Sie haben ihn also sicher männlich besetzt.Ja, aber in einem Frauenkörper. In einer Frauenstimme – la voce che adoro... wie es Mozart haben will.Als Page, als Soldat, als OffizierAls Spieler – und spätestens seit Abu Ghraib wissen wir wie ra<strong>di</strong>kal auchFrauen mit dem <strong>Le</strong>ben spielen können, auch gegen sich. Da stehen sie ihrenmännlichen Kollegen in nichts nach. Cherubino wird in der Erziehungerwachsen und bleibt bis zum Schluss doch Kind. Darin macht sich <strong>di</strong>eDimension von Mozart fest – das macht doch wieder klar, dass sein Vater(also <strong>Le</strong>opold Mozart) ihn hier nicht verstehen konnte – wie der GrafCherubino auch nicht im Haus und in seinem <strong>Le</strong>ben akzeptieren kann. In derBegründung argumentiert er erotisch egomanisch, aber in Wirklichkeit will er<strong>di</strong>e verunsichernde Spielfreude weghaben, er entscheidet sich für denmilitärischen Machtkampf und schickt "das Kind" in den Krieg, und natürlichin den Tod. Das ist eine grosse Aussage ... und das Schloss (<strong>di</strong>eGesellschaft?) hat keine Kinder mehr – <strong>di</strong>e Jugend im Schloss (in derGesellschaft) hat seit Jahren nicht mehr geheiratet, das Feudalrecht musstegekippt werden ... <strong>di</strong>e Arroganz und Selbstherrlichkeit der Macht musste ihreKonsequenzen ziehen. Das passiert nicht aus Nächstenliebe.Revolutionsoper?Mit dem Lächeln des Spiels derGeschlechter: für <strong>di</strong>e Freiheit,für das Spiel des <strong>Le</strong>bens, für <strong>di</strong>eZukunft.Und sonst haben Sie keineAnpassungen gemacht,Striche?Nein, wir spielen <strong>di</strong>e Operintegral, mit allen möglichenArien der Uraufführung vom1786, also nicht mit denNacharien für <strong>di</strong>e zweite WienerFassung von 1789.Umstellungen?Wir sind auf <strong>di</strong>e SzenenfolgeMozarts zurückgegangen undspielen nicht <strong>di</strong>e etwas in Modegekommene Umstellung imdritten Akt, <strong>di</strong>e eine gewisseAuftrittsspannung erzeugenwollen.Und im Spiel?Aber ja doch, dafür habe ich <strong>di</strong>e Buffa zu genau und ernsthaft gelesen, DaPonte und vor allem Beaumarchais – da musste ich eine kleine Verschiebungvornehmen: Der Graf hat <strong>di</strong>e erste Liebe für Rosina ... wie soll ich sagen?
"überwunden?" gelebt oder durchgeturnt, was man will, jetzt ist sie ihmüberdrüssig geworden, sie sei zu korrekt sagt er, zu voreilig zuvorkommend,sie sei zu unterwürfig wohlgefällig. Er will spielen können, verführen,begehren, begehrt sein – da ist er wie Cherubino. Sie liebt ihn nach wie vor,oder möchte <strong>di</strong>e Position nicht verlieren – zweierlei im Gefühl aber einerlei inden Folgen. Dafür möchte er eine Romanze mit Susanna haben, und da ist ersogar bereit, auf den grossmütigen Verzicht auf <strong>di</strong>e erste Nachtzurückzukommen. Ich glaube, dass Susanna <strong>di</strong>esen Liebes<strong>di</strong>enst nicht leistenmöchte und habe <strong>di</strong>e Inszenierung darauf ausgelegt. Das heisst nicht, dasssie sich nicht gerne begehren lässt. Aber wenn es Ernst wird, im Moment derVerabredung für das nächtliche Stell<strong>di</strong>chein lasse ich <strong>di</strong>e zwei Frauen in <strong>di</strong>e"Haut" der jeweils anderen steigen, um als Rosina (in der Person vonSusanna) vom Grafen geliebt und als Susanna (in jener Rosinas) davorverschont zu werden. So wechseln sie <strong>di</strong>e Kleider und "spielen" <strong>di</strong>e Rolle derjeweils anderen weiter und können ihre Liebhaber wiederum testen – beidefallen darauf ein, der Graf und <strong>Figaro</strong>. Unsere Kostümierung kommt <strong>di</strong>eserSpielklarheit sehr entgegen. Dieser Kunstgriff musste dann am Schluss auchwieder aufgelöst werden, und so gehe ich einen Schritt weiter in <strong>di</strong>e Zukunftund lasse Cherubino als Mozart, auf einer kurzen Einspielung aus dem DonGiovanni (<strong>di</strong>e nächste Oper Mozarts, der nächste Schritt!), Susannawiederum ihren Schleier bringen. So ist <strong>di</strong>e Welt wieder in Ordnung, Rosinawird ganz legitim vom Grafen schwanger und Susanna geht jungfräulich in<strong>di</strong>e Ehe mit <strong>Figaro</strong>. So will es <strong>di</strong>e Vorlage aber bisher hat man immer <strong>di</strong>eBuffa als Berechtigung für jeden Seitensprung oder für jede Untreueverwendet. Mir ist <strong>di</strong>e Buffa dafür zu ernst und zu schade.Und <strong>di</strong>e Liebe Cherubinos für <strong>di</strong>e Gräfin, für Susanna, für alle Frauen?Jene für <strong>di</strong>e Gräfin dauert noch länger, und wird ihr dann in zwei Jahren einKind und ihm den Tod bescheren, <strong>di</strong>e anderen sind eher Spielereien – unddamit sind wir wiederum bei Don Giovanni und haben noch einigeLiebschaften vor, mindestens "mille e tre", und das nur in Spanien ...Und niemand ist traurig?Das wäre zu einfach und wiederum wäre das für Mozart zu platt ... Barbarinatrauert einem Verlust (und Gewinn?) nach und sucht <strong>di</strong>e verlorene Nadel imPark. Das ist Arbeit genug für ein ganzes <strong>Le</strong>ben. Jeder trauert auch imhöchsten Glück dem <strong>Le</strong>ben nach, wie im richtigen <strong>Le</strong>ben. In der Freude liegtein Schatten, der <strong>di</strong>e Freude erst vollkommen macht, das Bewusstsein umden möglichen Schatten definiert erst <strong>di</strong>e Freude.Wie gehen Sie mit den Umbauten um, mit den Pausen?Es sind vier Bilder und nur eine Pause nach dem zweiten. Also musste derÜbergang von 1 zu 2 und von 3 zu 4 gefunden werden, um der hohenMesslatte des "tempo della musica" gerecht zu werden. Da bin ich wiedernach dem Tempo der Partitur vorgegangen, wie bereits bei der Italiana undbei Don Pasquale, und habe mir einen Abend ohne Umbauverzögerungenzum Ziel gesetzt: <strong>di</strong>e Szenen werden vor dem Vorhang weitergespielt und -entwickelt und beim szenischen Bedürfnis wieder auf <strong>di</strong>e Bühne genommen.Und so verzichte ich konsequenterweise auch auf eine Inszenierung derOuvertüre. Das Spiel dort findet im Orchester statt, und dafür ist <strong>di</strong>eses