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Hauschronik PDF, 169 kb - und Jugend-Betreuungszentrum ...

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Dissertation<br />

1688 Hans Carl Hummel<br />

1722 Johann Georg Mitterer<br />

1723 Johann G. Mitterer<br />

Johann Andre Freysmuth<br />

Frau Hummel<br />

1739 Mathias Reichenauer<br />

Anton Wenger<br />

1784 Reichenauer<br />

Wenger Zeichen ab 1710 Hufeisen<br />

Texte von Bieber, Pfaffenbichler Flor, Reichenfader, Rauter, Moser über Museum erhalten<br />

17. Jhd. bis 1846 Fam. Kogler<br />

1846 Mathias Reichenauer<br />

Bezirksgericht Gr<strong>und</strong>buchauszug<br />

1876 Franz von Reichenauer<br />

1902 Schwarz<br />

Freysmuth<br />

1904 Schwarz<br />

1920 Adolf Schwarz<br />

01.11.1928 Kaufvertrag Eigentum NÖ Landesfond Texte von Bieber,...<br />

19.07.1929.1 B<strong>und</strong>esland NÖ<br />

1927 Lreg NÖ Lehrlingsheim<br />

1929 – 1938 Erholungsheim<br />

im Sommer 70 Ferienkinder<br />

1938 – 1944 Hitlerjugend <strong>und</strong><br />

B<strong>und</strong> deutscher Mädchen<br />

1942 Eigentum einverleibt Reichsgau Niederdonau <strong>und</strong> Umsiedler<br />

Gauselbstverwaltung 1943 Umsiedlung Korneuburg<br />

Zentralumsiedlungslager<br />

12/1944 Erziehungsheim<br />

1947 B<strong>und</strong>esland Niederösterreich<br />

<strong>Jugend</strong>fürsorgeverwaltung<br />

1948 große Renovierung<br />

(handgeschriebene Aufzeichnungen)<br />

2003 Regierungsbeschluss - Umbenennung in Kinder- <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong>-<strong>Betreuungszentrum</strong> Reichenauerhof<br />

Quellen: Dissertation „Sensenerzeugung <strong>und</strong> Sensenhandel in Waidhofen/Y. von der Gegen-<br />

reformation bis zu den josephinischen Refomen“. Semellechner Kurt, Wien 1972<br />

Gr<strong>und</strong>buchauszug Bezirksgericht Waidhofen/Ybbs<br />

Handschriftliche <strong>und</strong> anderen Aufzeichnungen aus Niederschriften des Reichenauerhofs<br />

erstellt durch Mag. Gertrud Maria Abfalter unterstützt vom Museum <strong>und</strong> dem Stadtarchiv W/Y.<br />

S:\homepage 06.07\Chronik üa für TR, 31.5.07.doc 1<br />

Diese <strong>Hauschronik</strong> wurde im Mai<br />

2004 begonnen. Sie wird mit<br />

unterschiedlichen Quellen<br />

verglichen <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

korrigiert. Abf.


II. Die Hammergewerken<br />

zu Hollenstein, Lunz <strong>und</strong> Waidhofen a.d.Ybbs<br />

Mitte des 17.Jahrh<strong>und</strong>ertes ließ sich Maximilian Reichenauer als Zerrenhammermeister in<br />

Klein-Hollenstein im Oistale nieder. Er war, wie aus einem im Museum zu Waidhofen a. d.<br />

Y. befindlichen Votivbilde, das er zum Danke für die Rettung aus der Gefahr des<br />

Ertrinkens 1682 anfertigen ließ, in Vordernberg geboren <strong>und</strong> in erster Ehe mit Barbara<br />

Sturm, in zweiter mit Maria Anna N., aus St. Gallen a.d. Enns, vermählt. Maximilian<br />

Reichenauer zog in vorgerücktem Alter nach Waidhofen a.d. Ybbs, wo selbst er am<br />

6.Mai 1711 starb. Von welchem Zweige der Vordernberger Reichenauer Maximilian<br />

abstammte, ist nicht bekannt, doch ist anzunehmen, dass er ein Sohn Valentins war<br />

1). Sein aus zweiter Ehe stammender Sohn Mathias Josef erwarb durch seine Heirat mit<br />

Christine Anna, die zuerst den Lunzer Hammergewerken Paul Hayden <strong>und</strong> dann den<br />

Paul Josef Brunner zum Manne hatte, die früher dem Paul Hayden gehörige Gewerkschaft<br />

in Lunz. Nach Christines Ableben nahm jener eine Waidhofnerin Anna Katharina, Tochter<br />

des dortigen Eisenhändlers Hans Karl Hummel, zur Frau, zog dann selbst nach<br />

Waidhofen, wo er ab 27.Dezember 1746 starb. Von den aus seiner zweiten Ehe – die<br />

erste blieb kinderlos – stammenden 10 Kinder wurden die Söhne Felix Franz <strong>und</strong><br />

Joh.Adam, Stifter zweier Äste, zu Lunz <strong>und</strong> Waidhofen. Der ältere, zu Lunz sesshafte Aste<br />

des Hammergewerken Felix Franz erlosch mit den Kindern Sebastians von Reichenau,<br />

Raitrates der Münz- <strong>und</strong> Bergwesens-Hofbuchhaltung, zu Wien i.J. 1803. Die Lunzer<br />

Gewerkschaft mit dem alten Herrenhause war schon durch die Ehe der Tochter des Felix,<br />

Johanna, mit Johann Franz v. Amon 1779 an diese Familie übergegangen.<br />

Der zweite, jüngere, von Joh.Adam, Zerrenhammergewerken in Waidhofen<br />

abstammende Ast teilte sich mit seinen Enkeln in zwei Zweige, deren älterer noch blüht,<br />

während der jüngere am alten Gewerkenheim bei Waidhofen sesshaft, mit Franz von<br />

Reichenau i.J. 1901 im Mannesstamme erlosch. Die Hammer wurden bereits in den<br />

siebziger Jahren des vorigen Jahrh<strong>und</strong>ertes außer Betrieb gesetzt. Ihre eingestürzten<br />

Dächer <strong>und</strong> verwitterten Essen bieten ein trauriges Bild des Niederganges einer einst<br />

weitberühmten Industrie 2).<br />

S:\homepage 06.07\Chronik üa für TR, 31.5.07.doc 2


Der Reichenauerhof<br />

Vor 1846 befand sich der Reichenauerhof – das Gebäude stammt aus dem 17.Jh. <strong>und</strong> war<br />

ursprünglich nur einstöckig – im Besitz der Fam. Kogler, die eine vor dem Haus befindliche<br />

Hammerschmiede betrieb. 1846 übernahm Matthias von Reichenau den gesamt Besitz<br />

<strong>und</strong> ließ das Haus als Herrschaftsgebäude herrichten. Es wurde ein zweites Stockwerk<br />

aufgesetzt <strong>und</strong> auch das Innere des Hauses restauriert. Ungefähr um die<br />

Jahrh<strong>und</strong>ertwende legten die Reichenauer die Hammerschmiede still <strong>und</strong> betrieben nur<br />

mehr die zum Besitz gehörende Landwirtschaft. 1927 wurde der Reichenauerhof an die<br />

Landesregierung verkauft <strong>und</strong> von dieser Zeit an als Lehrlingsheim verwendet. Schi,<br />

Rodeln <strong>und</strong> Kinderspielzeug wurden hier erzeugt. Von 1929 bis 1938 stand das Haus das<br />

Jahr über leer <strong>und</strong> wurde nur im Sommer als Erholungsheim für 17 Ferienkinder benützt.<br />

In der Zeit von 1938 bis Ende 1944 beherbergte der Reichenauerhof HJ <strong>und</strong> BDM <strong>und</strong><br />

zuletzt auch eine große Anzahl von Umsiedlern, die Ende 1944 nach Korneuburg in das<br />

Zentralumsiedlungslager verlegt wurden. Von Weihnachten 1944 an war der<br />

Reichenauerhof mit einer kurzen Unterbrechung, wo er von der Besatzungsmacht<br />

beschlagnahmt worden war, wieder Erziehungsheim. 1948, als sich die wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse wieder etwas gebessert hatten, wurde mit einer großzügigen Renovierung<br />

begonnen.<br />

Anekdoten <strong>und</strong> Geschichten vom Reichenauerhof<br />

Die Frau des früheren Besitzers des Reichenauerhofes, Matthäus von Reichenau starb im<br />

Reichenauerhof <strong>und</strong> wurde auf dem Stadtfriedhof, jetzt Schillerpark, in der Familiengruft<br />

beigesetzt. Die Trauergäste versammelten sich zum Leichenschmaus im sogenannten<br />

Sonntagshaus der Reichenauer (Weigendhaus, Unt. Stadt). In der Nacht kam die<br />

Verstorbene plötzlich vom Friedhof nach Hause. Der Totengräber wollte ihr den Ring vom<br />

Finger schneiden, da erwachte sie, die scheintot gewesen war. Sie lebte dann noch<br />

sieben Jahre.<br />

Franz von Reichenauer war ein Junggeselle. Er beschäftigte sich mit der Landwirtschaft<br />

<strong>und</strong> interessierte sich hauptsächlich für die Pferdezucht. Er verbrauchte viel Schnupftabak<br />

<strong>und</strong> im Zusammenhang damit 40 – 50 Taschentücher, die in drei Farben, rot, gelb <strong>und</strong><br />

blau, täglich vor dem Haus zum Trocknen aufgehängt waren. Er war ein sehr guter<br />

Mensch, der den Bauern half, wo er nur konnte. Für die Sensenfabrik seines Vaters hatte<br />

er kein Interesse <strong>und</strong> ließ deshalb den Betrieb auf.<br />

Der jetzige Speisesaal im Reichenauerhof war der Pferdestall, der Tagraum der 1.Gruppe<br />

wurde als Schweinestall benutzt. Die jetzige Küche war Futter- <strong>und</strong><br />

Pferdegeschirrkammer. Die Herrschaftsküche befand sich im 1.Stock. Im 2.Stock befand<br />

sich der Ahnensaal, geschmückt mit den Ahnenbildern der Reichenauer. Auch auf den<br />

Gängen des Hauses hingen zahlreiche Porträts.<br />

Franz von Reichenauer hat abgewirtschaftet, wie man im Volksm<strong>und</strong> sagt. Nach seinem<br />

Tod führte Frau Theresia Bernauer, die Schwester der Schwiegermutter der Frau Rautter,<br />

den Haushalt <strong>und</strong> die Wirtschaft.<br />

Die Schwester des Franz von Reichenauer, Marie von Schwarz, heiratete einen Offizier in<br />

Wien, der später Selbstmord verübte. Sie kam als Witwe auf den Reichenauerhof <strong>und</strong><br />

lebte hier mit ihren drei Söhnen. Adolf von Schwarz, Architekt, derzeit Heimleiter in Schloß<br />

Schieleiten Gustav v.S., im Weltkrieg gefallen <strong>und</strong> Othmar v.S., in der Heilanstalt Mauer-<br />

