In Deutschland - Kitzler Verlag
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AußenSeiten<br />
ÖSTERREICHS PRAXISMAGAZIN FÜR AUSSENWIRTSCHAFT<br />
Ausgabe IV - 1 | 2010 – € 6,80<br />
<strong>Deutschland</strong> – Der lange Weg zu Einigkeit und Recht und Freiheit<br />
Koren: „Fünf von zehn Euro verdient Österreich im Export!“<br />
Mut zur Wahrheit – Österreichs Tunnelwahn<br />
175 Jahre Deutsche Eisenbahn<br />
LÄNDERSCHWERPUNKT: <strong>Deutschland</strong>
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Editorial<br />
Hubertus Godeysen<br />
<strong>Deutschland</strong> und Österreich verbinden die gleiche Sprache und Kultur, eine<br />
gemeinsame Geschichte und die zentrale Lage in der Mitte Europas. Daraus<br />
sind heute gut nachbarschaft liche Beziehungen entstanden. Für Deutsche<br />
ist das Verhältnis harmonisch, sie verbinden Österreich mit positiven Urlaubserfahrungen,<br />
freundlichen Wirtsleuten, Heurigen und Skifahren. Aber als Ausland oder als<br />
eigene Nation, nehmen sie die Alpenrepublik nicht wahr, sie fühlen sich in Österreich<br />
irgendwie auch zu Hause.<br />
Doch damit fangen die Probleme an, denn Austria möchte vom großen Bruder als<br />
eigenständiger internationaler Partner anerkannt werden. Deshalb vergleicht es sich<br />
ständig mit dem größeren <strong>Deutschland</strong> und kann die eigene <strong>In</strong>dividualität nur im<br />
Anderssein zu <strong>Deutschland</strong> defi nieren. Vordergründig ist Österreich in der Gegenwart<br />
angekommen und die Bevölkerung hat sich mehr oder weniger grantelnd in<br />
der Alpenrepublik eingerichtet. Doch die meisten Österreicher leiden bewusst oder<br />
unbewusst immer noch am Phantomschmerz. Sie vermissen das habsburgische Weltreich,<br />
sie trauern dem Glanz der kaiserlichen Krone nach, sie grämen sich um die<br />
verlorene Macht Österreichs. Sie ärgern sich über <strong>Deutschland</strong>s Einfl uss und Größe,<br />
die sie als ungerecht empfi nden, weil sie die besseren Deutschen sind.<br />
Früher stellte Habsburg den deutschen Kaiser, Wien war die deutsche Hauptstadt und<br />
<strong>Deutschland</strong> war in hunderte Fürstentümer und Freie Städte zersplittert. Doch dann<br />
entstand aus des armen „Reiches Streusandbüchse“ Preußen und wurde unter Friedrich<br />
II. der modernste Staat Europas. Eine straff organisierte Verwaltung arbeitete mit<br />
hoher Effi zienz und garantierte Glaubensfreiheit und Rechtssicherheit. Durch protestantisch<br />
geprägtes Pfl ichtgefühl, Disziplin, Fleiß und Idealismus wurde das junge<br />
kraft volle Preußen zum mächtigen Staat und zum Rivalen des alten Österreich.<br />
Kein anderes Land hat Österreich so verändert wie das kleine, arme aber harte Preußen,<br />
und kein anderes Land wurde so verkannt und mit Häme überzogen wie dieser<br />
Emporkömmling. Österreich hat Preußen nie begriff en, zu bedeutend waren die<br />
Unterschiede in der Mentalität, im Denken und Fühlen, zu groß war die Arroganz<br />
des alten Kaiserreiches gegenüber dem nördlichen Parvenü. Die Ressentiments haben<br />
sich erhalten und fi nden im „Piefk e“ ihre Bestätigung.<br />
Heute, da <strong>Deutschland</strong> und Österreich gleichberechtigte Mitglieder der Europäischen<br />
Union sind, wird es Zeit, die alten Wunden zu heilen und eine Partnerschaft ohne<br />
Neid, Missgunst und Überheblichkeit zu pfl egen. Deutsche zählen zur größten Ausländergruppierung<br />
in Österreich und sind nicht nur Touristen, sondern Mitarbeiter,<br />
Kollegen, Freunde und Ehepartner. Wir sollten endlich die Besonderheiten und Eigenheiten<br />
des jeweils anderen anerkennen und verbal abrüsten. Vielleicht kann diese<br />
Ausgabe der AußenSeiten hierzu beitragen.<br />
Herzlichst,<br />
Redaktionsleitung<br />
AußenSeiten<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
<strong>In</strong>halte<br />
uu Wirtschaft<br />
Dr. Walter Koren:<br />
„Fünf von zehn Euro verdient<br />
Österreich im Export! .......................................... 4<br />
Bremen und Bremerhaven:<br />
Österreichs zuverlässige Hafenpartner ... 24<br />
uu Schwerpunkt: <strong>Deutschland</strong><br />
Der lange Weg zu Einigkeit und Recht<br />
und Freiheit .............................................................. 8<br />
Botschafter Blomeyer-Bartenstein:<br />
„<strong>Deutschland</strong>s und Österreichs Verhältnis<br />
ist eine Erfolgsgeschichte!“ ................. 14<br />
Österreich liebt „Made in Bavaria“ ...... 16<br />
Thomas Gindele:<br />
„Die gemeinsame Außenwirtschaft<br />
stabilisiert Europa!“ .......................................... 18<br />
Von der Dampfl ok zum ICE<br />
175 Jahre Deutsche Eisenbahn ................. 20<br />
Wussten Sie, dass … ...................................... 22<br />
<strong>Deutschland</strong> auf einen Blick ........................ 23<br />
uu Österreich<br />
Mut zur Wahrheit – Österreichs<br />
Tunnelwahn ist gescheitert ........................... 26<br />
Österreich entdeckt <strong>Deutschland</strong>.............. 29<br />
uu Rubriken<br />
Editorial ......................................................................... 3<br />
AußenBlicke ............................................................ 30<br />
Impressum ................................................................ 30<br />
Das Titelbild zeigt den Blick über<br />
die Quadriga des Brandenburger<br />
Tors zum Reichstag.<br />
Für die freundliche Überlassung vieler Fotos danken wir<br />
der Deutschen Tourismus Zentrale.<br />
5
Wirtschaft Wirtschaft<br />
„Fünf von zehn Euro<br />
verdient Österreich im Export!“<br />
Im Gespräch mit Dr. Walter Koren,<br />
Leiter der Aussenwirtschaft Österreich (AWO)<br />
Dr. Walter Koren<br />
Österreichs Wirtschaft wird<br />
maßgeblich vom Außenhandel<br />
bestimmt und jeder zweite<br />
Arbeitsplatz wird direkt oder indirekt<br />
durch den Export gesichert. Es gilt<br />
die europäischen Märkte zu sichern<br />
und die großen Chancen in Übersee<br />
zu nutzen. Die AußenSeiten befragten<br />
hierzu Dr. Walter Koren, den Leiter<br />
der AUSSENWIRTSCHAFT ÖSTER-<br />
REICH (AWO) der Wirtschaftskammer<br />
Österreich.<br />
AußenSeiten: Welche Wirtschaftsgüter<br />
sind das Rückgrat des österreichischen<br />
Exports?<br />
Koren: Mit gut 40% der gesamten Exportpalette<br />
Österreichs bilden hochqualitative<br />
Maschinen und Anlagen<br />
das Rückgrat unserer Wirtschaft, hinzukommen<br />
19% aus dem Automotiv-Bereich.<br />
Der restliche Anteil von<br />
rund 40% bezieht sich auf bearbeitete<br />
Waren, Fertigprodukte und Konsumgüter,<br />
bei denen die Lebensmittel<br />
überdurchschnittliche Zuwächse vorrangig<br />
in <strong>Deutschland</strong> und in Osteuropa<br />
aufweisen.<br />
AußenSeiten: Wie hoch ist der Anteil des<br />
österreichischen Exports nach Europa?<br />
Koren: Österreich exportiert 83% in die<br />
europäischen Länder, davon 72% in die<br />
EU und 11% in das restliche Europa.<br />
Nur 17% gehen nach Übersee, deshalb<br />
wollen wir diesen Anteil auf 20% erhöhen,<br />
denn in den überseeischen Wachstumsregionen<br />
liegt in der Zukunft eine<br />
große Herausforderung.<br />
AußenSeiten: Obwohl die österreichische<br />
Wirtschaft mit den EU-Ländern<br />
sehr eng verflochten ist, gibt sich<br />
Österreich gerne EU-kritisch. Warum<br />
gelingt es nicht, der Bevölkerung die<br />
starke wirtschaftliche Verankerung in<br />
der EU positiv zu vermitteln?<br />
„Wir haben den<br />
Feinkostladen Österreich<br />
exportieren können und<br />
bewiesen, wie hochqualitativ<br />
unsere Produkte sind.“<br />
Koren: Leider sind die kritischen Stimmen<br />
immer laut, während die Mehrheit<br />
schweigt. Dabei zeigen alle Umfragen,<br />
dass die eindeutige Mehrheit der Österreicherinnen<br />
und Österreicher positiv<br />
zur EU steht. Wirtschaftlich war<br />
der EU-Beitritt eine große Erfolgsstory<br />
für unser Land, auch haben sich alle<br />
damaligen Unkenrufe als falsch erwiesen.<br />
Wir wurden weder von portugiesischen<br />
und italienischen Friseuren<br />
überschwemmt, noch wurden unsere<br />
Lebensmittel verseucht - das Gegen-<br />
teil ist eingetreten: Wir haben den<br />
Feinkostladen Österreich exportieren<br />
können und der europäischen Union<br />
bewiesen, wie hochqualitativ unsere<br />
Produkte und wie zuverlässig unsere<br />
Dienstleistungen sind.<br />
AußenSeiten: Sie sehen in Übersee einen<br />
wichtigen Zukunftsmarkt. Wie kann die<br />
heimische Wirtschaft auf diesem schwierigen<br />
Terrain unterstützt werden?<br />
Koren: Wenn man sich die geografische<br />
Positionierung unseres weltweiten<br />
Netzwerkes mit 115 Stützpunkten<br />
ansieht, erkennt man schnell, dass wir<br />
bereits jetzt überdurchschnittlich in<br />
Übersee aktiv sind. Auch unser Veranstaltungsprogramm<br />
ist verstärkt auf<br />
diesen Zukunftsmarkt ausgerichtet.<br />
Mit Auslandsevents, Messebeteiligungen,<br />
Marktsondierungsreisen und<br />
unseren Wirtschaftsmissionen wollen<br />
wir Marktpräsenz herstellen und österreichischen<br />
Unternehmen die Überseemärkte<br />
öffnen. Eine wichtige Arbeit<br />
leisten hierbei unsere Stützpunkte, die<br />
sich oft als Schutzhütten in schwierigem<br />
Gelände und bei schwerem Wetter erweisen.<br />
Unsere Handelsdelegierten mit<br />
ihren Teams kennen die Märkte und<br />
unterstützen als gut vernetzte und erfahrene<br />
Guides Unternehmen, die sich<br />
mit österreichischen Produkten dem<br />
weltweiten Wettbewerb stellen.<br />
AußenSeiten: Können Sie ein Ranking<br />
der wichtigsten Überseemärkte nennen?<br />
Koren: Der wichtigste Überseemarkt<br />
sind die USA, die auch auf lange Sicht<br />
der bedeutendste außereuropäische<br />
Handelspartner bleiben werden. China<br />
befindet sich auf Platz zwei und hier<br />
erleben wir derzeit einen gigantischen<br />
Aufholprozess. Nummer drei ist Japan,<br />
danach kommen Russland, Brasilien<br />
und <strong>In</strong>dien, die in der Zukunft eine dominierende<br />
Rolle spielen werden. Um<br />
diese Wachstumsmärkte gruppieren<br />
sich weitere wichtige Länder. <strong>In</strong> Asien<br />
sind dies die „ASEAN-Staaten“ und<br />
Südkorea, in Lateinamerika Mexiko<br />
und rund um Russland sind es die zentralasiatischen<br />
Staaten mit Kasachstan.<br />
Wir reagieren auf diese Entwicklung<br />
und haben in der südchinesischen Metropole<br />
Guangzhou, sowie in Ho-Chi-<br />
Minh-City (Saigon) ein neues Büro eröffnet<br />
und werden in Kasachstan eine<br />
Außenhandelsstelle gründen.<br />
„Die wirtschaftlichen Verflechtungen<br />
zu unseren deutschen<br />
Nachbarn sind sehr eng und<br />
werden ständig intensiviert.“<br />
AußenSeiten: Was erhofft sich Österreich<br />
vom chinesischen Markt?<br />
Koren: Die österreichischen Exporte<br />
nach China wuchsen trotz der Krise<br />
2009 um beachtliche 7,5% an, denn<br />
Chinas Wirtschaftswachstum ist ungebremst<br />
und liegt bei 8,7%. Wir<br />
sind deshalb sicher, dass sich in den<br />
kommenden fünf Jahren die öster-<br />
AußenSeiten 1 | 2010 AußenSeiten 1 | 2009<br />
reichischen Exporte nach China auf<br />
4 Mrd. Euro verdoppeln werden. Alleine<br />
im Wachstumsmarkt Umwelttechnik<br />
investiert China jährlich 140<br />
Mrd. Euro und ist an österreichischem<br />
Know-how in der Wasserreinigung,<br />
Luftreinhaltung, Abfallaufbereitung,<br />
Deponiegasnutzung, Klärschlammbehandlung<br />
und am Recycling interessiert.<br />
Auch beim Ausbau erneuerbarer<br />
Energien und energieeffizienter Gebäude<br />
gab es im Mai sehr erfolgreiche<br />
Gespräche in China.<br />
AußenSeiten: Ab den 60er Jahren wuchs<br />
die österreichische Außenwirtschaft zusammen<br />
mit der deutschen Wirtschaft.<br />
Wie hat sich das Verhältnis zu <strong>Deutschland</strong><br />
nach dem EU-Beitritt und der Öffnung<br />
Osteuropas verändert?<br />
Koren: Unbestritten war und ist<br />
<strong>Deutschland</strong> unser Wirtschaftspartner<br />
Nummer eins, dem erst mit<br />
großem Abstand Italien, die Schweiz,<br />
die USA und Frankreich folgen. Die<br />
wirtschaftlichen Verflechtungen zu<br />
unseren deutschen Nachbarn sind<br />
sehr eng und werden ständig intensi-<br />
GW_0853_INS_Zollservice_210x140_rz:Layout 1 06.06.2008 11:09 Uhr Seite 1<br />
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viert, denn <strong>Deutschland</strong> ist für unsere<br />
Außenwirtschaft die europäische<br />
Lokomotive. Andererseits stellen wir<br />
im jahrzehntelangen Vergleich fest,<br />
dass die relative Bedeutung <strong>Deutschland</strong>s<br />
als Außenwirtschaftspartner<br />
leicht abnimmt. Während unser Import<br />
aus <strong>Deutschland</strong> sich nur knapp<br />
verringert hat und sich konstant bei<br />
40% befindet, ist unser Export nach<br />
<strong>Deutschland</strong> von gut 40% auf 30%<br />
gesunken. Dies liegt vorrangig an der<br />
Ostöffnung, unserem EU-Beitritt und<br />
der EU-Erweiterung, was zu einer<br />
Dynamisierung des österreichischen<br />
Außenhandels in die mittelosteuropäischen<br />
Ländern geführt hat. Unsere<br />
wichtigsten Wirtschaftspartner in Osteuropa<br />
sind die Tschechische Republik,<br />
Ungarn, Polen, Russland, Slowenien<br />
und dann die Slowakei. Obwohl<br />
das Engagement österreichischer Unternehmen<br />
in Osteuropa im Vergleich<br />
zu den EU 15 überproportional und<br />
trotz der Einbrüche des Jahres 2009<br />
ein großer Erfolg ist, befinden sich<br />
unsere wichtigsten Handelspartner<br />
unverändert im Westen. Hier nimmt<br />
<strong>Deutschland</strong> als Exportmarkt unan-<br />
the orange way of crossing borders
Wirtschaft<br />
gefochten eine klare Spitzenstellung<br />
ein, die noch dadurch verstärkt wird,<br />
dass wir aufgrund der gemeinsamen<br />
Sprache unsere deutschen Nachbarn<br />
auch als einen erweiterten Heimmarkt<br />
ansehen.<br />
AußenSeiten: Mit welchen deutschen<br />
Bundesländern arbeitet die österreichische<br />
Wirtschaft besonders eng zusammen?<br />
Koren: Bei den deutschen Bundesländern,<br />
mit denen wir eng verflochten<br />
sind, dominiert eindeutig der Süden mit<br />
Bayern, das insgesamt unser wichtigster<br />
Außenhandelspartner ist, dem dann<br />
Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen,<br />
Hessen und Norddeutschland<br />
folgen. Die AWO unterhält drei große<br />
Büros in München, Frankfurt und in<br />
Berlin, zusätzlich besteht ein Marketing-Büro<br />
in Stuttgart und im Februar<br />
wurde in Düsseldorf, unter dem Dach<br />
eines neuen Honorarkonsulats, wieder<br />
ein Stützpunkt errichtet. Für die neuen<br />
Bundesländer unterhalten wir ein<br />
Büro in Dresden. Bedauerlich ist, dass<br />
Österreich das traditionelle Konsulat<br />
in Hamburg schließen wird, denn von<br />
dort wurden die wichtigen Exporthäfen<br />
Hamburg, Bremen und Rotterdam betreut.<br />
Eine starke Präsenz bei unseren<br />
deutschen Nachbarn bleibt für die österreichische<br />
Wirtschaft aber wichtig,<br />
weil <strong>Deutschland</strong> ein bedeutender Messemarkt<br />
mit vielen Weltleitmessen ist.<br />
AußenSeiten: Sie haben den Erfolg<br />
österreichischer Firmen in Osteuropa<br />
betont. Sind aus heutiger Sicht einige<br />
Unternehmen mit zu viel Schwung und<br />
Elan in diese Märkte gegangen und<br />
wurden sie dabei von heimischen Banken<br />
unkritisch unterstützt?<br />
Koren: Trotz der deutlich erkennbaren<br />
Probleme bin ich sicher, dass die österreichische<br />
Wirtschaft in Osteuropa alles<br />
richtig gemacht hat. Österreich hat die<br />
einmalige Chance der Ostöffnung entschieden<br />
genutzt und konnte hierbei<br />
erfolgreich an historische, kulturelle<br />
und geographische Verbindungen anknüpfen.<br />
Auch wenn rückblickend bei<br />
einigen Engagements Kritik angebracht<br />
ist, halte ich Österreichs wirtschaftliche<br />
Öffnung nach Osten für einen großen<br />
Erfolg. Übrigens auch deshalb, weil<br />
