19.08.2012 Aufrufe

Soziale Arbeit in Gerontologischen Arbeitsfeldern mit Kindern in ...

Soziale Arbeit in Gerontologischen Arbeitsfeldern mit Kindern in ...

Soziale Arbeit in Gerontologischen Arbeitsfeldern mit Kindern in ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Sigmund Gastiger, Cornelia Kricheldorff<br />

(Hg.)<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>Gerontologischen</strong> <strong>Arbeit</strong>sfeldern<br />

<strong>mit</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> prekären Lebenslagen<br />

Methoden und Konzepte der <strong>Soziale</strong>n<br />

<strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong> verschiedenen <strong>Arbeit</strong>sfeldern


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation<br />

<strong>in</strong> der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische<br />

Daten s<strong>in</strong>d im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

© 2011 Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau<br />

www.lambertus.de<br />

Umschlaggestaltung: Nathalie Kupfermann, Bollschweil<br />

Druck: Franz X. Stückle, Druck und Verlag, Ettenheim<br />

ISBN 978-3-7841-2030-0


Inhalt<br />

Vorwort<br />

Cornelia Kricheldorff<br />

Handlungsfeld <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong> gerontologischen <strong>Arbeit</strong>sfeldern<br />

und im Gesundheitswesen<br />

Matthias Hugoth<br />

Handlungsfeld <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> prekären Lebenslagen<br />

Die Autoren


Vorwort<br />

Dieses und die folgenden Lernbücher der Reihe „Skills“ befassen sich <strong>mit</strong><br />

dem Thema „Handlungskonzepte und Methoden der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong><br />

verschiedenen <strong>Arbeit</strong>sfeldern“. Dabei werden zunächst die aktuellen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

und Fragen im jeweiligen <strong>Arbeit</strong>sfeld kurz beleuchtet und dann,<br />

auf der Basis von exemplarischen Fallbeschreibungen, schrittweise bearbeitet.<br />

Es würde den Rahmen des Vorworts sprengen, wollte man an dieser Stelle<br />

aufwändig diskutieren, was wir unter <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong> verstehen. Deshalb<br />

folgen wir der These von Klüsche (1999), nach der er <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> für<br />

die Bearbeitung von gesellschaftlich und professionell als relevant angesehenen<br />

Problemlagen (Klüsche I: 23) zuständig sieht. Er konkretisiert diese<br />

Def<strong>in</strong>ition, <strong>in</strong>dem er <strong>in</strong>nerhalb der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong>, die Entstehung und<br />

Bearbeitung von Problemlagen unter m<strong>in</strong>destens vier Aspekten erfasst:<br />

1. unter dem der Klienten/Klient<strong>in</strong>nen<br />

2. unter dem der Gesellschaft<br />

3. unter dem der Profession und<br />

4. unter dem der Institutionen oder Organisationen, <strong>in</strong> denen Hilfe geleistet<br />

und koord<strong>in</strong>iert wird (Klüsche II: 22).<br />

Diese Bezugspunkte der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> charakterisieren deren professionelles<br />

<strong>Arbeit</strong>en <strong>in</strong> den unterschiedlichen Handlungsfeldern (Klüsche II:<br />

a.a.O.).<br />

Es gibt freilich unterschiedliche Modelle, wie <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> betrachtet<br />

werden kann. Die Skills-Reihe setzt auf die zentrale Rolle von Handlungskonzepten<br />

und Methoden, im S<strong>in</strong>ne von Galuske (2009). Welches Verständnis<br />

von <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong> dem zugrunde liegt und was danach <strong>in</strong>haltlich<br />

kennzeichnend für die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> ist, erläutert Galuske <strong>in</strong> fünf zentralen<br />

Punkten (Galuske: 37ff.).<br />

1. <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> ist (fast) allzuständig, d. h. wenig spezialisiert, im<br />

Gegensatz zu anderen helfenden Berufen. Auf der Ebene der Alltags<strong>in</strong>tervention<br />

wird deutlich: Alles, was das Alltagsleben an Problemen<br />

5


Methoden und Konzepte der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong> verschiedenen <strong>Arbeit</strong>sfeldern<br />

hergibt, kann zum Gegenstand sozialarbeiterischer/ sozialpädagogischer<br />

Intervention werden (Galuske: 37).<br />

2. Sozialarbeiter haben ke<strong>in</strong> Monopol auf ihre Tätigkeitsfelder. Was ist<br />

ihr Proprium, wodurch sie alle<strong>in</strong> für die Fallbearbeitung zuständig<br />

s<strong>in</strong>d (Galuske: 39)?<br />

3. Sie haben Schwierigkeiten, besondere Kompetenzansprüche zu behaupten<br />

und verständlich zu machen bei Problemen des täglichen Lebens,<br />

die nach Laienauffassung eigentlich ke<strong>in</strong>er spezifischen Fähigkeit<br />