S:\homepage 06.07\Chronik üa für TR, 31.5.07.doc 3


Öhling gestorben. Marie von Schwarz war sehr freigiebig, jedoch bei der Verrechnung<br />

verkaufter Ware äußerst genau.<br />

Adolf von Schwarz hat im Jahr 1928 den Reichenauerhof an das Landesjugendheim<br />

verkauft. Vorher führte er ein Lehrlings- <strong>und</strong> Studentenheim. Er erzeugte Spielware <strong>und</strong><br />

Schi. Im Sommer war der Hof mehrere Jahre hindurch auch Erholungsheim.<br />

Familie Reichenauer – Freysmuth<br />

1805 – 9.Jänner ist der Herr von Reichenauer, ein Ehrenmann, der einstens<br />

Bürgermeister war, gestorben. Zu seinem Tode mag wohl der Schreck, den er durch die<br />

Franzosen erlitt, viel beigetragen haben. Er war 50 Jahre alt.<br />

1820 – 7.Oktober, ist die Frau Eleonora Freysmuth im Kindbett gestorben <strong>und</strong> hinterließ<br />

11 unversorgte Kinder. Der Herr wurde hierüber fast unsinnig vor Schmerz. Sie war 40<br />

Jahre alt.<br />

1828 – 27.Oktober. Dieser Tage ist von der Hofstelle die Entscheidung eingelangt, dass<br />

hier eine Post zu bestehen habe. Hiebei wurde festgestellt, dass solche mit 1.Febr. ihren<br />

Anfang zu nehmen habe <strong>und</strong> H. Steiner, Postmeister in Kemmelbach, als Postmeister<br />

eingesetzt worden ist.<br />

1829 – 5.Februar. Gestern erhielt Herr Steiner, Postmeister in Kemmelbach, den Auftrag,<br />

als heute die Post zu eröffnen, die auch heute zum ersten Mal abging. Abgehende Post<br />

nach Amstetten haben wir hier als Sonntag, Dienstag <strong>und</strong> Donnerstag, nach Weyer<br />

Montag, Mittwoch <strong>und</strong> Freitag. Samstag bleibt leer.<br />

1829 – 21.Februar, wurde in der Kirche verkündet, dass der Baron Pocksteiner Peter,<br />

Besitzer des Zulehens <strong>und</strong> Haus Nr. 6 in der Oberen Stadt gestorben sei. Sobald nun<br />

seine noch lebende Schwestern, die noch den Genuß hievon zu ziehen haben, werden<br />

gestorben sein, fällt Zulehen der Herrschaft <strong>und</strong> das Haus der Stadt anheim, so auch alle<br />

Gründe, welche er besass, teils der Kirche, teils dem Messerer-Handwerk.<br />

1831 – 19.März. Abends 6 ½ Uhr ist die traurige Staffette hier eingetroffen, dass der<br />

Postmeister von hier <strong>und</strong> Kemmelbach mit Tod abgehangen ist. Er war ein guter, braver,<br />

gesellschaftsliebender Mann, daher auch allgemein beliebt. Die Ursache seines Todes ist<br />

die Wassersucht, welche ihn einmal überfallen. Er hinterliess nebst seiner trauenden<br />

Gattin 4 Kinder, wo nur der Sohn Paul hier ein Brauhaus besitzt. Den 21.d.M. wird er in<br />

Kemmelbach beerdigt. Traurig ist es besonders für die Hinterbliebenen, in dem wohl, die<br />

hier befindlichen Realitäten wo nebst der hiesigen Post <strong>und</strong> Kemmelbach das<br />

Kapuzinerkloster ein Kleinhäusel <strong>und</strong> noch zwei Bauernhäuser gehören, nicht hinreichend<br />

sei, wer den, den großen Schuldenstand zu decken.<br />

1831 – 31.Oktober hat der neue Besitzer des Bräuhauses von Frau Steiner die Übernahme<br />

begonnen <strong>und</strong> morgen ab den 1.Novemer seinen Anfang gemacht. Er nennt sich<br />

Riedmüller.<br />

1831 – 31.Oktober hat Frau Steiner das an sich gebrachte Joh.Schreibtische Haus, was er<br />

früher ganz ordentlich <strong>und</strong> schön zusammenrichten ließ, bezogen<br />

S:\homepage 06.07\Chronik üa für TR, 31.5.07.doc 4


1831 – 24.Oktober hat Herr Josef Wedl aus Graz kommend, auf dem sogenannten<br />

Schraihaus, nun Franz Teinersches Haus am Hohen Markt, den Ausschank wieder<br />

eröffnet. Er war vor ungefähr 10 Jahren Besitzer von diesem Hause <strong>und</strong> hat sich sehr gut<br />

bef<strong>und</strong>en. Als er aber dieses verkauft <strong>und</strong> nach Graz zog, ist er in tiefste Armut <strong>und</strong> Not<br />

verfallen <strong>und</strong> wirklich nicht mehr wußte, was er anfangen sollte. Sein jetziger Anfang<br />

beginnt für ihn besser, denn er hat tägliche Gäste <strong>und</strong> läßt hoffen, dass er sich wieder<br />

emporheben wird.<br />

1832 – 17.März. Nach eingelangter Bewilligung hat nun auch der löbliche Magistrat von<br />

der Frau Steinerin das Kapuzinerkloster gekauft.<br />

1832 – 16.März war die Übergabe des Postamtes von Franz Paul Steiner an den Herrn<br />

Graf Ludwig von Auersperg<br />

1834 – Juni. Schon in den Monaten April haben die beiden Brüder Georg <strong>und</strong> Matthäus<br />

von Reichenauer das Privilegium erhalten, mit Steinkohle ihre Fabrikation zu erzeugen.<br />

Hiebei geniessen sie das volle Rechte, dass sie die Steinkohle von Hinterberg mit Vorteil<br />

ziehen <strong>und</strong> in die Bruderschaft zu treten haben.<br />

1835 – 26.März wurde die dritte <strong>und</strong> letzte Lizitation des Khogerischen Sensen- <strong>und</strong><br />

Knittelhammerwerkes samt dazugehörigen Gr<strong>und</strong>stücken am Hartbichl <strong>und</strong> zur k. u. k.<br />

Staatsherrschaft allhie untertänig, abgehalten. Es wurde statt dem Schätzungswert von 11<br />

000 fl CM nur ein Anbot von 5 500 fl CM erzeichnet. Der Erste hievon Herr Matthäus von<br />

Reichenau.<br />

1838 – 17.September war der Trauungstag des Franz Paul Steiner, Besitzer des<br />

Gastwirtshauses zum Wilden Mann am Hohen Markt, dessen Ausschank Herr Josef Wedl<br />

in Pacht übernommen hat, mit der Maria Anna v. Reichenau. Ihre Vermählung am<br />

Sonntagberg – sodann nach Kemmelbach zu seiner Mutter fuhren – <strong>und</strong> auch ihr<br />

Verbleiben alldort fortgesetzt worden.<br />

1838 – 15.Oktober. Heute hatte der Franz Paul Steiner, Bürger von hier sein im Bestand<br />

verlassenes Wirtshaus zum Wilden Mann am Hohen Markt dem Bestandwirt Weld um<br />

1 600 fl verkauft.<br />

1841 – 14.Februar. Heute feierten Josef <strong>und</strong> Eleonora von Reichenau, Sensenhammergewerke<br />

<strong>und</strong> Hausbesitzer allhier ihr 50jähriges Ehestandsfest.<br />

Gäste: Matthäus von Reichenau seine Frau <strong>und</strong> Kinder, Franz Weinberger mit Frau Agnes<br />

(geb. Reichenau) Franz Mayr, Schullehrergehilfe, Eleonore von Reichenau, Postmeisterin<br />

Steiner von Kemmelbach, Josef Wenzel Schilder, bürg. Apotheker, Gvatter von<br />

Reichenauerschen Eheleuten.<br />

1841 – 28.April. Heute wurde die gute <strong>und</strong> sehr beliebte <strong>und</strong> wirtschaftliche Frau Matthä<br />

von Reichenau, Sensengewerkerin vom Hartbichl, welche am 25 d.s. zwischen 4 <strong>und</strong> 5<br />

Uhr an Lungenschwindsucht verschied, mit einem großen Kondukt beerdigt. Herr von<br />

Reichenau, ihr Gemahl, ließ sie auf das prachtvollste beerdigen.<br />

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1841 – 28.Oktober. heute am Cäcilientag feierte Herr Matthä von Reichenau, Witwer <strong>und</strong><br />

Sensenhammergewerker am Hartbichl, mit der Elisabeth Zeillinger, Tochter des<br />

Senesenhammergewerken Josef Michl Zeilinger, seinen zweiten Ehrentag der brachte ihm<br />

ein Heiratsgut von 6237 fl 27 CM.<br />

1842 – 12.Jänner. Hochzeitstag von Bruno von Reichenau mit seiner Braut Therese von<br />

Stremeyer, aber ohne Copulation statt. Dieser äußerst auffallende Geniestreich ist mit<br />

Recht ein Krähwinkelplan zu nennen, welcher von adelichem Geblüth hervor tritt. Die<br />

Aufkündigung ging ganz in Ordnung, allein da die Braut vom Adel <strong>und</strong> minderjährig war<br />

<strong>und</strong> dazu eine Waise ist, wo erst die Verhandlung ihres Vaters bei den Landregen zu<br />

stellen war.<br />

1846 – 16. Feber – ganz in der Stille wurden die Brautleute Bruno von Reichenau <strong>und</strong><br />

Therese von Stremeyer kopuliert.<br />

1847 – 6.April. Heute ist der alte Herr Josef von Reichenau im Alter von 83 Jahren mit<br />

halben Kondukt beerdigt worden. Er war Hausbesitzer von dem Haus am Unteren<br />

Stadtplatz, dann mehreren Überländern <strong>und</strong> Realitäten <strong>und</strong> Hammerwerksbesitzer an der<br />

Schwellöd. Seit ein paar Jahren hat der Verstorbene alles seinem Neffen Bruno von<br />

Reichenau übergeben <strong>und</strong> sich in den Ruhestand versetzt. Er wurde auch, da er früher<br />

beim Bürgercorps war, von selben zu Grabe geleitet. Mit der Leiche gingen 7 Geistliche,<br />

dann alle Armen, Häusler <strong>und</strong> Schulkinder. Er war übrigens wenig krank, wurde aber am<br />

4. als am Ostermontage nach dem Mittagmahle von einem Schlage heimgesucht, <strong>und</strong> war<br />

in einigen St<strong>und</strong>en darauf tot. Ebenso war er früher Zeit Direktor bei der alliierten<br />

Sensenhandlung Comp. Somit auch Cridatar, daher man von seinem Vermögen, was die<br />

Fre<strong>und</strong>schaft ererbte, nichts mehr an Tag kommt.<br />

1848 – 8.Oktober wurde der Bruder des Sensengewerken Matthä von Reichenau, namens<br />

Michael von Reichenau mit einem halben Kondukt beerdigt. Dieser Michael von<br />

Reichenau war ein gelernter Handelskomis, dann war er angestellt bei dem Magistrate in<br />

Ybbs, von da kam er brotlos zu seinem Bruder, der ihn sodann zu sich nahm <strong>und</strong> als<br />

Buchhalter bedienstete, wo er sich sehr gut befand. Seine erste Frau ist ihm gestorben<br />

