Juristisches Repetitorium hemmer
Juristisches Repetitorium hemmer
Juristisches Repetitorium hemmer
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong><br />
<strong>hemmer</strong><br />
Würzburg - Erlangen - Bayreuth - Regensburg - München - Passau - Augsburg<br />
Frankfurt/M. - Bochum - Konstanz - Heidelberg - Freiburg - Mainz - Berlin - Bonn<br />
Köln - Göttingen - Tübingen - Münster - Hamburg - Osnabrück - Gießen -<br />
Potsdam Hannover - Kiel - Dresden - Marburg - Trier - Jena - Leipzig -<br />
Saarbrücken Bremen - Halle - Rostock - Greifswald - Frankfurt/O. - Bielefeld -<br />
Mannheim<br />
Kursort Gießen<br />
Widerspruchsverfahren<br />
Zu beachten ist beim Widerspruchsverfahren stets dessen Doppelnatur. Das<br />
Widerspruchsverfahren ist zum einen eine Sachurteilsvoraussetzung für verwaltungsrechtliche<br />
Klagen (Vorverfahren nach §§ 68f. VwGO) und zum anderen ein eigenständiges<br />
verwaltungsrechtliches Verfahren.<br />
Das Widerspruchsverfahren erfüllt dabei vor allem 3 Funktionen, nämlich:<br />
- Rechtsschutz für den Bürger<br />
- Entlastung der Gerichte<br />
- Selbstkontrolle der Verwaltung<br />
Die Einlegung des Widerspruchs hat folgende Wirkungen:<br />
- Devolutiveffekt, also Zuständigkeit einer höheren Behörde. Nach herrschender Meinung<br />
erfolgt jedoch nur ein sog. relativer Devolutiveffekt, da Ausgangsbehörde neben der<br />
Widerspruchsbehörde zuständig bleibt und zunächst durch eigene Entscheidung Abhilfe<br />
schaffen kann<br />
- Suspensiveffekt i.S.e. Vollzugshemmung des nach wie vor rechtswirksamen, ggf.<br />
rechtswidrigen VA. Eine solche aufschiebende Wirkung gilt gem. § 80 VwGO neben<br />
dem Widerspruch auch für die Anfechtungsklage. Nach herrschender Meinung tritt der<br />
Suspensiveffekt auch bei dem unbegründeten, aber nicht offensichtlich unzulässigen<br />
Widerspruch ein. Der Suspensiveffekt ist quasi ein Ausgleich dafür, dass auch ein<br />
rechtswidriger VA weiterhin wirksam ist (vg. § 48 II VwVfG). Der Suspensiveffekt endet<br />
gem. § 80 b VwGO mit der Unanfechtbarkeit des WS-Bescheids (bzw. bei der<br />
Anfechtungsklage, welche im ersten Rechtszug abgewiesen wurde, 3 Monate nach<br />
Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung<br />
gegebenen Rechtsmittels / Hintergrund dieser Regelung bzgl. der Anfechtungsklage ist,<br />
dass gerichtliche Rechtsmittel nicht wegen des Suspensiveffekts eingelegt werden soll).<br />
Umstritten ist, wie sich die aufschiebende Wirkung auswirkt. Nach der<br />
Vollziehbarkeitstheorie ist der VA nicht vollziehbar. Hingegen ist er nach der strengen<br />
Wirksamkeitstheorie in seiner Wirksamkeit gehemmt und wird nach einer<br />
entsprechenden Entscheidung ex nunc wirksam bzw. unwirksam. Nach der<br />
herrschenden eingeschränkten Wirksamkeitstheorie ist der VA in seiner Wirksamkeit<br />
gehemmt und wird nach einer entsprechenden Entscheidung ex tunc wirksam bzw.<br />
unwirksam. Relevant ist dieser Streit insbesondere bei Entlassungen, gegen die WS<br />
eingelegt wurde, im Hinblick auf die Frage, ob die Bezüge während des<br />
Suspensiveffekts mit oder ohne Rechtsgrund gezahlt wurden und dementsprechend<br />
