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Juristisches Repetitorium hemmer

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<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong><br />

<strong>hemmer</strong><br />

Würzburg - Erlangen - Bayreuth - Regensburg - München - Passau - Augsburg<br />

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Saarbrücken Bremen - Halle - Rostock - Greifswald - Frankfurt/O. - Bielefeld -<br />

Mannheim<br />

Kursort Gießen<br />

Widerspruchsverfahren<br />

Zu beachten ist beim Widerspruchsverfahren stets dessen Doppelnatur. Das<br />

Widerspruchsverfahren ist zum einen eine Sachurteilsvoraussetzung für verwaltungsrechtliche<br />

Klagen (Vorverfahren nach §§ 68f. VwGO) und zum anderen ein eigenständiges<br />

verwaltungsrechtliches Verfahren.<br />

Das Widerspruchsverfahren erfüllt dabei vor allem 3 Funktionen, nämlich:<br />

- Rechtsschutz für den Bürger<br />

- Entlastung der Gerichte<br />

- Selbstkontrolle der Verwaltung<br />

Die Einlegung des Widerspruchs hat folgende Wirkungen:<br />

- Devolutiveffekt, also Zuständigkeit einer höheren Behörde. Nach herrschender Meinung<br />

erfolgt jedoch nur ein sog. relativer Devolutiveffekt, da Ausgangsbehörde neben der<br />

Widerspruchsbehörde zuständig bleibt und zunächst durch eigene Entscheidung Abhilfe<br />

schaffen kann<br />

- Suspensiveffekt i.S.e. Vollzugshemmung des nach wie vor rechtswirksamen, ggf.<br />

rechtswidrigen VA. Eine solche aufschiebende Wirkung gilt gem. § 80 VwGO neben<br />

dem Widerspruch auch für die Anfechtungsklage. Nach herrschender Meinung tritt der<br />

Suspensiveffekt auch bei dem unbegründeten, aber nicht offensichtlich unzulässigen<br />

Widerspruch ein. Der Suspensiveffekt ist quasi ein Ausgleich dafür, dass auch ein<br />

rechtswidriger VA weiterhin wirksam ist (vg. § 48 II VwVfG). Der Suspensiveffekt endet<br />

gem. § 80 b VwGO mit der Unanfechtbarkeit des WS-Bescheids (bzw. bei der<br />

Anfechtungsklage, welche im ersten Rechtszug abgewiesen wurde, 3 Monate nach<br />

Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung<br />

gegebenen Rechtsmittels / Hintergrund dieser Regelung bzgl. der Anfechtungsklage ist,<br />

dass gerichtliche Rechtsmittel nicht wegen des Suspensiveffekts eingelegt werden soll).<br />

Umstritten ist, wie sich die aufschiebende Wirkung auswirkt. Nach der<br />

Vollziehbarkeitstheorie ist der VA nicht vollziehbar. Hingegen ist er nach der strengen<br />

Wirksamkeitstheorie in seiner Wirksamkeit gehemmt und wird nach einer<br />

entsprechenden Entscheidung ex nunc wirksam bzw. unwirksam. Nach der<br />

herrschenden eingeschränkten Wirksamkeitstheorie ist der VA in seiner Wirksamkeit<br />

gehemmt und wird nach einer entsprechenden Entscheidung ex tunc wirksam bzw.<br />

unwirksam. Relevant ist dieser Streit insbesondere bei Entlassungen, gegen die WS<br />

eingelegt wurde, im Hinblick auf die Frage, ob die Bezüge während des<br />

Suspensiveffekts mit oder ohne Rechtsgrund gezahlt wurden und dementsprechend<br />

zurückgefordert werden können bzw. nicht.<br />

© RA Dr. Philipp Hammerich


<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 2<br />

<strong>hemmer</strong><br />

Prüfungsaufbau des Widerspruchsverfahrens<br />

A. Zulässigkeit des Widerspruchsverfahrens<br />

I. Verwaltungsrechtsweg § 40 I VwGO analog<br />

Wie bei der Anfechtungsklage ist auch beim Widerspruchsverfahren zunächst die Eröffnung des<br />

