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Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie: Für ...

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<strong>Fortschrittsbericht</strong> <strong>2008</strong><strong>zur</strong> <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>Für ein nachhaltigesDeutschland


4 INHALT1b Rohstoffproduktivität 412 Treibhausgasemissionen 423a, b Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch 444 Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche 455 Artenvielfalt und Landschaftsqualität 476 Staatsdefizit 487 Verhältnis der Bruttoanlageinvestitionen zum BIP 508 Private und öffentliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung 519a 18- bis 24-Jährige ohne Abschluss 529b 25-Jährige mit abgeschlossener Hochschulausbildung 539c Studienanfängerquote 5510 BIP je Einwohner 5611a Gütertransportintensität 5811b Personentransportintensität 5911c, d Anteile des Schienenverkehrs und der Binnenschifffahrt 6012a Stickstoffüberschuss 6112b Ökologischer Landbau 6313 Schadstoffbelastung der Luft 6414a, b Vorzeitige Sterblichkeit 6614c, d Raucherquote von Jugendlichen und Erwachsenen 6714e Anteil der Menschen mit Adipositas (Fettleibigkeit) 6915 Wohnungseinbruchsdiebstahl 7016a, b Erwerbstätigenquote 7117a, b Ganztagsbetreuung für Kinder 7318 Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern 7419 Ausländische Schulabgänger mit Schulabschluss 7620 Anteil öffentlicher Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen 7721 Deutsche Einfuhren aus Entwicklungsländern 79III. Schlussfolgerungen der Bundesregierung aus der Analyse des Statistischen Bundesamtes 84C. Nachhaltigkeit konkret: Schwerpunktthemen 86I. Klima und Energie 861. Bedeutung des Themas für das Leitbild Nachhaltige Entwicklung 862. Ziele und Indikatoren 88a) Ziele der EU 88b) Ziele für Deutschland 88c) Zielerreichung 893. Konkrete Schritte zu mehr Klimaschutz 90a) Das Energie- und Klimapaket der Bundesregierung 90b) Emissionshandel in der zweiten Handelsperiode 93c) Erneuerbare Energien – zukunftsfähige Energieversorgung ausbauen 94d) Klimaschutz und Verkehr 95e) Klimaschutzleistungen der Abfallwirtschaft 98f ) Internationale Finanzierungsbeiträge 984. Hauptakteure im Klimaschutz und bei der Veränderung derEnergiebereitstellung und Energienutzung 1005. Dem schon stattfindenden Klimawandel rechtzeitig begegnen 100a) Internationaler Kontext einer Deutschen Anpassungsstrategie 100b) Mandat und Ziel einer deutschen Anpassungsstrategie 101c) Auf dem Weg zu einer Anpassungsstrategie: Stand der Arbeiten 1016. Fazit 103


6INHALT3. Nachhaltige Produktion – die Verantwortung der Unternehmen 1424. Nachhaltiges Wachstum – die Verantwortung von Unternehmen,Verbrauchern und der Politik 143III. Erhaltung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen 1431. Reduzierung der Flächeninanspruchnahme 143a) Ausgangspunkt 143b) Aktivitäten seit dem letzten <strong>Fortschrittsbericht</strong> 2004 146c) Perspektiven 149d) Fazit 1512. Biologische Vielfalt 151a) Aktivitäten 152b) Nationale Strategie <strong>zur</strong> biologischen Vielfalt 153c) Biologische Vielfalt in der Land-, Forst-, Fischerei- und Ernährungswirtschaft 154d) Biologische Vielfalt und Klimawandel 1543. Nachhaltige Fischerei 155a) Entwicklung von Management- und Wiederaufbauplänen 155b) Schutz empfindlicher Tiefseeökosysteme vor zerstörerischen Fischereipraktikenauf der Hohen See 155c) Bekämpfung der illegalen Fischerei 155d) Ökokennzeichnung von Fischereierzeugnissen 1564. Wasserbewirtschaftung, Hochwasser- und