<strong>und</strong> die 2. ist von ihm weggangen <strong>und</strong> hat sich mit einem anderen Herrn nach Wien<br />

gezogen. Er hatte auch Kinder, welche aber auch schon erwachsen sind, wovon ein<br />

seiniger Sohn Bruno von Reichenau als Sensengewerk das Josef von Reichenausche<br />

Sensenwerk in Schwellöd durch Erbschaft besitzt.<br />

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Vom Schwarzbachtal – aus naher <strong>und</strong><br />

ferner Vergangenheit<br />

Das Schwarzbachtal mit seinen von den Spaziergängern <strong>und</strong> Touristen viel besuchten<br />

Seitentälern (Lugergraben, Weißenbach- <strong>und</strong> Seebachgraben), das sich von<br />

Waidhofen/Ybbs in der Richtung nach Weyer bis zur Landesgrenze nächst Oberland<br />

erstreckt <strong>und</strong> innerhalb dessen sich die Katastralgemeinde „Wirtsrotten“ befindet, ist eines<br />

der schönsten Seitentäler des Ybbstales. Eingebettet in die reichbewaldete Gebirgsketten<br />

des Alpenausläufer trennt es den durch seine vielen Weganlagen weit bekannten<br />

Buchenberg vom Schnabelberg <strong>und</strong> dem Glatzkogel, Butterkogel, Wetterkogel sowie das<br />

Gebirge zur Forsteralm vom Glasthüttenberg.<br />

Das herrlich schöne <strong>und</strong> jetzt so stille Schwarzbachtal trägt aber auch eine Vergangenheit<br />

in sich, in der das Handwerk noch goldenen Boden hatte <strong>und</strong> die Bewohner Waidhofens<br />

fern von allen politischen Tagesstreitigkeiten in Zufriedenheit <strong>und</strong> Wohlstand lebten.<br />

Befanden sich doch in diesem Tale viele Handwerker, deren rastlose Hammerschläge den<br />

Arbeitsfleiß der Talbewohner weithin verkündeten. Tüchtige Schmiede erzeugten<br />

Werkzeuge für Landwirte <strong>und</strong> verschiedenste Handwerker.<br />

Da es zu dieser Zeit noch keine Eisenbahn gab, brachte man mit Pferdefuhrwerken das<br />

zur Verarbeitung nötige Roheisen aus Eisenerz <strong>und</strong> Hieflau. Wie noch erinnerlich, war das<br />

jetzige Bauernhaus „Köstler“ in Klaus, wo gegenwärtig der bekannte Straßen – <strong>und</strong><br />

Wagenschotter gewonnen wird, eine Grobschmiede, in der Krampen <strong>und</strong> Hauen erzeugt<br />

wurden. In den späteren Jahren wurde dort eine Weißgerberei betrieben <strong>und</strong> der weit<br />

bekannte „Kösterl-Loden“ gestampft.<br />

Der damalige Besitzer der Villa „Rusticana“ (heute Genoch) in der 1.Wirtsrotte, namens<br />

Zeilinger, war Sensenschmiedemeister. Ihm gehörten die ehemaligen Forsterhämmer.<br />

Der Genochteich war ein Wasserweg zu diesen Hämmern, dem das Wasser im Bedarfsfall<br />

entnommen werden konnte. Der Sohn Zeilinger besaß in Schütt eine Hammerschmiede.<br />

Die Nachfolger am Hause Zeilingers waren Oberst Kubisch, Röckl <strong>und</strong> Fischer. Fischer<br />

errichtete eine Restauration <strong>und</strong> legte einen schönen, großen Gastgarten an, sorgte sehr<br />

für Kurzweil seiner Gäste <strong>und</strong> ließ zur Belustigung für Groß <strong>und</strong> Klein im Gastgarten ein<br />

viersitziges Ringelspiel <strong>und</strong> eine Schaukel bauen. Fischers Schwiegersohn Gidding, ein<br />

Amerikaner <strong>und</strong> Rennpferdebesitzer ließ unweit der Glashütte eine Rennbahn anlegen,<br />

auf der fleißig Rennsport betrieben wurde. Spuren dieser Rennbahn sind bis heute zu<br />

erkennen. Gidding war, wenn er mit seinen „Läufern“ nach Waidhofen fuhr, wegen seines<br />

rücksichtslosen Schnellfahrens sehr gefürchtet. Schon bei Hörbarwerden der Hufschläge<br />

seiner Gäule verschwand rettungssuchend Groß <strong>und</strong> Klein, wie heute vor plötzlich<br />

erscheinenden Autowildlingen. Nach einigen Jahren verkaufte Gidding <strong>und</strong> reiste mit<br />

seiner Familie wieder nach Amerika.<br />

Fischer verkaufte auch seine Restauration an Meier, der das Gastgewerbe zurücklegte.<br />

Später überging dieser Besitz im Kaufwege an die Gebrüder Hörmann <strong>und</strong> schließlich an<br />

Genoch.<br />

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Die früheren Besitzer der Häuser „Hohenetsch“ (John) waren Haberfellner <strong>und</strong> Pretz.<br />

Haberfellner war Zainhammerschmied, der das Eisen für die Sensen- <strong>und</strong><br />

Strohmesserschmiede gebrauchsfähig vorbereitete. Wie dieser öfters erzählt haben soll,<br />

verdiente der täglich rein 20 Gulden. Er fühlte sich daher sehr wohlhabend <strong>und</strong> zufrieden.<br />

Als aber zum ersten Mal der technische Fortschritt auch das Ybbstal erreichte <strong>und</strong> in<br />

Gerstl bei Böhlerwerk ein Stahlwerk errichtet wurde, musste der wohlhabende<br />

Zainhammerschmiedmeister bald daran glauben, dass seine Tätigkeit zu Ende geht.<br />

Zufolge der Konkurrenzunfähigkeit war Haberfellner genötigt, seinen Betrieb zu sperren.<br />

Pretz betrieb eine Fleischhauerei. Am Haus Hohenetsch folgten als Besitzer der Wiener<br />

Zahnarzt Thomas, von dem es der Generalstabsoberst Tutz kaufte. Tutz hatte in der Villa<br />

im Sommer öfteres den österreichischen Feldherrn von Hötzendorf zu Gast.<br />

Der damalige Besitzer der Kaltenbrunnersäge namens Karl Schmied war Grobschmied<br />

<strong>und</strong> erzeugte Pflugeisen, Krampen, Hammer usw.<br />

Soweit nachweisbar, waren die früheren Besitzer des Landesjugendheimes<br />

Reichenauerhof in der Zeit bis 1834 gewisse Kogler, Sensenschmiedmeister. Sie waren<br />

Eigentümer des Hartbichl- <strong>und</strong> Piskanitzhammers. Im Jahre 1834 verkauften diese ihren<br />

Betrieb an Matthäus von Reichenau.<br />

Von Reichenau vergrößerte im Laufe der Zeit seinen Betrieb <strong>und</strong> erzeugte außer Sensen<br />

auch leichte <strong>und</strong> schwere Stroh- <strong>und</strong> Heumesser. Die Reichenauersensen waren weit <strong>und</strong><br />

breit als sehr gute Sensen bekannt. Russische Kaufleute kamen ins Haus, schlossen<br />

große Käufe ab <strong>und</strong> zahlten ohne viel zu handeln jeden Preis. Außer den genannten<br />

Haushämmern besaß von Reichenau noch einen Zeugschmied- <strong>und</strong> Axthammer in der<br />

Wasservorstadt <strong>und</strong> ein Objekt der Vereinigten Sensen- <strong>und</strong> Hammerwerke.<br />

Nachdem von Reichenau auch eine große Landwirtschaft betrieb, betrachtete er es als<br />

notwendig, den Hausstock zu vergrößern <strong>und</strong> auch einen Hof auszubauen. Fünf<br />

Bauernhäuser in Gaflenz, ein Bauernhaus im Redtenbachtal (Frauenwies) <strong>und</strong> größere<br />

Feldbestände, ferner das Weigendhaus in Waidhofen/Ybbs, die Au bis zur Krautberggasse<br />

<strong>und</strong> einige kleinere Häuser waren sein Eigentum.<br />

Nach seinem Tode führte seine Frau mit Hilfe eines Verwesers den Betrieb <strong>und</strong> die<br />

Landwirtschaft bis zur Übergabe an den Sohn, Franz von Reichenau klaglos weiter. Franz<br />

von Reichenau stellte bald darauf den Betrieb der Sensen- <strong>und</strong> Messererzeugung ein <strong>und</strong><br />

beschäftige sich nur mit der Landwirtschaft.<br />

Nach seinem Tode ging der Besitz an seine Schwester Maria von Schwarz über. Der<br />

nachfolgende Besitzer war deren Sohn Adolf Ritter von Schwarz. Gegenwärtiger Besitzer<br />

des Hofes ist das Land Niederösterreich.<br />

Die Vorbesitzer der Sensenwerke Adam Zeitlinger waren Haider <strong>und</strong> Michael Zeitlinger, in<br />

der Fensterbeschläge <strong>und</strong> sonstige kleine Gegenstände erzeugt wurden. Eine<br />

Nagelschmiede bestand in der Seebachgasse in der Schuh <strong>und</strong> andere Nägel von der<br />

kleinsten bis zur größten Sorte erzeugt wurden <strong>und</strong> an Sonn- <strong>und</strong> Feiertagen am Oberen<br />

Stadtplatz, gegenüber Zeilinger, verkauft wurden.<br />

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Da alle diese Hammerwerke Wasserbetrieb hatten, waren auch stets Reparaturen an den<br />

Wehren, Fludern, Rädern etc. vorzunehmen, wodurch auch das Zimmererhandwerk rege<br />

Arbeit fand.<br />

Auch der Verkehr auf der Straße war ein äußerst lebhafter, da zu dieser Zeit noch keine<br />

Eisenbahn bestand. Es war daher unbedingt notwendig, für die vielen Fuhrwerker <strong>und</strong><br />

Reisenden möglichst viele Einkehrgasthäuse zu errichten. Es war daher der heutige<br />

Claryhof (Klaus 3, Wirtsrotte) ein großes Einkehrgasthaus, weiters das Haus Schartner,<br />

eine kleine Gaststätte „Zum Hahn“ benannt. Der wegen seines guten Kaffees<br />

weitbekannte „Hiaslwirt“, die Restauration Fischer, die Gaststätte Kaltenbrunner, Pretz <strong>und</strong><br />

Andreas Rautter, wo auch eine Straßenmaut bestand, ferner in der Wasservorstadt<br />

Schütteneder, Leitner, die berühmte Bierhalle <strong>und</strong> Brauerei Ertl am Minichberg, Tesch,<br />

Hochapfel, Gutjahr, Weninger, Stummer (Bahn-Nagl?), Hackl <strong>und</strong> das Brauhaus Ertl.<br />

Wie die Leute heute noch zu erzählen wissen, mussten die Wirte, wenn sie in das<br />

Weinland fuhren, wegen Überfallsgefahr in der Heide immer zu dritt <strong>und</strong> meistens<br />

sechsspännig fahren.<br />

Die Bauern brachten ihr Kurz- <strong>und</strong> Langholz nach Waidhofen, von wo aus es auf der Ybbs<br />

mit Flössen weiterbefördert wurde.<br />

Infolge des so regen Verkehrs auf der Straße, der den Fußgängern wie heute die Autos<br />

