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Delignes Beweis der Weil-Vermutung - Mathematik

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<strong>Delignes</strong> <strong>Beweis</strong> <strong>der</strong> <strong>Weil</strong>-<strong>Vermutung</strong>Prof. Dr. Uwe JannsenWintersemester 2010/11Inhaltsverzeichnis0 Einleitung 31 Rationalität <strong>der</strong> Zetafunktion 92 Konstruierbare Garben 143 Konstruierbare Z l -Garben 224 Kohomologie mit kompakten Träger 255 Der Frobenius-Endomorphismus 286 <strong>Delignes</strong> Satz: Formulierung und erste Reduktionen 337 Gewichte und Determinanten-Gewichte 378 Kohomologie von Kurven und L-Reihen 439 Reinheit von reellen Q l -Garben 4510 Der Formalismus naher und verschwinden<strong>der</strong> Zykel 4711 Kohomologie von affinen und projektiven Räumen und Reinheit 5612 Lokale Lefschetz-Theorie 6013 <strong>Beweis</strong> von <strong>Delignes</strong> Satz 7514 Existenz und globale Eigenschaften von Lefschetzbüscheln 86


0 EinleitungDie Riemannsche Zetafunktion wird bekanntlich durch die für Re(s) > 1 konvergierendenAusdrückeζ(s) = ∑ 1n = ∏ 1s 1 − p −sn≥1 pdefiniert. Die Produktentwicklung, bei <strong>der</strong> p über die rationalen Primzahlen läuft, wird imallgemeinen Euler zugeschrieben, und man spricht deswegen von einem Eulerprodukt undEuerfaktoren. Formal erhält man die letzte Gleichung leicht durch die eindeutige Zerlegungvon natürlichen Zahlen in Primzahlen sowie durch die geometrische Reihenentwicklung11 − p = ∑ ∞ −sm=0p −ms .Die bis heute unbewiesene Riemannsche <strong>Vermutung</strong> besagt, dass alle nicht-trivialen Nullstellenvon ζ(s) auf <strong>der</strong> Geraden Re(s) = 1 liegen sollen. Dies wird allgemeiner von den2Dedekindschen Zetafunktionenζ K (s) = ∑= ∏ 1Na s 1 − Np −spa⊂O K1vermutet. Hierbei ist K ein Zahlkörper, also eine endliche Erweiterung von Q, a durchläuftdie Ideale ≠ 0 des Rings O K <strong>der</strong> ganzen Zahlen von K, p durchläuft die Primideale ≠ 0, undes ist Na = |O K /a|, wobei |M| die Mächtigkeit einer endlichen Menge M bezeichnet.Artin betrachtete das Analogon für globale Funktionenkörper. Sei dazu F q ein endlicherKörper mit q Elementen. Dann entsprechen sichQ und F q (t) (<strong>der</strong> rationale Funktionenkörper),Z und F q [t] (<strong>der</strong> Polynomring in einer Variablen),und man kann die analoge Funktion betrachten:∑a⊂F q[t]1Na s = ∏ p11 − Np −s ,wobei wie<strong>der</strong> a bzw. p über die nicht-trivialen Ideale bzw. Primideale von F q [t] läuft undNa = |F q [t]/a| ist. Entsprechend kann man globale Funktionenkörper K behandeln, alsoendliche Erweiterungen von F q (t). Man beachte aber: <strong>der</strong> Ring F q [t] ist nicht mehr - wie Z inQ - durch den Körper F q (t) bestimmt; man könnte auch F q [ 1 t ] ⊆ F q(t) betrachten. Dies giltumso mehr für die allgemeinen Körper K, die nicht einmal mehr F q (t) kanonisch enthalten.Besser und kanonischer ist es, die eindeutig bestimmte glatte projektive Kurve X über F qmit Funktionenkörper K zu betrachten und zu definierenζ Fq (t)(s) = ζ(X, s) = ∏1 − (Nx) −s = ∏x∈X 011 − q −deg(x)s .x∈X 01Hierbei bezeichnet X 0 die Menge <strong>der</strong> abgeschlossenen Punkte von X, und für x ∈ X 0 istNx = |k(x)| die Mächtigkeit des Restklassenkörpers k(x) von x. Mit deg(x) = [k(x) : F q ] gilt3


dann offenbar Nx = q deg(x) und damit die letzte Gleichheit. Die Punkte sind hier im SchematheoretischenSinne gemeint; man beachte, daßfür einen affinen offenen Teil U = SpecR ⊂ Xdie Punkte x ∈ U den Primidealen p von R entsprechen, wobei k(x) <strong>der</strong> Quotientenkörpervon R/p ist. Die abgeschlossenen Punkte x entsprechen gerade den maximalen Idealen; fürdiese gilt also Nx = |R/p|, und man erhält dieselben Bildungen wie oben.Nach <strong>der</strong> letzten Formel gilt ζ(X, s) = Z(X, q −s ), wobeiZ(X, T ) = ∏11 − Tx∈X 0Es folgt die Gleichheit von formalen Potenzreihenlog Z(X, T ) = ∑x∈X∑= ∞ (m=1deg(x)∈ Z[[T ]] .− log(1 − T deg(x) ) = ∑∑deg(x)|mdeg(x)) T m m∞∑x∈X n=1=∞ ∑m=1T deg(x)·nn|X(F q m)| T m m,wobei X(F q m) die Menge <strong>der</strong> F q m-rationalen Punkte von X über F q ist: zu jedem x ∈ X 0mit deg(x)|m gibt es genau so viele F q m-rationale Punkte, wie es F q -lineare Einbettungenκ(x) ↩→ F q m gibt, und <strong>der</strong>en Anzahl ist deg(x).Wir betrachten ein Beispiel. Die glatte projektive Kurve mit Funktionenkörper F q (t) istP 1 F q, <strong>der</strong> eindimensionale projektive Raum über F q . Geometrisch, d.h., schematheoretischist P 1 F q= U 1 ∪ U 2 , mit U 1 = SpecF q [t] = A 1 F q(<strong>der</strong> eindimensionale affine Raum über F q )und U 2 = SpecF q [t −1 ] (<strong>der</strong> affine Raum mit Koordinate t −1 ). Dabei ist also U 1 ∩ U 2 =SpecF q [t, t −1 ] und U 1 − U 2 = Punkt t = 0 und U 2 − U 1 = Punkt t −1 = 0(“t = ∞ ′′ ).Da A 1 F q(F q m) = Hom Fq (SpecF q m, A 1 F q) = Hom Fq (F q [t], F q m) ∼ = F q m ist (die letzte Bijektionbilden einen Ringhomomorphismus φ auf φ(t) ab), erhält man|P 1 F q(F q m)| = q m + 1 .Dies folgt auch aus <strong>der</strong> bekannten Beschreibung <strong>der</strong> PunkteP 1 F q(F q m) = ((F q m) 2 \ {0})/F × q m= {[a 0 : a 1 ]|a i ∈ F q m, nicht beide null}= {[1 : a 1 ]|a 1 ∈ F q m} ∪ {[0 : 1]} .Bei Wahl <strong>der</strong> Koordinate t = a 1a 0ist natürlich die erste Menge <strong>der</strong> Vereinigung gleich U 1 (F q m)und [0 : 1] <strong>der</strong> Punkt “t = ∞ ′′ . Damit berechnen wir nun∑Z(P 1 F q, t) = exp( ∞ (1 + q m ) T m ) mm=1= exp( ∞ ∑m=1T m m ) · exp( ∞ ∑Dies ist insbeson<strong>der</strong>e eine rationale Funktion.m=1(qT ) mm )) = 1(1 − T )(1 − qT )Allgemeiner kann man zeigen (dies geht auf E. Artin und F.K. Schmidt zurück), dass füreine glatte projektive (geometrisch irreduzible) Kurve X vom Geschlecht g über F q gilt:Z(X, T ) =P (T )(1 − T )(1 − qT ) ,4.


wobei P (T ) ein Polynom vom Grad 2g in Z[T ] ist, welches konstanten Koeffizienten 1 hat.Weiter bewiesen Hasse (für g = 1, also für elliptische Kurven) und <strong>Weil</strong> (für beliebiges g),dass die Nullstellen von P (q −s ) auf <strong>der</strong> Geraden Re(s) = 1 liegen. Angewandt auf ζ(X, s) =2Z(X, q −s ) liefert dies das von Artin vermutete Analogon <strong>der</strong> Riemannschen <strong>Vermutung</strong> imFunktionenkörperfall.Wir geben eine Uminterpretation. SchreibeP (T ) =2g∏i=1(1 − α i T ), mit α i ∈ Q ⊂ C ,wobei Q den algebraischen Abschluß von Q in C bezeichnet. Für eine komplexe Zahl s istoffenbar P (q −s ) = 0 genau dann, wenn es ein i mit α i · q −s = 1 gibt. Weiter gilt in diesemFallRe(s) = 1 2 ⇐⇒| α i |= q 1 2 .A. <strong>Weil</strong> stellte nun fest, dass die Definition <strong>der</strong> Zetafunktion einen Sinn für beliebige Varietätenüber F q macht, und stellte nach Berechnung <strong>der</strong>selben in mehreren nicht-trivialenFällen ([<strong>Weil</strong>]) die folgenden <strong>Vermutung</strong>en auf.<strong>Weil</strong>-<strong>Vermutung</strong>en (bewiesen 1973 von Deligne): Sei X eine geometrisch irreduzible glatteprojektive Varietät über F q . DefiniereI: Z(X, T ) ist rational, d.h., in Q(T ).∞∑Z(X, T ) = exp( |X(F q n)| T n) ∈ Q[[T ]] .nn=1(Dies impliziert insbeson<strong>der</strong>e eine meromorphe Fortsetzung <strong>der</strong> Zetafunktion ζ(X, s) =Z(X, q −s ), für die die Reihe zunächst nur für Re(s) >> 0 konvergiert).II: Es gilt die FunktionalgleichungZ(X,1q d T ) = ±q dE 2 T E Z(X, T ) ,wobei d = dim X die Dimension von X und E = (∆·∆) die Selbstschnittzahl <strong>der</strong> Diagonalen∆ auf X × X ist.(Für die Zetafunktion in s bedeutet dies alsoζ(X, d − s) = ±q E( d 2 −s) ζ(X, s) .Für eine Kurve vom Geschlecht g zeigt man leicht, dass E = 2 − 2g ist, und erhält denklassischen Funktionalgleichungstyp, <strong>der</strong> s und 1 − s verknüpft).III: Es istZ(X, T ) = P 1(T )P 3 (T ) . . . P 2d−1 (T )P 0 (T )P 2 (T ) . . . P 2d (T )wobei P 0 (T ) = 1 − T, P 2d (T ) = 1 − q d T , und allgemein P i (X) ∈ Z[T ] mit konstantemKoeffizienten 1, wobei∏b iP i (T ) = (1 − α (i) T ) in C[T ] ,j=15j,


mit| α (i)j |= q i 2 für alle j(Dies ist <strong>der</strong> schwierigste Teil - das Analogon <strong>der</strong> Riemannschen <strong>Vermutung</strong> für beliebigeDimensionen).IV: Kommt X durch Reduktion mod p (d.h., mod p für ein Primideal p|p) von einer Varietätüber einem Zahlkörper K ⊆ C, so ist b i = deg P i gleich <strong>der</strong> i-ten Bettizahl von X(C) (dasist die Dimension <strong>der</strong> i-ten singulären Homologiegruppe von X(C)).Wir schließen zwei Bemerkungen an. Aus III folgt, dass sich die P i (T ) nicht gegenseitigwegkürzen lassen; sie sind also eindeutig durch Z(X, T ) bestimmt. In IV werden arithmetischeEigenschaften in interessanter Weise mit topologischen Invarianten verknüpft. Ist zumBeispiel X eine Kurve vom Geschlecht g über Q, so ist X(C) eine Riemannsche Fläche mit“g Henkeln ′′ , und damit b 0 = 1 = b 2 , b 1 = 2g (dies gibt Übereinstimmung mit den Ergebnissenvon Hasse und <strong>Weil</strong>). Die Anzahl <strong>der</strong> Henkel hat also Konsequenzen für die Anzahlvon Punkten mod p.In <strong>der</strong> Tat wurde <strong>Weil</strong> bei seinen <strong>Vermutung</strong>en stark von topologischen Betrachtungen geleitet.Insbeson<strong>der</strong>e bemerkte er, dass ein großer Teil <strong>der</strong> <strong>Vermutung</strong>en (nämlich I, II und IV)aus <strong>der</strong> Existenz einer “guten” Kohomologietheorie folgen würde, die dem üblichen topologischenFormalismus genügt, wie Lefschetz-Fixpunktformel, Poincaré-Dualität usw. Einesolche Kohomologietheorie wurde dann von M. Artin und A. Grothendieck mit <strong>der</strong> étalenKohomologie gefunden, und diese bildet auch die Grundlage für <strong>Delignes</strong> <strong>Beweis</strong>, den wir imfolgenden studieren wollen.Zuvor noch einige Worte zu den Anwendungen. Die <strong>Weil</strong>-<strong>Vermutung</strong>en (d.h. <strong>Delignes</strong> Sätze)haben unzählige, ganz verschiedenartige Anwendungen gefunden und bilden einen Dreh- undAngelpunkt bei vielen Schlüssen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Arithmetischen Geometrie. Wir skizzierenhier nur drei Anwendungen, die ganz elementar zu verstehen sind und die an<strong>der</strong>erseits auchrecht typisch sind.Anwendung 1: (<strong>Weil</strong>) Ist X eine geometrisch irreduzible glatte (projektive) Kurve vomGeschlecht g über F q , so gilt|X(F q n)| ≤ q n + 1 + 2g( √ q) n .<strong>Beweis</strong>: Mit den obigen Bezeichnungen erhält man durch Koeffizientenvergleich <strong>der</strong> Potenzreihenfür log Z(X, T )|X(F q n)| = 1 + q n −2g∑j=1α n j ≤ 1 + q n + 2g( √ q) n .Verallgemeinerungen auf höherdimensionale Varietäten seien dem Leser über lassen, vergl.auch [ De 1] 8.1.Anwendung 2: (Hasse, <strong>Weil</strong>) Für die Kloostermann-SummeK(p, a) := ∑ x∈F × pe 2πip (x+ a x ) ∈ C (p prim, a ∈ Z)gilt die Abschätzung|K(p, a)| ≤ 2 · √p .6


Dies folgt durch die Betrachtung <strong>der</strong> KurveT p − T = x + a x .Allgemeiner erhält man Abschätzungen des Typs∑| Ψ(Q(x 1 , . . . , x n ))| ≤ (d − 1) n q n 2 ,x 1 ,...,x n∈F qwobei Q ein Polynom vom Grad d in n Variablen und Ψ : F q → C × ein additiver Charakterist, s. [De1] und [Ka1].Anwendung 3: (Deligne) Die Ramanujan-<strong>Vermutung</strong>: Sei∆ = q∞∏(1 − q n ) 24 =n=1die Ramanujan-∆-Funktion. Dann gilt∞∑τ(n)q nn=1τ(n) = O(n 11 2 +ϵ ) für alle ϵ > 0 .Zunächst einige Worte zur Geschichte. Die folgenden Abschätzungen wurden vor Deligneerhalten - alle mit analytischen Methoden:Ramanujan (1916) O(n 7 )Hardy/Littlewood (1918) O(n 6 )Kloostermann (1927) O(n 47Davenport/Salié (1933) O(n 35Rankin (1939) O(n 298 +ϵ )6 +ϵ )5 +ϵ )(Zur Verdeutlichung: die letzten Brüche sind 6 − 1, 6 − 1 und 6 − 1 ; die <strong>Vermutung</strong> for<strong>der</strong>t8 6 56 − 1).2Ramanujan vermutete genauer ([Ra]):(A) τ ist multiplikativ, d.h., für (n, n ′ ) = 1 ist τ(nn ′ ) = τ(n)τ(n ′ ),(B) | τ(n) |≤ n 11 2· d(n) , wobei d(n) die Summe <strong>der</strong> Teiler von n ist,(C) Für die assoziierte Dirichletreihe gibt es eine Produktentwicklung <strong>der</strong> Form∞∑n=1τ(n)n s= ∏ p11 − τ(p)p −s + p 11−2s .Weiter bemerkte er:(i) (C) impliziert (A) (allgemeiner sind die Koeffizienten einer Dirichletreihe ∑ a n n −smultiplikativ, wenn diese eine Euler- Produktentwicklung besitzt),(ii) (B) impliziert die obige <strong>Vermutung</strong>, durch die bekannte Abschätzung für d(n),(iii) Weiß man (C), so genügt es, (B) für Primzahlen zu zeigen, d.h., dass für Primzahlen pgilt7


(B’) | τ(p) |≤ 2 · p 11 2(denn das Euler-Produkt liefert auch eine Rekursionsformel für τ(p m )),(iv) Eigenschaft (B’) ist äquivalent dazu, dass die Nullstellen des Polynoms 1 − τ(p)T +p 11 T 2 konjugiert komplex sind (die Diskriminante des zugehörigen normierten Polynoms istp −22 (τ(p) 2 − 4p 11 )).Es ist bemerkenswert, dass Ramanujan, <strong>der</strong> vielen als Analytiker gilt, hier alles auf reinalgebraische Fragen reduziert und dass die <strong>Vermutung</strong> dieser Reduktion folgend bewiesenwurde:Schreibt man1 − τ(p)T + p 11 T 2 = (1 − α 1 T )(1 − α 2 T ) ,so sind die Nullstellen genau dann komplex konjugiert, wenn es ihre Reziproken α 1 und α 2sind; wegen α 1 · α 2 = p 11 gilt dies genau dann, wenn| α 1 |=| α 2 |= p 11 2ist, und dies wurde von Deligne bewiesen. (C) wurde bereits 1917 von Mordell gezeigt.Die Funktion ∆ interessierte Ramanujan übrigens als q-Entwicklung einer beson<strong>der</strong>s wichtigenModulform, und er stellte ähnliche <strong>Vermutung</strong>en für gewisse Familien <strong>der</strong>selben auf.Diese folgen ebenfalls aus <strong>Delignes</strong> Resultaten, da er allgemeiner die Petersson-<strong>Vermutung</strong>beweis, die hier kurz formuliert sei, ohne näher auf die Theorie <strong>der</strong> Modulformen einzugehen.Hecke zeigte 1936, dass für eine normierte Spitzenform vom Gewicht k für SL 2 (Z) mitq-Entwicklung∞∑f(z) = a n q n (q = e 2πiz )n=1die assoziierte Dirichletreihe genau dann eine Produktentwicklung <strong>der</strong> Form∑n=1a nn s = ∏ p11 − a p p −s + p k−1 − p −2shat, wenn f Eigenform zu allen Heckeoperatoren ist (s.[Se 1]). In diesem Fall vermutetePetersson 1939 [Pet], dassWie oben genügt es zu zeigen: Schreibt manso gilta n = O(n k−12 +ϵ ) für alle ϵ > 0 .1 − a p T + p k−1 T 2 = (1 − α 1 T )(1 − α 2 T )| α 1 |=| α 2 |= p k−12 .Nach Vorarbeit von Eichler, Ihara und Shimura führte Deligne diese Aussage 1969 in [De1] auf die <strong>Weil</strong>-<strong>Vermutung</strong>en zurück, indem er zeigte, dass das obige Polynom das PolynomP k−1 (T ) für eine glatte projektive Varietät X über F p teilt - für ∆ ist k = 12. Für Formenhöherer Stufe siehe [De 1]und [De 2].8


1 Rationalität <strong>der</strong> ZetafunktionDie Rationalität <strong>der</strong> Zetafunktionen wurde 1960 von B. Dwork mit p-adischen Methodenbewiesen. A. Grothendieck gab 1964 einen an<strong>der</strong>en <strong>Beweis</strong>, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> von ihm und M.Artin entwickelten étalen Kohomologie beruht und auch die Funktionalgleichung liefert.Theorem 1.1 (Grothendieck) Sei X eine geometrisch irreduzible glatte, projektive Varietät<strong>der</strong> Dimension d über F q .(a) Für l ≠ p = char(F q ) istZ(X, T ) = P 1(T ) · P 3 (T ) . . . P 2d−1 (T )P 0 (T )P 2 (T ) . . . P sd (T ),wobei P 0 (T ) = 1 − T, P 2d (T ) = 1 − q d Tund allgemeinP i (T ) = det(1 − F ∗ T | H i (X, Q l )) ,wobei X = X × Fq F q für einen algebraischen Abschluß F q von F q ist, H i (X, Q l ) die i-tel-adische Kohomology bezeichnet und F ∗ <strong>der</strong> Endomorphismus ist, <strong>der</strong> hierauf durch denq-linearen Frobenius-Endomorphismus F : X → X induziert wird.(b) Insbeson<strong>der</strong>e ist Z(X, T ) rational, d.h., in Q(T ) .(c) Es gilt die Funktionalgleichungmit <strong>der</strong> Euler-Poincaré-CharakteristikZ( 1q d T ) = ±q dE 2 T E Z(T ) ,E = χ(X, Q l ) :=2d∑i=0(−1) dim Ql H i (X, Q l ) .Diese ist auch gleich <strong>der</strong> Selbstschnittzahl (∆.∆) <strong>der</strong> Diagonalen X ∆↩→ X × X .Erläuterung: Im folgenden bezeichnet Z/m o<strong>der</strong> Z/mZ auch die konstante Garbe mitdiesen Halmen auf einem Schema S bezüglich <strong>der</strong> étalen Topologie. Für eine étale Garbe Fauf S sei H i (S, F ) <strong>der</strong>en i-te Kohomologie (i ≥ 0). Dann ist nach DefinitionH i (S, Z l ) = lim←nH i (S, Z/l n ) ,H i (S, Q l ) = H i (S, Z l ) ⊗ Zl Q l .Man beachte, dass H i (S, Z/l n ) ein Z/l n -Modul ist, damit H i (S, Z l ) ein Modul über demRing Z l = lim Z/l n <strong>der</strong> ganzen l-adischen Zahlen und H i (S, Q l ) ein Vektorraum über dem←,nQuotientenkörper Q l <strong>der</strong> l-adischen Zahlen.Wir benötigen einige <strong>der</strong> folgenden Tatsachen über l-adische Kohomologie. Hierbei sei A =Z/m, Z l o<strong>der</strong> Q l .9


KOH 1: Funktorialität: ein Morphismus f : S → S ′ induziert einen A-Modul-Morphismusf ∗ : H i (S ′ , A) → H i (S, A)Für g : S ′ → S ′′ gilt (gf) ∗ = f ∗ g∗. Insbeson<strong>der</strong>e operiert für ein Schema X über einemKörper k mit separablem Abschluß k s die absolute Galoisgruppe Gal(k s /k) stetig aufH i (X × k k s , A): ordne σ ∈ Gal(k s /k) die durch id × Spec(σ) : X × k k s → X × k k s induzierteOperation zu.KOH 2: Cupprodukt:Es gibt A-bilineare AbbildungenH i (S, A) × H j (S, A) → H i+j (S, A) , (x, y) ↦→ x · y .Diese sind graduiert kommutativ (y · x = (−1) ij x · y) und (in einem offensichtlichen Sinne)assoziativ.KOH 3: Künneth-Formel: Sind X und Y glatt und eigentlich über einem separabel abgeschlossenenKörper L, und ist l ≠ char (L), so hat man Isomorphismen⊕ H i (X, Q l ) ⊗ H j (Y, Q l ) → H k (X × L Y, Q l )i+j=kx ⊗ y ↦→ p ∗ 1x · p ∗ 2y ,wobei p 1 : X × Y → X und p 2 : X × Y → Y die Projektionen sind.KOH 4: Poincaré-Dualität: Ist X glatt, eigentlich und rein d-dimensional über einem Körperk, und ist X = X × k k s für einen separablen Abschluß k s von k , so gibt es für l ≠ char(k)einen kanonischen Galois-äquivarianten Z/l n -Homomorphismusund die Paarungtr : H 2d (X, Z/l n )(d) → Z/l n ,H i (X, Z/l n ) × H 2d−i (X, Z/l n ) → H 2d (X, Z/l n )(d) tr → Z/l nist eine perfekte Dualität. Hierbei bezeichnet M(m) den m-ten Tate-Twist eines Z/l n −Gal(k s /k)-Moduls: M(m) = M ⊗ Z/l n (m) , mit{ µZ/l n ⊗mlm ≥ 0(m) =n (µ ⊗−ml) ∨ m ≤ 0 .nHierbei ist µ l n <strong>der</strong> Galois-Modul <strong>der</strong> l n -ten Einheitswurzeln in k × s , und M ∨ = Hom(M, Z/l n )das Z/l n -Dual eines Z/l n -Gal(k s /k)-Moduls M .KOH 5: Endlichkeit: Ist X eigentlich von endlichem Typ über einem separabel abgeschlossenenKörper L, so ist H i (X, A) ein endlich erzeugter A-Modul für alle i ≥ 0, A = Z/l n , Z lo<strong>der</strong> Q l , l ≠ char(L).KOH 6: Frobenius-Endomorphismus: Sei X von endlich Typ über F q . Der F q -lineare Frobenius-EndomorphismusF : X → Xist dadurch definiert, dass er die Indentität auf dem topologischen Raum und die q-Potenzierungauf <strong>der</strong> Strukturgarbe ist. Ist φ ∈ Gal(F q /F q ) <strong>der</strong> arithmetische Frobenius:φ(α) = α q für α ∈ F q ,10


und F ∗ die durch F × id : X = X × Fq F q → X × Fq F q induzierte Abbildung auf <strong>der</strong>Kohomologie, so giltF ∗ = φ −1 auf H i (X, A) .Zum <strong>Beweis</strong> von Theorem 1.1:(a) ⇒ (b):∑Lemma 1.2 (Bourbaki Algèbre IV 3, Exercise 3) Sei u(T ) = ∞ a n T n eine formale Potenzreiheüber einem Körper K. Dann liegt u(T ) genau dann in K(T ) (d.h., ist die Taylorentwicklungeiner gebrochen rationalen Funktion), wenn es ein N > 0 gibt <strong>der</strong>art, dass dieHankel-Determinantendet(a i+j+M)0≤i,j≤Nfür alle M >> 0 verschwinden.⎛= det ⎜⎝n=0⎞a M a M+1 . . . a M+Na M+1 a M+2⎟.⎠a M+N . . . a M+2NAus (a) folgt nun zunächst, dass Z(X, T ) in Q l (T ) liegt. Damit verschwinden die Hankel-Determinanten <strong>der</strong> Koeffizienten wie in Lemma 1.2. Aber die Koeffizienten liegen bereitsin Q , und nach demselben Kriterium liegt Z(X, T ) dann in Q(T ) (dieser <strong>Beweis</strong> zeigt:Q[[T ]] ∩ Q l (T ) = Q(T ) ) .Bemerkung 1.3 Dieser <strong>Beweis</strong> zeigt nicht, dass die obigen P i (T ) in Q[T ] liegen.(a) =⇒ (c): Nach Poincaré-Dualität KOH 4 und Endlichkeit KOH 5 hat man einen Isomorphismusvon GaloismodulnH i (X, Q l ) ∨ = H 2d−i (X, Q l )(d)(Bezeichnung: M ∨ = Hom Ql (M, Q l ) für einen Q l -Vektorraum M, M(m) = M ⊗ Zl Z l (m)für einen Z l -Galoismodul M, wobei Z l (m) = lim Z/l n (m)). Da <strong>der</strong> arithmetische Frobenius←,nφ auf Q l (m) mit q m operiert, giltdet(1 − F 1q d T | Hi )= (q d T ) −b idet(F | H i ) · (−1) b idet(d − F −1 q d T | H i )= (q d T ) −b idet(F | H i ) · (−1) b idet(1 − F T | H 2d−i ),wobei H i = H i (X, Q l ) und b i = dim Ql H i . Sind α 1,..., α bi die Eigenwerte von F auf H i , sosind q d α1 −1 , . . . , q d α −1b idie Eigenwerte auf H 2d−i nach Poincaré-Dualität. Damit giltdet(F | H i ) · det(F | H 2d−i ) = q b i·d für i ≠ d .Wir betrachten nun noch i = d. Seien N + (bzw. N − ) Eigenwerte von F auf H d gleich q d 2(bzw. −q d 2 ). Die restlichen Eigenwerte bilden Paare β ≠ q d β −1 , insbeson<strong>der</strong>e ist b d −N + −N −gerade.11


Damit istdet(F, H d ) = q d(b d−N + −N − )/2 q N ++N − )d/d (−1) N −= q dbd/2 (−1) N −,wobei man beachte, dass db d immer gerade ist, da die Poincaré Paarung für ungerades dalternierend auf H d ist. Es folgt nun1Z(X, ) = ∏ 2dq d T i=0 det(1 − F 1 | d d T Hi ) (−1)i+1= (q d T ) χ q −χd2 (−1) ∏ N + 2di=0 det(1 − F T | H2d−i ) (−1)i+1= (−1) N +q χd2 T χ Z(X, T ),wobei χ = ∑ 2di=0 (−1)i b i die Euler-Poincaré-Charakteristik ist.Für die Deutung von χ als Schnittzahl benötigen wir das folgende ResultatTheorem 1.4 (Lefschetz-Formel, 1. Version) Bezeichne mit (α · β) das Bild von α ⊗ β unter<strong>der</strong> Poincaré-Paarung für X × XH 2d−r (X × X)(d) × H 2d−r (X × X)(d) → H 4d (X × X)(2d) tr → Q l ,wo wir H i (−) für H i (−, Q l ) schreiben. Dann gilt(α · tβ) =2d∑i=0(−1) i tr(β ◦ α | H i (X)) ,wobei β ↦→ t β die Transposition bezeichnet, die durch die Vertauschung <strong>der</strong> Faktoren von X×X induziert wird, und auf <strong>der</strong> rechten Seite β und α als Endomorphismen <strong>der</strong> Kohomologiegedeutet werden, vermöge <strong>der</strong> Isomorphien∼ =∼ =∼ =H 2d+r (X × X)(d)2d⊕ H 2d−i (X)(d) ⊗ H i+r (X)i=02d⊕ H i (X) ∨ ⊗ H i+r (X)i=0(Künneth-Formel)(Poincaré-Dualität)2d⊕ Hom(H i (X), H i+r (X)) (lineare Algebra) .i=0<strong>Beweis</strong> Ohne Einschränkung sei α ∈ H 2d−i (X)(d) ⊗ H j (X) und β ∈ H 2d−j (X)(d) ⊗ H i (X),etwa α = ∑ a ′ l ⊗ b l und β = ∑ c l ⊗ a l mit (a ′ l · a m) = δ lm . Dann istll(α · tβ) = ∑ l(b l · c l ) · a l + ∑ l ′ ≠l(b l · c l ′)a l ′) ,also T r(β ◦ α | H i (X)) = (−1) i ∑ l(b l · c l ) = (−1) i (α · tβ) .Wir benötigen dann nur nochKOH 7: Zykelabbildung: Es gibt Homomorphismencl : CH j (X) ← H 2j (X, Q l )(d)12


(CH j (X) die Gruppe <strong>der</strong> algebraischen Zykel <strong>der</strong> Kodimension j auf X modulo rationalerÄquivalenz) <strong>der</strong>art, dass das Schnittprodukt (x · y) mit <strong>der</strong> Schnittzahl (cl(x) · cl(y)) <strong>der</strong>Zykel übereinstimmt.Dann berechnen wir nämlich für die Diagonale ∆, die die Identiät auf H·(X) induziert:(∆ · ∆) =2d∑i=0(−1) i tr(id | H i (X)) = χ(X, Q l ) .Mit denselben Methoden erhalten wir nun zwei <strong>Beweis</strong>e von 1.1 (a):1. <strong>Beweis</strong> von 1.1 (a): Mit <strong>der</strong> Schnitt-Theorie von algebraischen Zykeln zeigt man|X(F q n)| = (F n · ∆) ,wobei F hier auch für den Graphen von F in X × X steht. Zusammen mit <strong>der</strong> obigenLefschetz-Formel 1.4 ergibt sichTheorem 1.5 (Lefschetz-Formel, 2. Version)(1.5.1) |X(F q n)| =2d∑i=0(−1) i tr(F n | H i (X, Q l )) .Außerdem hat man die bekannte Formel∞∑(1.5.2) exp( tr(α n | V ) T n) = det(1 − αT | V )−1nn=1für einen Endomorphismus α auf einem Vektorraum V über einem Körper L <strong>der</strong> Charakteristik0 (durch Betrachtung <strong>der</strong> Eigenwerte braucht man die Formel nur für eine Zahl α in∑einem algebraischen Abschluß von L zu beweisen, wo die Behauptung wegen ∞ α n T n= n−log(1 − αT ) folgt). Aus (1.5.1) und (1.5.2) folgt offenbar 1.1(a).2. <strong>Beweis</strong> von 1.1 (a): Man beweist Theorem 1.5 mit rein kohomologischen Methoden. In<strong>der</strong> Tat, man hat die allgemeinere TatsacheKOH 8 = Theorem 1.6 (Lefschetz-Formel, 3. Version) Sei X ein separiertes Schema vonendlichem Typ über F q und F eine konstruierbare Q l -Garbe auf X. Dann ist∑x∈X F n tr(F n x , F x ) =Insbeson<strong>der</strong>e gilt für F = Q l :|X(F q n)| = |X F n | =und nach obiger Formel (1.5.2) alsoZ(X, T ) =2 dim(X)∏i=0∑2 dim(X)i=0∑2 dim(X)i=0(−1) i tr(F n | H i c(X, F)) .(−1) i tr(F n | H i c(X, Q l )) ,det(1 − F T | H i c(X, Q l )) (−1)i+1 .Die Bezeichnungen werden in den nächsten Paragraphen erläutert.13n=1