Verwaltungsrechtsweges zu prüfen. § 40 I VwGO findet insofern analoge Anwendung, da das<br />

Widerspruchsverfahren auch der Vorbereitung von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage dient,<br />

für die ebenfalls dieser Rechtsweg eröffnet sein muss. Bei der Prüfung des WS-Verfahrens ist<br />

dieser Prüfungspunkt jedoch unstrittig innerhalb der Zulässigkeit zu prüfen, da § 17 a II GVG<br />

beim WS-Verfahren nicht zum Tragen kommen kann.<br />

II. Statthaftigkeit § 68 VwGO<br />

Grds.: Erforderlichkeit des Widerspruchsverfahrens<br />

Das Widerspruchsverfahren ist durchzuführen, wenn Streitgegenstand ein VA ist (zur VA-<br />

Qualität siehe Übersicht zu Handlungsformen der Verwaltung). Hierbei ist sowohl eine<br />

Anfechtungssituation (§ 68 I VwGO), als auch eine Verpflichtungssituation (§ 68 II VwGO)<br />

denkbar. Eine Ausnahme hiervon stellt § 126 III BRRG dar, nach dem bei beamtenrechtlichen<br />

Streitigkeiten stets ein Vorverfahren durchzuführen ist. Es gibt somit drei Arten von WS-<br />

Verfahren:<br />

- Beamtenrechtl. WS<br />

- Anfechtungs- WS<br />

- Verpflichtungs- WS<br />

Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens<br />

Es gibt jedoch sowohl geschriebene, als auch ungeschriebene Ausnahmen zum Grundsatz der<br />

Erforderlichkeit des WS-Verfahrens:<br />

Gesetzlicher Anordnung<br />

- Planfeststellungsverfahren, §§ 74 I 2 iVm. 70 VwVfG<br />

- Erlass durch oberste Bundes- oder Landesbehörde § 68 I 2 Nr. 1 VwGO (Ausn.: § 126<br />

BRRG), z.B. Ministerien, Regierung. Nicht zu verwechseln mit Bundesoberbehörden (§<br />

87 III GG)<br />

- Erstmalige Beschwer, § 68 I 2 Nr. 2; analog bei reformatio in peius.<br />

- Untätigkeitsklage (Anfechtungskl. nur § 75 S.1, 1. Alt VwGO )<br />

©RA Dr. Philipp Hammerich


<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 3<br />

<strong>hemmer</strong><br />

Ungeregelte Fälle der Entbehrlichkeit<br />

- angefochtener VA stellt Wiederholung eines VA dar, gegen den erfolglos WSverf.<br />

durchgeführt wurde<br />

- WSverf. wurde bereits von einem Dritten durchgeführt, Voraussetzung: einheitlicher<br />

Rechtsgrund des Vorgehens gegen VA (Erbengem.) (a.A.: Kopp/Schenke § 68 Rdn. 26<br />

verlangt notwendige Streitgenossenschaft)<br />

- WSbeh. zeigt durch ihr Verhalten, dass Wverf. erfolglos bleiben wird. Diese Ausnahme<br />

kann nur zum Tragen kommen, sofern Ausgangs- u WSbeh. identisch ist, wodurch<br />

dieser Fallgruppe in Hamburg eine besondere Relevanz zukommt.<br />

- WSbeh. bzw. deren Rechtsträger hat sich sachlich auf die Klage eingelassen und deren<br />

Abweisung als unbegründet beantragt. Teilweise wird diese Fallgruppe dahingehend<br />

eingeschränkt, dass Ausgangs- und WSbeh. identisch sein müssen oder dass dies nur<br />

möglich ist, sofern es ausschließlich um die Rechtmäßigkeitsprüfung geht (ähnliches<br />

Problem wie bei der Entscheidung über verfristeten WS s.u.)<br />

III. Widerspruchsbefugnis § 42 II VwGO analog<br />

Hier ergeben sich keine Besonderheiten zur Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage, außer<br />

dass nicht vom Kläger, sondern von dem Beschwerten zu sprechen ist. Bei der<br />