nicht nur Großunternehmen die Chan-<br />
„Österreich hat die einmalige<br />
Chance der Ostöffnung<br />
entschieden genutzt.“<br />
ce ergriffen, sondern auch viele Mittelständler.<br />
Das enge Zusammenspiel mit<br />
österreichischen Finanzdienstleistern<br />
und Beratungsunternehmen hat hierbei<br />
sicherlich auch eine Rolle gespielt, denn<br />
unsere Banken und Versicherungen<br />
hatten sich bereits überproportional<br />
sehr früh in Osteuropa engagiert, so<br />
dass oft die Hausbank den Eintritt heimischer<br />
Firmen in Osteuropa begleiten<br />
und fördern konnte.<br />
AußenSeiten: Hiesige Unternehmer be-<br />
gründen ihre Erfolge in Osteuropa gerne<br />
auch mit einer flexibleren österreichischen<br />
Mentalität. Stimmen Sie dem zu?<br />
Koren: Viele Österreicher erkannten<br />
bereits früh, dass die osteuropäische<br />
Wirtschaft ihre Zukunft in der EU<br />
sieht und haben ihre neuen Partner<br />
auf diesem Weg unterstützt. Bei diesem<br />
Prozess war die flexible österreichische<br />
Mentalität mit seiner historisch<br />
gewachsenen kulturellen Affinität zu<br />
Osteuropa sicherlich sehr hilfreich.<br />
Damit wurden Brücken zu Menschen<br />
gebaut, die in einem völlig anderen<br />
Wirtschaftssystem gelebt hatten und<br />
sich nun in einem starken Aufholprozess<br />
befinden. Doch ohne Österreichs<br />
EU-Mitgliedschaft und den großen <strong>In</strong>ternationalisierungsschub,<br />
der in den<br />
letzten zwei Jahrzehnten unsere Wirtschaft<br />
fit gemacht hat, wäre dieser Erfolg<br />
nicht möglich geworden.<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
AußenSeiten: Waren österreichische Finanzdienstleister<br />
im Osteuropa-Geschäft<br />
möglicherweise zu „flexibel“?<br />
Koren: Kreditausfälle wird es immer<br />
geben und in Krisenzeiten verstärkt.<br />
Im Gegensatz zu anderen westlichen<br />
Ländern basieren Österreichs Bankgeschäfte<br />
jedoch vorrangig auf der Realwirtschaft<br />
und nicht auf Finanzblasen<br />
mit Derivaten und anderen Spekulationen,<br />
deshalb können unsere Banken<br />
die derzeitigen Risiken verkraften. Der<br />
2009 entstandene Einbruch wird in<br />
Osteuropa vermutlich auch noch 2010<br />
und 2011 anhalten, doch dann wird ein<br />
schnellerer Aufschwung mit höheren<br />
Wachstumsraten erfolgen. Osteuropa<br />
hat einen hohen Nachholbedarf und<br />
die Menschen wollen schnell den Anschluss<br />
an das westeuropäische Niveau<br />
erreichen. Wir dürfen jedoch nicht die<br />
Länder dieser großen Region über ei-<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
nen Kamm scheren, es gibt erhebliche<br />
Unterschiede. So wächst die Wirtschaft<br />
in Tschechien und Polen weiterhin stabil,<br />
während die wirtschaftliche und politische<br />
Situation in der Ukraine noch<br />
längere Zeit schwierig bleiben wird.<br />
Problemländer gibt es auch im Balkan.<br />
AußenSeiten: Der Exportwirtschaft<br />
werden verstärkt Absicherungen verweigert.<br />
Unterstützen Sie zeitlich begrenzte<br />
staatliche Exporthaftungen und<br />
Exportgarantien für Klein- und Mittelunternehmen,<br />
um in dieser Krisenzeit<br />
den Handel zu fördern?<br />
Koren: Ich halte dies für eine sehr<br />
wichtige und praktikable Krisenmaßnahme,<br />
denn alles was der österreichischen<br />
Exportwirtschaft hilft, wird<br />
von unserem Haus unterstützt. <strong>In</strong> den<br />
meisten Fällen hat sich die Bonität<br />
von Unternehmen nicht verschlech-<br />
Wirtschaft<br />
tert, weil Unternehmer Fehlentscheidungen<br />
getroffen haben, sondern weil<br />
eine gigantische internationale Finanz-<br />
und Wirtschaftskrise zu einem<br />
Einbruch des weltweiten Exports geführt<br />
hat. Wenn private Kreditversicherer<br />
auf diese Situation nicht marktwirtschaftlich<br />
reagieren, sondern sich<br />
verweigern und ihrer Verantwortung<br />
entziehen, verlangsamt dies den spürbaren<br />
Aufschwung. Daher plädieren<br />
wir für das Eintreten der staatlichen<br />
Exportkreditversicherung, die erfolgreich<br />
über die österreichische Kontrollbank<br />
abgewickelt wird. Auch liegt<br />
hierfür die Zustimmung der EU vor,<br />
sodass der Staat mit Garantien bei<br />
Bedarf und zeitlich befristet der Exportwirtschaft<br />
helfen sollte, wenn sich<br />
private Dienstleister verweigern.<br />
AußenSeiten: Österreich hat sich anfänglich<br />
mit der Globalisierung und<br />
<strong>In</strong>ternationalisierung schwer getan. Wo<br />
steht die österreichische Außenwirtschaft<br />
heute?<br />
Koren: Durch die Ostöffnung, die EU-<br />
Mitgliedschaft und die EU-Erweiterung<br />
war Österreich gezwungen, sich<br />
zu internationalisieren. Vor 2009 war<br />
unsere Exportquote auf annähernd<br />
60% angestiegen, dagegen lag sie im<br />
Jahr 1994 bei 33% und bei Waren<br />
und Dienstleistungen bei 40%. Auch<br />
wenn wir 2009 und 2010 leicht zurückfallen,<br />
so macht dieser Vergleich<br />
den großen Anstieg deutlich, den die<br />
österreichsche Außenwirtschaft geschafft<br />
hat. Heute verdient Österreich<br />
fünf von zehn Euro durch den Export<br />
von Waren und Dienstleistungen. Das<br />
zeigt deutlich, dass wir einen hohen<br />
Grad der <strong>In</strong>ternationalisierung erreicht<br />
haben.<br />
uu Dr. Walter Koren wurde 1955 in<br />
Graz geboren und studierte Handelswissenschaften<br />
und Recht in Wien.<br />
Seit 1981 ist er in der Außenwirtschaftsorganisation<br />
der WKO tätig, die<br />
er seit 2002 leitet. Vorher arbeitete<br />
Koren als Handelsdelegierter in<br />
Guatemala, Teheran, Seoul, Tokio und<br />
Mexiko und wirkte im Präsidium der<br />
WKÖ von 1992 – 1996.<br />
9
Länderschwerpunkt<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Der lange Weg zu Einigkeit und<br />
Recht und Freiheit<br />
von Hubertus Godeysen<br />
Das Denkmal des Arminius<br />
„Hermann“ im Teutoburger Wald<br />
Wenn man den alten Römern<br />
glauben darf, dann waren<br />
die germanischen Vorfahren<br />
der Deutschen blonde Riesen, die<br />
auf ihren Köpfen Büff elhörner trugen,<br />
gewaltige Keulen und Speere schwangen<br />
und in der Schlacht laut brüllten.<br />
Kämpft en sie gerade nicht, lagen sie faul<br />
auf ihren Bärenfellen, schliefen lange, arbeiteten<br />
ungern, aßen ständig Schweinebraten,<br />
soff en Met und besangen sich in<br />
Heldenliedern.<br />
Die Germanen waren den Römern unheimlich,<br />
trotzdem wuchs ihr Anteil im<br />
römischen Heer. Auch der Cherusker-<br />
fürst Arminius (19 v. Chr.-19 n. Chr.)<br />
war ein erfolgreicher römischer Offi zier,<br />
bis er mehrere germanische Stämme<br />
einte, um die Besatzungsarmee des Publius<br />
Quintilius Varus zu schlagen. Auf<br />
dem Marsch in das Winterlager lockte<br />
Arminius 9 n. Chr. im Teutoburger<br />
Wald 20.000 schwer bewaff nete Legionäre<br />
samt Wagentross in einen Hinterhalt<br />
und vernichtete die Römer. Diese<br />
Schlacht war die größte römische Niederlage<br />
seit hundert Jahren und ein weltgeschichtliches<br />
Ereignis. Obwohl das<br />
römische Imperium noch 500 Jahre bestand,<br />
stießen Römer auf germanisches<br />
Gebiet nie wieder vor und Mitteleuropa<br />
entging so der Romanisierung.<br />
Das deutsche Reich entsteht<br />
Als im 5. Jahrhundert das Römische<br />
Reich auseinanderbrach und durch germanische<br />
Staatsgebilde ersetzt wurde,<br />
entstand später das Heilige Römische<br />
Reich deutscher Nation. Doch zuerst<br />
schuf Karl der Große in Mitteleuropa<br />
eine neue Herrschaft sform, als er sich<br />
800 zum ersten Kaiser krönen ließ. Er<br />
gebot über ein Reich, das die heutigen<br />
Länder Frankreich, <strong>Deutschland</strong>, die<br />
Niederlande, Österreich, die Schweiz<br />
und Norditalien umfasste. Als Karl und<br />
sein Sohn Ludwig I. gestorben waren,<br />
teilten dessen Söhne 843 das Reich auf,<br />
es entstanden das spätere Frankreich<br />
und <strong>Deutschland</strong>.<br />
Nach den Karolingern kamen die<br />
sächsischen Ottonen (919-1024) an<br />
die Macht, denen die fränkischen Salier<br />
(1024-1125) und die schwäbischen<br />
Staufer (1125-1254) folgten. Nach einem<br />
<strong>In</strong>terregnum von 19 Jahren wählten die<br />
Kurfürsten 1273 den Habsburger Rudolf<br />
I. zum Deutschen Kaiser, dem bis 1806<br />
noch viele Habsburger folgten. Das Mittelalter<br />
war geprägt von Machtkämpfen<br />
Der Kaiserthron im Aachener Dom<br />
10 AußenSeiten 1 | 2010<br />
zwischen Kaiser und Papst, Eigeninteressen<br />
mächtiger Fürsten und der Kolonisierung<br />
Osteuropas. Die Kaiser zogen<br />
mit ihrem Hofstaat von Pfalz zu Pfalz<br />
und regierten als „Reisekaiser“ oft aus<br />
dem Sattel. Im Gegensatz zu Frankreich<br />
entstand dadurch kein Zentralstaat.<br />
Die noch heute bestehende föderative<br />
Struktur <strong>Deutschland</strong>s mit starken Bundesländern,<br />
hat in dieser Zeit ihren Ursprung.<br />
Die Hanse<br />
Das Aufb lühen freier Städte führte zu<br />
einem starken Anwachsen des Handels.<br />
Doch da eine starke deutsche Zentralgewalt<br />
fehlte, nahmen Straßenräuberei<br />
und Piraterie derartig zu, dass in<br />
Norddeutschland ein Bund von Kaufleuten<br />
entstand, der Handelsinteressen<br />
gemeinsam vertrat und Mitglieder<br />
schützte. Mit ersten Handelsprivilegien<br />
in London begann 1157 der Aufb au<br />
einer Gemeinschaft , aus der sich die<br />
Hanse mit ihrem Zentrum in Lübeck<br />
entwickelte. Zeitweilig waren bis zu 200<br />
nordeuropäische Städte Mitglied der<br />
„düdeschen (deutschen) hanse”, deren<br />
stärkste Waff e Handelsblockaden waren.<br />
Der wirtschaft liche Erfolg, das „Lübsche<br />
Recht“, die gewählte bürgerliche Selbstverwaltung<br />
und die Unabhängigkeit<br />
vom Reich machten die Hansestädte<br />
reich und mächtig, deren höchstes Be-<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
Das Holstentor der Hansestadt Lübeck<br />
schlussgremium der Hansetag war.<br />
Noch heute künden die großen Backsteinkirchen,<br />
Rathäuser und Häuserfassaden<br />
in den norddeutschen Hansestädten,<br />
Danzig und Riga vom Stolz ihrer<br />
Bürger. Die Hanse sicherte Hamburg,<br />
Bremen und dem Ostseeraum eine lange<br />
Phase des Wohlstands und der Sicherheit,<br />
baute Straßen und Kanäle und<br />
vereinheitlichte Maße und Gewichte.<br />
Erst die Entdeckung Amerikas, neue<br />
Handelsrouten, die Expansion der Seemächte<br />
Niederlande und England führten<br />
zum Niedergang der Hanse, deren<br />
Ende durch den Dreißigjährigen Krieg<br />
um 1630 erfolgte. Nur Lübeck, Hamburg<br />
und Bremen behielten bis 1933<br />
ihre formale politische Unabhängigkeit,<br />
1949 wurden Bremen und Hamburg autonome<br />
Stadtstaaten.<br />
Reformation und Glaubenskämpfe<br />
Als der Th eologe und Mönch Martin<br />
Luther (1483-1546) im Herbst 1517 seine<br />
„95 Th esen“, mit einem Anschlag an<br />
die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg<br />
veröff entlichte, wollte er eine Diskussion<br />
eröff nen, die Kirche antwortete mit<br />
einem Ketzerprozess. Mit der neuen<br />
Drucktechnik verbreiteten sich die Th esen<br />
in ganz <strong>Deutschland</strong> und deren Anschlag<br />
zu einem spektakulären Ereignis<br />
der Kirchengeschichte.<br />
Länderschwerpunkt<br />
Im April 1521 musste sich Luther auf<br />
dem Wormser Reichstag vor dem jungen<br />
Kaiser Karl V., Fürsten und Vertretern<br />
der Kirche verantworten. Da er nicht<br />
widerrief, wurde über ihn die Reichsacht<br />
verhängt. Ob der Habsburger Karl, der<br />
kein Deutsch sprach, Luther verstand,<br />
ist ungewiss, aber er rettete ihm das Leben.<br />
Er hatte freies Geleit zugesichert<br />
und untersagte die von Rom geforderte<br />
Tötung Luthers. Trotz des freien Geleits<br />
hatte das Konzil von Konstanz (1414-<br />
1418) den „Ketzer“ Jan Hus verbrannt,<br />
Karl stellte somit sein Ehrenwort über<br />
den Papst und ermöglichte damit die<br />
Reformation.<br />
Auf der Rückreise ließ der sächsische<br />
Kurfürst Friedrich der Weise Luther<br />
„entführen“ und brachte seinen Professor<br />
auf der Wartburg in Sicherheit.<br />
Hier übersetzte er in wenigen Wochen<br />
das Neue Testament und ließ es 1522<br />
drucken, die erste gesamte Lutherbibel<br />
erschien 1534. Gegen die Bibelübersetzung<br />
lief der Papst Sturm, denn sie<br />
nahm Kirche und Eliten die Deutungshoheit,<br />
die durch das Bildungsprivileg<br />
Schlosskirche zu Wittenberg<br />
11
Länderschwerpunkt<br />
der lateinischen Sprache bestand. Jeder<br />
lesende deutsche Bürger konnte nun<br />
frei die Bibel auslegen. Luthers Übersetzung<br />
zeichnet sich durch Anschaulichkeit<br />
und Volkstümlichkeit aus, sie wirkt<br />
durch eine Sprache, mit der Luther die<br />
hochdeutsche Sprache schuf und dabei<br />
dem „Volk aufs Maul schaute“.<br />
Die lutherische Lehre wurde von den<br />
norddeutschen Fürsten, dem niederen<br />
Klerus, Kaufl euten, Städtern<br />
und großen Teilen der Bauernschaft<br />
begrüßt. Sie sahen in ihr die Chance<br />
zu größerer religiöser und wirtschaft<br />
licher Unabhängigkeit. Mönche<br />
verließen Klöster, Priester lösten sich<br />
vom Zölibat und aus Bauernunruhen<br />
wurde ein Bauernkrieg (1524-1526),<br />
der blutig niedergeschlagen wurde.<br />
Der Konfl ikt zwischen Lutheranern<br />
und Katholiken nahm weiter zu, mehrere<br />
Reichstage fanden keine Lösung,<br />
bis 1526 entschieden wurde, dass die<br />
deutschen Fürsten sich frei für Luthers<br />
Lehre entscheiden konnten. Drei Jahre<br />
später widerrief die päpstliche Kirche<br />
die Vereinbarung, worauf die evangelischen<br />
Stände „protestierten“ und zu<br />
„Protestanten“ wurden.<br />
Aus Glaubenskämpfen und Machtstreben<br />
entwickelte sich der Dreißigjährige<br />
Krieg, der 1618 in Prag entstand. Mit<br />
dem Westfälischen Frieden endete 1648<br />
ein ungeheures Morden und Plündern.<br />
15.000 Dörfer verschwanden, ganze<br />
Landstriche wurden verwüstet und entvölkert,<br />
vermutlich starben bis zu neun<br />
Millionen Menschen, die meisten an<br />
Hunger und Seuchen. Der Krieg hinterließ<br />
ein traumatisiertes Europa und warf<br />
<strong>Deutschland</strong> um Jahrhunderte zurück.<br />
Aufstieg Preußens<br />
Besonders in Brandenburg hatte der<br />
Krieg schwer gewütet, über die Hälft e<br />
der Bevölkerung dahingerafft und Kurfürst<br />
Friedrich Wilhelm (1640-1688)<br />
hatte ohnmächtig erlebt, wie fremde<br />
Heere sein Land verwüsteten. Mit dem<br />
„Großen Kürfürst“ begann der beispiellose<br />
Aufstieg Brandenburg-Preußens.<br />
Er schuf ein schlagkräft iges stehendes<br />
Heer, zentralisierte die Verwaltung seische<br />
Medien.<br />
ner vom Rhein bis an die Memel verstreuten<br />
Landesteile und baute ein modernes<br />
Beamtentum auf. Der Kurfürst<br />
entmachtete Stände und Adel und jagte<br />
in der Schlacht von Fehrbellin (1675)<br />
die doppelt so starken Schweden aus<br />
1949 in der Hansestadt Lüneburg geboren,<br />
wuchs in Niedersachsen auf. Nach dem Abitur<br />
erfolgte eine journalistische Ausbildung in Hannover,<br />
danach Ausbildung und Verwendung als<br />
Offi zier in der deutschen Bundeswehr.<br />
seinem Land. Sein Sohn Friedrich I.<br />
wurde 1701 König in Preußen, dafür<br />
musste der „Alte Dessauer“, Erfi nder<br />
des Gleichschritts und des eisernen Ladestocks,<br />
mit Brandenburgern für Habsburg<br />
Krieg in Italien führen.<br />
Es folgte 1713 Friedrich Wilhelm I., der<br />
einen bankrotten Staat übernahm, weil<br />
die Kosten der neuen Königswürde das<br />
arme Land völlig überfordert hatten. Er<br />
feuerte alle Hofschranzen, verkauft e den<br />
mit teuren Diamanten besetzten Krönungsmantel<br />
seines Vaters, förderte die<br />
Wirtschaft , holte holländische Fachleute,<br />
bot Juden und Piefke Glaubensfl üchtlingen aus<br />
Frankreich, Salzburg Kulturgeschichte und einer Böhmen Beschimpfung eine<br />