2 Konstruierbare GarbenIm Folgenden seien Garben immer Garben für die étale Topologie.Erinnerung 2.1 (vgl. [Mi]; insbes. I §5 und V §1) Sei Z ein Schema.(a) Ein geometrischer Punkt von Z ist ein Morphismus x → Z, wobei x = Spec(Ω) für einenseparabel abgeschlossenen Körper Ω. Äquivalent ist also die Vorgabe eines Punktes x ∈ Z(des Bildes von x) und einer Einbettung des Restklassenkörpers k(x) in Ω.(b) Eine étale Umgebung von x ist ein kommutatives Diagrammx6 6666666❆ ❆❆❆❆❆❆❆wobei U → Z étale ist. Die étalen Umgebungen von x bilden ein projektives System, dabeibilden die Umgebungen, für die U affin, zusammenhängend und U → Z von endlichem Typist, ein cofinales System.UZ ,(c) Die strikte Henselisierung von Z in x ist definiert alsO Z,x = lim−→Γ(U, O) ,wobei U über die étalen Umgebungen von x läuft. Dann ist O Z,x ein strikt henselscher Ring,d.h., lokal, henselsch, mit separabel abgeschlossenem Restklassenkörper.(d) Ist F eine étale Garbe auf Z, so ist <strong>der</strong> Halm von F in x definiert alsF x = lim−→F(U) ,wobei U über die étalen Umgebungen von x läuft (Insbeson<strong>der</strong>e ist also O Z,x <strong>der</strong> Halm <strong>der</strong>Ringgarbe G a in x).(e) Sei Z zusammenhängend und x ein geometrischer Punkt von Z. Definiere den Funktorϕ = ϕ x :( )endliche étale MorphismenZ ′ → Z→ (endliche Mengen)Z ′ ↦→ Hom Z (x, Z ′ ) .und die pro-endliche Gruppeπ 1 (Z, x) = Aut(ϕ) = lim←−Aut Z (Z ′ ) ,wobei <strong>der</strong> Limes über die endlichen étalen Morphismen Z ′ → Z, d.h., über die endlichenétalen Z-Schemata Z ′ läuft. Dann ist <strong>der</strong> induzierte Funktor( ) ( )endliche étale endliche diskreteϕ :−→Z-Schemata π 1 (Z, x)-Mengen14


eine Kategorienäquivalenz. Für eine pro-endliche Gruppe G ist eine endliche diskrete G-Menge eine endliche Menge M mit einer Operation von G <strong>der</strong>art, daß <strong>der</strong> Stabilisator einesjeden Elementes m ∈ M offen in G ist.Definition 2.2 Eine Garbe F auf Z heißt lokal-konstant, wenn es eine étale Überdeckung(U i → Z) gibt <strong>der</strong>art, dass F | U i konstant ist für alle i.Bemerkung 2.3 Hat F zusätzlich endliche Halme und ist Z quasi-kompakt, so folgt aus<strong>der</strong> Abstiegstheorie, dass F durch ein endliches étales Gruppenschema H über Z dargestelltwird (d.h., F ist isomorph zum Funktor U ↦→ Hom Z (U, H)). Ist umgekehrt H ein endlichesétales Gruppenschema, so ist die durch H dargestellte Garbe F lokal-konstant mit endlichenHalmen:Ohne Einschränkung ist Z zusammenhängend. Dann ist H zusammenhängend, denn H → Zist abgeschlossen (als endlicher Morphismus) und offen (als étaler Morphismus von endlichemTyp). Sei x ein geometrischer Punkt von Z. Dann entspricht H einer zusammenhängendenendlichen π 1 (Z, x)-Menge M = π 1 (Z, x)/U, wobei U ⊆ π 1 (Z, x) eine offene Untergruppe ist.Es gibt einen offenen Normalteiler N ⊆ π 1 (Z, x) mit N ⊆ U, und dieser entspricht einerétalen ÜberlagerungH ′ → H → Z .Ist y ein geometrischer Punkt von H ′ über x, so ist π 1 (H ′ , y) ∼ = N, und die Einschränkungvon M ′ = π 1 (H, x) auf π 1 (H ′ , x) ist trivial. Dies zeigt, dass das Pullback H ′ × Z H ′ → H ′<strong>der</strong> Überlagerung H ′ → Z trivial ist, also auch das Pullback H × Z H ′ → H ′ . Daher ist dieEinschränkung von Hom Z (, H) auf H ′ konstant.Nach dem Yoneda-Lemma erhält man also eine Kategorienäquivalenz( ) ()endliche étale kommmutativelokal konstante Garben←→Gruppenschemata über Zmit endlichen Halmen auf ZH ↦→ Hom Z (−, H)Wir berechnen noch den Halm von F = Hom Z (−, H) in einem geometrischen Punkt x =Spec(Ω): Es istF x = lim Hom Z (U, H) −→ (1)Hom Z (Spec(O Z,x ), H)−→ ∼= Hom (Spec(O Spec(OZ,x ) Z,x), H × Z Spec(O Z,x )(2)−→∼Hom Spec(k(x))(Spec(k(x)), H × Z Spec(k(x)))= Hom Z (Spec(k(x)), H) (3)−→∼Hom Z (x, H) = ϕ x (H) .Hierbei läuft <strong>der</strong> Limes ohne Einschränkung über affine étale Umgebungen von x, deswegenist (1) eine Bijektion [Mi] II 3.3), k(x) ist <strong>der</strong> Restklassenkörper des henselschen Rings O Z,x ,deswegen ist (2) eine Bijektion [Mi] I 4.4), und (3) ist eine Bijektion, da für einen Punkty ∈ H über dem Bildpunkt x von x die Restklassenerweiterung k(y)/k(x) separabel ist unddeswegen Hom k(x) (k(y), k(x)) = Hom k(x) (k(y), Ω) für die separabel abgeschlossenen Körperk(x) und Ω.Zusammen mit <strong>der</strong> Kategorienäquivalenz in 2.1 (e) ergibt sich eine Kategorienäquivalenz für15


zusammenhängendes quasi-kompaktes Z mit geometrischem Punkt x:( ) ( lokal-konstante Garbenendliche diskrete←→mit endlichen Halmenπ 1 (z, x)-ModulnF ↦→ F x .)Es gibt noch eine an<strong>der</strong>e Charakterisierung von lokal-konstanten Garben.Definition 2.4 (a) Ein geometrischer Punkt x eines Schemas Z heißt Spezialisierung einesan<strong>der</strong>en geometrischen Punktes y von Z, wenn es einen Ringhomomorphismus über Zφ : O Z,x → O Z,y<strong>der</strong> strikten Henselisierungen gibt. Wir nennen φ (o<strong>der</strong> Spec(φ)) dann einen Spezialisierungsmorphismus.(b) Ist F eine étale Garbe auf Z, so erhält man hieraus eine Spezialisierungsabbildungφ ∗ : F x −→ F ywie folgt. Da Spec(O Z,x ) = lim ←−U, wo U über die étalen Umgebungen von x läuft, entsprichtUφ einem Element auslim ←−Hom Z (Spec(O Z,y ), U) .UOhne Einschränkung seien dabei die U von endlichem Typ über Z. Da analog Spec(O Z,y ) =V , wobei V über die étalen Umgebungen von y läuft, die ohne Einschränkung als affinlim ←−Vangenommen werden können, istHom Z (Spec(O Z,y ), U) = lim −→Hom Z (V, U)V(vergl. [Mi] II 3.3). Daher entspricht φ einem Element inlim ←−Ulim −→Hom Z (V, U) ,Valso einem Morphismus zwischen Pro-Objekten (V ) → (U). Dieser induziert dann einenHomomorphismusF x = lim F(U) −→ lim F(V ) = F y .−→ −→Bemerkung 2.5 (a) Unter Verwendung von Garben-Pullbacks zum kommutativen Diagrammf = Spec(φ) : Spec(O Z,y ) Spec(O❏ Z,x )❏❏❏❏❏❏❏❏❏π ′π Zkann man φ ∗ = f ∗ auch als die folgende Komposition erhalten:F x = (π ∗ F) x(1)= (π ∗ F)(O Z,x ) f ∗→ (π ′∗ F)(O Z,y ) (2)= (π ′∗ F) y = F y ,16


wobei die Isomorphie (1) aus <strong>der</strong> Tatsache folgt, dass x für den strikten Henselschen RingO Z,x nur triviale étale Umgebungen besitzt, analog für (2) und y. Der mittlere Pfeil ist von<strong>der</strong> (Adjunktions-)Abbildunginduziert.π ∗ F → f ∗ f ∗ π ∗ F = f ∗ π ′∗ F(b) Ist F eine konstante Garbe, mit Halm A, so ist φ ∗ offenbar ein Isomorphismus, da dieobigen U und V alle so gewählt werden können, dass sie zusammenhängend sind: dann sindalle Gruppen gleich A und die Abbildungen Identitäten.(c) Schließlich bemerken wir noch, dass x eine Spezialisierung von y ist, wenn <strong>der</strong> Bildpunktx ∈ Z eine Spezialisierung des Bildpunktes y von y ist, d.h., im Abschluß {y} enthaltenist. Für jede étale Umgebung U von x ist dann nämlich y im Bild von U enthaltenund damit die Menge Hom Z (y, U) nicht-leer und endlich. Weiter stimmt diese Menge mitHom Z (Spec O Z,y , U) überein, und <strong>der</strong> projektive LimesHom Z (Spec O Z,y , Spec O Z,x ) = lim ←−Hom Z (Spec O Z,y , U)Uvon endlichen Mengen ist nicht-leer.Lemma 2.6 Sei Z ein lokal noethersches Schema. Eine étale Garbe F auf Z mit endlichenHalmen ist genau dann lokal konstant, wenn alle Spezialisierungsabbildungen bijektiv sind.<strong>Beweis</strong> Eine Richtung folgt aus 2.5 (b). Seien umgekehrt alle SpezialisierungsabbildungenIsomorphismen. Da die Frage lokal ist, können wir annehmen, dass Z noethersch ist. Sei xein geometrischer Punkt von Z, und sei A = F x . Dann istmit t 1 , . . . , t r ∈ A und m 1 , . . . , m r ∈ N.A = ⊕r Z/m i Z · t ii=1Es gibt eine étale Umgebung U von x und Schnitte s 1 , . . . , s r ∈ F(U), die auf t s , . . . , t rabgebildet werden. Weiter können wir (durch Übergang zu einer ‘kleineren’ étalen Umgebung)annehmen, dass s i von m i annulliert wird. Wir erhalten einen Morphismus von étalenGarben( )r⊕ψ U : G = Z/m i Z → F| U ,i=1<strong>der</strong> das Basiselement t i von Z/m i Z auf s i abbil<strong>der</strong>t, wobei links die zu A assoziierte Garbeauf U steht. φ U induziert einen Isomorphismus <strong>der</strong> HalmeUψ x : G x ∼ → F x .Seien Z 1 , . . . , Z k die irreduziblen Komponenten von Z, die den Bildpunkt x von x enthalten,seien Z k+1 , . . . , Z m die restlichen Komponenten und sei V ⊆ U die offene Teilmenge, diedurch Entfernen <strong>der</strong> Urbil<strong>der</strong> von Z k+1 , . . . , Z m entsteht. Sind dann η 1 , . . . , η k geometrischePunkte von V über den generischen Punkten η 1 , . . . , η k von Z 1 , . . . , Z k , so erhalten wir einkommutatives DiagrammG ηiψ ηiFηi≀≀G xψ x∼17F x ,


wobei wir vertikale Isomorphismen durch eine Spezialisierungsabbildung haben (für G nach2.5 (b), und für F nach Voraussetzung). Daher sind die ψ ηi Isomorphismen. Ist nun y einbeliebiger geometrischer Punkt von V , auch aufgefasst als geometrischer Punkt von Z, so isty Spezialisierung von (mindestens) einem η i , und wir erhalten ein kommutatives DiagrammG ηi≀ψ ηi∼ F ηi≀ψ yG y F y .Also ist ψ y ein Isomorphismus und, da y beliebig war, ψ : G| V → F| Vein Isomorphismus.Definition 2.7 Eine Garbe F auf Z heißt konstruierbar, wenn es für jedes abgeschlosseneUnterschema Y ⊂ Z ein offenes nicht-leeres Unterschema U ⊂ Y gibt, so dass F| U lokalkonstant mit endlichen Halmen ist.Bemerkung 2.8 Ist Z noethersch, so ist dies äquivalent dazu, dass es eine StratifizierungZ = ∪ ·Z i durch endlich viele lokal-abgeschlossene Unterschemata Z i gibt, so dass F | Zi lokalkonstant mit endlichen Halmen ist für alle i.Beispiele 2.9 (a) Sei l prim und µ l n = Ker(G mµ l n(U) = {α ∈ Γ(U, O) | α ln = 1}l n−→ G m ), d.h., die étale Garbe auf Z mitfür U étale über Z. Dann ist µ l ndarstellbar durchµ l n ,Z = Spec(Z[T ]/(T ln − 1)) × Spec(Z) Z ,denn es istHom Z (U, µ l n ,Z) = Hom(U, Spec(Z[T ]/(T ln − 1)))= Hom Ringe (Z[T ]/(T ln ∼− 1), Γ(U, O)) −→ µ l n(U) ,wobei die letzte Abbildung einen Ringhomomorphismus φ auf das Element φ(T ) abbildet. Istl invertierbar, so ist µ l n ,Z endlich und étale über Z: Da diese Eigenschaften bei Basiswechselrespektiert werden, reicht es zu zeigen, dassµ l n ,Z[ 1 l ] = Spec(Z[1 l ][T ]/(T ln − 1))endlich und étale über Z[ 1 l ] ist (beachte, dass Z → SpecZ nach Voraussetzung über SpecZ[ 1 l ]faktorisiert). Die Endlichkeit ist klar, und µ l n ist étale, da das von T ln − 1 und seinerAbleitung l n T ln −1 erzeugte Ideal die 1 enthält, falls l invertierbar ist (vgl. das Kriterium[Mi] I 3.4). Ist l invertierbar, so ist also µ l n eine lokal-konstante Garbe mit endlichen Halmen.Ist x = Spec(Ω) ein geometrischer Punkt von x, so berechnet sich <strong>der</strong> Halm weiter wie folgt:(µ l n) x = lim−→µ l n(U) = µ l n(O Z,x ) −→∼µ l n(k(x)) = µ l n(Ω) .Hierbei läuft U über die étalen Umgebungen von x, k(x) ist <strong>der</strong> Restklassenkörper von O Z,x ,und <strong>der</strong> vorletzte Pfeil ist ein Isomorphismus nach dem Henselschen Lemma.18


(b) Ist j : U ↩→ Z eine offene Immersion und F eine konstruierbare Garbe auf U, so istj ! F, die Fortsetzung durch null, konstruierbar auf Z. Ist F lokal-konstant, so ist j ! F aber imallgemeinen nicht mehr lokal-konstant, z.B. nicht, wenn Z zusammenhängend und ∅ ̸= U ≠ Zist.Lemma 2.10 Sei Z lokal noethersch.(a) Quotienten und Untergarben von konstruierbaren Garben sind wie<strong>der</strong> konstruierbar.(b) Erweiterungen von konstruierbaren Garben sind wie<strong>der</strong> konstruierbar, d.h., ist0 → F ′ → F → F ′′ → 0eine exakte Sequenz von Garben, so ist mit F ′ und F ′′ auch F konstruierbar.(c) Tensorprodukte von konstruierbaren Garben sind wie<strong>der</strong> konstruierbar.(d) Ist Z noethersch, so sind die folgenden Aussagen äquivalent für eine Garbe F auf Z:(i) F ist konstruierbar.(ii) F ist eine noethersche Torsionsgarbe (d.h., ein noethersches Objekt in <strong>der</strong> Kategorie <strong>der</strong>Torsionsgarben).(iii) Es gibt ein m ∈ N und j : U → Z étale von endlichem Typ, so dass F Quotient vonj ! Z/m ist.<strong>Beweis</strong> Wir behaupten zunächst: Istf : F −→ F ′ein Morphismus von konstruierbaren Garben auf einem beliebigen Schema Z, so sind KerfIm f und Coker f konstruierbar. Es reicht nämlich, die analoge Aussage zu beweisen, bei <strong>der</strong>“konstruierbar” durch “konstant mit endlichem Halm” ersetzt wird. Dann ist die Behauptungaber klar.Nun zeigen wir (d).(i) ⇒ (ii): Ohne Einschränkung ist Z irreduzibel. Sei U ⊂ Z offen nicht-leer so, dass F lokalkonstant auf U ist, und sei η ein geometrischer Punkt über dem generischen Punkt η von U.Nach 2.6 sind für alle geometrischen Punkte x, die SpezialisierungsabbildungenF x −→ F ηIsomorphismen. Sei nun F 1 ⊆ F 2 ⊆ F 3 ⊆ . . . eine aufsteigende Kette von Untergarben. Wirhaben zu zeigen, dass die Folge stationär wird. Da F η endlich ist, wird die Folge <strong>der</strong> F i,ηstationär, ist also ohne Einschränkung konstant. Die SpezialisierungsabbildungenF i,x −→ F i,ηsind nach dem DiagrammF i,x F i,η F x ∼ F η∼=19


injektiv. Seien s 1 , . . . , s r Erzeuger von F 1,η , und sei V eine étale Umgebung von η so, dasss 1 , . . . , s r alle von Schnitten in F 1 (V ) kommen. Dann sind für x über V die HalmabbildungenF 1,x −→ F i,x bijektiv, wegen des kommutativen DiagrammsF 1 (V ) F ∼ ● 1,η F i,η●●●●●●●● F 1,x F i,x .Damit ist die Folge <strong>der</strong> F i konstant auf dem offenen Bild V ′ von V in Z. Mit noetherscherInduktion zeigt man nun, dass die Folge auf dem abgeschlossenen Komplement Z − V ′ebenfalls konstant wird, und damit die Behauptung.(ii) ⇒ (iii): Ist j : U → Z étale, so ist per definitionem j ! linksadjungiert zu j ∗ ; insbeson<strong>der</strong>egiltHom Z (j ! Z/m, F) = Hom U (Z/m, j ∗ F) = m F(U) ,wobei m A = {a ∈ A | ma = 0} für eine abelsche Gruppe A. Ist x ein geometrischerPunkt von Z und f ∈ F x , so gibt es also m ∈ N und U wie oben, so dass f im Bild einesMorphismus j ! Z/m → F liegt (Dies bedeutet, dass die j ! Z/m eine Familie von Generatorenin <strong>der</strong> Kategorie <strong>der</strong> Torsionsgarben sind). Ist nun F noethersch, so gibt es also endlich vieleU 1 , . . . , U r und m 1 , . . . , m r und einen surjektiven Morphismusr⊕i=1(j i ) ! Z/m i ↠ F .Es folgt die Behauptung, mit U = ⨿ U i und m = kgV (m i ).(iii) =⇒ (i) Wähle eine Surjektionφ : j ! Z/m ↠ F .Da j ! Z/m offenbar konstruierbar ist, also noethersch, gibt es mit denselben Argumenten wieoben einen Epimorphismusj ′ !Z/m ↠ Kerφfür einen étalen Morphismus von endlichem Typ j ′ : U ′ → Z. Also ist F konstruierbar, nach<strong>der</strong> anfangs des <strong>Beweis</strong>es gezeigten Behauptung, als Kokern eines Morphismusj ′ !Z/m → j ! Z/m .Hieraus folgt nun leicht (a): Die Behauptung über Quotienten folgt sofort mit dem Kriterium(c) (iii); damit ist aber eine Untergarbe F ′ einer konstruierbaren Garbe konstruierbar alsKern des Morphismus von konstruierbaren Garben F ↠ F/F ′ .(b): Es genügt, die entsprechende Aussage für lokal konstante Garben zu zeigen. Sei0 → F ′ → F → F ′′ → 0eine exakte Sequenz von Garben. Haben F ′ und F ′′ endliche Halme, so gilt dies offenbar auchfür F. Seien F ′ und F ′′ lokal konstant. Sind x und y geometrische Punkte von Z, und ist20


φ : O Z,x → O Z,y ein Spezialisierungsmorphismus, so haben wir ein kommutatives Diagrammmit exakten Zeilen0 F x′ F x F x′′ 00 F ′ yφ ∗φ ∗ F y F ′′ySind die vertikalen Spezialisierungsabbildungen φ ∗ Isomorphismen für F ′ und F ′′ , so auchfür F, nach dem Fünferlemma. Die Behauptung folgt also mit Lemma 2.6.(c): Es genügt wie<strong>der</strong>, dies für lokal konstante und dann für konstante Garben zu zeigen, wodie Behauptung offensichtlich folgt.φ ∗ 0 .21


3 Konstruierbare Z l -GarbenDefinition 3.1 (siehe SGA 5 VI) (a) Eine Z l -Garbe F auf einem Schema Z ist ein projektivesSystem. . . → F n+1 → F n → . . . → F 1von Garben auf Z, so dass gilt(i) F n wird von l n annuliert, ist also eine Z/l n -Garbe,∼(ii) F n+1 /l n F n+1 −→ F n ist ein Isomorphismus. Wir schreiben im Folgenden nur F = (F n ).(b) Morphismen von Z l -Garben sind Morphismen von projektiven Systemen, also kommutativeDiagramme. . . F n+1 F n . . . F 1(Es folgt wegen (a) (ii):. . . G n+1 G n . . . G 1Hom((F n ), (G n )) = lim ←−nHom(F n , G n ) ,wobei die Übergangsabbildungen durchgegeben sind).Hom(F n+1 , G n+1 ) −→ Hom(F n+1 , G n ) ∼−→(ii)Hom(F n , G n )(c) Q l -Garben sind als Objekte dasselbe wie Z l -Garben, nur sind die Morphismenmengenmit Q l tensoriert.(d) (naive Definition) Die Kohomologie einer Z l -Garbe F = (F n ) ist definiert alsH i (Z, F) = lim ←−H i (X, F n ) .nDer Halm in einem geometrischen Punkt x von Z wird definiert alsF x = lim(F n ) x .Für Q l -Garben tensoriert man diese Gruppen mit Q l .←−n(e) Eine Z l - o<strong>der</strong> Q l -Garbe F heißt getwistet konstant, wenn die Komponenten F n lokalkonstante Garben sind. F heißt konstruierbar, wenn die Komponenten konstruierbar sind.Konstruierbare getwistet konstante Garben heißen auch glatt.(f) Das Tensorprodukt zweier Z l - (o<strong>der</strong> Q l -)Garben F und G wird definiert durch F ⊗ G =(F n ⊗G n ), mit dem Tensorprodukt <strong>der</strong> Übergangsabbildungen. Das Dual wird definiert durchF ∨ = (Fn ∨ ), mit dem Z/l n -Dual Fn∨ = Hom(F n , Z/l n ). Hierbei ist Hom das Garben-Hom,und die Übergangsabbildungen sind analog wie in (b) gebildet.(g) Eine Sequenz0 → F ′ → F → F ′′ → 022


von Z l -Garben (bzw. Q l -Garben) heißt exakt, wenn für alle geometrischen Punkte x von Zdie assoziierte Sequenz <strong>der</strong> Halme exakt ist.Beispiel 3.2 Für l invertierbar auf Z und m ∈ Z setze Z l := (Z/l n (m)) mit den offensichtlichenÜbergangsabbildungen, wobeiZ/l n (m) ={ µ⊗ml n m ≥ 0,(µ ⊗|m|l n ) ∨ m < 0.Dann ist Z l = Z l (0) konstant und die Z l (m) sind glatte Z l -Garben für alle m ∈ Z nachBeispiel 2.9 (a). Offenbar gelten die Regeln Z l (m) ∨ = Z l (−m) und Z l (m) ⊗ Z l (n) = Z l (m +n).Proposition 3.3 Sei Z lokal noethersch.(a) Eine Z l -Garbe F auf Z ist genau dann konstruierbar, wenn F 1 konstruierbar ist.(b) Eine Z l -Garbe F auf Z ist konstruierbar genau dann, wenn es für jedes abgeschlosseneUnterschema Y ⊂ Z ein offenes nicht-leeres Unterschema U ⊂ Y gibt <strong>der</strong>art, dass F | U glattist.(c) Ist Z noethersch und zusammenhängend und x → X ein geometrischer Punkt, so gibtes eine Kategorienäquivalenz()endlich erzeugte Z(glatte Z l -Garben auf Z) ↔l -Modulnmit stetiger Operation von π 1 (Z, x)F ↦→ F x .Dasselbe gilt, wenn Z l durch Q l ersetzt wird.<strong>Beweis</strong> (a): Die Aussage ist lokal, es sei also ohne Einschränkung Z noethersch. Sei F 1konstruierbar. Wir zeigen durch Induktion über n, dass alle F n konstruierbar sind. Ist diesfür n bereits bewiesen, so betrachte die exakten Sequenzen(3.3.1) 0 → l n F n+1 → F n+1 → F n+1 /l n F n+1∼ = Fn → 0(3.3.2) F 1∼ = Fn+1 /l F n+1l n−→ l n F n+1 → 0 ,wobei <strong>der</strong> erste Isomorphismus in (3.3.2) durch Iteration aus 3.1 (ii) folgt:F n+1 /lF n+1 ∼ → F n /lF n ∼ → . . . ∼ → F 2 /lF 2 ∼ → F 1 .Es folgt dann aus Lemma 2.10, dass l n F n+1 und F n+1 konstruierbar sind.(b): Für eine Z l -Garbe F auf Z seifür r ∈ N (wobei F 0 := 0). Dann istgr r F := Ker(F r −→ F r−1 ) = l r−1 F rgrF := ⊕ gr r Fr≥123


ein graduierter F l [T ]-Modul wie folgt: erkläreals Komposition <strong>der</strong> MorphismenT s :gr r F −→ gr r+s Fl r−1 F r∼ = l r−1 (F r+s /l r F r+s ) −→ ·lsl r+s−1 F r+s ,und setze die Operation F l -linear fort. (Erklärung: käme F wirklich von einem Objekt mitZ l -Operation, so wäre F r = F/l r F, und die obige die übliche Operation von gr Z p =⊕ l r Z p /l r+1 Z p∼ = Fl [T ] auf gr F = ⊕ l r F/l r+1 F). Die im <strong>Beweis</strong> von (a) konstruiertenr≥0r≥0Surjektionen F 1 −→ gr p F definieren eine Surjektion von graduierten F l [T ]-Garbenφ : F l [T ] ⊗ F 1 ↠ gr F .Nun benötigen wir das bekannteHilbert-Lemma 3.4 Ist F 1 eine noethersche Garbe, so ist F l [T ] ⊗ F 1 noethersch als graduierteF l [T ]-Garbe (dies gilt allgemeiner für ein Objekt in einer abelschen Kategorie).Der <strong>Beweis</strong> dieser Aussage folgt leicht durch Betrachtung einer Doppelfiltrierung in F 1 , vgl.SGA 5 V 5.1.4.Wie im <strong>Beweis</strong> von Lemma 2.10 (c) erhält man eine Surjektion von graduierten F l [T ]-GarbenF l [T ] ⊗ G ↠ Ker φ ,mit einer konstruierbaren, graduierten Garbe G auf Z. Damit ist grF <strong>der</strong> Kokern vonF l [T ] ⊗ G −→ F q [T ] ⊗ F 1 .Da F 1 und G konstruierbar sind, folgt nun, dass grF konstruierbar ist in dem Sinne, dass esfür jedes abgeschlossene Y in Z ein offenes U in Y gibt <strong>der</strong>art, dass grF eingeschränkt aufU lokal konstant ist, d.h., dies gilt für alle gr p F. Da lokal konstante Garben abgeschlossengegenüber Erweiterungen sind (siehe den <strong>Beweis</strong> von Lemma 2.10 (b)), folgt die Behauptung:auf U sind alle F n lokal konstant.Die Aussage (c) von Proposition 3.3 ist klar; man beachte, dass man die folgende Kategorienäquivalenzhat.⎛⎞ ⎛⎞⎝endlich erzeugteZ l -Moduln mitstetiger Operation von π 1 (Z, x)⎠↔⎝l-adische projektiveSysteme von endlichendiskreten π 1 (Z, x)-ModulnM ↦→ (M/l n M)lim (M n) ← (M n ) .←−,nEin l-adisches projektives System in einer abelschen Kategorie ist dabei ein projektivesSystem· · · → A n+1 → A n → · · · → A 1mit (i) l n A n = 0 und (ii) A n+1 /l n A ∼n+1 −→ A n . Schließlich erhält man aus <strong>der</strong> linksstehendenKategorie die Kategorie <strong>der</strong> Q l -Darstellungen von π 1 (Z, x), d.h., <strong>der</strong> endlich-dimensionalenQ l -Vektorräume, wenn man die Homomorphismenmengen über Z l mit Q l tensoriert.24⎠


4 Kohomologie mit kompakten TrägerWir notieren weitere Definitionen und Eigenschaften <strong>der</strong> étalen Kohomologie, die zum Verständnis<strong>der</strong> Lefschetz-Formel KOH 8/Theorem 1.6 benötigt werden.KOH 9 Kohomologie mit kompaktem Träger: Sei X separiert von endlichem Typ übereinem Körper k. Nach Nagata gibt es eine offene Immersion µ : X ↩→ X 1 in ein eigentlichesk-Schema X 1 , und für eine Torsionsgarbe F auf X definiert man die Kohomologie mitkompaktem Träger durchHc(X, i F) := H i (X 1 , µ ! F) ,wobei µ ! F die Fortsetzung durch null von F auf X 1 ist: µ ! F ist assoziiert zur Prägarbe µ P ! F:{ F(V ) V →µ P X1 faktorisiert über X,! F(V ) =0 sonst .Lemma 4.1 (a) H i c(X, F) hängt nicht von <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> “Kompaktifizierung” µ : X ↩→ X 1ab.(b) F ↦→ H i c(X, F) ist ein exakter δ-Funktor.(c) Ist i : Z ↩→ X abgeschlossen mit offenem Komplement j : U ↩→ X, so hat man eine langeexakte Sequenz. . . → H i−1c (Z, F) → H i c(U, F) → H i c(X, F) → H i c(Z, F) → H i+1c (U, F) → . . . ,wobei die Einschränkungen i ∗ F, i ∗ F wie<strong>der</strong> mit F bezeichnet sind.Zum <strong>Beweis</strong> von (a) benötigt manKOH 10 Eigentlicher Basiswechsel: Sei f : X → Y eigentlich.(a) Ist F konstruierbar auf X, so ist R i f ∗ F konstruierbar für alle i ≥ 0.(b) Für ein kartesisches DiagrammX ′ g ′ Xf ′ Y ′g Yfund eine Torsionsgarbe F auf X ist <strong>der</strong> Basiswechselmorphismusein Isomorphismus für alle i ≥ 0.g ∗ R i f ∗ F −→ R i f ′ ∗g ′∗ FBemerkungen 4.2 (a) Der schwierige Teil ist (a); Teil (b) folgt leicht daraus, vgl. [Mi] VI§2.25