Meeresschutz 156IV. Gesundheit 1581. Herausforderungen 1582. Ziele einer nachhaltigen Gesundheitspolitik 1583. Reformmaßnahmen und Prävention 158a) Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung 158b) Weiterentwicklung der Pflegeversicherung 159c) Prävention 159V. Soziale Eingliederung, Demografie und Migration 160VI. Globale Herausforderungen in Bezug auf Armut und nachhaltige Entwicklung 1621. Ausgangslage und Problemstellungen 1622. Die Millenniums-Entwicklungsziele als Orientierungsrahmen und Messlatte 1623. Krisenprävention 1644. Entwicklungsfinanzierung und entwicklungspolitischer Dialog 1645. Schutz und nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen 1656. Nachhaltige Gestaltung des Welthandels 1677. Förderung von wirtschaftlichem Wachstum und von Investitionen 1688. Fazit 169VII. Allgemeine und berufliche Bildung 169VIII. Forschung und Entwicklung 1711. Forschung für Wettbewerb und globale Verantwortung 1712. Wie innovativ ist Deutschland? 1713. Aktivitäten der Bundesregierung 172IX. Finanzierungs- und Wirtschaftsinstrumente 175


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND 7E. Nachhaltigkeit im Deutschen Bundestag – Beitrag des Parlamentarischen Beiratsfür nachhaltige Entwicklung – 176F. Nachhaltigkeit als gesellschaftlicher Prozess – Beitrag des Rats für Nachhaltige Entwicklung – 183G. Nachhaltigkeit in den Ländern – Beitrag der Länder – 190H. Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene – Beitrag der kommunalen Spitzenverbände – 196I. Nachhaltigkeit in Europa 201J. Nachhaltigkeit im Rahmen der Vereinten Nationen 203K. Ausblick 205Anhang: Nachhaltigkeitsmanagement 206Stichwortverzeichnis 212


Berlin, im Oktober <strong>2008</strong>Ein nachhaltiges Deutschland für uns, unsereKinder und Enkel – darum geht es bei der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>.Nachhaltigkeit hat Generationengerechtigkeitund damit die Sicherung einer lebenswertenZukunft gegenwärtiger und kommenderGenerationen als Maßstäbe politischen Handelns.In diesem Sinne beschreibt Nachhaltigkeit einegrundlegende Herausforderung – in nationaler undinternationaler Hinsicht. Wir stehen in der Pflichtund Verantwortung, die Grenzen der Belastbarkeitunseres Planeten zu beachten. Dabei gilt es, denErfordernissen von Umweltschutz, wirtschaftlicherLeistungsfähigkeit und sozialer Verantwortunggleichermaßen gerecht zu werden. Denn was wirheute tun, darf unseren Kindern und Enkeln nichtdie Chancen auf ein Leben in Wohlstand und einerintakten Umwelt nehmen. Daher ist NachhaltigkeitLeitprinzip der Politik der Bundesregierung.Mit dem vom Bundeskabinett beschlossenenBericht knüpft die Bundesregierung an die nationale<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> von 2002 an undentwickelt sie fort. Die Themenbandbreite diesesBerichts erstreckt sich vom Schutz des Klimas überden Umgang mit begrenzten Rohstoffen und dieSicherung der Welternährung bis hin zu den sozialenChancen des demografischen Wandels. Unteranderem wird auf die Bedeutung eines ausgeglichenenStaatshaushalts in der Frage der Generationengerechtigkeithingewiesen. Denn eine übermäßigeAnhäufung von Schulden engt über entsprechendzunehmende Zinslasten künftige politische Handlungsspielräumeein.Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Deutschlandhaben wir wichtige Fortschritte erzielt. Dennochsehen wir uns in Politik und Gesellschaft nochgewaltigen Aufgaben gegenüber. So stellt das Leitbildder Nachhaltigkeit nicht zuletzt hohe Anforderungenan eine zeitgemäße Innovationspolitik, dieImpulse für neue energieeffiziente Technologienund umweltschonende Produkte und Verfahrensetzt. Damit gehen neue Chancen auf dem Arbeitsmarkteinher.Nachhaltigkeit ist nicht allein eine Aufgabe derBundesregierung. Deshalb begrüße ich, dass sichneben dem Rat für Nachhaltige Entwicklung auchder Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklungim Deutschen Bundestag, die Länder unddie kommunalen Spitzenverbände mit Beiträgen amvorliegenden Bericht beteiligt haben.Natürlich kann allein das Engagement der Politiknicht für ein nachhaltiges Leben und Wirtschafteneiner Gesellschaft sorgen. Schutz des menschlichenLebens, Bewahrung natürlicher Lebensgrundlagenund angemessene wirtschaftliche Entwicklung sindFragen, die jeden Einzelnen betreffen – zum Beispielden Unternehmer in seinen Entscheidungen überProduktionsverfahren oder den Konsumenten inseinen Entscheidungen in der Produktwahl. Jederist über alle Lebensbereiche hinweg gefordert, denNachhaltigkeitsgedanken zu verinnerlichen. Nurgemeinsam können wir es schaffen, Nachhaltigkeitwirklich zu leben und zu einem Markenzeichen des21. Jahrhunderts zu machen.Angela Merkel


11ZusammenfassungWie wollen wir heute und in Zukunft leben? Wiekommen wir unserer Verantwortung nach – nationalwie international? Wo steht unser Land heute?Mit diesen Fragen beschäftigt sich der <strong>Fortschrittsbericht</strong><strong>2008</strong> der Bundesregierung <strong>zur</strong> <strong>nationalen</strong><strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>.Leitprinzip Nachhaltigkeit„Der Gedanke der Nachhaltigkeit verbindet wirtschaftlicheLeistungsfähigkeit mit ökologischer Verantwortung undsozialer Gerechtigkeit. Diese drei Ziele bedingen einander.Denn auf Dauer ist kein Wirtschaftswachstum vorstellbar, dasauf Raubbau an der Natur oder auf sozialen Ungerechtigkeitenberuht.Diese Erkenntnis ist Ausdruck unserer Verantwortung nichtnur für jetzige, sondern auch für künftige Generationen. Waswir heute tun, darf nachfolgenden Generationen die Chancenauf ein Leben in einer intakten Umwelt und in Wohlstandnicht nehmen.“Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, 52. Food Business Weltgipfel,18. Juni <strong>2008</strong>Nachhaltigkeit ist Leitprinzip der Politik derBundesregierung (Kapitel A). Wollen wir unsereLebensgrundlagen erhalten, müssen unsereEntscheidungen unter den drei GesichtspunktenWirtschaft, Umwelt und Soziales dauerhaft tragfähigsein, und das in globaler Perspektive. Nachhaltigkeitzielt auf Generationengerechtigkeit,Lebensqualität, sozialen Zusammenhalt und internationaleVerantwortung. Sie bildet ein zentralesKennzeichen für Fortschritt in unserer Gesellschaft.Hierfür müssen die Weichen für das 21. Jahrhundertrichtig gestellt werden.Nachhaltigkeit betrifft alle Politikfelder – aufnationaler genauso wie auf internationaler Ebene.So tragen wir in den Industriestaaten auch Verantwortungfür die Chancen der Menschen in anderenLändern. Wir haben kein Anrecht darauf, soziale undökologische Lasten unseres Wohlstands auf andereabzuwälzen. Gleichzeitig haben Entwicklungsländereinen Anspruch auf eine gerechte Nutzung vonRessourcen. Gleiches gilt z. B. auch für eine faireTeilhabe am Welthandel.Um Nachhaltigkeit als politisches Leitprinzipwirklich <strong>zur</strong> Geltung zu bringen, muss sie Chefsachesein. Auf Bundesebene liegt die Federführung fürNachhaltigkeit daher direkt beim Bundeskanzleramt.Die Umsetzung und Weiterentwicklung derStrategie erfolgt dabei unter Mitarbeit aller Ressorts.Die StrategieMit dem vorliegenden <strong>Fortschrittsbericht</strong> greiftdie Bundesregierung die <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>von 2002 auf, die von der damaligen Bundesregierungzum Weltgipfel von Johannesburg vorgelegtund anschließend – u. a. im letzten <strong>Fortschrittsbericht</strong>von 2004 – weiterentwickelt worden ist.Eine in ökonomischer, ökologischer und sozialerHinsicht nachhaltige Entwicklung unseres Landesund der Welt ist das Ziel der in globaler Perspektivelangfristig und generationenübergreifend ausgerichtetenPolitik der Bundesregierung. Aber nicht nurdie Politik, auch Wirtschaft, Gesellschaft und jederEinzelne sind gefordert, sich für dieses Ziel einzusetzen.Deshalb ist Nachhaltigkeit auch ein dynamischer,gesamtgesellschaftlicher Reformprozess. Dabeiliefert das Leitbild der Nachhaltigkeit keine Patentlösungfür alle Probleme unserer Zeit und erspartuns nicht die Diskussion und Entscheidung über diejeweils richtige Entwicklung. Dies gilt in der Politikebenso wie in der Wirtschaft und im privaten Bereich.Nachhaltigkeit bietet aber wichtige allgemeineLeitlinien <strong>zur</strong> Frage, wie wir heute und morgen lebenwollen. Da die vielfältigen politischen Herausforderungennicht von einer Strategie allein abgedecktwerden können, muss Nachhaltigkeit als Leitprinzipbei anderen Strategien und Entscheidungen von denjeweiligen Akteuren jeweils mitbedacht werden.


12 ZUSAMMENFASSUNGSteuerungswirkung erhöhenMit dem <strong>Fortschrittsbericht</strong> <strong>2008</strong> will die BundesregierungNachhaltigkeit als Leitprinzip ihresHandelns stärken.Ein wichtiger Ansatzpunkt dafür ist die Rechtsetzung.Bei jedem Gesetz und bei jeder Rechtsverordnungmuss künftig danach gefragt werden, welcheAuswirkungen das Vorhaben auf Aspekte nachhaltigerEntwicklung hat. Nachhaltigkeit wird dafür inder Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierungals Prüfstein der Gesetzesfolgenabschätzungverankert.Verbessert wird auch das weitere „ Nachhaltigkeitsmanagement“der Bundesregierung. DasManagementkonzept der Nachhaltigkeit enthältdrei Elemente:Managementkonzept der NachhaltigkeitManagementregelnDie zehn Managementregeln fassen in konzentrierter Formdas Leitbild und die Anforderungen an eine nachhaltigeEntwicklung zusammen.Indikatoren und ZieleIndikatoren zeigen an, wo wir auf dem Weg zu einer nachhaltigenEntwicklung stehen. Ziele machen den Handlungsbedarfdeutlich und sind für eine Erfolgskontrolle wichtig.MonitoringAlle vier Jahre stellt ein <strong>Fortschrittsbericht</strong> umfassend denStand nachhaltiger Entwicklung dar. Er wird durch einenzweijährlich erscheinenden Indikatorenbericht des StatistischenBundesamtes ergänzt, der die Entwicklung derNachhaltigkeitsindikatoren darlegt.Für ein besseres Nachhaltigkeitsmanagementwird u.a. der Staatssekretärsausschuss für nachhaltigeEntwicklung gestärkt, der vom Chef desBundeskanzleramtes geleitet wird. Ressortberichte,ressortübergreifende Projekte und die Einbindungweiterer Akteure erhöhen künftig die Wirkungskraftder Strategie in den politischen Alltag hinein.Indikatoren für eine nachhaltige EntwicklungZu einem erfolgreichen Management gehört dieÜberprüfung der Entwicklung anhand bestimmterKriterien und Messgrößen. Die <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>enthält Indikatoren zu 21 Themen (Kapitel B).Bei der Erstellung des <strong>Fortschrittsbericht</strong>s wurdendie seit 2002 bestehenden Indikatoren und Zieleauf den Prüfstand gestellt. Entscheidende Kriterienbei der Überarbeitung waren Kontinuität undTransparenz (Kapitel B.I.). In diesem Rahmen werdeneinzelne neue Ziele aufgenommen, u.a. für die Präventionim