Anfechtungssituation ist darauf abzustellen, ob eine Rechtsgutsverletzung möglich erscheint<br />

(Möglichkeitstheorie), wobei der Adressatengedanke ggf. heranzuziehen ist. Bei der<br />

Verpflichtungssituation ist darauf abzustellen, ob ein Anspruch des Betroffenen möglich<br />

erscheint (Anspruchstheorie).<br />

IV. Form und Frist, § 70 VwGO<br />

Form<br />

Schriftformerfordernis grds. wie bei der Klage, so dass § 81 VwGO entsprechend gilt (auch<br />

besteht die Möglichkeit der Niederschrift bei der Erlass-Behörde). WS muss nicht als solcher<br />

gekennzeichnet sein, ausreichend ist die Erkennbarkeit des Willens, Nachprüfung des VA zu<br />

veranlassen.<br />

Frist<br />

Erhebung des WS innerhalb eines Monats nach ordnungsgemäßer Bekanntgabe.<br />

Bekanntgabe – erforderlich für Lauf der Frist<br />

Bekanntgabe ist die Eröffnung des VA an dem Betroffenen mit Willen und Wissen der Behörde.<br />

Vor der Bekanntgabe ist die Einlegung eines WS unzulässig. Die Bekanntgabe richtet sich nach<br />

§ 41 VwVfG. Besonders relevant ist die Drei- Tages- Fiktion bei Bekanntgabe durch einfachen<br />

©RA Dr. Philipp Hammerich


<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 4<br />

<strong>hemmer</strong><br />

Brief, § 41 II VwVfG. Zu beachten ist ferner, dass eine Bekanntgabe auch durch Zustellung<br />

gegen Postzustellungsurkunde möglich ist, § 41 V VwVfG.<br />

Die Bekanntgabe muss an jeden einzelnen in seinen Rechten Betroffenen erfolgen, bei nicht<br />

rechtsfähigen Personengesellschaften oder Gemeinschaften grundsätzliche an jeden einzelnen<br />

Gesellschafter. Ein Bekanntgabemangel führt gem. § 43 VwVfG zur Unwirksamkeit des VA dem<br />

Betroffenen gegenüber. Der Betroffene, der vom Eingehen des VA Kenntnis hat oder hätte<br />

haben müssen, muss sich aber so behandeln lassen, als wäre ihm der VA ordnungsgemäß<br />

bekantgegeben worden, er muss also die WS-Frist ab dieser möglichen Kenntniserlangung<br />

einhalten. Auch ist unter bestimmten Voraussetzungen auch eine öffentliche Bekanntgabe gem.<br />

§ 41 III VwVfG möglich, z.B. bei § 10 VIII BImSchG oder bei Allgemeinverfügungen § 35 S. 2<br />

VwVfG. (vgl. zur Bekanntgabe von Verwaltungsakten im übrigen auch Übersicht zu<br />

Handlungsformen der Verwaltung)<br />

(P) Fristberechnung wegen Doppelnatur des Widerspruchsverfahrens<br />

Wegen der Doppelnatur des Widerspruchsverfahrens ist die Berechnung der Frist umstritten:<br />

e.A. §§ 79, 31 VwVfG i.V.m. §§ 187f. BGB<br />

h.M. § 57 VwGO, § 222 ZPO, §§ 187f. BGB<br />

im Ergebnis kann dies dahingestellt bleiben, da beide Normen auf die §§ 187f. BGB verweisen.<br />

Hingegen erfolgt die Fristberechnung bei verwaltungsrechtlichen Klagen unumstritten nach § 57<br />