(b) Für i = 0 wird <strong>der</strong> Basiswechselmorphismus wie folgt definiert: da g ∗ linksadjungiert zug ∗ ist, genügt es, einen Morphismusf ∗ F −→ g ∗ f ′ ∗g ′∗ F = f ∗ g ′ ∗g ′∗ Fanzugeben; dieser ist das Bild unter f ∗ des AdjunktionsmorphismusF −→ g ′ ∗g ′∗ F .Für i ≥ 0 erhält man den Morphismus durch Betrachtung injektiver Auflösungen.(c) Sei X ein quasi-kompaktes Schema, k ein Körper mit separablem Abschluß k s und f :X → Spec(k) ein Morphismus. Ist F eine Garbe auf X und bezeichnet x den geometrischenPunkt Spec(k s ) → Spec(k), so hat man eine kanonische Isomorphie(R i f ∗ F) x∼ = H i (X × k k s , x ∗ F) ,wobei x auch für den Basiswechsel X × k k s → X von x steht. Da nämlich R i f ∗ F dieassoziierte Garbe zur Prägarbe (g : U → Spec(k)) ↦−→ H i (X × k U, g ∗ F) ist, und diesedieselben Halme hat, folgt die Behauptung aus <strong>der</strong> Verträglichkeit von Kohomologie mitLimiten (vergl. [Mi]III 1.16), nämlich aus <strong>der</strong> Gleichheitlim −→H i (X × k K, h ∗ KF) = H i (X × k k s , x ∗ F) ,Kwobei h K : Spec(K) → Spec(k) die zusammenhängenden étalen Umgebungen von x durchläuft,also die endlichen separablen Erweiterungen K von k in k s .Insbeson<strong>der</strong>e folgt aus KOH 10 (a), dass für eigentliches f und konstruierbares F auf X dieGruppe H i (X × k k s , x ∗ F) endlich ist. Als Spezialfall (k = k s , F = Z/l n ) folgt KOH 5.(d) Ist f : X → Y eigentlich, y → Y ein geometrischer Punkt undπX ′ y Xf ′ yπ Yfein kartesisches Diagramm, so folgt aus (c) und KOH 10 (b), dass es für Torsionsgarben Fauf X kanonische Isomorphismen(R i f ∗ F) y∼ = H i (X y , (π ′ ) ∗ F)gibt, da die linke Seite gleich (π ∗ R i f ∗ F) y ist, und die rechte Seite gleich (R i f ′ ∗π ′∗ F) y .<strong>Beweis</strong> von 4.1: Wir beweisen hier nur (a); (b) und (c) folgen leicht aus <strong>der</strong> Exaktheit vonµ ! , siehe [Mi] III 1.29.Sei ν : X ↩→ X 2 eine zweite Kompaktifizierung von X. Durch Betrachtung des Abschlussesvon X in X 1 × X 2 kann man ohne Einschränkung annehmen, dass es einen Morphismusg : X 1 → X 2 gibt mit gµ = ν. Die Behauptung folgt dann aus <strong>der</strong> Leray-Spektralsequenzfür µ ! F,E p,q2 = H p (X 2 , g ∗ µ ! F) ⇒ H p+q (X 1 , µ ! F) ,26


wenn man zeigtR q g ∗ µ ! F ={ν! F q = 0,0 q > 0Es reicht, dies auf den Halmen in einem geometrischen Punkt x von X 2 zu zeigen (fürq = 0 beachte, dass g ∗ µ ! F und ν ! F Untergarben von g ∗ µ ∗ F = ν ∗ F sind). Nach eigentlichemBasiswechsel (siehe 4.2 (d)) gilt aber{(R q g ∗ µ ! F) x = H q Fx q = 0 und x ∈ X ,(X 1,x , µ ! F|X 1,x ) =0 sonst ,da µ ! F|X 1,x = 0, falls das Bild x von x in X 2 nicht in X liegt, und da X 1,x nur aus demPunkt x besteht, falls x in X liegt.Alles Gesagte überträgt sich auf Z l - und Q l -Garben. Insbeson<strong>der</strong>e ist für ein eigentlichesSchema X 1 von endlichem Typ über einem separabel abgeschlossenen Körper L und einekonstruierbare Z l -(bzw. Q l -)Garbe F auf X die Kohomologie H q (X 1 , F) ein endlicherzeugter Z l -(bzw. Q l -)Modul. Ist j : X ↩→ X 1 eine offene Immension und F eine (konstruierbare)Z l -(bzw. Q l )-Garbe auf X, so gilt dies auch für j ! F auf X 1 . Es folgt, dassHc q (X, F) = H q (X 1 , j ! F) ein endlich erzeugter Z l -(bzw. Q l -)Modul ist..27


5 Der Frobenius-EndomorphismusUm auch noch die letzten Bezeichnungen in 1.6 zu erklären, betrachten wir die folgendeFunktorialität.Für jeden Morphismus f : X ′ → X von Schemata hat man einen Homomorphismus(5.1.1) H i (X, F) −→ H i (X, f ∗ F) ,definiert durch die KompositionH i (X, F)α−→ H i (X, f ∗ f ∗ βF) −→ H i (X ′ , f ∗ F) ,wobei α vom Adjunktionsmorphismus F → f ∗ f ∗ F induziert wird und β <strong>der</strong> Kantenmorphismusfür die Leray-Spektralsequenzfür G = f ∗ F. Alternativ wirdE p,q2 = H p (X, R q f ∗ G) ⇒ H p+q (X ′ , G) ,β : H 0 (X, f ∗ G) = H 0 (X ′ × X X, G) ∼ → H 0 (X ′ , G)durch die kanonische Identifizierung X ′ × X X = X ′ definiert und mittels injektiver Auflösungenvon G und f ∗ G auf die höheren Kohomologiegruppen fortgesetzt.Mittels des kommutativen Diagramms(5.1.2) X ′ id❍❍ ❍❍❍❍❍❍❍ gfX ′ × X XX ′pr 1fX Xidkann X ′ × X X mittels <strong>der</strong> zueinan<strong>der</strong> inversen Morphismen pr 1 und g mit X ′ identifiziertwerden.Nun betrachten wir den Fall, dass X ein Schema über F q ist, F eine (gewöhnliche o<strong>der</strong> Z l -o<strong>der</strong> Q l -) Garbe auf X, und dass f = F : X → X <strong>der</strong> q-Frobenius ist.Lemma 5.1 Es gibt einen kanonischen IsomorphismusF ∗ /X : F∼−→ F ∗ F .<strong>Beweis</strong>: Sei U étale über X, dann induziert das kommutative DiagrammU F UX F X28


einen Morphismus von X-SchemataF U/X : U −→ X F × X U .Da U → X und damit X F × X U → X étale sind, ist F U/X étale ([MI] I 3.6), und da F ganzund radiziell ist, sieht man leicht, dass F U/X ein Isomorphismus ist (vergl. SGA 5 XV). Wirerhalten einen IsomorphismusF ∗ U/X : (F ∗ F)(U) = F(X F × X U)∼−→ F(U) ,<strong>der</strong> funktoriell in U ist, und daher den gewünschten Isomorphismus.Durch Adjunktion liefert (F ∗ /X )−1 einen MorphismusF ∗ : F ∗ F −→ F .Lemma 5.2 Der induzierte Homomorphismus in <strong>der</strong> Kohomologieist die Identität.H i (X, F) −→ H i (X, F ∗ F) F ∗−→ H i (X, F)<strong>Beweis</strong> Für i = 0 erhalten wir dies wie folgt. SeienAd : F → F ∗ F ∗ F und ad : F ∗ F ∗ F → Fdie Adjunktionsmorphismen. Per Definition ist dann F ∗ durch die KompositionF ∗ F F ∗ ((F ∗ /x) −1 ) F ∗ F : ∗F ad Fgegeben. Die Behauptung folgt nun aus dem kommutativen DiagrammH 0 (X, F)Ad(F ∗ /x )−1 (1)H 0 (X, F ∗ F ∗ F)βF ∗ F ∗ (F ∗ /x )−1 (2)∼ H 0 (X, F ∗ F)F ∗ (F ∗ /x )−1H 0 (X, F ∗ F) AdF ∗ ❘❘❘❘❘❘❘❘❘❘❘❘❘ H(3)0 (X, F ∗ F ∗ F ∗ F) ∼ H 0 (X, F ∗ F ∗ F)F ∗ ad (4)adH 0 (X, F ∗ F) H 0 (X, F) .Hier sind (1) und (4) kommutativ, da Ad und ad natürliche Transformationen sind, (3)ist kommutativ nach Definition <strong>der</strong> Adjunktionsmorphismen, und (2) ist kommutativ, da βfunktoriell ist. Schließlich sind (F ∗ /X )−1 und β zueinan<strong>der</strong> invers wie in (5.1.2) bemerkt.Für i > 0 folgt die Behauptung aus <strong>der</strong> Betrachtung injektiver Auflösungen, da die funktorielleIsomorphie F ∼ = F ∗ F auch zeigt, dass F ∗ exakt ist.Sei nun X = X × Fq F q und π : X → X die Projektion. Dann haben wir ein kommutativesDiagrammX F ×id XππX F X29ββ∼


und einen induzierten Homomorphismus(F × id) ∗ π ∗ F = π ∗ F ∗ F π∗ (F ∗ )−→ π ∗ F .Es ergibt sich ein Homomorphismus in <strong>der</strong> Kohomologie durch KompositionF = F ∗ : H i (X, π ∗ F) → H i (X, (F × id) ∗ π ∗ F) → H i (X, π ∗ F) .Bemerkung 5.3 Dies überträgt sich auf die Kohomologie mit kompaktem Träger für einsepariertes F q -Schema von endlichem Typ, da F endlich ist und damit eine AbbildungH i c(X, π ∗ F) −→ H i c(X, (F × id) ∗ π ∗ F)induziert: für eine Kompaktifizierung µ : X ↩→ X 1 gilt µ ! F ∗ = F ∗ µ ! . Dies liefert denFrobenius-Endomorphismus in 1.6.Sei an<strong>der</strong>erseits σ : Spec F q → Spec F q <strong>der</strong> q-Frobenius (also <strong>der</strong> arithmetische Frobenius).Dann haben wir das DiagrammX ❅❅❅❅❅❅❅πid×σπ7 7777777Xund daher eine Gleichheit (id × σ) ∗ π ∗ F = π ∗ F. Damit ergibt sich eine induzierte Abbildungσ : H i (X, π ∗ F) −→ H i (X, (id × σ) ∗ F) = H i (X, F) ,die eine Operation <strong>der</strong> Galoisgruppe liefert.Offenbar ist F r × σ = (F r × id)◦(id × σ) = (id × σ)◦(F r × id) <strong>der</strong> q-Frobenius von X. AusLemma 5.2 folgt also:Satz 5.4 Es gilt F = σ −1 .Hieraus folgt insbeson<strong>der</strong>e KOH 6.Schließlich erklären wir die Frobenius-Operation auf den Halmen. Zunächst gibt es kanonischeBijektionen(5.5.1) X 0 ∼−→ X(F q ) = Hom Fq(Spec F q , X) ∼−→ Hom Fq (Spec F q , X) = X(F q ) ,(wobei X 0 die Menge <strong>der</strong> abgeschlossenen Punkte von X bezeichnet), die wie folgt definiertsind: Ist x ∈ X 0 , so ist die Kompositionp x : Spec k(x) i x−→XXp−→ Spec(F q )notwendigerweise ein Isomorphismus, und wir ordnen x den Morphismus ϱ x = i x p −1x zu.Die zweite Abbildung in (5.5.1) ist die Hinterschaltung <strong>der</strong> Projektion π : X → X. Das30


kommutative DiagrammSpec(k(x))X ● ●●●●●●●●F ×idSpec(F q )Spec(k((F × id)x))✇ ✇✇✇✇✇✇✇✇✇Xzeigt, dass dabei die Operation von F × id auf X <strong>der</strong> Operation von F × id auf X(F q )(Operation durch Hinterschalten) entspricht. Diese wie<strong>der</strong>um entspricht unter <strong>der</strong> zweitenBijektion <strong>der</strong> Frobeniusoperation auf X(F q ), die wegen des kommutativen DiagrammsSpec F qFSpec F qffX XFfür jeden Morphismus f wahlweise durch Vor- o<strong>der</strong> Hinterschaltung definiert werden kann.Insbeson<strong>der</strong>e erhalten wir durch Betrachtung <strong>der</strong> Potenzen von F :Lemma 5.5 Es gibt eine Bijektion <strong>der</strong> FixmodulnX (F n ×id)∼−→ X(F q n) .Sei nun F eine Garbe auf X. Der MorphismusF ∗ : F ∗ F −→ Finduziert für jedes x ∈ X 0 , aufgefaßt als geometrischer Punkt von X, einen Homomorphismus<strong>der</strong> HalmeF x = F ∗ x : F F x∼ = (F ∗ F) x −→ F x .Für ein n ∈ N mit x ∈ X (F n ×id)= X(F q ) F n erhält man also durch Iteration einen EndomorphismusF n x : F x = F F n x −→ F x .Ist x das Bild von x in X, so kann man n = deg(x) = [k(x) : F q ] wählen und setztF x = F deg(x)x : F x −→ F x .Das Paar (F x , F x ) hängt bis auf Isomorphie nicht von <strong>der</strong> Wahl von (einem <strong>der</strong> deg(x) vielen)x über x ab, und daher ist <strong>der</strong> Ausdruckdet(1 − F x T | F x )wohldefiniert, d.h., hängt nur von x ab; insbeson<strong>der</strong>e gilt dies fürtr(F x | F x ) .31


Bemerkungen 5.6 (a) Die Operation auf den Halmen kann auch mittels F × id auf X =X × Fq F q erklärt werden. F x identifiziert sich nämlich auch mit dem HomomorphismusF x = (F × id) ∗ x : (π ∗ F) (F ×id)x = ((F × id) ∗ π ∗ F) x −→ (π ∗ F) x ,<strong>der</strong> vom Homomorphismus (F × id) ∗ : (F × id) ∗ π ∗ F −→ π ∗ F im geometrischen Punkt x vonX induziert wird (vermöge <strong>der</strong> kanonischen Isomorphie (π ∗ F) x = F x , wobei x links ρ x undrechts π x := πρ x bezeichnet). Dies führt alles auf Objekte (Garben, Endomorphismen etc.)zurück, die für X/F q erklärt sind.(b) An<strong>der</strong>erseits kann in <strong>der</strong> obigen Situation, wo alles von X/F q herkommt, die Operationauf den Halmen auch Galois-theoretisch erklärt werden. Dazu beachte man, dass auf demHalm F x im geometrischen Punkt x von X immer die Galoisgruppe Gal(F q /k(x)) operiert(x das Bild von x in X). Ist φ x : a ↦→ a q·deg(x) <strong>der</strong> arithmetische Frobenius von F q über k(x),so istF x = φ −1x auf F x .Um dies einzusehen, beachte man, dass man dies nur für deg(x) = 1 zeigen muß (nach Basiswechselzu k(x) = F q deg(x)), da F deg(x) <strong>der</strong> q deg(x) -Frobenius ist. Dann identifiziert sich F x mitdem Galoismodul H 0 (F q , π ∗ xF) = H 0 (Spec(k(x)) × FqF q , π ∗ (i ∗ xF)) (wobei i x : Spec(k(x)) →X, π : Spec(k(x)) × Fq F q → Spec(k(x)) die kanonischen Morphismen sind), und die Behauptungfolgt aus Satz 5.4 für X = Spec(k(x)) und die Garbe i ∗ xF hierauf.32


6 <strong>Delignes</strong> Satz: Formulierung und erste ReduktionenZusammen mit Grothendiecks Formel erhält man die <strong>Weil</strong>-<strong>Vermutung</strong>en I - III offenbar ausdem folgenden Resultat.Satz 6.1 (Deligne) Sei X eine glatte projektive Varietät über F q . Für jedes i ≥ 0 hat dascharakteristische Polynomdet(1 − F T | H i (X, Q l )) (l ≠ p)ganze Koeffizienten, die unabhängig vom l sind. Istdet(1 − F T | H i (X, Q l )) = ∏ α(1 − αT ) mit α ∈ Q ⊂ C ;so gilt| α |= q i 2 für alle α .Man beachte: die α sind gerade die Eigenwerte von F auf H i (X, Q l ).Reduktion 1 Es genügt zu zeigen:W(X,i): Für jedes i ≥ 0 und jedes l ≠ p sind die Eigenwerte von F auf H i (X, Q l ) algebraischeZahlen, <strong>der</strong>en komplexe Konjugierte α alle den Betraghaben.| α |= q i 2<strong>Beweis</strong> Sei l fest, P i (T ) = det(1 − F T | H i (X, Q l )) und M i die Menge <strong>der</strong> Nullstellen vonP i (T ). Setze∏P (T ) = P i (T ) ,i ungerade∏Q(T ) = P i (T ) ,so dassi geradeZ(X, T ) = P (T )Q(T ) .Sei K ein galoisscher Zahlkörper, <strong>der</strong> alle Nullstellen enthält. Dann kann die letzte Gleichungals Gleichung in K[[T ]] aufgefaßt werden, und die Galoisgruppe Gal(K/Q) operiert aufdiesem Ring, indem sie auf den Koeffizienten <strong>der</strong> Potenzreihen operiert. Für σ ∈ Gal(K/Q)ist σZ(X, T ) = Z(X, T ), da Z(X, T ) ∈ Z[[T ]]. An<strong>der</strong>erseits ist nach W (X, i) für alle i dasPolynom σP i (T ) prim zu P j (T ) für j ≠ i, da σ(M i ) disjunkt ist zu M j für i ≠ j. Da alleP i (T ) konstanten Koeffizienten 1 haben, ist σP i (T ) = P i (T ), also P i (T ) ∈ Q[T ], da dies füralle σ gilt. Das folgende Lemma zeigt, dass P und Q sogar aus Z[T ] sind.Lemma 6.2 Seien P, Q ∈ Q[T ] prim zueinan<strong>der</strong> mit konstanten Koeffizienten 1 und P/Q =Z ∈ Z[[T ]]. Dann sind P, Q ∈ Z[T ].33


<strong>Beweis</strong> Sei p eine Primzahl und λ ∈ Q p eine Nullstelle von Q(T ). Wir behaupten, dass λ −1p-ganz ist. Ist dies nicht <strong>der</strong> Fall, so ist λ p-ganz, also | λ | p < 1 für die auf | p | p = 1 p normiertep-adische Bewertung von Q p . Da Z ganze Koeffizienten hat, konvergiert Z(x) für alle x ∈ Q pmit | x | p < 1, und wir erhaltenP (λ) = Q(λ) · Z(λ) = 0 ,im Wi<strong>der</strong>spruch zur Annahme, dass P und Q prim sind. Da dies für alle p gilt, sind also dieInversen <strong>der</strong> Nullstellen von Q(T ) ganz. <strong>Weil</strong> Q konstanten Koeffizienten 1 hat, folgt, dassdie rationalen Koeffizienten ganz sind. Damit ist auch P (T ) = Q(T ) · Z(T ) ∈ Z[T ].Wir schließen nun weiter, dass auch die P i (T ) ganze Koeffizienten haben, da sie konstantenKoeffizienten 1 haben und ihre reziproken Nullstellen ganz sind als reziproke Nullstellenvon P o<strong>der</strong> Q (man kann auch das Lemma von Gauss benutzen). Die Unabhängigkeit <strong>der</strong>Koeffizienten von l folgt so: Die reziproken Nullstellen von P i (T ) sind diejenigen reziprokenNullstellen von P (T ) o<strong>der</strong> Q(T ), <strong>der</strong>en komplexe Konjugierte alle den Betrag q i 2 haben. Dadie Nullstellen von P (T ) und Q(T ) durch Z(X, T ) bestimmt sind, ist diese Beschreibungunabhängig von l.Bemerkung 6.3 (a) Der obige <strong>Beweis</strong> ist [Fr-K] entnommen (dort Seite 258). Er liefertunabhängig die Rationalität von Z(X, T ), ohne die Hankel-Determinanten zu benutzen, wiedas bei Deligne ([D1] Seite 276) geschieht. Lemma 6.2 scheint das Lemma von Fatou zu sein,dass bei Deligne zitiert wird.(b) Deligne hat allgemeiner bewiesen ([D2]3.3.4), dass für ein separiertes Schema X vonendlichem Typ über F q die Frobenius-Eigenwerte auf H i c(X, Q l ) für jedes i ≥ 0 und l ≠p = char(F q ) algebraische Zahlen sind. Es ist aber bis jetzt nicht bekannt, ob diese Zahlenunabhängig von l (≠ p) sind; man weiß nicht einmal, ob dim Ql H i c(X, Q l ) unabhängig von list.Reduktion 2 Es reicht, W (X, i) nach Übergang zu einer endlichen Erweiterung F q n vonF q zu zeigen. Genauer gilt: W (X, i) ⇔ W (X × Fq F q n, i), da bei Basiswechsel zu F q n dieEigenwerte α zu α n werden und q zu q n .Reduktion 3 Es reicht, geometrisch irreduzible X über beliebigem F q zu betrachten. Diesfolgt aus Reduktion 2 und <strong>der</strong> folgenden offensichtlichen Tatsache: Ist X = ⨿X j , so gilt:W (X, i) ⇔ W (X j , i) für alle j.Sei also im folgenden X geometrisch irreduzibel, von <strong>der</strong> Dimension d.Reduktion 4 Es reicht, W (X, i) für i ≤ d zu zeigen. Wegen Poincaré-Dualität ist nämlichW (X, i) ⇔ W (X, d − i) : sind {α} die Eigenwerte von F auf H i (X, Q l ), so sind {q d α −1 } dieEigenwerte auf H 2d−i (X, Q l ).Reduktion 5 Es reicht, W (X, d) zu zeigen (für alle X wie oben). Es gilt nämlichKOH 11 Schwacher Lefschetz: Ist X glatt projektiv <strong>der</strong> Dimension d und Y ⊆ X ein glatterHyperebenenschnitt, so ist die RestriktionsabbildungH i (X, Q l ) −→ H i (Y , Q l )34


ijektiv für 0 ≤ i ≤ d − 2 und injektiv für i = d − 1.Die Reduktion erfolgt dann durch Induktion über die Dimension von X: Weiß man in <strong>der</strong>Situation von KOH 11 schon W (Y, i) für alle i ≤ dim(Y ) = d − 1, so gilt wegen <strong>der</strong> Injektionauch W (X, i) für alle i ≤ d − 1. Man beachte dazu: es gibt nach Bertini immer einen glattenHyperebenenschnitt von X, <strong>der</strong> über einer endlichen Erweiterung von F q definiert ist.Bevor wir mit den Reduktionen fortfahren, zeigen wir noch, wie man KOH 11 aus denfolgenden fundamentalen Eigenschaften <strong>der</strong> étalen Kohomologie ableitet.KOH 12 Schwacher Lefschetz (2. Version): Ist X affin und von endlichem Typ über einemseparabel abgeschlossenen Körper L, so gilt für die kohomologische Dimension cd(X) von Xcd(X) = dim(X) ,d.h., für alle étalen Torsionsgarben F auf X ist H i (X, F) = 0 für i > dim(X) (siehe etwa[Mi] VI 7.2).KOH 13 Poincaré-Dualität (2. Version): Sei X ein glattes, separiertes Schema <strong>der</strong> reinenDimension d über einem Körper k mit separablem Abschluß k s , und sei l prim zur Charakteristikvon k.(a) Es gibt kanonische, Galois-äquivalente Homomorphismen (wobei X = X × k k s )tr : H 2dc (X, Z/l n )(d) −→ Z/l n ,die verträglich mit den Projektionen Z/l n+1 −→ Z/l n sind.(b) Ist F eine konstruierbare lokal-konstante Z/l n -Garbe auf X, so ist die Komposition vonCupprodukt und trH i c(X, F) × H 2d−i (X, F ∨ )(d) −→ H 2d (X, Z/l n )(d)tr−→ Z/l neine perfekte Dualität (die Kohomologiegruppen sind endlich nach 2.9 (c)). (Siehe etwa [Mi]VI 11.2).Lemma 6.4 KOH 11 folgt aus KOH 12 und KOH 13.<strong>Beweis</strong> Ist X glatt, projektiv, geometrisch irreduzibel über einem Körper k und ist Y ⊆ Xein glatter Hyperebenenschnitt, so ist das Komplement U = X−Y affin (für eine HyperebeneH ⊆ P N ist P N − H ∼ = A N affin, und eine abgeschlossene Immersion X ↩→ P N ist affin).Nach KOH 12 und KOH 13 gilt dannH i c(U, F) = 0 für i < d = dim Xfür jede lokal-konstante Z/l n -Garbe F mit endlichen Halmen auf U (l ≠ char(k) und U =U × k k s wie oben). Für eine solche Garbe F auf X ist also die RestriktionsabbildungH i (X, F) −→ H i (Y , F)bijektiv für i < d−1 und injektiv für i = d−1, nach <strong>der</strong> langen exakten Kohomologiesequenzin 2.8 (c) (beachte, dass H i = H i c für X und Y ). Die Behauptung folgt nun aus dieser Aussagefür F = Z/l n durch Übergang zum Limes.35


Reduktion 6 (“Rankin-Trick”) Es reicht, die folgende Aussage zu zeigen: Für jedes qexistiert ein N ≥ 0 so, dass für alle geometrisch irreduziblen glatten projektiven Varietäten<strong>der</strong> Dimension d über F q gilt:W(X, d; N): Die Eigenwerte von F auf H d (X, Q l ) sind algebraische Zahlen, <strong>der</strong>en komplexeKonjugierte α alle den Betrag| α |≤ q d 2 + N 2haben.Weiter kann man sich auf Dimensionen d beschränken, die von einer festen natürlichen ZahlM geteilt werden.<strong>Beweis</strong> Für jedes k ∈ N ist nach <strong>der</strong> Künneth-Formel α k Eigenwert von F auf H kd (X k , Q l ).Nach W (X k , kd; N) gilt dann| α k |≤ q dk 2 + N 2 ,alsoDa dies für alle k gilt, muss gelten| α |≤ q d 2 + N 2k .| α |≤ q d 2 .Nach Poincaré-Dualität ist q d α −1 auch Eigenwert, also auch | q d α −1 |≤ q d 2 , d.h.,| α |≥ q d 2 ,womit Gleichheit und damit W (X, d) gilt. Schließlich können wir uns auf solche k beschränken,die von M geteilt werden.Bemerkung 6.5 Der Trick, höhere Potenzen zu betrachten, sei es von X o<strong>der</strong> von Garbenauf X, taucht an verschiedenen Stellen in <strong>Delignes</strong> <strong>Beweis</strong> auf. Deligne schreibt ([D 1] S.283), dass er von Rankins Arbeit [Ran] inspiriert wurde, in <strong>der</strong> dieser seine Abschätzungfür die Ramanujan-Funktion erhält (vergl. §0 Anwendung 1!), indem er statt ∑ τ(n)n −s dieDirichlet-Reihe∑τ(n) 2 n −sbetrachtet.Reduktion 7 In den obigen Aussagen kann man die Bedingung “die Eigenwerte des Frobeniussind algebraische Zahlen, <strong>der</strong>en komplexe Konjugierte α den Betrag | α |≤ r ∈ Rhaben”, jeweils ersetzen durch die Bedingung “die Eigenwerte α ∈ Q l des Frobenius habendie Eigenschaft, dass | ια |≤ r für jede Einbettung ι : Q l ↩→ C”. Aus <strong>der</strong> letzteren Eigenschaftfolgt nämlich automatisch, dass α algebraisch ist: ist α transzendent über Q, so gibt esfür jede transzendente Zahl β ∈ C eine Einbettung: ι : Q l ↩→ C mit ι(α) = β ; denn offenbargibt es eine solche Einbettung für Q(α), und diese läßt sich auf Q l fortsetzen. Damit kannaber | ια | groß werden.Bemerkung 6.6 Für die Fortsetzung <strong>der</strong> Einbettung Q(α) ↩→ C auf Q l benötigt man dasAuswahlaxiom. Will man dieses hier nicht verwenden, so ist es im folgenden immer möglich,einen endlich erzeugten Körper K ⊆ Q l auszuwählen, in dem alle jeweils betrachteten Eigenwerteliegen, so dass man nur die unproblematischen Einbettungen von K benötigt. DieEinbettungen von Q l dienen eher einer bequemen Sprechweise.36


7 Gewichte und Determinanten-GewichteDie bisherigen Betrachtungen legen die folgenden Definitionen nahe.Definition 7.1 Sei q eine Primzahlpotenz und n ∈ Z. Eine Zahl α heißt rein vom Gewichtn, bezüglich q, wenn sie algebraisch ist und alle ihre komplexen Konjugierten den Betrag q n 2haben.Definition 7.2 Sei X ein Schema von endlichem Typ über Z und sei F eine konstruierbareQ l -Garbe auf X.(a) F heißt rein vom Gewicht n ∈ Z, wenn für alle abgeschlossenen Punkte x von Xdie Eigenwerte von F x auf F x rein vom Gewicht n sind, bezüglich N(x) (hierbei ist x :Spec(k(x)) −→ X ein geometrischer Punkt über x, F x ∈ Gal(k(x)/k(x)) <strong>der</strong> geometrischeFrobenius, <strong>der</strong> auf F x operiert, und N(x) = |k(x)|).(b) F heißt gemischt, wenn es eine endliche Filtrierung . . . ⊆ F n−1 ⊆ F n ⊆ . . . F durchkonstruierbare Untergarben besitzt <strong>der</strong>art, dass die sukzessiven Quotienten F n /F n−1 reinsind. Die Gewichte <strong>der</strong> nichttrivialen Quotienten heißen die Gewichte von F.Beispiele 7.3 (a) Q l (m) ist rein vom Gewicht −2m (F x operiert durch Multiplikation mitN(x) −m ).(b) Sei X glatt und projektiv über F q . Fasst man die Gal(F q /F q )-Darstellung H i (X, Q l ) alsQ l -Garbe auf Spec(F q ) auf, so besagt W (X, i), dass H i (X, Q l ) rein vom Gewicht i ist.Lemma 7.4 (a) Die Kategorie <strong>der</strong> Garben, die rein vom Gewicht n sind, ist abgeschlossengegenüber <strong>der</strong> Bildung von Quotienten, Untergarben, Erweiterungen, inversen Bil<strong>der</strong>n sowiedirekten Bil<strong>der</strong>n bei endlichen Morphismen.(b) Sind F und G rein vom Gewicht m bzw. n, so ist F ∨ rein vom Gewicht −m und F ⊗ Grein vom Gewicht m + n.(c) Die Kategorie <strong>der</strong> gemischten Garben ist abgeschlossen gegenüber den Bildungen in (a)sowie unter Bildung von Tensorprodukt und Dual.Die Aussagen folgen sofort aus <strong>der</strong> Verträglichkeit <strong>der</strong> Operationen mit Halmbildung: manbeachte, dass man für einen endlichen Morphismus f : X → Y und y ∈ Y einen GaloisäquivariantenIsomorphismus(f ∗ F) y∼ = ⊕ F xf(x)=yhat. Weiter ist das Tensorprodukt exakt auf <strong>der</strong> Kategorie <strong>der</strong> Q l -Garben.Die letzte Reduktion in §6 motiviert die folgendeDefinition 7.5 Sei ι : Q l → C eine Einbettung.(a) Für eine Primzahlpotenz q heißt ι-w q (α) := 2 log q |ια| ∈ R das ι-Gewicht, bezüglich q,einer Zahl α ∈ Q × l . (Also |ια| = q ι−w q(α)2).37


(b) Sei X von endlichem Typ über Z und F eine konstruierbare Q l -Garbe auf X. F heißtι-rein vom Gewicht β ∈ R, wenn für alle x ∈ |X| und alle Eigenwerte α von F x auf F x gilt:ι-w N(x) (α) = β , d.h., |ια| = N(x) β 2 .(c) Die Garbe F heißt ι-gemischt, wenn sie eine endliche Filtrierung mit sukzessiven ι-reinenQuotienten besitzt.Es gelten die offensichtlichen Analoga von 7.4. Die ersten nicht-trivialen Aussagen überGewichte werden mit den sogenannten Determinanten-Gewichten erhalten. Sei dazu X einnormales geometrisch zusammenhängendes Schema von endlichem Typ über F q und sei yein geometrischer Punkt. Man hat eine exakte Sequenz <strong>der</strong> Fundamentalgruppen(7.6.1) 1 → π 1 (X, y) → π 1 (X, y) → Gal(F q /F q ) → 1 ,wobei y auch einen über y liegenden geometrischen Punkt von X bezeichnet: Für normalesX folgt dies sofort aus <strong>der</strong> Galoistheorie von Körpern: ohne Einschränkung liegt x überdem generischen Punkt von X, dann sind π 1 (X, y) und π 1 (X, y) die Galoisgruppen <strong>der</strong>maximalen Erweiterungen <strong>der</strong> Funktionenkörper F q (X) bzw. F q (X), die unverzweigt über Xbzw. X sind, und Gal(F q /F q ) ist isomorph zur Galoisgruppe <strong>der</strong> unverzweigten ErweiterungF q (X) · F q /F q (X).Definition 7.6 Die <strong>Weil</strong>gruppe W (X, y) ist das volle Urbild in π 1 (X, y) <strong>der</strong> Untergruppe{F n | n ∈ Z} ∼ = Z ⊆ Gal(F q /F q ) ∼ = Ẑ.Wir haben also eine exakte Sequenz(7.6.2) 1 → π 1 (X, y) → W (X, y) → Z → 0 ,wobei man den Homomorphismus W (X, y) → Z mit deg bezeichnet und die Gradabbildungnennt.Im folgenden betrachten wir glatte Q l -Garben auf X. Diese entsprechen stetigen Q l -Darstellungenvon π 1 (X, y), aber für die folgenden Schlüsse ist es zweckmäßig, mit Q l -Koeffizientenzu arbeiten. Wir definieren daher:Definition 7.7 Eine glatte Q l -Garbe F auf X ist eine stetige endlich-dimensionale Q l -Darstellung von π 1 (X, y).Da π 1 (X, y) kompakt ist, kommt jede Q l -Darstellung durch Tensorieren mit Q l von einerE-Darstellung für eine endliche Erweiterung E von Q l . Umgekehrt gibt jede glatte Q l -Garbeeine glatte Q l - Garbe durch Tensorieren mit Q l .Für einen an<strong>der</strong>en geometrischen Punkt x von X ist π 1 (X, x) isomorph zu π 1 (X, y) , unddieser Isomorphismus ist eindeutig bis auf innere Automorphismen. Daher erhält man fürjedes x ∈ X(F q ) , mit Bild x in X, einen HomomorphismusGal(F q /k(x)) = π 1 ({x}, x) → π 1 (X, x)∼−→ π 1 (X, y) ,<strong>der</strong> wohldefiniert ist bis auf Konjugation in π 1 (X, y). Der Halm einer Q l -Garbe in x ist dieQ l -Darstellung von Gal(F q /k(x)), die man durch Restriktion mittels des obigen Homomorphismuserhält. Insbeson<strong>der</strong>e sind dann die Eigenwerte von F x definiert, und man kann dieBegriffe Reinheit, ι-Gewicht etc. übertragen.38