zurückgefordert werden können bzw. nicht.<br />
© RA Dr. Philipp Hammerich
<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 2<br />
<strong>hemmer</strong><br />
Prüfungsaufbau des Widerspruchsverfahrens<br />
A. Zulässigkeit des Widerspruchsverfahrens<br />
I. Verwaltungsrechtsweg § 40 I VwGO analog<br />
Wie bei der Anfechtungsklage ist auch beim Widerspruchsverfahren zunächst die Eröffnung des<br />
Verwaltungsrechtsweges zu prüfen. § 40 I VwGO findet insofern analoge Anwendung, da das<br />
Widerspruchsverfahren auch der Vorbereitung von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage dient,<br />
für die ebenfalls dieser Rechtsweg eröffnet sein muss. Bei der Prüfung des WS-Verfahrens ist<br />
dieser Prüfungspunkt jedoch unstrittig innerhalb der Zulässigkeit zu prüfen, da § 17 a II GVG<br />
beim WS-Verfahren nicht zum Tragen kommen kann.<br />
II. Statthaftigkeit § 68 VwGO<br />
Grds.: Erforderlichkeit des Widerspruchsverfahrens<br />
Das Widerspruchsverfahren ist durchzuführen, wenn Streitgegenstand ein VA ist (zur VA-<br />
Qualität siehe Übersicht zu Handlungsformen der Verwaltung). Hierbei ist sowohl eine<br />
Anfechtungssituation (§ 68 I VwGO), als auch eine Verpflichtungssituation (§ 68 II VwGO)<br />
denkbar. Eine Ausnahme hiervon stellt § 126 III BRRG dar, nach dem bei beamtenrechtlichen<br />
Streitigkeiten stets ein Vorverfahren durchzuführen ist. Es gibt somit drei Arten von WS-<br />
Verfahren:<br />
- Beamtenrechtl. WS<br />
- Anfechtungs- WS<br />
- Verpflichtungs- WS<br />
Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens<br />
Es gibt jedoch sowohl geschriebene, als auch ungeschriebene Ausnahmen zum Grundsatz der<br />
Erforderlichkeit des WS-Verfahrens:<br />
Gesetzlicher Anordnung<br />
- Planfeststellungsverfahren, §§ 74 I 2 iVm. 70 VwVfG<br />
- Erlass durch oberste Bundes- oder Landesbehörde § 68 I 2 Nr. 1 VwGO (Ausn.: § 126<br />
BRRG), z.B. Ministerien, Regierung. Nicht zu verwechseln mit Bundesoberbehörden (§<br />
87 III GG)<br />
- Erstmalige Beschwer, § 68 I 2 Nr. 2; analog bei reformatio in peius.<br />
- Untätigkeitsklage (Anfechtungskl. nur § 75 S.1, 1. Alt VwGO )<br />
©RA Dr. Philipp Hammerich
<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 3<br />
<strong>hemmer</strong><br />
Ungeregelte Fälle der Entbehrlichkeit<br />
- angefochtener VA stellt Wiederholung eines VA dar, gegen den erfolglos WSverf.<br />
durchgeführt wurde<br />
- WSverf. wurde bereits von einem Dritten durchgeführt, Voraussetzung: einheitlicher<br />
Rechtsgrund des Vorgehens gegen VA (Erbengem.) (a.A.: Kopp/Schenke § 68 Rdn. 26<br />
verlangt notwendige Streitgenossenschaft)<br />
- WSbeh. zeigt durch ihr Verhalten, dass Wverf. erfolglos bleiben wird. Diese Ausnahme<br />
kann nur zum Tragen kommen, sofern Ausgangs- u WSbeh. identisch ist, wodurch<br />
dieser Fallgruppe in Hamburg eine besondere Relevanz zukommt.<br />
- WSbeh. bzw. deren Rechtsträger hat sich sachlich auf die Klage eingelassen und deren<br />
Abweisung als unbegründet beantragt. Teilweise wird diese Fallgruppe dahingehend<br />
eingeschränkt, dass Ausgangs- und WSbeh. identisch sein müssen oder dass dies nur<br />