neue Heimat lauter und Häme, Wut regierte und Spott haben sie mit die Begründung Strenge, vergessen.<br />
Typisch deutsch, daß dies nun ein „Piefke“ nachholt!<br />
Sparsamkeit und großer Sachkunde.<br />
Der „Soldatenkönig“, der keinen Krieg<br />
Hubertus Godeysen<br />
Von 1980 bis 1998 Pressearbeit für mehrere<br />
norddeutsche Landesregierungen und Verbände,<br />
danach bis 2009 Stabstätigkeit für internationale<br />
Organisationen. Seit 1985 freier<br />
Journalist, schreibt seit 2007 aus Wien und<br />
Norddeutschland für österreichische und deut-<br />
Friedrichs „Sanssouci“ in Potsdam<br />
Seit 140 Jahren beschimpfen Österreicher die Deutschen als „Piefke“, doch vor<br />
Dabei befaßten sich Staatspräsidenten und Regierungschefs mit „Piefke“,<br />
Johann Strauß widmete ihm eine Polka, der britische Geheimdienst suchte<br />
ihn, im EU-Parlament fand er statt, und NS-Sondergerichte bestraften seine<br />
Erwähnung. „Piefke“ war Gegenstand großer und kleiner Skandale, füllte die<br />
Sommerlöcher deutschsprachiger Medien und versetzte Österreich während der<br />
Fußball-EM 2008 vier Tage lang in einen Rausch.<br />
führte, machte aus dem 20.000 Mann<br />
Heer seines Vaters das beste Heer Eu-<br />
Gottfried Piefke<br />
ropas mit 76.000 Soldaten. Als er 1740<br />
195 Jahre alt.<br />
starb, übergab er seinem Sohn Friedrich<br />
II. einen schuldenfreien Staat mit einer<br />
effi zienten Verwaltung, motivierten<br />
unbestechlichen Beamten und einen<br />
Schatz von 8,7 Mio. Talern.<br />
2010 wird Österreichs Vorbild für den Spottnamen,<br />
der preußische Musikdirektor Johann Gottfried Piefke,<br />
ISBN 978-3-85167-238-1<br />
Der „Philosoph auf dem Th ron“ Fried-<br />
12 AußenSeiten 1 | 2010<br />
Hubertus Godeysen<br />
Piefke Kulturgeschichte<br />
einer Beschimpfung<br />
rich II. nutzte neben Bayern und anderen<br />
Staaten den Tod Kaiser Karls<br />
VI., um bei seiner Tochter Maria Th eresia<br />
Gebietsforderungen zu stellen<br />
und nahm ihr das reiche Schlesien.<br />
Doch die junge Erzherzogin gab erst<br />
nach dem dritten, dem Siebenjährigen<br />
Krieg, auf. Vorher gelang ihr sogar<br />
eine Allianz mit Frankreich, Russland,<br />
Schweden, Sachsen und dem<br />
Deutschen Reich gegen Friedrich, so<br />
Hubertus Godeysen<br />
Piefke<br />
Kulturgeschichte<br />
einer Beschimpfung<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
Eine Dokumentation<br />
EDITION<br />
VA ENE<br />
dass Preußen mit 5 Mio. Einwohnern<br />
einem Bündnis mit 90 Mio. Einwohnern<br />
gegenüberstand. Dass Preußen<br />
mit Opferbereitschaft , Disziplin und<br />
Härte über sieben Jahre (1756-1763)<br />
dieser Übermacht standhielt, schuf den<br />
preußischen Ethos, begründete seinen<br />
Aufstieg vom ärmsten und rückständigsten<br />
deutschen Kurfürstenstaat zur<br />
jüngsten europäischen Großmacht<br />
und zum Rivalen Österreichs.<br />
Länderschwerpunkt<br />
Nach den Kriegen setzte Friedrich, der<br />
nun „der Große“ genannt wurde, seine<br />
Reformen fort. Hatte er bereits Folter<br />
und Hexenprozesse abgeschafft , die Religionsfreiheit<br />
postuliert, Juden Rechtsschutz<br />
gewährt, so setzte er nun die damals<br />
fortschrittlichste Rechtsprechung<br />
durch und förderte Gewerbe und Manufakturen.<br />
Während Protestanten in<br />
Wien nur in der schwedischen Botschaft<br />
Gottesdienst abhalten konnten, baute er<br />
Seit 140 Jahren beschimpfen Österreicher die Deutschen als „Piefke“,<br />
doch vor lauter Häme und Spott haben sie die Begründung vergessen.<br />
Dies wird nun nachgeholt!<br />
Jährlich erklimmen in Österreich über 10 Millionen<br />
deutsche Touristen Berggipfel, bevölkern<br />
Skipisten, verspeisen Mozartkugeln, Mozarttorten<br />
und Mozartwurst, trinken von Einheimischen<br />
verschmähte Weine und verbringen<br />
49 Millionen Nächte in österreichischen Betten.<br />
Ohne es selbst zu bemerken, mutieren die<br />
Deutschen dabei zu einer besonderen Spezies:<br />
Sie werden „Piefkes“!<br />
Dabei befassten sich Staatspräsidenten und Regierungschefs mit „Piefke“,<br />
Johann Strauß widmete ihm eine Polka, der britische Geheimdienst suchte ihn, im<br />
EU-Parlament fand er statt, und NS-Sondergerichte bestraften seine Erwähnung.<br />
„Piefke“ war Gegenstand von Skandalen, füllte Sommerlöcher und versetzte<br />
Österreich während der Fußball-EM 2008 vier Tage lang in einen Rausch.<br />
Doch nicht nur deutsche Touristen, auch alle anderen<br />
nichtbayrischen Deutschen ändern beim<br />
Überschreiten der österreichischen Landesgrenze<br />
ihren Status und werden unbewußt zu „Piefke“.<br />
Dies gilt auch für 130.600 Deutsche, die in<br />
Austria wohnen, für 75.000 Deutsche, die dort<br />
arbeiten, und für 17.000 deutsche Studenten,<br />
die sich an österreichischen Hochschulen eingeschrieben<br />
haben.<br />
Für die Alpenrepublik sind die „Piefke“ allerdings<br />
nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor,<br />
sie leisten auch einen wesentlichen Beitrag zur<br />
nationalen Identität. Denn nur durch das stolze<br />
Bewußtsein, kein „Piefke“ zu sein, ertragen<br />
die Österreicher den Verlust einstiger Weltgeltung<br />
und ihr ambivalentes Verhältnis zum<br />
großen Bruder. <strong>In</strong> den wechselvollen österreichisch-deutschen<br />
Beziehungen hat kein anderer<br />
Begriff die österreichische Bevölkerung so<br />
umfassend geeint, wie „Piefke“. Kein anderer<br />
Begriff wirkt so identitätsstiftend und betont<br />
die Eigenständigkeit gegenüber dem großen<br />
<strong>Deutschland</strong>.<br />
100402_godey_piefke_schutzumschl1 1 06.04.2010 13:42:54<br />
„Ein liebenswürdiges wie hintergründiges Buch über eine sorgsam<br />
gepfl egte ,Erzfeindschaft‘“. (Oberösterreichische Nachrichten)<br />
„Humorvoll und detailliert wird das österreichische Verhältnis zum<br />
deutschen Nachbarn geschildert“. (Märkische Oderzeitung)<br />
Hubertus Godeysen: „Piefke. Kulturgeschichte einer Beschimpfung“<br />
Eine Dokumentation, 280 Seiten, Geb. € 24,90 - Edition vabene<br />
Teil des Forum Friedricianum:<br />
Gendarmenmarkt<br />
13
Länderschwerpunkt<br />
den Katholiken eine der größten Kirchen<br />
in Berlin und als der „Bischof von<br />
Rom“, wie er den Papst nannte, die Jesuiten<br />
verfolgen und auch töten ließ, gab<br />
er ihnen als einziger europäischer Landesherr<br />
Schutz. Friedrich war der erste<br />
Staatsmann, der mit den USA nach ihrer<br />
Unabhängigkeitserklärung einen<br />
Freundschaft s- und Handelsvertrag abschloss<br />
und die Menschenrechte anerkannte.<br />
Friedrich der Große starb 1786<br />
als bedeutendster Fürst des aufgeklärten<br />
Absolutismus.<br />
Napoleon verändert <strong>Deutschland</strong><br />
Die Französische Revolution veränderte<br />
die Welt und Napoleon veränderte<br />
<strong>Deutschland</strong>. Er löste west- und<br />
süddeutsche Bistümer und Kleinstaaten<br />
auf, erhob den Kurfürst von Baden zum<br />
Großherzog und Bayern und Württemberg<br />
1805 zu Königreichen. Mit dem<br />
1806 gegründeten Rheinbund machte<br />
er die deutschen West- und Südstaaten<br />
Die Trennung ist Vergangenheit.<br />
Durchblick zur Kaiser-Willhelm-Gedächtniskirche in Berlin<br />
von sich abhängig und führte damit<br />
die Aufl ösung des Heiligen Römischen<br />
Reiches herbei, sodass Franz II. in Wien<br />
die Kaiserwürde ablegte.<br />
Preußen, das sich nach Friedrich II. nicht<br />
weiterentwickelt hatte, versuchte einem<br />
Krieg mit Napoleon auszuweichen, ergriff<br />
zu spät die <strong>In</strong>itiative und wurde<br />
1806 bei Jena und Auerstedt vernichtend<br />
geschlagen, besetzt und ausgeplündert.<br />
Ein Jahr später reformierte sich Preußen<br />
völlig neu. Stein, Hardenberg und<br />
Humboldt modernisierten Staatsverwaltung<br />
und Unterrichtswesen, gründeten<br />
das humanistische Gymnasium<br />
und beendeten die Erbuntertänigkeit<br />
der Bauern. Scharnhorst und Gneisenau<br />
schufen mit der preußischen Heeresreform<br />
die fortschrittlichste Armee der<br />
damaligen Welt. Es entstand ein Volksheer<br />
mit Beförderung nach Leistung,<br />
ohne Adelsprivilegien, mit staatsbürgerlicher<br />
Gleichstellung von Offi zieren und<br />
Soldaten. Wehrdienst wurde nationaler<br />
Ehrendienst, Landesverteidigung Ehrenpfl<br />
icht.<br />
<strong>In</strong> den Weiten Russlands platzten 1812<br />
Napoleons Herrschaft sträume, die<br />
Grande Armée mit zehntausenden<br />
deutschen Soldaten ging unter, der<br />
Kaiser fl oh. Preußen vereinte sich mit<br />
Russland, erklärte Napoleon den Krieg<br />
und machte am 12. Februar 1813 mobil.<br />
„Der König rief, und alle, alle kamen!“<br />
– im durch die Besatzung völlig verarmten<br />
Preußen meldeten sich in drei Tagen<br />
die akademische Jugend, Handwerker,<br />
Professoren, Künstler und Bürger und<br />
stellten, zusammen mit der Truppe ein<br />
Volksheer von 300.000 Mann, das von<br />
der nationalen Idee und Vaterlandsliebe<br />
beseelt war. Blücher wurde ihr „Marschall<br />
Vorwärts“ und der König stift ete<br />
das „Eiserne Kreuz“ als Volksorden.<br />
Aus den Resten der Armee, französischen<br />
Rekruten und Soldaten des<br />
Rheinbundes stellte Napoleon ein neues<br />
Heer auf und brachte es an die sächsische<br />
Elbe. Das Bündnis von Preußen<br />
und Russland wurde durch Österreich<br />
und Schweden erweitert. Am 16. Oktober<br />
1813 begann die große dreitägige<br />
„Völkerschlacht“ bei Leipzig, Napoleon<br />
gelang am 18. Oktober der Rückzug; der<br />
Rheinbund löste sich auf. <strong>In</strong> der Neujahrsnacht<br />
1813/14 überquerte Blücher<br />
den Rhein, die Verbündeten folgten und<br />
nahmen Paris ein. Napoleon dankte am<br />
6. April 1814 ab und kam nach Elba.<br />
Der Wiener Kongress ordnete Europa<br />
und <strong>Deutschland</strong> neu, Preußen erhielt<br />
Schwedisch-Pommern, die nördliche<br />
Hälft e Sachsens, Westfalen und das<br />
Rheinland. Doch im März 1815 zog Napoleon<br />
wieder in Paris ein, bis Preußen<br />
und England bei Waterloo die französische<br />
Armee vernichtend schlugen.<br />
Das Deutsche Reich<br />
Auf dem Wiener Kongress erfolgte<br />
auch der Zusammenschluss von 40 Einzelstaaten<br />
zum Deutschen Bund mit<br />
Sitz in Frankfurt. Kanzler Metternich<br />
nutzte jedoch den Bund vorrangig, um<br />
Forderungen nach Demokratie zu unterdrücken<br />
und eine nationalstaatliche<br />
Einigung <strong>Deutschland</strong>s zu verhindern,<br />
die Österreich entweder ausgeschlossen<br />
14 AußenSeiten 1 | 2010<br />
oder gespalten hätte. Seine Politik führte<br />
zur Märzrevolution von 1848 und zum<br />
österreichisch-preußischen Konfl ikt,<br />
der 1866 im Bruderkrieg und der kleindeutschen<br />
Lösung endete.<br />
Bismarck einte die zersplitterten deutschen<br />
Länder im Krieg gegen Frankreich<br />
von 1870/71. Mit der Ausrufung Wilhelm<br />
I. zum Deutschen Kaiser in Versailles<br />
gründete sich das Deutsche Reich<br />
und Preußen ging unter. Das gesamte<br />
Land erfasste eine große Begeisterung,<br />
die ungeahnte Kräft e freisetzte. Frankreichs<br />
Reparationszahlungen brachten<br />
zusätzlichen Schwung in ein neues<br />
<strong>Deutschland</strong>, das vor Kraft strotzte und<br />
die plötzliche nationale Einigkeit wie ein<br />
Wunder erlebte. Im Deutschen Reich<br />
boomte Wirtschaft und Wissenschaft ,<br />
Erfi nder veränderten die technische<br />
Welt, die Kunst befl ügelte die Menschen,<br />
und Berlin als neue Hauptstadt<br />
platzte aus allen Nähten und wurde zu<br />
einer quirligen, jungen und modernen<br />
Weltmetropole.<br />
Der Erste Weltkrieg beendete das Kaiserreich<br />
und führte zur ungeliebten<br />
Weimarer Republik, die sich redlich<br />
bemühte, jedoch an den Forderungen<br />
des Versailler Vertrages und der Wirt-<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
schaft skrise scheiterte. 1933 kam das<br />
NS-Regime mit Hitler an die Macht,<br />
anfängliche Wirtschaft serfolge führten<br />
1939 in den Krieg und Rassenwahn in<br />
verbrecherische Konzentrationslager.<br />
Die Sowjetunion musste 25 Mio. Tote<br />
beklagen, Polen fast sechs Mio. Tote und<br />
die USA etwa 300 000. <strong>In</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
forderte der Krieg über vier Mio. Tote<br />
und weltweit starben 60 Mio. Menschen,<br />
darunter sechs Mio. Juden. <strong>Deutschland</strong><br />
verlor seine Ostgebiete und über zehn<br />
Millionen Flüchtlinge ihre Heimat.<br />
Das neue <strong>Deutschland</strong><br />
Mit der Gründung der Bundesrepublik<br />
<strong>Deutschland</strong> 1949 in Bonn übernahm<br />
der erste Kanzler Konrad Adenauer<br />
ein schweres Erbe, ihm gelang die<br />
West integration, die jedoch die Teilung<br />
<strong>Deutschland</strong>s verschärft e. Die Bundesrepublik<br />
sah sich von Anbeginn an als<br />
Rechtsnachfolger des Dritten Reiches<br />
und bemühte sich intensiv um Aussöhnung<br />
mit Frankreich, Polen, den ehemaligen<br />
Kriegsgegnern und mit Israel.<br />
Das klare Bekenntnis zur historischen<br />
Verantwortung und zur deutschen<br />
Schuld wurde international anerkannt<br />
und unterstützte <strong>Deutschland</strong>s Wiederaufnahme<br />
in die Völkergemeinschaft .<br />
Die von Ludwig Erhard begründete so-<br />
Länderschwerpunkt<br />
Symbol der Einheit, das Brandenburger Tor<br />
ziale Marktwirtschaft , verbunden mit<br />
der Hilfe des Marshallplans führte zu<br />
einem raschen wirtschaft lichen Aufschwung<br />
mit Vollbeschäft igung, der als<br />
„Wirtschaft swunder“ bezeichnet wurde.<br />
Es war jedoch der Wille zum Wiederaufb<br />
au des zerstörten Landes, die<br />
gelungene <strong>In</strong>tegration der Vertriebenen<br />
und Flüchtlinge und enormer Fleiß der<br />
Bevölkerung, der <strong>Deutschland</strong> zur führenden<br />
Wirtschaft skraft Europas werden<br />
ließ.<br />
Mit den Pariser Verträgen erhielt die<br />
Bundesrepublik am 5. Mai 1955 ihre<br />
Souveränität, dem die Aufnahme in die<br />
NATO und die Aufstellung der Bundeswehr<br />
folgten. Mit den Römischen Verträgen<br />
wurde sie 1957 Gründungsmitglied<br />
der EWG, aus der sich die Europäische<br />
Gemeinschaft entwickelte. Dem Bau der<br />
Mauer am 13. August 1961 mit Schießbefehl<br />
folgte Willy Brandts Annäherung<br />
zwischen den beiden deutschen Staaten.<br />
Mit der im August 1989 beginnenden<br />
Ausreisewelle aus der DDR wurde der<br />
Mauerfall am 9. November 1989 eingeleitet.<br />
Am 3. Oktober 1990 trat dann die<br />
DDR der Bundesrepublik bei, es begann<br />
die Wiedervereinigung. <strong>Deutschland</strong>s<br />
lange Sehnsucht nach Einigkeit und<br />
Recht und Freiheit ist endlich erfüllt.<br />
15
Länderschwerpunkt<br />
„Das Verhältnis zwischen<br />
<strong>Deutschland</strong> und Österreich ist<br />
eine Erfolgsgeschichte!“<br />
Im Gespräch mit S. E. Herrn Hans Henning Blomeyer-Bartenstein,<br />
Botschafter der Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong><br />
AußenSeiten: <strong>In</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
hat Österreich ein positives<br />
Image, weil es mit Urlaub, Erholung<br />
und Freizeit verbunden wird.<br />
Hat sich Ihr Österreich-Bild verändert,<br />
seit Sie als Botschaft er in Wien leben?<br />
Blomeyer-Bartenstein: Mein Österreich-Bild<br />
war von der Geschichte<br />
und der Kultur dieses Landes geprägt,<br />
mit dem wir Deutsche uns besonders<br />
eng verbunden fühlen. Mit Blick auf<br />
die Wirtschaft war ich überrascht, wie<br />
stark Österreich von der Grenzöff nung<br />
1989/90 und vom Beitritt zur Europäischen<br />
Union profi tieren konnte. Dies<br />
hat das Land nicht nur von seiner<br />
Randlage befreit, sondern auch weit<br />
geöff net, positiv verändert und der<br />
Wirtschaft viele Chancen gegeben, die<br />
erfolgreich genutzt wurden. Bemerkenswert<br />
sind für mich auch die engen<br />
Beziehungen, die zu den mittel- und<br />