Proposition 7.8 Eine glatte Q l -Garbe F vom Rang 1 ist ι-rein für jedes ι : Q l ↩→ C.Genauer gilt:(a) Sei χ : W (X, y) −→ Q l×<strong>der</strong> durch F induzierte Charakter. Dann ist χ Produkt einesendlichen Charakters und eines Charakters <strong>der</strong> Formfür ein c ∈ Q l×.(b) F ist ι-rein vom Gewicht ι-w q (c).<strong>Beweis</strong> Offenbar folgt (b) aus (a), daw ↦→ c deg(w)| ιχ(F x ) |=| (ιc) deg(x) |=| ιc | deg(x) = N(x) ι−w(c)2für alle x ∈ |X 0 |. Für (a) genügt es zu zeigen, dass die Einschränkung von χ auf π 1 (X, y)endliche Ordnung hat. Dann ist nämlich χ n von <strong>der</strong> Form w ↦→ b deg(b) für n genügend groß,und die Behauptung folgt mit einer n-ten Wurzel c aus b. Es gilt aber, dass χ(π 1 (X, y)) alskompakte Untergruppe in E × für eine endliche Erweiterung E/Q l Produkt einer endlichenund einer pro-l-Gruppe ist. An<strong>der</strong>erseits kann man zeigen (beachte, dass l ≠ p):Satz 7.9 Das Bild von π 1 (X, y) in <strong>der</strong> Faktorkommutatorgruppe W (X, y) ab (= W (X, y)modulo dem Abschluß <strong>der</strong> Kommutatorgruppe) ist Produkt einer endlichen Gruppe undeiner pro-p-Gruppe.<strong>Beweis</strong> Wir zeigen dies nur für eine glatte Kurve X, da nur dieser Fall später benötigt wird.Sei X 1 die glatte Kompaktifizierung von X und sei S = X 1 − X.1. <strong>Beweis</strong>, mit Klassenkörpertheorie: Nach dieser istW (X, y) ab ∼ = k × \ A × / ∏x∈X 0O × x ,wobei K <strong>der</strong> Funktionenkörper von X ist, A × die Idealgruppe von K und O x die Komplettierungdes lokalen Rings von X bei x. Das Bild von π 1 (X, y) ist <strong>der</strong> Kern <strong>der</strong> Gradabbildunghierauf. Der Kern <strong>der</strong> AbbildungW (X, y) ab −→ W (X 1 , y) ab = K × \ A × /∏x∈(X 1 ) 0O × xist aber Produkt einer endlichen und einer pro-p-Gruppe, als Quotient von ∏ x∈SO × x , und <strong>der</strong>Kern <strong>der</strong> Gradabbildung auf W (X 1 , y) ab ist die endliche Klassengruppe P ic 0 (X 1 ) von X 1 .2. <strong>Beweis</strong>, geometrisch: Es genügt zu zeigen, dass für l ≠ p die Ordnung <strong>der</strong> Fixmodulnunter dem Frobenius FHom(π 1 (X, y), Z/l n ) F = H 1 (X, Z/l n ) Fbeschränkt ist, unabhängig von l und n. Nach Poincaré-Dualität ist dies dual zu H 1 c (X, µ l n) F ,dem Kofixmodul für F . Wegen <strong>der</strong> exakten SequenzH 0 (S, µ l n) −→ H 1 c (X, µ l n) −→ H 1 (X 1 , µ l n) −→ 039


eicht es, die Ordnungen von H 0 (S, µ l n) F und H 1 (X 1 , µ l n) F zu beschränken, und wegen <strong>der</strong>exakten Sequenz(7.9.1) 0 −→ A F −→ A F −1−→ A −→ A F −→ 0für einen F -Modul A kann man die Ordnung <strong>der</strong> Fixmoduln betrachten, denn für endlichesA folgt aus (7.9.1), dass A F und A F dieselbe Ordnung haben. Es sind aberundH 0 (S, µ l n) F = H 0 (S, µ l n) = ⊕ µ l n(k(x)) ⊆ ⊕ k(x) ×x∈Sx∈SH 1 (X 1 , µ l n) F (1)= l nP ic(X 1 ) F = l nP ic 0 (X 1 ) F (2)⊆ P ic 0 (X 1 )in endlichen Gruppen enthalten, da wir uns über einem endlichen Körper befinden. DieGleichung (1) folgt aus <strong>der</strong> Isomorphie P ic(X 1 ) ∼ = H 1 (X 1 , G m ) und <strong>der</strong> Kohomologiesequenzzur Kummersequenzl0 −→ µ l n −→ G nm −→ G m −→ 0 ,da H 0 (X 1 , G m ) = F × q l-divisibel ist. Die Inklusion (2) folgt aus <strong>der</strong> Hochschild-Serre Spektralsequenz,da H 1 (F q , F × q ) = 0 (Hilbert 90) und H 2 (F q , F × q ) = 0 (cd(F q ) = 1). Ein geometrischer<strong>Beweis</strong> <strong>der</strong> Endlichkeit von P ic 0 (X 1 ) ergibt sich z.B. daraus, dass dies die Menge <strong>der</strong>F q -rationalen Punkte einer abelschen Varietät über F q ist, nämlich <strong>der</strong> Jacobi-Varietät vonX 1 .Nach 7.8 macht die folgende Definition Sinn.Definition 7.10 Sei F eine glatte Q l -Garbe auf X und ι : Q l ↩→ C eine Einbettung.Die ι-Determinanten-Gewichte von F sind die Zahlen 1 · (ι-Gewicht von g Λg G), wobei G einKompositionsfaktor (= irreduzibler Subquotient) von F ist und g = dim G.Nicht-triviale Aussagen über Determinanten-Gewichte folgen aus <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> algebraischen(Monodromie-) Gruppen.Definition 7.11 Sei F eine glatte Q l -Garbe auf X. Sei G 1 <strong>der</strong> Zariski-Abschluss des Bildesvon π 1 (X, y) in GL(F y ) und sei G das semi-direkte Produkt von Z mit G 1 , welches dasDiagramm1 π 1 (X, y) W (X, y) degZ 01 G 1 G Z 0Gl(F y )kommutativ macht (ist F ∈ deg −1 (1), so normalisiert F den Normalteiler π 1 (X, y), also auchG 1 , die Operation ist algebraisch, und G ist semi-direktes Produkt von < F > und G 1 ).Satz 7.12 (Grothendieck) Sei G ◦ 1 die Zusammenhangskomponente <strong>der</strong> Eins von G 1 . DasRadikal von G ◦ 1 ist unipotent.40


Zum <strong>Beweis</strong> benutzen wir:Lemma 7.13 Ist F halbeinfach, so ist G ◦ 1 halbeinfach. (Eine Darstellung heißt halbeinfach,wenn sie direkte Summe von irreduziblen Darstellungen ist. Analog werden halbeinfacheObjekte in einer abelschen Kategorie definiert).<strong>Beweis</strong> Ist F halbeinfach, so ist auch die Einschränkung auf den Normalteiler π 1 (X, y)halbeinfach: ist W ⊂ V = F y ein einfacher π 1 (X, y)-Modul, so ist die Summe W ′ seinerW (X, y)- Konjugierten ein halbeinfacher π 1 (X, y)-Modul und besitzt ein Komplement in V(für W (X, y) und daher für π 1 (X, y)). Dann ist G ◦ 1 reduktiv, d.h., das unipotente Radikal isttrivial (Ohne Einschränkung ist hierfür V einfach; dann benutzt man, dass eine unipotenteGruppe immer einen Fixvektor ≠ 0 hat, also das unipotente Radikal einen Fixmodul 0 ≠V ′ ≠ V hätte). Es ist zu zeigen, dass <strong>der</strong> maximale zentrale Torus T 1 trivial ist.W (X, y) operiert durch Konjugation auf T 1 und daher auf dem Charaktermodul X(T 1 ) =Hom(T 1 , G m ), wobei die endliche Menge E <strong>der</strong> Charaktere respektiert wird, mit denen T 1auf V operiert. Diese Menge E erzeugt X(T 1 ), da T 1 nach Voraussetzung treu auf V operiert.Also faktorisiert die Operation von W (X, y) über einen endlichen Quotienten von Z, undwir können ohne Einschränkung den Kern dieser Operation betrachten, was einem Basiswechselzu einer endlichen Erweiterung von F q entspricht. Dann ist die Operation auf T 1trivial. Aber es gibt nur endlich viele äußere Automorphismen, die trivial auf T 1 sind, durchweiteren Basiswechsel sei also die Operation auf G ◦ 1 trivial. Durch Übergang zu einer offenenUntergruppe von π 1 (X, y), d.h., einer endlichen Überlagerung von X, ist schließlich ohneEinschränkung G 1 = G ◦ 1.Wir können also annehmen, dass G = G ◦ 1 × Z . Sei T <strong>der</strong> maximale Torus-Quotient von G ◦ 1.Dieser ist isogen zu T 1 , es ist also zu zeigen, dass T 1 trivial ist. Die Abbildung W (X, y) −→G −→ G ◦ 1 −→ T hat die Eigenschaft, dass das Bild von π 1 (X, y) Zariski-dicht ist. Da Tkommutativ ist, ist dieses Bild aber endlich nach Satz 7.9, also T = {1}.<strong>Beweis</strong> von Satz 7.12 Sei F · eine Jordan-Hoel<strong>der</strong>-Filtrierung von V , P die Untergruppevon GL(V ), die die Filtrierung F · respektiert und N ⊆ P die Untergruppe, die trivial aufden Quotienten von F · operiert, und L = P/N. Dann ist G 1 ⊆ P , das Bild G 2 in L <strong>der</strong>Zariski-Abschluss von π 1 (X, y) in GL(Gr·F V ) und <strong>der</strong> Kern von G 1 ↠ G 2 ein unipotenterNormalteiler von G 1 (da N unipotenter Normalteiler von P ist). Nach 7.13 ist G ◦ 2 reduktiv,und die Behauptung folgt.Corollar 7.14 Sei F halbeinfach und Z das Zentrum von G. Dann sind Kern und Kokernvon deg : Z → Z endlich.<strong>Beweis</strong> Z ∩ G 1 ist im Zentrum von G 1 enthalten und daher endlich. Weiter wurde im<strong>Beweis</strong> von 7.13 gezeigt, dass ein Element g in G mit deg(g) = n ≠ 0 existiert, welches mitG ◦ 1 vertauscht. Eine geeignete Potenz vertauscht dann mit G, d.h., liegt in Z:Zunächst können wir wir nämlich annahmen, dass g trivial durch Konjugation auf G 1 /G ◦ 1operiert. Sei dann für h ∈ G 1 das Element x h ∈ G ◦ 1 definiert durchghg −1 = x h · h .Dann ist x hh ′ = x h und x h ′ h = h ′ x h (h ′ ) −1 für h ′ ∈ G ◦ 1. Da G ◦ 1 ein Normalteiler in G 1 ist, folgth ′ x h (h ′ ) −1 = x h , d.h., x h liegt im Zentrum von G ◦ 1. Da dieses endlich ist, gibt es ein m ≠ 041


mitfür alle h ∈ G 1 .g m hg −m = x m h · h = hCorollar 7.15 Sei F halbeinfach und g ein zentrales Element in G mit deg(g) = n ≠ 0. SeiF ′ eine glatte Q l -Garbe auf X, die durch eine Darstellung V ′ von G induziert wird. Dannist β ∈ R ein ι-Determinantengewicht auf F genau dann, wenn es einen Eigenwert α von gauf V ′ gibt mit |ια| = q nβ2 .<strong>Beweis</strong> Ohne Einschränkung ist V ′ einfach. Dann ist g skalar (hier benötigt man Q l -Koeffizienten, nämlich das Lemma von Schur!), etwa gleich <strong>der</strong> Multiplikation mit α, und<strong>der</strong> Eigenwert auf det V ′ gleich α r , r = dim V ′ . Nach Proposition 7.8 ist das Determinantengewichtβ gleich 1 · ι-w(α): Ist χ <strong>der</strong> Charakter zu det V ′ , so ist |ιχ(w)| = q deg(w)·β·r2 ; wähltnman w mit deg(w) = n, so ist |ιχ(w)| = |ια|).Satz 7.16 (a) Für β ∈ R sei n(β) die Summe <strong>der</strong> Ränge <strong>der</strong> Kompositionsfaktoren mitι-Determinanten-Gewicht β. Dann sind die Determinantengewichte von Λ a F die Summen∑m(β)βmit m(β) ∈ Z, ∑ m(β) = a und 0 ≤ m(β) ≤ n(β).(b) Sind die glatten Q l -Garben F und F ′ von reinem ι-Determinantengewicht β und β ′ , soist F ⊗ F ′ von reinem ι-Determinantengewicht β + β ′ .(c) Sei f : X ′ → X ein dominanter Morphismus normaler zusammenhängen<strong>der</strong> Schemata,die von endlichem Typ über F q sind. Eine glatte Q l -Garbe F auf X ist genau dann vonreinem ι-Determinantengewicht β, wenn f ∗ F es ist.<strong>Beweis</strong> (a) Die Eigenwerte von Z auf Λ a F sind Produkte von a Eigenwerten auf F, diezu verschiedenen Eigenvektoren in F gehören. Durch ι-Betragsbildung und Logarithmierensieht man, dass man gerade alle Summen von a Determinanten-Gewichten erhält, bei denenhöchstens n(β) gleich β sind.(b) ist analog, durch Betrachtung <strong>der</strong> algebraischen Monodromiegruppe von F ⊗ G.(c) Aus <strong>der</strong> Voraussetzung folgt, dass das Bild von π 1 (X ′ ) in π 1 (X) von endlichem Indexist: da die Schemata normal sind, genügt es, die Faser über dem generischen Punkt η vonX zu betrachten (Gal(k(η)/k(η)) → π 1 (X) ist surjektiv), und diese besitzt einen rationalenPunkt in einer endlichen Erweiterung von k(η). Es folgt, dass für die entsprechenden Zariski-Abschlüsse G ′ 1 und G 1 das Bild von G ′ 1 endlichen Index in G 1 hat, also G ◦ 1 enthält. Das Bilddes Zentrums Z ′ von G ′ zentralisiert also G ◦ 1, und mit demselben Schluß wie im <strong>Beweis</strong> von7.14 sieht man, dass es endlichen Index im Zentrum Z von G hat. Hieraus folgt offenbar dieBehauptung.42


8 Kohomologie von Kurven und L-ReihenSei X eine glatte geometrisch irreduzible Kurve über F q und sei F eine glatte Q l -Garbe aufX, mit Halm V = F y in einem geometrischen Punkt y von X. Sei F ′ (bzw. F ′′ ) die größteUntergarbe (bzw. Quotientengarbe) von F , die konstant auf X ist. Wegen (7.6.1) sind dannF ′ und F ′′ Urbil<strong>der</strong> von Garben auf Spec(F q ), d.h., kommen von Q l -Darstellungen F ′ undF ′′ von Gal(F q /F q ).Lemma 8.1 (a) H 0 (X, F) = V π1(X,y) = F ′ .{H(b) Hc 0 (X, F) =0 (X, F) falls X eigentlich ist0, sonst .(c) H 2 c (X, F) = V π1 (X,y) (−1) = F ′′ (−1).(d) Ist F eine beliebige konstruierbare Q l -Garbe auf X und U ⊆ X offen, so ist Hc 2 ∼(U, F) −→Hc 2 (X, F).<strong>Beweis</strong> (a) folgt aus <strong>der</strong> Kategorienäquivalenz zwischen glatten Garben und Darstellungen<strong>der</strong> Fundamentalgruppe. (b) für nichteigentliches X folgt aus <strong>der</strong> Tatsache, dass eine glatteGarbe keine Schnitte mit Träger in endlich vielen Punkten hat (es reicht, dies für konstanteGarben einzusehen). Alternativ kann man Poincaré-Dualität und schwachen Lefschetzverwenden. (c) folgt aus (a) mit Poincaré-Dualität. (d) folgt aus <strong>der</strong> relativen Kohomologiesequenzfür U ⊂ X ⊃ X − U, da H i (X − U, F) = 0 für i > 0 (X − U besteht aus endlichvielen Kopien von Spec(F q )).Corollar 8.2 Sei α ein Eigenwert von F auf H 0 (X, F) o<strong>der</strong> H 0 c (X, F) (bzw. auf H 2 c (X, F)).(a) Für jedes x ∈ X 0 ist α deg(x) (bzw. (q −1 α) deg(x) ) ein Eigenwert von F x auf F (d.h., auf V ).(b) Die Zahl ι-w q (α) (bzw. ι-w q (α) − 2) ist ein ι-Determinantengewicht von F (d.h., <strong>der</strong>assoziierten Q l -Garbe).Für das Folgende benutzen wir die Grothendieck-Lefschetz-Formel∏(8.3.1)det(1 − F T |Hc(X, i F)) (−1)i+1x∈X 0det(1 − F x T deg(x) |F) −1 = ∏ i≥0für eine konstruierbare Q l -Garbe F auf einem Schema X von endlichem Typ über F q , dieaus Theorem 1.6 und (1.5.2) folgt. Die linke Seite wird kontrolliert durchProposition 8.3 Gilt ι-w N(x) (α) ≤ β für alle Eigenwerte α von F x auf F, für alle x ∈ X 0 ,so konvergiert ι ∏x∈X 0det(1 − F x T deg(x) |F) −1 absolut für |T | < q − β 2 −dim(X) (d.h., für Re(s) >β2 + dim(X) falls T = q−s ), hat also we<strong>der</strong> Pol- noch Nullstelle in diesem Gebiet.<strong>Beweis</strong> Sei d = dim(X); dann gibt es eine endliche Überdeckung von X so, dass jedesMitglied quasi-endlich über einem affinen Raum A d F qist (Noether-Normalisierung). Hierausfolgt♯{x ∈ X 0 mit deg(x) = n} ≤ C · q dn43


mit einer Konstanten C > 0 (die die Summe <strong>der</strong> generischen Grade abschätzt), da A d F q(F q n) =F d qn. Die Konvergenz folgt somit aus <strong>der</strong> Konvergenz <strong>der</strong> geometrischen Reihe∑nq nd q nβ2 |T | n .Corollar 8.4 Ist X eine affine glatte geometrisch irreduzible Kurve, so gilt für die Eigenwerteα von F auf H 1 c (X, F)ι-w q (α) ≤ β + 2 .<strong>Beweis</strong> Die rechte Seite <strong>der</strong> Formel (8.3.1) wirddet(1 − F T |H 1 c (X, F))det(1 − F T |H 2 c (X, F))Nach 8.2 (a) gilt ι-w q (α) ≤ β + 2 für die reziproken Nullstellen α des Nenners, und nach 8.3gilt dies auch für die reziproken Nullstellen des Gesamtbruchs.Sei nämlich α ein Eigenwert von F auf H 2 c (X, F). Nach 8.2 (a) ist dann (q −1 α) deg(x) Eigenwertvon F x auf F, also nach Voraussetzungβ ≥ ι-w N(x) (q −1 α) deg(x) = −2 + ι-w q (α) .Ist an<strong>der</strong>erseits α ein Eigenwert von F auf H 1 c (X, F), so muss nach (8.3.1) und 8.3 (1−ιαT ) ≠0 für alle |T | < q − β 2 −1 sein, also |ια| ≤ q β 2 +1 , d.h., ι-w q (α) ≤ β + 2.44


9 Reinheit von reellen Q l -GarbenDieser Abschnitt behandelt eine wichtige Methode, die in beiden Arbeiten von Deligne zur<strong>Weil</strong>-<strong>Vermutung</strong> benutzt wird.Definition 9.1 Sei F eine glatte Q l -Garbe auf einem Schema X, welches von endlichemTyp über Z ist.(a) F heißt total reell, wenn die Koeffizienten vondet(1 − F x T |F) := det(1 − F x T | F x )für jedes x ∈ X 0 total reelle algebraische Zahlen sind.(b) F heißt ι-reell für ι : Q l ↩→ C, wennfür alle x ∈ X 0 reelle Koeffizienten hat.ι det(1 − F x T |F)Bemerkungen 9.2 Ist F rein (bzw. ι-rein), so ist F direkter Summand einer total reellen(bzw. ι-reellen) Garbe, nämlich von F ⊕ F ∨ (−n), falls n das Gewicht (bzw. ι-Gewicht) vonF ist: zu ια mit |ια| = N(x) n 2 ist N(x) n · ια −1 komplex konjugiert.Satz 9.3 Sei X eine glatte geometrisch irreduzible Kurve über F q . Die Kompositionsfaktoreneiner glatten, ι-reellen Q l -Garbe auf X sind ι-rein.Wir benutzen:Lemma 9.4 Sei F eine glatte ι-reelle Q l -Garbe auf X und sei ϱ das größte ι-Determinatengewichtvon F. Für jedes x ∈ X 0 und jeden Eigenwert α von F x auf F gilt dann ι-w N(x) (α) ≤ ϱ.<strong>Beweis</strong> Durch eventuelles Weglassen eines Punktes, den man gerade nicht betrachtet, istohne Einschränkung X affin. Die Lefschetz-Formel gibt dann für jede positive ganze Zahl k(9.3.1)∏x∈X 0ι det(1 − F x T deg(x) | F ⊗2k ) −1 = ι det(1 − F T | H1 c (X, F ⊗2k ))ι det(1 − F T | H 2 c (X, F ⊗2k ))Hierbei istι det(1 − F x T deg(x) | F ⊗2k ) −1 = exp( ∑ n≥1ιT rF n x | F ⊗2k ) T n·deg(x)eine formale Potenzreihe mit nicht-negativen reellen Koeffizienten, da nach VoraussetzungιT r(F n x | F ⊗2k ) = ιT r(F n x | F) 2knicht-negativ reell ist. Nach 7.16 (b) sind die ι-Determinanten-Gewichte von F ⊗2k höchstensgleich 2kϱ, und nach 8.2 (b) hat also die rechte Seite <strong>der</strong> Lefschetz-Formel (9.3.1) keinenn45


Pol für |T | < q − 1 2 (2kϱ+2) (d.h., für die reziproken Nullstellen α ′ des Nenners gilt ι-w q (α ′ ) ≤2kϱ + 2). Nach dem folgenden Lemma hat also auchι det(1 − F x T deg(x) | F ⊗2k ) −1keinen Pol für |T | < q 1 2 (2kϱ+2) . Für einen Eigenwert α von F x auf F ist ια −2k/ deg(x) ein Pol;es folgt|ια| 2k/ deg(x) ≤ q (2kϱ+2)/2 ,d.h.,Da dies für alle k gilt, folgt die Behauptung.|ια| ≤ N(x) (ϱ+ 1 k )/2 .Lemma 9.5 Sei f i = ∑ a i,n T n eine Folge von formalen Potenzreihen, mit konstanten Termn1 und nicht-negativen reellen Koeffizienten. Die Ordnung von f i − 1 gehe gegen unendlichmit i, und es sei f = ∏ f i . Dann ist <strong>der</strong> absolute Konvergenzradius für jedes f i mindestensiso groß wie für f. Sind f und die f i Taylorentwicklungen von meromorphen Funktionen, sogiltinf{|z| | f(z) = ∞} ≤ inf{|z| | f i (z) = ∞}für jedes i.<strong>Beweis</strong> Ist f = ∑ a n T n , so folgt die erste Aussage daraus, dass a i,n ≤ a n ist für alle i. Fürnmeromorphe Funktionen sind die angegebenen Infima gerade die absoluten Konvergenzradien.<strong>Beweis</strong> von Satz 9.3. Sei F eine glatte ι-reelle Q l -Garbe auf X. Für β ∈ R sei F(β) dieSumme <strong>der</strong> Kompositionsfaktoren von F mit ι-Determinantengewicht β und n(β) <strong>der</strong> Rangvon F(β). Sei x ∈ X 0 , und seien α β 1 , . . . , α β n(β) die Eigenwerte von F x auf F(β). Es ist zuzeigen, dass ι-w N(x) (α β i ) = β für alle i.Nach Definition des Determinantengewichts ist∑(9.3.2)ι-w N(x) (α β i ) = n(β)β .iSei ohne Einschränkung F(β) ≠ 0, und N die Summe <strong>der</strong> n(γ) mit γ > β. Nach 7.16 (a)sind die ι-Determinanten-Gewichte <strong>der</strong> (N + 1)-ten äußeren Potenz von F ≤ β + ∑ γ>βn(γ)γ.Da jedes α β i∏n(γ)∏γ>β i=1α γ i Eigenwert von F x auf Λ N+1 F ist, gilt nach dem obigen Lemma 9.4ι-w N(x) (α i ) + ∑ γ>β∑ι-w N(x) (α γ i ) ≤ β + ∑ n(γ)γ .γ>βiNach <strong>der</strong> Gleichung (9.3.2) (für jedes γ > β) folgtι-w N(x) (α i ) ≤ β .Durch Aufsummieren über i muss man die Gleichung (9.3.2) für β erhalten, also muss hierdie Gleichheit gelten.46


10 Der Formalismus naher und verschwinden<strong>der</strong> ZykelUm Induktion über Dimension zu benutzen, benutzt Deligne Faserungen f : X → S übereiner glatten Kurve S, wobei f über einer offenen Menge U ⊆ S glatt ist, und nur anden endlich vielen Punkten s ∈ S − U Fasern X s mit (milden) Singularitäten hat. DieKohomologie H i (X, F) wird mittels <strong>der</strong> Grothendieck-Leray-SpektralsequenzH p (S, R q f ∗ F) ⇒ H p+q (X, F)studiert. Um die Garben R q f ∗ F an den schlechten Stellen s ∈ S − U zu untersuchen, gehtman zum lokalen Ring O S,s über (<strong>der</strong> ein diskreter Bewertungsring ist) bzw. zu seiner HenselisierungOS,s h ; dies ist ein henselscher diskreter Bewertungsring.Ein strikter henselscher diskreter Bewertungsring A ist für die étale Topologie das Analogon<strong>der</strong> offenen Kreisscheibe D = {z ∈ C | |z| ≤ 1} in C: Es ist π 1 (D) = 0 und π 1 (D {0}) ∼ = Z;entsprechend ist π 1 (Spec(A)) = 0 und∏π 1 (Spec(A) − {s}) = Z l ,l≠ char(k(s))wobei s <strong>der</strong> abgeschlossene Punkt von Spec(A) ist. Der Punkt s entspricht also dem Punkt0 ∈ D, und <strong>der</strong> generische Punkt η entspricht einem “allgemeinen Punkt” t ∈ D ∗ − {0}.In <strong>der</strong> klassischen Topologie hat man die Theorie verschwinden<strong>der</strong> Zykel für eine Faserungf : X → D, mit f glatt auf D ∗ und eventuell singulärer Faser X 0 über 0. In <strong>der</strong> étalenTopologie betrachtet man das kartesische DiagrammX η XX sη Spec(A) sVorüberlegungen 10.1 Sei T = Spec A für einen henselschen diskreten Bewertungsring A.(a) Nach dem Zerlegungssatz gibt es eine Kategorienäquivalenz zwischen <strong>der</strong> KategorieSh(T et ) <strong>der</strong> étalen Garben auf T und <strong>der</strong> Kategorie aller Tripel (F 0 , F 1 , φ), wobei(i) F 0 eine Garbe auf dem abgeschlossenen Punkt s i↩→ T ist,(ii) F 1 eine Garbe auf dem generischen Punkt η j↩→ T ist, und(iii) φ : F 0 −→ i ∗ j ∗ F 1 ein Morphismus von Garben ist.Hierbei wird eine Garbe F auf T auf das Tripel(i ∗ F, j ∗ F, sp : i ∗ F → i ∗ j ∗ j ∗ F)abgebildet, wobei man den sogenannten Spezialisierungsmorphismus sp durch Anwenden voni ∗ auf den Adjunktionsmorphismus F → j ∗ j ∗ F erhält.(b) Dies besitzt die folgende Uminterpretation mittels Galoismoduln: Sei k(η) ein separablerAbschluss von k(η) und η = Spec(k(η)) −→ T <strong>der</strong> zugehörige geometrische Punkt über η.47