oder e<strong>in</strong>es Experten bedürfen (Galuske: a.a.O.)<br />

4. Als personenbezogene Dienstleistung braucht die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> die<br />

Klienten. Der Erfolg ist nur im <strong>Arbeit</strong>sbündnis <strong>mit</strong> dem Klienten zu<br />

erzielen. Dabei ist e<strong>in</strong> wichtiges Ziel: die Autonomie der Lebenspraxis<br />

der Klienten zu respektieren, obwohl diese Autonomie häufig beschädigt<br />

ist (Galuske: 47).<br />

5. <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> bewegt sich meist <strong>in</strong>nerhalb politischer und/oder bürokratischer<br />

Strukturen (die das Jugendamt, das Sozialamt, den Freien<br />

Träger, überhaupt das Geme<strong>in</strong>wesen kennzeichnen) und da<strong>mit</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em ausdifferenzierten Rechtsrahmen. Professionelle Hilfe kann<br />

meist nur unter Ausschöpfung sozialrechtlicher Ansprüche geleistet<br />

werden und fast immer nur, wenn die Hilfe durch Bund, Land oder<br />

Geme<strong>in</strong>de f<strong>in</strong>anziert wird (Galuske: a.a.O.).<br />

Trotz dieser Diffusität des Gegenstandes der jeweiligen Intervention (s.o.<br />

1-3) und der Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> lässt sich doch als<br />

Grundkonsens festhalten, dass ihre zentrale Aufgabe die professionelle<br />

Bearbeitung sozialer Problemlagen ist (Lüssi: 79).<br />

Daneben nimmt auch die präventive <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> e<strong>in</strong>en immer breiteren<br />

Raum e<strong>in</strong>. So ist beispielsweise die Armutsprävention e<strong>in</strong> entscheidender<br />

Schritt zur Befähigung und zur Verbesserung der Teilhabechancen (Rogg:<br />

24, Neher: 11). <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> als politischer Impulsgeber hilft aber auch,<br />

im Sozialstaat die Befähigungsgerechtigkeit zu verwirklichen und Partizipation<br />

zu ermöglichen.<br />

Für die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> ist also der Umgang <strong>mit</strong> sozialen Problemen zentral,<br />

die fast immer von komplexer Natur s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e „Lösung“ ist typischerweise<br />

„imperfekt“, also „unvollständig“, „unvollkommen“, „unabgeschlos-<br />

6


Vorwort<br />

sen“ (Lüssi: 135). Immer bleibt, wie überhaupt bei komplexen Problemen,<br />

„etwas übrig“, sie s<strong>in</strong>d nach der Beschäftigung <strong>mit</strong> ihnen nicht e<strong>in</strong>fach<br />

„verschwunden“. Wir sprechen deshalb besser nicht von der Lösung sozialer<br />

Probleme, sondern von ihrer Bearbeitung (s.o.).<br />

Alexander der Große tat sich da leichter:<br />

Er war auf se<strong>in</strong>em Marsch nach Asien an Phrygien <strong>in</strong>teressiert, dem Tor<br />

Asiens. Aber es war e<strong>in</strong> Problem zu lösen, an dem schon die führenden Intellektuellen<br />

se<strong>in</strong>er Zeit gescheitert waren: Am Streitwagen des Königs<br />

Gordios war e<strong>in</strong> Knoten angebracht; wer ihn lösen konnte, dem gehörte<br />

Phrygien und dann die Welt. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Alexander<br />

durchschlug den Knoten <strong>mit</strong> dem Schwert und seither ist der „gordische<br />

Knoten“ oder was Alexander <strong>mit</strong> ihm machte, der Urbegriff für e<strong>in</strong>e<br />

abgekürzte Lösung e<strong>in</strong>es sonst schier unüberw<strong>in</strong>dlichen Problems.<br />

Die Bearbeitung komplexer Probleme <strong>in</strong> der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> dauert <strong>in</strong> der<br />

Regel etwas länger, sie ist nicht e<strong>in</strong>fach und <strong>in</strong> den meisten Fällen auch<br />

nicht endgültig. Schon <strong>in</strong> der Problemformulierung erahnt man dessen<br />

Dimension und die Intensität der erforderlichen Bearbeitungsüberlegungen.<br />

Methodenkompetenz ist deshalb die Fähigkeit, die dem jeweiligen Problem<br />

angemessene Methode e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Dabei me<strong>in</strong>t Methode nicht nur die Beantwortung der Frage welche Handlungsschritte<br />

wie s<strong>in</strong>nvoll erfolgen können, sondern auch was erreicht<br />

werden soll und warum. Das heißt, zur Methode gehört auch die Sorge um<br />

die Interventionsziele (Galuske: 26,27).<br />

Der Methodenbegriff hat sich erweitert. Zu den drei „Klassikern“: <strong>Soziale</strong><br />