südosteuropäischen Nachbarn wieder<br />
entstanden sind und an die historisch<br />
gewachsenen Verfl echtungen anknüpfen.<br />
Österreichs Bemühungen um ein<br />
Zusammenwachsen der Donauländer<br />
verfolge ich mit großem <strong>In</strong>teresse.<br />
AußenSeiten: Waren die <strong>In</strong>formationen,<br />
die Sie im Auswärtigen Amt in<br />
Berlin über Österreich erhalten haben<br />
so zutreff end, dass Sie dies eins zu eins<br />
übernehmen konnten?<br />
Blomeyer-Bartenstein: <strong>In</strong>sgesamt ja,<br />
beide Staaten sind ja unmittelbare<br />
Nachbarn und verfügen über sehr<br />
genaue gegenseitige Kenntnisse. Es<br />
besteht ein großes Netzwerk mit intensiven<br />
Beziehungen zwischen den<br />
Regierungen und den Ministerien,<br />
deren <strong>In</strong>formationsaustausch durch<br />
die gemeinsame Sprache natürlich<br />
begünstigt wird. Hinzu kommen sehr<br />
enge Arbeitskontakte auf vielen Ebenen<br />
und der persönliche Austausch<br />
bei EU-Begegnungen. Die Kollegen<br />
im Auswärtigen Amt, die sich mit<br />
Österreich beschäft igen, sind deshalb<br />
sehr gut unterrichtet. Ebenfalls habe<br />
ich bei meinen Gesprächen im Bundeskanzleramt,<br />
im Bundespräsidialamt,<br />
mit verschiedenen Ministern,<br />
im Parlament und mit den Vertretern<br />
der Wirtschaft eine Vielzahl von bestens<br />
informierten Österreich-Kennern<br />
vorgefunden. Dies ist sicherlich<br />
auch Ausdruck der besonderen Nähe<br />
und der engen Verfl echtung der beiden<br />
Länder.<br />
„Wer die lange gemeinsame<br />
Geschichte unserer Staaten<br />
kennt, der weiß, wie eng<br />
wir verfl ochten sind.“<br />
AußenSeiten: Wie denkt das offi zielle<br />
<strong>Deutschland</strong> über die nach 1945 verstärkt<br />
einsetzenden österreichischen<br />
Bestrebungen nach einer eigenständigen<br />
Nation?<br />
Blomeyer-Bartenstein: Der deutsche<br />
Botschaft er in Österreich muss<br />
sich natürlich sehr intensiv mit den<br />
Gegebenheiten dieses Landes, seiner<br />
geschichtlichen Entwicklung, den<br />
deutsch-österreichischen Befi ndlichkeiten<br />
und der nach 1918 einsetzenden<br />
Suche nach seiner nationalen<br />
Hans Henning Blomeyer-Bartenstein<br />
Identität auseinandersetzen. Wer die<br />
lange gemeinsame Geschichte unserer<br />
Staaten kennt, der weiß, wie eng wir<br />
verfl ochten sind. Die Tatsache, dass<br />
wir zwei unabhängige Staaten innerhalb<br />
der Europäischen Union sind, die<br />
umfassend miteinander kooperieren,<br />
ist Teil unseres Selbstverständnisses.<br />
Dazu gehört auch Respekt für die von<br />
Ihnen geschilderte Entwicklung.<br />
AußenSeiten: Wie beurteilen Sie heute<br />
die aktive Rolle der rot-grünen Bundesregierung<br />
bei den so genannten „EU-<br />
Sanktionen“ gegen Österreich im Jahr<br />
2000, die eigentlich bilaterale Maßnahmen<br />
einzelner EU-Staaten waren?<br />
Blomeyer-Bartenstein: Wenn man die<br />
deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert<br />
betrachtet, wird man dafür Verständnis<br />
aufb ringen müssen, dass Erfolge und<br />
sogar Regierungsbeteiligungen rechter<br />
1 AußenSeiten 1 | 2010<br />
Parteien bei direkten Nachbarstaaten<br />
in <strong>Deutschland</strong> große Sorgen auslösen.<br />
Dies war 1999/2000 sicherlich<br />
der Fall und damals hat die rot-grüne<br />
Bundesregierung, zusammen mit den<br />
anderen EU-Partnern, eine Politik betrieben,<br />
die Österreich isolieren sollte.<br />
Später haben sowohl der damalige Außenminister<br />
Joschka Fischer, wie auch<br />
Bundeskanzler Gerhard Schröder diese<br />
Politik als Fehler bezeichnet und sich<br />
davon distanziert.<br />
AußenSeiten: Obwohl die österreichische<br />
Wirtschaft seit dem EU-Beitritt<br />
enorm erfolgreich war und Österreichs<br />
Gewicht als EU-Mitglied international<br />
stark gewachsen ist, besteht hierzulande<br />
eine große und auch medial geförderte<br />
kritische Haltung gegenüber der EU.<br />
Wie erklären Sie sich diese Skepsis?<br />
Blomeyer-Bartenstein: <strong>In</strong> den letzten<br />
zwei Jahren ist die Zustimmung der<br />
österreichischen Bevölkerung zu Europa,<br />
sicherlich auch bedingt durch die<br />
negativen Auswirkungen der Globalisierung<br />
und der weltweiten Krise der<br />
Finanzmärkte, ja durchaus gewachsen.<br />
Gerade die gebildete österreichische<br />
Jugend ist in Europa fest verankert,<br />
bestens vernetzt und nutzt die großen<br />
Chancen, die ihnen die EU bietet. Das<br />
stimmt mich zuversichtlich. Dennoch<br />
wird teils verdrängt, dass die Mitgliedschaft<br />
in der europäischen Union ein<br />
großer Fortschritt für das Land ist und<br />
auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
erheblich gesteigert wurde.<br />
Wie so oft wird das Gute als selbstverständlich<br />
hingenommen, während<br />
Negativerscheinungen überbewertet,<br />
politisch instrumentalisiert und medial<br />
einseitig kommuniziert werden, um<br />
Ängste zu schüren. Ich bin jedoch sicher,<br />
dass die Zustimmung zu Europa<br />
weiter wachsen wird und begrüße sehr<br />
die Aktivitäten von Außenminister Dr.<br />
Spindelegger, der sehr engagiert den<br />
österreichischen Bürgern die Vorteile<br />
der EU bewusst macht.<br />
AußenSeiten: Wie würden Sie das<br />
gegenwärtige Verhältnis zwischen Österreich<br />
und <strong>Deutschland</strong> beurteilen?<br />
Und wie wird es sich in die Zukunft<br />
entwickeln?<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
Blomeyer-Bartenstein: Das Verhältnis<br />
zwischen <strong>Deutschland</strong> und Österreich<br />
hat sich nach dem Staatsvertrag<br />
von 1955 ausgesprochen gut entwickelt<br />
und ist zu einer Erfolgsgeschichte<br />
geworden. Dies ist zwischen zwei<br />
Nachbarstaaten mit sehr unterschiedlichen<br />
Größen nicht selbstverständlich,<br />
und nur gelungen, weil wir in<br />
sehr vielen Bereichen gleichgerichtete<br />
<strong>In</strong>teressen haben. Wir leben gut miteinander,<br />
können voneinander lernen<br />
„Die Mitgliedschaft in der<br />
europäischen Union ist ein<br />
großer Fortschritt für das Land<br />
und hat die Wettbewerbsfähigkeit<br />
erheblich gesteigert“<br />
und wenn man auf die vielfältigen<br />
Probleme in der heutigen Welt schaut,<br />
kann man nur dankbar sein, dass es<br />
dieses enge und freundschaft liche<br />
Nachbarschaft sverhältnis gibt. Auch<br />
eine gute Zukunft dieser engen Beziehungen<br />
ist gesichert, dazu tragen die<br />
wirtschaft liche Verfl echtungen beider<br />
Staaten mit einem Handelsaustausch<br />
von knapp 80 Milliarden Euro genauso<br />
bei, wie die immerhin 230.000<br />
Deutschen, die sich in Österreich<br />
niedergelassen haben. Hinzu kommen<br />
als Bindeglied übrigens auch die<br />
deutschen Studenten, selbst wenn es<br />
auf österreichischer Seite bei einigen<br />
Studienfächern Probleme gibt. Hierfür<br />
wird man aber in Europa sicherlich<br />
gemeinsame Lösungen fi nden,<br />
Länderschwerpunkt<br />
Bundeskanzleramt in Berlin<br />
denn die Mobilität von jungen Leuten<br />
innerhalb der Europäischen Union ist<br />
grundsätzlich ein hohes Gut, auf das<br />
wir alle stolz sein sollten. Studienaufenthalte<br />
in Nachbarländern mit ihren<br />
persönlichen Alltagserfahrungen stärken<br />
das Gemeinschaft serlebnis Europa<br />
erheblich.<br />
AußenSeiten: Warum stellen Deutsche<br />
in Österreich jetzt die größte Zuwanderungsgruppe?<br />
Blomeyer-Bartenstein: Weil Österreich<br />
für Deutsche ein attraktives Land<br />
ist, das mit uns durch die Nähe, die<br />
gleiche Sprache und Kultur eng verbunden<br />
ist. Österreich ist wirtschaft -<br />
lich erfolgreich und verfügt über eine<br />
wunderbare Landschaft . Wenn sich<br />
Deutsche hier niederlassen, so ist dies<br />
auch ein Ausdruck der Bewunderung<br />
für dieses schöne Land und seine vielen<br />
Möglichkeiten.<br />
uu Hans Henning Blomeyer-Bartenstein<br />
wurde 1950 in München<br />
geboren, studierte Politische Wissenschaften<br />
und Jura in Paris und trat<br />
1975 in den Auswärtigen Dienst ein.<br />
Er arbeitete an den Botschaften in<br />
Kairo, Washington, Tel Aviv und London,<br />
und hatte wichtige Funktionen<br />
im Auswärtigen Amt, sowie von 1995<br />
bis 2003 im Bundeskanzleramt inne.<br />
Von 2007 bis 2009 war Blomeyer-Bartenstein<br />
Beauftragter für Asien- und<br />
Pazifi kpolitik und ist seit Juli 2009<br />
Botschafter in Wien.<br />
1
Länderschwerpunkt<br />
Österreich liebt „Made in Bavaria“<br />
Zwillingsbrüder im wirtschaftlichen Gleichschritt<br />
Von Mag. Gregor Huber<br />
Als Bajuwaren im 6. Jahrhundert<br />
das Voralpengebiet und die Donauebene<br />
besetzten, drängten<br />
sie die Slawen zurück und brachten<br />
auch Kärnten und die Steiermark unter<br />
ihre Herrschaft . 976 trennte Otto II.<br />
Kärnten als eigenständiges Herzogtum<br />
von Bayern ab und gab den Babenbergern<br />
die Ostmark „Ostarrichi” in Lehensabhängigkeit<br />
von Bayern, die 1156<br />
von Kaiser Friedrich I. zum selbständigen<br />
Herzogtum Österreich erhoben<br />
wurde. Den Babenbergern folgten dann<br />
im 14. Jahrhundert die Habsburger.<br />
Die engen Beziehungen der Bayern<br />
zu Österreich und umgekehrt<br />
liegen jedoch nicht nur daran, dass<br />
die meisten Ur-Österreicher bajuwarische<br />
Vorfahren haben, auch die<br />
gemeinsame Sprache entstammt der<br />
baierischen Mundart. Das „i“ ist übrigens<br />
kein Schreibfehler, denn erst<br />
Ludwig I., verordnete 1825 seinen<br />
Bayern das griechische „y“, weil er<br />
für Griechenland schwärmte, bevor<br />
er sich in die irische Tänzerin Lola<br />
Montez verliebte und deshalb 1848<br />
den Th ron räumen musste.<br />
Der bayerische Wirtschaft sminister<br />
Martin Zeil konnte somit auf sehr alte<br />
Beziehungen zwischen Bayern und<br />
Österreich hinweisen, „die über wirtschaft<br />
liche und politische Verfl ech-<br />
Das Gebäude der BMW-Welt neben dem<br />
Olympia-Zentrum in München.<br />
tungen weit hinausgehen“, als er im Juni<br />
2010 in Wien die 22. Auslandsrepräsentanz<br />
eröff nete. Auch Dr. Christoph<br />
Leitl, Präsident der Wirtschaft skammer<br />
Österreich, begrüßt die Aktivitäten<br />
des Freistaates. „Speziell Bayern<br />
steht in unserer europäischen Familie<br />
für unseren Zwillingsbruder, mit dem<br />
uns ein vertrauensvolles, inniges Verhältnis<br />
verbindet. Vieles machen wir<br />
im wirtschaft lichen Gleichschritt, fast<br />
schon automatisch. Und wenn es einmal<br />
zur Diskussion kommt, folgt die<br />
Versöhnung bei einem Achterl Wein<br />
oder einer Maß Bier auf dem Fuß“.<br />
Österreich ist seit 2007 weltweit der<br />
1 AußenSeiten 1 | 2010<br />
Foto: © BMW AG<br />
wichtigste Handelspartner Bayerns<br />
und hat mit einem Anteil an der gesamten<br />
Ausfuhr Bayerns von 9,6% im<br />
Jahr 2009 andere Abnehmerländer<br />
wie China, Italien und die USA weit<br />
abgehängt. Die enge Verbundenheit<br />
der beiden Nachbarn bewährte sich<br />
besonders auf dem Höhepunkt der<br />
globalen Wirtschaft skrise 2009, als der<br />
gemeinsame Handel vergleichsweise<br />
stabil blieb.<br />
Rund 6.400 vorrangig mittelständische<br />
Unternehmen aus dem Freistaat unterhalten<br />
enge Geschäft sbeziehungen mit<br />
Österreich, fast 600 sind mit Niederlassungen<br />
in der Alpenrepublik vertreten<br />
und fast 100 Firmen produzieren beim<br />
Nachbarn. Doch den österreichischen<br />
Markt nutzen nicht nur Produzenten<br />
und Dienstleister, auch das bayerische<br />
Handwerk hat sich mit Zuverlässigkeit<br />
und innovativen Lösungen auf der anderen<br />
Seite der Landesgrenze einen<br />
guten Ruf erarbeitet. Österreich liebt<br />
„Made in Bavaria“ und 82.000 Österreicher<br />
leben und arbeiten gerne im<br />
weiß-blauen Nachbarland.<br />
Umgekehrt fl oriert die Zusammenarbeit<br />
ebenfalls und Bayern ist Österreichs<br />
bedeutendster Handelspartner<br />
mit einem Volumen von 24,5 Mrd.<br />
Euro, fast so viel wie der Handel mit<br />
allen EU-Beitrittsländern zusammen.<br />
Über 400 österreichische Unternehmen<br />
haben einen Sitz in Bayern, darunter<br />
Binder Holz, Magna-Steyr oder<br />
OMV und die Exporte nach Bayern<br />
sichern in der Alpenrepublik 230.000<br />
Arbeitsplätze.<br />
Die Wirtschaft skammer Österreich<br />
ist mit einer Außenhandelsstelle in<br />
München bereits seit knapp 30 Jahren<br />
vertreten und hat aktiv den bayerischen<br />
Markt für österreichische Firmen<br />
geöff net. Die neue Repräsentanz<br />
des Freistaates in Wien wird ebenso<br />
erfolgreich Kontakte knüpfen und österreichische<br />
Unternehmer und <strong>In</strong>vestoren<br />
über Förderungen, Standorte,<br />
sowie Wirtschaft spartner informieren<br />
und bei Verhandlungen mit Behörden<br />
behilfl ich sein. Mit Th omas Gindele,<br />
dem erfahrenen Hauptgeschäft sführer<br />
der Deutschen Handelskammer in<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
Österreich, fi nden sie einen kompetenten<br />
Gesprächspartner vor, der nun<br />
auch als Vertreter Bayerns sein großes<br />
Netzwerk und seine Marktkenntnisse<br />
zur Verfügung stellen wird.<br />
Bayern sieht sich in <strong>Deutschland</strong> als<br />
Mittelstandsland Nr. 1 und will diese<br />
Spitzenposition auch in Zukunft halten.<br />
2009 wurde ein „Mittelstandspakt“<br />
initiiert, der noch intensiver<br />
die Partner vernetzt, über Förderungsmöglichkeiten<br />
informiert und<br />
gemeinsame Positionen erarbeitet,<br />
um sie an die Politik heranzutragen.<br />
Diese Aktivitäten sollen Bayern für<br />
Mittelständler noch attraktiver machen<br />
und auch österreichische Unternehmer<br />
anziehen.<br />
Wirtschaft sminister Martin Zeil sieht<br />
in der bayerischen Automobilbranche<br />
weiterhin einen starken Partner, der<br />
die Absatzkrise genutzt hat, um sich<br />
verstärkt der klimafreundlichen Mobilität<br />
zu widmen. Er weist auf neue<br />
Technologien, Verfahren und Trends<br />
in der Elektromobilität hin, die durch<br />
eine gezielte Zukunft soff ensive von<br />
der Staatsregierung mit insgesamt<br />
fünf Mio. Euro gefördert werden, um<br />
bald Marktreife zu erreichen. Besonders<br />
Mittelständler erhalten hierdurch<br />
neue zukunft ssichere Tätigkeitsfelder,<br />
so Zeil, der auf das breite Umfeld innovativer<br />
Zulieferbetriebe für die bayerischen<br />
Global Player BMW, Audi und<br />
MAN verweist. Auch österreichischen<br />
Länderschwerpunkt<br />
Vier Bayern und ein Baden-Württemberger eröff nen die neue bayrische Repräsentanz in Wien. Handwerkskammerpräsident<br />
Heinrich Traublinger, DHK-Hauptgeschäft sführer Th omas Gindele, Wirtschaft sminister Martin<br />
Zeil, Botschaft er Hans Henning Blomeyer-Bartenstein und IHK-Vizepräsident Dr. Anton Kathrein (v.l.).<br />
Firmen bieten sich lukrative Chancen<br />
in diesem Zukunft smarkt, die sich<br />
nun in der Repräsentanz in Österreich<br />
(1030 Wien, Schwarzenbergplatz 5)<br />
gezielt Rat holen können.<br />
Der Freistaat unterstützt auch ausländische<br />
Unternehmen, die sich in<br />
Bayern ansiedeln wollen. „<strong>In</strong>vest in<br />
Bayern“ – die Ansiedelungsagentur<br />
des Wirtschaft sministeriums bestätigt,<br />
dass es gerade aus Österreich<br />
ein großes und wachsendes <strong>In</strong>teresse<br />
an Niederlassung gibt. Im wichtigen<br />
deutschen Markt von Bayern aus<br />
Fuß zu fassen, fällt österreichischen<br />
Unternehmen off ensichtlich wesentlich<br />
leichter, als im hohen Norden.<br />
Sie können sich dabei auch auf ihren<br />
bedeutenden Kanzler Bruno Kreisky<br />
berufen, der meinte: „Ich fahre gern<br />
nach Bayern, da bin ich nicht mehr<br />
in Österreich, aber noch nicht in<br />
<strong>Deutschland</strong>!“<br />
uu <strong>In</strong>vest in Bavaria –<br />
die Ansiedlungsagentur des<br />
Bayerischen Staatsministeriums für<br />