Dies definiert einen geometrischen Punkt s → T über s wie folgt. Sei à <strong>der</strong> ganze Abschlussvon A in k(η) , d.h., T ∼ = Spec (Ã) die Normalisierung von T in η. Dann ist à lokal und <strong>der</strong>Restklassenkörper eine separabel abgeschlossene Erweiterung von k(s) und definiert einengeometrischen Punkt s → T über s. Weiter erhält man eine SurjektionG η = Gal(k(η)/k(η)) ↠ G s = Gal(k(s)/k(s)) ;<strong>der</strong> Kern I heißt die Trägheitsgruppe. Die strikte Henselisierung OT,s h von T in s identifiziertsich mit ÃI .Die Tripel in (a) entsprechen dann Tripeln (M 0 , M 1 , ϕ), wobei(i) M 0 ein diskreter G s -Modul,(ii) M 1 ein diskreter G η -Modul, und(iii) ϕ : M 0 → M I 1 ein Morphismus von G s -Moduln ist.Der Übergang von den Tripeln in (a) hierzu erfolgt durch Halmbildung, d.h., mittelsM 0 = F s = (i ∗ F) s und M 1 = F η = (j ∗ F) η ,wobei man sich überlegt, dass i ∗ j ∗ <strong>der</strong> Fixmodulbildung unter I entspricht.(c) Es folgt leicht aus den Definitionen, dass die KompositionF ssp−→ F I η ↩→ F ηgerade die Spezialisierungsabbildung <strong>der</strong> Halme ist, die vom MorphismusO h T,s ↩→ O h T,η = k(η) sinduziert wird (vergl. 2.4). Insbeson<strong>der</strong>e ist F lokal konstant genau dann, wenn I trivial aufF η = M 1 operiert und sp ein Isomorphismus ist.(d) Ist nun f : X → T ein Morphismus und F eine Garbe auf X, so ist also die höhereBildgarbe R ν f ∗ F beschrieben durch das Tripel((R i f ∗ F) s , (R i f ∗ F) η , sp : (R i f ∗ F) s −→ (R i f ∗ F) I η).Ist f eigentlich, so identifiziert sich dies nach dem eigentlichen Basiswechsel mit einem Tripel(H i (X x , F), H i (X η , F) , sp : H i (X s , F) → H i (X η , F) I ) ,wobei X s = X × T s = X s × k(s) k(s) und X η = X × T η = X η × k(η) k(η) die geometrischenFasern von f bei s und η sind.10.2 Das Hilfsmittel zur Berechnung <strong>der</strong> Spezialisierungsabbildung ist die allgemeine Theorie<strong>der</strong> verschwindenden Zykel. Dafür betrachten wir ein kartesisches Diagramm(10.2.1) X ηjXiX sη T s ,f48


wobei zunächst f beliebig von endlichem Typ sei. Sei k(η) I ⊂ L ⊂ k(η) ein beliebiger Zwischenkörperund B <strong>der</strong> ganze Abschluss von A in L ist, d.h., T = Spec B die Normalisierungvon T in Spec L (in <strong>der</strong> Literatur werden sowohl L = K(η) I , d.h., B = OT,s h , als auchL = K(η) , d.h., B = Ã betrachtet). Ist X = X × T T , so erhalten wir ein kommutativesDiagramm(10.2.2) X ηj XiX sη T swelches aus (10.2.1) durch Basiswechsel mit <strong>der</strong> unteren Zeile hervorgeht, und in dem diebeiden Quadrate wie<strong>der</strong> kartesisch sind.Definition/Lemma 10.3 Sei Y ein Schema über einem Körper k mit separablem Abschlussk , sei Y = Y × k k und u : G → Gal(k/k) ein Homomorphismus topologischer Gruppen.(a) Eine G-Garbe auf Y ist eine Garbe F auf Y mit einer stetigen Operation von G, dieverträglich ist mit <strong>der</strong> (Recht-) Operation von Gal(k/k) auf Y ; d.h., für jedes σ ∈ G habeman einen Morphismusσ ∗ : F −→ (Spec(u(σ)) ∗ F ,so dass τ ∗ σ ∗ = (τσ) ∗ . Dabei operiere G für jedes quasikompakte étale U → Y diskret aufF(U) = F((Spec σ) −1 U) , U = U × k k. Sei Sh(Y , G) die Kategorie <strong>der</strong> G-Garben auf X.(b) Sei π · Y → Y die Projektion. Dann gibt es eine Kategorienäquivalenz (wobei immerGarbe = ètale Garbe)Sh(Y ) = (Garben auf Y ) ↔ Sh(Y , Gal(k/k)) = (Gal(k/k)-Garben auf Y )F ↦→ π ∗ F(π ∗ G) Gal(k/k) ← G ,Für den <strong>Beweis</strong> von (b) siehe SGA7 XIII 1.1. Wir bemerken nur, dass <strong>der</strong> Morphismusσ ∗ : π ∗ F −→ (Spec σ) ∗ π ∗ F (1)=(Spec σ) ∗ (Spec σ) ∗ π ∗ F<strong>der</strong> Adjunktionsmorphismus ist ((1) kommt daher, dass π = πSpec σ ist).Dies erlaubt die Definition <strong>der</strong> folgenden Kategorie und Funktoren.Definition 10.4 Sei Sh(X s × s T ) die abelsche Kategorie <strong>der</strong> Tripel (F 0 , F 1 , φ), wobei(i) F 0 eine G s -Garbe auf X s ,(ii) F 1 eine G η -Garbe auf X s (bezüglich G η → G s ), und(iii) φ : F 0 → F 1 ein G η -äquivarianter Morphismus ist.Definition 10.5 Seien π : X → X , π 0 : X s → X s und π 1 : X η → X η die Projektionen.Definiere dannΨ s : Sh(X s ) −→ Sh(X s , G s )Ψ η : Sh(X η ) −→ Sh(X s , G η ) (Operation bezüglich G η → G s )Ψ : Sh(X) −→ Sh(X s × s T )f49


durchΨ s F = π ∗ 0FΨ η F = i ∗ j ∗ π ∗ 1FΨF = (i ∗ π ∗ F, i ∗ j ∗ j ∗ π ∗ F, i ∗ π ∗ F i∗ ad−→ i ∗ j ∗ j ∗ π ∗ F)= (π0 ∗ i ∗ F, i ∗ j ∗ j ∗ π1j ∗ ∗ F, φ F = i ∗ ad)= (Ψ s i ∗ F, Ψ η j ∗ F, φ F ) .Diese Funktoren sind additiv, linksexakt und besitzen Rechtsableitungen R i Ψ s , R i Ψ η undR i Ψ, bzw. RΨ s , RΨ η und RΨ in den <strong>der</strong>ivierten Kategorien: Ist F ↩→ I • eine injektiveAuflösung, so wird RΨF durch ΨI • repräsentiert (eindeutig bis auf eindeutige Homotopie),und es ist R i ΨF = H i (ΨI • ) (i-tes Homologieobjekt, eindeutig bis auf eindeutigen Isomorphismus),entsprechend hat man R i Ψ η und RΨ η , während Ψ s exakt ist und keine höherenAbleitungen hat.Einen Komplex in Sh(X s × s T ) kann man deuten als ein Objekt (F • 0 , F • 1 , φ), wobei F • 0ein Komplex in Sh(X s , G s ) ist, F • 1 ein Komplex in Sh(X s , G η ) und φ : F • 0 → F • 1 einäquivarianter Morphismus von Komplexen ist. Definieren wir den Funktorsp ∗ : Sh(X s , G s ) −→ Sh(X s , G η )durch sp ∗ F 0 = F 0 , mit G η -Operation via G η → G s , so können wir φ auch als Morphismusφ : sp ∗ F • 0 −→ F • 1von Komplexen in Sh(X s , G η ) deuten. Jedem (F • 0 , F • 1 , φ) kann man dann funktoriell einekurze exakte Sequenz0 → F • 1 → Cone(φ) → sp ∗ F • 0 [1] → 0zuordnen, wobei Cone(φ) <strong>der</strong> Kegel von φ ist (siehe etwa [Mi]S.174,167). Setzen wirΦ(F • 0 , F • 1 , φ) = Cone(φ) ,so führt Φ Quasiisomorphismen in Quasiisomorphismen über, und für eine Garbe F mitinjektiver Auflösung F ↩→ I • istRΦF := ΦRΨF (= ΦΨI • )eindeutig bis auf eindeutigen Quasiisomorphismus, also wohldefiniert in <strong>der</strong> <strong>der</strong>ivierten Kategorievon S(X s , G η ).Definition 10.6 RΦF heisst <strong>der</strong> Komplex <strong>der</strong> verschwindenden Zykel. SetzeR i ΦF = H i (RΦF) (= H i (ΦΨI • ))für die i-te Garbe <strong>der</strong> verschwindenden Zykel von F.Nach Konstruktion haben wir funktoriell für jedes F in Sh(X et ) ein ausgezeichnetes Dreieckvon Komplexen in Sh(X s , G η )(10.6.1) sp ∗ i ∗ F −→ RΨ η F −→ RΦF −→ sp ∗ i ∗ F[1] ,welches wohldefiniert in <strong>der</strong> <strong>der</strong>ivierten Kategorie von Sh(X s , G η ) ist. Hierbei hätten wir eigentlichsp ∗ Ψ s i ∗ F schreiben müssen, identifizieren aber im folgenden Sh(X s ) und Sh(X s , G s )50


via Ψ s und schreiben auch sp ∗ für sp ∗ Ψ s . Für eine injektive Auflösung F ↩→ I • wird (10.6.1)durchi ∗ I • i ∗ ad−→ i ∗ j ∗ j ∗ I • −→ Cone(i ∗ ad) −→repräsentiert, wobei wir hier π ∗ unterdrückt haben. Wir lassen π ∗ , π ∗ 0 und π ∗ 1 auch im Folgendenoft weg. Beachte, dass i ∗ F quasiisomorph zu i ∗ I • ist.Etwas ungenauer können wir (10.6.1) auch schreiben alsi ∗ F −→ i ∗ Rj ∗ j ∗ F −→ RΦF −→ .Bei dieser Schreibweise ist nicht so deutlich, dass es sich um Komplexe von G η -Garbenhandelt; außerdem lässt sich RΦF hierdurch nicht definieren: beachte, dass die Kegelbildungnicht wohldefiniert in <strong>der</strong> <strong>der</strong>ivierten Kategorie ist.10.7 Im Formalismus verschwinden<strong>der</strong> Zykel wird die Operation <strong>der</strong> Trägheitsgruppe I durchdie sogenannte Variation beschrieben: Ist σ ∈ I , so faktorisiert <strong>der</strong> Endomorphismus σ − 1von RΨ η F wegen <strong>der</strong> trivialen Operation von I auf sp ∗ i ∗ F über RΦF , und wir erhalten,funktoriell in F, ein kanonisches kommutatives Diagramm(10.7.1) sp ∗ i ∗ F RΨ η FRΦFDer induzierte Morphismus0σ−1 V ar(σ)✉ ✉✉✉✉✉✉✉✉✉σ−1sp ∗ i ∗ F RΨ η F RΦF .V ar(σ) : RΦF → RΨ η F(und die davon in <strong>der</strong> Kohomologie induzierte Abbildung) heißt die Variation von σ. Wegen<strong>der</strong> trivialen Formelhat man dabei(στ − 1) = (σ − 1) + (τ − 1) + (σ − 1)(τ − 1)(10.7.2)V ar(στ)= V ar(σ) + V ar(τ) + (σ − 1)V ar(τ)= V ar(σ) + V ar(τ) + V ar(σ)(τ − 1) .Die Theorie verschwinden<strong>der</strong> Zykel hat die folgende Anwendung: Durch Bildung <strong>der</strong> Kohomologieauf X s bekommt man aus (10.6.1) eine lange exakte Sequenz von G η -Moduln(10.8.1) → H ν (X s , i ∗ F) γ → H ν (X s , RΨ η F)→H ν (X s , RΦF)→H ν+1 (X s , F)→ . . . .Weiter haben wir das folgende Resultat.Lemma 10.8 (i) Es gibt kanonische Homomorphismen(a) Ψ : H ν (X η , j ∗ F) → H ν (X s , RΨ η F)(b) Ψ ′ : Hc ν (X s , RΨ η F) → Hc ν (X η , j ∗ F) für alle ν ∈ Z.51


(ii) (a): Ψ ist in kontravarianter Weise funktoriell für offene Immersionen µ : U ↩→ X, d.h.,das DiagrammH ν (X η , j ∗ F)Ψ XH ν (X s , RΨ η F)µ ∗µ ∗H ν (U η , j ∗ F| U ) Ψ U H ν (U s , RΨ η F| U )ist kommutativ.(b): Ψ ′ ist in kovarianter Weise funktoriell, d.h., das DiagrammH ν c (X s , RΨ η F) H ν c (X η , j ∗ F)µ !H ν c (U s , RΨ η F| U )µ !H ν c (U η , j ∗ F| U )ist kommutativ.(iii) Ist f eigentlich und F eine Torsionsgarbe auf X, so sind (a) und (b) zueinan<strong>der</strong> inverseIsomorphismen.(iv) Die Verknüpfungist gleich <strong>der</strong> Abbildung γ in (10.8.1).H ν (X s , i ∗ F) sp → H ν (X η , j ∗ F) Ψ → H ν (X s , RΨ η F)<strong>Beweis</strong> (i) (a): Für jede Garbe G auf X η definiere die Komposition(10.8.2) Ψ : H ν (X η , G) (1)→ H ν (X, Rj ∗ G) (2)→ H ν (X s , i ∗ Rj ∗ G)Hierbei ist (1) ein Isomorphismus (Komposition von <strong>der</strong>ivierter Funktoren) und (2) ist <strong>der</strong>Basiswechselmorphismus, induziert vom Basiswechselmorphismus(10.8.3) i ∗ Rf ∗ Rj ∗ G → R(f s ) ∗ i ∗ Rj ∗ G .Ist f eigentlich und G Torsionsgarbe, so ist (10.8.3), also auch (2) und damit Ψ ein Isomorphismus.Für G = j ∗ F erhalten wir (i)(a), da RΨ η F = i ∗ Rj ∗ j ∗ F.(i) (b): Sei µ : X ↩→ X ′ eine offene Immersion in ein eigentliches S-Schema. Für jede GarbeG auf X η ist dann per DefinitionH ν c (X η , G) = H ν (X ′ η, (µ η ) ! G) .Weiter haben wir den eben definierten Isomorphismus für das eigentliche X ′Ψ : H ν (X ′ η, (µ η ) ! G) ∼ → H ν (X ′ s, (i ′ ) ∗ R(j ′ ) ∗ (µ η ) ! G) .Schließlich definieren wir einen kanonischen HomomorphismusΨ c : H ν c (X s , i ∗ Rj ∗ G) → H ν (X ′ s(i ′ ) ∗ R(j ′ ) ∗ (µ η ) ! G) .52


Dieser wird erhalten durch einen Morphismus(10.8.4) (µ s ) ! i ∗ Rj ∗ G → (i ′ ) ∗ R(j ′ ) ∗ (µ η ) ! Gden wir durch folgende Adjunktionen bekommen. Da (µ s ) ! linksadjungiert zu µ ∗ s ist, entspricht(10.8.4) einem Morphismusi ∗ Rj ∗ G → µ ∗ s(i ′ ) ∗ R(j ′ ) ∗ (µ η ) ! G = i ∗ µ ∗ R(j ′ ) ∗ (µ η ) ! G(beachte µi = i ′ µ s ). Dieser entsteht durch Anwendung von i ∗ aus dem Isomorphismus(beachte, dass µ ∗ η(µ η ) ! = id).Der MorphismusRj ∗ G = µ ∗ R(j ′ ) ∗ (µ η ) ! G = Rj ∗ µ ∗ η(µ η ) ! GΨ ′ : H ν c (X s , i ∗ Rj ∗ G) → H ν c (X η , G)ist jetzt definiert als die Komposition Ψ −1 Ψ c . Für G = j ∗ F erhalten wir (i) (b). Ist X bereitseigentlich, so ist Ψ c die Identität und Ψ ′ = Ψ −1 , dies zeigt (iii).Behauptung (iv) folgt unmittelbar aus <strong>der</strong> Definition des Basiswechselmorphismus.Behauptung (ii) (a) folgt, da <strong>der</strong> Basiswechselmorphismus (10.8.3) mit Restriktion auf offeneUnterschema verträglich ist.Sei für (ii) (b) eine weitere offene Immersion ρ : U ↩→ X gegeben. Die Kovarianz für ρbezüglich des Isomorphismus Ψ folgt daraus, dass Ψ kovariant für den Garbenmorphismus(ρ η ) ! (ρ η ) ∗ G → G ist. Für die Kovarianz von Ψ c müssen wir ein geeignetes kommutativesDiagramm(10.8.5) (µ s ) ! i ∗ Rj ∗ G (i ′ ) ∗ R(j ′ ) ∗ (µ η ) ! G(µ s ) ! (ρ s ) ! (i U ) ∗ R(j U ) ∗ (ρ η ) ∗ G (i ′ ) ∗ R(j ′ ) ∗ (µ η ) ! (ρ η ) ! ρηG ∗ ,konstruieren, mit den Bezeichnungen aus dem kommutativen DiagrammU η j U U i U U s ρ η X η jX ρiρ s X s X ′ ηµ ηµµ s j ′ X ′ X s ′ .i ′Hierfür bemerken wir, dass wir einen kanonischen Isomorphismus von Funktorenε 1 : (ρ s ) ! (i U ) ∗ −→ (i) ∗ ρ ! ∼haben, sowie einen kanonischen Morphismus von Funktoren(10.8.6) ε 2 : ρ ! R(j U ) ∗ −→ Rj ∗ (ρ η ) ! ,53


<strong>der</strong> per Adjuktion dem IsomorphismusR(j U ) ∗ = R(j U ) ∗ (ρ η ) ∗ (ρ η ) ! = ρ ∗ Rj ∗ (ρ η ) !entspricht. Wir definieren dann (10.8.5) durch das kommutative Diagramm(µ s ) ! i ∗ Rj ∗ G (i ′ ) ∗ R(j ′ ) ∗ (µ η ) ! Gηadad❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤(µ s ) ! (ρ s ) ! (i U ) ∗ R(j U ) ∗ (ρ η ) ∗ G ε (µ s ) ! i ∗ Rj ∗ (ρ η ) ! (ρ η ) ∗ G (i ′ ) ∗ R(j ′ ) ∗ (µ η ) ! (ρ η ) ! (ρ η ) ∗ G .Hier entsteht das kommutative Rechteck aus <strong>der</strong> Funktorialität von (10.8.4) für den (durchAdjunktion erhaltenen) Garbenmorphismus ad: (ρ η ) ! (ρ η ) ∗ G → G, ε ist von ε 1 und ε 2 induziert,und η macht das Diagramm kommutativ.Ist X eigentlich über T , so wird (10.8.1) also nach Lemma 10.8 zu einer exakten Sequenz(10.8.7) . . . → H ν (X s , i ∗ F) sp → H ν (X η , j ∗ F) → H ν (X s , RΦF) → H ν+1 (X s , i ∗ F) → . . . ,indem wir H ν (X s , RΨ η F) mittels Ψ durch H ν (X η , F) ersetzen. Die Betrachtung von sp wirdalso auf die Berechnung <strong>der</strong> RΦF zurückgeführt.Dies ist ein lokales Problem, und zwar in dem folgenden präzisen Sinne: für einen geometrischenPunkt a von X s hängt <strong>der</strong> Halm (RΦF) a in a nur von <strong>der</strong> strikten HenselisierungO h X,a von X in a ab, da dies für F a und (Rj ∗ j ∗ F) a gilt, und man ein ausgezeichnetes DreieckF a −→ (Rj ∗ j ∗ F) a −→ (RΦF) a −→hat. Nach dem nächsten Lemma ist RΦF nur in den singulären Punkten von f konzentriert,falls F lokal-konstant auf dem glatten Ort von f ist.Lemma 10.9 Ist f glatt und F lokal-konstant, so ist RΦF = 0.<strong>Beweis</strong> Da man das Verschwinden auf étalen Umgebungen testen kann, ist ohne EinschränkungF = Λ konstant. Es ist zu zeigen, dass(10.9.1) i ∗ Λ i∗ ad−→i ∗ Rj ∗ j ∗ Λein Quasiisomorphismus ist. Wir betrachten dazu das kartesische DiagrammX ηjXiX sf ηηjfi T s .f sZunächst bemerken wir, dass die kanonischen MorphismenΛ Tad−→ j ∗ j ∗ Λ T −→ Rj ∗ j ∗ Λ T54


Isomorphismen nach Anwendung von i ∗ werden, da für π 1 : η → η gilt:(R ν j ∗ Λ) s = (R ν j ∗ π 1∗ Λ) s = H ν (I, Ind I (Λ)) ,wobei Ind I (Λ) den induzierten Modul bezeichnet. Weiter ist bekanntlich ein induzierterModul kohomologisch trivial, also H ν (I, Ind I (Λ)) = 0 für ν > 0, während H 0 (I, Ind I (Λ)) =Λ.Damit folgt die Behauptung von 10.9 durch Anwenden von i ∗ auf den Basiswechselmorphismusf ∗ Rj ∗ Λ η −→ Rj ∗ f ∗ η Λ η = Rj ∗ j ∗ Λ X ,denn letzterer ist ein Quasiisomorphismus nach dem glatten Basiswechselsatz, an den wirjetzt erinnern:KOH 14 Glatter Basiswechsel:SeiX ′ f ′ Xπ ′ Y ′fein kartesisches Diagramm mit quasi-kompaktem π und glattem f. Ist F eine Torsionsgarbeauf X, <strong>der</strong>en Torsion prim ist zu char(X) (d.h., für alle x ∈ X ist char(k(x)) = 0 o<strong>der</strong> dieMultiplikation mit char(k(x)) ein Isomorphismus auf F), so ist <strong>der</strong> Basiswechselmorphismusein Isomorphismus für alle i ≥ 0. Yf ∗ R i π ∗ F −→ R i π ′ ∗f ′∗ FFür den <strong>Beweis</strong> siehe etwa [Mi] VI §4: Im <strong>Beweis</strong> von Lemma 10.9 ist f = f und π = j.π55


11 Kohomologie von affinen und projektiven Räumenund ReinheitIn diesem Kapitel leiten wir einige wichtige und von Deligne benötigte Sätze aus dem glattenBasiswechsel ab.Satz 11.1 (Homotopie-Invarianz) Sei S ein lokal noethersches Schema und F eine Torsionsgarbeauf S, <strong>der</strong>en Torsion prim zu den Charakteristiken auf S sind (Ist U → S étaleund a ∈ F(U) und m ∈ N mit m · a = 0, so ist m invertierbar auf S, d.h., in Γ(S, O S ), d.h.,in k(s) für jedes s ∈ S). Für π : A 1 S → S ist dannfür alle i ≥ 0 ein Isomorphismus.π ∗ : H i (S, F) ∼ → H i (A 1 S, π ∗ F)(Durch Iteration erhält man hieraus H i (S, F) → ∼ H i (A n S , F) für alle i ≥ 0).<strong>Beweis</strong>: Durch Betrachtung <strong>der</strong> SpektralsequenzE p,q2 = H p (S, R q π ∗ π ∗ F) ⇒ H p+q (A 1 S, π ∗ F)genügt es zu zeigen:(i) F ∼ → π ∗ π ∗ F,(ii) R ν π ∗ π ∗ F = 0 für ν > 0 (d.h., F → Rπ ∗ π ∗ F ist ein Quasiisomorphismus).<strong>Beweis</strong> von (i) und (ii): Es genügt, die für eine konstante konstruierbare Garbe F zu zeigen,also für Z/r mit r invertierbar auf S. Weiter gilt die Aussage, wenn sie für die Henselisierungenin allen Punkten von S gilt. Wir führen Induktion über die Dimension von S. SeiS = Spec(R) für einen reduzierten strikt Henselschen Ring mit abgeschlossenem Punkt s,und sei U = S {s}. Für dim(S) = 0 ist R = k ein separabler abgeschlossener Körper, undwir erhalten, da r invertierbar in k ist:H 0 (A 1 k , Z/r) = Z/r ,H 1 (A 1 k , Z/r) ∼ = H 1 (A 1 k , µ r) → ∼ P ic(A 1 k )[r] = 0 ,H ν (A 1 k , Z/r) = 0 für ν > 1 schwacher Lefschetz.Für dim(S) > 0 ist dim(U) < dim(S) und wir können annehmen, dass die Aussage bereitsfür U ↩→ jS bewiesen ist. In dem ausgezeichneten Dreieck(11.1.1) Z/r → Rj ∗ j ∗ Z/r → G →ist G in s konzentriert, und damit ist G → Rπ ∗ π ∗ G ein Quasiisomorphismus. Es reicht zuzeigen, dass(11.1.2) Rj ∗ j ∗ Z/r → Rπ ∗ π ∗ Rj ∗ j ∗ Z/rein Quasiisomorphismus ist, dann folgt die Behauptung wegen (11.1.1) auch für Z/r. Aber(11.1.2) ist die Komposition vonRj ∗ j ∗ F (1)→ Rj ∗Rπ ∗ π ′∗ j ∗ F = Rπ ∗Rj ′ ∗π ′ ′∗ j ∗ F (2)→ Rπ ∗π ∗ Rj ∗ j ∗ F∼ ∼56


(F = Z/r) für das kartesische Diagramm(11.1.3) A 1 j ′ UA 1 Sπ ′ U jπ S .Dabei ist (1) ein Quasiisomorphismus durch Gültigkeit <strong>der</strong> Behauptung auf U, und (2) ist einQuasiisomorphismus nach dem glatten Basiswechsel für (11.1.3) (glatter Morphismus = p,Strukturmorphismus = j).Wir betrachten nun projektive Räume.Satz 11.2 Sei q : P = PS m → S <strong>der</strong> m-dimensionale projektive Raum über dem Schema S,und sei r ∈ N invertierbar auf S. Es gibt kanonische Isomorphismen{R i q ∗ Z/r ∼ Z/r(−j) , i = 2j gerade, 0 ≤ i ≤ 2m,=0 , sonst.Genauer gilt für m ≥ 1:(i) R 2 q ∗ Z/r ∼ = Z/r(−1), und(ii) das Cupprodukt induziert einen Isomorphismus (R 2 q ∗ Z/r) ⊗j ∼ → R 2j q ∗ Z/r für j ≤ m.r<strong>Beweis</strong> Die Kummersequenz 0 → µ r → G m → G m → 0 liefert ein kanonisches Elementη ∈ H 2 (P m S , µ r), das Bild <strong>der</strong> Klasse das kanonischen O P -Moduls O(1) unter dem VerbindungsmorphismusP ic(P ) = H 1 (P, G m ) → δ H 2 (P, µ r ) .Bezeichne mit η auch das Bild unter dem kanonischen Morphismus (beachte, dass R 2 q ∗ µ rdie assoziierte Garbe zur Prägarbe U ↦→ H 2 (P m U , µ r) ist)H 2 (P, µ r ) → H 0 (S, R 2 q ∗ µ r ) .Wir behaupten, dass R 2 q ∗ µ r∼ = Z/r, mit Basis η und R i q ∗ Z/r = 0 für i ungerade o<strong>der</strong> i > 2m.Nach dem eigentlichen Basiswechsel genügt es, dies auf den Fasern von q zu beweisen, d.h.,für S = Spec , k k separabel abgeschlossen. Wir haben dann eine ZerlegungH = P m−1ki↩→ P m kj←↪ A m k = P m k − H ,wobei eine Hyperebene im P m kist. Die lange exakte Sequenz. . . → H ν c (A m k ) → H ν (P m k ) i∗ → H ν (P m−1k) → H ν+1c (A m k ) → . . .(konstante Koeffizienten) und die Tatsache, dass kanonisch{Hc ν (A m k ) ∼ 0 , ν ≠ 2m= H 2m−ν (A m k , Z/r(m)) ∨ =Z/r(−m) , ν = 2mnach Poincaré-Dualität und Satz 11.1 ist, zeigen durch InduktionH 2 (P m k , µ r ) ∼ = Z/r, mit Basis η ,57


{ 0 , i ungerade o<strong>der</strong> i > 0,H i (P m k ) =Z/r(−j) , 0 ≤ i = 2j ≤ 2m .Um (ii) zu zeigen, genügt es zu zeigen, dass H 2m (P m k , Z/r(m)) von ηm erzeugt wird. Diesfolgt aus <strong>der</strong> Tatsache, dass tr(η m ) = deg(η m ) = 1 ist.Wir kommen nun zur sogenannten Reinheit.KOH 15= Satz 11.3 (Reinheit): Sei S ein Schema und (Y, X) ein glattes S-Paar <strong>der</strong>Kodimension c, d.h., man hat ein DiagrammY i ❄X❄❄❄❄❄❄g7 7777777 fSwobei f und g glatt sind, und i eine abgeschlossene Immersion <strong>der</strong>art, dass die geometrischenFasern Y x → X s für alle s ∈ S konstante Kodimension c haben. Sei F eine lokal konstantekonstruierbare Z/r-Garbe, r invertierbar auf S. Dann gilt{ 0 ν ≠ 2c,R ν i ! F =i ∗ F ⊗ R 2c i ! Z/r , ν = 2c.Weiter ist R 2c i ! Z/r (étale) lokal isomorph zu Z/r(−c) und verträglich mit Basiswechsel aufS.Äquivalent: Sei j : U ↩→ X das offene Komplement von Y , dann ist F ∼ → j ∗ j ∗ F, R i j ∗ j ∗ F = 0für i ≠ 0, 2c − 1, und i ∗ R 2c−1 j ∗ j ∗ F lokal isomorph zu i ∗ F(−c), verträglich mit Basiswechselauf S.<strong>Beweis</strong> Die Äquivalenz <strong>der</strong> Bedingungen folgt aus dem ausgezeichneten Dreieck(11.3.1) i ∗ Ri ! F → F → Rj ∗ j ∗ F → .Wir zeigen die zweite Version. Die Behauptung ist lokal auf X für die étale Topologie,deswegen ist ohne Einschränkung F = Λ konstant und (Y, X) das glatte S-PaarA m−c S ❊ ❊❊❊❊❊❊❊A m S5 555555S .Durch Induktion genügt es weiter, den Fall c = 1 zu betrachten, und dann kann man als BasisA m−1Snehmen, d.h., ohne Einschränkung betrachten wir S ↩→ A 1 S (den 0-Schnitt). Genausokönnen wir den Nullschnitt S ↩→ P 1 i′S betrachten (beachte, dass für i : S → A 1 j ′S → P 1 S gilt:i ′ = (i ′ ) ! (j ′ ) ∗ ), d.h., wir haben die Aussage für das DiagrammY = S i ❇❇❇❇❇❇❇❇P 1 SSjqp5 5555555 A 1 S= U58


zu zeigen.Dazu betrachten wir die Leray-SpektralsequenzE s,t2 = R s q ∗ R t j ∗ Λ ⇒ R s+t p ∗ Λ .Für t > 0 ist R t j ∗ Λ in S konzentriert, da dann j ∗ R t j ∗ Λ = 0 ist (es ist j ∗ Rj ∗∼ = Λ). Fürt = 0 behaupten wir, dass j ∗ Λ = Λ ist. Dies kann in den Halmen in geometrischen Punktenx von X nachgeprüft werden. Für x über U ist die Behauptung klar; sei also x über S und˜X = Spec OX,x h die strikte Henselisierung von X in x. Dann ist bekanntlich(j ∗ Λ) x = H 0 (U × X ˜X, Λ) ,und es ist zu zeigen, dass U × X ˜X zusammenhängend ist. Da wir in x henselisiert haben,können wir ohne Einschränkung annehmen, dass S = Spec(A) affin ist, und die SituationSi↩→ A 1 S = Spec(A[T ]) j ←↪ G m,S = Spec(A[T, T −1 ])betrachten. Dann ist U × X ˜X = Spec(R[T, T −1 ]), wobei R = OX,x h ist und T auch das Bildvon T in R bezeichnet. Da T Nichtnullteiler in R ist, ist D(T ) = Spec(R[T, T −1 ]) dicht inSpec(R) (Ist ∅ ≠ D(f) = SpecR f eine Standard-affine Menge, so ist fT nicht nilpotent, also∅ ̸= D(fT ) = D(f) ∩ D(T )). Da R zusammenhängend ist, gilt dies also auch für R[T, T −1 ].In <strong>der</strong> obigen Spektralsequenz gilt also R s q ∗ R t j ∗ Λ = 0 für s > 0 und t > 0, da R s q ∗ i ∗ F =R s id ∗ F = 0 für s > 0 und jede Garbe F auf S. Da weiter R s+t p ∗ Λ = 0 für s + t > 0 nachSatz 10.1, folgtq ∗ R t j ∗ Λ d0,t t+1→ R t+1 q ∗ (j ∗ Λ) = R t+1 q ∗ Λ∼für t ≥ 1. Wegen R t j ∗ Λ → ∼ i ∗ i ∗ R t j ∗ Λ (t ≥ 1) folgt hieraus{i ∗ R t j ∗ Λ → ∼ R t+1 q ∗ Λ ∼ Λ(−1) t = 1=0 t > 1nach Satz 11.2, und damit die Behauptung – die Basiswechseleigenschaft folgt daraus, dassR t j ∗ Λ universell (d.h., in einer beliebigen durch Basiswechsel erhaltenen Situation U ′ ↩→ X ′ )lokal konstruierbar ist (vergleiche [Mi] VI <strong>Beweis</strong> von 2.3, V 1.7).Bemerkung 11.4 Ist in <strong>der</strong> Situation von 11.3 S = Spec k für einen Körper k, so kann manzeigen, dass kanonischR 2c i ′ Λ ∼ = Λ(−c)ist. Dies liefert einen kanonischen Isomorphismus Λ ∼ → R 2c i ′ Λ(c), bzw. ein kanonisches Elementin H 0 (Y, R 2c i ′ Λ(c)) welches man auch die lokale Zykelklasse von Y nennt.59


12 Lokale Lefschetz-TheorieDie Theorie <strong>der</strong> Lefschetz-Büschel liefert das Induktionsprinzip in <strong>Delignes</strong> beiden Arbeiten.Es geht darum, eine vorgegebene Varietät X in möglichst guter Weise über einer Kurve –sogar über dem P 1 - zu fasern, d.h., einen Morphismus f : X → P 1 zu konstruieren, <strong>der</strong>milde Singularitäten hat. Dann kann man die Kohomologie einer Garbe F auf X studieren,indem man die Leray-Spektralsequenz für f benutzt. Die Berechnung <strong>der</strong> höheren BildgarbenR j f ∗ F hängt mit <strong>der</strong> Kohomologie auf den Fasern zusammen, die kleinere Dimension alsX haben. Haben die Fasern nur milde Singularitäten, so unterscheiden sich die R j f ∗ F ingeringer Weise von glatten Garben, und die Kohomologiegruppen H i (P 1 , R j f ∗ F) werden <strong>der</strong>Berechnung zugänglich.Nun kann man einen solchen Morphismus f im allgemeinen nicht finden, aber das folgendeResultat, dessen <strong>Beweis</strong> wir in §14 erläutern werden, reicht für die Anwendungen aus.Satz 12.1 Sei X eine glatte projektive Varietät über einem algebraisch abgeschlossenenKörper k. Dann gibt es Morphismenmit den folgenden Eigenschaften:X←− πX ∼ −→ fP 1 k(i) ∼ X ist die Aufblasung von X in einer glatten, abgeschlossenen Untervarietät A ⊂ X (<strong>der</strong>Kodimension 2), insbeson<strong>der</strong>e ist ∼ X glatt und projektiv.(ii) Die Fasern von f sind glatt außer über einer endlichen Menge Σ von abgeschlossenenPunkten in P 1 k .(iii) Für s ∈ Σ hat die Faser X s von f über s genau einen singulären Punkt, und dieser isteine gewöhnliche quadratische Singularität (siehe unten).Bemerkung 12.2 Die Morphismen werden wie folgt konstruiert. Sei X ↩→ P N k eine abgeschlosseneImmersion und (P N k )∨ <strong>der</strong> duale projektive Raum, <strong>der</strong> die Hyperebenen in P N kparametrisiert: Hat P N k die homogenen Koordinaten X 0, . . . , X N , so entspricht <strong>der</strong> Punkt(a 0 : . . . : a N ) ∈ (P N k )∨ (k) <strong>der</strong> Hyperebene mit <strong>der</strong> Gleichung a 0 X 0 + . . . + a N X N = 0. IstP 1 k ↩→ (PN k )∨ eine Gerade, so liefert dies eine Familie(H t ) t∈P 1kvon Hyperebenen, und die Hyperebenen-Schnitte X t = X · H t = X × P NkH t bilden eineFamilie, für die bei geeigneter Wahl von P 1 k gilt: Für t 1 ≠ t 2 setze A = H t1 ∩ H t2 . Dann istA unabhängig von t 1 , t 2 und von <strong>der</strong> Kodimension 2 in X, und (X t ) ist gerade die Familie<strong>der</strong> Hyperebenenschnitte, die A enthalten. Es gibt einen Morphismus˜XfP 1 kmit Fasern ˜X t = X t , und ˜X ist die Aufblasung von X in A.60