E<strong>in</strong>zelfallhilfe, soziale Gruppenarbeit und Geme<strong>in</strong>wesenarbeit kamen <strong>in</strong>zwischen<br />

vielfältige Handlungskonzepte und Methoden h<strong>in</strong>zu, die sich<br />

zum großen Teil aus der Fachpraxis der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> heraus entwickelt<br />

haben. Es gibt zahlreiche Versuche ihrer Systematisierung – e<strong>in</strong>e sehr<br />

überzeugende bietet Galuske (2009) an, der zwischen direkten und <strong>in</strong>direkten<br />

Methoden unterscheidet und da<strong>mit</strong> auch e<strong>in</strong>en Bezugsrahmen für<br />

professionsbezogene Ansätze und Methoden schafft, die nicht un<strong>mit</strong>telbar<br />

auf die Adressaten <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong> zielen, sondern auf deren Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

gerichtet s<strong>in</strong>d (Sozialmanagement, <strong>Soziale</strong> Planung) oder das<br />

eigene Handeln reflektieren und bewerten (Supervision, Evaluation).<br />

7


Methoden und Konzepte der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong> verschiedenen <strong>Arbeit</strong>sfeldern<br />

Wir können also <strong>in</strong>zwischen von e<strong>in</strong>er Methodenvielfalt (Schmidt-<br />

Grunert: 50) <strong>in</strong> der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong>sgesamt sprechen, während für die<br />

e<strong>in</strong>zelnen <strong>Arbeit</strong>sfelder die unterschiedlichen Handlungskonzepte und Methoden<br />

jeweils mehr oder weniger relevant s<strong>in</strong>d. Für Studierende ist aber<br />

e<strong>in</strong>e konkrete und auf die Fachpraxis bezogene Ause<strong>in</strong>andersetzung <strong>mit</strong><br />

dieser Methodenvielfalt notwendig, die e<strong>in</strong>e Methoden<strong>in</strong>tegration erfordert.<br />

Diese muss im Studium ver<strong>mit</strong>telt und sichergestellt werden.<br />

Dieses und die nachfolgenden Bücher bleiben deshalb bei der begrifflichen<br />

– lediglich beschreibenden – Erweiterung der Handlungskonzepte<br />

und Methoden nicht stehen. Sie gehen ganz praktisch von konkreten<br />

<strong>Arbeit</strong>sfeldern aus. Die Ause<strong>in</strong>andersetzung <strong>mit</strong> Handlungskonzepten und<br />

Methoden erfolgt also jeweils bezogen auf e<strong>in</strong> Praxisfeld der <strong>Soziale</strong>n<br />

<strong>Arbeit</strong>. Dabei werden Geme<strong>in</strong>samkeiten, aber auch Unterschiede deutlich;<br />

es geht also um exemplarisches Lernen unter Bezugnahme auf die Voraussetzungen<br />

und Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> spezifischen <strong>Arbeit</strong>sfeldern. Den Anfang<br />

machen die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong> gerontologischen <strong>Arbeit</strong>sfeldern und im Gesundheitswesen<br />

sowie <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> prekären Lebenslagen.<br />

Beides s<strong>in</strong>d Praxisfelder, die eher nicht im Ma<strong>in</strong>stream der <strong>Soziale</strong>n<br />

<strong>Arbeit</strong> stehen, aber auf aktuelle gesellschaftliche Veränderungen und Problemlagen<br />

zielen. Der demografische Wandel und die da<strong>mit</strong> verbundenen<br />

Herausforderungen für den E<strong>in</strong>zelnen und die Gesellschaft bilden den Referenzrahmen<br />

für das erste <strong>Arbeit</strong>sfeld, das zunehmend relevante Thema<br />

K<strong>in</strong>derarmut ist der Bezugspunkt für das zweite <strong>Arbeit</strong>sfeld, das jeweils<br />

fallbezogen vorgestellt wird.<br />

Dabei liegt der Akzent auf dem didaktischen Bemühen. Der Hauptunterschied<br />

zur späteren beruflichen Tätigkeit liegt freilich dar<strong>in</strong>, dass die<br />

„Fallbeschreibungen“ unter didaktischen Gesichtspunkten ausgewählt s<strong>in</strong>d<br />

und da<strong>mit</strong> feststehen, während im Zuge des künftigen professionellen<br />