Gesundheitsbereich.Die fachlich unabhängige Analyse der Indikatorenentwicklungdurch das Statistische Bundesamt(Kapitel B.II.) weist aus, dass wesentliche Herausforderungenauf dem Weg zu einer nachhaltigenEntwicklung verbleiben.Indikatoren–Status12 Ziele 4 Ziele 12 Ziele 7 ZieleBerechnung des Statistischen Bundesamtes auf Basis von Werten vergangener Jahre(Annahme: unveränderte Fortsetzung der Entwicklung); vgl. Tabelle vor B. III.Positive Entwicklungen gab es insbesondere imKlimaschutz: Von 1990 bis 2007 ist der Ausstoß vonTreibhausgasen um rd. 20,4 % (vorläufiges Ergebnis)gesunken. Zur Erreichung des Kyoto-Ziels fehlen damitnur noch 0,6 %-Punkte bis 2012. Massiv gestiegenist von 1990 bis 2007 der Anteil der erneuerbarenEnergien am Primärenergieverbrauch, und zwar von1,3 % auf 6,7 %. Damit wurde das 2002 in der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>für das Jahr 2010 festgelegte Zielvon mindestens 4,2 % bereits drei Jahre früher mehrals erreicht. Der Anteil der erneuerbaren Energienam Stromverbrauch erhöhte sich von 3,4 % auf 14,2 %.Hier hat Deutschland ebenfalls bereits 2007 sein für2010 gesetztes Ziel erreicht, bis 2010 mindestens12,5 % an der Stromversorgung durch erneuerbareEnergien zu decken. Dies entspricht auch dem bislangauf europäischer Ebene vereinbarten Ziel fürdas Jahr 2012.Ein gutes Stück vorangekommen ist die Bundesregierungferner bei der Konsolidierung desStaatshaushalts. Im Jahr 2007 konnte erstmals seit1989 (mit Ausnahme des Jahres 2000 durch dieUMTS-Erlöse) wieder ein ausgeglichener Staatshaushalterreicht werden. Dabei erzielten Länder,Gemeinden und Sozialversicherungen Überschüsse.Lediglich der Bund verzeichnete noch ein Defizit.Als neues Ziel der Strategie wird nun festgelegt,spätestens ab 2011 einen Bundeshaushalt ohne Nettokreditaufnahmezu erreichen. Fortschritte gibt esauch mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung,die Verminderung der Raucherquote bei Jugendlichen,die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer, dieGanztagsbetreuung von Kindern von 3 bis 5 Jahrenund bei der Entwicklung der Einfuhren von Warenaus Entwicklungsländern.In einer Reihe von Bereichen werden die gestecktenZiele dagegen bisher nicht erreicht. Hierzugehören u.a. die Themen Bildung und Mobilität.Sehr unbefriedigend ist auch, dass Frauen immer


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND13noch im Durchschnitt deutlich schlechter bezahltwerden als Männer (vgl. die Übersicht <strong>zur</strong> Entwicklungbei Kapitel B.III.). Die Bundesregierung verstehtdies als Anstoß, die Bemühungen für ein nachhaltigesDeutschland zu verstärken, und will hierfür nochstärker mit anderen Akteuren zusammenarbeiten.Die Ziele der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> sind oft nurim Zusammenspiel mit der Zivilgesellschaft und mitallen anderen staatlichen Ebenen – Länder, Kommunen– erreichbar.Schwerpunkte des BerichtsInhaltliche Schwerpunkte des <strong>Fortschrittsbericht</strong>s(Kapitel C) sind die Themen Klima/ Energie,Rohstoffe, soziale Chancen des demografischenWandels sowie Welternährung.