Bild (für Flächen):A✛π˜XXf❄P 1 kWeiter gibt es solche P 1 k ⊂ (PN k )∨ , für die die Eigenschaften in 12.1 erfüllt sind. Dann nenntman π : ˜X → P1k ein Lefschetzbüschel und A die Achse des Büschels.Wir erinnern an die folgendeDefinition 12.3 Sei k ein algebraisch abgeschlossener Körper und Y ein Schema von endlichemTyp über k. Ein abgeschlossener Punkt y ∈ Y heißt gewöhnliche quadratische Singularität,wenn die Komplettierung ÔY,y des lokalen Rings O Y,y bei y isomorph zu einem Ring<strong>der</strong> Gestaltk[[x 0 , . . . , x n ]]/⟨g⟩ ,ist, wobei g ∈ ⟨x 0 , . . . , x n ⟩ 2 undg ≡ Q mod ⟨x 0 , . . . , x n ⟩ 3mit einer nicht-trivialen quadratischen Form Q(x 0 , . . . , x n ), die glatt ist, d.h., für die diedurch Q = 0 im P n k definierte Untervarietät glatt ist.Ist k beliebig, mit algebraischen Abschluss k, so heißt y gewöhnliche quadratische Singularität,wenn alle Punkte von Y × k k über y gewöhnliche quadratische Singularitäten sind.Bemerkung 12.4 (a) Die Zahl n ist die lokale Dimension von Y bei y.(b) Aus <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> quadratischen Formen (vergl. Bourbaki Algèbre Chap. X) und demJacobi-Kriterium für Glattheit folgt leicht, dass die folgenden Aussagen äquivalent sind:(i) Q ist nicht-trivial und glatt,(ii) Q kann durch linearen Basiswechsel auf die folgende Standardform Q n gebracht werden:{x0 xQ n (x 0 , . . . , x n ) = 1 + x 2 x 3 + . . . + x n−1 x n , falls n ungerade ist,x 2 0 + x 1 x 2 + x 3 x 4 + . . . + x n−1 x n , falls n gerade ist.61


(c) Ist char k ≠ 2 o<strong>der</strong> n ungerade, so ist dies auch äquivalent zu:(iii) die zu Q assoziierte symmetrische BilinearformB(x, y) = Q(x + y) − Q(x) − Q(y)ist nicht-ausgeartet, o<strong>der</strong>(iv) die Hesse-Matrix ( δ2 Qδx i δx j(0)) ist invertierbar. Sind die Bedingungen erfüllt, so heißt Q(und die Singularität y) nicht-ausgeartet.(d) Ist char k = 2 und n gerade, so gibt es keine nicht-ausgearteten Q und y.(e) Ist n = 1, so ist also ÔY,y ∼ = k[[x 0 , x 1 ]](x 0 x 1 ), und man nennt y einen gewöhnlichenDoppelpunkt. Diese Bezeichnung wird manchmal auch für beliebiges n verwendet.Wir studieren nun den Morphismus f : ˜X → P1k = S im Lefschetz-Büschel bei den schlechtenStellen s ∈ Σ. Hierfür können wir zur Henselisierung OS,s h übergehen; dies ist ein Henselscherdiskreter Bewertungsring.Wir betrachten also allgemeiner die folgende Situation. Sei T = Spec(A) für einen Henselschendiskreten Bewertungsring, sei s ∈ T <strong>der</strong> abgeschlossene Punkt und η ∈ T <strong>der</strong>generische Punkt. Weiter seif : X → Tein eigentlicher surjektiver Morphismus. Nach §10 ist für eine Garbe F auf X die höhereBildgarbe R i f ∗ F durch das Tripel((R i f ∗ F) s , (R i f ∗ F) η , sp : (R i f ∗ F) s → (R i f ∗ F) I η)beschrieben, wobei I ⊂ G k(η) die Trägheitsgruppe ist. Da f eigentlich ist, identifiziert sichdies nach dem eigentlichen Basiswechsel mit dem Tripel(H i (X x , F), H i (X η , F) , sp : H i (X s , F) → H i (X η , F) I ),wobei X s = X × T s = X s × k(s) k(s) und X η = X × T η = X η × k(η) k(η) die geometrischenFasern von f bei s und η sind.Der folgende Satz ist das Hauptresultat <strong>der</strong> lokalen LefschetztheorieSatz 12.5 Sei f : X → T ein flacher eigentlicher Morphismus <strong>der</strong> Faserdimension n <strong>der</strong>art,dass die generische Faser X η glatt ist und die geometrische spezielle Faser X s genau einensingulären Punkt a hat; dieser sei eine gewöhnliche quadratische Singularität. Schließlich seiΛ = Z/l r für ein r ∈ N und eine Primzahl l die invertierbar auf T ist.(a) Für ν ≠ n, n + 1 ist sp : H ν (X x , Λ) → H ν (X η , Λ) ein Isomorphismus.(b) Ist n = 2m + 1 ungerade, so gilt über einer étalen Überlagerung von T :(i) Es gibt eine exakte Sequenz von Gal(k(η)/k(η))-Moduln0 → H n (X s , Λ) sp → H n (X η , Λ) α → Λ(m − n) → H n+1 (X s , Λ) sp → H n+1 (X η , Λ) → 0 .(ii) Sei <strong>der</strong> sogenannte verschwindende Zykel δ ∈ H n (X η , Λ)(m) dadurch definiert, dassα(x) = tr(x.δ) ist für x ∈ H n (X η , Λ). Dann gibt es einen Gal(k(s)/k(s))-äquivariantenCharacterχ : I → Z l (1) ,62


so dass für x ∈ H n (X η , Λ) und σ ∈ I die folgende Picard-Lefschetz-Formel giltσx = x + χ(σ)(x, δ)δ, wobei (x, δ) := tr(x.δ) .(iii) Es ist χ = m t l für ein 0 ≠ m ∈ Z, wobeit l : I → Z l (1)<strong>der</strong> fundamentale Charakter ist: seine Reduktion modulo l r , t l r : I → µ l r , ist dadurchgegeben, dass χ(σ) = σ( lr √ π)/l r √ π für jedes Primelement π in A = O(T ).(c) Ist n = 2m gerade, so gibt es nach Übergang zu einer endlichen étalen Überlagerung vonT einen nicht-trivialen Charakterϵ : G η → {±1}so dass gilt:(i) Es gibt eine exakte Sequenz von Gal(k(η/k(η))-Moduln0→H n (X s , Λ) sp → H n (X η , Λ) α → Λ(m − n)(ϵ)→H n+1 (X s , Λ) sp → H n+1 (X η , Λ)→0 ,wobei Λ(m − n)(ϵ) = Λ(m − n) ⊗ Λ(ϵ). Hier ist Λ(ϵ) ∼ = Λ als abelsche Gruppe, mit Operationvon G η via ϵ.(ii) Die Picard-Lefschetz-Formel lautet hierinsbeson<strong>der</strong>e gilt σx = x für σ ∈ Ker(ϵ).σx = x ± ϵ(σ) − 1 (x, δ)δ ;2Wir beweisen nur (a) und (b) (i) und (ii), für ungerades n = 2m + 1, da nur dies imFolgenden benötigt wird. Wir verwenden die folgende lokale Beschreibung von gewöhnlichenquadratischen Singularitäten.Lemma 12.6 Sei T = Spec A für einen strikt Henselschen Ring A und sei f : X → Tein flacher Morphismus von endlichem Typ. Sei die relative Dimension n von f ungerade.Dann hat die Faser X s über dem abgeschlossenen Punkt s ∈ T genau dann eine gewöhnlichequadratische Singularität im abgeschlossenen Punkt y ∈ X s , wenn es ein λ ≠ 0 aus demmaximalen Ideal m von A gibt, so dass X bei y und X n,λ = Spec R n,λ , mitR n,λ = A[x 0 , . . . , x n ]/(Q n + λ)beim abgeschlossenen Punkt y n = Spec (R n,λ /m + (x 0 , . . . , x n )) als A-Schemata lokal fürdie étale Topologie isomorph sind (d.h., es gibt über A isomorphe étale Umgebungen <strong>der</strong>geometrischen Punkte y und y n , d.h. , die strikten Henselisierungen OX,y h und O X n,λ ,y nsindisomorph über A). Hierbei ist(vergleiche 12.4 (b)).<strong>Beweis</strong>: Siehe SGA 7, 2, XV 1.3.2.Q n (x 0 , . . . , x n ) = x 0 x 1 + x 2 x 3 + . . . + x n−1 x n63


Wir benutzen nun die Theorie <strong>der</strong> verschwindenden Zykel aus §10.Nach Lemma 10.9 ist insbeson<strong>der</strong>e für eine isolierte gewöhnliche quadratische Singularitätwie in 12.5 <strong>der</strong> Komplex RΦΛ im singulären Punkt a konzentriert. Um den Halm bei a zuberechnen, genügt es nach 12.6, die folgende Situation zu betrachten, wobei T = Spec A wiein 12.6 ist.Sei X ⊂ P n+1Tdie projektive Quadrik <strong>der</strong> relativen Dimension n, die durch die GleichungQ n (X 0 , . . . , X n ) + λX n n+1 = 0 , 0 ≠ λ ∈ m ,definiert wird (mit Q wie oben, also mit n ungerade). Sei Y ⊂ X ⊂ P n+1 <strong>der</strong> Hyperebenenschnittmit <strong>der</strong> Hyperebene X n+1 = 0 , d.h., definiert durchQ n (X 0 , . . . , X n ) = 0 in < X n+1 = 0 > ∼ = P n T ,◦und sei X = X − Y das offene Komplement, das ist im affinen Raum A n+1T= P n+1T− H mitKoordinaten x 0 = X 0X n+1, . . . , x n =X nX n+1die singuläre QuadrikQ n (x 0 , . . . , x n ) + λ = 0 .◦X hat genau eine, gewöhnliche quadratische Singularität im Punkt a = (0, . . . , 0) <strong>der</strong> speziellenFaser ◦ Xs .Lemma 12.7 Die folgenden kanonischen Abbildungen (für Ψ und Ψ ′ siehe 10.8) sind Isomorphismenfür alle i:(a) H i ( ◦ Xη, Λ) Ψ−→ H i ( ◦ Xs, RΨ η Λ),(b) H i ( ◦ Xs, RΨ η Λ) ∼ → H i ({a}, RΨ η Λ) = (R i Ψ η Λ) a .(c) Hc( i Xs, ◦ RΨ η Λ) → Ψ′Hc( i Xη, ◦ Λ) ,(d) H i {a} ( ◦ Xs, RΨ η Λ) → H i c( ◦ Xs, RΨ η Λ).<strong>Beweis</strong> von Lemma 12.7 (b): Nach Lemma 10.9 ist RΦΛ im Punkt a konzentriert; damitgilt (b) für RΦΛ anstelle von RΨ η Λ. Wegen des ausgezeichneten Dreieckssp ∗ Λ ◦Xs−→ RΨ η Λ −→ RΦΛ −→und des Fünferlemmas reicht es also, Λ ◦ zu betrachten, und die Behauptung (b) folgt mitXsZ = ◦ Xs und f = Q aus <strong>der</strong> ersten Aussage des folgenden Lemmas.Lemma 12.8 Sei k ein Körper und Z ⊆ A n+1kdurch eine homogene Gleichung f(x 0 , . . . , x n ) =0 beschrieben. Dann sind für jedes in k invertierbare r ∈ N und alle i die Restriktionsabbildungen(1) H i (Z, Z/r) −→ H i ({0}, Z/r)(2) H i {0} (Z, Z/r) → Hi c(Z, Z/r)Isomorphismen.64


<strong>Beweis</strong> (1): Betrachte die Morphismen (12.8.1) Z f 0Z × A 1 mf 1Zwobei f 0 (x) = (x, 0), f 1 (x) = (x, 1), m((x 0 , . . . , x n ), y) = (yx 0 , . . . , yx n ) und p die ersteProjektion ist. Nach Satz 11.1 istp ∗ : H i (Z, Z/r) −→ H i (Z × A 1 , Z/r)ein Isomorphismus. Wegen pf 0 = pf 1 folgt f ∗ 0 = f ∗ 1 auf H i (Z × A 1 , Z/r), also gilt auch(mf 0 ) ∗ = f ∗ 0 m ∗ = f ∗ 1 m ∗ = (mf 1 ) ∗ . Aber mf 0 ist die Abbildung auf 0 = (0, . . . , 0), und mf 1ist die Identität. Hieraus folgt die Behauptung: für den Strukturmorphismus π : Z −→ Spec kund den durch den Nullpunkt gegebenen rationalen Punkt i 0 : Spec k −→ Z gilt πi 0 = id ,also i ∗ 0π ∗ = id, an<strong>der</strong>erseits gilt nach dem Gezeigten auch π ∗ i ∗ 0 = id.(2): Nach Voraussetzung ist Z ⊆ A n+1kdurch eine homogene Gleichung f(t 0 , . . . , t n ) = 0beschrieben. Sei W ⊆ P n+1kebenfalls durch f(X 0 , . . . , X n ) = 0 beschrieben undpZV = W ∩ < X n+1 = 0 > .Dann ist Z = W − V ⊆ W , und das Diagramm (12.8.1) erweitert sich zu einem Diagramm(12.8.2) W f 0f 1 W × A 1Wpµ Wwobei wie<strong>der</strong> f 0 = (id, 0) <strong>der</strong> Nullschnitt und f 1 = (id, 1) <strong>der</strong> Einschnitt ist, und µ((X 0 : . . . :X n+1 ), λ) = (X 0 : . . . : X n : λX n+1 ). Sei W ′ = W − {(0 : . . . : 0 : 1)}. Für die MorphismenW ′ → π V, x ↦→ (X 0 : . . . : X n : 0), und V ↩→ iW ′ gilt dann πi = id und damit i ∗ π ∗ = id in <strong>der</strong>Kohomologie, und weiter ist iπ = µf 0 und damit π ∗ i ∗ = f0 ∗ µ ∗ = f1 ∗ µ ∗ = (µf 1 ) ∗ = id, wobeidie Gleichheit f0 ∗ = f1 ∗ wie in (1) folgt. Damit ist i ∗ ein Isomorphismus. Die Behauptungfolgt nun mit dem kommutativen exakten Diagramm. . . H ν {(0:...:0:1)} (W ) H ν (W ) H ν (W ′ ) . . . H ν c (Z) H ν (W ) H ν (V ) . . . .i ∗<strong>Beweis</strong> von Lemma 12.7 (a): Es soll die Bijektivität <strong>der</strong> kanonischen AbbildungenΨ : H i ( ◦ Xη, Λ) −→ H i ( ◦ Xs, RΨ η Λ)gezeigt werden. Nach Konstruktion von Ψ genügt es zu zeigen, dass <strong>der</strong> Basiswechselmorphismusfür g : X T −→ T ,◦i ∗ Rg ∗ Rj ∗ Λ −→ R(g s ) ∗ i ∗ Rj ∗ Λ65


ein Quasiisomorphismus ist. Wir haben ein kommutatives DiagrammYX − {a}κ ′u6 6666666666 κ Xµ ′µ◦ X T − {a}❉ ❉❉❉❉❉❉❉❉❉❉❉u ′◦ X Tjj 1◦Xη ▲▲▲▲▲▲▲▲▲▲▲▲▲▲▲ fgg ηjT η .Setzen wir g 1 = gu ′ , so ist nach dem glatten Basiswechsel <strong>der</strong> Basiswechselmorphismusg ∗ 1Rj ∗ Λ η∼−→ R(j 1 ) ∗ Λein Quasiisomorphismus. Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass T = Spec A mit A =ganzer Abschluss von A in K(η). Dann ist j eine offene Immersion und Rj ∗ Λ η = j ∗ Λ η = Λ,also Rj ∗ Λ = R(u ′ ) ∗ R(j 1 ) ∗ Λ ∼ = R(u ′ ) ∗ g ∗ 1Λ = R(u ′ ) ∗ Λ. Wir haben also zu zeigen, dass <strong>der</strong>Basiswechselmorphismusi ∗ Rg ∗ Ru ′ ∗Λ −→ R(g s ) ∗ i ∗ Ru ′ ∗Λein Quasiisomorphismus ist. Es gibt ein ausgezeichnetes DreieckE −→ Λ −→ Ru ′ ∗Λ −→ ,worin E in {a} konzentriert ist. Da {0} −→ X◦ −→ gT eigentlich ist, gilt Basiswechsel für E;nach dem Fünferlemma können wir also Ru ′ ∗Λ durch Λ ersetzen. Da f eigentlich ist, giltfür Rf ∗ Basiswechsel, und wir haben Basiswechsel für Rµ ∗ Λ und i ∗ zu zeigen. Wegen desausgezeichneten Dreiecksκ ∗ Rκ ! Λ −→ Λ −→ Rµ ∗ µ ∗ Λ −→genügt es, Basiswechsel für Rκ ! Λ und i ∗ zu zeigen. Es ist aber Rκ ! Λ = R(κ ′ ) ! u ∗ Λ = R(κ ′ ) ! Λ,und die Behauptung folgt wegen Reinheit für das glatte T -Paar (Y , X − {a}), die besagt,dass R(κ ′ ) ! Λ lokal isomorph zu Λ[−1] ist.<strong>Beweis</strong> von 12.7 (d): Wir haben ein ausgezeichnetes Dreiecksp ∗ Λ → RΨ η Λ → RΦΛ → ,in dem RΦΛ in a konzentriert ist. Es genügt daher, Λ zu betrachten, und die Behauptungfolgt aus 12.8 (2).<strong>Beweis</strong> von 12.7 (c): Das Diagramm von SchemataY ❁ κ X ❁❁❁❁❁❁❁❁µ◦ X ThfTg8 888888866


induziert den folgenden Morphismus von langen exakten KohomologiesequenzenΨ −1Ψ ′ ◦X: H i c( ◦ Xs, RΨ η Λ)(1)X = Ψ′ X : Hi (X s , RΨ η Λ)(2)˜Ψ −1 = ˜Ψ ′ : H i (Y s , κ ∗ sRΨ η Λ)∼H i c( ◦ Xη, Λ)H i (X η , Λ)∼ H i (Y η , Λ)Die Rechtecke (1) existieren nach 10.7. (ii), und Ψ ′ X ist ein Isomorphismus, da X eigentlichüber T ist.Mit den Bezeichnungen aus dem folgenden Diagramm◦◦Xη j 0 X i 0◦ Xsµ ηµµ s jX η❄ ❄❄❄❄❄❄❄ηκ ηX❁ ❁❁❁❁❁❁❁ f jη Y Yη f Y8 88888888 ✂ ✂✂✂✂✂✂✂j iTκii YX s ❄ ❄❄❄❄❄❄❄κ s s Y s7 77777777f swerden die Rechtecke (2) von den folgenden kommutativen Diagrammen von Komplexeninduziert (durch Nehmen <strong>der</strong> globalen Schnitte):R(f s ) ∗ i ∗ Rj ∗ j ∗ ΛΨ X∼i ∗ Rf ∗ Rj ∗ j ∗ ΛR(f s ) ∗ i ∗ Rj ∗ (κ η ) ∗ (κ η ) ∗ j ∗ X Λ˜Ψ∼i∗ Rf ∗ Rj ∗ (κ η ) ∗ (κ η ) ∗ j ∗ X ΛDabei sind Ψ X und ˜Ψ Isomorphismen nach dem eigentlichen Basiswechsel.Die untere rechte Ecke liefert nach Definition die Kohomologie H i (Y η , (κ η ) ∗ j ∗ X Λ) = Hi (Y η , Λ).Für die untere linke Ecke haben wir einen Isomorphismusi ∗ Rj ∗ (κ η ) ∗ κ ∗ ηjΛ (1)= i ∗ κ ∗ R(j Y ) ∗ κ ∗ ηj ∗ Λ(2)= (κ s ) ∗ i ∗ Y R(j Y ) ∗ Λ (3)= (κ s ) ∗ Λ ,67


in dem (1) von <strong>der</strong> Komposition <strong>der</strong>ivierter Funktoren kommt (wobei κ ∗ = Rκ ∗ , da κ ∗exakt ist), (2) vom eigentlichen Basiswechsel, und (3) vom kanonischen Morphismus Λ →i ∗ Y R(j Y ) ∗ Λ = RΨη Y Λ in die nahen Zykel von Y , <strong>der</strong> ein Isomorphismus ist, da Y → T glattist.Ebenso induziert <strong>der</strong> kanonische MorphismusΛ → RΨ η Λin die nahen Zykel von X einen IsomorphismusΛ = κ ∗ sΛ → κ ∗ sRΨ η Λ ,da X glatt an allen Punkten x ∈ Y s ist. Also liefert die linke untere Ecke auch die KohomologieH i (Y s , κ ∗ sRΨ η Λ), was die Kommutativität des Rechtecks (2) oben zeigt.Die Spalten sind beide exakt, und dies impliziert, dass auch Ψ ′ ( ◦ X) ein Isomorphismus ist.Wir kommen nun zur Berechnung <strong>der</strong> verschwindenden Zykel. Nach 12.7 (a) und (b) habenwir IsomorphismenH i ( Xη, ◦ ∼Λ) −→ (R i Ψ η Λ) a , ;es gilt also, die geometrische Kohomologie <strong>der</strong> glatten Quadrik ◦ Xη über η zu berechnen.Sei also k ein Körper, X ⊆ P n+1keine glatte Quadrik <strong>der</strong> Dimension n, gegeben durchq(x 0 , . . . , x n+1 ) = 0 ,Y = X ∩ H ein glatter Hyperebenenschnitt und ◦ X = X − Y das offene Komplement. Seiη ∈ H 2 (P n+1 , Λ(1))kdie Klasse von H (d.h., des zugehörigen kanonischen Bündel O(1)), und bezeichne mit ηauch das Bild in H 2 (X k, Λ(1) und H 2 (Y k, Λ(1)).Satz 12.9 Es gibt die folgenden Gal(k/k)-Isomorphismen.(i) Für X(a)H ν (X k, Λ) ∼ ={0 , ν ungerade,Λ(−µ) , ν = 2µ ≠ n, 0 ≤ µ ≤ n.(b) Es gibt eine Basis ξ µ von H 2µ (X k, Λ(µ)) (2µ ≠ n) mit{η µ ξ µ , 0 ≤ 2µ < n,=2ξ µ , n < 2µ ≤ 2n .(c) Ist n = 2m gerade, so hat man nach Übergang zu einer endlichen separablen Erweiterungvon k GaloisisomorphismenH 2m (X k, Λ) ∼ = Λ(−m) ⊕ Λ(−m) ,68


H 2m (X k, Λ(m))/Λη m ∼ = Λ .(ii) Für X: ◦ Ist n = 2m + 1 ungerade, so gilt⎧⎪⎨ 0 ν ≠ 0, n,H ν ( X ◦ k, Λ) = Λ ν = 0,⎪⎩(H 2m (Y k, Λ(m))/Λη m ) ∨ (−m − 1) ν = n = 2m + 1.<strong>Beweis</strong> (Skizze) (i) Man hat eine lange exakte Kohomologiesequenz. . . → H ν c (P n+1k− X k) → H ν (P n+1 ) → H ν (Xkk) → Hc ν+1 (P n+1 − Xk k) → . . . ,(Koeffizienten Λ), und nach schwachem Lefschetz (P n+1 − X ist affin, da X durch eineGleichung definiert wird!) ist H c µ (P n+1 − Xk k) = 0 für µ < n + 1. Es folgtH ν (P n+1 ) −→ ∼H ν (Xkk) für ν < nund damit die Behauptung (a) für ν < n. Für ν > n folgt (a) dann mit Poincaré-Dualität:H ν (X k) ∼ = H 2n−ν (X k) ∨ (−n) .(b) folgt daraus, dass tr X η n =< H n · X >= deg X = 2 : wählt man für 2µ > n einErzeugendes ξ µ mit < η n−µ · ξ µ >= tr X η n−µ ξ µ = 1 , so muss η µ = 2ξ µ sein. (Offenbar gelten(a) und (b) allgemeiner für eine Hyperfläche X vom Grad d im P n+1k, wenn man in (b)die Zahl 2 durch d ersetzt; vergleiche auch die Berechnung für vollständige Durchschnitte inSGA 4, XI 1.6).Für (c) beachten wir, dass wir nach Übergang zu einer endlichen (separablen) Erweiterungvon k durch linearen Koordinatenwechsel annehmen können, dassq(x 0 , . . . , x 2m+1 ) =m∑x i x m+1+i .i=0Der lineare Teilraum P m k∼ = D ↩→ αP 2m+1 , <strong>der</strong> durchkx 0 = x 1 = . . . = x m = 0beschrieben wird, ist dann in X enthalten (In <strong>der</strong> Terminologie von SGA 4, XII 2.7 ist Deine “génératrice”). Für das Komplement haben wir einen wohldefinierten Morphismusp : X − D → P m k(x 0 : . . . : x 2m+1 ) ↦→ (x 0 : . . . : x m ) .Für jede Standard-affine Varietät U i =< x i ≠ 0 >⊆ P m k(0 ≤ i ≤ m) istp −1 (U i ) ∼−→ A m k× U ix = (x 0 : . . . : x 2m+1 ) ↦→ (( x m+1, x m+2, . . . , ( x̂m+1+i), . . . , x 2m+1, p(x)) ,x i x i x ix i69


wobei â die Auslassung von a anzeigt. Dies zeigt, dass X − D ein affines Faserbündel überist und p dieselben Eigenschaften wie das p in Satz 11.1 hat, d.h.,P m kp ∗ : H i (P m k , Λ) ∼−→ H i (X k− D k, Λ)ist ein Isomorphismus. Die relative Kohomologiesequenz. . . →H ν−1 (D k)→H ν c (X k− D k)→H ν (X k)→H ν (D k)→H ν+1c (X k− D k)→ . . .(Koeffizienten Λ) und die Poincaré-DualitätH ν c (X k− D k) ∼ = H 4m−ν (X k− D k) ∨ (−2m) ∼ = H 4m−ν (P m k )∨ (−2m)liefern nun ein kommutatives Diagramm mit exakter ZeileΛ(−m)Λ(−m)0 H 2m (P m k )∨ (−2m) H 2m (X k) H 2m (D k) 0α ∗H 2m (P n+1 )kDabei ist die Restriktionsabbildung α ∗ ein Isomorphismus, da D ein linearer Teilraum vonP n+1 ist (dies folgt sofort aus Satz 11.2). Weiter ist das Bild von H 2m (P n+1 , Λ(m)) →kkH 2m (X k, Λ(m)) gerade Λη m , und wir erhalten (c).(ii) folgt nun aus <strong>der</strong> relativen Kohomologiesequenz. . . →H ν−1 (X k) → H ν−1 (Y k) → H ν c ( ◦ X k) → H ν (X k) β → H ν (Y k) → . . . .Wegen des kommutativen DiagrammsH 2µ (X k) H 2µ (Y k)H 2µ (P n+1 )k∼H 2µ (H k)(µ < n)und wegen (i) ist nämlich β injektiv für ν = 2m und bijektiv für ungerades ν und für geradesν ≠ 2m, ν < 2n = 4m + 2 (für l = 2 betrachte zuerst Λ = Z/2 r für r ≥ 2 und dann Z/2).Hieraus folgt sofort, dass Hc ν ( X ◦ k) = 0 für ν ≠ 2m + 1, 2n, Hc2n ( X ◦ k) ∼ = Λ(−n) undH 2m+1c ( ◦ X k) ∼ =Coker(H 2m (X k)→H 2m (Y k))=(H 2m (Y k, Λ(m))/Λη m )(−m) .Die Behauptung folgt nun mit Poincaré-Dualität für ◦ Xk.Lemma 12.10 In <strong>der</strong> allgemeinen Situation verschwinden<strong>der</strong> Zykel hat man für jeden abgeschlossenenPunkt a ∈ X η eine kanonische Paarung(R ν Ψ η Λ) a × H 2n−ν{a}(X s , RΨ η Λ) → Λ(−n) ,70


die für jede étale Umgebung U von a in X mit <strong>der</strong> Poincaré-Paarung auf U η verträglich ist,d.h., das Diagramm(12.10.1) (R ν Ψ η Λ) a × H 2n−ν{a}(X s , R ν Ψ η Λ) Λ(−n)H ν (U s , R ν Ψ η Λ)ΨH ν (U η , Λ)H 2n−νc (U s , R ν Ψ η Λ)Ψ ′× Hc 2n−ν (U η , Λ) Λ(−n)ist kommutativ.<strong>Beweis</strong>: Da(R ν Ψ η Λ) a = (R ν j ∗ Λ) a = lim→UH ν (U η , Λ) ,wobei <strong>der</strong> Limes über die étalen Umgebungen von a läuft, kann die Paarung durch dieDiagramme 12.10.1 definiert werden – man beachte, dass für U ′ → U das Diagramm <strong>der</strong>Poincaré-PaarungenH ν (U η, ′ Λ) × Hc 2n−ν (U η, ′ Λ) Λ(−n)H ν (U ′ η, Λ)× Hc 2n−ν (U η, ′ Λ) Λ(−n)kommutativ ist.Lemma 12.11 In <strong>der</strong> Situation von Lemma 12.7 ist die kanonische Paarungnicht ausgeartet.(R ν Ψ η Λ) 0 × H 2n−ν{0}( ◦ Xη, R ν Ψ η Λ) → Λ(−n)<strong>Beweis</strong>: nach 12.7 (a) - (d) sind die vertikalen Morphismen in (12.10.1) Isomorphismen fürU = ◦ X, außerdem ist die Poincaré-Paarung nicht ausgeartet für U η , da dies glatt ist.Wir haben nun alle Mittel zusammen für den <strong>Beweis</strong> von Satz 12.5 (lokale Lefschetz-Theorie) (a) und (b) (i) +(ii), für n = 2m + 1 ungerade:Sei f : X → T flach eigentlich mit genau einer, gewöhnlichen quadratischen Singularitäta ∈ X s . Nach <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> verschwindenden Zykel haben wir eine lange exakte Sequenzvon G η -Moduln (siehe (10.8.2))(12.5.1) → H ν (X s , Λ) sp−→ H ν (X η , Λ) → (R ν ΦΛ) a → H ν+1 (X s , Λ) sp−→ H ν+1 (X η , Λ) → .Die Berechnung von (R ν ΦΛ) a ist ein lokales Problem, und nach Lemma 12.6 können wirnach Übergang zu einer étalen Überlagerung von T annehmen, dass f Standardform besitzt,d.h., dass X in P n+1Tdurch die GleichungQ n (x 0 , . . . , x n ) + λx 2 n+1 = 071


definiert wird, für ein 0 ≠ λ ∈ m. Nach Lemma 12.7 (a) und (b) istH i ( ◦ X η, Λ)∼−→ (R i Ψ η Λ) a◦für alle i. Dabei ist X η das Komplement des glatten Hyperebenenschnittes Y η in X η , <strong>der</strong> in< x n+1 = 0 > ∼ = P n η durchQ n (x 0 , . . . , x n ) = 0beschrieben wird. Nach 12.9 (d) istH ν ( ◦ Xη, Λ) ∼ =⎧⎨⎩0 ν ≠ 0, nΛ ν = 0 ,Λ(−m − 1) ν = n = 2m + 1 .Für n = 2m +1 hat nämlich Q n (x 0 , . . . , x n ) gerade die im <strong>Beweis</strong> von 12.9 (c) angenommenem∑Form: x i x m+1+i ; damit ist H 2m (Y η , Λ(m))/Λη m ∼ = Λ. Zusammen mit <strong>der</strong> exaktenSequenzi=0und den Isomorphismen0 → Λ → R 0 ψ η Λ → R 0 ΦΛ → 0 ,R ν ψ η Λ ∼−→ R ν ΦΛ (ν > 0)(von dem ausgezeichneten Dreieck Λ → Rψ η Λ → RΦΛ →) erhalten wir{ 0 ν ≠ n(12.5.2) (R ν ΦΛ) a =Λ(−m − 1) ν = n = 2m + 1 .Dies liefert Isomorphien(12.5.3) H ν (X s , Λ) sp−→∼H ν (X η , Λ) ν ≠ n, n + 1und eine exakte Sequenz von G η -Moduln(12.5.4) 0→H n (X s , Λ) sp →H n (X η , Λ) α →Λ(m − n)→H n+1 (X s , Λ)→H n+1 (X η , Λ)→0 ,d.h., 12.5 (a) und (b) (i).Für die Operation <strong>der</strong> Trägheitsgruppe I auf H n (X η , Λ) betrachten wir die in 10.7 definierteVariationV ar(σ) : RΦΛ −→ RΨ η Λ (σ ∈ I) .Da RΦΛ in a konzentriert ist, faktorisiert die induzierte Abbildung in <strong>der</strong> KohomologieH n (X s , RΦΛ) V ar(σ) H n (X s , RΨ η Λ)(R n ΦΛ) aV ar a (σ) H n {a} (X s, RΨ η Λ) ,Nach (12.10.1) haben wir ein kommutatives Diagramm von PaarungenH n (X η , Λ)× H n (X η , Λ) Λ(−n)α=Ψ aΨ ′ a(R n Φ η Λ) ∼ a → (R n Ψ η Λ) a × H{a} n (X s, RΨ η Λ (,) Λ(−n) ,72


wobei die obere die nicht-ausgeartete Poincaré-Paarung und die untere nicht-ausgeartet nach12.11 ist. Sei η ein Erzeugendes von (R n ψ η Λ) a (m + 1) ( ∼ = Λ), sei ξ das Erzeugende vonH n {a} (X s, Rψ η Λ)(m) mit(η, ξ) = 1 ,und seiδ = Ψ ′ a(ξ) ∈ H n (X η , Λ(m)) .Dann gilt (ψ a x, ξ) = < x, δ >∈ Λ(m − n) für x ∈ H n (X η , Λ) , alsoα(x) = Ψ a (x) = < x, δ > ·η .Wir haben in <strong>der</strong> exakten Sequenz (12.5.4) die IdentifizierungH n (X η , Λ)benutzt und bemerken, dass diese das Inverse vonist. Hieraus folgt die FormelH n (X s , RΨ η Λ)Ψ−→∼H n (X s , RΨ η Λ)Ψ ′−→∼H n (X η , Λ)(σ − 1) x = Ψ −1 (σ − 1) Ψ x= Ψ −1 V ar(σ) ResΨ x= Ψ ′ a V ar a (σ) Ψ a xfür x ∈ H n (X η , Λ) , wobei Res : H n (X s , RΨ η Λ) → H n (X s , RΦΛ) die Restriktion ist.Wir erinnern nun an die Formel 10.8.2V ar(στ) = V ar(σ) + V ar(τ) + V ar(σ)(τ − 1) .Da I trivial auf (R n ΦΛ) a∼ = Λ(m − n) operiert, ist <strong>der</strong> letzte Term null, und damit istV ar a : I ↦→ Hom Λ ((RΦΛ) a , H{a} n (X s, R Ψ η Λ))σ ↦→ V ar a (σ)ein Homomorphismus. Identifizieren wir die Zielgruppe mitHom Λ ((RΦΛ) a (m + 1), H n {a}(X s , RΨ η Λ(m))(1) = Λ(1) · φ ,φ(η) = ξ , und V ar a mit einem Charakter(12.5.5) χ : I −→ Λ(1) , V ar a (σ) = χ(σ) · φso erhalten wir die Formeld.h., 12.5 (b)(ii).(σ − 1) x = Ψ ′ a χ(σ) < x, δ > ξ = χ(σ) < x, δ > δBemerkung 12.12 Man kann zeigen, dass <strong>der</strong> Isomorphismus(R n Ψ η Λ) a (m + 1) ∼ = Λ73


durch die Konstruktion in 12.9 eindeutig bis aufs Vorzeichen ist. Dadurch wird auch <strong>der</strong>verschwindende Zykel δ bis aufs Vorzeichen festgelegt. Für gegebenes χ ≠ 0 ist δ auch durchdie Konstruktion im <strong>Beweis</strong> und die Formel(σ − 1)x = χ(σ) < x, δ > δbis aufs Vorzeichen bestimmt. Man vergleiche 12.5 (iii) - tatsächlich kann man zeigen, dassfür das χ in (12.5.5) gilt:χ(σ) = (−1) m+1 v(λ) t l ,wobei v die auf Eins normierte Bewertung von A und λ das Element aus 12.6 ist.74