Handelns der relevante Sachverhalt samt Fragestellung erst erarbeitet werden<br />

muss. Das bedeutet, jede Fallbeschreibung im Studium bildet nur modellhaft<br />

das Prozesshafte der beruflichen Wirklichkeit ab. Sie ist häufig<br />

nur e<strong>in</strong>e Momentaufnahme. Das ist freilich das Schicksal aller vorgegebenen<br />

Fallkonstellationen (auch der rechtlichen). Das wertet sie ke<strong>in</strong>eswegs<br />

ab. Sie s<strong>in</strong>d didaktisch unverzichtbar.<br />

Professionelles Handeln verlangt Entscheidungen – häufig <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er<br />

bürokratischen Institution (Jugendamt/Sozialamt) und gilt vor allem für<br />

8


Vorwort<br />

<strong>in</strong>stitutionalisierte Probleme <strong>in</strong> den <strong>Arbeit</strong>sfeldern, <strong>in</strong> denen es bereits<br />

vorgebahnte Lösungswege gibt.<br />

In diesem und den nachfolgenden Büchern werden also nicht allgeme<strong>in</strong><br />

Methoden und Konzepte vorgestellt und/oder beliebige Probleme <strong>in</strong> Fallbeschreibungen<br />

e<strong>in</strong>gebettet. Sondern handlungsfeldorientiert werden theoriebegründete<br />

Handlungskonzepte wie auch Methoden der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong><br />

aufgenommen, zu denen als spezifische Handlungskompetenzen auch<br />

Skills („Fertigkeiten“, bestimmte Problemlösungstechniken, Muster) gehören,<br />

die für die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong>sgesamt konstitutiv s<strong>in</strong>d.<br />

Es kommt entscheidend auf e<strong>in</strong>e Strategie <strong>in</strong> der Bearbeitung an, auch<br />

unter dem Aspekt der <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Fallbearbeitung. Diese ist <strong>in</strong> der<br />

Praxis der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> zwar noch nicht h<strong>in</strong>reichend verankert, es gibt<br />

aber vielversprechende Ansätze, beispielsweise im Case Management.<br />

Wichtig ist es uns aufzuzeigen, dass trotz der unterschiedlichen Fragestellungen<br />

und Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> den jeweiligen Handlungsfeldern <strong>Soziale</strong>r<br />

<strong>Arbeit</strong>, doch e<strong>in</strong> Transfer, e<strong>in</strong>e möglichst verallgeme<strong>in</strong>erungsfähige Bearbeitungsstrategie<br />

sichtbar wird, die wir <strong>mit</strong> dem Anspruch des exemplarischen<br />

Lernens verb<strong>in</strong>den.<br />

Freiburg im April 2011<br />

Sigmund Gastiger Cornelia Kricheldorff<br />

9


Methoden und Konzepte der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong> verschiedenen <strong>Arbeit</strong>sfeldern<br />

Literatur (Vorwort):<br />

Michael Galuske (2009): Methoden der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong>: E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung.<br />

We<strong>in</strong>heim: Juventa<br />

Peter Gomez/ Gilbert Probst (1999): Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens:<br />

Vernetzt denken – unternehmerisch handeln –<br />

persönlich überzeugen. 3. Auflage. Bern: Haupt<br />

Wilhelm Klüsche I (1999): E<strong>in</strong> Stück weitergedacht ... Beiträge zur Theorie<br />

und Wissenschaftsentwicklung der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong>. Freiburg i.Br.:<br />

Lambertus<br />

Wilhelm Klüsche II (2007): Analyse von Modulhandbüchern <strong>in</strong><br />

Bachelorstudiengängen der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong>. In: Studium des <strong>Soziale</strong>n, hg.<br />

von Peter Buttner, Berl<strong>in</strong> 2007, S. 221 -309<br />

Peter Lüssi (2008): Systemische Sozialarbeit. Praktisches Lehrbuch der<br />

Sozialberatung. 6. Auflage. Bern: Haupt<br />

Peter Neher (2010): Der E<strong>in</strong>satz für Menschen am Rande – ethische<br />

Orientierungen. In: Halbhuber-Gassner, Lydia/ Nickolai, Werner/ Wichmann<br />

Cornelius (Hg.): Achten statt ächten <strong>in</strong> Straffälligenhilfe und<br />

Krim<strong>in</strong>alpolitik. Freiburg i.Br. 2010, S.11-17<br />

Gertrud Rogg (2007): Alle K<strong>in</strong>der befähigen, das Buch zur Initiative.<br />

Freiburg i.Br.: Lambertus<br />

Marianne Schmidt-Grunert (1997): <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> Gruppen,<br />

e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung. Freiburg i.Br. :Lambertus<br />

Nikolaus Sidler I (1989): Am Rande leben – abweichen – arm se<strong>in</strong>.<br />