Wirtschaft, <strong>In</strong>frastruktur, Verkehr<br />
und Technologie<br />
Prinzregentenstr. 28<br />
80538 München<br />
Tel.: +49 89 2162-2642<br />
Fax: +49 89 2162-2803<br />
info@invest-in-bavaria.de<br />
www.invest-in-bavaria.de<br />
19
Länderschwerpunkt<br />
„Die gemeinsame Außenwirtschaft<br />
stabilisiert Europa!“<br />
Im Gespräch mit Thomas Gindele,<br />
Hauptgeschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Wien<br />
<strong>Deutschland</strong> ist der mit Abstand<br />
wichtigste österreichische<br />
Handels partner. Warum die<br />
wirtschaft liche Zusammenarbeit so gut<br />
funktioniert, erfuhren wir von Th omas<br />
Gindele, dem Hauptgeschäft sführer der<br />
Deutschen Handelskammer in Wien.<br />
AußenSeiten: Österreich und <strong>Deutschland</strong><br />
unterhalten sehr enge Wirtschaft sbeziehungen.<br />
Wie stabil ist diese Partnerschaft<br />
?<br />
Gindele: Der Handel zwischen beiden<br />
Nachbarländern ist traditionell sehr<br />
gut, dies liegt vorrangig an der geographischen<br />
Lage, der gemeinsamen<br />
Sprache und Kultur, sowie dem ähnlichen<br />
Wirtschaft srecht. Bereits in<br />
der Kaiserzeit waren die Wirtschaft sbeziehungen<br />
sehr intensiv, nach dem<br />
Ende des Ersten Weltkrieges und dem<br />
Verlust der österreichischen Kronländer<br />
verstärkte sich die Partnerschaft<br />
weiter. 1938 erfolgte die Gleichschaltung<br />
im Dritten Reich, danach wollte<br />
sich die noch junge Zweite Republik<br />
anfänglich von der deutschen Wirtschaft<br />
möglichst abkoppeln, was jedoch<br />
scheiterte. Österreich profi tierte<br />
massiv vom deutschen Wirtschaft swunder<br />
und als EU-Partner freuen<br />
sich die beiderseitigen Unternehmen<br />
heute über den Fortfall der Grenze<br />
mit den lästigen Zollbeschränkungen<br />
und über den Euro. Die gemeinsame<br />
erfolgreiche Außenwirtschaft trägt erheblich<br />
zur Stabilität Europas bei.<br />
AußenSeiten: Wie hoch sind heute die<br />
deutschen Ex- und Importe nach Österreich?<br />
Gindele: Der gesamte österreichische<br />
Export betrug im vergangenen Jahr<br />
94, 2 Mrd. €. Der Exportanteil nach<br />
<strong>Deutschland</strong> belief sich auf 31%, was<br />
insgesamt einem Volumen von knapp<br />
30 Mrd. € entspricht. <strong>Deutschland</strong><br />
lieferte Waren und Dienstleistungen<br />
im Wert von knapp 40 Mrd. €.<br />
Der deutsche Anteil an den österreichischen<br />
Importen beträgt 40%. Das<br />
sind schon beachtliche Zahlen, mit<br />
großen Abständen zu den nächst folgenden<br />
Handelspartnern.<br />
AußenSeiten: Mit welchen deutschen<br />
Bundesländern gibt es die meisten Handelsbeziehungen?<br />
Gindele: Eindeutig mit Bayern! Deshalb<br />
hat der bayrische Wirtschaft -<br />
minister eine Repräsentanz des Freistaates<br />
in Wien eröff net. Bayern ist<br />
übrigens das einzige deutsche Bundesland,<br />
bei dem Österreich einen Handelsüberschuss<br />
erwirtschaft et, denn<br />
„Der gestiegene Osthandel<br />
Österreichs hat sich auf die<br />
deutsch/österreichischen<br />
Wirtschaftsbeziehungen<br />
positiv ausgewirkt.“<br />
Bayern importiert mehr Waren, als<br />
es in die Alpenrepublik exportiert. Es<br />
folgen dann Baden Württemberg und<br />
Nordrhein-Westfalen. Je nördlicher<br />
die deutschen Bundesländer liegen,<br />
umso stärker nimmt der Handel mit<br />
Österreich ab. Eine Ausnahme bilden<br />
hier die beiden Seehäfen Hamburg und<br />
Bremen, die für den österreichischen<br />
Welthandel große Bedeutung haben.<br />
AußenSeiten: Mit welchen Gütern wird<br />
vorrangig gehandelt?<br />
Th omas Gindele<br />
Gindele: Die mittelständisch geprägten<br />
österreichischen Unternehmen liefern<br />
hochwertige Technik für die deutschen<br />
Autobauer und sind im Maschinenbau<br />
sehr stark. Auch können sie fl exibel<br />
produzieren und schnell auf geänderte<br />
Marktwünsche reagieren, so dass<br />
die Zusammenarbeit für beide Seiten<br />
außerordentlich erfolgreich ist. Ein<br />
zweites wichtiges Standbein sind österreichische<br />
Lebensmittel und landwirtschaft<br />
liche Produkte, die in <strong>Deutschland</strong><br />
ein hohes Ansehen haben. Wie<br />
wichtig der deutsche Lebensmittelmarkt<br />
ist, erkennt man auch daran, dass<br />
Österreich bei der „Grünen Woche“ in<br />
Berlin stets eine der größten Ausstellungsfl<br />
ächen mietet und diese Stände<br />
bei der Berliner Bevölkerung sehr beliebt<br />
sind. Obwohl Österreich dies nicht<br />
gerne hört, die frühere Einbahnstraße<br />
von Österreich nach <strong>Deutschland</strong> hat<br />
sich bei Nahrungsmitteln drastisch<br />
verändert. Jetzt exportiert <strong>Deutschland</strong><br />
mehr Lebensmittel in die Alpenrepub-<br />
20 AußenSeiten 1 | 2010<br />
lik als umgekehrt. 2,6 Mrd. € waren es<br />
im vergangenen Jahr. Aus Österreich<br />
wurden demgegenüber 1,78 Mrd. nach<br />
<strong>Deutschland</strong> exportiert. Nur deutscher<br />
Wein wird in Österreich kaum getrunken,<br />
was mir sehr leid tut, weil er weltweit<br />
sehr geschätzt wird und sich bestens<br />
verkauft .<br />
AußenSeiten: Österreich profi tiert<br />
stark durch die Ostöff nung und nutzt<br />
die neuen Chancen. Hat sich dadurch<br />
der Handel mit <strong>Deutschland</strong> abgeschwächt?<br />
Gindele: Der gestiegene Osthandel<br />
Österreichs hat sich auf die deutsch/<br />
österreichischen Wirtschaftsbeziehungen<br />
nicht negativ, sondern positiv<br />
ausgewirkt, auch weil hiesige Unternehmen<br />
oft Brückenfunktionen übernehmen.<br />
Doch der österreichische<br />
Außenhandel wird nach wie von der<br />
Zusammenarbeit mit <strong>Deutschland</strong><br />
dominiert, der 30 % der gesamten<br />
Außenwirtschaft ausmacht.<br />
AußenSeiten: Wie wurde die weltweite<br />
Banken- und Wirtschaft skrise vom<br />
deutsch-österreichischen Handel gemeistert?<br />
Gindele: Da <strong>Deutschland</strong> besonders<br />
exportlastig ist, schlug sich die Wirtschaft<br />
skrise umgehend in den Auftragsbüchern<br />
nieder und erreichte<br />
in abgeschwächter Form auch Österreich.<br />
Jetzt, wo die Wirtschaft in Asien<br />
erneut angesprungen ist, bewährt sich<br />
die in großem Maße in <strong>Deutschland</strong><br />
praktizierte Kurzarbeit, weil viele<br />
deutsche Unternehmen wieder Volllast<br />
fahren und ohne große Verzögerungen<br />
liefern können. Wir freuen<br />
uns, dass die Wirtschaft sprognosen<br />
ständig nach oben korrigiert werden,<br />
auch wenn es noch etwas dauern wird,<br />
bis die Zahlen des Spitzenjahres 2008<br />
wieder erreicht sind und die Krise<br />
überwunden ist. Leider zieht die restliche<br />
europäische Wirtschaft nur langsam<br />
an und die USA reagieren noch<br />
verunsichert.<br />
AußenSeiten: Welche Probleme gibt es<br />
zwischen der deutschen und der österreichischen<br />
Wirtschaft ?<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
Gindele: Das Hauptproblem ist die<br />
Nähe zwischen beiden Ländern. Während<br />
sich deutsche Unternehmer meistens<br />
sehr gründlich auf ausländische<br />
Märkte vorbereiten, wird dies bei Österreich<br />
häufi g unterlassen. Oft wird<br />
geglaubt, dass die österreichische Wirtschaft<br />
1 : 1 wie in <strong>Deutschland</strong> funktioniert.<br />
Unsere Handelskammer in Wien<br />
hat es mitunter schwer, den eigenen<br />
Landsleuten das unterschiedliche Arbeitsrecht<br />
oder die andere Unternehmenskultur<br />
verständlich zu machen.<br />
Deutsche Enttäuschungen entstehen<br />
fast immer dadurch, dass man glaubte,<br />
über Österreich alles zu wissen.<br />
AußenSeiten: Zeigen sich die unterschiedlichen<br />
Mentalitäten auch im<br />
Wirtschaft sleben?<br />
Gindele: <strong>In</strong> Österreich prallen oft<br />
große Gegensätze aufeinander, wenn<br />
zum Beispiel ein gewissenhaft er<br />
Schwabe mit dem österreichischen<br />
„Passt scho“ konfrontiert wird. Andererseits<br />
habe ich gelernt, dass nicht<br />
alles schon Wochen vorher geregelt<br />
sein muss, es geht auch später. <strong>In</strong> Österreich<br />
verschieben sich die Zeithorizonte<br />
und es ist für Deutsche eine<br />
spannende Erfahrung, dass es trotz-<br />
„Deutsche können sich hier<br />
nicht verstecken und vielen<br />
wird erst hier bewusst, dass<br />
sie vorrangig als Deutsche<br />
wahrgenommen werden.“<br />
dem klappt. Die Zusammenarbeit mit<br />
Vorarlbergern funktioniert stets ohne<br />
große Spannungen, weil Verlässlichkeit<br />
und Gründlichkeit auf beiden<br />
Seiten das Handeln bestimmen. Auch<br />
zwischen Bayern und Westösterreichern<br />
stimmt die Chemie, denn das<br />
„Mia san mia“ und das „Mir san mir“<br />
zeigt die Seelenverwandtschaft der<br />
beiden bairischen Volksstämme. Je<br />
weiter man jedoch nach Osten kommt,<br />
umso größer werden die mentalen<br />
Unterschiede, die vor allem deutsche<br />
Führungskräft e erkennen und akzeptieren<br />
sollten. <strong>In</strong> <strong>Deutschland</strong> werden<br />
Österreicher schnell integriert, auch<br />
Länderschwerpunkt<br />
weil in deutschen Unternehmen mit<br />
landsmannschaft lichen Unterschieden<br />
und Dialekten toleranter umgegangen<br />
wird.<br />
AußenSeiten: Die in Österreich lebenden<br />
Deutschen sind jetzt auf 138.250<br />
angewachsen und bilden die größte<br />
Ausländergruppierung. Was empfehlen<br />
Sie den neu hinzugezogenen Deutschen?<br />
Gindele: Zurückhaltung und intensives<br />
Beobachten. Österreich ist gegenüber<br />
<strong>Deutschland</strong> ein kleines Land<br />
und daher auch besonders um seine<br />
Identität bemüht. Deutsche können<br />
sich hier nicht verstecken und vielen<br />
wird erst hier bewusst, dass sie vorrangig<br />
als Deutsche wahrgenommen<br />
werden. Auch ist der Start für Ausländer<br />
in Österreich oft nicht leicht, denn<br />
hier schottet man sich gerne ab, baut<br />
sich schon früh Netzwerke auf und ist<br />
nicht so off en wie in <strong>Deutschland</strong>.<br />
Doch immer mehr junge Österreicher<br />
nutzen die Chancen der EU, um im<br />
europäischen Ausland zu studieren<br />
und zu arbeiten. Wenn sie dann nach<br />
Hause kommen, haben sie fast immer<br />
ihre alten und überholten Vorbehalte<br />
abgelegt. Trotz der kritischen Diskussion<br />
über zu viele deutsche Studenten<br />
sind die österreichischen Hochschulen<br />
ein großer Heiratsmarkt, der auch<br />
zur Gründung vieler deutsch/österreichischer<br />
Familien führt. Eine bessere<br />
<strong>In</strong>tegration gibt es nicht.<br />
uu Thomas Gindele wurde 1965 in<br />
Radolfzell am Bodensee geboren<br />
und studierte in Konstanz Verwaltungswissenschaften.<br />
Von 1993 bis<br />
1997 sammelte er berufl iche Erfahrungen<br />
bei der Deutsch-Koreanischen<br />
Handelskammer und bis 2000 als stv.<br />
Geschäftsführer des Delegiertenbüros<br />
der Deutschen Wirtschaft in Peking.<br />
Ab 2000 Leitung der Delegiertenbüros<br />
für Kroatien, Slowenien und Bosnien-<br />
Herzegowina. Seit 2005 ist Gindele als<br />
Hauptgeschäftsführer der Deutschen<br />
Handelskammer in Wien tätig.<br />
21
Länderschwerpunkt<br />
Von der Dampfl ok zum ICE<br />
175 Jahre Eisenbahn<br />
in <strong>Deutschland</strong><br />
Von Mag. Günter Wagner<br />
Kaum eine andere <strong>In</strong>stitution<br />
veränderte <strong>Deutschland</strong> so<br />
stark wie die Eisenbahn, die<br />
nun 175 Jahre alt wird. Sie brachte die<br />
moderne Zeit, stand für Fortschritt<br />
und technische Leistungsfähigkeit,<br />
befreite die Bevölkerung aus jahrhundertealter<br />
räumlicher Enge und beendete<br />
feudale Reiseprivilegien. Die<br />
Bahnen transportierten Menschen,<br />
Güter und Ideen, verbanden die kleinen<br />
und großen Länder <strong>Deutschland</strong>s<br />
mit Europas Staaten, erleichterten den<br />
Handel und schufen die Grundlage<br />
für die <strong>In</strong>dustrialisierung.<br />
Nun wurde die Zeit nicht mehr von<br />
der örtlichen Kirchturmuhr, sondern<br />
von der neuen Bahnzeit bestimmt.<br />
Die Eisenbahn veränderte das Leben<br />
der Bürger, die Wirtschaft , die Landschaft<br />
, schuf Mobilität und ermöglichte<br />
den Tourismus. Die großstädtischen<br />
Bahnhöfe wurden zu „Kathedralen des<br />
Fortschritts“, sowie Stätten des Fernwehs<br />
und der Sehnsucht. Mit der Herstellung<br />
von Lokomotiven, Schienen<br />
und Eisenbahntechnik wuchs die deutsche<br />
Großindustrie und die Eisenbahnen<br />
wurden zum <strong>In</strong>begriff deutscher<br />
Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit.<br />
175 Jahre deutsche Eisenbahn,<br />
ein Überblick<br />
Das Eisenbahnzeitalter begann in<br />
<strong>Deutschland</strong> am 7. Dezember 1835.<br />
Auf den Schienen einer privaten Gesellschaft<br />
fuhr ein englischer Lokführer<br />
die in England gebaute Lokomotive<br />
„Adler“ mit Tempo 35 und 200 Fahrgästen<br />
von Nürnberg nach Fürth. Es<br />
entstanden weitere private Linien und<br />
Länderbahnen, 1847 erfolgten erste<br />
gemeinsame Normen der Eisenbahn-<br />
technik. 1871 gründete sich das Deutsche<br />
Reich und verstaatlichte die privaten<br />
Eisenbahnstrecken. Es begann<br />
das „Goldene Eisenbahnzeitalter“.<br />
Bereits in den Kriegen 1866 und<br />
1870/71 hatte die Eisenbahn strategische<br />
Bedeutung. Als am 1. August<br />
1914 der erste Weltkrieg ausbrach,<br />
erfolgte die Mobilmachung des deutschen<br />
Heeres per Bahn. Noch nie zuvor<br />
waren so viele Soldaten und Material<br />
in so kurzer Zeit transportiert<br />
worden und nie zuvor fuhren so viele<br />
Verwundete in ihre Heimat zurück.<br />
Mit der Niederlage <strong>Deutschland</strong>s, dem<br />
Zusammenbruch des Kaiserreiches<br />
und der Revolution von 1918 endete<br />
auch die Zeit der eigenständigen deutschen<br />
Länderbahnen.<br />
Die demokratisch gewählte Regierung<br />
der Weimarer Republik ließ die<br />
acht verbliebenen Landeseisenbahnen<br />
1920 in der Deutschen Reichsbahn<br />
aufgehen. Die Bahn beschäft igte über<br />
eine Million Mitarbeiter, wurde zum<br />
größten Arbeitgeber <strong>Deutschland</strong>s<br />
und zum größten Unternehmen der<br />
Welt. Mit den erwirtschaft eten Gewinnen<br />
zahlte die Regierung einen großen<br />
Teil der Reparationszahlungen an die<br />
Siegermächte.<br />
Nach 1933 wurde das Vermögen der<br />
Bahn und das technische Wissen der<br />
<strong>In</strong>genieure für den Bau der Reichsautobahnen<br />
genutzt, die von der Reichsbahn<br />
gebaut wurden. Der NS-Staat<br />
griff zunehmend in die Strukturen<br />
der Bahn ein, deren Generaldirektor<br />
in Personalunion auch das Amt<br />
des Reichsverkehrsministers übernahm.<br />
Im Zweiten Weltkrieg wurde<br />
die Reichsbahn das wichtigste Transportmittel,<br />
beteiligte sich aber auch an<br />
NS-Verbrechen, ermöglichte die Deportationen<br />
von Millionen Menschen<br />
in Konzentrations- und Vernichtungslager<br />
und war am Ende des Krieges<br />
oft die letzte Transportmöglichkeit für<br />
Vertriebene und Flüchtlinge.<br />
1945 wurden die im Krieg zerstörten<br />
Bahnanlagen, Gleise und Brücken mit<br />
enormem Engagement der Eisenbahner<br />
wieder instand gesetzt, um möglichst<br />
schnell einen geordneten Fahrbetrieb<br />
zu ermöglichen. Die vier Siegermächte<br />
übernahmen die Kontrolle über die<br />
Reichsbahn, die von deutschen Eisenbahnern<br />
geleitet wurde.<br />
Mit der Gründung der Bundesrepublik<br />
entstanden 1949 zwei getrennte<br />
deutsche Bahnen. Im Westen die Bundesbahn<br />
als Behörde mit einem Vorstand<br />
und einem Verwaltungsrat, die<br />
nach kaufmännischen Grundsätzen<br />
wirtschaft ete. <strong>In</strong> der DDR behielt die<br />
Reichsbahn ihren Namen und wurde<br />
zentralistisch vom Verkehrsminister<br />
22 AußenSeiten 1 | 2010<br />
geleitet. Während in der sozialistischen<br />
Planwirtschaft die Bahn der<br />
wichtigste Verkehrsträger blieb, verlor<br />
die Bundesbahn kontinuierlich Anteile<br />