möglich ist, sofern es ausschließlich um die Rechtmäßigkeitsprüfung geht (ähnliches<br />
Problem wie bei der Entscheidung über verfristeten WS s.u.)<br />
III. Widerspruchsbefugnis § 42 II VwGO analog<br />
Hier ergeben sich keine Besonderheiten zur Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage, außer<br />
dass nicht vom Kläger, sondern von dem Beschwerten zu sprechen ist. Bei der<br />
Anfechtungssituation ist darauf abzustellen, ob eine Rechtsgutsverletzung möglich erscheint<br />
(Möglichkeitstheorie), wobei der Adressatengedanke ggf. heranzuziehen ist. Bei der<br />
Verpflichtungssituation ist darauf abzustellen, ob ein Anspruch des Betroffenen möglich<br />
erscheint (Anspruchstheorie).<br />
IV. Form und Frist, § 70 VwGO<br />
Form<br />
Schriftformerfordernis grds. wie bei der Klage, so dass § 81 VwGO entsprechend gilt (auch<br />
besteht die Möglichkeit der Niederschrift bei der Erlass-Behörde). WS muss nicht als solcher<br />
gekennzeichnet sein, ausreichend ist die Erkennbarkeit des Willens, Nachprüfung des VA zu<br />
veranlassen.<br />
Frist<br />
Erhebung des WS innerhalb eines Monats nach ordnungsgemäßer Bekanntgabe.<br />
Bekanntgabe – erforderlich für Lauf der Frist<br />
Bekanntgabe ist die Eröffnung des VA an dem Betroffenen mit Willen und Wissen der Behörde.<br />
Vor der Bekanntgabe ist die Einlegung eines WS unzulässig. Die Bekanntgabe richtet sich nach<br />
§ 41 VwVfG. Besonders relevant ist die Drei- Tages- Fiktion bei Bekanntgabe durch einfachen<br />
©RA Dr. Philipp Hammerich
<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 4<br />
<strong>hemmer</strong><br />
Brief, § 41 II VwVfG. Zu beachten ist ferner, dass eine Bekanntgabe auch durch Zustellung<br />
gegen Postzustellungsurkunde möglich ist, § 41 V VwVfG.<br />
Die Bekanntgabe muss an jeden einzelnen in seinen Rechten Betroffenen erfolgen, bei nicht<br />
rechtsfähigen Personengesellschaften oder Gemeinschaften grundsätzliche an jeden einzelnen<br />
Gesellschafter. Ein Bekanntgabemangel führt gem. § 43 VwVfG zur Unwirksamkeit des VA dem<br />
Betroffenen gegenüber. Der Betroffene, der vom Eingehen des VA Kenntnis hat oder hätte<br />
haben müssen, muss sich aber so behandeln lassen, als wäre ihm der VA ordnungsgemäß<br />
bekantgegeben worden, er muss also die WS-Frist ab dieser möglichen Kenntniserlangung<br />
einhalten. Auch ist unter bestimmten Voraussetzungen auch eine öffentliche Bekanntgabe gem.<br />
§ 41 III VwVfG möglich, z.B. bei § 10 VIII BImSchG oder bei Allgemeinverfügungen § 35 S. 2<br />
VwVfG. (vgl. zur Bekanntgabe von Verwaltungsakten im übrigen auch Übersicht zu<br />
Handlungsformen der Verwaltung)<br />
(P) Fristberechnung wegen Doppelnatur des Widerspruchsverfahrens<br />
Wegen der Doppelnatur des Widerspruchsverfahrens ist die Berechnung der Frist umstritten:<br />
e.A. §§ 79, 31 VwVfG i.V.m. §§ 187f. BGB<br />
h.M. § 57 VwGO, § 222 ZPO, §§ 187f. BGB<br />
im Ergebnis kann dies dahingestellt bleiben, da beide Normen auf die §§ 187f. BGB verweisen.<br />
Hingegen erfolgt die Fristberechnung bei verwaltungsrechtlichen Klagen unumstritten nach § 57<br />