<strong>und</strong> Motorräder große Gefahr bot, wanderten die Menschen fern der Straße. So z.B.<br />

konnte man ohne die Straße zu berühren, von der Hammerbrücke (Reichenauerbrücke)<br />

bis zur Restauration Fischer (Genoch) <strong>und</strong> von dort zur Rennbahn <strong>und</strong> bis zum Schäffl<br />

(Claryhof) gesichert <strong>und</strong> auf staubfreiem Weg gehen.<br />

Wie man erzählt, waren die Talbewohner stets gerüstet gegen eindringende Feinde. So<br />

war unter anderem eine Verteidigungsmöglichkeit an der Landesgrenze von Nieder- <strong>und</strong><br />

Oberösterreich, genannt die Schwedenschanze <strong>und</strong> so wird heute noch dieser<br />

Grenzstreifen die „Schanz“ <strong>und</strong> das dort befindliche Wächterhaus das<br />

„Schanzwächterhaus“ genannt.<br />

Zur Zeit des Napoleon-Krieges wurde auch das Schwarzbachtal vom Feinde heimgesucht.<br />

Die feindlichen Truppen zogen plündernd <strong>und</strong> raubend durch das Tal <strong>und</strong> haben den<br />

Bauern am Gute Hartbichl, wahrscheinlich deshalb, weil er nicht geben konnte, was er<br />

nicht oder nicht mehr hatte, neben seiner im Wochenbett liegenden Frau, erstochen.<br />

Im Gasthaus „Hiaslwirt“ war seinerzeit eine evangelische Kirche <strong>und</strong> das Bauernhaus<br />

„Großbuche“ der zu dieser Kirche gehörige Pfarrhof.<br />

Gegenwärtig, da die Technik Herr der Lage ist, herrscht im Tal Gewerbestillstand.<br />

Pferdefuhrwerke sind eine Seltenheit, dafür aber behaupten sich die Wagen des<br />

technischen Fortschritts, die ohne Pferde pfeilschnell dahinsausen.<br />

Unsere nun beendeten Ausführungen bringen verschiedenes, was nur mehr in der<br />

Erinnerung alter Leute lebt <strong>und</strong> bald ganz in Vergessenheit geraten wird. Möge der nun<br />

leider erzwungenen stillen Zeit bald wieder eine lebhaftere folgen.<br />

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Die scheintote Reichenauerin<br />

Über die scheintote Reichenauerin liegen Erzählungen vor von:<br />

1. meiner Mutter Rosa Bieber (+1939)<br />

2. vom bekannten kleinen „Pfaffenbichler Flor“ (1954 +)<br />

3. von der Großmutter der Reichenfader von der Post<br />

4. von Dir. Rautter, abstammend vom Hause vor dem Reichenauerhof<br />

5. vom verstorbenen Eßmeister Georg Moser, der auch einmal im „Boten“ darüber schrieb<br />

Die Erzählungen sind im Detail ziemlich gleichlautend, nur wollen die einen die Scheintote<br />

von der Familiengruft am ehemaligen Friedhofe (dem 2. seit 1542) in das Stadthaus<br />

zurückkehren lassen, während die anderen vom Reichenauerhof sprechen.<br />

Tatsache ist, dass das Herrenhaus, der nachmalige Reichenauerhof, ehemals<br />

Koglerhammer-Herrenhaus, erst im Jahre 1830 (lt. Aussage von Arch. Adolf Schwarz-<br />

Reichenau) in den Besitz der Familie gekommen ist <strong>und</strong> dass das Stadthaus, Untere<br />

Stadt 9, dann mehr ein Alterssitz der Familie war.<br />

Bei eingehender Nachforschung kommt man auf die erste Gattin des am 21.9.1794<br />

geborenen Sensenhammerwerksbesitzer Matthäus Reichenauer, Edler von Reichenau,<br />

die in Frage kommt. Diese Barbara Kaufmann, Fleischer- <strong>und</strong> Weinhändlerstochter aus<br />

Langenlois, geb. 3.8.1806, die erste Frau von Reichenau, Heirat 3.2.1989, wird in<br />

Gesprächen in unserer Familie immer als lungenkranke Frau geschildert, die laut<br />

Ahnentafel 6 Kindern das Leben schenkte, von denen 2 Söhne <strong>und</strong> 1 Tochter nicht älter<br />

als 1 – 2 Jahre wurden. Am Leben blieben die Anna 1833-1908, die den Dr. Wimsperger<br />

später geheiratet hat, die Barbara, verehel. Neuber <strong>und</strong> Johanna, geb. 11.4.1835, +<br />

8.4.1902, die den Kaufmann Freysmuth heiratete <strong>und</strong> meine Großmutter war.<br />

Das Foto vom Biedermeierbild zeigt das Ehepaar mit den 3 Töchtern, die am Leben<br />

blieben.<br />

Das Sterbebuch Tom VIII folio 218 Zl 60 weist als Sterbedatum den 25.April 1841 aus, sie<br />

hat somit ihr 35. Lebensjahr nicht vollendet. Als Wohnort ist hier die 1.Wirtsrotte Nr. 4<br />

ausgewiesen.<br />

Die Erzählung selbst: Es war bekannt, dass man der verstorbenen Reichenauerin, wie es<br />

damals üblich war, den wertvollen Verlobungsring mit ins Grab gegeben hatte. In der<br />

Nacht nach der Beerdigung bzw. nachdem man den Sarg in der Gruft bestattet hatte, stieg<br />

der damalige Totengräber in das Gruftgewölbe hinab, öffnete den Sarg <strong>und</strong> wollte den<br />

wertvollen Ring an sich bringen. Da es ihm nicht gelingen wollte, versuchte er kurzerhand,<br />

den Ringfinger abzuschneiden. Durch den Schnitt löste sich der Starrkrampf, die<br />

Scheintote kam zu sich <strong>und</strong> als sie den ihr bekannten Dieb mit den Worten „Aber Simmerl,<br />

was tust denn?“ ansprach, floh dieser <strong>und</strong> verschwand aus der Gegend. Er war nie mehr<br />

gesehen, trotzdem von der Familie eine Belohnung ausgesetzt worden war, hat er doch<br />

die Scheintote vorm Erstickungstod bewahrt. Die Reichenauerin suchte nun ihr Heim auf<br />

<strong>und</strong> hier müßte wohl das Stadthaus angenommen werden, wenn man bedenkt, dass sie<br />

ohne Schuhe in einer Aprilnacht kaum die Kraft gehabt hätte, den immerhin mehr als 2 km<br />

langen Weg zurückzulegen. Beim Haustor angelangt, klopfte sie an <strong>und</strong> verlangte Einlaß.<br />

S:\homepage 06.07\Chronik üa für TR, 31.5.07.doc 10


Als sie sich auf den Anruf der Bediensteten als die Hausfrau erklärte, ging die Magd mit<br />

Ausruf „Jessas, der Geist der Frau ist da“ zu den Hausleuten, die dann das Tor öffneten<br />

<strong>und</strong> sie einließen. Sie soll dann kurz darauf wirklich gestorben sein (Hier weicht diese<br />

Erzählung von einer anderen ab, nach der sie noch 7 Jahre gelebt hätte).<br />

Matthäus heiratete dann zum 2. Male die Elise Zeilinger, die am 2.10.1819 am<br />

nachmaligen Hause Genoch geborene Hammerherrentochter. Dieser Ehe entsprangen<br />

4 Töchter <strong>und</strong> 2 Söhne. Diese energische Frau, die durch eine Augenverletzung erblindete<br />

(sie soll 17 Jahre blind gewesen sein, führte nach dem am 28.8.1857 erfolgten Tod von<br />

Matthäus das Werk bis zum Jahre 1887. Sie selbst starb am 8.5.1890. Ihr Sohn Franz,<br />

geb. 3.12.1846 widmete sich mehr der Landwirtschaft, da zu Hause einmal 13<br />

Bauernhäuser gehört haben sollen, davon 6 in Gaflenz. Er starb unverheiratet am<br />

8.4.1901. Der Hammer verfiel <strong>und</strong> wurde 1901 abgetragen. Im Heimatmuseum befindet<br />

sich eine Abbildung, ein Aquarell von der Hand des 1918 verstorbenen Professors<br />

Forsthuber.<br />

Nach den handschriftlichen Erinnerungen des Herrn Lothar Bieber.<br />

Aus dem Museumsarchiv von Frau Settele 2004 erhalten Danke!<br />

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Zahl 185 Waidhofen a. d. Ybbs, 28.11.45<br />

An das N. Ö. Landesjugendamt in Wien, I.<br />

Betrifft: Bericht über den<br />

Zustand des Reichenauerhofes<br />

nach dem Abzug der Russen<br />

Am Samstag, den 24.November 1945, war ich mit einem Kapitan als Vertreter der roten<br />

Armee, mit dem Bürgermeister Meyer <strong>und</strong> einem Dolmetsch im Reichenauerhof. Nach der<br />

Besichtigung ließ mir der Kapitan mitteilen, dass ich den Reichenauerhof übernehmen<br />

könne. Bei der Besichtigung konnte folgendes festgestellt werden: Das Gebäude <strong>und</strong><br />

seine Umgebung sind in sehr verwahrlostem <strong>und</strong> schmutzigem Zustand. Das Haus ist<br />

derzeit nicht bewohnbar. Die Möbelstücke, vor allem Schulbänke, Tische, Sessel <strong>und</strong><br />

Schi, die seinerzeit wegen Fuhrwerksmangel im Haus verblieben sind, sind zum größten<br />

Teil entweder verschleppt oder verheizt worden. Über das noch vorhandene Inventar hat<br />

man noch keine Übersicht, da es auf dem Dachboden auf einen Haufen<br />

zusammengeworfen ist <strong>und</strong> das Betreten des Dachbodens dadurch erschwert wird, dass<br />

er als Mistablagerungsstätte benützt worden war. Die Beleuchtungskörper sind zum<br />

größten Teil abmontiert <strong>und</strong> die Schalter kaputt. Die Leitungsdrähte sind zum Teil<br />

heruntergerissen. Im ganzen Haus befindet sich keine einzige Glühbirne. Einige Klosetts<br />

sind abmontiert <strong>und</strong> die Muscheln verschw<strong>und</strong>en. Die meisten sind so halbwegs erhalten,<br />

da sie sehr fest zugenagelt waren. (Durch die Russen). Ein zugenageltes Klosett wurde<br />

von den Russen anscheinend gewaltsam geöffnet, da der Türstock herausgerissen ist. Die<br />

Waschbecken im großen Waschraum sind so ziemlich erhalten, jedoch verstopft. Die<br />

russischen Soldaten vergaßen, vor dem Verlassen des Hauses, die Wasserhähne zu<br />

schließen, so dass ich, als ich nach ihrem Abzug am 15.11. das Haus betrat, eine<br />

Überschwemmung vorfand, die bis in die angrenzenden Schlafsäle reichte. Schaden ist<br />

jedoch dadurch keiner entstanden, da das Wasser von uns noch rechtzeitig abgedreht<br />

wurde. Die Waschanlage im kleinen Waschraum (Blechwanne) ist abmontiert. Die meisten<br />

