />
!das-Autorin Stephanie Sieckmann im<br />
„Interview“ mit Marius.<br />
Da<strong>nach</strong> plant man nicht und dann kommt<br />
das Chaos“, erklärt Romeike. Seine Frau<br />
Susanne weiter: „Im Sommer ist vieles liegen<br />
geblieben, weil wir gesagt haben, das<br />
machen wir <strong>nach</strong> Olympia. Aber seitdem<br />
sind wir zu gar nichts mehr gekommen.“<br />
Auch drei Monate <strong>nach</strong> den Olympischen<br />
Spielen jagt immer noch ein Termin den<br />
anderen. Natürlich <strong>nach</strong> Feierabend, natürlich<br />
neben Reiterei und Familienleben.<br />
Ehrungen in Kiel, Neumünster und Berlin<br />
stehen ebenso auf dem Programm wie ein<br />
Überraschungsbesuch der Equipe bei Chris<br />
Bartle in England. Und Termine bei Berufs-<br />
Veranstaltungen: Die Zahnärzte sind stolz<br />
auf ihren Kollegen Hinni, der schafft, was<br />
eigentlich nicht zu schaffen ist: als Zahnarzt<br />
nebenbei olympische Medaillen zu gewinnen.<br />
Bei vier Kongressen war er bereits als<br />
Ehrengast geladen. Der Terminfl ut begegnet<br />
das Kraftpaket Romeike so gelassen<br />
und fröhlich wie der Fanpost, die zuhause in<br />
Waschkörben im Wohnzimmer steht. „Der<br />
Zuspruch der Leute ist eine große Freude,<br />
aber auch Verantwortung“, gibt Romeike<br />
zu bedenken.<br />
Für das Dream-Team Hinni und Marius sind<br />
bereits viele Wünsche in Erfüllung gegangen,<br />
doch ein paar Ziele hat der ambitionierte<br />
Amateur bereits im Blick: Kentucky<br />
(USA) zum Beispiel. Da als Titelverteidiger<br />
zu den Weltreiterspielen 2010 zu fahren,<br />
wäre schön. Außerdem fehlen Marius nur<br />
noch drei Championate, dann wäre er erfolgreicher<br />
als jedes andere Pferd.<br />
Text: Stephanie Sieckmann<br />
Fotos: <strong>Ute</strong> <strong>Goedecke</strong>