an die Straße.<br />
Durch die deutsche Wiedervereinigung<br />
wurden 1990 Bundesbahn und<br />
Reichsbahn technisch und organisatorisch<br />
zusammengeführt, 1994<br />
entstand die Deutsche Bahn AG mit<br />
352.000 aus unterschiedlichen Wirtschaft<br />
ssystemen stammenden Mitarbeitern;<br />
Konzernsitz wurde Berlin.<br />
Das „Verkehrsprojekt Deutsche<br />
Einheit“ modernisierte die Bahn in<br />
Ostdeutschland. 1996 ging durch das<br />
„Regionalisierungsgesetz“ der Schienennahverkehr<br />
vom Bund auf die<br />
Länder über, die nun eigenverantwortlich<br />
über die Finanzmittel und die<br />
Bahnanbieter entscheiden. Am 3. Juni<br />
1998 entgleiste bei Eschede ein ICE-<br />
Zug, 101 Menschen starben.<br />
Ab 2000 fährt der ICE 3 bis zu Tempo<br />
330 und mit der DB kamen 2,2 Mio.<br />
Expo-Besucher nach Hannover. Aus<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
DB und „NS Groep N.V.“ entstanden<br />
die „Railion“ und weitere Kooperationen<br />
im europäischen Güterverkehr.<br />
2002 übernahm die DB die „Stinnes<br />
AG“ sowie die Schenker-Gruppe und<br />
wurde im Gütertransport ein „Global<br />
Player“. Erstmalig stimmten alle<br />
europäischen Bahnen ihre Fahrpläne<br />
aufeinander ab. 2003 startete unter<br />
Führung der Stinnes AG der neue Unternehmensbereich<br />
„Transport und<br />
Logistik“ mit den Geschäft sfeldern<br />
„Schenker“, „Freight Logistics“, „<strong>In</strong>termodal“<br />
und „Railion“. Die BahnCard<br />
25, 50 und 100 wird eingeführt.<br />
Die Deutsche Bahn AG wurde 2004 als<br />
unternehmerisch geführter, integrierter<br />
Konzern zehn Jahre alt. 2005 kauft e die<br />
DB „BAX Global“ und verstärkt als Logistikdienstleister<br />
die Präsenz im asiatisch-pazifi<br />
schen Raum. Pünktlich zur<br />
Fußballweltmeisterschaft 2006 wurde<br />
nach acht Jahren Bauzeit der Berliner<br />
Hauptbahnhof eröff net, die Bahn<br />
transportierte 15 Mio. WM-Gäste. Europaweit<br />
wurde der Personenverkehr<br />
2007 ausgeweitet und mit der Allianz<br />
„RailTeam“ ein europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz<br />
etabliert. Die DB<br />
erwarb die dänische Busgesellschaft<br />
„Pan Bus“ und die spanische Güterbahn<br />
„Transfesa“, mit der „Laing Rail<br />
Ltd.“ stieg sie in den britischen Schienenpersonenverkehr<br />
ein.<br />
Regierung und Parlament stimmten<br />
2008 einer Teilprivatisierung des DB-<br />
Konzerns zu, der für Oktober geplante<br />
Gang der DB Mobility Logistics AG<br />
an die Börse wurde jedoch kurzfristig<br />
abgesagt. Trotz Finanzkrise und<br />
schwankender Energiepreise steigerte<br />
die DB den Umsatz auf 33,5 Mrd. Euro.<br />
Im Güterverkehr erfolgten Kooperationen<br />
und Beteiligungen in Norditalien,<br />
Dänemark, der Schweiz und Polen.<br />
Bund und DB schlossen eine langfristige<br />
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung:<br />
der Bund zahlt jährlich 2,5<br />
Mrd. Euro, die DB investiert 500 Mio.<br />
Eigenmittel für Netz, Bahnhöfe und<br />
Energieversorgung.<br />
Stadtverwaltung Stuttgart und DB setzen<br />
2010 mit dem Projekt „Stuttgart 21“<br />
den Umbau des Kopfb ahnhofs zu einem<br />
Länderschwerpunkt<br />
unterirdischen Durchgangsbahnhof<br />
(4,1 Mrd. Euro) und die Neubaustrecke<br />
Stuttgart–Ulm (2.8 Mrd. Euro) gegen<br />
die Bevölkerungsmehrheit durch. Eine<br />
bürgerliche Protestbewegung antwortet<br />
mit dem „Schwabenstreich“ und Bahnhofsbesetzungen<br />
und demonstriert gegen<br />
die Baumaßnahmen, deren Wirtschaft<br />
lichkeit sie anzweifelt.<br />
Im DB Museum Nürnberg<br />
wird gefeiert<br />
Bis zum Jahresende 2010 zeigt das DB<br />
Museum Nürnberg 175 Jahre Bahngeschichte<br />
in internationaler Perspektive,<br />
Höhepunkt ist die Jubiläumsveranstaltung<br />
am 7. Dezember. Das<br />
Museum und der „Adler“ erhalten<br />
bis 31. Oktober prominenten Besuch,<br />
so kommen aus Leipzig die „Saxonia“,<br />
aus England „Rocket“ und der „Sans<br />
Pareil“, aus Österreich der „Licaon“<br />
und aus Dänemark der „Gamle Ole“.<br />
DB und ÖBB als Partner<br />
Die enge Zusammenarbeit von DB<br />
und ÖBB zeigt sich auch im grenzüberschreitenden<br />
Reiseverkehr, denn<br />
ÖBB Vorteilscard und die DB-Bahn-<br />
Card werden gegenseitig anerkannt<br />
und ermöglichen auch auf ausländischen<br />
Strecken Ermäßigungen von<br />
25% auf den Normalpreis der 1. und<br />
2. Klasse zu den Zielorten. Der Preisnachlass<br />
wird bei grenzüberschreitenden<br />
Reisen, auch im Anschluss an<br />
Globalpreise (z.B. Th alys) gewährt;<br />
nicht aber im reinen Binnenverkehr<br />
des fremden Landes. Die beiden Ermäßigungskarten<br />
werden in <strong>Deutschland</strong><br />
und Österreich auch beim Fahrkartenkauf<br />
am Bahnhof akzeptiert.<br />
uu Mit der eigenen Homepage www.<br />
bahn.com/at informiert die DB über<br />
den Markt in Österreich und ermöglicht<br />
das Buchen von Online-Tickets.<br />
Weitere Auskünfte erteilen in Österreich<br />
vier Partner-Agenturen und die<br />
Premium-Agentur in Wien:<br />
Verkehrsbüro-Ruefa Reisen GmbH<br />
Bahn&Fähren Reise Center<br />
1010 Wien, Kärntner Ring 10<br />
Tel. 01-50300 20-10<br />
Fax: 01-50300 20-99<br />
E-Mail: bahn@ruefa.at<br />
23
Länderschwerpunkt<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Wussten Sie, dass ...<br />
… am 3. Oktober 1990, dem ersten<br />
„Tag der Deutschen Einheit“ das<br />
Wiener Rathaus aus Solidarität mit<br />
dem wiedervereinigten <strong>Deutschland</strong><br />
schwarz-rot-gold gefl aggt hatte?<br />
… beim jährlichen Hamburger Hafengeburtstag<br />
auf der Elbe die<br />
schweren Hafenschlepper Wiener<br />
Walzer tanzen?<br />
… 1871 im neuen Deutschen Kaiserreich<br />
Mark und Pfennig eingeführt<br />
wurden, um die unterschiedlichen<br />
Wechselkurse im innerdeutschen<br />
Handel und die Taler, Gulden oder<br />
Groschen zu ersetzen? Die Mark<br />
als Münze hatte es vorher nur in<br />
Hamburg und Lübeck gegeben.<br />
Wie der spätere Euro war die Mark<br />
ein Kunstprodukt und zeigte auf<br />
der Rückseite das Bild des jeweiligen<br />
Landesherrn. 1990 stimmte<br />
Frankreich der deutschen Wiedervereinigung<br />
nur zu, weil Helmut<br />
Kohl die Beteilung <strong>Deutschland</strong>s<br />
an einer europäischen Währung<br />
und die Aufgabe der „Deutschen<br />
Mark“ zusagte.<br />
… der österreichische Bundeskanzler<br />
Leopold Figl im Februar 1947 die<br />
englische Besatzungsmacht auffordern<br />
wollte, <strong>Deutschland</strong> den<br />
Gebrauch der Haydn-Melodie als<br />
Nationalhymne zu verbieten, weil<br />
es sich hierbei um „ein altes österreichisches<br />
Kulturgut“ handeln<br />
würde?<br />
… die preiswerte Pauschalreise vom<br />
Berliner Reisebürochef Dr. Carl<br />
Degener 1932 erfunden wurde, der<br />
wöchentlich einen Sonderzug mit<br />
Urlaubern ins salzburgische Golling<br />
brachte? Der Pauschalurlaub<br />
umfasste zu niedrigen Festpreisen<br />
Übernachtung, Verpfl egung, einen<br />
alpenländischen Begrüßungsabend,<br />
Volksmusik, Trachtengruppen und<br />
einen Salzburg-Ausfl ug. Degener<br />
baute später die „Touropa“ auf, aus<br />
der sich der weltweit größte Tourismuskonzern<br />
„TUI“ entwickelte.<br />
… in Brandenburg und Berlin am 9.<br />
September 2010 der 195ste Geburtstag<br />
des preußischen Musikdirektors<br />
Johann Gottfried Piefk e gefeiert<br />
wird, dessen Popularität von<br />
katholisch-konservativen Kreisen<br />
in Wien genutzt wurde, um die<br />
nach 1866 gegen Preußen gerichtete<br />
Spott- und Hassfi gur des „Piefke“<br />
zu verbreiteten und „echt“ erscheinen<br />
zu lassen?<br />
… Joseph Roth sein Buch „Radetzkymarsch“,<br />
das den Zerfall der österreichisch-ungarischen<br />
Monarchie<br />
so ergreifend beschreibt, in den<br />
„Mampestuben“ am Berliner Kurfürstendamm<br />
schrieb?<br />
… die Farben schwarz-rot-gold von<br />
den Lützower Jägern stammen? Sie<br />
trugen schwarze Uniformen, rote<br />
Aufschläge, goldene Knöpfe und<br />
gehörten den Freiwilligenverbänden<br />
an, die gegen Napoleon in die<br />
Befreiungskriege zogen. <strong>In</strong> ihren<br />
Reihen kämpft en Handwerker, Studenten,<br />
Arbeiter und Professoren<br />
für ein freiheitliches <strong>Deutschland</strong>.<br />
… die Mikroben der städtischen<br />
Kläranlage im brandenburgischen<br />
Treuenbrietzen wesentlich schneller<br />
das Abwasser reinigen, seitdem<br />
sie über Lautsprecher ganztägig<br />
Musikstücke von Mozart hören?<br />
… vom statistischen Bundesamt für<br />
das Frühjahr 2010 das stärkste<br />
Wirtschaft swachstum seit der<br />
Wiedervereinigung gemeldet wurde?<br />
Weil hochwertige <strong>In</strong>vestitionsgüter<br />
in Asien verlangt würden,<br />
könne die deutsche <strong>In</strong>dustrie die<br />
US-amerikanische Konjunkturschwäche<br />
ausgleichen.<br />
uu Versöhnliches<br />
Noch am Abend der Schlacht von Königgrätz<br />
(1866) erklärte Bismarck: „Die<br />
Streitfrage ist entschieden; jetzt gilt es,<br />
die alte Freundschaft mit Österreich wiederzugewinnen.“<br />
Doch der sonst so moderate<br />
König Wilhelm I. wollte in Wien<br />
einmarschieren und Gebietsforderungen<br />
stellen. „Der Hauptschuldige darf nicht<br />
ungestraft ausgehen.“ Bei den Vorverhandlungen<br />
zum Friedensvertrag im<br />
mährischen Nikolsburg widersprach Bismarck<br />
dem König und wollte Österreich<br />
nicht demütigen. „Majestät, wir haben<br />
nicht eines Richteramtes zu walten,<br />
sondern deutsche Politik zu treiben.“<br />
Nach heftigem Streit ging er in sein<br />
Zimmer, brach in Tränen aus und schrieb<br />
später: „Ich war in der Stimmung, dass<br />
mir der Gedanke nahe trat, ob es nicht<br />
besser sei, aus dem offen stehenden vier<br />
Stock hohen Fenster zu fallen.“ Als der<br />
Kronprinz eintrat: „Ich fühlte seine Hand<br />
auf meiner Schulter, während er sagte:<br />
,Sie wissen, dass ich gegen diesen Krieg<br />
gewesen bin. Sie haben ihn für nötig<br />
gehalten und tragen die Verantwortung<br />
dafür. Wenn Sie jetzt überzeugt sind,<br />
dass der Zweck erreicht ist und der Friede<br />
geschlossen werden muss, so bin ich<br />
bereit, Ihnen beizustehen und Ihre Meinung<br />
bei meinem Vater zu vertreten.‘“<br />
Wilhelm antwortete schriftlich: „Nachdem<br />
mein Ministerpräsident mich vor<br />
dem Feinde im Stich lässt und ich hier<br />
außerstande bin, ihn zu ersetzen, habe<br />
ich die Frage mit meinem Sohn erörtert,<br />
und da sich derselbe der Auffassung<br />
des Ministerpräsidenten angeschlossen<br />
hat, sehe ich mich zu meinem Schmerz<br />
gezwungen, nach so glänzenden Siegen<br />
meiner Armee, in den sauren Apfel zu<br />
beißen und einen so schmachvollen<br />
Frieden anzunehmen.“<br />
24 AußenSeiten 1 | 2010<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
auf einen Blick<br />
Staatsform:<br />
Parlamentarische Bundesrepublik<br />
Fläche: 357.111,91 qkm. Das Staatsgebiet<br />
grenzt im Norden an Dänemark,<br />
im Westen an die Niederlande,<br />
Belgien, Luxemburg, Frankreich, im<br />
Süden an die Schweiz und Österreich,<br />
im Osten an die Tschechei und Polen.<br />
Einwohnerzahl: 81,7576 Mio. /<br />
229 Einwohner pro qkm<br />
Hauptstadt:<br />
Berlin mit 3.442.675 Einwohnern<br />
Deutsche Bundesländer:<br />
Baden-Württemberg (Stuttgart)<br />
10.750 Mio. Einwohner<br />
Bayern (München)<br />
12.520 Mio. Einwohner<br />
Berlin (Berlin)<br />
3.443 Mio. Einwohner<br />
Brandenburg (Potsdam)<br />
2.536 Mio. Einwohner<br />
Bremen (Bremen)<br />
0.663 Mio. Einwohner<br />
Hamburg (Hamburg)<br />
1.771 Mio. Einwohner<br />
Hessen (Wiesbaden)<br />
6.073 Mio. Einwohner<br />
Mecklenburg Vorpommern (Schwerin)<br />
1.680 Mio. Einwohner<br />
Niedersachsen ( Hannover)<br />
7.972 Mio. Einwohner<br />
Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf)<br />
17.997 Mio. Einwohner<br />
Rheinland-Pfalz (Mainz)<br />
4.046 Mio. Einwohner<br />
Saarland (Saarbrücken)<br />
1.037 Mio. Einwohner<br />
Sachsen (Dresden)<br />
4.220 Mio. Einwohner<br />
Sachsen-Anhalt (Magdeburg)<br />
2.412 Mio. Einwohner<br />
Schleswig- Holstein (Kiel)<br />
2.837 Mio. Einwohner<br />
Th üringen (Erfurt)<br />
2.289 Mio. Einwohner<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
Sprache: Deutsch, im nördlichen<br />
Schleswig-Holstein Dänisch und in<br />
der Lausitz Sorbisch. Deutsch ist eine<br />
indogermanische Sprache mit vielen<br />
Mundarten. Die älteste eigenständige<br />
Sprache ist Friesisch.<br />
Religion:<br />
Römisch-Katholische Kirche 30,50 %<br />
Evangelische Landeskirchen 29,90 %<br />
Muslime 4,26 % und Andere<br />
Währung: Euro ( 1 Euro = 100ct)<br />
Feiertage:<br />
1. Januar - Neujahr<br />
6. Januar - Hl. Drei Könige<br />
(bei kath. Bev.)<br />
Ostern 1.Mai – Tag der Arbeit<br />
Christi Himmelfahrt<br />
Pfi ngsten<br />
Fronleichnam (bei kath. Bev.)<br />
Mariä Himmelfahrt (bei kath. Bev.)<br />
3. Oktober – Tag der deutschen Einheit<br />
1. November – Allerheiligen<br />
(bei kath. Bev.)<br />
25. und 26. Dezember – Weihnachten<br />
<strong>In</strong>ternationale Telefonvorwahl: + 49<br />
<strong>In</strong>ternationaler Notruf: 112<br />
Weitere <strong>In</strong>formationen:<br />
http://www.deutschland.de<br />
http://www.deutschlandinfo.de<br />
http://www.deutschland-motive.de<br />
http://www.deutschland-tourismus.de<br />
Kontakte in <strong>Deutschland</strong>:<br />
Österreichische Botschaft Berlin<br />
10785 Berlin, Stauff enbergstraße 1<br />
Tel. +49 (0)30-202 87-0<br />
Fax: +49 (0)30-229 05 69<br />
E-Mail: berlin-ob@bmeia.gv.at<br />
Handelsabteilung<br />
der österreichischen Botschaft<br />
Tel: +49 (0)30-25 75 75-0<br />
Fax: +49 (0)30-25 75 75-75<br />
E-Mail: berlin@advantageaustria.org<br />
Länderschwerpunkt<br />
Österreichische Handelsdelegation<br />
60323 Frankfurt am Main,<br />
Unterlindau 21-29<br />
Tel: + 49 (0)69-97 10 12-0<br />
Fax: + 49 (0)69-97 10 12-29<br />
E-Mail: frankfurt@advantageaustria.org<br />
Österreichisches Generalkonsulat<br />
80333 München,<br />
Promenadeplatz 12/5<br />
Tel: +49 (0)89-24 29 14-<br />
Fax: +49 (0)89-24 29 14-26<br />
E: muenchen@advantage austria.org<br />
Kontakte in Wien:<br />
Botschaft der Bundesrepublik<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
1030 Wien, Metternichgasse 3<br />
Tel.: + 43-1-711 54 -0<br />
Fax: + 43-1-713 83 66<br />
Email: info@wien.diplo.de<br />
Deutsche Handelskammer<br />
in Österreich<br />
1030 Wien,<br />
Schwarzenbergplatz 5 Top 3/1<br />
Telefon: +43-1-545 14 17-0<br />
Fax: +43-1-545 22 59<br />
E-Mail: offi ce@dhk.at<br />
Wirtschaft skammer Österreich<br />
1045 Wien, Wiedner Hauptstraße 63<br />
Tel: +43-5-90900-<br />
Fax: + 43-5-90900-<br />
E-Mail:<br />
http://www.wko.at/awo<br />
Deutsche Zentrale für Tourismus<br />
1070 Wien, Mariahilfer Straße 54<br />
Tel: + 43-1-5132792-0<br />
Fax: + 43-1-5132792-50<br />
E-Mail: offi ce@d-z-t.com<br />
Piefk e Connection Austria<br />
Jockel Weichert<br />
Tel: + 43-664-5020237<br />
E-Mail: offi ce@buzzdriver.netz<br />
25
Wirtschaft<br />
Bremen und Bremerhaven:<br />
Österreichs zuverlässige<br />
Hafenpartner<br />
Von Rüdiger Staats<br />
2009 war ein Krisenjahr für zahllose<br />
Häfen in aller Welt – auch<br />
für Bremen und Bremerhaven,<br />
die zu den wichtigsten Partnern der<br />
österreichischen Wirtschaft gehören.<br />
Ein Jahr später stehen die Zeichen<br />
wieder auf Wachstum: Die norddeutsche<br />
Hafengruppe, die in den vergangenen<br />
Jahren erheblich in ihre <strong>In</strong>frastruktur<br />
investiert hatte, profi tiert<br />
stark von der Belebung der internationalen<br />
Konjunktur. Im ersten Halbjahr<br />
2010 erhöhten die bremischen<br />
Häfen den Gesamtumschlag von<br />
Seegütern gegenüber dem gleichen<br />
Zeitraum des Vorjahres um beachtliche<br />
18 Prozent. Beim Umschlag von<br />
Containern lag das Plus bei 11,4 Prozent<br />
– ein weiterer Beleg dafür, dass<br />
