In Deutschland - Kitzler Verlag
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Länderschwerpunkt<br />
„Die gemeinsame Außenwirtschaft<br />
stabilisiert Europa!“<br />
Im Gespräch mit Thomas Gindele,<br />
Hauptgeschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Wien<br />
<strong>Deutschland</strong> ist der mit Abstand<br />
wichtigste österreichische<br />
Handels partner. Warum die<br />
wirtschaft liche Zusammenarbeit so gut<br />
funktioniert, erfuhren wir von Th omas<br />
Gindele, dem Hauptgeschäft sführer der<br />
Deutschen Handelskammer in Wien.<br />
AußenSeiten: Österreich und <strong>Deutschland</strong><br />
unterhalten sehr enge Wirtschaft sbeziehungen.<br />
Wie stabil ist diese Partnerschaft<br />
?<br />
Gindele: Der Handel zwischen beiden<br />
Nachbarländern ist traditionell sehr<br />
gut, dies liegt vorrangig an der geographischen<br />
Lage, der gemeinsamen<br />
Sprache und Kultur, sowie dem ähnlichen<br />
Wirtschaft srecht. Bereits in<br />
der Kaiserzeit waren die Wirtschaft sbeziehungen<br />
sehr intensiv, nach dem<br />
Ende des Ersten Weltkrieges und dem<br />
Verlust der österreichischen Kronländer<br />
verstärkte sich die Partnerschaft<br />
weiter. 1938 erfolgte die Gleichschaltung<br />
im Dritten Reich, danach wollte<br />
sich die noch junge Zweite Republik<br />
anfänglich von der deutschen Wirtschaft<br />
möglichst abkoppeln, was jedoch<br />
scheiterte. Österreich profi tierte<br />
massiv vom deutschen Wirtschaft swunder<br />
und als EU-Partner freuen<br />
sich die beiderseitigen Unternehmen<br />
heute über den Fortfall der Grenze<br />
mit den lästigen Zollbeschränkungen<br />
und über den Euro. Die gemeinsame<br />
erfolgreiche Außenwirtschaft trägt erheblich<br />
zur Stabilität Europas bei.<br />
AußenSeiten: Wie hoch sind heute die<br />
deutschen Ex- und Importe nach Österreich?<br />
Gindele: Der gesamte österreichische<br />
Export betrug im vergangenen Jahr<br />
94, 2 Mrd. €. Der Exportanteil nach<br />
<strong>Deutschland</strong> belief sich auf 31%, was<br />
insgesamt einem Volumen von knapp<br />
30 Mrd. € entspricht. <strong>Deutschland</strong><br />
lieferte Waren und Dienstleistungen<br />
im Wert von knapp 40 Mrd. €.<br />
Der deutsche Anteil an den österreichischen<br />
Importen beträgt 40%. Das<br />
sind schon beachtliche Zahlen, mit<br />
großen Abständen zu den nächst folgenden<br />
Handelspartnern.<br />
AußenSeiten: Mit welchen deutschen<br />
Bundesländern gibt es die meisten Handelsbeziehungen?<br />
Gindele: Eindeutig mit Bayern! Deshalb<br />
hat der bayrische Wirtschaft -<br />
minister eine Repräsentanz des Freistaates<br />
in Wien eröff net. Bayern ist<br />
übrigens das einzige deutsche Bundesland,<br />
bei dem Österreich einen Handelsüberschuss<br />
erwirtschaft et, denn<br />
„Der gestiegene Osthandel<br />
Österreichs hat sich auf die<br />
deutsch/österreichischen<br />
Wirtschaftsbeziehungen<br />
positiv ausgewirkt.“<br />
Bayern importiert mehr Waren, als<br />
es in die Alpenrepublik exportiert. Es<br />
folgen dann Baden Württemberg und<br />
Nordrhein-Westfalen. Je nördlicher<br />
die deutschen Bundesländer liegen,<br />
umso stärker nimmt der Handel mit<br />
Österreich ab. Eine Ausnahme bilden<br />
hier die beiden Seehäfen Hamburg und<br />
Bremen, die für den österreichischen<br />
Welthandel große Bedeutung haben.<br />
AußenSeiten: Mit welchen Gütern wird<br />
vorrangig gehandelt?<br />
Th omas Gindele<br />
Gindele: Die mittelständisch geprägten<br />
österreichischen Unternehmen liefern<br />
hochwertige Technik für die deutschen<br />
Autobauer und sind im Maschinenbau<br />
sehr stark. Auch können sie fl exibel<br />
