POTSDAMER SPITZE - Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam
POTSDAMER SPITZE - Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam
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Text: Lukas 14,16-24<br />
Liebe Gemeinde,<br />
liebe Kuratoren mit dem Stiftungsvorstand,<br />
drei Dinge sind es, die uns an dieser Erzählung<br />
Jesu berühren: die großzügige Einladung des<br />
Gastgebers, die skandalös kurzfristigen Absagen<br />
<strong>der</strong> Geladenen und die bewun<strong>der</strong>ungswürdige<br />
Energie, mit welcher <strong>der</strong> Gastgeber dafür<br />
sorgt, dass sein Fest doch noch gelingt. Dass<br />
es sich bei dieser Erzählung um ein Gleichnis für<br />
Gottes Reich handelt, zeigt die Situationsangabe.<br />
Wir befinden uns im Haus eines hochrangigen<br />
Pharisäers und Jesus nimmt den begeisterten<br />
Ausruf eines Gastes: »Selig ist, wer<br />
im Reich Gottes am Mahl teilnimmt« zum Anlass<br />
seiner – sagen wir – geistlichen Tischrede.<br />
Der <strong>Wie<strong>der</strong>aufbau</strong> <strong>der</strong> <strong>Garnisonkirche</strong> ist zwar<br />
nicht die Errichtung des Reiches Gottes. Aber<br />
eine kleine Seligkeit wird das schon sein, wenn<br />
wir an <strong>der</strong> Einweihung zunächst des Turms dieser<br />
Kirche teilnehmen können. Auf jeden Fall<br />
aber führen uns die drei Stichworte: Großherzigkeit,<br />
Enttäuschung und energisches Dennoch<br />
nicht nur in die Dimension des Reiches<br />
Gottes, son<strong>der</strong>n auch in das mutige und umstrittene<br />
Projekt des <strong>Wie<strong>der</strong>aufbau</strong>s einer <strong>der</strong><br />
schönsten protestantischen Barockkirchen.<br />
Zunächst also die großzügige Einladung zu einem<br />
festlichen Abendessen. Hausfrauen und Chefs<br />
von För<strong>der</strong>vereinen wissen, was eine solche Einladung<br />
an viele Adressen für Arbeit macht. Da<br />
muss langfristig und weiträumig gedacht werden.<br />
Und was das alles kostet! Zum Fest gehört – darüber<br />
hat schon manche Hausfrau ihren besorgten<br />
Mann belehrt – etwas großzügig Verschwen<strong>der</strong>isches.<br />
Und wenn das schon von<br />
Festen gilt, die wir Menschen geben, um wie viel<br />
mehr gilt es von Gottes Mahl. Gott aber ist frei<br />
in <strong>der</strong> Wahl und im Einsatz seiner Mittel. Versuchen<br />
wir, Schritt zu halten mit den Vorgaben seiner<br />
Großherzigkeit.<br />
Diese Großzügigkeit wird in <strong>der</strong> Erzählung durch<br />
die Mitteilung unterstrichen, dass <strong>der</strong> Gastgeber<br />
zur Stunde des Abendessens seinen Diener aussandte,<br />
um den Geladenen auszurichten:<br />
»Kommt, denn es ist alles bereit«. Der Diener –<br />
das sind jedenfalls wir Christen – als einzelne,<br />
als Gemeinde, als kirchliche Institution. Aber seltsam<br />
genug, oft sind es gar nicht die Menschen,<br />
son<strong>der</strong>n eben Kirchgebäude wie die Dresdner<br />
Frauenkirche, das Ulmer Münster o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Berliner<br />
Dom, die durch ihr bloßes Dasein aussprechen:<br />
»Kommt, es ist alles bereit.« Die hochtürmige<br />
festliche <strong>Potsdam</strong>er <strong>Garnisonkirche</strong> war<br />
einst eine solche Kirche und sie ist es trotz ihrer<br />
Verwicklung in Absolutismus und Militarismus,<br />
Borussismus und Wilhelminismus auch geblieben.<br />