13 <strong>Beweis</strong> von <strong>Delignes</strong> SatzNach den Reduktionen in §6 (siehe die Reduktionen 6 und 7) genügt es zu zeigen:Satz 13.1 Sei X eine glatte projektive, geometrisch irreduzible Varietät <strong>der</strong> geraden Dimensiond über F q . Für jedes ι : Q l → C sind die Eigenwerte des Frobenius auf H d (X, Q l ) vomι-Gewicht ≤ d + 1.<strong>Beweis</strong> Wir führen Induktion über d (gerade). Der Fall d = 0 ist trivial; sei also d = n+1 ≥2, n = 2m + 1. Durch eventuelle Basiserweiterung von F q können wir annehmen, dass X einüber F q definiertes Lefschetzbüschel f : ˇX → P ∼ = P 1 besitzt, wobei mit den Bezeichnungenvon Satz 12.1(i) alle in 12.1 gemachten Annahmen gelten,(ii) U = P − Σ einen F q -rationalen Punkt u hat,(iii) X u = H u · X einen glatten über F q definierten Hyperebenenschnitt Y u hat.Nach einem Satz über die Kohomologie von Aufblasungen (siehe SGA 5VII §8) ist H d (X, Q l )ein direkter Faktor von H d ( ˜X, Q l ); genauer ist hierH d ( ˜X, Q l ) ∼ = H d (X, Q l ) ⊕ H d−2 (X ∩ A, Q l )(−1) ,wobei A die Achse des Lefschetzbüschels ist. Daher genügt es, die Frobenius-Eigenwerte aufH d ( ˜X, Q l ) zu betrachten. Wir haben die Leray-Spektralsequenz(13.1.1) E p,q2 = H p (P , R q f ∗ Q l ) ⇒ H p+q ( ˜X, Q l ) ,die aus den Spektralsequenzen(13.1.2) E p,q2 = H p (P , R q f ∗ Z/l ν Z) ⇒ H p+q ( ˜X, Z/l ν Z)durch Übergang zum projektiven Limes über die Z/l ν Z und durch Tensorisieren mit Q l(über dem Ring Z l = lim Z/l ν Z) entsteht. Nach dem eigentlichen Basiswechselsatz sind alle←,νGruppen in (13.1.2) endlich, und <strong>der</strong> projektive Limes ist exakt auf projektiven Systemenvon endlichen Gruppen; daher erhält man aus den Spektralsequenzen (13.1.2) tatsächlichwie<strong>der</strong> eine Spektralsequenz (13.1.1).Nach dieser genügt es zu zeigen, dass für alle (p, q) mit p + q = d = n + 1 die Frobenius-Eigenwerte auf E p,q2 vom ι-Gewicht ≤ d + 1 = n + 2 sind. Da H p (P , −) = 0 für p ≠ 0, 1, 2,sind dies die Gruppen E 0,n+12 , E 1,n2 und E 2,n−12 .(A): Betrachte E 2,n−12 = H 2 (P , R n−1 f ∗ Q l ): Sei Λ = Z/l ν Z. Für jeden abgeschlossenen Punkts von P und den generischen Punkt η von P haben wir gesehen, dass sich die Spezialisierungsabbildung(13.1.3) (R ν f ∗ Λ) s → (R ν f ∗ Λ) ηmit <strong>der</strong> Spezialisierungsabbildung(13.1.4) H ν (X s , Λ) sp → H ν (X η , Λ)75


aus Satz 12.5 identifiziert (eigentlicher Basiswechsel; siehe die Bemerkungen vor 12.5). Nach12.5 (a) ist (13.1.4) ein Isomorphismus für ν ≠ n, n+1, also insbeson<strong>der</strong>e für ν = n−1. Daherist (13.1.3) ein Isomorphismus für ν = n − 1, und da dies für alle s gilt, folgt hieraus, dassR n−1 f ∗ Λ lokal konstant ist (Lemma 2.6). Daher ist R n−1 f ∗ Q l glatt, und entspricht einer Q l -Darstellung von π 1 (P, η). Man weiß nun aber, dass für die geometrische Fundamentalgruppegilt(13.1.5) π 1 (P , η) = {1} .(Dies folgt aus <strong>der</strong> Riemann-Hurwitz-Formel). R n−1 f ∗ Q l ist also konstant auf P , und nachLemma 8.1 (a) giltH 0 (P , R n−1 f ∗ Q l ) = (R n−1 f ∗ Q l ) yfür jeden geometrischen Punkt y von P . Nehmen wir y = u, so erhalten wir(R n−1 f ∗ Q l ) u = H n−1 (X u , Q l ) = H n−1 (X u , Q l ) .Weiter erhalten wir aus dem schwachen Lefschetz eine InjektionH n−1 (X u , Q l ) ↩→ H n−1 (Y u , Q l ) ,und nach <strong>der</strong> Induktion über die Dimension (dim Y = dim X − 2 = n − 1) ist H n−1 (Y u , Q l )von ι-Gewicht ≤ n < n + 2.(B): Betrachte E 0,n+12 = H 0 (P , R n+1 f ∗ Q l ): Aus dem lokalen Lefschetz-Theorem folgt eineexakte Sequenz für j : U ↩→ P :(13.1.6) ⊕s∈ ∑ Q(m − n) s → R n+1 f ∗ Q l → j ∗ j ∗ R n+1 f ∗ Q l → 0 ,wobei j ∗ j ∗ R n+1 f ∗ Q l konstant auf P ist und Q l (m−n) s die in s konzentrierte Garbe Q l (m−n)bezeichnet. Dies folgt aus <strong>der</strong> exakten Sequenz(13.1.7) Q l (m − n) → (R n+1 f ∗ Q l ) ssp→ (R n+1 f ∗ Q l ) η → 0(siehe Satz 12.5 (b) (i)), sowie <strong>der</strong> Tatsache, dass f| U : ˜X ×p U → U glatt und eigentlich ist,also R ν f ∗ Q l | U glatt für alle ν nach dem gleichen Argument wie in (A) (sp ist ein Isomorphismusfür s ∈ U, da die verschwindenden Zykel dann null sind). Schließlich operiert wegen <strong>der</strong>Surjektivität von sp in (13.1.7) für jedes s ∈ P die Trägheitsgruppe I s ⊂ G η trivial, so dassdie Operation von π 1 (U, η) über π 1 (P , η) = {1} faktorisiert, also einer konstanten Garbe aufP entspricht. Da für i : Σ ↩→ P <strong>der</strong> Funktor i ∗ exakt ist, gilt H p (P , i ∗ G) ∼ = H p (Σ, G) = 0für p > 0 und jede Garbe G auf Σ, also für jede Garbe F auf P , die auf Σ konzentriert ist(⇔ j ∗ F = 0 ⇔ F = i ∗ i ∗ F), also auch für jeden Quotienten von ⊕ s Q l (m − n) s . Dies lieferteine exakte Sequenz(13.1.8) ⊕ Q l (m − n) → E 0,n+12 → H n+1 (X u , Q l ) → 0s∈ΣNach schwachem Lefschetz hat man eine SurjektionH n−1 (Y u , Q l )(−1) ↠ H n+1 (H u , Q l ) ,und E 0,n+12 wird von Garben eingeschlossen, <strong>der</strong>en ι-Gewichte −2m + 2n = −2m + 4m + 2 =2m + 2 = d + 1 bzw. ≤ n − 1 + 1 + 2 = d + 1 sind.76


(C): Betrachte E 1,n2 = H 1 (P , R n f ∗ Q l ). Für diesen Fall benötigen wir einige Vorbetrachtungen.Definition 13.2 Sei Z ein irreduzibles normales Schema und D ⊆ Z ein Divisor. Sei η eingenerischer geometrischer Punkt von V = Z − D.(a) Für einen geometrischen Punkt a über einem generischen Punkt a von D sei OZ,a h dieHenselisierung von Z in a (wegen <strong>der</strong> Normalität von Z und dim O Z,a = 1 ist dies einHenselscher diskreter Bewertungsring), und setze Z(a) = Spec(OZ,a h ) und Z(a) ◦ = Z(a) −{a} = Spec(K a ), wobei K a = Quot(OZ,a h ). Sei Osh Z,a die strikte Henselisierung von O Z,a undk(η) ein separabler Abschluss von k(η). Für jede SpezialisierungSpec(k(η))■ ■■■■■■■■■■Spec(O shZ,a )✉Z✉✉✉✉✉✉✉✉✉von η nach a (siehe Definition 2.4; man spricht auch von einem Weg von η nach a) heißt dasBild des von <strong>der</strong> Faktorisierung O Z,a → K a → k(η) induzierten Homomorphismusπ 1 ( ◦ Z(a), η) → π 1 (V, η)eine Zerlegungsgruppe bei a (Es folgt, dass diese bis auf Konjugation in π 1 (V, η) bestimmtist). Entsprechend heißt das Bild <strong>der</strong> Trägheitsgruppe von π 1 ( ◦ Z(a), η) eine Trägheitsgruppebei a. (Diese Bildungen sind auch möglich, wenn man für π 1 (V, −) und π 1 ( ◦ Z(a), −) an<strong>der</strong>egeometrische “Basis-”Punkte s und t als η wählt – vermöge <strong>der</strong> Isomorphien π 1 (V, η) ∼ →π 1 (X, s) und π 1 ( ◦ Z(a), η) ∼ → π 1 ( ◦ Z(a), t) , die man durch Spezialisierungen von η nach s bzw.t erhält und die bis auf Konjugation eindeutig sind.)(b) Eine étale Überlagerung V ′ von V heißt zahmverzweigt entlang D, wenn für alle geometrischenPunkte a von D die Operation <strong>der</strong> Trägheitsgruppen bei a auf <strong>der</strong> π 1 (V, η)-MengeV η ′ = Hom V (η, V ′ ) über den zahmen Quotienten <strong>der</strong> Trägheitsgruppen faktorisiert.Bemerkungen 13.3 Sei V ′ eine galoissche Überlagerung von V , mit Galoisgruppe G, undsei Z ′ die Normalisierung von Z in V ′ (bzw. im Funktionenkörper von V ′ ). Dann sind dieZerlegungsgruppen über a die Gruppen {σ ∈ G | σa ′ = a ′ } (= {σ ∈ G | σa ′ = a ′ }) für einenPunkt a ′ von V ′ über a (bzw. ein a ′ ∈ Hom Z (a, Z ′ )). V ′ ist zahm-verzweigt bei a, wenndie Ordnung aller Trägheitsgruppen über a in G prim zu char K(a) ist. Man nennt auchmanchmal Z ′ eine entlang D zahm-verzweigte Überlagerung von Z.Es folgt, dass es einen Quotienten π1(Z, t D, η) von π 1 (V, η) gibt, <strong>der</strong> alle entlang D zahmverzweigtenÜberlagerungen von V klassifiziert: dies ist <strong>der</strong> Quotient nach dem Normalteiler,<strong>der</strong> von allen Verzweigungsgruppen über allen generischen Punkten a von D erzeugt wird.Eine étale Überlagerung V ′ von V ist zahm-verzweigt entlang D genau dann, wenn dieOperation von π 1 (V, η) auf V η ′ über π1(Z, t D, η) faktorisiert. Man hat Surjektionenπ 1 (V, η) ↠ π t 1(Z, D, η) ↠ π 1 (Z, η) .Lemma 13.4 (Lemma von Abhyankhar) Sei Z = Spec A für einen regulären lokalen RingA , f 1 , . . . , f r ein Teil eines regulären Parametersystems und D ⊂ Z durch das Ideal (f 1 ·77


f 2 . . . f r ) definiert (dies bedeutet, dass D ein Divisor mit normalen Überkreuzungen ist). SeiV ′ eine étale Überlagerung von V = Z − D , die zahm-verzweigt entlang D ist. Dann gibtes n 1 , . . . , n r ∈ N , die prim zur Rest- klassencharakteristik p von A sind, so dass fürZ 1 = Spec(A[T 1 , . . . , T r ]/(T n 11 − f 1 , . . . , T n rr − f r ))die Normalisierung Z ′ 1 von Z 1 in V × z Z 1 eine étale Überlagerung von Z 1 ist:Z 1′ ❅ ❅❅❅❅❅❅7 777777Z ′ ❆ Z❆ 1❆❆❆❆❆❆5 5555555Z(Z ′ = Normalisierung von Z in V ′ ). Z 1 ist regulär.Für den <strong>Beweis</strong>, <strong>der</strong> nicht sehr schwierig ist, sei auf SGA 1 XIII 5.2 verwiesen.Corollar 13.5 Ist in 13.4 A strikt Henselsch, so ist jede zusammenhängende, entlang Dzahm-verzweigte Überlagerung Z ′ → Z ein Quotient einer Kummer- Überlagerung Z 1 , wiein 13.4. Insbeson<strong>der</strong>e gibt es einen kanonischen Isomorphismus∏∼t Z,D : Z l (1) −→ Π t 1(Z, D, η) ,l≠Pwobei p die Restklassencharakteristik von A ist.<strong>Beweis</strong> Da in <strong>der</strong> Situation von 13.4 <strong>der</strong> Morphismus Z 1 → Z endlich ist, ist Γ(Z 1 , O Z1 )wie<strong>der</strong> strikt Henselsch ([Mi] I 4.3). Daher ist Z ′ 1 die disjunkte Summe von Kopien von Z 1 ,und die erste Behauptung folgt. Die zweite Aussage folgt daraus, dass das Urbild V 1 von Vin Z 1 galoissch über V ist mit GaloisgruppeG → ∼ ∏ r µ nii=1√ √σ ↦→ (σ(T i )/T i ) = (σ n i fi / n i fi ) .Es folgt noch, dass sich <strong>der</strong> Faktor µ ni mit <strong>der</strong> (!) Zerlegungsgruppe beim generischen Punktvon Spec A/(f i ) ⊆ D identifiziert.Wir kehren nun zurück zu unserem Lefschetzbüschel für gerades n + 1 = dim X. Wirkönnen annehmen, dass die Dimension <strong>der</strong> dualen Varietät X ∨ ⊆ (P N ) ∨ gleich N − 1 ist:Ist dim X ∨ < N − 1, so gibt es nach 14.16 eine Gerade P ⊆ (P N ) ∨ mit P ∩ X ∨ = ∅ , es wäredann U = P und f : X ∼ → P glatt. Dann sind alle R ν f ∗ Q l glatt, also konstante Garben aufP wegen (13.1.5), also E 1,n2 = 0, da H 1 (P , Q l ) = Hom(π 1 (P ), Q l ) = 0. Wir betrachten füreinen generischen geometrischen Punkt η von P die π 1 (U, η)-Q l -Darstellung (l ≠ char(k))V = (R n f ∗ Q l ) η .Proposition 13.6 Unter den gemachten Annahmen faktorisiert die Operation von π 1 (U, η)auf V über π t 1(P, Σ, η), d.h., V ist zahm-verzweigt entlang Σ.78


<strong>Beweis</strong> Für jedes s ∈ Σ ist die Operation einer Trägheitsgruppe bei s durch das lokaleLefschetztheorem 12.5 (b) (ii) für den Morphismus ∼ X × P Spec O h P,s → Spec Oh P,s gegeben.Da mit den dortigen Bezeichnungen die Operation nur von einem Charakterχ : I −→ Z l (1)abhängt, <strong>der</strong> notwendigerweise zahm ist (da l ungleich <strong>der</strong> Charakteristik p von k(s) ist),folgt die Behauptung.Für die Wahl eines Weges von η nach s (vergleiche Definition 13.2 (a)) seiγ s: ∏ l≠pZ l (1) t p(s),s−→∼π t 1(P (s), {s}, η) −→ π t 1(P, Σ, η)(p = char(k)) die Komposition des induzierten Homomorphismus mit dem Inversen desIsomorphismus aus 13.5. Dann ist γ s wohldefiniert bis auf Konjugation in π t 1(P, Σ, η).Proposition 13.7 Es sei angenommen, dass sich P und X ∨ nur im glatten Ort von X ∨schneiden, und dort transversal (dies kann man nach einer Variante des Bertini-Theorems14.16 c) annehmen). Sei k separabel abgeschlossen undr : π t 1(P, Σ, η) −→ Aut(V )<strong>der</strong> Homomorphismus, <strong>der</strong> die Operation auf V beschreibt. Dann sind die Abbildungen∏r ◦ γ s · Z l (1) → Aut (V )konjugiert in Im(r) für s ∈ Σ.<strong>Beweis</strong> Das kartesische Diagramml≠p˜XfP H Xg (P N ) ∨und <strong>der</strong> eigentliche Basiswechsel liefern einen IsomorphismusV = (R n f ∗ Q l ) η∼−→ (R n g ∗ Q l ) η ,<strong>der</strong> mit den Operationen von π 1 (U, η) und π 1 ((P N ) ∨ − X ∨ , η) verträglich ist, mittels desHomomorphismusπ 1 (P − Σ, η) −→ π 1 ((P N ) ∨ − X ∨ , η)(wie in (B) folgt, dass R n f ∗ Q l glatt über (P N ) ∨ − X ∨ ist). Durch Anwendung des lokalenLefschetztheorems auf den Morphismus H X × (P N ) ∨ Spec (Oh (P N ) ∨ ,a 0) → Spec (O h (P N ), a ∨ 0 ) ,für den generischen Punkt a 0 von X ∨ (X ∨ ist ein irreduzibler Divisor) folgt wie in 13.6, dass(R n g ∗ Q l ) η zahmverzweigt entlang X ∨ ist. Damit faktorisiert die Darstellung von π1(P, t Σ, η)auf V überq : π1(P, t Σ, η) −→ π1((P t N ) ∨ , X ∨ , η) .79


Es genügt also zu zeigen:Lemma 13.8 (a) Die Morphismen qγ s sind für s ∈ Σ konjugiert in π t 1((P N ) ∨ , X ∨ , η).(b) q : π t 1(P, Σ, η) → π t 1((P N ) ∨ , X ∨ , η) ist surjektiv.<strong>Beweis</strong> Für ein Schema Z und einen geometrischen Punkt a von Z sei Z(a) = Spec(O shZ,a );weiter benutzen wir die Bezeichnung t Z,D aus 13.5. Sei η 0 ein generischer geometrischerPunkt von (P N ) ∨ und sei a 0 ein geometrischer Punkt von X ∨ über a 0 . Sei s ein geometrischerPunkt über s ∈ Σ. Als irreduzibler Divisor ist X ∨ in (P N ) ∨ durch eine homogene Gleichung ˇfdefiniert. Es ist X ∨ ∩ P = Σ , und nach unseren Voraussetzungen ist ˇf ein lokaler Parameterauf P bei allen s ∈ Σ. Die Wahl von kompatiblen Spezialisierungsmorphismen (“Wegen”)Spec O sh(P N ) ∨ ,η 0Spec O sh(P N ) ∨ ,a 0Spec O (P N ) ∨ ,η Spec O sh(P N ) ∨ ,sSpec O shP,ηSpec O shP,sliefert ein kommutatives Diagramm∏l≠pt (P N ) ∨ (a0 ),{a 0 }∼π t 1((P N ) ∨ (a 0 ), {a 0 }, η 0 )≀π t 1((P N ) ∨ , X ∨ , η 0 )π1((P t N ) ∨ (s), ˜X ∨ , η 0 ) π1((P t N ) ∨ , X ∨ , η 0 )∼t (P N ) ∨ (s), ˜X∨♠♠♠♠♠♠♠♠♠♠♠♠♠♠♠♠Z l (1)≀≀t (P N ) ∨ (s), ˜X∨∼◗◗◗◗◗◗◗◗◗◗◗◗◗π1((P t N ) ∨ (s), ˜X ∨ , η) π1((P t N ) ∨ , X ∨ , η)t P (s),{s}∼≀π t 1(P (s), {s}, η)qπ t 1(P, Σ, η) ,wobei ˜X ∨ das Urbild von X ∨ in (P N ) ∨ (s) = Spec O sh(P N ) ∨ ,sist. Hieraus folgt (a).Für (b) ist zu zeigen, dass für eine zusammenhängende, entlang X ∨ zahm verzweigte normaleÜberlagerung Z ′ von (P N ) ∨ das Pull-back Z P ′ = Z′ × (P N ) ∨ P zusammenhängend ist. Diesfolgt aus einer weiteren Variante des Bertini-Theorems ( ).Lemma 13.9 π 1 (U, η) (und damit π t 1(P , Σ, η)) wird von den Konjugierten aller Trägheitsgruppenüber den s ∈ Σ topologisch erzeugt (wobei U = U × k k s etc.. . .)<strong>Beweis</strong> An<strong>der</strong>nfalls gäbe es eine nicht-triviale étale Überlagerung des P 1 k s– Wi<strong>der</strong>spruch zu(13.1.5).80


Wir kommen nun zur Betrachtung von E 1,n2 = H 1 (P , R n f ∗ Q l ). Es gibt zwei Fälle:(1) Operiert eine Trägheitsgruppe über einem s ∈ Σ trivial auf V = (R n f ∗ Q l ) η , so gilt diesnach 13.7 auch für alle an<strong>der</strong>en, für beliebiges s ∈ Σ. Dies bedeutet, dass R n f ∗ Q l glattauf P und damit konstant auf P ist, und wir haben E 1,n2 = H 1 (P , R n f ∗ Q l ) = 0 (es istH 1 (P , Q l ) = 0).(2) Im an<strong>der</strong>en Fall operieren alle Trägheitsgruppen I s über einem s ∈ Σ nicht-trivial. Nach<strong>der</strong> Picard-Lefschetz-Formelσx − x = χ s (σ) (x, δ s ) δ sfür σ ∈ I s und x ∈ V , wobei χ s : I s → Z l (1) ein Charakter und( , ) : V × V → Q l (−n)die Poincaré-Paarung auf V = (R n f ∗ Q l ) η = H n ( ˜X η Q l ) ist, sind alle verschwindenden Zykelδ s ≠ 0 und konjugiert unter π t 1(P , Σ, η). Wegen 13.9 ist <strong>der</strong> von den δ s (−m) erzeugte Q l -VektorraumE ⊆ Vein π t 1(P , Σ, η)-Untermodul. E entspricht also einer glatten Garbe<strong>der</strong> Garbe <strong>der</strong> verschwindenden Zykel.E ⊆ j ∗ R n f ∗ Q l ,Aus <strong>der</strong> Picard-Lefschetzformel und <strong>der</strong> exakten Sequenzfür alle s ∈ Σ folgt, dass0 → (R n f ∗ Q l ) s → (R n f ∗ Q l ) η → Q l (m − n) → 0x ↦→ ⟨x, δ s ⟩für diese s, und damit(R n f ∗ Q l ) s ∼ → V I s= δ ⊥ s(13.1.9) R n f ∗ Q l ∼ → j ∗ j ∗ R n f ∗ Q lEs sei E ⊥ die glatte Garbe in j ∗ R n f ∗ Q l , die dem orthogonalen Komplement E ⊥ von Ebezüglich ( , ) entspricht. Wir unterscheiden wie<strong>der</strong> zwei Fälle.(i) Ein (und damit alle) δ s ∈ E ⊥ (man kann später zeigen, dass dieser Fall nicht vorkommt).Dann ist E ⊂ E ⊥ und damit G = j ∗ (j ∗ R n f ∗ Q l /E ⊥ ) konstant auf P : die TrägheitsgruppeI s operiert immer trivial auf V/E und damit hier auch auf V/E ⊥ . Man hat eine exakteSequenz(13.1.10) 0 → j ∗ E ⊥ → j ∗ j ∗ R n f ∗ Q l → G → ⊕ Q l (m − n) s → 0 ,s∈Σwobei j ∗ E ⊥ konstant auf P ist, denn für s ∈ Σ hat man eine exakte Sequenz von Halmen0 → E ⊥ → V Is → V/E ⊥ → Q l (m − n) → 0 ,die zeigt, dass I s trivial auf E ⊥ operiert, so dass E ⊥ unverzweigt ist, also konstant nach(13.1.5). Spaltet man (13.1.10) in zwei kurze exakte Sequenzen0 → j ∗ E ⊥ → R n f ∗ Q l → H → 00 → H → G → ⊕ Q l (m − n) → 0 ,s∈Σ81


so gibt dies in <strong>der</strong> Kohomologie exakte Sequenzen0 → E 1,n2 = H 1 (P , R n f ∗ Q l ) → H 1 (P , H)⊕ Q l (m − n) → H 1 (P , H) → 0 ,s∈Σworaus die Behauptung folgt, da Q l (m − n) vom ι-Gewicht −2m + 2n = d + 1 ist.(ii) Dies ist <strong>der</strong> wichtigste und schwierigste Fall: Kein δ s ist in E ⊥ . Es folgt E ⊈ δ ⊥ s =(R n f ∗ Q l ) Σ , und damitE + (R n f ∗ Q l ) s = V ,da δ ⊥ sKodimension 1 in V hat. Es folgt die Surjektivität vonj ∗ j ∗ R n f ∗ Q l → j ∗ (j ∗ R n f ∗ Q l /E) ,denn die Halme in s ∈ Σ ergeben die SurjektionWeiter gilt, dass <strong>der</strong> Morphismussurjektiv ist: es ist zu zeigen, dass für s ∈ Σ(R n f ∗ Q l ) s → V/E .j ∗ E → j ∗ (E/E ∩ E ⊥ )E ∩ δ ⊥ s= E I s→ (E/E ∩ E ⊥ ) I ssurjektiv ist. Ist aber für x ∈ E und σ ∈ I sso folgt nach <strong>der</strong> Picard-Lefschetz-Formelσx − x ∈ E ∩ E ⊥ ,< x, δ s > δ s ∈ E ∩ E ⊥(da χ ≠ 0). Ist < x, δ s >≠ 0, so ist δ s ∈ E ∩ E ⊥ , im Wi<strong>der</strong>spruch zur Annahme. Also istx ∈ E Is .Insgesamt erhalten wir exakte Sequenzen0 → j ∗ E → R n f ∗ Q l → F → 0 ,0 → j ∗ (E ∩ E ⊥ ) → j ∗ E → j ∗ (E/E ∩ E ⊥ ) → 0 ,mit konstanten Garben F = j ∗ (j ∗ R n f ∗ Q l /E) und j ∗ (E ∩E ⊥ ), und in <strong>der</strong> Kohomologie exakteSequenzenH 1 (P , j ∗ E) → H 1 (P , R n f ∗ Q l ) = E 1,n2 → 0 ,0 → H 1 (P , j ∗ E) → H 1 (P , j ∗ (E/E ∩ E ⊥ )) .Es genügt also, die Kohomologie von E/(E ∩ E ⊥ ) zu betrachten. Hierfür gilt nun <strong>der</strong> entscheidendeSatz 13.6 Für jedes ι : Q l ↩→ C ist E/(E ∩ E ⊥ ) rein vom ι- Gewicht n.82


Haben wir dies gezeigt, so folgt die gewünschte Abschätzung: Nach 5.4 folgt nämlich, dassH 1 (P , j ∗ (E/(E ∩ E ⊥ ))ι-Gewichte w ≤ n + 2 = d + 1 hat, als Quotient vonHc 1 (U, E/(E ∩ E ⊥ )) .<strong>Beweis</strong> von Satz 13.6 Wir zeigen zunächstLemma 13.7 E/(E ∩ E ⊥ ) ⊗ Ql Q l ist eine irreduzible glatte Q l -Garbe auf U.<strong>Beweis</strong> Wir rechnen mit Q l -Koeffizienten und schreiben wie<strong>der</strong> E, E ⊥ usw.. Sei W ⊂ E einπ t 1(P , Σ, η)-Untermodul, <strong>der</strong> ungleich E ∩ E ⊥ ist. Dann gibt es ein w ∈ W und ein δ s mit(x, δ s ) ≠ 0. Aus <strong>der</strong> Picard-Lefschetz-Formelσx − x = χ s (σ)(x, δ s )δ sfür ein σ ∈ I s mit χ s (σ) ≠ 0 folgt δ s ∈ W und damit E ⊂ W .13.8 Nach Satz 9.3 ist jede ι-reelle irreduzible glatte Q l -Garbe rein. Nach 13.7 genügt esalso zu zeigen, dass E/(E ∩ E ⊥ ) über einer endlichen Erweiterung von F q ι-reell ist, denn dasι-Gewicht β ist dann wegen <strong>der</strong> nicht-ausgearteten Poincaré- Paarungnotwendigerweise gleich n.( , ) : E/E ∩ F ⊥ × E/(E ∩ E ⊥ ) → Q l (−n)Für einen geometrischen Punkt t über einem abgeschlossenen Punkt t von U ist nach <strong>der</strong>Lefschetzformel und dem eigentlichen BasiswechselDieses ist Produkt vonZ( ˜X t , T ) =2n∏i=0= 2n ∏i=0det (1 − F T | H i ( ˜X t , Q l )) (−1)i+1det (1 − F T | (R i f ∗ Q l ) t ) (−1)i+1 .Z f = ∏ i≠ndet(1 − F t T |j ∗ R i h ∗ Q l ) (−1)i+1 det(1 − F t T | (j ∗ R n h ∗ Q l )/E)det(1 − F t T |E ∩ E ⊥ )undZ m = det(1 − F t T | E/(E ∩ E ⊥ )) ,wobei wir det(1 − F t T | H) := det(1 − F t T | H t ) setzen. Wir haben gesehen, dass alle in Z fauftretenden Q l -Garben die Einschränkung von glatten Q l -Garben auf P sind, nämlich vonR i f ∗ Q l (i ≠ n, n + 1),j ∗ j ∗ R n+1 f ∗ Q l ,j ∗ (j ∗ R n f ∗ Q l /E),j ∗ (E ∩ E ⊥ ) .83