produzieren und schnell auf geänderte<br />
Marktwünsche reagieren, so dass<br />
die Zusammenarbeit für beide Seiten<br />
außerordentlich erfolgreich ist. Ein<br />
zweites wichtiges Standbein sind österreichische<br />
Lebensmittel und landwirtschaft<br />
liche Produkte, die in <strong>Deutschland</strong><br />
ein hohes Ansehen haben. Wie<br />
wichtig der deutsche Lebensmittelmarkt<br />
ist, erkennt man auch daran, dass<br />
Österreich bei der „Grünen Woche“ in<br />
Berlin stets eine der größten Ausstellungsfl<br />
ächen mietet und diese Stände<br />
bei der Berliner Bevölkerung sehr beliebt<br />
sind. Obwohl Österreich dies nicht<br />
gerne hört, die frühere Einbahnstraße<br />
von Österreich nach <strong>Deutschland</strong> hat<br />
sich bei Nahrungsmitteln drastisch<br />
verändert. Jetzt exportiert <strong>Deutschland</strong><br />
mehr Lebensmittel in die Alpenrepub-<br />
20 AußenSeiten 1 | 2010<br />
lik als umgekehrt. 2,6 Mrd. € waren es<br />
im vergangenen Jahr. Aus Österreich<br />
wurden demgegenüber 1,78 Mrd. nach<br />
<strong>Deutschland</strong> exportiert. Nur deutscher<br />
Wein wird in Österreich kaum getrunken,<br />
was mir sehr leid tut, weil er weltweit<br />
sehr geschätzt wird und sich bestens<br />
verkauft .<br />
AußenSeiten: Österreich profi tiert<br />
stark durch die Ostöff nung und nutzt<br />
die neuen Chancen. Hat sich dadurch<br />
der Handel mit <strong>Deutschland</strong> abgeschwächt?<br />
Gindele: Der gestiegene Osthandel<br />
Österreichs hat sich auf die deutsch/<br />
österreichischen Wirtschaftsbeziehungen<br />
nicht negativ, sondern positiv<br />
ausgewirkt, auch weil hiesige Unternehmen<br />
oft Brückenfunktionen übernehmen.<br />
Doch der österreichische<br />
Außenhandel wird nach wie von der<br />
Zusammenarbeit mit <strong>Deutschland</strong><br />
dominiert, der 30 % der gesamten<br />
Außenwirtschaft ausmacht.<br />
AußenSeiten: Wie wurde die weltweite<br />
Banken- und Wirtschaft skrise vom<br />
deutsch-österreichischen Handel gemeistert?<br />
Gindele: Da <strong>Deutschland</strong> besonders<br />
exportlastig ist, schlug sich die Wirtschaft<br />
skrise umgehend in den Auftragsbüchern<br />
nieder und erreichte<br />
in abgeschwächter Form auch Österreich.<br />
Jetzt, wo die Wirtschaft in Asien<br />
erneut angesprungen ist, bewährt sich<br />
die in großem Maße in <strong>Deutschland</strong><br />
praktizierte Kurzarbeit, weil viele<br />
deutsche Unternehmen wieder Volllast<br />
fahren und ohne große Verzögerungen<br />
liefern können. Wir freuen<br />
uns, dass die Wirtschaft sprognosen<br />
ständig nach oben korrigiert werden,<br />
auch wenn es noch etwas dauern wird,<br />
bis die Zahlen des Spitzenjahres 2008<br />
wieder erreicht sind und die Krise<br />
überwunden ist. Leider zieht die restliche<br />
europäische Wirtschaft nur langsam<br />
an und die USA reagieren noch<br />
verunsichert.<br />
AußenSeiten: Welche Probleme gibt es<br />
zwischen der deutschen und der österreichischen<br />
Wirtschaft ?<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
Gindele: Das Hauptproblem ist die<br />
Nähe zwischen beiden Ländern. Während<br />
sich deutsche Unternehmer meistens<br />
sehr gründlich auf ausländische<br />
Märkte vorbereiten, wird dies bei Österreich<br />
häufi g unterlassen. Oft wird<br />
geglaubt, dass die österreichische Wirtschaft<br />
1 : 1 wie in <strong>Deutschland</strong> funktioniert.<br />
Unsere Handelskammer in Wien<br />
hat es mitunter schwer, den eigenen<br />
Landsleuten das unterschiedliche Arbeitsrecht<br />
oder die andere Unternehmenskultur<br />
verständlich zu machen.<br />