Öfen sind verschleppt, die vier noch vorhandenen zum Teil ohne Rohr. In den Küchenherd<br />

soll nach Aussage eines Nachbars, der bei den Russen Reparaturarbeiten im Haus<br />

durchgeführt hat, das Wasser von der Warmwasseranlage hineinrinnen. Die<br />

Kochkesselanlage ist zerfallen. Die dazugehörigen Kupferkessel sind jedoch bei uns in der<br />

Blaimschein Villa. Die Feuer-türchen bei den Kesseln sind samt Rahmen verschw<strong>und</strong>en.<br />

Ebenso fehlen die Türchen beim Kessel der Waschküche. Fensterscheiben sind<br />

verhältnismäßig wenig zerschlagen. Dafür sind viele Türen ohne Türschnalle. Überall im<br />

Haus befindet sich Unrat <strong>und</strong> Mist. Der Duschraum neben der Waschküche ist mit<br />

Küchenabfällen angefüllt. Im Keller befinden sich direkte Misthaufen. Vom Kohlenvorrat ist<br />

jedoch noch ein Teil vorhanden, so dass unsere Brennmaterialsorgen bedeutend geringer<br />

geworden sind. Das gesamte Erdgeschoß war als Pferdestall benützt worden <strong>und</strong> schaut<br />

dementsprechend aus. Der Garten schaut ebenfalls recht verwahrlost <strong>und</strong> wüst aus, da er<br />

durch die vielen Fuhrwerke <strong>und</strong> Autos aufgewühlt ist. Eine Holzgarage mit offener<br />

Vorderseite haben die russischen Truppen auf dem Anstaltsgr<strong>und</strong> zurückgelassen. Der<br />

Reichenauerhof braucht zur Wiederinstandsetzung eine Reihe von Handwerkern <strong>und</strong><br />

zwar: einen Installateur, Maurer, Ofensetzer, Elektriker <strong>und</strong> einen Tischler. Wegen der<br />

Angriffnahme der Herstellungsarbeiten habe ich mich mit einem Bauunternehmer <strong>und</strong> dem<br />

S:\homepage 06.07\Chronik üa für TR, 31.5.07.doc 12


Bürgermeister der Landgemeinde ins Einvernehmen gesetzt. Der Stadtbürgermeister hatte<br />

mir zwar seine Hilfe zugesagt, mich aber dann doch an den Landbürgermeister verwiesen.<br />

Wegen der geänderten politischen Verhältnisse wird es dem Stadtbürgermeister wohl<br />

auch schwer fallen, sein mir gegebenes Versprechen bezüglich seiner Unterstützung<br />

einzuhalten. Das größte Übel bei den Wiederherstellungsarbeiten ist der Materialmangel.<br />

Eine Vergasung halte ich auch für sehr geraten. Es besteht auch in Waidhofen eine<br />

Desinfektionsfirma, doch kann diese eine Vergasung nur dann durchführen, wenn Material<br />

beigestellt wird. Vielleicht könnte dieses durch das Wirtschaftsamt bei der Firma Kwizda<br />

besorgt werden. Nächste Woche wird wahrscheinlich ein Waidhofner Auto nach Wien<br />

kommen <strong>und</strong> es könnte bei dieser Gelegenheit das Vergasungsmaterial mitbringen.<br />

Abschließend kann über den Reichenauerhof gesagt werden, dass seine<br />

Wiederinstandsetzung als <strong>Jugend</strong>heim wohl vor Neujahr nicht beendet sein wird, zumal<br />

auch für die Reinigungsarbeiten keine Leute zu bekommen sind <strong>und</strong> wir diese wohl selbst<br />

werden durchführen müssen.<br />

G. Markgraf<br />

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N. Ö. Landeserziehungsheim Reichenauerhof in Waidhofen a. d. Ybbs.<br />

Z./86<br />

An den Herrn Bürgermeister von Waidhofen-Land.<br />

Betrifft: Ansuchen um<br />

Unterstützung bei der<br />

Wiederherstellung des<br />

Reichenauerhofes.<br />

Am Samstag, den 24. November 1945 wurde der Reichenauerhof von der Roten Armee<br />

wieder den N.Ö. Landeserziehungsheim zur Verfügung gestellt. Das Haus ist jedoch<br />

derzeit in unbewohnbarem Zustand. Das Gebäude <strong>und</strong> seine Umgebung sind sehr<br />

verwahrlost <strong>und</strong> schmutzig. Die Möbelstücke vor allem Schulbänke, Tische, Bänke <strong>und</strong><br />

Schier, die seinerzeit wegen Fuhrwerksmangel im Haus verblieben sind, sind zum größten<br />

Teil entweder verschleppt oder verheizt worden. Über das noch vorhandene Inventar hat<br />

man noch keine Übersicht, da es auf dem Dachboden auf einen Haufen<br />

zusammengeworfen ist, <strong>und</strong> das Betreten des Dachbodens dadurch erschwert wird, dass<br />

er als Mistablagerungsstätte benützt worden ist. Die Beleuchtungskörper sind teilweise<br />

heruntergerissen. Im ganzen Hause befindet sich keine einzige Glühbirne. Einige Klosetts<br />

sind abmontiert <strong>und</strong> die Muscheln verschw<strong>und</strong>en. Ebenso ist eine Waschanlage<br />

abmontiert. Die meisten Öfen sind verschleppt, die vier noch vorhandenen zum Teil ohne<br />

Rohr. In dem Küchenherd soll nach Aussage eines Nachbarn, der bei den Russen<br />

Reparaturarbeiten im Haus durchgeführt hat, das Wasser von der Warmwasseranlage<br />

hineinrinnen. Die Kochkesselanlage ist zerfallen. Die Feuertürchen bei den Kesseln sind<br />

verschw<strong>und</strong>en. Ebenso fehlten die Türchen beim Kessel der Waschküche. Viele Türen<br />

sind ohne Türschnalle. Zur Wiederinstandsetzung des Reichenauerhofes bedarf es<br />

verschiedener Handwerker <strong>und</strong> verschiedener Materalien, deren Beschaffung derzeit sehr<br />

schwierig ist. Ich wende mich deshalb an Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, mit der<br />

Bitte, mir bei der Wiederherstellung des Reichenauerhofes als <strong>Jugend</strong>heim Ihre tatkräftige<br />

Unterstützung zu gewähren. Handelt es sich doch beim N. Ö. Landeserziehungsheim um<br />

eine gemeinnützige, öffentliche Einrichtung, die allen n.ö. heimatlosen <strong>und</strong> verwahrlosten<br />

Kindern zugute kommt <strong>und</strong> überdies auch dringend benötigt wird, da es nur mehr drei n.ö.<br />

<strong>Jugend</strong>heim gibt. Ich danke Ihnen schon jetzt im voraus, sehr geehrter Herr<br />

Bürgermeister, für all Ihr Entgegenkommen <strong>und</strong> jede Hilfe, die Sie uns zuteil werden<br />

lassen <strong>und</strong> zeichne für das NÖ Landeserziehungsheim.<br />

G.Markgraf<br />

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Abschrift eines Artikels im „Boten von der Ybbs“ am 11.10.1963<br />

Zum Ableben eines alten Waidhofners<br />

Nach einem Schlaganfall zum Jahresschluß 1960, der mit schweren Lähmungserscheinungen<br />

verb<strong>und</strong>en war, starb am Montag, 7.ds., um 18.00 Uhr im Eisenerzer<br />

Krankenhaus der 78jährige Dipl.Architekt Adolf Schwarz-Reichenau. Mit ihm ist der letzte<br />

direkte Nachkomme der Hammerherrenfamilie Reichenauer, Edle von Reichenau, die<br />

durch Jahrh<strong>und</strong>erte drei Hammerwerke am Schwarzenbach inne hatten, von uns<br />

gegangen. In Wien im Jahre 1885 geboren, wo Scharz-Reichenau an der Akademie <strong>und</strong><br />

anschließend an der Technik im München seine Studien absolvierte, war er dann von<br />

1914 bis 1918 bei den Fahnen. Zum Kriegsende kam er als Oberleutnant i.d.Res. <strong>und</strong><br />

Pionieroffizier im 1. Tiroler Kaiserregiment nach Hause um dann nochmals im zweiten<br />

Weltkrieg als Hauptmann einzurücken. Die Sensenerzeugung in den Reichenauerschen<br />

Hämmern war schon 1887 stillgelegt <strong>und</strong> so wurde nach 1918 im Herrenhaus unter<br />

Heranziehung namhafter Künstler der Akademie <strong>und</strong> des Kunstgewerbes (wir wollen hier<br />

nur den Maler A NDRI herausgreifen) eine Heimindustrie ins Leben gerufen worden, die<br />

die besondere Anerkennung des Auslandes fand. Die Herstellung reizvoller<br />

kunstgewerblicher Gegenstände des Gebrauches <strong>und</strong> von Kinderspielzeug wurde auch<br />

noch fortgesetzt, als im Jahre 1926 die n.ö. Landesregierung den Besitz erworben <strong>und</strong> in<br />

ein <strong>Jugend</strong>heim umgestaltet hatte. Erst die Wirtschaftskrise im Jahre 1934 setzte dieser<br />

schön-geistigen Unternehmung ein Ende. Architekt Schwarz-Reichenau wurde dann<br />

besonders von dem heute noch schaffenden Hofrat Dr. Richard Donin zur künstlerischen<br />

Ausgestaltung verschiedener <strong>Jugend</strong>heime, darunter auch im Schloß Radtstadt berufen.<br />

Ebenfalls im Jahre 1934 vom Unterrichtsministerium zur Umgestaltung des<br />

Barockschlosses Schlielleiten in ein Sportheim mit allen nötigen Anlagen zum Training<br />

auch der Olympiamannschaften (1936) beauftragt, führte er diese schwere Aufgaben mit<br />

großem Können <strong>und</strong> künstlerischem Geschick durch <strong>und</strong> übernahm dann mit seiner Gattin<br />

Maria auch die Leitung des Heimes, bis er im Jahre 1954 in den wohlverdienten<br />

Ruhestand trat. Anschließend übersiedelte ADOLF Schwarz Reichenau mit Gattin in das<br />

Schloß Leopoldstein, um auch dort auf privater Basis ein internationales <strong>Jugend</strong>heim<br />

aufzubauen, das sich bereits eines allgemeinen Aufsehens erfreut. Schwarz-Reichenau<br />

war ein Mann von anerkannter Güte <strong>und</strong> mit vielfachen Fähigkeiten,<br />

Unternehmungswillen, großem Wissen <strong>und</strong> unbändigem Arbeitsgeist ausgestattet. Hat er<br />

doch auch bei uns in seiner ruhigen <strong>und</strong> dezenten Art an der künstlerischen Gestaltung<br />

manch großer Feier <strong>und</strong> AUSSTELLUNG IN LEITENDER Position mitgearbeitet. Als<br />

sichtbares kleines Andenken an sein Schaffen hinterließ er uns die Schrift am Stadtturm,<br />

die an die Türkenzeit 1532 erinnert. Am Donnerstag, 10.ds. wird die sterbliche Hülle von<br />

Eisenerz nach Waidhofen übergeführt <strong>und</strong> am Freitag um 15.30 Uhr in der<br />

Reichenauerschen Familiengruft beigesetzt. Den Hinterbliebenen, seiner Gattin Maria auf<br />