Konzepte und Theorien zu sozialen Problemen.<br />

Freiburg i.Br.: Lambertus<br />

Nikolaus Sidler II (1999): Problemsoziologie. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung.<br />

Freiburg i. Br.: Lambertus<br />

Hans Ulrich/Ulrich Probst (1995): Anleitung zum ganzheitlichen Denken<br />

und Handeln, e<strong>in</strong> Brevier für Führungskräfte. 4. Auflage. Bern: Haupt<br />

10


Handlungsfeld <strong>Soziale</strong> Gerontologie<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> älteren und alten Menschen und ihren<br />

Angehörigen<br />

Die <strong>Soziale</strong> Gerontologie begreift sich als wissenschaftlich<br />

fundierte und gleichzeitig anwendungsorientierte Teildiszipl<strong>in</strong><br />

der Gerontologie, die vor allem Fragen der sozialen Beziehungen<br />

im Alter, die gesellschaftliche Teilhabe älterer und alter<br />

Menschen sowie die Sicherung ihrer Bedürfnisse <strong>in</strong> den<br />

Blick nimmt. Selbstbestimmung und Autonomie s<strong>in</strong>d dabei<br />

wichtige Wertorientierungen. Die Ausweitung der Lebensphase<br />

Alter, vom so genannten jungen Alter, <strong>mit</strong> dem die Phase<br />

der notwendigen Neuorientierung nach Beruf und Familie<br />

beschrieben wird, bis h<strong>in</strong> zum sehr hohen Alter, das geprägt<br />

ist von e<strong>in</strong>em zunehmenden Hilfe- und Unterstützungsbedarf,<br />

führt zu e<strong>in</strong>er zunehmenden Differenzierung <strong>in</strong> der <strong>Soziale</strong>n<br />

Altenarbeit. Insgesamt kann konstatiert werden, dass die <strong>Soziale</strong><br />

<strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> älteren und alten Menschen und ihren Angehörigen,<br />

e<strong>in</strong> Handlungsfeld der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> ist, das sich <strong>in</strong><br />

den letzten Jahrzehnten stark verändert hat, vielfältiger wurde<br />

und e<strong>in</strong> deutlich breiteres Profil entwickeln konnte. Dabei hat<br />

e<strong>in</strong> mehrfacher Paradigmenwechsel stattgefunden, vom betreuten<br />

Alter, über das aktive Alter, bis zum gestalteten<br />

Handlungsfeld<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

<strong>in</strong> gerontologischen <strong>Arbeit</strong>sfeldern<br />

und im Gesundheitswesen<br />

Cornelia Kricheldorff


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> älteren und alten<br />

Menschen und ihren Angehörigen<br />

Cornelia Kricheldorff<br />

1 E<strong>in</strong>leitung<br />

Die <strong>Soziale</strong> Gerontologie begreift sich als wissenschaftlich fundierte und<br />

gleichzeitig anwendungsorientierte Teildiszipl<strong>in</strong> der Gerontologie, die vor<br />

allem Fragen der sozialen Beziehungen im Alter, die gesellschaftliche<br />

Teilhabe älterer und alter Menschen sowie die Sicherung ihrer Bedürfnisse<br />

<strong>in</strong> den Blick nimmt. Selbstbestimmung und Autonomie s<strong>in</strong>d dabei wichtige<br />

Wertorientierungen und es geht zentral um die Frage von Lebensqualität<br />

und -zufriedenheit (Rupprecht 2006), unter den jeweils gegebenen Voraussetzungen<br />

und Bed<strong>in</strong>gungen des <strong>in</strong>dividuellen Alterns, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

differenziellen Gerontologie.<br />

2 <strong>Soziale</strong> Gerontologie und die Praxis der <strong>Soziale</strong>n<br />

Altenarbeit<br />

Die Bedeutung der <strong>Soziale</strong>n Gerontologie für die Praxis der sozialen Altenarbeit<br />

entwickelt sich vor dem H<strong>in</strong>tergrund des demografischen Wandels:<br />

Die Anzahl der Älteren nimmt deutlich zu, die der Jüngeren rapide<br />

ab, was zu deutlichen Verschiebungen <strong>in</strong> der Gesellschaft führt (Statistisches<br />

Bundesamt 2008: 42). Nach der 11. koord<strong>in</strong>ierten Bevölkerungsvorausberechnung<br />

des Statistischen Bundesamtes (2006) sollen es im Jahr<br />

2050 doppelt so viele ältere wie jüngere Menschen se<strong>in</strong>. Es ist zu erwarten,<br />

dass die Zahl der über 65-Jährigen bis zum Ende der 2030er Jahre etwa<br />

um die Hälfte von aktuell knapp 16 Mio. auf circa 24 Mio. steigt, danach<br />

wird sie leicht zurückgehen. Die Bevölkerung ab 80 Jahren nimmt<br />

dagegen unablässig zu: von 3,7 Mio. im Jahr 2005 auf 10 Mio. im Jahr<br />

12


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong> gerontologischen <strong>Arbeit</strong>sfeldern und im Gesundheitswesen<br />