die maritimen Logistikstandorte Bremen<br />
und Bremerhaven zu alter Stärke<br />
zurückfi nden.<br />
Die enge Verbindung zwischen den<br />
Zwillingshäfen an der Weser und<br />
der Wirtschaft in der Alpenrepublik<br />
hat Tradition. <strong>In</strong>dustrie und Außenhandel<br />
bauen auf die Erfahrung und<br />
Verlässlichkeit der norddeutschen<br />
Transport- und Logistikexperten und<br />
nutzen die vielfältigen Dienstleistungen<br />
des Welthafens intensiv. Im Jahre<br />
2009 erreichten die österreichischen<br />
Ein- und Ausfuhren via Bremen/Bremerhaven<br />
eine Größenordnung von<br />
etwa einer Million Tonnen. Für 2010<br />
wird mit einem deutlichen Anstieg<br />
gerechnet.<br />
Österreichs Wirtschaft nutzt die bremischen<br />
Häfen vor allem für den<br />
Export von Fahrzeugen, Kränen, Maschinen<br />
und Maschinenteilen sowie<br />
von Getränken und Holz. Bei den<br />
Importen dominieren Autoteile, Tex-<br />
tilien, Non-Food-Waren und High-<br />
Tech-Produkte aller Art.<br />
Bremen und Bremerhaven sind über<br />
ein engmaschiges Netz aus Schiff -<br />
fahrtslinien mit Hunderten von Häfen<br />
in aller Welt verbunden. Zahlreiche<br />
Dienstleister rund um Laden,<br />
Löschen, Warenveredelung und Distribution<br />
bilden an der Weser ein<br />
breitgefächertes Hafen- und Logistiknetzwerk.<br />
Diverse Container-Ganzzugverbindungen<br />
und leistungsfähige<br />
Bahnangebote für konventionelles<br />
Stückgut schaff en die Ladung schnell<br />
und sicher zum Seehafen oder nach<br />
Österreich. Gleichzeitig bietet auch<br />
das deutsche Autobahnnetz zuverlässige<br />
Transportwege.<br />
Mit dem Bau des Container-Terminals<br />
4 in Bremerhaven hat die<br />
Hafengesellschaft bremenports die<br />
2 AußenSeiten 1 | 2010<br />
Marktchancen des viertgrößten europäischen<br />
Containerhafens weiter<br />
verbessert. 2009 wurden an der Wesermündung<br />
4,6 Millionen Transportbehälter<br />
(TEU) umgeschlagen.<br />
Die mögliche Kapazität liegt bei mindestens<br />
8 Millionen TEU jährlich.<br />
Für Aufmerksamkeit in der Fachwelt<br />
sorgt derzeit der Bau einer<br />
neuen Seeschleuse in Bremerhaven<br />
– eines der größten Hafenbauwerke<br />
dieser Art, die in Europa derzeit<br />
verwirklicht werden. Die neue Kaiserschleuse<br />
schafft Ersatz für ihre<br />
viel zu kleine Vorgängerin und soll<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
im Frühjahr 2011 in Betrieb genommen<br />
werden. Mit einer 305 Meter<br />
langen Schleusenkammer und einer<br />
auf 55 Meter verdoppelten Durchfahrtsbreite<br />
garantiert der 230-Millionen-Euro-Neubau<br />
den Reedern<br />
jahrzehntelange Planungssicherheit<br />
– eine <strong>In</strong>vestition, mit der die Zukunft<br />
Bremerhavens als führende<br />
Drehscheibe der internationalen Automobillogistik<br />
gesichert wird. 2009<br />
wurden an der Wesermündung 1,2<br />
Millionen Neufahrzeuge umgeschlagen.<br />
Im ersten Halbjahr 2010 legte<br />
der Autoumschlag in Bremerhaven<br />
gegenüber Januar bis Juni 2009 um<br />
uu Standortmarketing der bremischen Häfen<br />
Unter dem Signet „bremenports Bremen/Bremerhaven“ organisiert die Hafen-Managementgesellschaft<br />
bremenports GmbH & Co. KG das Standortmarketing der bremischen Häfen.<br />
Verantwortlich ist der bremenports-Bereich Marketing:<br />
bremenports GmbH & Co. KG<br />
- Marketing -<br />
Hafenstrasse 49, D - 28217 Bremen<br />
E-mail: marketing@bremenports.de<br />
Büro Österreich:<br />
Erwin Mittermaier<br />
Handelskai 265, A-1020 Wien<br />
Tel.: +43 (01) 512 43 60<br />
E-mail: erwin.mittermaier@bremenports.de<br />
Wirtschaft<br />
37,3 Prozent auf 716.000 Einheiten<br />
zu. Von wachsender Bedeutung für<br />
die norddeutsche Wirtschaft ist inzwischen<br />
die Offshore-Windenergie<br />
– eine Zukunftsbranche, in der am<br />
Standort Bremerhaven in den vergangenen<br />
Jahren 1300 Arbeitsplätze<br />
entstanden sind. Mittelfristig sollen<br />
in Nord- und Ostsee etwa 5000<br />
Windräder installiert werden. Bremerhaven<br />
positioniert sich als nationales<br />
Zentrum der neuen <strong>In</strong>dustrie.<br />
Bis 2014 soll an der Weser für etwa<br />
200 Millionen Euro ein Spezialhafen<br />
zur Verladung der schweren Offshore-Anlagen<br />
gebaut werden.<br />
2
Wirtschaft<br />
Mut zur Wahrheit: Österreichs<br />
Tunnelwahn ist gescheitert<br />
Von Hubertus Godeysen<br />
Im Jänner 2007 übernahm Werner<br />
Faymann ein schweres Erbe, als<br />
er das FPÖ/BZÖ <strong>In</strong>terregnum im<br />
Verkehrsministerium beendete. Von<br />
2000 bis 2007 hatten sich eine Ministerin<br />
und drei Minister in diesem Amt<br />
versucht, deren fachliche Kompetenz<br />
dürft ig und deren „world … to small“<br />
war. Doch auch Faymann blieb nicht<br />
lange, im Dezember 2008 wurde er<br />
Kanzler und Doris Bures Bundesministerin<br />
für Verkehr, <strong>In</strong>novation und<br />
Technologie.<br />
Da vom Ministerium politische Vorgaben<br />
gefehlt hatten und eine breite<br />
öff entliche Diskussion unerwünscht<br />
war, konnte Österreichs Bauindustrie<br />
das Versagen im Verkehrsministerium<br />
nutzen und eigene Prioritäten setzen.<br />
Mit geschickter Lobbyarbeit forderte<br />
sie gigantische Eisenbahntunnel, die<br />
den Baukonzernen Milliardengewinne<br />
und den Landespolitkern Stimmengewinne<br />
versprachen. <strong>In</strong>teressengelenkte<br />
Gutachter und Wissenschaft ler<br />
lieferten eifrig die gewünschten Daten<br />
und verhießen eine zukunft sweisende<br />
österreichische Schieneninfrastruktur,<br />
die angeblich Wirtschaft lichkeit mit<br />
Zeitersparnis, Ökologie und Klimaschutz<br />
verband.<br />
So entstanden drei Mega-Bauprojekte:<br />
Der Brennerbasistunnel mit einer Länge<br />
von 64 km und Baukosten von 9,6<br />
Mrd. Euro, die neue Semmeringbahn<br />
mit einem 28 km langen Tunnel und<br />
2,8 Mrd. Euro Kosten, sowie die Koralmbahn<br />
mit 100 km Neubaustrecke,<br />
weiteren 33 Tunnelkilometern und<br />
Kosten von 5,2 Mrd. Euro. Zusammen<br />
sind dies 125 Tunnelkilometer, weit<br />
mehr als das doppelte (!) des Eurotunnels,<br />
der England mit Frankreich<br />
verbindet. Dabei wurden die veranschlagten<br />
18 Mrd. Euro bewusst zu<br />
niedrig angesetzt, um eine politische<br />
Zustimmung nicht zu gefährden.<br />
Sollte es tatsächlich zum Bau dieser<br />
Tunnel kommen, werden „unvorhergesehene“<br />
technische Probleme die<br />
Kosten mindestens verdoppeln und<br />
durch die Fremdfi nanzierung dürft en<br />
die Gesamtkosten schnell die 50 Mrd.<br />
Euro-Marke erreichen. Dabei ist noch<br />
nicht berücksichtigt, wie die internationalen<br />
Finanzmärkte auf diese hohen<br />
Staatsschulden reagieren und wie sie<br />
Österreichs Kreditwürdigkeit bewerten.<br />
Warum Rechnungshof und Staatsschuldenausschuss<br />
gegen diese geplante<br />
Steuerverschwendung kein Veto eingelegt<br />
haben, bleibt ein Rätsel.<br />
Der Brennerbasistunnel<br />
ist überholt<br />
Von den drei Tunnelprojekten stützt<br />
sich der Brennerbasistunnel auf halbwegs<br />
realistische Daten europäischer<br />
Verkehrsströme. Für die Planung der<br />
Brenner-Durchquerung wurden bereits<br />
300 Mio. Euro ausgegeben, dennoch<br />
kommt diese Bahnlinie zu spät.<br />
Sie ist sinnlos geworden, überholt und<br />
für Österreich unbezahlbar, weil Italien<br />
seine Finanzzusagen nie einlösen wird.<br />
Im Abkommen von Lugano und durch<br />
die beiden Schweizer Volksabstimmungen<br />
von 1992 und 1994 verpfl ichteten<br />
sich die Schweiz, Italien, <strong>Deutschland</strong><br />
und die Niederlande zur Nutzung der<br />
zwei Alpentransversalen Lötschberg,<br />
seit 2007 in Betrieb und St. Gotthard,<br />
voraussichtlich ab 2017 nutzbar. Damit<br />
bestehen die beiden deutsch-italienischen<br />
Bahnverbindungen Freiburg<br />
im Breisgau bis Novara bei Mailand,<br />
sowie Lentate sul Seveso bis Singen,<br />
durch die eine deutliche <strong>Verlag</strong>erung<br />
des LKW-Verkehrs von der Straße auf<br />
die Schiene erfolgen soll. Diese beiden<br />
modernen Bahntunnel sind realistisch<br />
kalkuliert, vollständig fi nanziert und<br />
werden den Straßenverkehr über die<br />
Alpen entlasten.<br />
Der 200 km weiter östlich geplante<br />
österreichisch-italienische Brennerbasistunnel<br />
kommt nicht nur zu spät,<br />
2 AußenSeiten 1 | 2010<br />
Foto: © ÖBB<br />
N o r t h<br />
A t l a n t i c<br />
O c e a n<br />
er ist überfl üssig geworden. Auch<br />
<strong>Deutschland</strong> sieht hier keine Zukunft<br />
und zieht sich aus dem Neubau der<br />
Irish<br />
Zulaufstrecke <strong>In</strong>ntalbahn zurück. Die Sea<br />
auf Druck Tirols und der Bauindustrie<br />
bereits vorschnell in die großteils<br />
untertunnelte „Hochleistungsstrecke“<br />
Kundl (bei Wörgl) bis Baumkirchen<br />
(vor <strong>In</strong>nsbruck) versenkten Celtic 2.358 Mrd.<br />
Euro dürft en vergeudet Sea sein. Warum<br />
stattdessen die gut ausgebaute, aber<br />
nur wenig ausgelastete Tauernbahn<br />
nicht gefördert wird, macht deutlich,<br />
dass es vorrangig um Bauauft räge und<br />
nicht um eine bessere Schieneninfrastruktur<br />
geht.<br />
Das Phantom der<br />
Bay of<br />
„Baltisch-Adriatischen-Achse“ Biscay<br />
Die beiden Tunnelprojekte Semmering<br />
und Koralm lassen sich seriös<br />
nicht begründen. Der damalige Landeshauptmann<br />
Jörg Haider hatte von<br />
den ihm hörigen FPÖ-Ministern und<br />
der schwarz-blauen Bundesregierung<br />
40 die 134 km lange Neubaustrecke der<br />
Koralmbahn mit mehreren Tunneln<br />
populistisch erzwungen, weil der Süden<br />
der Republik „vernachlässigt“ und<br />
viel Geld vorrangig in die Westbahn<br />
gefl ossen sei. Um den Steuerzahlern<br />
die parteipolitisch motivierten Milliardensummen<br />
für Haiders Koralmbahn<br />
und den neuen Semmering-<br />
Strait of Gibraltar<br />
tunnel zu erklären, wurde Alboránsogar<br />
ein<br />
Sea<br />
Verkehrskorridor erfunden, der sich<br />
als Phantom erweist: die „Baltisch-<br />
Adriatische-Achse“! Diese Strecke soll<br />
von Danzig über Warschau, Wien,<br />
Semmering und Koralm bis Venedig<br />
und Bologna führen, während der<br />
Kärntner Landeshauptmann Gerhard<br />
Dörfl er diese „Achse“ sogleich noch<br />
bis zum Suezkanal verlängerte.<br />
Tagus<br />
Doch die Sprecher der deutsch-polnischen<br />
Handelskammer in Warschau<br />
und der deutsch-baltischen Handelskammer<br />
in Tallin haben noch nie etwas<br />
von einer „Baltisch-Adriatischen<br />
Achse“ gehört. Hauptverkehrsträger<br />
des Handels im Ostseeraum seien<br />
LKW und Schiff , erklären sie, denn das<br />
Schienennetz der baltischen Staaten<br />
bestehe noch aus der russischen Breitspur<br />
und erst die von der EU geförderte<br />
„Rail-Baltica“ wird das Baltikum an<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
0<br />
Eine schweigende Ministerin<br />
Als Werner Faymann im Verkehrsministerium<br />
seine blau/orangen<br />
Vorgänger ablöste, zweifelte auch<br />
er an der Koralmbahn, doch Kanzler<br />
Gusenbauer gab der Planung des<br />
Semmering und dem Bau des Koralmtunnels<br />
„Prioritätsstufe Nr. 1“<br />
und erhofft e sich so Stimmen aus der<br />
Steiermark und Kärnten. Folglich<br />
gab Faymann das Problem unerledigt<br />
an Doris Bures weiter, die keine<br />
Entscheidungen trifft , solange in<br />
der Steiermark der Wahlkampf läuft<br />
und die Wiener SPÖ die Stimmen<br />
der ÖBBler braucht. Ausschließlich<br />
zu Wahlkampfzwecken wurde das<br />
erste Baulos mit 2,3 km des 32,9 km<br />
langen Koralmtunnels medienwirk-<br />
Wirtschaft<br />
North<br />
Polen und damit an das westeuropä-<br />
Sea<br />
ische Schienennetz anschließen. Die<br />
wichtigsten polnischen und baltischen<br />
Baltic Sea<br />
Handelspartner seien <strong>Deutschland</strong>,<br />
Skandinavien, Russland und Westeu-<br />
Gdańsk<br />
ropa, der Handel mit Österreich und<br />
dem adriatischen Raum sei eher von<br />
untergeordneter Bedeutung.<br />
Berlin<br />
Warsaw<br />
Poznań<br />
Oder POLAND<br />
Lódz´<br />
Der „Baltisch-Adriatische-Korridor“<br />
Leipzig<br />
Wroclaw<br />
entpuppt sich als Luft nummer und<br />
Prague<br />
Kraków<br />
PR-Bluff , denn diese „Achse“ wird<br />
weder zum Kernnetz transeuropä-<br />
CZECH REPUBLIC<br />
Brno SLOVAKIA<br />
ischer Verkehrsverbindungen zählen,<br />
noch jemals Geld aus Brüssel erhalten. Munich<br />
Vienna<br />
Bratislava<br />
Budapest<br />
Dörfl ers Direktverbindung zum Suezkanal<br />
besteht aus 100 km neuer Stre-<br />
AUSTRIA<br />
cke (Koralmbahn) und 61 Tunnelkilometern,<br />
die Semmering und Koralm<br />
durchlöchern sollen. An Planungskosten<br />
hat der gescheiterte erste Semmeringtunnel<br />
120 Mio. Euro gekostet, die<br />
Vorkosten des neuen Tunnels betra-<br />
Ligurian<br />
gen mittlerweile bereits 40 bis 50 Mio. Sea<br />
Euro und für die Koralmtunnel haben<br />
Ljubljana<br />
SLOVENIA<br />
Zagreb<br />
Venice<br />
Po<br />
Belgrade<br />
CROATIA<br />
Bologna<br />
Sarajevo<br />
Quelle: bmvit<br />
Adriatic<br />
sam freigegeben, während Sea Baulobby<br />
die österreichischen Steuerzahler bis und Landespolitik noch schnell den<br />
heute 1,3 Mrd. Euro gezahlt. Dabei nächsten Tunnel mit 20 km Länge<br />
ist der Semmering Balearic nie eine internationale<br />
Transitalpenquerung Sea<br />
gewesen,<br />
durchdrücken wollen. 2010 dürft en<br />
die steirischen TyrrhenianWahlversprechen<br />
be-<br />
sondern vorrangig eine Regionalversonders Sea teuer werden!<br />
bindung, deren Bedeutung abnimmt.<br />
2008, also vor der Wirtschaft skrise,<br />
wurden über Mediterranean den Semmering regional Sea<br />
Dabei weiß Doris Bures spätestens seit Ionian<br />
Sea<br />
der EU-Konferenz der Trans-Europä-<br />
5,3 Mio. To. auf der Straße und 11,5 ischen Verkehrs-Netze (TEN-T) vom<br />
Mio. To. auf der Schiene transportiert, 8. Juni 2010 in Saragossa, dass Öster-<br />
als Transit lediglich 0,7 Mio. To. per reichs Bahnpolitik gescheitert ist. Ihre<br />
LKW und 2,3 Mio. To. per Bahn. europäischen Kollegen setzten nicht<br />
nur den freien Warenverkehr durch,<br />
sie lehnten auch ihre Forderung nach<br />
einem Vorrang der Schiene im Güterverkehr<br />
ab und waren nicht bereit,<br />
Österreichs Milliardengräber mit EU-<br />
Geld zu füllen.<br />
English Channel<br />
Loire<br />
Seine<br />
A<br />
Rhine<br />
L<br />
Skagerrak<br />
A<br />
P<br />
E<br />
Elbe<br />
N I<br />
N<br />
Danube<br />
N<br />
N<br />
Noch verschweigt die Verkehrsministerin,<br />
dass es unverantwortlich wäre,<br />
die drei Megatunnel zu bauen und<br />
mit weiteren Schulden zu fi nanzieren.<br />
Noch wagt sie nicht das Scheitern<br />
der Bahnpolitik mit sinnlosen<br />
Tunnelprojekten einzugestehen, deren<br />
wirtschaftliche Begründungen<br />
auf falschen Daten, Fehlprognosen<br />
oder Phantom-Verkehrsachsen beruhen.<br />
Noch gibt sie nicht bekannt, dass<br />
die EU nur 60 km neben den östlichen<br />
Ausläufern der Alpen und parallel zu<br />
E<br />
C<br />
29<br />
Vistula
Wirtschaft<br />
Österreich mit dem Korridor 6 eine<br />
wichtige Nord-Süd Bahnverbindung<br />
baut, die kostengünstig ohne Tunnel<br />
über das fl ache Ungarn und Slowenien<br />
zum Hafen Koper führt. Noch hat sie<br />
nicht glaubwürdig erklärt, dass die Österreichischen<br />
Bundesbahnen (ÖBB)<br />
kein Selbstbedienungsladen für eine eigennützige<br />
Bauindustrie, profi lierungssüchtige<br />
Landespolitiker und Berater<br />
mit Millionengagen ist. Und noch hat<br />
sie die Weichen nicht so gestellt, dass<br />
die ÖBB endlich anfangen können, ein<br />
Wirtschaft sunternehmen zu werden.<br />
Mut zur Wahrheit statt Zahlentricks<br />
Die geplanten Megatunnel mit ihren<br />
Milliardenkosten gefährden jedoch<br />
nicht nur den Bundeshaushalt, sie<br />
würden die Talfahrt der ÖBB rasant<br />
beschleunigen. Mit Mut zur Wahrheit<br />