Diese sind konstant auf P , kommen also durch Pull-back von Darstellungen von Gal(F q /F q ).Für eine solche Garbe K gibt es aber offenbar Einheiten γ 1 , . . . , γ r ∈ Q × l (r = dim K) mitr∏det(1 − F t T | K) = (1 − γ deg(t)j T )für jedes t ∈ U (sogar jedes t ∈ P ). Insgesamt finden wir, dass es Einheiten α 1 , . . . , α M undβ 1 , . . . , β N in Q × l gibt, so dass für alle t ∈ U(13.8.1) Z( ˜X t , T ) =j=1∏(1 − α deg(t)i T )i∏(1 − β deg(t)j T ) det (1 − F t T | E/(E ∩ E ⊥ )) .Dabei können wir annehmen, dass α i ≠ β j für alle i, j.jDurch Übergang zu einer endlichen Erweiterung von F q können wir sogar annehmen, dassαi m ≠ βj m für alle i, j und alle m ∈ N (die m ∈ Z mit αi m = βj m für ein j bildenein Ideal (n j ) , welches nach Voraussetzung ungleich Z ist). Die linke Seite <strong>der</strong> Gleichung13.8.1 ist ι-reell, d.h., liegt nach Einbettung <strong>der</strong> Koeffizienten in R(T ) (sogar in Q[T ], siehe10.1 (b)). Damit genügt es zu zeigen, dass die Polynome R t (T ) = ∏ (1 − α deg(t)i T ) undiS t (T ) = ∏ (1 − β deg(t)j T ) ι-reell sind für alle t ∈ U 0 .jLemma 13.9 Sind γ 1 . . . , γ r Einheiten in Q × l , so gibt es ein t ∈ | U | <strong>der</strong>art, dass keiner<strong>der</strong> Linearfaktoren (1 − γ deg(t)i T ) (i = 1, . . . , r) das Polynom det(1 − F t T | E/(E ∩ E ⊥ )) teilt.<strong>Beweis</strong> Wir betrachten an<strong>der</strong>nfallsπ ′ 1= {σ ∈ π 1 (U, η) | σ hat einen Eigenwert γ deg(σ)i auf E} .Hierbei ist deg(σ) ∈ Z das Bild von σ unter <strong>der</strong> Surjektiondeg : π 1 (U, η) → Gal (F q /F q ) can→∼Ẑ ;man beachte, dass für eine l-adische Einheit γ ∈ Q × l die Potenz γ a für jedes a ∈ Ẑ definiertist. Dann ist π 1 ′ abgeschlossen in π 1 (U, η) , als Vereinigung <strong>der</strong> Urbil<strong>der</strong> unterφ i : π 1 (U, η) → Aut (E ⊗ Q l )σ ↦→ (e ↦→ γ −deg(σ)i σe)<strong>der</strong> abgeschlossenen Menge {α ∈ Aut(E ⊗ Q l ) | det(α − id) = 0} .Gilt 13.9 nicht, so enthält π 1 ′ alle geometrischen Frobeniuselemente über allen t ∈| U |. Dadiese nach dem Čebotarev’schen Dichtigkeitsstatz π 1(U, η) erzeugen, ist π 1 ′ = π 1 (U, η) .Wir betrachten nun Trägheitsgruppen I 1 , . . . , I e über ∑ <strong>der</strong>art, dass die zugehörigen verschwindendenZykel δ 1 , . . . , δ e eine Basis von E bilden. Ist ϵ 1 , . . . , ϵ e die Dualbasis, so gilt fürϵ = ϵ 1 + . . . + ϵ e und σ i ∈ I i (i = 1, . . . , e)e∏e∏σ i ϵ = (1 + χ i (σ i )) ϵ .i=1i=184


Für geeignete Wahl <strong>der</strong> σ i ist (da χ i ≠ 0 für alle i) dann e πi=1σ i nicht in π ′ 1 , was einenWi<strong>der</strong>spruch gibt.Angewandt auf β 1 , . . . , β N , folgt aus 13.9., dass es ein t ∈ U 0 gibt <strong>der</strong>art, dass S t (T ) prim zudet(1 − F t T | E/(E ∩ E ⊥ )) ist. Da S t (T ) auch prim zu R t (T ) ist, steht für t die rechte Seitevon 13.8.1 in gekürzter Darstellung, und damit istS t (T ) = ∏ j(1 − β m j T ) ∈ Q[T ] ,m = deg(t). Nach Basiserweiterung zu F q m gilt dann S t (T ) ∈ Q[T ] für alle t ∈ U 0 .Dann gilt auch R t (T ) det(1 − F t T | E/(E ∩ E ⊥ )) ∈ Q[T ] für alle t ∈ U 0 . Insbeson<strong>der</strong>e sindα 1 , . . . , α M algebraische Zahlen, und die Anwendung von 13.9 auf die endlich vielen Einheitenσα i (i = 1, . . . , M, σ ∈ Gal(Q/Q)) gibt ein t ∈ U 0 mit R t (T ) ∈ Q[T ] ,so dass wie vorhernach Basiserweiterung zu K(t) gilt: für alle t ∈ U 0 ist R t (T ) ∈ Q[T ] und damit auchdet (1 − F t T | E/(E ∩ E1 ⊥ )) ∈ Q[T ] . Insbeson<strong>der</strong>e ist nach den beiden Basiserweiterungendie Garbe E/(E ∩ E ⊥ ) ι-reell für jede Einbettung ι : Q l ↩→ C, was zu zeigen war.85


14 Existenz und globale Eigenschaften von LefschetzbüschelnDie Existenz von Lefschetzbüscheln wird mit typischen Schlüssen <strong>der</strong> projekiven algebraischenGeometrie gezeigt (Existenz von “hinreichen guten” Hyperebenenschnitten, “generische”Eigenschaften <strong>der</strong>selben ...). Wir betrachten dazu eine irreduzible glatte projektiveVarietätX ↩→ iP N = P N k (k ein Körper) .Die Hyperebenen H in P N werden durch die Punkte des dualen projektiven Raums (P N ) ∨parametrisiert: einem Punkt (a 0 : . . . : a N ) in (P N ) ∨ wird die HyperebeneH : a 0 x 0 + a 1 x 1 + . . . + a N x N = 0in P N mit Koordinaten x i zugeordnet. Allgemeiner entsprechen die linearen Teilräume L ⊂P N <strong>der</strong> Kodimension m (1 ≤ m ≤ N) den linearen Teilräumen L ′ ⊂ P N <strong>der</strong> KodimensionN + 1 − m : Schreibt man koordinatenfrei P N = P(V ) für einen (N + 1)-dimensionalenVektorraum V , so besteht L ′ ⊆ (P N ) ∨ = P(V ∨ ) aus allen Linearformen im Dualraum V ∨ ,die V annullieren.Insbeson<strong>der</strong>e entsprechen die Geraden P ∼ = P 1 ⊆ (P N ) ∨ den linearen Teilräumen A <strong>der</strong>Kodimension 2 in P N . Das “Büschel” {H t } t∈P <strong>der</strong> durch P parametrisierten Hyperebenenbesteht gerade aus den Hyperebenen, die die “Achse” A enthalten, und A ist <strong>der</strong> Durchschnittzweier verschiedener H t .Definition 14.1 Die Familie {H t } t∈P heißt ein Lefschetzbüschel für X, wenn die folgendenBedingungen erfüllt sind:(a) A schneidet X transversal,(b) es existiert ein offenes, dichtes U ⊂ P so, daß sich für t ∈ U die Hyperebenen H t und Xtransversal schneiden,(c) für t ∈ S = P − U schneiden sich H t und X transversal außer in einem Punkt, <strong>der</strong> einegewöhnliche quadratische Singularität von X · H t ist.Bemerkung 14.2 Der schematheoretische Durchschnitt X · H t ist die projektive Varietät,die durch die Gleichungen von X und die lineare Gleichung von H t definiert wird.Wir formulieren zunächst die Bedingungen (b) und (c) um, mit Hilfe <strong>der</strong> dualen VarietätX ∨ ⊂ (P N ) ∨ . Diese besteht aus allen Hyperebenen H in P N , die X in einem Punkt xberühren: dies bedeutet, daß H den projektiven Tangentialraum von x enthält. X ∨ kann wiefolgt erhalten werden. Sei J das definierende Ideal von X und N = (J/J 2 ) ∨ das Normalenbündel.Da X glatt ist, ist N lokal frei vom Rang N − n auf X , n = dim X. Sei P(N)das projektive Faserbündel zu N über X. Dann gibt es eine abgeschlossene Immersionν : P(N ) ↩→ P(O N+1X) ∼ = X × (P N ) ∨die auf <strong>der</strong> Faser über x ∈ X so beschrieben wirdF ↦→ (x, H F :N∑i=0∂F∂X i(x) · X i = 0) ,86


wobei F ein lokaler Schnitt von J/J 2 ist. Global lässt sich ν wie folgt beschreiben: Man hateine exakte Sequenz0 → J/J 2 d−→Ω 1 P N | X→ Ω 1 X → 0von kohärenten, lokal-freien Garben auf X. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite hat man die bekannteexakte Sequenz0 → Ω 1 P N → O P N (−1) N+1 → O P N → 0 ,indem man “Differentialformen in homogenen Koordinaten schreibt”. Durch Restriktion aufX und Dualisieren erhalten wir eine Surjektiondie die abgeschlossene ImmersionO X (1) N+1 ↠ (J/J 2 ) ∨ = N ,ν : P(N ) ↩→ P(O X (1) N+1 ) ∼ = P(O N+1X) = PN Xmit <strong>der</strong> vorher angegebenen lokalen Beschreibung liefert.Für ein x ∈ X ist unter <strong>der</strong> kanonischen Dualität zwischen dem Tangentialraum T P N (x) undΩ 1 P N (x) <strong>der</strong> Annihilator von T X (x) gerade (J/J 2 )(x). Übertragen auf homogene Koordinatenbedeutet dies, dass eine Hyperebene H genau dann den projektiven Tangentialraum von Xbei x enthält, wenn die Linearform, die H definiert, in (J/J 2 )(x) liegt, via(J/J 2 )(x) ↩→ (O X (−1) N+1 )(x) ∼ = V ∨ .Dies zeigt, daß das Bild von P(N) unter <strong>der</strong> Projektion X × (P N ) ∨ → (P N ) ∨ mit <strong>der</strong> dualenVarietät X ∨ übereinstimmt. Insbeson<strong>der</strong>e ist X ∨ projektiv und irreduzibel, und es giltdimX ∨ ≤ dim P(N ) = n + (N − n − 1) = N − 1 .Lemma 14.3 Der Morphismus φ : P(N ) → (P N ) ∨ ist unverzweigt am abgeschlossenenPunkt (x, H) genau dann, wenn x eine nicht-ausgeartete quadratische Singularität von X ·Hist. Insbeson<strong>der</strong>e ist die Teilmenge U ′ dieser Punkte offen in P(N ).<strong>Beweis</strong>: später.Es kann passieren, dass die erwähnte Teilmenge leer ist. Wir betrachten aber die Segre-Einbettung vom Grad dP N ↩→ P N(d)(x 0 : . . . : x N ) ↦→ (. . . : x α 00 . . . x α NN: . . .)wobei α i ∈ N 0 , ∑ α i( )N+d= d , also N(d) + 1 = die Anzahl aller Monome vom Gradd in den x i ist. Offenbar entsprechen die Hyperebenen in P N(d) gerade allen Hyperflächenvom Grad d in P N , und es giltLemma 14.4 Für jeden abgeschlossenen Punkt x ∈ X und jedes d ≥ 2 gibt es eine HyperflächeH vom Grad d , die X in x berührt und für die x eine gewöhnliche quadratischeSingularität von X · H ist.87N


Wir kommen nun zum <strong>Beweis</strong> von Lemma 14.3. Zunächst erinnern wir an einige Tatsachenüber Fitting- und Jacobi-Ideale.Definition 14.6 Sei A ein kommutativer Ring und M ein endlich präsentierter A-Modul.Wähle eine PräsentationG −→ αF −→ M −→ 0mit lokal-freien Moduln F, G von endlichem Rang und definiere das p-te Fittingideal I p (M) =I p A (M) durch I p (M) = Im(Λ n−p G ⊗ Λ n−p F ∨ → A) (p ≥ 0) ,falls <strong>der</strong> Rang von F gleich n ist (F ∨ = Hom A (F, A)).Die folgenden Eigenschaften folgen leicht aus <strong>der</strong> Definition.Proposition 14.7 (a) Die I p (M) sind unabhängig von <strong>der</strong> gewählten Präsentation.(b) Sind F und G frei, so wird I p (M) von den Determinanten aller (n − p) × (n − p)-Minoren(einer Matrixdarstellung) von α erzeugt.(c) Ist A → B ein Ringhomomorphismus, so istB ⊗ A A/I p A (M) −→ B/Ip B (B ⊗ A M)ein Isomorphismus. Insbeson<strong>der</strong>e ist I p A(M) verträglich mit Lokalisierung auf A: für einemultiplikative Teilmenge S von A ist(d) Es istund für x ∈ Spec (A) ist äquivalentI p S −1 A (S−1 M) = S −1 I p A (M) .I 0 (M) ⊂ I 1 (M) ⊂ I 2 (M) ⊂ . . . ,(i) I p (M) x = A x (d.h., x /∈ Supp (A/I p (M))),(ii) falls F x∼ = Anx , so enthält G x einen Untermodul A n−px , <strong>der</strong> auf einen direkten Faktor vonF x abgebildet wird (insbeson<strong>der</strong>e ist Supp A/I 0 (M) = Supp (M)).Dies gilt jeweils, falls p ≥ dim κ(x) M(x) (wobei M(x) = κ(x) ⊗ A M).Wegen 14.7 (c) globalisiert sich die Definition von Fittingidealen: für einen quasi-kohärenten,endlich präsentierten O x -Modul O auf einem Schema X erhält man quasi-kohärente IdealgarbenI p X(O) durchΓ(U, I p X (O)) = Ip Γ(U,O X )(Γ(U, O))für U ⊂ X affin und offen. Insbeson<strong>der</strong>e definiert manDefinition 14.8 Sei f : X → Y ein Schema-Morphismus von endlicher Präsentation. Fürp ≥ 0 heißt das durch I p X (Ω1 X/Y ) definierte abgeschlossene Unterschema J p (X/Y ) das p-teJacobi-Schema von X über Y .Proposition 14.9 (a) Für jeden Basiswechsel Y ′ → Y istJ p (X ′ /Y ′ ) −→ J p (X/Y ) × Y Y ′89


ein Isomorphismus (wobei X ′ = X × Y Y ′ ).(b) J 0 (X/Y ) ⊃ J 1 (X/Y ) ⊃ . . ., und x /∈ J p (X/Y ) für p ≥ dim κ(x) Ω 1 X/Y (x).(c) x /∈ J p (X/Y ) genau dann, wenn es eine offene Umgebung U von x und eine abgeschlosseneY -Immersion U → U ′ gibt für ein glattes Y -Schema U ′ mit p = dim x Uf(x) ′ (die Dimension<strong>der</strong> Faser über f(x) in U ′ bei x).<strong>Beweis</strong> Es ist nur noch (c) zu zeigen. Gibt es U ′ wie angegeben, so ist dim κ(x) Ω 1 U/Y (x)≤ dim κ(x) Ω 1 U ′ /Y (x) = p und damit x /∈ J p (X/Y ) nach (a) und (b). Sei umgekehrt x /∈J p (X/Y ). Da die Frage lokal ist, seien ohne Einschränkung X = Spec(B) und Y = Spec(A)affin. Wähle eine Präsentation als Algebramit P = A[x 1 , . . . , x r ]. Dann istJ/J 20 → J → P → B → 0d−→ B ⊗ P Ω 1 P/A −→ Ω 1 B/A −→ 0exakt und B ⊗ P Ω 1 P/Afrei vom Rang r, daherIB P (B/A) = Im(Λr−p (J/J 2 ) ⊗ B Λ r−p (B ⊗ p Ω 1 P/A )∨ → B)= (det(φ j (df i )) | f 1 , . . . , f r−p ∈ J/J 2 , φ 1 . . . , φ r−p ∈ (B ⊗ p Ω 1 P/A )∨ ) .Daher ist x ∈ J p (X/Y ) genau dann, wenn f 1 , . . . , f r−p in J existieren mit det( ∂f i∂x j(x) ≠ 0 ,wobei x j r − p <strong>der</strong> Variablen x 1 , . . . , x r durchläuft. Es folgt, dassU ′ = Spec (P/(f 1 , . . . , f r−p )) −→ Spec Aglatt ist bei x ′ = Bild von x unter <strong>der</strong> abgeschlossenen ImmersionU = Spec B −→ Spec (P/(f 1 , . . . , f r−p )) .Weiter ist die Faserdimension von U ′ → Spec A bei x gleich p.Wir kehren nun zurück zu den Hyperebenenbüscheln. SeiH univ ⊆ P N × (P N ) ∨die Inzidenzrelation, d.h., die abgeschlossenen Punkte von H univ sind die Paare (x, H) mitx ∈ H. Schematheoretisch wird H univ durch die GleichungF = F (x i , a i ) =N∑a i x i = 0i=0definiert. Das Diagramm H univ ❘P N × (P N ) ∨ = (P N ) (P ❘❘❘❘❘❘❘❘❘❘❘❘❘❘❘N ) ∨fpr 2(P N ) ∨90


identifiziert H univ mit <strong>der</strong> universellen Familie von Hyperebenen - für t ∈ (P N ) ∨ ist die Faservon f bei t die Hyperebene H t , eingebettet in P N via pr 1 . Sei H X die Einschränkung aufX, d.h., durch das kartesische Diagramm von abgeschlossenen ImmersionenH X X × (P N ) ∨H univ P N × (P N ) ∨definiert. Es folgt, dass die Faser über t vong : H X −→ (P N ) ∨gerade gleich H t ·X ist. Wir berechnen nun die (n−1)-te Jacobi-Varietät von H X über (P N ) ∨(vergl. SGA 7 XVII Remarque 3.1.5), wobei wie vorher n = dim X.Lemma 14.10 J n−1 (H X /(P N ) ∨ ) = P(N ) ↩→ X × (P N ) ∨ .<strong>Beweis</strong> Wir haben eine exakte Sequenzi ∗ (pr ∗ 1J + (F )) → i ∗ Ω 1 P N ×(P N ) ∨ /(P N ) ∨ → Ω 1 H X /(P N ) ∨ → 0 ,wobei i : H X ↩→ P N × (P N ) ∨ die abgeschlossene Immersion, J wie oben das definierendeIdeal von X in P N und die mittelere Garbe lokal frei vom Rang N ist. Dies zeigt, dass dasdefinierende Ideal von J n−1 (H X /(P N ) ∨ ) lokal von den (N − n + 1) × (N − n + 1)-Minoren<strong>der</strong> Matrix⎛⎞∂f i i = 1, . . . , N − n,⎜∂x j j = 0, . . . , N⎟⎝⎠a 0 a 1 . . . a Nerzeugt wird,wobei f 1 , . . . , f N−n lokale Erzeugende von J sind. Diese Minoren erzeugen abergerade das Ideal von P(N ) in X × (P N ) ∨ = P (O X (1) N+1 ) , wie aus <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong>InjektionJ/J 2 ↩→ O X (−1) N+1und dem folgenden elementaren Lemma folgt.Lemma 14.11 Sei A ein Ring und M ↩→ A N+1 ein freier Untermodul vom Rang s <strong>der</strong>art,dass A N+1 /M ebenfalls lokal frei ist. Sei b 0 , . . . , b N eine Basis von A N+1 und sei a 0 , . . . , a Ndie Dualbasis. Dann wird <strong>der</strong> Kern des RingepimorphismusA[a 0 , . . . , a N ] = Sym (A N+1 ) ∨ −→ Sym M ∨von den (m + 1) × (m + 1) - Minoren <strong>der</strong> (s + 1) × (N + 1)-Matrizen⎛⎞i = 1, . . . , sa j (m i ),⎜j = 0, . . . , N⎟⎝⎠a 0 a 1 . . . a N91


erzeugt, wobei m 1 , . . . , m s eine Basis von M ist.<strong>Beweis</strong> Offenbar liegen diese Minoren im Kern. Um zu zeigen, dass <strong>der</strong> Kern davon erzeugtwird, können wir durch Lokalisieren auf A annehmen, dass A N+1 /M ebenfalls frei ist, unddurch Basiswechsel ist ohne Einschränkung m i = b i−1 , i = 1, . . . , s. Dann ist die betrachteteMatrix⎛⎞11. .. ⎜0⎟⎝1⎠a 0 a 1 · · · a s−1 a s · · · a N ,und die Minoren ±a s , . . . , a N erzeugen offenbar den Kern.Corollar 14.12 Der Morphismus g : H X → (P N ) ∨ ist genau dann glatt bei y ∈ H X , wenny /∈ P(N ). Insbeson<strong>der</strong>e ist g glatt über (P N ) ∨ − X ∨ .<strong>Beweis</strong> Da H X und P N × (P N ) ∨ beide glatt über k sind, ist i : H X ↩→ P N × (P N ) ∨ einereguläre Immersion (SGA 6 VIII 1.2) und damit g : H X → (P N ) ∨ ein lokal vollständigerDurchschnitt (loc. cit. 1.1), <strong>der</strong> (relativen) virtuellen Dimensiondim κ(y) Ω 1 P N ×(P N ) ∨ /(P N ) ∨ (y) − dim κ(y) (J ′ /J ′2 )(y) = N − (2N − (N + n − 1)) = n − 1(loc. cit. 1.9) , wobei J ′ die Idealgarbe <strong>der</strong> abgeschlossenen Immersion i ist. Es gilt aber:Proposition 14.13 Sei f : Y → X ein lokal vollständiger Durchschnitt <strong>der</strong> virtuellenDimension m. Dann ist f glatt bei y ∈ Y genau dann, wenn y /∈ J m (Y/X).<strong>Beweis</strong> (s. SGA7 VI 5.4) Nach 14.9 (c) ist y ∈ J m (Y/X) genau dann, wenn es für eine offeneUmgebung U von y eine abgeschlossene X-Immersion i : U ↩→ U ′ in ein glattes X-SchemaU ′ gibt mit dim y U ′ f(y)= m . Ist f glatt bei y, so können wir U ′ = U nehmen. Umgekehrtseien U = Spec B , U ′ = Spec B ′ und X = Spec A ohne Einschränkung affin. Dieexakte Sequenz0 → I → B ′ → B → 0induziert eine exakte SequenzdI/I 2 −→ B ⊗ B ′ Ω 1 B ′ /A → Ω 1 B/A → 0 .Da Y → X ein lokal vollständiger Durchschnitt ist und U ′ → X glatt, ist U ↩→ U ′ einereguläre Immersion (SGA 6 VIII 1.2). Nach <strong>der</strong> Unabhängigkeit <strong>der</strong> virtuellen Dimensionvon <strong>der</strong> gewählten Präsentation istm = dim κ(y) B ⊗ B ′ Ω 1 B ′ /A (y) − dim κ(y)I/I 2 (y)= m − dim κ(y) I/I 2 (y) ,und es folgt (I/I 2 ) y = 0 , also I y = 0 ; d.h., i ist lokal bei y ein Isomorphismus.Wir kommen nun zum <strong>Beweis</strong> von Lemma 14.3: Der Morphismusφ : P(N ) = J n−1 (H X /(P N ) ∨ ) → (P N ) ∨92


ist unverzweigt beim abgeschlossenen Punkt y = (x, H t ) genau dann, wenn die FaserJ n−1 (H t · X/Spec k) → Spec k unverzweigt bei y ist. Da H t · X in X durch eine Gleichungdefiniert wird, ist H t · X → Spec k ein lokal vollständiger Durchschnitt <strong>der</strong> virtuellenDimension n − 1. Weiter ist wegen dim κ(y) Ω 1 H (y) ≤ dim t·X/k κ(y)Ω 1 X/k(y) = n für jedes y dasn-te Jacobischema J n (H t · X/k) = ∅. Damit folgt die Behauptung aus <strong>der</strong> allgemeinerenProposition 14.14 Sei Y ein lokal vollständiger Durchschnitt <strong>der</strong> virtuellen Dimension müber k. Dann sind für y ∈ J m (Y/k) J m+1 (Y/k) äquivalent:(a) Ω 1 J m (Y/k)/k (y) = 0 ,(b) für eine Umgebung U von y besteht J m (Y/k) ∩ U nur aus y und ist reduziert (und damitisomorph zu Spec k),(c) y ist abgeschlossener Punkt und eine nicht-ausgeartete quadratische Singularität von Y .<strong>Beweis</strong> Die Äquivalenz von (a) und (b) ist klar ([Mi]I 3.2). Für y ∈ J m (Y/k) − J m+1 (Y/k)gibt es eine offene affine Umgebung U = Spec B und eine abgeschlossene Immersion von Uin eine glatte affine Varietät U ′ = Spec B ′ <strong>der</strong> Dimension m + 1, also eine exakte Sequenz0 → I → B ′ → B → 0und einen étalen Morphismus A[x 0 , . . . , x m ] → B ′ , <strong>der</strong> den Punkt x 0 = x 1 = . . . =x m = 0 auf y abbildet. Da Y lokal vollständiger Durchschnitt <strong>der</strong> virtuellen Dimension m ist,können wir annehmen, dass I von einem Element f erzeugt wird; dabei ist notwendigerweisef(y) = 0.Aus (b) folgt, dass für hinreichend kleines U die ∂f∂x j(j = 0, . . . , m) das maximale Ideal m yvon y in B erzeugen. Damit erzeugen die ∂f auch das maximale Ideal m ′ y von y in B ′ (undes ist m ′ y/(m ′ y) 2∼∂x j−→ m y /m 2 y). Damit folgt die Behauptung durch Komplettieren in m ′ y.Umgekehrt sei y abgeschlossen und eine nicht ausgeartete quadratische Singularität. NachDefinition ist ÔY,y ∼ = k[[x0 , . . . , x m ]]/(g) , wobei g ≡ Q mod (x 0 , . . . , x m ) 3 , mit einernicht-ausgearteten quadratischen Form Q(x 0 , . . . , x m ). Dann erzeugen ∂g∂x j(j = 0, . . . , m)das maximale Ideal ̂m y = m y Ô Y,y von ÔY,y. Es folgtI m Ô Y,y(Ω 1 O Y,y /k) =̂m y(wobei ˆ m y -adische Komplettierung bedeutet). Wir haben benutzt, dass für einen noetherschenRing R und ein Ideal m ⊂ R̂Ω 1 R/k = lim ←νΩ 1 R ν/k (EGA IV 1 ) ,wobei R ν = R/m ν , und dass die m-adische Komplettierung exakt auf R-Moduln von endlichemTyp ist. Aus demselben Grund ist für einen solchen Modul MI p̂R (̂M) = I p R(M) ̂Rbzw.̂R/I p̂R(̂M)∼←−̂ R/IpR (M) .93


Es folgt, dass I m O Y,y(Ω 1 O Y,y /k ) = m y ist, also (b).Betrachte nun die Einbettungen X ↩→ P N , N = N 0 (d).Satz 14.15 Für d ≥ 3 gibt es für X ↩→ P N ein Lefschetzbüschel {H t } t∈P , und die Menge<strong>der</strong> Geraden P ⊆ (P N ) ∨ , für die {H t } t∈P ein Lefschetzbüschel ist, ist offen und dicht in <strong>der</strong>Grassmann-Varietät Gr(1, (P N ) ∨ ) <strong>der</strong> Geraden im (P N ) ∨ .<strong>Beweis</strong> für n = dim X gerade: Sei F 1 = F 1 (d) die abgeschlossene Menge in X ∨ , über <strong>der</strong>φ : P(N) = J n−1 (H x /(P N ) ∨ ) ↠ X ∨ ↩→ (P N ) ∨ verzweigt ist und sei F 2 = F 2 (d) dasBild des Abschlusses <strong>der</strong> in 14.5 definierten Menge F ′′ (d) ⊂ X × X × (P N ) ∨ ; F 2 ist ebenfallsabgeschlossen. Nach Definition giltt /∈ F 2 ⇒ H t berührt X in höchstens einem Punktund nach 14.3 giltt ∈ X ∨ − F 1 ⇔ H t · X hat nur nicht-ausgeartete quadratische Singularitäten.Schließlich gilt nach Konstruktiont /∈ X ∨ ⇔ H t schneidet X transversal.Damit gilt für die Eigenschaften (a) - (c) eines Lefschetzbüschels: Ein Hyperebenenbüschel{H t } t∈P erfüllt(a) ⇔ die Achse A schneidet X transversal,(b) ⇔ P ⊈ X ∨ ,(c) ⇔ P ∩ (F 1 ∪ F 2 ) ≠ ∅ .Wir haben nun gezeigt:dim X ∨ ≤ N − 1 ,dim F 2 ≤ N − d , falls d ≥ 3 (Lemma 14.5),dim F 1 ≤ N − 2 , falls d ≥ 2 und 2 gerade (Lemma 14.4)(Nach Lemma 14.4 ist F 1 ≠ X ∨ für d ≥ 2, und X ∨ ist irreduzibel). Die Behauptung folgtalso aus <strong>der</strong> bekanntenProposition 14.16 Sei Z ⊆ P N eine projektive Varietät <strong>der</strong> Dimension m, und sei Gr(l, P N )die Grassmann-Varietät <strong>der</strong> linearen Teilräume <strong>der</strong> Dimension l in P N .(a) Die Teilmenge <strong>der</strong> L ∈ Gr(N − m − 1, P N )(k) mit L ∩ Z = ∅ ist offen, und nicht-leerfür Z ≠ P N .(b) Die Teilmenge <strong>der</strong> L ∈ Gr(N − m, P N )(k) mit dim Z ∩ L = 0 ist offen und nicht-leer.(c) (Bertini) Ist Z glatt, so ist für N − m ≤ t ≤ N − 1 die Menge <strong>der</strong> L ∈ Gr(t, P N ), dieZ transversal schneiden, offen und nicht leer.Sei nun {H t } t∈P ein Lefschetzbüschel undh : H X,P−→ Pdie Einschränkung <strong>der</strong> universellen Familie H X −→ (P N ) ∨ auf P (die Faser über t ist immernoch H t · X). Nach 14.12 ist h glatt über <strong>der</strong> offenen dichten Menge U = P (P ∩ X ∨ ),94


während nach (c) die Fasern H t · X über den endlich vielen t ∈ S = P − U nur genau eineSingularität haben, und diese ist gewöhnlich quadratisch.Wir haben auch die erste Projektionπ : H X,P −→ X .Lemma 14.17 Mittels π identifiziert sich H X,P mit <strong>der</strong> Aufblasung von X in <strong>der</strong> glatten,2-codimensionalen Untervarietät A ∩ X ( A die Achse des Lefschetzbüschels).<strong>Beweis</strong> Wir bemerken zunächst, dass die universelle Hyperebene H univ ⊆ P N × (P N ) ∨unabhängig von <strong>der</strong> Koordinatenwahl definiert ist: sie entspricht dem Kern <strong>der</strong> kanonischenSurjektionV ∨ ⊗ V −→ k ,bzw. dem Kokern <strong>der</strong> dualen Abbildungk −→ V ⊗ V ∨ .Dies zeigt, dass für duale Basen {x i }, {a i } von V und V ∨ die Hyperebene H univ immer durchdie Gleichung ∑ a i x i = 0 definiert wird. Wir können nun die Koordinaten so wählen, dassP durch die Gleichungen a 2 = . . . = a N = 0 beschrieben wird, und daher A durch dieGleichung x 0 = x 1 = 0. Dann wird H X,P in X × P durch die Gleichunga 0 x 0 + a 1 x 1 = 0beschrieben; dies ist aber die bekannte Beschreibung <strong>der</strong> Aufblasung von X in <strong>der</strong> durch dieGleichungen x 0 = x 1 = 0 beschriebenen Untervarietät A ∩ X ( (a 0 : a 1 ) sind Koordinatenvon P ).Bemerkung 14.18 Setzen wir also ˜X = H X,P , so erhalten wir also MorphismenX π ← ˜X f → P = P 1 kmit den im Satz 12.1 beschriebenen Eigenschaften.95

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