Belehrt und auch beschämt durch diese<br />
zwiespältige Geschichte kann ihr Neubau sie erst<br />
recht zu einem einladenden Kirchgebäude machen.<br />
Doch nun das Zweite: Der großherzigen<br />
Einladung des Gastgebers folgt eine ebenso tiefe<br />
Enttäuschung. Es geht hier um die Ehre des<br />
Einladenden. Denn wer kommt und zugreift, <strong>der</strong><br />
ehrt die Hausfrau und den Hausherrn und dankt<br />
ihnen. Das ist zu Hause und in <strong>der</strong> Gemeinde<br />
nicht an<strong>der</strong>s als im Himmelreich. Entsprechend<br />
riesig ist die Enttäuschung eines Gastgebers über<br />
Absagen und die noch kurzfristig, wenn die Tische<br />
schon gedeckt sind, die Weinflaschen schon<br />
entkorkt und die Musik im Gange ist.<br />
Von den Absagen können die, die das Projekt<br />
<strong>Garnisonkirche</strong> sich vorgenommen haben und es<br />
vorantreiben, auch einige Lie<strong>der</strong> singen. Den einen<br />
passt das auf Versöhnungs- und Friedensarbeit<br />
zielende geistliche Nutzungskonzept nicht,<br />
die an<strong>der</strong>n sehen im <strong>Wie<strong>der</strong>aufbau</strong> die Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
eines Symbols preußischen Ungeists,<br />
wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e üben sich in antikirchlichem Ressentiment,<br />
ja es gibt sogar solche, die sehen in <strong>der</strong><br />
Zerstörung <strong>der</strong> Kirche Gottes Gericht, in das Christen<br />
sich zu fügen haben. Das ist so, als wäre <strong>der</strong><br />
Turm nicht stehen geblieben im Gericht, gleichsam<br />
als Auffor<strong>der</strong>ung und Möglichkeit zum <strong>Wie<strong>der</strong>aufbau</strong>,<br />
die dann mut- und böswillig zerstört<br />
wurde. Ach, könnten sie alle doch gewonnen<br />
werden, für eine Christen und Nichtchristen verbindende<br />
Gemeinsamkeit für die Stadt, das Land<br />
und die Kirche, einer Gemeinsamkeit, in <strong>der</strong> ein<br />
Neues gepflügt, gesät und geerntet wird!<br />
Wir alle können wohl die Enttäuschung und den<br />
Zorn des Hausherrn im Gleichnis verstehen.<br />
Aber dieser Zorn hat eine unglaublich positive<br />
Kraft in sich. Er ist das Brennende seines Wunsches,<br />
mit seinen Gästen zusammen zu sein.<br />
Gott lässt sich durch menschliches Verhalten<br />
nicht irritieren. Er sagt den Bau seines Reiches<br />
nicht einfach in einem Wutanfall ab.<br />
Deshalb nun das Dritte: Das wun<strong>der</strong>bare Dennoch<br />
des Zorns. In immer neuen Anläufen lässt <strong>der</strong> enttäuschte<br />
Gastgeber neue Gäste einladen. Man<br />
darf diesen Zug <strong>der</strong> Erzählung nicht zu eng nehmen<br />
und die neu Eingeladenen sozusagen als<br />
zweite o<strong>der</strong> dritte Wahl verstehen. Kuratorien sind<br />
ja allemal erste Wahl. Die christliche Mission etwa<br />
verlief auch in Etappen, erst in Jerusalem und<br />
Judäa und Kleinasien, dann in Europa, schließlich<br />
in Amerika, Afrika und so fort. Das ist keine Abwertung<br />
<strong>der</strong> später Hinzugekommenen. Im Ge-<br />
PREDIGT ZUR EINFÜHRUNG DES KURATORIUMS<br />
Anlässlich <strong>der</strong> Einführung des Kuratoriums <strong>der</strong> Stiftung <strong>Garnisonkirche</strong> <strong>Potsdam</strong> hielt Dr. Wilhelm Hüffmeier in <strong>der</strong><br />