Schloß Leopoldstein <strong>und</strong> seiner einzigen Tochter Dorli, die in England verheiratet ist,<br />

wendet sich die allgemeine Anteilnahme zu. Dem Verstorbenen werden alle, die ihn noch<br />

kannten, stets ein ehrendes Andenken bewahren. Die Heimaterde, auf welcher so viele<br />

Generationen seiner hochgeachteten Familie gelebt <strong>und</strong> geschafft haben, sei ihm leicht.<br />

S:\homepage 06.07\Chronik üa für TR, 31.5.07.doc 15


Er heiratet eine Nichte Pocksteiners, Maria Eleonora Johanna. Ein Vorfahre gleichen<br />

Namens muss ein trefflicher Mann gewesen sein. Erzherzog Ferdinand von Österreich<br />

verlieh ihm im Jahre 1609 ein Wappen für seine Verdienste im Kampfe gegen die Türken<br />

<strong>und</strong> als „gewester Rüstmeister“ des Fürstentum Steyr. Der gut erhaltene Wappenbrief mit<br />

grossem Siegel <strong>und</strong> mit dem buntfarbig gemalten Wappen wird uns gezeigt. Der<br />

Nachfahre Johann Georg Freysmuth galt als einer der reichsten Männer<br />

Niederösterreichs. Er starb im Jahre 1796. Aus dem Jahre 1755 wird uns eine Urk<strong>und</strong>e<br />

gezeigt, in der Kaiser Josef II dem Georg Freysmuth die Befreiung von Lehensabgaben<br />

gibt. Die Familie der Freysmuth gehörte den sogenannten „Schwarzen Grafen“ an, die<br />

durch die blühende Kleineisenindustrie reich geworden war <strong>und</strong> die alle außer ihrem<br />

Gewerkshaus noch ihr Stadthaus hatten. Ein Blick in die geräumige Bürgerstube weiss<br />

<strong>und</strong> so manches zu erzählen. Da ist ein Bild der Maria Eleonora Johanna Freysmuth,<br />

geb. Wenser <strong>und</strong> neben ihr ein Bild J.Georg Freysmuths. Sie war eine sehr tatkräftige,<br />

lebensk<strong>und</strong>ige <strong>und</strong> wie das Bild zeigt, wohl auch eine schöne Frau. Ihr Brautkleid aus dem<br />

Jahre 1760 wird noch immer treu bewahrt. Ein großes Bild mit einer merkwürdig modern<br />

anmutenden Darstellung zeigt uns „Maria Freismutin ihres Alters 98 Jahre – Anna 1745 …<br />

gestorben 1749.“ Die Angabe des Todesjahres belehrt uns davon, dass jene Anna<br />

Freysmuth 102 Jahre alt wurde. Es hat einen merkwürdigen Reiz, dass man den<br />

Rosenkranz, den diese alte Frau auf dem Bilde in den Händen trägt, gleich in natura sieht,<br />

wie dies ja auch mit manchem Schmuck <strong>und</strong> Kleid dieser Bilder der Fall ist. Auch ein<br />

eigenhändig geschriebenes Vermächtnis jener tatkräftigen Maria Eleonora ist vorliegend<br />

<strong>und</strong> eine schöne Hauskrippe unter Glas, von ihr künstlerisch verfertigt, ist vorhanden. Mit<br />

besonderer Ehrfurcht aber betrachten wir ein schweres grosses Baroc<strong>kb</strong>ett mit<br />

Holzeinlegearbeit <strong>und</strong> einen schweren mächtigen Barockschrank. Seit dem Jahre 1801, so<br />

wird uns versichert, stehen diese beiden Stücke auf ein <strong>und</strong> derselben Stelle. Der Schrank<br />

birgt reichlich Leinen <strong>und</strong> Wäsche aus vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erten. Eine Bettdecke aus<br />

dem Jahre 1616 mit reicher Zierarbeit zählt zu den schönsten Dingen, die unser<br />

Bürgerhaus birgt. Innig vereint sind in diesem Hause geschichtlich Beweisbares <strong>und</strong> die<br />

Überlieferung. Da ist ein Eichlaub, das aus der Türkenzeit stammt <strong>und</strong> das die siegreichen<br />

Heimkehrer bekränzte. Haben wir Ursache diese Überlieferung zu bezweifeln oder zu<br />

belächeln? Nein, wir müssen uns verneigen vor diesem Sinn, der mit Liebe <strong>und</strong> Verehrung<br />

alles hegt, was zurückreicht in die Vergangenheit unserer Heimat. Freilich ist das Wenige,<br />

von dem hier erzählt wird, noch lange nicht alles, was in der Überlieferung dieser Familie<br />

noch lebt. Einer <strong>und</strong> zwar Anton Freysmuth hatte elf Kinder <strong>und</strong> so ist es erklärlich, dass<br />

die Geschichte der Freysmuth oft sich weit verläuft. Zur Franzosenzeit im Jahre 1809<br />

wurde der Schwiegersohn Freysmuths „Franz von Reichenau“, am Hohen Markt, als er<br />

durch die heutige Stiegengasse in sein Haus gelangen wollte, von einem Franzosen durch<br />

einen Stich getötet. Bis herauf in unsere Tage war die Familie Freysmuth eng verb<strong>und</strong>en<br />

mit Waidhofen. So hat bei Aufhebung des Klosters der Kapuzinerprior, der die Stadt<br />

verlassen musste, einem Familienmitglied der Freysmuth ein Bild des schmerzhaften<br />

Christus auf Tuch gemalen, geschenkt, das nun über dem Baroc<strong>kb</strong>ette hängt. In einem<br />

Glasschrank ist noch wohl verwahrt verschiedenes Tafelgeschirr, das den Vorvätern<br />

diente. Zwei schon etwas neuere Betten sind aus dem Jahre 1802, verraten aber guten<br />

Geschmack <strong>und</strong> Eigenart.<br />

S:\homepage 06.07\Chronik üa für TR, 31.5.07.doc 16


Was macht uns das eben Besprochene so wertvoll? Man kann wohl manchmal in einem<br />

Museum dies oder jenes sehen. Allem aber fehlt die unmittelbare Beziehung zum Leben.<br />

Hier aber knüpft alles unmittelbar an das Leben an. Man spricht von Großeltern <strong>und</strong><br />

Urgroßeltern, über dieses oder jenes Ding <strong>und</strong> schreitet zurück in Jahrh<strong>und</strong>erte <strong>und</strong> fühlt<br />

sich verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> verwoben <strong>und</strong> wird nicht los jenes Gefühles, dass eine feste Kette uns<br />

mit unseren Vorfahren verbindet. Es ist gut, wenn der Mensch seine Blick nach vorwärts in<br />

die Zukunft richtet, es ist aber auch wertvoll <strong>und</strong> notwendig, dass er zurückschaut <strong>und</strong><br />

dahin blickt, von woher er kam. Für viele ist dieser Blick ein Blick ins Dunkel, das nur sehr<br />

schwer aller werden kann. In manchen Familien ist jedoch noch vieles über die Vorfahren<br />

überliefert, verschiedenes ist erhalten geblieben von dem Hausrat der Ahnen. Dies alles<br />

weiter zu bewahren <strong>und</strong> zu hegen <strong>und</strong> für Kind <strong>und</strong> Kindeskind zu erhalten, ist eine hohe<br />

aber auch schöne Pflicht. Es wird damit nicht nur dem engeren Kreis der Familie gedient,<br />

sondern auch unserer heissgeliebten Heimat! Uns so nehmen wir Abschied von einem<br />

Haus, in dessen Räumen ein Teil Waidhofner Heimatgeschichte lebendige Pflege findet.<br />

Nicht alles, was hier noch in der Erinnerung lebt, konnten wir in diesen Zeilen mitteilen,<br />

nicht alles sehen, was dieses Bürgerhaus beherbergt. Und doch ist es unendlich viel, denn<br />

es ist eine selten zu erlebende Tatsache, dass ein Bürgerhaus bis in die heutige Zeit den<br />

Zusammenhang mit meinem Vorfahren nicht verloren hat <strong>und</strong> Überlieferungsgut in<br />

materieller Hinsicht <strong>und</strong> geistiger Hinsicht behütet. Mit vorliegenden Zeilen wollen wir aber<br />

auch anregend <strong>und</strong> aneifernd wirken. So manches wird, wenn auch nicht so im reichen<br />

Masse wie im vorliegenden Falle noch in Waidhofner Bürgerhäusern zu finden sein. Vieles<br />

aus der Geschichte wird noch in der Überlieferung leben <strong>und</strong> der Aufzeichnung warten.<br />

Was Brauch <strong>und</strong> Sitte noch vor nicht allzu langer Zeit war, gerät in Vergessenheit. Möge<br />

jeder das Seinige dazu beitragen <strong>und</strong> damit im Sinne echter Heimatk<strong>und</strong>e wirken.<br />

S:\homepage 06.07\Chronik üa für TR, 31.5.07.doc 17


Waidhofen a. d. Ybbs<br />

Mittelalterliche Stadtbefestigung – Bürgerliche Waffenübungen<br />

Die erste Stadtmauer umfing den heutigen Oberen Stadtplatz. 1273 wurde die heutige<br />

Untere Stadt in die Befestigung einbezogen, die „novo civitas“ was gleichzeitig besagt,<br />

dass Waidhofen damals schon Stadt war. Amstettnertor (Post Kröller) <strong>und</strong> Weyrertor<br />

(Hotel Inführ).<br />

1316 wurde der heutige hohe Markt, damals „angulo“ genannt, <strong>und</strong> die Gazze gen die<br />

Ybbs, heute Hintergasse, dem umwehrten Stadtgebiet einbezogen <strong>und</strong> im Osten der<br />

Ybbsturm mit seinen Befestigungen errichtet.<br />

(1316 war schon eine bedeutende Eisenindustrie im Ort, was daraus hervorgeht, dass die<br />

bis dahin allein bestehende Zunft der „Messerer“ in 3 selbständige Handwerke:<br />

Klingenschmiede, Schleifer <strong>und</strong> Messerschmiede geteilt werden musste.)<br />

1407, unter Bischof Berthold, wurde die Stadtbefestigung mit einer zweiten Mauer<br />

verstärkt, das Schloß umgebaut, der Turm auf 9 Stockwerke erhöht. Es wurden Wehr- <strong>und</strong><br />

Warttürme eingebaut, jeder dieser 13 Türme führte einen eigenen Namen, wie<br />

Seisenegger-, Maulschlag-, Ybbs-, Müllner-, (Graben Nr. 12) Lachent- Eckhel-, Spital <strong>und</strong><br />

Schilcherturm (Amstettnertor). Die Mauern entlang lief ein aus Eichenholz gezimmerter<br />

Wehrgang, auch Zinnengang genannt. Auf vielen hölzernen Treppen stieg man von der<br />

Stadt zu ihr empor. In den Mauern selbst waren Lücken <strong>und</strong> Schießscharten<br />

ausgebrochen. Um den Mauerring zog sich der mit Wasser gefüllte Stadtgraben. Auf der<br />