VwGO, § 222 ZPO, §§ 187f. BGB.<br />
Rechtsmittelbelehrung<br />
Muss richtig sein, sonst läuft die Jahresfrist gem. § 58 II VwGO<br />
Bei Fristversäumung<br />
Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand § 32 VwVfG.<br />
Einlegung bei unzuständiger WS-Behörde<br />
Lässt WS nicht unzulässig werden, sondern führt lediglich zu Fristproblemen, wenn die<br />
unzuständige Behörde den WS nicht rechtzeitig an die zuständige Behörde weiterleitet. Dies ist<br />
grds. Risiko des WS-Führers.<br />
V. Beteiligten- und Verfahrensfähigkeit<br />
Wie bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, jedoch sind nicht die Vorschriften der<br />
VwGO, sondern wegen § 79 VwVfG die Vorschriften des §§ 11f. VwVfG maßgeblich.<br />
B. Begründetheit<br />
Der WS ist begründet, soweit der VA bzw. dessen Ablehnung rechtswidrig ist und dadurch der<br />
Betroffene in seinen subjektiven Rechten verletzt ist oder NUR BEI ERMESSENS-VA:<br />
zweckwidrig ist und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt ist.<br />
©RA Dr. Philipp Hammerich
<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 5<br />
<strong>hemmer</strong><br />
Beachte, dass in der Klausur nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle vorzunehmen ist, sofern sich<br />
keine Anhaltspunkte im Sachverhalt für eine Zweckwidrigkeit des WS ergeben.<br />
Ansonsten ergeben sich keine Unterschiede zur Begründetheits-Prüfung der Anfechtungs- bzw.<br />
Verpflichtungsklage.<br />
Probleme des WS-Verf. als Vorverfahren § 68 VwGO<br />
Grds.: Erforderlichkeit des Widerspruchsverfahrens bei Anfechtungs- und<br />
Verpflichtungssituationen (zur gesetzlichen Anordnung und Entbehrlichkeit s.o.)<br />
Beachte: Als Sachurteilsvoraussetzung muss Widerspruchsverfahren im Zeitpunkt der letzten<br />
mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß, d.h. form- und fristgerecht durchgeführt worden sein.<br />
(P) Entscheidung der Widerspruchsbehörde über verfristeten Widerspruch<br />
Problem stellt sich meistens in der Zulässigkeitsprüfung einer Klage.<br />
h.M.: Grds. zulässig, da Behörde Herrin des Vorverfahrens ist und Fristen die Behörde<br />
schützen. Die Folge ist, dass das Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde<br />
bzw. der Widerspruch nicht verfristet ist.<br />
Ausn.: Dritte vertrauen auf Bestandskraft des VA<br />
a.A.: immer unzulässig, da Behörde mit Bestandskraft die Entscheidungskompetenz verloren<br />
hat und die Fristen auch dem Schutz der Gerichte dienen.<br />
(P) WS-Behörde entscheidet während Anhängigkeit der Untätigkeitsklage<br />
War Klage zulässig (nach Ablauf von drei Monaten), so kann der Kläger seine Klage unter<br />
Einbeziehung des ergangenen ablehnenden VA fortführen, ohne dass gegen den ergangenen<br />
VA WS eingelegen müsste, denn dem Kläger kann eine bereits zulässige Klage nicht mehr<br />
genommen werden.<br />
War Klage noch nicht zulässig oder ergeht der VA innerhalb einer vom Gericht nach § 75 S. 3<br />
VwGO gesetzten Frist, so muss dass Vorverfahren nachgeholt werden und das<br />
Gerichtsverfahren wird ausgesetzt.<br />
(P) Isolierte Anfechtung des Widerspruchbescheides<br />