2050 (Statistisches Bundesamt 2006: 5f.). Da<strong>mit</strong> wird die Zahl der 80jährigen<br />

und älteren Menschen be<strong>in</strong>ahe dreimal so hoch se<strong>in</strong> wie heute.<br />

„Mit dieser sehr starken Zunahme der ab 80-Jährigen wird voraussichtlich<br />

auch die Zahl der Pflegebedürftigen zunehmen“ (ebd.: 23). Denn,<br />

auch wenn das allgeme<strong>in</strong>e Lebensrisiko von Pflegebedürftigkeit im Alter<br />

sich nicht grundsätzlich erhöht hat, so hat der demografische Wandel doch<br />

<strong>mit</strong> se<strong>in</strong>er wachsenden Zahl an hochaltrigen Menschen <strong>in</strong> den Jahren 1991<br />

bis 2002 zu e<strong>in</strong>em relativen Anstieg der Pflegebedürftigen um etwa 29<br />

Prozent geführt (Schneekloth/ Wahl 2005: 227).<br />

Generationenbeziehungen müssen vor dem H<strong>in</strong>tergrund dieses umfassenden<br />

gesellschaftlichen Wandels also neu gedacht werden, sie brauchen<br />

neue Formen und Bed<strong>in</strong>gungen. (Beck-Gernsheim 1993 und 2002; Bertram<br />

2000). Wenn Generationensolidarität auch für die Zukunft sichergestellt<br />

werden soll – und ohne e<strong>in</strong> Mite<strong>in</strong>ander von Jung und Alt gibt es<br />

ke<strong>in</strong>e funktionierende Gesellschaft – muss das Unterstützungspotenzial <strong>in</strong><br />

den Familien, aber verstärkt auch <strong>in</strong> Nachbarschaften und Wohnquartieren<br />

gezielt gefördert werden (Kricheldorff 2008: 237ff.).<br />

Die Ausweitung der Lebensphase Alter, vom so genannten jungen Alter,<br />

<strong>mit</strong> dem die Phase der notwendigen Neuorientierung nach Beruf und Familie<br />

beschrieben wird, bis h<strong>in</strong> zum sehr hohen Alter, das geprägt ist von<br />

e<strong>in</strong>em zunehmenden Hilfe- und Unterstützungsbedarf, führt zu e<strong>in</strong>er zunehmenden<br />

Differenzierung <strong>in</strong> der <strong>Soziale</strong>n Altenarbeit. Insgesamt kann<br />

konstatiert werden, dass die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> älteren und alten Menschen<br />

und ihren Angehörigen e<strong>in</strong> Handlungsfeld der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> ist, das sich<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten stark verändert hat, vielfältiger wurde und e<strong>in</strong><br />

deutlich breiteres Profil entwickeln konnte.<br />

Es hat e<strong>in</strong> mehrfacher Paradigmenwechsel stattgefunden, vom betreuten<br />

Alter, über das aktive Alter, bis zum gestalteten Alter, was heute die dom<strong>in</strong>ierende<br />

fachliche Orientierung darstellt. Dabei geht es um Fragen der<br />

S<strong>in</strong>nf<strong>in</strong>dung im Alter und die Vorstellung von e<strong>in</strong>em Biografisierten Altern<br />

(Schweppe 2002: 331), bei dem es um Lebensgestaltung im S<strong>in</strong>ne von<br />

Reflexion und e<strong>in</strong>es begreifbaren Kont<strong>in</strong>uums im Leben geht. Dabei wird<br />

der alternde Mensch, vor dem H<strong>in</strong>tergrund se<strong>in</strong>er unter biografischen Be-<br />

13


Methoden und Konzepte der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong> verschiedenen <strong>Arbeit</strong>sfeldern<br />

d<strong>in</strong>gungen erworbenen Ressourcen und Kompetenzen, als Gestalter se<strong>in</strong>er<br />

Umwelt gesehen (vgl. auch Staud<strong>in</strong>ger 2003). Altern kann da<strong>mit</strong> zur Herausforderung<br />

und zur neuen Chance werden. Dieses aktuell dom<strong>in</strong>ierende<br />

Verständnis von <strong>Soziale</strong>r Altenarbeit entspricht dem der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong><br />

<strong>in</strong>sgesamt, <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er starken Ausrichtung auf Lebenswelten (Thiersch<br />