<strong>Potsdam</strong>er St. Nikolaikirche eine Predigt, <strong>der</strong>en Text wir im folgenden leicht gekürzt dokumentieren:<br />
DEZEMBER 2009<br />
genteil: Ihnen gegenüber können die früheren<br />
Christen gelegentlich ganz schön alt aussehen.<br />
Nun steht aber da im Gleichnis jene Anweisung<br />
des Gastgebers an seinen Diener: »Nötige sie hereinzukommen,<br />
dass mein Haus voll werde«. Dieser<br />
Satz gilt denen, die sich schämen, die Einladung<br />
anzunehmen, weil sie sich nicht festlich genug gekleidet<br />
o<strong>der</strong> sich in ihrem Benehmen zu ungehobelt<br />
vorkommen. Ein wun<strong>der</strong>barer Hinweis darauf,<br />
dass wir für unser Verhältnis zu Gott keine<br />
beson<strong>der</strong>en Qualitäten mitbringen müssen. Wir<br />
werden nicht beäugt und bewertet. Wir sind ihm<br />
recht, so wie wir sind, und wenn wir kommen, wird<br />
er uns annehmen und auch än<strong>der</strong>n. In verhängnisvoller<br />
Weise hat die Kirche aus jener Anweisung<br />
zeitweilig in ein »cogite intrare«, ein »zwingt sie<br />
in die Kirche«, »zwingt sie mitzumachen« verän<strong>der</strong>t.<br />
Die Einladung Gottes duldet aber keine Gewalt.<br />
Sie ruft nach freier Zustimmung.<br />
Die Prediger an <strong>der</strong> <strong>Garnisonkirche</strong> hatten dafür<br />
übrigens zeitweilig ein gutes Gespür. Deshalb haben<br />
sie gegen die Koppelung von Kirchgang und<br />
Paraden in den sog. »Kirchparaden« unter Friedrich<br />
Wilhelm III. eine Eingabe gemacht. Vergeblich.<br />
Dabei hatte <strong>der</strong> König in <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Kirchenunion,<br />
die von <strong>der</strong> <strong>Garnisonkirche</strong> ihren Ausgang<br />
nahm, zunächst ganz auf Freiwilligkeit gesetzt.<br />
Nein, Religion duldet keinen Zwang, keine Gewalt.<br />
Aber gibt es nicht im Deutschen jene schöne Wendung,<br />
jemanden zu seinem Glück zu zwingen?<br />
Und lässt sich das nicht im Blick auf <strong>Potsdam</strong> für<br />
den Bau <strong>der</strong> <strong>Garnisonkirche</strong> sagen? Sie wird ein<br />
Glück sein, ein Glück, das jetzt noch viele Wi<strong>der</strong>stände<br />
erzeugt, aber dann jene kleine Seligkeit bedeuten<br />
wird, so wie man als Kind sich gegen das<br />
Klavierspiel aufbäumte und im Alter oft genug<br />
dankbar ist, dass einen die Eltern dazu genötigt haben?<br />
Müssen wir nicht in religiösen Dingen auch<br />
ab und zu Druck ausüben auf unseren alten Adam?<br />
Und ein Allerletztes. Der Schlusssatz von Jesu Erzählung:<br />
»Ich sage Euch, dass keiner von denen,<br />
die zuerst eingeladen waren und dann abgesagt<br />
haben, an meinem Abendessen teilnehmen werden«,<br />
klingt zwar wie tiefste Verärgerung und<br />
Wut, ja wie Rache. Aber das ist sein Sinn nicht.<br />
Es ist vielmehr <strong>der</strong> Ruf zur Entscheidung. Es ist<br />
ein Wort, das einschärft: »Höre jetzt die Einladung<br />
und sieh zu, dass Du den Platz einnimmst, <strong>der</strong> für<br />
Dich bestimmt ist. Es gibt ein Zuspät!« Jesus ruft<br />
uns zu: »Ich möchte nicht, dass Du zu denen gehörst,<br />
die zu spät kommen und die das Leben bestraft.<br />
Im Gegenteil. Ich erzähle jetzt, wie herrlich<br />
es im Reiche Gottes ist, damit Du jetzt sagst:<br />
Ich werde <strong>der</strong> Einladung folgen. Ich werde dabei<br />
sein.‹« Wie schön, dass Sie dabei sind. Amen! ❖<br />
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