a. § 79 I Nr. 1 VwGO<br />
Zwei VA (urprünglicher VA, Widerspruchsbescheid) werden nach § 79 I Nr. 1 VwGO als Einheit<br />
behandelt werden und im Falle der Begründetheit beide aufgehoben. Gericht kann auch nur<br />
Widerspruchsbescheid gesondert aufheben, wenn es nur diesen für rechtswidrig hält.<br />
©RA Dr. Philipp Hammerich
<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 6<br />
<strong>hemmer</strong><br />
b. § 79 I Nr. 2 VwGO: erstmalig eine Beschwer<br />
Konstellationen:<br />
- drittbegünstigender VA wird im Widerspruchsverfahren zum Nachteil eines Dritten<br />
verändert (Aufhebung der einen Nachbarn begünstigenden Auflage zu Baugenehmig.)<br />
- begünstigender VA wird aufgrund Widerspruchs eines Dritten zum Nachteil des<br />
Adressaten abgeändert. (Hinzufügung einer belastenden NebenB zu Baugenehmig.)<br />
Die Aufhebung des Widerspruchsbescheides führt dann zur Wiederherstellung des<br />
ursprünglichen VA. (r.i.p., (-), da keine erstmalige, sondern weitere Beschwer)<br />
c. § 79 II 1 VwGO: selbständige Beschwer<br />
(+) bei Selbsteintritt.<br />
(P) Reformatio in peius � siehe hierzu unten<br />
d. § 79 II 2 VwGO: Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften<br />
(-) bei bloßen Ordnungsvorschriften. Widerspruchsentscheidung muss kausal auf der<br />
Verletzung beruhen.<br />
(+), bei Ermessensentscheidungen,<br />
(-), bei Ermessensreduzierung auf Null und bei gebundenen Entscheidungen, da RSB (-),<br />
wenn behördliche Entscheidung der Sache nach nicht zu beanstanden ist und der VA<br />
nur wegen des Verfahrensfehlers aufgehoben wird. Gefahr der doppelten<br />
Inanspruchnahme des Gerichtes.<br />
(P) Erforderlichkeit des Vorverfahrens bei der FFKl.<br />
siehe Übersichten zu den Klagearten der VwGO<br />
Die 7 Probleme der RIP (refromatio in peius)<br />
� Prüfung innerhalb der Anfechtungsklage<br />
Eröffnung des VRW § 40 I VwGO<br />
Zulässigkeit<br />
statthafte Klageart ⇒Problem Klagegegenstand<br />
79 I Nr. 1 VwGO urspr. VA in Gestalt des WS-Bescheids oder<br />
79 II VwGO WS-Bescheid alleiniger Gegenstand, sofern er selbständige Beschwer<br />
enthält<br />
©RA Dr. Philipp Hammerich
<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 7<br />
<strong>hemmer</strong><br />
e.A.: 79 II 1 VwGO bei schlichter Verböserung unanwendbar, da zwar neue, aber keine<br />
selbst. Beschwer => nur § 79 I Nr. 1 (vgl. Redecker/von Oertzen § 79 VwGO Rn. 9)<br />
Arg.: rip zwar zusätzliche, aber keine selbständige Beschwer! Selbständig nur, wenn<br />
vom ursprünglichen Streitgegenstand losgelöst<br />
h.M.: rip stellt selbständige Beschwer dar, da hierunter jede Änderung des VA zu Ungunsten<br />
des Widerspruchführers zu fassen ist, so dass 79 II VwGO zu bejahen ist. (vgl.<br />
Kopp/Schenke § 79 VwGO Rn. 11, Schmitt-Glaeser Verwaltungsprozessrecht Rn. 148).<br />
Die Folge ist ein Wahlrecht für den Bürger zwischen § 79 II 1 und § 79 I Nr. 1 wegen des<br />
Wortlauts § 79 („kann“).<br />
Dieser Streit braucht jedoch nicht entschieden zu werden, wenn sich gegen beides, also sowohl<br />
Ursprungs-VA, als auch gegen den WS-Bescheid, also gegen Maßnahme insgesamt, gewandt<br />