VwGO, § 222 ZPO, §§ 187f. BGB.<br />

Rechtsmittelbelehrung<br />

Muss richtig sein, sonst läuft die Jahresfrist gem. § 58 II VwGO<br />

Bei Fristversäumung<br />

Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand § 32 VwVfG.<br />

Einlegung bei unzuständiger WS-Behörde<br />

Lässt WS nicht unzulässig werden, sondern führt lediglich zu Fristproblemen, wenn die<br />

unzuständige Behörde den WS nicht rechtzeitig an die zuständige Behörde weiterleitet. Dies ist<br />

grds. Risiko des WS-Führers.<br />

V. Beteiligten- und Verfahrensfähigkeit<br />

Wie bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, jedoch sind nicht die Vorschriften der<br />

VwGO, sondern wegen § 79 VwVfG die Vorschriften des §§ 11f. VwVfG maßgeblich.<br />

B. Begründetheit<br />

Der WS ist begründet, soweit der VA bzw. dessen Ablehnung rechtswidrig ist und dadurch der<br />

Betroffene in seinen subjektiven Rechten verletzt ist oder NUR BEI ERMESSENS-VA:<br />

zweckwidrig ist und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt ist.<br />

©RA Dr. Philipp Hammerich


<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 5<br />

<strong>hemmer</strong><br />

Beachte, dass in der Klausur nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle vorzunehmen ist, sofern sich<br />

keine Anhaltspunkte im Sachverhalt für eine Zweckwidrigkeit des WS ergeben.<br />

Ansonsten ergeben sich keine Unterschiede zur Begründetheits-Prüfung der Anfechtungs- bzw.<br />

Verpflichtungsklage.<br />

Probleme des WS-Verf. als Vorverfahren § 68 VwGO<br />

Grds.: Erforderlichkeit des Widerspruchsverfahrens bei Anfechtungs- und<br />

Verpflichtungssituationen (zur gesetzlichen Anordnung und Entbehrlichkeit s.o.)<br />

Beachte: Als Sachurteilsvoraussetzung muss Widerspruchsverfahren im Zeitpunkt der letzten<br />

mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß, d.h. form- und fristgerecht durchgeführt worden sein.<br />

(P) Entscheidung der Widerspruchsbehörde über verfristeten Widerspruch<br />

Problem stellt sich meistens in der Zulässigkeitsprüfung einer Klage.<br />

h.M.: Grds. zulässig, da Behörde Herrin des Vorverfahrens ist und Fristen die Behörde<br />

schützen. Die Folge ist, dass das Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde<br />

bzw. der Widerspruch nicht verfristet ist.<br />

Ausn.: Dritte vertrauen auf Bestandskraft des VA<br />

a.A.: immer unzulässig, da Behörde mit Bestandskraft die Entscheidungskompetenz verloren<br />

hat und die Fristen auch dem Schutz der Gerichte dienen.<br />

(P) WS-Behörde entscheidet während Anhängigkeit der Untätigkeitsklage<br />

War Klage zulässig (nach Ablauf von drei Monaten), so kann der Kläger seine Klage unter<br />

Einbeziehung des ergangenen ablehnenden VA fortführen, ohne dass gegen den ergangenen<br />

VA WS eingelegen müsste, denn dem Kläger kann eine bereits zulässige Klage nicht mehr<br />

genommen werden.<br />

War Klage noch nicht zulässig oder ergeht der VA innerhalb einer vom Gericht nach § 75 S. 3<br />

VwGO gesetzten Frist, so muss dass Vorverfahren nachgeholt werden und das<br />

Gerichtsverfahren wird ausgesetzt.<br />

(P) Isolierte Anfechtung des Widerspruchbescheides<br />

a. § 79 I Nr. 1 VwGO<br />

Zwei VA (urprünglicher VA, Widerspruchsbescheid) werden nach § 79 I Nr. 1 VwGO als Einheit<br />

behandelt werden und im Falle der Begründetheit beide aufgehoben. Gericht kann auch nur<br />

Widerspruchsbescheid gesondert aufheben, wenn es nur diesen für rechtswidrig hält.<br />

©RA Dr. Philipp Hammerich


<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 6<br />

<strong>hemmer</strong><br />

b. § 79 I Nr. 2 VwGO: erstmalig eine Beschwer<br />

Konstellationen:<br />

- drittbegünstigender VA wird im Widerspruchsverfahren zum Nachteil eines Dritten<br />

verändert (Aufhebung der einen Nachbarn begünstigenden Auflage zu Baugenehmig.)<br />