Deutsche Enttäuschungen entstehen<br />
fast immer dadurch, dass man glaubte,<br />
über Österreich alles zu wissen.<br />
AußenSeiten: Zeigen sich die unterschiedlichen<br />
Mentalitäten auch im<br />
Wirtschaft sleben?<br />
Gindele: <strong>In</strong> Österreich prallen oft<br />
große Gegensätze aufeinander, wenn<br />
zum Beispiel ein gewissenhaft er<br />
Schwabe mit dem österreichischen<br />
„Passt scho“ konfrontiert wird. Andererseits<br />
habe ich gelernt, dass nicht<br />
alles schon Wochen vorher geregelt<br />
sein muss, es geht auch später. <strong>In</strong> Österreich<br />
verschieben sich die Zeithorizonte<br />
und es ist für Deutsche eine<br />
spannende Erfahrung, dass es trotz-<br />
„Deutsche können sich hier<br />
nicht verstecken und vielen<br />
wird erst hier bewusst, dass<br />
sie vorrangig als Deutsche<br />
wahrgenommen werden.“<br />
dem klappt. Die Zusammenarbeit mit<br />
Vorarlbergern funktioniert stets ohne<br />
große Spannungen, weil Verlässlichkeit<br />
und Gründlichkeit auf beiden<br />
Seiten das Handeln bestimmen. Auch<br />
zwischen Bayern und Westösterreichern<br />
stimmt die Chemie, denn das<br />
„Mia san mia“ und das „Mir san mir“<br />
zeigt die Seelenverwandtschaft der<br />
beiden bairischen Volksstämme. Je<br />
weiter man jedoch nach Osten kommt,<br />
umso größer werden die mentalen<br />
Unterschiede, die vor allem deutsche<br />
Führungskräft e erkennen und akzeptieren<br />
sollten. <strong>In</strong> <strong>Deutschland</strong> werden<br />
Österreicher schnell integriert, auch<br />
Länderschwerpunkt<br />
weil in deutschen Unternehmen mit<br />
landsmannschaft lichen Unterschieden<br />
und Dialekten toleranter umgegangen<br />
wird.<br />
AußenSeiten: Die in Österreich lebenden<br />
Deutschen sind jetzt auf 138.250<br />
angewachsen und bilden die größte<br />
Ausländergruppierung. Was empfehlen<br />
Sie den neu hinzugezogenen Deutschen?<br />
Gindele: Zurückhaltung und intensives<br />
Beobachten. Österreich ist gegenüber<br />
<strong>Deutschland</strong> ein kleines Land<br />
und daher auch besonders um seine<br />
Identität bemüht. Deutsche können<br />
sich hier nicht verstecken und vielen<br />
wird erst hier bewusst, dass sie vorrangig<br />
als Deutsche wahrgenommen<br />
werden. Auch ist der Start für Ausländer<br />
in Österreich oft nicht leicht, denn<br />
hier schottet man sich gerne ab, baut<br />
sich schon früh Netzwerke auf und ist<br />
nicht so off en wie in <strong>Deutschland</strong>.<br />
Doch immer mehr junge Österreicher<br />
nutzen die Chancen der EU, um im<br />
europäischen Ausland zu studieren<br />
und zu arbeiten. Wenn sie dann nach<br />
Hause kommen, haben sie fast immer<br />
ihre alten und überholten Vorbehalte<br />
abgelegt. Trotz der kritischen Diskussion<br />
über zu viele deutsche Studenten<br />
sind die österreichischen Hochschulen<br />
ein großer Heiratsmarkt, der auch<br />
zur Gründung vieler deutsch/österreichischer<br />
Familien führt. Eine bessere<br />
<strong>In</strong>tegration gibt es nicht.<br />
uu Thomas Gindele wurde 1965 in<br />
Radolfzell am Bodensee geboren<br />
und studierte in Konstanz Verwaltungswissenschaften.<br />
Von 1993 bis<br />
1997 sammelte er berufl iche Erfahrungen<br />
bei der Deutsch-Koreanischen<br />
Handelskammer und bis 2000 als stv.<br />
Geschäftsführer des Delegiertenbüros<br />
der Deutschen Wirtschaft in Peking.<br />
Ab 2000 Leitung der Delegiertenbüros<br />
für Kroatien, Slowenien und Bosnien-<br />
Herzegowina. Seit 2005 ist Gindele als<br />
Hauptgeschäftsführer der Deutschen<br />
Handelskammer in Wien tätig.<br />
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