wird. In diesem Fall ist der Klagegegenstand dann gem. § 79 I Nr.1 VwGO der AusgangsVA in<br />
Gestalt des WS-Bescheids.<br />
Bei einer zusätzlichen, gänzlich neuen Maßnahme im WS-Bescheid (keine schlichte<br />
Verböserung) liegt hingegen unstr. eine selbständige Beschwer vor, so dass dann auch nach<br />
der engeren Ansicht § 79 II 1 VwGO zur Anwendung kommt<br />
⇒ dann nach beiden Ansichten der WS-Bescheid alleiniger Klagegegenstand<br />
Klagebefugnis § 42 II VwGO<br />
Vorverfahren (altes Problem)<br />
Problem: ist erneuter WS gegen rip erforderlich?<br />
Heute unumstritten (-), da § 68 I S.2 Nr. 2 VwGO analog anzuwenden ist<br />
Arg.: sonst droht Kreislauf: Behörde könnte erneut rip erlassen und es müsste immer wieder<br />
ein Widerspruch eingelegt werden<br />
Frist<br />
Klagegegner<br />
Gem. § 78 I Nr. 1 VwGO ist die Klage gegen die Körperschaft, deren Behörde den<br />
angefochtenen VA erlassen hat (Rechtsträgerprinzip), zu richten. Hinsichtlich der Klage gegen<br />
den Ausgangsverwaltungsakt ist somit immer der Rechtsträger der Ausgangsbehörde der<br />
richtige Klagegegner.<br />
Bzgl. der „rip-Maßnahmen“ im Widerspruchsbescheid könnte aber gem. § 78 II VwGO der<br />
Rechtsträger der WS-Behörde der richtige Klagegegner sein. Dies ist grundsätzlich der Fall bei<br />
einer erstmaligen Besschwer. Gem. § 79 II 3 VwGO ist § 78 II VwGO jedoch auch anzuwenden,<br />
wenn der WS-Bescheid alleiniger Klagegegenstand ist (vgl. Kopp/Schenke § 78 VwGO Rdn.<br />
13; Juhnke in BayVBl. 1991 136/140), also wenn er eine zusätzliche selbständige Beschwer<br />
enthält (§ 79 II 1). Dies ist nicht der Fall, wenn der Ausgangsbescheid in Gestalt des WS-<br />
©RA Dr. Philipp Hammerich
<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 8<br />
<strong>hemmer</strong><br />
Bescheids angegriffen wird, also i.d.R. bei schlichter Verböserung, so dass § 79 II 1 und damit<br />
auch § 78 II nicht zum Tragen kommen. In diesem Fall greift § 78 I Nr.1 VwGO, so dass der<br />
richtige Klagegegner der Rechtsträger der Ausgangsbehörde ist. Die Ausgangsbehörde muss<br />
sich insofern die Verböserung durch die WS-Behörde zurechnen lassen.<br />
Wenn der WS-Bescheid jedoch alleiniger Klagegegenstand der Anfechtungsklage ist (d.h.<br />
zusätzliche selbständige Beschwer gem. § 79 II 1 ⊕), dann kann auch der Rechtsträger der<br />
WS-Behörde gem. §§ 79 II 3 iVm 78 II, I Nr.1 VwGO richtiger Klagegegner sein. Dies gilt grds.<br />
aber nur, wenn der WS-Bescheid von Anfang an alleiniger Klagegegenstand ist.<br />
Liegt hingegen eine einheitliche Anfechtung von Ausgangs– und WS-Bescheid (Regelfall)<br />
vor, so wird die Verböserung durch die WS-Behörde grds. der Ausgangsbehörde zugerechnet,<br />
so dass Klagegegner der Rechtsträger der Ausgangsbehörde ist.<br />
Anderes gilt nur, wenn sich die neue Beschwer außerhalb des Rahmens der durch den<br />
Widerspruch begründeten Sachherrschaft liegt, d.h. von der WS-Behörde nur bei Gelegenheit<br />
des Widerspruchs, gewissermaßen als erstinstanzliche Maßnahme verfügt wurde<br />
(Selbsteintritt; vgl.Kopp/Schenke § 78 VwGO Rdn.13)., dann ist der richtige Klagegegner der<br />