- begünstigender VA wird aufgrund Widerspruchs eines Dritten zum Nachteil des<br />

Adressaten abgeändert. (Hinzufügung einer belastenden NebenB zu Baugenehmig.)<br />

Die Aufhebung des Widerspruchsbescheides führt dann zur Wiederherstellung des<br />

ursprünglichen VA. (r.i.p., (-), da keine erstmalige, sondern weitere Beschwer)<br />

c. § 79 II 1 VwGO: selbständige Beschwer<br />

(+) bei Selbsteintritt.<br />

(P) Reformatio in peius � siehe hierzu unten<br />

d. § 79 II 2 VwGO: Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften<br />

(-) bei bloßen Ordnungsvorschriften. Widerspruchsentscheidung muss kausal auf der<br />

Verletzung beruhen.<br />

(+), bei Ermessensentscheidungen,<br />

(-), bei Ermessensreduzierung auf Null und bei gebundenen Entscheidungen, da RSB (-),<br />

wenn behördliche Entscheidung der Sache nach nicht zu beanstanden ist und der VA<br />

nur wegen des Verfahrensfehlers aufgehoben wird. Gefahr der doppelten<br />

Inanspruchnahme des Gerichtes.<br />

(P) Erforderlichkeit des Vorverfahrens bei der FFKl.<br />

siehe Übersichten zu den Klagearten der VwGO<br />

Die 7 Probleme der RIP (refromatio in peius)<br />

� Prüfung innerhalb der Anfechtungsklage<br />

Eröffnung des VRW § 40 I VwGO<br />

Zulässigkeit<br />

statthafte Klageart ⇒Problem Klagegegenstand<br />

79 I Nr. 1 VwGO urspr. VA in Gestalt des WS-Bescheids oder<br />

79 II VwGO WS-Bescheid alleiniger Gegenstand, sofern er selbständige Beschwer<br />

enthält<br />

©RA Dr. Philipp Hammerich


<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 7<br />

<strong>hemmer</strong><br />

e.A.: 79 II 1 VwGO bei schlichter Verböserung unanwendbar, da zwar neue, aber keine<br />

selbst. Beschwer => nur § 79 I Nr. 1 (vgl. Redecker/von Oertzen § 79 VwGO Rn. 9)<br />

Arg.: rip zwar zusätzliche, aber keine selbständige Beschwer! Selbständig nur, wenn<br />

vom ursprünglichen Streitgegenstand losgelöst<br />

h.M.: rip stellt selbständige Beschwer dar, da hierunter jede Änderung des VA zu Ungunsten<br />

des Widerspruchführers zu fassen ist, so dass 79 II VwGO zu bejahen ist. (vgl.<br />

Kopp/Schenke § 79 VwGO Rn. 11, Schmitt-Glaeser Verwaltungsprozessrecht Rn. 148).<br />

Die Folge ist ein Wahlrecht für den Bürger zwischen § 79 II 1 und § 79 I Nr. 1 wegen des<br />

Wortlauts § 79 („kann“).<br />

Dieser Streit braucht jedoch nicht entschieden zu werden, wenn sich gegen beides, also sowohl<br />

Ursprungs-VA, als auch gegen den WS-Bescheid, also gegen Maßnahme insgesamt, gewandt<br />

wird. In diesem Fall ist der Klagegegenstand dann gem. § 79 I Nr.1 VwGO der AusgangsVA in<br />

Gestalt des WS-Bescheids.<br />

Bei einer zusätzlichen, gänzlich neuen Maßnahme im WS-Bescheid (keine schlichte<br />