2005) und Ressourcenorientierung im S<strong>in</strong>ne von Empowerment (vgl. Herriger<br />

2006). Dies gilt zum<strong>in</strong>dest für die frühen Jahre der <strong>in</strong>zwischen stark<br />

ausgeweiteten Altersphase, die oft länger ist als K<strong>in</strong>dheit und Jugend zusammen.<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund des beschriebenen Paradigmenwechsels entstanden<br />

und entstehen für die <strong>Soziale</strong> Altenarbeit neue Aufgaben und Handlungsfelder,<br />

beispielsweise im Bereich der Engagementförderung und Bürgerbeteiligung,<br />

bei der Entwicklung neuer Wohnformen und der Gestaltung förderlicher<br />

Lebenswelten (BMFSFJ 2007; Kremer-Preiß & Stolarz 2003),<br />

die die Begegnung und Kommunikation zwischen den Generationen möglich<br />

machen (Maier/ Sommerfeld 2005). Praktische Beispiele dafür s<strong>in</strong>d<br />

Stellen im Quartiermanagement, Moderation und Mediation <strong>in</strong> der Prozessbegleitung<br />

für geme<strong>in</strong>schaftliche und generationsübergreifende Wohnformen,<br />

Koord<strong>in</strong>ations- und Vernetzungsaufgaben <strong>in</strong> Seniorenbüros, Freiwilligenzentralen,<br />

Tauschbörsen und <strong>in</strong> Mehr-Generationen-Häusern (Kricheldorff<br />

2010a).<br />

Neben diesen eher neuen Tätigkeitsbereichen und -profilen entstehen aber<br />

auch vielfältige Beratungsanliegen für die Fragen und Probleme, die das<br />

neue Altern <strong>mit</strong> sich br<strong>in</strong>gt, die weit über das eigentliche Feld der <strong>Soziale</strong>n<br />

Altenarbeit h<strong>in</strong>ausreichen. Modernisierung, Pluralisierung und Individualisierung<br />

verändern Lebenslagen im Alter, traditionelle Familienmuster<br />

und -bezüge werden auch im Alter brüchiger. So s<strong>in</strong>d beispielsweise angesichts<br />

steigender Scheidungszahlen auch ältere Paare vermehrt e<strong>in</strong>e Zielgruppe<br />

für die Ehe- und Familienberatung (vgl. Beck-Gernsheim 1993:<br />

160). Sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e zunehmende Größe <strong>in</strong> der Suchtberatung (vgl. Havemann-Re<strong>in</strong>ecke<br />

et al. 1998) und <strong>in</strong> anderen „klassischen“ Feldern <strong>Soziale</strong>r<br />

<strong>Arbeit</strong>, die so zunehmend <strong>mit</strong> Fragen des Alterns befasst s<strong>in</strong>d.<br />

14


<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong> gerontologischen <strong>Arbeit</strong>sfeldern und im Gesundheitswesen<br />

3 Fallbeispiel<br />

Beschreibung der Ausgangssituation<br />

Frau Bauer, heute 65 Jahre alt, ist vor 3 Jahren vorzeitig aus dem Schuldienst<br />

ausgeschieden, nachdem sie <strong>in</strong>sgesamt mehr als 1 Jahr vorher<br />

krankgeschrieben und anschließend zu e<strong>in</strong>er Anschlussheilbehandlung <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Rehabilitationskl<strong>in</strong>ik war. Bis auf e<strong>in</strong>e 6-jährige Unterbrechung,<br />

nach der Geburt ihrer beiden K<strong>in</strong>der, hat Frau Bauer seit dem Abschluss<br />

ihres Studiums an der Pädagogischen Hochschule immer als Lehrer<strong>in</strong> gearbeitet.<br />

Der Beruf war ihr sehr wichtig – besonders der regelmäßige und<br />

<strong>in</strong>tensive Kontakt zu K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen hatte für sie immer e<strong>in</strong>en<br />

hohen Stellenwert. Deshalb hat sie auch, als ihre eigene Familie und die<br />

flügge werdenden K<strong>in</strong>der sie nicht mehr so dr<strong>in</strong>gend wie vorher brauchten,<br />

zusätzliche Aufgaben an der Schule übernommen. Zum Beispiel baute<br />

sie e<strong>in</strong>e jahrgangsübergreifende Theater-AG auf, die bei Schülern und Eltern<br />

sehr beliebt war. E<strong>in</strong>mal im Jahr entwickelte sie, geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong> den<br />

K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen, e<strong>in</strong> eigenes Stück, das dann im Rahmen des<br />