Rechtsträger der WS-Behörde<br />
(Beachte: bei mehreren Maßnahmen dann keine obj. Klagehäufung möglich, da<br />
unterschiedliche Klagegegner)<br />
Besonderheit in HH:<br />
Die FHH ist eine Einheitsgemeinde, bei welcher kein Devolutiveffekt im WS-Verfahren erfolgt,<br />
sondern es wurde von § 73 I 3 VwGO durch § 7 AGVwGO Gebrauch gemacht, so dass ein<br />
Widerspruchsausschuss als Teil der Ausgangsbehörde gebildet wird. Insofern sind Ausgangsu.<br />
Widerspruchsbeh. Identisch, so dass die FHH immer der Rechtsträger sowohl der<br />
Ausgangsbehörde, als auch der WS-Behörde ist und somit immer der richtige Klagegegner ist,<br />
so dass dieser Streit in Hamburg keine weitreichende Bedeutung zukommt.<br />
Begründetheit<br />
Zulässigkeit der rip<br />
e.A.: (-) arg. ratio ⇒ Rechtsschutz für den Bürger Art. 19 IV GG<br />
Bürger würde sonst von der Einlegung von Rechtsbehelfen absehen; vgl. Hemmer VwR<br />
I Rn. 513f.<br />
h.M.: ⊕ arg. Bürger hat selbst Vertrauen zerstört<br />
- Pflicht zur Korrektur aus Gesetzesbindung der Verwaltung Art. 20 III<br />
- Bei Beschwerde u. Revision Verbot der rip geregelt ⇒Gegenschluss<br />
Vgl. zu diesem Streit: Kopp/Schenke § 68 VwGO Rdn. 10; Renner DVBl 1973 S. 340f.; Weides<br />
JUS 1987 S. 482f.<br />
©RA Dr. Philipp Hammerich
<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 9<br />
<strong>hemmer</strong><br />
RGL<br />
e.A.: falls spez.gesetzl. RGL (-)⇒ 48,49 VwVfG (nur summarische Prüfung)<br />
( so früher das BVerwG, siehe etwa BVerwGE 65, 319)<br />
Arg.: Wirkung der rip wie bei §§ 48, 49 VwVfG<br />
i.d.R. Widerruf gem. § 49, da Ursprungs-VA i.d.R. rm gewesen sein wird<br />
Problem: wie zu bestimmen, ob rip belastend oder begünstigend wirkt<br />
e.A.: Gesamtcharakter ist maßgeblich � wenn Ursprungs-VA belastend, dann<br />
auch rip belastend, so dass § 49 I VwVfG greift, dessen Voraussetzungen häufig<br />
vorliegen werden (so BVerwG in DÖV 1983 S. 941/943; Kopp/Ramsauer VwVfG<br />
§ 48 Rdn. 68)<br />
a.A.: Verböserung eines belastenden VA ist wie Aufhebung einer Begünstigung,<br />
so dass § 49 II VwVfG anwendbar, deren strengen Voraussetzungen häufig nicht<br />
vorliegen werden (so Maurer allg. VerwR 10 Aufl. § 11 Rdn. 15;<br />
Wolff/Bachof/Stober § 51 Rdn. 29; Schwerdtfeger Rdn. 39)<br />
Arg.: es kommt auf Interessenstandpunkt des Betroffenen an<br />
wohl h.M.: RGL des AusgangsVA ist RGL der rip (so OVG Koblenz NVwZ 1992 S. 386;<br />
Mußgnug VblBW 1993 446f.; Pietzner in VerwArch 1990 S. 266)<br />
Arg.: - Aufhebung im WS-Verfahren fällt nicht unter §§ 48, 49 VwVfG. Bis zum<br />
Abschluss des WS-Verfahrens hat sich noch kein derartiges Vertrauen gebildet,<br />
das Anwendung der §§ 48, 49 VwVfG rechtfertigt<br />
- Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Art 20 III GG bindet WS-Behörde in gleicher<br />
Weise an Vorraussetzungen der EGL wie Ausgangsbehörde<br />
- Gesetzgeber wollte Verböserung nicht regeln<br />
Formelle Rechtmäßigkeit<br />
Zuständigkeit<br />
Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde für Verböserung ?<br />
Sofern sich die Verböserung noch auf den AusgangsVA bezieht (bei schlichter Verböserung),<br />