sollte die Republik der Bahn endlich<br />
eine Zukunft als Wirtschaft sunternehmen<br />
geben. Noch zählen die ÖBB zu<br />
den größten Vernichtern öff entlichen<br />
Geldes in Europa und wurden 2009<br />
mit 6,9 Mrd. Euro gestützt, während<br />
im zehnmal so großen <strong>Deutschland</strong> die<br />
Deutsche Bahn AG mit 18 Mrd. Euro,<br />
trotz riesiger Altlasten der DDR-Reichsbahn,<br />
auskam. Am Markt erwirtschafteten<br />
die ÖBB auf der Schiene nur 1,4<br />
Mrd. Euro und die Steuerzahler berappen<br />
für die Subventionen der Bahn bereits<br />
jetzt schon doppelt so viel, wie für<br />
die Universitäten und damit die akademische<br />
Zukunft der Alpenrepublik.<br />
30 AußenSeiten 1 | 2010<br />
© bmvit<br />
Doch die ÖBB sind immer noch ein<br />
Spielball der Klientelpolitik und alle<br />
Reformversuche scheiterten bisher<br />
an inneren Widerständen. Wenn die<br />
Bahn in Österreich eine Zukunft haben<br />
soll, dann darf sich das hoch bezahlte<br />
Management nicht mehr zum<br />
Erfüllungsgehilfen einer verfehlten<br />
Bahnpolitik machen lassen, sondern<br />
muss endlich eigenverantwortlich<br />
handeln. Dazu zählt auch ein ehrlicher<br />
Umgang mit den eigenen Zahlen<br />
und kein Verschleiern von<br />
Marktverlusten, wie dies im Gütertransport<br />
durch die Angabe von<br />
„Bruttotonnenkilometern“ geschieht,<br />
die nicht nur das Frachtgewicht,<br />
sondern das oft noch höhere Eigengewicht<br />
des Zuges enthalten. Auch<br />
fließen Leerfahrten und ÖBB-Eigentransporte<br />
in die Leistungsbilanz<br />
ein, obwohl diese Ergebnisse nicht<br />
am Markt erwirtschaftet wurden.<br />
Alleine an Aushub aus eigenen Baustellen<br />
transportieren die ÖBB jährlich<br />
640.000 Tonnen, hinzukommen<br />
Materialtransporte für Großbauten,<br />
wie beim Bau des Hauptbahnhofs in<br />
Wien mit 3,2 Mio. Tonnen.<br />
Noch fragwürdiger wird der Transportnachweis,<br />
wenn Erdaushub und<br />
Tunnelausbruch der umstrittenen<br />
Bahntunnel herangezogen werden,<br />
um mit diesen Tonnagezahlen die<br />
Tunnelprojekte zu rechtfertigen. So<br />
weist der Umweltbericht 2008 der<br />
ÖBB nur für den Lainzer Tunnel<br />
11.450 Güterwagen mit 687.000 Tonnen<br />
auf, der Geschäft sbericht 2009<br />
der ÖBB-Tochter Rail Cargo für den<br />
Lainzer Tunnel 3.500 Güterwagen,<br />
was einem Transport von 210.000<br />
Tonnen entsprechen dürft e. Beim<br />
Semmering Basistunnel (neu) fallen<br />
sicherlich 15 Mio. Tonnen Tunnelaushub<br />
an und bei allen drei Tunnelbauten<br />
würden gewaltige Eigentransporte<br />
entstehen.<br />
Um im Personenverkehr die überhöhten<br />
Subventionen zu rechtfertigen, werden<br />
auch hier die Zahlen kräft ig geschönt.<br />
Die von den ÖBB angeblich transportierten<br />
400 Mio. Fahrgäste (2009: 453<br />
Mio.) enthalten nicht nur Mehrfachzählungen<br />
beim Umsteigen, sondern sie<br />
bestehen auch zu 50% aus Busreisenden.<br />
Vergleicht man die Fahrgastkilometer<br />
mit den Einnahmen aus den verkauften<br />
Fahrscheinen, so transportieren die<br />
ÖBB mindestens 33 Mio. „Phantomreisende“,<br />
mehr als das Vierfache der österreichischen<br />
Bevölkerung.<br />
Griechische Verhältnisse<br />
„Wir sind nicht Griechenland!“ hatte<br />
Kanzler Faymann verkündet. – Wir<br />
sind es doch, wenn man die griechische<br />
Staatsbahn (OSE) mit den<br />
ÖBB vergleicht! 2009 nahm die OSE<br />
196 Mio. Euro ein und verbrauchte<br />
795 Mio. Euro, die ÖBB hatten auf<br />
der Schiene Einnahmen von 1,4 Mrd.<br />
Euro und benötigten 6,9 Mrd. Euro.<br />
Mit dem Vierfachen der Fahrscheinerlöse<br />
bezahlt Griechenland die OSE-<br />
Mitarbeiter, bei den ÖBB ist es das<br />
Fünff ache. Die Bahnschulden belasten<br />
jeden Griechen mit 1.100 Euro und jeden<br />
Österreicher mit 2.000 Euro. Die<br />
OSE kosten Griechenland täglich 2,2<br />
Mio. Euro, die ÖBB kosten Österreich<br />
täglich 19 Mio. Euro.<br />
Der sofortige Bau- und Planungsstopp<br />
für alle drei Mega-Bahntunnel ist<br />
ebenso dringlich gefordert, wie Eigenverantwortung<br />
und Wirtschaft lichkeit<br />
in den ÖBB. Die Verkehrsministerin<br />
und der neue Bahnvorstand müssen<br />
handeln, sonst ist nicht nur die Bahnpolitik<br />
gescheitert, sondern die rotweiß-rote<br />
Zukunft der ÖBB.<br />
Trendwende im Urlaub:<br />
Österreich entdeckt <strong>Deutschland</strong><br />
Hafengeburtstag in Hamburg<br />
Spricht man in Österreich oder<br />
<strong>Deutschland</strong> über Urlaub, so<br />
gilt Österreich immer noch<br />
als Lieblingsreiseziel der deutschen<br />
Nachbarn und des Reiseverkehrs von<br />
Nord nach Süd als Einbahnstraße. Dabei<br />
hat ganz im Stillen eine revolutionäre<br />
Trendwende im Urlaubsverhalten<br />
der Alpenrepublik stattgefunden:<br />
Österreich entdeckt <strong>Deutschland</strong>!<br />
Reisten bis 2006 lediglich 6% der Österreicher<br />
nach <strong>Deutschland</strong>, wovon<br />
der größte Anteil Geschäft sreisen waren,<br />
gibt es seit 2008 eine bemerkenswerte<br />
und anhaltende Trendumkehr.<br />
Herr und Frau Österreicher urlauben<br />
zwar immer noch zuerst in Italien,<br />
aber das Reiseziel <strong>Deutschland</strong> hat<br />
plötzlich Kroatien, Spanien, Griechenland<br />
und die Türkei überholt und<br />
liegt nun auf Platz 2. Als Spitzenreiter<br />
hat Italien mit 3,0 Mio. Reisen einen<br />
Marktanteil von 25%, doch <strong>Deutschland</strong><br />
folgt bereits mit 2,4 Mio. Reisen<br />
und 21% Marktanteil, Rang 3 bildet<br />
Kroatien mit 0,9 Mio. Reisen und 8%<br />
vom Markt.<br />
AußenSeiten 1 | 2010<br />
<strong>Deutschland</strong> wird als Nahdestination<br />
ohne Sprachbarriere mit einem sehr<br />
guten Preis-Leistungsverhältnis und<br />
attraktiven Urlaubsangeboten in der<br />
Alpenrepublik immer beliebter. Neben<br />
den traditionellen Zielgebieten<br />
in Süddeutschland entdecken österreichische<br />
Reiseveranstalter verstärkt<br />
auch die noch weniger bekannten Regionen<br />
in Nord- und Ostdeutschland.<br />
Besonders beliebt sind gerade bei der<br />
jüngeren Bevölkerung Kultur- und<br />
Städtereisen, gefolgt von regionalen<br />
Aktiv- und Familienaufenthalten und<br />
bei Familien mit Kindern deutsche<br />
Ferien- und Freizeitparks. Österreicher,<br />
die 2008 ihre Urlaubsreise in<br />
<strong>Deutschland</strong> verbrachten, waren im<br />
Durchschnitt 40,8 Jahre alt, davon<br />
55% Männer und 45% Frauen. 16%<br />
fuhren mit Kindern unter 15 Jahren<br />
in den Urlaub.<br />
Der Boom im Städtetourismus zeigt<br />
sich auch im Urlaubsverhalten der<br />
Österreicher, die zunehmend deutsche<br />
Städte besuchen. Von den<br />
2.482.052 Übernachtungen des Jah-<br />
Tourismus<br />
res 2008 entfi elen 839.948 Übernachtungen<br />
(33,8%) auf Städtereisen mit<br />
folgendem Ranking der Großstädte:<br />
München 225.870, Berlin 205.089,<br />
Hamburg 137.399, Frankfurt 55.815,<br />
Köln 51.867, Düsseldorf 43.598, Dresden<br />
40.808, Stuttgart 40.381, Leipzig<br />
21.255 und Hannover 17.866.<br />
Österreichs Vorliebe für <strong>Deutschland</strong>s<br />
Süden ist jedoch weiter ungebrochen,<br />
die Auft eilung nach Bundesländern<br />
zeigt ein deutliches Süd-Nord Gefälle:<br />
Bayern: ..................................... 38,6%<br />
Baden-Württemberg: .............. 14,3%<br />
Nordrhein-Westfalen: ............... 9,6%<br />
Berlin: ......................................... 8,3%<br />
Hessen: ....................................... 6,0%<br />
Hamburg: ................................... 5,5%<br />
Sachsen: .....................................*4,2%<br />
Niedersachsen: .......................... 3,3%<br />
Rheinland-Pfalz: .......................*2,5%<br />
Mecklenburg-Vorpommern: .... 2,1%<br />
Schleswig-Holstein: ................... 1,6%<br />
Th üringen: .................................. 1,2%<br />
Brandenburg: ............................. 1,1%<br />
Sachsen-Anhalt: ........................ 0,9%<br />
Bremen: ...................................... 0,4%<br />
Saarland: ..................................... 0,4%<br />
(*ohne Camping)<br />
Bei den Geschäftsreisen zeigt sich<br />
folgendes Bild: Nach <strong>Deutschland</strong><br />
reisen 38,2%, gefolgt von Italien<br />
(7,3%), Schweiz/Liechtenstein<br />
(6,2%), Ungarn (4,3%) und Frankreich<br />
(3,5%). Von den 714 Tsd. österreichischen<br />
Geschäftsreisen nach<br />
<strong>Deutschland</strong> dienten 55% Kundenbesuchen<br />
oder Besuchen einer Niederlassung<br />
und 45% führten zu Kongressen,<br />
Konferenzen, Seminaren,<br />
Messen und Ausstellungen. Pro Geschäftsreise<br />
nach <strong>Deutschland</strong> wurden<br />
im Durchschnitt 520 Euro ausgegeben,<br />
rund 91 Euro pro Tag und<br />
insgesamt 0,4 Mrd. Euro.<br />
31
AußenBlicke<br />
Mafi a<br />
„erwirtschaftet“ 90 Mrd. €<br />
Rom – Wie der italienische Handelsverband<br />
mitteilte, ist die Mafi a das<br />
stärkste Wirtschaft sunternehmen des<br />
Landes und „erwirtschaft et“ jährlich<br />
90 Mrd. Euro, das sind 7% des BIP.<br />
Das Hauptgeschäft erfolgt mit 40 Mrd.<br />
Euro durch Drogenhandel, Wucher<br />
und Erpressung. Die erfolgreichste<br />
Mafi a-Organisation war 2009 die kalabresische<br />
Ndrangheta mit einem<br />
Gesamtumsatz von 44 Mrd. Euro und<br />
einem Gewinn aus dem Drogenhandel,<br />
der zusammen den Erlösen der<br />
beiden Volkswirtschaft en Estland und<br />
Slowenien entspricht.<br />
Dipl.-<strong>In</strong>g. ist eine Marke<br />
Aachen - Im Oktober 2010 feiert der<br />
deutsche Diplom-<strong>In</strong>genieur (Dipl.-<br />
<strong>In</strong>g.) seinen 111. Geburtstag. Kaiser<br />
Wilhelm II. ermöglichte 1899 den polytechnischen<br />
Hochschulen die Vergabe<br />
dieses Titels. Nun wird der Titel im<br />
Rahmen der Bologna-Reform durch<br />
Bachelor und Master abgelöst, doch die<br />
neun führenden Technischen Hochschulen<br />
<strong>Deutschland</strong>s fordern, dass der<br />
Dipl.-<strong>In</strong>g. nach dem Masterabschluss<br />
wieder vergeben werden kann. Begründung<br />
des TU9 Präsidenten Ernst<br />
Schmachtenberg: „Der deutsche Diplom-<strong>In</strong>genieur<br />
ist eine weltweit angesehen<br />
Marke“.<br />
200 Hundertjährige fehlen<br />
Tokio – Mit durchschnittlich 86,44<br />
Jahren haben Japanerinnen weltweit<br />
die höchste Lebenserwartung und die<br />
Statistik vermeldet 40.000 Landsleute,<br />
die älter als hundert Jahre sind. Doch<br />
nun fehlen 200 Hundertjährige, die<br />
nicht auffi ndbar sind, aber eine Pension<br />
bezogen haben. Als Beamte der<br />
Stadt Tokio einem Mann zum 111.<br />
Geburtstag gratulieren wollten, war er<br />
nicht da, später wurde an Hand eines<br />
Skelettfundes festgestellt, dass er bereits<br />
vor Jahrzehnten verstorben war, die Familie<br />
aber weiter Pensionszahlungen<br />
erhalten hatte. Nun wird landesweit<br />
nachgeforscht. <strong>In</strong> Osaka fehlen 64 der<br />
857 Hochbetagten und in Kobe 105<br />
von 847 Hundertjährigen. Ob nun der<br />
Spitzenwert der Lebenserwartung nach<br />
unten korrigiert werden muss, stand<br />
bei Redaktionsschluss noch nicht fest.<br />
75 Jahre Parkuhr<br />
San Francisco – Als Carlton Cole Magee<br />
aus Oklahoma vor 75 Jahren die erste<br />
Parkuhr erfand, nannte er sie liebevoll<br />
„Black Maria“, anschließend startete sie<br />
einen weltweiten Siegeszug. Pünktlich<br />
zum Geburtstag dieses von Autofahrern<br />
verfl uchten Münzenfressers stellte<br />
nun San Francisco ihre Parkraumbewirtschaft<br />
ung auf neue IT-Parkuhren<br />
um – vernetzt, fl exibel, bargeldlos und<br />
von einer Computerzentrale gesteuert.<br />
Steigt der Parkbedarf, steigt auch der<br />
Preis von 25 Cent auf bis zu 6 Dollar<br />
die Stunde. Doch kaum war die „smarte<br />
Parkuhr“ medienwirksam in Dienst<br />
gestellt, gaben Hacker Tipps zum gratis<br />
parken und zur Umprogrammierung<br />
der neuen Prepaid-Parkkarten. Im Mai<br />
hatten Hacker bereits in Chicago zugeschlagen<br />
und Hunderte von elektronischen<br />
Parkuhren „freigeschaltet“ und<br />
vorher wurde in New York bekannt,<br />
dass sich dort 7000 Parkuhren mit einer<br />
einfachen TV-Fernbedienung auf<br />
null stellen ließen. Vielleicht sind die<br />
neuen IT-Parkuhren zu smart.<br />
Erste „Gondoliera“<br />
Venedig – Erstmalig wurde in die Liste<br />
der venezianischen Gondolieri ein<br />
Frau eingetragen: Giorgia Boscolo, 24<br />
Jahre alt und Mutter zweier Kinder. Sie<br />
entstammt einer Gondoliere-Dynastie<br />
und Vater Dante ist zwar stolz auf die<br />
gute Abschlussprüfung seiner Tochter,<br />
aber lehnt Frauen in dieser Männerdomäne<br />
strikt ab. Vorerst darf Gondoliera<br />
Boscolo noch nicht alleine rudern,<br />
denn eine der begehrten Lizenzen für<br />
das selbständige Fahren einer Gondel<br />
wird sie schwerlich erhalten. Zurzeit<br />
gibt es 425 offi zielle Gondolieri, die ihre<br />
Privilegien und Pfründe machtvoll verteidigen<br />
und als älteste „Gewerkschaft “<br />
der Welt gelten. Schließlich verdient<br />
ein Gondoliere in der Saison bis zu<br />
5000 Euro monatlich, Einnahmen, von<br />
denen die Wiener Fiaker noch nicht<br />
einmal zu träumen wagen.<br />
Impressum<br />
Unabhängige Zeitschrift für Außenwirtschaft und internationale<br />
Beziehungen, die halbjährlich über politische<br />
und wirtschaft liche Entwicklungen und Hintergründe<br />
in Österreich, der EU und im Welthandel praxisnah<br />
berichtet und jeweils in einem Länderschwerpunkt über<br />
ein Land und dessen Wirtschaft informiert.<br />
Erscheinungsweise:<br />
Halbjährlich<br />
Preis:<br />
Jahresabonnement (inkl. Versand <strong>In</strong>land): EUR 9,80<br />
Einzelheft : 6,80<br />
Verleger und Herausgeber:<br />
<strong>Verlag</strong> <strong>Kitzler</strong> Ges.m.b.H.<br />
1010 Wien, Uraniastraße 4<br />
Tel: (01) 713 53 34, Fax: (01) 713 53 34-85<br />
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Redaktionsleitung:<br />
Hubertus Godeysen<br />
Redaktion:<br />
Mag. Elisabeth Löffl er-Tüchler, Mag. Gregor Huber,<br />
Mag. Günter Wagner<br />
Gastautor dieser Ausgabe:<br />
Rüdiger Staats<br />
Redaktionsbeirat:<br />
Dr. Reinhard Schelch, Bundesministerium für Finanzen<br />
Herbert Herzig, Wirtschaft skammer Österreich<br />
Dr. Gabriele Führer, Wirtschaft skammer Wien<br />
Redaktionsanschrift :<br />
<strong>Verlag</strong> <strong>Kitzler</strong> Ges.m.b.H.<br />
1010 Wien, Uraniastraße 4<br />
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Alle in dieser Zeitschrift veröff entlichten Beiträge und<br />
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Dennoch ist eine Haft ung des <strong>Verlag</strong>es, der Redaktion<br />
und der Autoren ausgeschlossen.<br />
Vorausschau<br />
der nächsten Ausgabe:<br />
Schwerpunktland: Die Türkei<br />
Der „Österreichische Exportfonds“<br />
Die Lage der österreichischen Transportwirtschaft<br />
32 AußenSeiten 1 | 2010<br />
Die neuen internationalen<br />
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Gültig ab<br />
1.1.2011!<br />
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Bernstorff<br />
„<strong>In</strong>coterms 2010“ BUCH + CD<br />
Kommentierung für die Praxis<br />
inklusive offi ziellem Regelwerk<br />
inklusive Vorwort ICC Austria<br />
Erscheinungstermin: Oktober 2010.<br />
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Kommentierung für die Praxis<br />
inklusive offiziellem Regelwerk<br />
inklusive Vorwort ICC Austria<br />
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Buch broschiert, mit CD-ROM; ca. 250 Seiten; offi zielle <strong>In</strong>coterms 2010<br />
in deutscher u. englischer Sprache + Praxiskommentierung.<br />
<strong>Kitzler</strong> <strong>Verlag</strong> (in Kooperation mit Bundesanzeiger <strong>Verlag</strong>, Köln).<br />
ISBN 978-3-902586-30-8.<br />
EUR 55,-.<br />
Bestellungen: offi ce@kitzler-verlag.at<br />
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