Schulfestes, aber auch öffentlich aufgeführt wurde. Frau Bauer war dabei<br />

als Regisseur<strong>in</strong> und Theaterpädagog<strong>in</strong> tätig, aber auch für die Beschaffung<br />

der Kostüme und Requisiten zuständig. E<strong>in</strong> Stück weit konnte sie so<br />

ihren alten Jugendtraum verwirklichen, denn sie hatte eigentlich immer<br />

Schauspieler<strong>in</strong> werden wollen. Dass sie dann aber doch den Beruf der<br />

Lehrer<strong>in</strong> ergriffen hatte, lag e<strong>in</strong>erseits an ihren Eltern, die <strong>mit</strong> der Schauspielerei<br />

nicht e<strong>in</strong>verstanden waren, andererseits erschien ihr letztlich<br />

aber auch selbst der <strong>mit</strong> dem Lehramt verbundene Beamtenstatus sehr sicher<br />

und attraktiv.<br />

In den letzten Berufsjahren hatte sich die Situation an der Schule sehr verändert.<br />

Das Kollegium war nach dem Ausscheiden e<strong>in</strong>iger älterer Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Kollegen stark verjüngt - auch der alte Rektor, der ihre <strong>Arbeit</strong><br />

immer sehr anerkannt hatte, g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Pension. Frau Bauer fühlte sich immer<br />

weniger wertgeschätzt. Mit den Schülern, die sie als immer schwieriger<br />

werdend empfand, war sie zunehmend überfordert. Sie fühlte sich häufig<br />

ausgelaugt und erschöpft, die Theater-AG führte sie schließlich nicht<br />

15


Methoden und Konzepte der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> <strong>in</strong> verschiedenen <strong>Arbeit</strong>sfeldern<br />

weiter. Morgens musste sie sich oft zum Aufstehen zw<strong>in</strong>gen. Am liebsten<br />

hätte sie sich verkrochen und ihr wurde immer schneller alles zu viel –<br />

e<strong>in</strong>deutige Zeichen e<strong>in</strong>es Burn-out-Syndroms. H<strong>in</strong>zu kamen oft starke<br />

Kopf- und Rückenschmerzen, schließlich e<strong>in</strong> Bandscheibenvorfall, der die<br />

lange Krankheitszeit nach sich zog.<br />

Frau Bauer war mehr als 31 Jahre verheiratet. Ihr Mann, der sich <strong>in</strong> der<br />

Pharma<strong>in</strong>dustrie <strong>mit</strong> viel Ehrgeiz e<strong>in</strong>e sehr gut bezahlte Position erarbeitet<br />

hatte, starb vor 5 Jahren überraschend an e<strong>in</strong>em Herz<strong>in</strong>farkt. Erst kurz<br />

vorher hatte er se<strong>in</strong> Berufsleben beendet und bezog gerade mal 8 Monate<br />

se<strong>in</strong>e Rente. Seitdem lebt Frau Bauer alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong> ihrer geräumigen Eigentumswohnung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr bürgerlichen Stadtteil <strong>in</strong> Freiburg. Der Sohn<br />

hat BWL studiert und seit e<strong>in</strong>igen Jahren e<strong>in</strong>e attraktive Stelle <strong>in</strong> Südamerika.<br />

Er besucht die Mutter e<strong>in</strong>- bis zweimal jährlich. Ansonsten s<strong>in</strong>d sie<br />

per Mail und Skype <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung. Die Tochter lebt <strong>mit</strong> ihrer Familie,<br />

dem Ehemann und den beiden 8 und 10 Jahre alten Enkeln <strong>in</strong> Norddeutschland.<br />

Sie ist als Erzieher<strong>in</strong> halbtags tätig und <strong>mit</strong> Beruf und Familie<br />

zeitlich sehr stark e<strong>in</strong>gebunden. Der Kontakt zur Mutter war immer<br />

sehr eng, aber auch sie schafft es nicht häufiger als ihr Bruder, zur Mutter<br />

nach Freiburg zu kommen. Vor allem die Tatsache, dass die Enkel so weit<br />

entfernt von ihr aufwachsen, schmerzt Frau Bauer sehr. Materiell ist sie<br />

gut abgesichert. Die Eigentumswohnung ist schuldenfrei und sie erhält,<br />

neben e<strong>in</strong>er Witwenrente, <strong>in</strong>zwischen auch ihre eigene Pension. Frau<br />

Bauer könnte sich also das Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten<br />

und genießen.<br />

Tatsächlich fühlt sie sich aber häufig sehr alle<strong>in</strong> und sie sieht <strong>in</strong> ihrem Leben<br />

ke<strong>in</strong>en wirklichen S<strong>in</strong>n mehr. Nur wenn die K<strong>in</strong>der und Enkel zu Besuch<br />

kommen, blüht sie auf. Ansonsten zieht sie sich sehr stark zurück und<br />

hat wenig soziale Kontakte.<br />

16

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!