Verböserung) liegt hingegen unstr. eine selbständige Beschwer vor, so dass dann auch nach<br />

der engeren Ansicht § 79 II 1 VwGO zur Anwendung kommt<br />

⇒ dann nach beiden Ansichten der WS-Bescheid alleiniger Klagegegenstand<br />

Klagebefugnis § 42 II VwGO<br />

Vorverfahren (altes Problem)<br />

Problem: ist erneuter WS gegen rip erforderlich?<br />

Heute unumstritten (-), da § 68 I S.2 Nr. 2 VwGO analog anzuwenden ist<br />

Arg.: sonst droht Kreislauf: Behörde könnte erneut rip erlassen und es müsste immer wieder<br />

ein Widerspruch eingelegt werden<br />

Frist<br />

Klagegegner<br />

Gem. § 78 I Nr. 1 VwGO ist die Klage gegen die Körperschaft, deren Behörde den<br />

angefochtenen VA erlassen hat (Rechtsträgerprinzip), zu richten. Hinsichtlich der Klage gegen<br />

den Ausgangsverwaltungsakt ist somit immer der Rechtsträger der Ausgangsbehörde der<br />

richtige Klagegegner.<br />

Bzgl. der „rip-Maßnahmen“ im Widerspruchsbescheid könnte aber gem. § 78 II VwGO der<br />

Rechtsträger der WS-Behörde der richtige Klagegegner sein. Dies ist grundsätzlich der Fall bei<br />

einer erstmaligen Besschwer. Gem. § 79 II 3 VwGO ist § 78 II VwGO jedoch auch anzuwenden,<br />

wenn der WS-Bescheid alleiniger Klagegegenstand ist (vgl. Kopp/Schenke § 78 VwGO Rdn.<br />

13; Juhnke in BayVBl. 1991 136/140), also wenn er eine zusätzliche selbständige Beschwer<br />

enthält (§ 79 II 1). Dies ist nicht der Fall, wenn der Ausgangsbescheid in Gestalt des WS-<br />

©RA Dr. Philipp Hammerich


<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 8<br />

<strong>hemmer</strong><br />

Bescheids angegriffen wird, also i.d.R. bei schlichter Verböserung, so dass § 79 II 1 und damit<br />

auch § 78 II nicht zum Tragen kommen. In diesem Fall greift § 78 I Nr.1 VwGO, so dass der<br />

richtige Klagegegner der Rechtsträger der Ausgangsbehörde ist. Die Ausgangsbehörde muss<br />

sich insofern die Verböserung durch die WS-Behörde zurechnen lassen.<br />

Wenn der WS-Bescheid jedoch alleiniger Klagegegenstand der Anfechtungsklage ist (d.h.<br />

zusätzliche selbständige Beschwer gem. § 79 II 1 ⊕), dann kann auch der Rechtsträger der<br />

WS-Behörde gem. §§ 79 II 3 iVm 78 II, I Nr.1 VwGO richtiger Klagegegner sein. Dies gilt grds.<br />

aber nur, wenn der WS-Bescheid von Anfang an alleiniger Klagegegenstand ist.<br />

Liegt hingegen eine einheitliche Anfechtung von Ausgangs– und WS-Bescheid (Regelfall)<br />

vor, so wird die Verböserung durch die WS-Behörde grds. der Ausgangsbehörde zugerechnet,<br />

so dass Klagegegner der Rechtsträger der Ausgangsbehörde ist.<br />

Anderes gilt nur, wenn sich die neue Beschwer außerhalb des Rahmens der durch den<br />

Widerspruch begründeten Sachherrschaft liegt, d.h. von der WS-Behörde nur bei Gelegenheit<br />

des Widerspruchs, gewissermaßen als erstinstanzliche Maßnahme verfügt wurde<br />

(Selbsteintritt; vgl.Kopp/Schenke § 78 VwGO Rdn.13)., dann ist der richtige Klagegegner der<br />

Rechtsträger der WS-Behörde<br />

(Beachte: bei mehreren Maßnahmen dann keine obj. Klagehäufung möglich, da<br />

unterschiedliche Klagegegner)<br />

Besonderheit in HH:<br />

Die FHH ist eine Einheitsgemeinde, bei welcher kein Devolutiveffekt im WS-Verfahren erfolgt,<br />

sondern es wurde von § 73 I 3 VwGO durch § 7 AGVwGO Gebrauch gemacht, so dass ein<br />