Ostseite wurde der Ybbsfluß als genügender Schutz empf<strong>und</strong>en. Ybbs <strong>und</strong> Schwarzbach<br />

dienten zur Bewässerung dieses Stadtgrabens, die durch ein Schleusenwerk vermittelt<br />

wurde. Anmerkung: Maurerreste sind zu sehen, wenn man rechts vom Spital-kirchenturm<br />

durch das schmiedeiserne Tor in den Garten geht (privat). Am Graben neben dem Ybbstor<br />

<strong>und</strong> noch öfter ist das Tieferliegen der Gärten zu bemerken. In der Mühlstraße, gleich<br />

hinter den Häusern der Unteren Stadt sind öfteres noch erhöhte Vorbaues vorhanden,<br />

dann geht ein Abstieg in den Garten (Mühlstr.Nr.).<br />

Im Schloß befand sich die bischöfliche Rüstkammer. Sie war mit: Bogen (=Eiben, weil aus<br />

Eibenholz verfertigt), Spießen, gr. <strong>und</strong> kl. Balisten (d.s.Armbrüste) reichlich versehn. Es<br />

bestand darüber ein Inventar aus dem Jahre 1316 <strong>und</strong> war gedacht für die Untertanen des<br />

Bischofs, dass sie im Notfalle ausgerüstet wurden <strong>und</strong> sie unterstanden dem Befehle des<br />

Burggrafen von Konradsheim. Nur die Ritter durften Rüstungen tragen <strong>und</strong> die ritterlichen<br />

Waffen wie: Helm, Schild, Lanze, Panzer <strong>und</strong> Schwert gebrauchen. Je größer aber die<br />

Zahl der Bürger wurde <strong>und</strong> je mehr in ihnen durch den wachsenden Wohlstand das<br />

Selbstbewusstsein gehoben wurde, desto mehr waren sie bestrebt, von der Herrschaft des<br />

Burggrafen loszukommen <strong>und</strong> sich unter den Befehl ihres frei gewählten Stadtrichters<br />

zustellen. 1283 wird der erste Stadtrichter genannt, er hieß W i e l a n d .<br />

Die Bürger waren zum Waffentragen <strong>und</strong> zur Ausrüstung auf eigene Kosten verpflichtet.<br />

Dolch, Spieß <strong>und</strong> Armbrust waren die bürgerlichen Waffen. Die Armbrust oder Baliste war<br />

durch die Kreuzfahrer nach dem Abendland gebracht worden <strong>und</strong> wurde von den Rittern<br />

als „tückisch ding“ verachtet <strong>und</strong> wurde die eigentliche Waffe des Bürgers, bis sie im<br />

15.Jhdt. trat neben die Armbrust die mit Pulver geladene Büchse (Hakenbüchse).<br />

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Da allein dem Bürger die Pflicht zur Stadtverteidigung oblag, (er musste deshalb auch zur<br />

Ablegung des Bürgereids bewaffnet auf dem Rathaus erscheinen) so wurden auch nur sie<br />

aufgeboten. Der Bürger war zum Wacht- <strong>und</strong> Verteidigungsdienst in der Stadt verpflichtet.<br />

Die Bürgerschaft in der Stärke von 180 bis 200 Mann gliederte sich in 10 Rotten. Die<br />

Rotten I – V wurde von den Bürgern der Stadt gestellt, VI <strong>und</strong> VII von der Vorstadt Leithen,<br />

VIII <strong>und</strong> IX <strong>und</strong> X von der Wasservorstadt <strong>und</strong> am Bach.<br />

1566 bestand die Bürgerwehr aus ungefähr 200 Mann, die vom jeweiligen Stadtrichter als<br />

„Obristen“ kommandiert wurde. Die 2 ältesten Ratsmitglieder standen ihm beratend zur<br />

Seite.Die Truppe hatte 2 Hauptleute, 1 Leutnant, 1 Fähnrich, 2 Zeug- <strong>und</strong> 4 Wachtmeister.<br />

Die Übung im Gebrauch der Waffen wurde erreicht durch Gründung von<br />

Schützengesellschaften. Die Schützengesellschaft war organisiert wie eine Zunft. Den<br />

Lehrlingen entsprachen die „jungen Schützen“, den Gesellen die „alten Schützen“ der<br />

„Schützenmeister „ überwachte die genaue Einhaltung der Satzungen. Auf dem<br />

Schießplatz galten strenge Vorschriften. Fluchen, Schwören <strong>und</strong> Wetten waren ebenso<br />

verboten wie das Anwenden von Kunstkniffen, der vom Schützenmeister nicht<br />

genehmigten Büchsen etc. Bei Übertretungen leichteren Grades wurde das „Pritschen“<br />

durchgeführt. Der „Pritschenmeister“ machte dabei Späße <strong>und</strong> Reime mit derbem Humor.<br />

Es gab ganz prächtige Schießfeste in Waidhofen im Jahre 1550 <strong>und</strong> 1555. Da gab es<br />

wertvolle Beste zu gewinnen. Auch in andere Orte wurden die Waidhofner-Schützen zu<br />

Festschießen eingeladen. Die Waidhofner Bürgerwehr hat eine von Kaiser K a r l V I .<br />

1722, gespendete Fahne. Die Bürger errichteten auch für sich ein eigenes Zeughaus im<br />

alten Rathaus.<br />

Im Kriegesfalle<br />

Hatte die schwerbewaffnete Bürgerschaft die 8 großen Türme, die Tore <strong>und</strong> die Vorwerke<br />

beim Amstettner-, Weyrer- <strong>und</strong> Ybbstor zu verteidigen. Sie bekamen nebstbei die eiserne<br />

Sturmhaube <strong>und</strong> den kurzen Brustpanzer. Auf den Türmen standen Geschütze:<br />

„Falkonetten“. 1 Falkonett schoß mit 1 Pf<strong>und</strong> Pulverladung, 1 ½ pfündige Geschoße aus<br />

Eisen oder Stein. 1 Doppelfalkonett: 2 Pf<strong>und</strong> Pulver….3 pfündige Kugeln. Das Pulver<br />

bezog man von der n.ö. Landesregierung. Die leichteren Geschütze, die Falkonetteln oder<br />

„scharfen Dirndln“ waren im Zeughaus eingestellt, von wo sie im Falle der Gefahr gemäß<br />

dem augenblicklichen Erfordernis aufgeteilt wurden. Nur im Falle großer Not, wie 1529<br />

<strong>und</strong> 1532 wurde zur Verteidigung auch auf die Nichtbürger gegriffen (zahlreiche<br />

Handwerksgesellen) welche aber nicht mit Büchsen, sondern mit Spießen <strong>und</strong> anderen<br />

Waffen (Morgenstern, Messer, Sensen) ausgerüstet wurden. Aber auch damit vollbrachten<br />

sie W<strong>und</strong>er an Tapferkeit. 1532 bewaffnete auch der Pfleger von seinem Waffenlager im<br />

Schloß aus die Holzknechte der Herrschaft,<br />

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Anstalten zur Verteidung<br />

Die Türkenabwehr in Waidhofen/Ybbs<br />

Die Stadt wurde aus der Gegend von Aschbach <strong>und</strong> Seitenstetten mit genügend Proviant<br />

versehen,- alle Vorkehrungen zur Feuerbekämpfung getroffen (Schindeldächer), - die<br />

Haupttore wurden versperrt, der Verkehr nur durch kleine Türl in den Toren gestattet, die<br />

Geschütze auf die Türme gebracht. Waidhofen musste die aus der Umgebung flüchtenden<br />

Bewohner des mittleren Ybbstales aufnehmen, sobald die Alarmfeuer (Getreidefeuer) am<br />

Sonntagberg brennen würden (laut Anordnung des Verteidigungsplanes Kaiser Ferdinand<br />

I.)<br />

Im Jahre 1529 war Wien von Ende September bis 15.Oktober durch den türk.Sultan S u l<br />

e i m a n I I . vergeblich belagert. Während dieser Zeit kamen osmanische<br />

Reiterscharen in das südliche Niederösterreich. Sie waren jedenfalls gesandt zur<br />

Erforschung, Verwüstung <strong>und</strong> Einschüchterung des Landes, damit nach dem Falle Wiens<br />

der Weg nach Deutschland offen stünde. Diese flüchtigen Reiterscharen waren nur mit<br />

Pfeil <strong>und</strong> Bogen, Lanze <strong>und</strong> Keule ausgerüstet <strong>und</strong> führten keine Belagerungswaffen mit<br />

sich. Sie hatten Stricke um die Gefangenen zu koppeln, lange, aus Lederriemen<br />

geflochtene Peitschen, eine Kürbisflasche <strong>und</strong> einen Futtersack für die Beute. Ihre<br />

Furchtbarkeit war ihre Schnelligkeit <strong>und</strong> die Gewandtheit ihrer Pferde, sowohl auf<br />

Bergpfaden als auch beim Durchschwimmen von Flüssen. Die „Renner <strong>und</strong> Senger“ wie<br />

sie genannt wurden, erschienen blitzartig, raubten <strong>und</strong> zündeten dann Einzelgehöfte <strong>und</strong><br />

ganze Ortschaften an <strong>und</strong> schleppten Männer, Frauen <strong>und</strong> Kinder mit sich fort,<br />

ermordeten sie auch wieder, wenn sie ihnen hinderlich wurden.<br />

(Das Folgende habe ich mehr übersichtlich <strong>und</strong> auszugsweise niedergeschrieben, wie ich<br />

es mir selber bei der Vorbereitung auf notiert habe. In der Festschrift zur<br />

700 Jahr-Feier „Die alte Eisenstadt Waidhofen a.d. Ybbs“, welche in der Lehrerbücherei<br />

vorhanden ist, gibt eine gute Schilderung <strong>und</strong> wäre durchzulesen Seite 65 – 72).<br />

Anfangs Oktober haben türk. Horden die Märkte N e u h o f e n / Y b b s , A m s t e t t en<br />

geplündert <strong>und</strong> angezündet <strong>und</strong> der älteste Ratsherr, Sebastian Zeysl, dem Bischofe von<br />

Freisingen. (Das Grabmal der Familie Zeysl befindet sich an der Außenmauer der<br />

Pfarrkirche, rechts vom Eingang, Abbildung ist im Buch zur 700-Jahrfeier).<br />

Es waren über 400 Menschen begraben worden, wie sie in der Umgebung der Stadt den<br />

Tod gef<strong>und</strong>en hatten. Von gefallenen Bürgern wird nichts berichtet. Wohl aber sind viele<br />

Verw<strong>und</strong>ete im Bürgerspital auf Rechnung der Stadt gepflegt worden. Trotzdem hatte die<br />

Stadt nach genauer Verrechnung noch einen Gewinn von 256 Pf<strong>und</strong>, 7 Schilling 5<br />

Pfennig, da sie für das Beutegut einen Erlös von 1011 Pf<strong>und</strong>, 4 Schilling, 11 Pfennig<br />

erzielt hatten.<br />

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Zur bleibenden Erinnerung an diese siegreichen Kämpfe erbaute die Stadt den Stadtturm<br />

mit Halbmond <strong>und</strong> Stern, die Inschrift wurde anlässlich der 400 Jahrfeier im Jahre 1932<br />

angebracht. Die Schmiede veranstalten seit damals jedes Jahr in der Nacht vom 28. auf<br />

den 29.Juni das „Gassatengehen“, d.h. sie spielen bei jedem Haus der Stadt ein<br />