so ist die WS-Behörde gem. § 73 I VwGO zuständig wegen der umfassenden<br />
Prüfungskompetenz bzgl. Streitgegenstand des Widerspruchs. Grds. fallen kraft des<br />
Devolutiveffekts nur solche Regelungen in den Zuständigkeitsbereich der WS-Behörde, welche<br />
gem. § 73 VwGO Gegenstand des WS sind. Enthält der WS-Bescheid zusätzliche belastende<br />
Anordnungen (keine schlichten Verböserungen), welche nicht Streitgegenstand waren, so<br />
lässt sich die Zuständigkeit der WS-Behörde nicht aus § 73 VwGO herleiten. Dann ist die<br />
Zuständigkeit und damit die Zulässigkeit der Anordnung nur aufgrund eines<br />
Selbsteintrittsrecht der übergeordneten Behörde (WS-Behörde) möglich.<br />
©RA Dr. Philipp Hammerich
<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 10<br />
<strong>hemmer</strong><br />
Ein solches Selbsteintrittsrecht erfordert eine Zuständigkeitsnorm, ansonsten ist ein<br />
Selbsteintritt nur bei Gefahr im Verzuge oder wenn untergeordnete Behörde erteilte Weisung<br />
nicht befolgt möglich<br />
Wenn dies nicht der Fall ist, so Zuständigkeit (-).<br />
Besonderheit in Hamburg:<br />
In Hamburg entscheidet mangels Devolutiveffekt (Einheitsgemeinde) dieselbe Stelle, die den<br />
AusgangsVA erlassen hat, insofern Zuständigkeit häufig (+)<br />
Verfahren<br />
(P) Anhörung<br />
ist vor Verböserung Anhörung des WS-Führers erforderlich ?<br />
früher umstritten:<br />
teilweise wurde vertreten, dass diese nur erforderlich ist, wenn neue Tatsachen vorliegen und<br />
sich die Verböserung gerade auf diese neue Tatsachen stützt<br />
Heute ganz h.M: (+) grundsätzlicher Anspruch auf rechtliches Gehör vor einer Verböserung<br />
gem. § 71 VwGO n.F., wenn Aufhebung oder Änderung eines VA in WS-Verfahren erstmalig<br />
mit einer Beschwer verbunden ist. (aber Heilung gem. § 45 I Nr. 3 VwVfG grundsätzlich mögl.)<br />
Exkurs (davon zu unterscheiden):<br />
(P) Heilung der fehlenden Anhörung vor Erlass des Ursprungs-VA durch die WS-Behörde im<br />
Rahmen des Widerspruchsverfahrens<br />
unstrittig möglich bei gebundenen Entscheidungen � § 45 I Nr. 3 VwVfG (+)<br />
bei Ermessen-VA umstritten<br />
e.A.: (-) bei Ermessen-VA, da denkbar, dass hier Bürger die Ausgangsbehörde<br />
umstimmen kann, da auch Zweckmäßigkeitserwägungen eine Rolle spielen<br />
h.M./BVerwG:⊕ auch bei Ermessens-VA, da WS-Behörde umfassende Prüfungskompetenz<br />
besitzt<br />
Arg.: Bürger kann auch jetzt noch alles vorbringen, da der Ermessen ausübenden WS-<br />
Behörde die volle Bandbreite der rm Entscheidung zur Verfügung steht � § 45 I<br />
Nr. 3 VwVfG<br />
Besonderheit in Hamburg:<br />
In HH entscheidet mangels Devolutiveffekt (Einheitsgemeinde) selbe Stelle, die AusgangsVA<br />
erlassen hat, insofern unproblematisch möglich<br />
Form<br />
Materielle Rechtmäßigkeit<br />
Die Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit orientiert sich an der Entscheidung, welche man im<br />
Rahmen der Rechtsgrundlage getroffen hat.<br />
©RA Dr. Philipp Hammerich
<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 11<br />
<strong>hemmer</strong><br />
©RA Dr. Philipp Hammerich