Widerspruchsausschuss als Teil der Ausgangsbehörde gebildet wird. Insofern sind Ausgangsu.<br />

Widerspruchsbeh. Identisch, so dass die FHH immer der Rechtsträger sowohl der<br />

Ausgangsbehörde, als auch der WS-Behörde ist und somit immer der richtige Klagegegner ist,<br />

so dass dieser Streit in Hamburg keine weitreichende Bedeutung zukommt.<br />

Begründetheit<br />

Zulässigkeit der rip<br />

e.A.: (-) arg. ratio ⇒ Rechtsschutz für den Bürger Art. 19 IV GG<br />

Bürger würde sonst von der Einlegung von Rechtsbehelfen absehen; vgl. Hemmer VwR<br />

I Rn. 513f.<br />

h.M.: ⊕ arg. Bürger hat selbst Vertrauen zerstört<br />

- Pflicht zur Korrektur aus Gesetzesbindung der Verwaltung Art. 20 III<br />

- Bei Beschwerde u. Revision Verbot der rip geregelt ⇒Gegenschluss<br />

Vgl. zu diesem Streit: Kopp/Schenke § 68 VwGO Rdn. 10; Renner DVBl 1973 S. 340f.; Weides<br />

JUS 1987 S. 482f.<br />

©RA Dr. Philipp Hammerich


<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 9<br />

<strong>hemmer</strong><br />

RGL<br />

e.A.: falls spez.gesetzl. RGL (-)⇒ 48,49 VwVfG (nur summarische Prüfung)<br />

( so früher das BVerwG, siehe etwa BVerwGE 65, 319)<br />

Arg.: Wirkung der rip wie bei §§ 48, 49 VwVfG<br />

i.d.R. Widerruf gem. § 49, da Ursprungs-VA i.d.R. rm gewesen sein wird<br />

Problem: wie zu bestimmen, ob rip belastend oder begünstigend wirkt<br />

e.A.: Gesamtcharakter ist maßgeblich � wenn Ursprungs-VA belastend, dann<br />

auch rip belastend, so dass § 49 I VwVfG greift, dessen Voraussetzungen häufig<br />

vorliegen werden (so BVerwG in DÖV 1983 S. 941/943; Kopp/Ramsauer VwVfG<br />

§ 48 Rdn. 68)<br />

a.A.: Verböserung eines belastenden VA ist wie Aufhebung einer Begünstigung,<br />

so dass § 49 II VwVfG anwendbar, deren strengen Voraussetzungen häufig nicht<br />

vorliegen werden (so Maurer allg. VerwR 10 Aufl. § 11 Rdn. 15;<br />

Wolff/Bachof/Stober § 51 Rdn. 29; Schwerdtfeger Rdn. 39)<br />

Arg.: es kommt auf Interessenstandpunkt des Betroffenen an<br />

wohl h.M.: RGL des AusgangsVA ist RGL der rip (so OVG Koblenz NVwZ 1992 S. 386;<br />

Mußgnug VblBW 1993 446f.; Pietzner in VerwArch 1990 S. 266)<br />

Arg.: - Aufhebung im WS-Verfahren fällt nicht unter §§ 48, 49 VwVfG. Bis zum<br />

Abschluss des WS-Verfahrens hat sich noch kein derartiges Vertrauen gebildet,<br />

das Anwendung der §§ 48, 49 VwVfG rechtfertigt<br />

- Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Art 20 III GG bindet WS-Behörde in gleicher<br />

Weise an Vorraussetzungen der EGL wie Ausgangsbehörde<br />

- Gesetzgeber wollte Verböserung nicht regeln<br />

Formelle Rechtmäßigkeit<br />

Zuständigkeit<br />

Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde für Verböserung ?<br />

Sofern sich die Verböserung noch auf den AusgangsVA bezieht (bei schlichter Verböserung),<br />

so ist die WS-Behörde gem. § 73 I VwGO zuständig wegen der umfassenden<br />

Prüfungskompetenz bzgl. Streitgegenstand des Widerspruchs. Grds. fallen kraft des<br />