Stückchen mit den Schwegelpfeifen <strong>und</strong> rufen dem Besitzer zu: „Herr………., auf in Gotts<br />

Namen, die Türken san da!“ Den nächsten Tag haben die Schmiede ihren Jahrestag mit<br />

Kirchgang <strong>und</strong> Festlichkeit.<br />

Waidhofen/, Mai 1950 H. Pfau<br />

Dann wurden Aschbach <strong>und</strong> Biberbach arg heimgesucht. In Kematen überquerten die<br />

Türken die Ybbs <strong>und</strong> lagerten am Fuße des Sontagsberges. Eine kleine Abteilung stürmte<br />

den Sonntagberg hinan, beim „Türkenbrünnl“ scheuten ihre Pferde <strong>und</strong> trugen ihre Reiter<br />

in wilder Hast den Berg wieder herunter. Viele Bewohner der Umgebung hatten sich in die,<br />

1490 erbaute Kirche geflüchtet. So erzählt die Sage <strong>und</strong> ist es in Prevenhuebers<br />

Geschichte der Stadt S t e y r erzählt. W a i d h o f e n war unter seinem Stadtrichter,<br />

Hans T a l n e r sehr gut vorbereitet. Angesichts dieser befestigten Stadt wagten die<br />

Türken keinen Angriff, warfen nur Brandpfeile <strong>und</strong> ritten weiter. Da die Belagerung Wiens<br />

am 15.10. aufgehoben wurde, zogen auch die losen Scharen aus der Gegend fort.<br />

Im Jahre 1532 war die Hauptmacht der Türken, die auf Wien hätte losrücken sollen, durch<br />

die tapfere Festung G ü n s in Ungarn aufgehalten worden. Zu einer Belagerung Wiens<br />

kam es in diesem Jahr dann überhaupt nicht mehr. Große Scharen aber fluteten nach<br />

Steiermark <strong>und</strong> ein Teil, 15.000 Mann, unter Kasim Beg nach Niederösterreich. Damals<br />

haben die Waidhofner eingehendere Bekanntschaft mit ihnen gemacht.Stadtrichter Erhard<br />

W i l d befehligte die Bürgerwehr, 20 Landesknechte, die in Linz angeworben worden<br />

waren <strong>und</strong> die Schmiede. Der Pfleger bot die Holzknechte der Herrschaft auf. Es waren<br />

ca. 500 Mann Verteidiger. Die Türken lagerten am 6.9. in der Heide bei U l m e r f e l d<br />

, griffen das befestigte Ulmerfeld aber nicht an, sie ritten vielmehr über Neuhofen,<br />

St.Leonhard nach Ybbsitz. Am 7.9. wurde in „Gerstl“ von einer anderen Gruppe Wirthaus,<br />

Mühle <strong>und</strong> Säge niedergebrannt. Von 7. auf 8.September in der Nacht, plünderten die<br />

ersteren den Markt Y b b s i t z <strong>und</strong> steckten 80 Häuser in Brand. Am 8.9. ritten gegen<br />

4.000 von da gegen Waidhofen, die Brücke in G s t a d t war von Schmieden besetzt,<br />

daher suchten die Türken sich eine Furt <strong>und</strong> lagerten dann auf der „schwarzen Wiese“ bei<br />

den Kreilhöfen.<br />

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Der welsche Hammer in der Schwellöd wurde von ihnen in Brand gesteckt. 50 Mann<br />

wurden aus der Stadt dahin entsendet, zugleich ließ man alle Geschütze spielen <strong>und</strong><br />

erhob Kriegslärm von der Stadt her, dass die Türken eilig die Flucht ergriffen über den<br />

Sattelgraben zum Grasberg <strong>und</strong> herunter in die Weyrerstraße <strong>und</strong> nach Weyer. (Der<br />

Reichenauerhof liegt somit im Mittelpunkt des Geschehens dieser Tage.) Der Stadtrichter<br />

ließ nun durch 100 Mann die Weyrerstraße schützen um einesteils die vielen Werke<br />

daselbst vor rückflutenden Türken zu schützen <strong>und</strong> einem Einbruch in die Stadt von dieser<br />

Seite vorzubeugen. Diese erreichten nur mehr die Nachhut der Flüchtenden, welche eben<br />

das Hartbichlgehöft in Flammen gesteckt hatten. Es entspann sich ein Kampf, in dem<br />

mehrere Türken getötet, 17 Pferde <strong>und</strong> viele Waffen erbeutet <strong>und</strong> viele Gefangene befreit<br />

wurden. Am 9.September schickte Erhard W i l d eine größere Abteilung zur<br />

Verfolgung nach G a f l e n z . Die Türken hatten inzwischen aber W e y e r<br />

niedergebrannt <strong>und</strong> waren über den Saurüssel nach H o l l e n s t e i n fort. Am<br />

9.September abends lagerte bereits eine neue Abteilung Türken in der angeblichen Stärke<br />

von 3.000 Mann auf der „schwarzen Wiese“. Umzinglung wird geplant <strong>und</strong> erfolgreich<br />

durchgeführt. In der Nacht zog die Bürgerwehr gegen ihren Lagerplatz, die Handwerker<br />

über den Buchenberg gegen den Grasberg zu. Auf der „schwarzen Wiese“ große<br />

Verwirrung des Feindes, wieder Flucht gegen den Grasbergsattel. Dort spielte sich ein<br />

heftiger Kampf ab. Der alte Bericht lautet: „In diesem scharmüczl haben wir ihnen in die<br />

zwayh<strong>und</strong>ert fünff <strong>und</strong> sibenczig roß abgedrungen, auch vil volckhs, das sy an der Ennß<br />

umb Steyr, Ernsthofen, Haydershofen, St. Valentin, Haag, Aschbach <strong>und</strong> anderen orthen<br />

gefangen, erledigt. Das alles ist auf den Graßberg geschehn.“ Am 10.September abends<br />

wurde von den Waidhofnern die 3.Gruppe auf der schwarzen Wiese besiegt, viele<br />

Gefangene befreit, 26 Pferde erbeutet. Die Türken wurden in den Pöllgraben <strong>und</strong> über<br />

Atscherreit in den Reichenwald gejagt. Dies war der letzte Kampf. Eine Schar von 300<br />

bewaffneten Bürgern zog mit mehreren Geschützen zur Wiese bei dem „Hartpüchel“<br />

erwartete jedoch den Feind vergebens, er kam nicht mehr zurück.<br />

Siegesfreude: Mehr als 500 gefangene Christen waren ihrer Fesseln entledigt worden, 318<br />

Pferde <strong>und</strong> viele Waffen erbeutet. 3 türk. Sattel wurden unter den Torbogen der 3<br />

Stadttore aufgehängt, 3 der schönsten Pferde überbrachten der Stadtrichter Erhard Wild<br />

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Gleichenspruch (3.6.1949 – Fertigstellung Dachstuhl LSS Reichenauerhof)<br />

1. Meine hochverehrten Zimmerleute, Saufbrüder <strong>und</strong> Anwesende!<br />

Der Bau ist gesetzt, das Zimmer ist fest,<br />

in der Früh hat alles gewiegelt <strong>und</strong> gewogelt<br />

<strong>und</strong> jetzt ist alles verriegelt <strong>und</strong> vernogelt.<br />

Der Bau ist ausgeführt wie ihn ein jeder vor seinen Augen hat.<br />

Es soll ihn ein jeder gut betrachten<br />

Und seine Fehler wohl beachten.<br />

Er ist aufgeführt <strong>und</strong> zusammengeschlagen<br />

<strong>und</strong> ich glaube, er wird keine Fehler haben.<br />

Er ist beschlossen mit Bändern <strong>und</strong> Pfosten.<br />

Und das soll dem Bauherrn <strong>und</strong> der Leitung eine kleine Sauferei <strong>und</strong> ein<br />

Hauptguats Nachtmahl kosten.<br />

Der Bauherr soll leben, der Direktor <strong>und</strong> der Ingenieur daneben!<br />

Vivat! 3 mal Hoch.<br />

2. Meine Hochverehrten!<br />

Das Zimmerhandwerk ist das edelste Handwerk von allen.<br />

Gott der Herr selbst ist der älteste Baumeister.<br />

Er hat auch uns Zimmerleuten die Wissenschaft <strong>und</strong> das Talent gegeben, nicht nur<br />

Häuser <strong>und</strong> Städe zu bauen,<br />

sondern auch Kirchen, Schiffe <strong>und</strong> Paläste mit unseren gehörigen Werkzeugen.<br />

Unser gehöriger Werkzeug ist der Winkel <strong>und</strong> die Schnur.<br />

Das ist nur Evangelium, was wir treu befolgen müssen.<br />

Die Zimmerleute sollen leben <strong>und</strong> der Most daneben! Vivat!<br />

3. Meine Hochverehrten!<br />

Ein Zimmermann bin ich genannt,<br />

bin gereist durch Fürsten-, Grafen- durchs ganze Land.<br />

Bin auch gereist durch das Land Österreich.<br />

Da lernte ich kennen acht Meisterreich.<br />

Der erste ist gestorben, der Zweite ist verdorben,<br />

der Dritte sitzt im Hospital, der Vierte hat nichts überall.<br />

Der Fünfte ist davongelaufen, der Sechste ist erfroren,<br />

der Siebente sitzt in Venedig im Grandgarten <strong>und</strong> tut auf bessere Talente warten,<br />

der Achte ist ein Ehrenmann, der wohl solche Bauten aufführen kann.<br />

Der Meister soll leben <strong>und</strong> der Polier daneben! Vivat!<br />

4. Meine Hochverehrten!<br />

Jetzt hätt ich auf die Maurer bald vergessen.<br />

Die sind auch fleissig gestanden <strong>und</strong> sind gesessen.<br />

Hat es geheißen „Hebts auf“,<br />

haben sie verstanden „Saufts aus“.<br />

Aber, was liegt daran,<br />

wenn es sein hat müssen, haben sie a ihre Schuldigkeit getan.<br />

Die Maurerleit sollen leben! Vivat! Hoch 3 mal.<br />

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5. Ja richtig, noch was wäre zu sagen.<br />

Es tuat sie a die Kuchl plagen,<br />

aber mit großer Liab <strong>und</strong> großer Freud,<br />

denn heit kochns ja für Zimmerleit.<br />

Drum loß mal alle recht hoch leben,<br />

auf dass uns wohlgesinnt san beim Essengehen.<br />

Die Irmgard <strong>und</strong> alle von der Kuchl solln leben!<br />

6. Der Herr behüt uns stets vor Pest <strong>und</strong> teuren Zeiten,<br />

noch mehr vor Spengler, Tischler <strong>und</strong> Installateurleuten.<br />

Ja, diesen Spruch den habns verkehrt<br />

Und haben das brave Volk ganz falsch belehrt.<br />

Daß do warn a dabei die Maurer,<br />

ach Leutln ich kriag an Schauer <strong>und</strong> a Wut,<br />

über diese fürchterliche Lug,<br />

denn sie haben was schreckliches dazugelogen,<br />

sie haben sogar uns, die Zimmerleut hineingezogen.<br />

Sehts des will ich richtig stellen.<br />

Alle anderen Handwerker solln a leben! Vivat! Hoch 3 mal.<br />

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