Devolutiveffekts nur solche Regelungen in den Zuständigkeitsbereich der WS-Behörde, welche<br />

gem. § 73 VwGO Gegenstand des WS sind. Enthält der WS-Bescheid zusätzliche belastende<br />

Anordnungen (keine schlichten Verböserungen), welche nicht Streitgegenstand waren, so<br />

lässt sich die Zuständigkeit der WS-Behörde nicht aus § 73 VwGO herleiten. Dann ist die<br />

Zuständigkeit und damit die Zulässigkeit der Anordnung nur aufgrund eines<br />

Selbsteintrittsrecht der übergeordneten Behörde (WS-Behörde) möglich.<br />

©RA Dr. Philipp Hammerich


<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 10<br />

<strong>hemmer</strong><br />

Ein solches Selbsteintrittsrecht erfordert eine Zuständigkeitsnorm, ansonsten ist ein<br />

Selbsteintritt nur bei Gefahr im Verzuge oder wenn untergeordnete Behörde erteilte Weisung<br />

nicht befolgt möglich<br />

Wenn dies nicht der Fall ist, so Zuständigkeit (-).<br />

Besonderheit in Hamburg:<br />

In Hamburg entscheidet mangels Devolutiveffekt (Einheitsgemeinde) dieselbe Stelle, die den<br />

AusgangsVA erlassen hat, insofern Zuständigkeit häufig (+)<br />

Verfahren<br />

(P) Anhörung<br />

ist vor Verböserung Anhörung des WS-Führers erforderlich ?<br />

früher umstritten:<br />

teilweise wurde vertreten, dass diese nur erforderlich ist, wenn neue Tatsachen vorliegen und<br />

sich die Verböserung gerade auf diese neue Tatsachen stützt<br />

Heute ganz h.M: (+) grundsätzlicher Anspruch auf rechtliches Gehör vor einer Verböserung<br />

gem. § 71 VwGO n.F., wenn Aufhebung oder Änderung eines VA in WS-Verfahren erstmalig<br />

mit einer Beschwer verbunden ist. (aber Heilung gem. § 45 I Nr. 3 VwVfG grundsätzlich mögl.)<br />

Exkurs (davon zu unterscheiden):<br />

(P) Heilung der fehlenden Anhörung vor Erlass des Ursprungs-VA durch die WS-Behörde im<br />

Rahmen des Widerspruchsverfahrens<br />

unstrittig möglich bei gebundenen Entscheidungen � § 45 I Nr. 3 VwVfG (+)<br />

bei Ermessen-VA umstritten<br />

e.A.: (-) bei Ermessen-VA, da denkbar, dass hier Bürger die Ausgangsbehörde<br />

umstimmen kann, da auch Zweckmäßigkeitserwägungen eine Rolle spielen<br />

h.M./BVerwG:⊕ auch bei Ermessens-VA, da WS-Behörde umfassende Prüfungskompetenz<br />

besitzt<br />

Arg.: Bürger kann auch jetzt noch alles vorbringen, da der Ermessen ausübenden WS-<br />

Behörde die volle Bandbreite der rm Entscheidung zur Verfügung steht � § 45 I<br />

Nr. 3 VwVfG<br />

Besonderheit in Hamburg:<br />

In HH entscheidet mangels Devolutiveffekt (Einheitsgemeinde) selbe Stelle, die AusgangsVA<br />

erlassen hat, insofern unproblematisch möglich<br />

Form<br />

Materielle Rechtmäßigkeit<br />

Die Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit orientiert sich an der Entscheidung, welche man im<br />

Rahmen der Rechtsgrundlage getroffen hat.<br />

©RA Dr. Philipp Hammerich


<strong>Juristisches</strong> <strong>Repetitorium</strong> Seite 11<br />

<strong>hemmer</strong><br />

©RA Dr. Philipp Hammerich

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