• Klima/ EnergieKlima und Energie (Kapitel C.I.) sind zentraleThemen für eine nachhaltige Entwicklung. DennKlimaschutz und die Anpassung an den Klimawandelbilden eine der größten Herausforderungen derMenschheit im 21. Jahrhundert. Eine Erwärmung ummehr als 2 ° C gegenüber vorindustrieller Zeit ist inihren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt nichtvertretbar – dies hat der Bericht des ZwischenstaatlichenAusschusses für Klimaänderungen (IPCC) 2007deutlich gemacht. Hierfür müssen die weltweitenEmissionen bis 2050 gegenüber 1990 um mindestens50 % gesenkt werden. Für die Industrieländerbedeutet dies eine Verringerung um mindestens60 – 80 % bis 2050. Daraus ergibt sich langfristig undbezogen auf die Weltbevölkerung ein Emissionszielvon durchschnittlich 2 t Treibhausgasemissionen proKopf und Jahr.Ziele der Strategie:• Verdoppelung der Energieproduktivität bis 2020• Absenkung der Treibhausgasemissionen bis <strong>2008</strong>/2012gegenüber 1990 um 21 %• Ausbau des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromversorgungbis 2020 auf mindestens 30 %Mit dem Integrierten Energie- und Klimaprogramm( IEKP) hat die Bundesregierung zudem dieWeichen für die Einhaltung ambitionierter Klimaschutzzielenach 2012 gestellt. Zu den Maßnahmen– die sich zum Teil noch in parlamentarischerBeratung befinden – zählen u. a. die Novellierungdes Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, Novellen desEnergieeinsparungsgesetzes und der Energieeinsparverordnung(EnEV), Verbesserung bzw. Neuauflagevon Förderprogrammen <strong>zur</strong> energetischenSanierung von Gebäuden/sozialer Infrastruktur, derErlass von Leitlinien <strong>zur</strong> Beschaffung energieeffizienterProdukte und Dienstleistungen, die Novellierungdes Erneuerbare-Energien-Gesetzes ( EEG), derErlass des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes(EEWärmG), Maßnahmen <strong>zur</strong> Erleichterung der Biogaseinspeisungsowie ein Gesetz <strong>zur</strong> Beschleunigungdes Ausbaus der Höchstspannungsnetze.Auf europäischer Ebene sind unter deutscherRatspräsidentschaft wegweisende Klimaschutzzielefür das Jahr 2020 vereinbart worden. Mit einer deutlichenSteigerung der Energieproduktivität, der NutzungCO 2-armer Technologien und dem Ausbau dererneuerbaren Energien können diese Ziele erreichtwerden. Die Maßnahmen des EU-Klimapaketes werdenhierzu beitragen.Eine besondere Herausforderung bleibt der Bereichder Energieeffizienz. Notwendig sind etwa effiziente,treibhausgasarme Kraftwerke. Hierzu gehörtauch, alte Kohlekraftwerke durch neue zu ersetzen.Diese sollen möglichst als Anlage mit Kraft-Wärme-Koppelung gebaut werden, wodurch die Brennstoffausnutzungbis auf 90 % gesteigert wird.Deutschland und die EU werden ihrer Vorreiterrolleim Klimaschutz damit auch weiterhin gerecht.Auf dieser Basis setzt sich die Bundesregierungauf internationaler Ebene für den Abschluss einesumfassenden und effektiven Folgeabkommens zumKyoto-Protokoll ein.Der Klimawandel hat mittlerweile eingesetzt. Umden nicht mehr vermeidbaren Folgen zu begegnen,erarbeitet die Bundesregierung eine Anpassungsstrategiefür Wirtschaft und Gesellschaft.• RohstoffeDringend erforderlich sind verstärkte Bemühungenum eine nachhaltige Rohstoffwirtschaft(Kapitel C.II.). Mehr Materialeffizienz und eine sparsamereNutzung vermindern Umweltauswirkungen.In den vergangenen fünf Jahren haben sich die Preisefür wichtige Industrierohstoffe zum Teil mehr als verdoppelt.Vor dem Hintergrund zunehmender Materialknappheitengeht es darum, die Herstellungskostenzu senken (für das verarbeitende Gewerbemachen Kosten für Material derzeit mit ca. 40 % denzentralen Kostenblock aus) und die Versorgungder Industrie mit Rohstoffen sicherzustellen. Undschließlich müssen auch die sozialen, entwicklungspolitischenund ökologischen Auswirkungen des


14 ZUSAMMENFASSUNGRohstoffabbaus und der Rohstoffimporte in denBlick genommen werden.Ziele der Strategie:• Nutzung von nicht erneuerbaren und nachwachsendenRohstoffen in einer Weise, die dauerhaft tragfähig ist,indem sie gegenwärtigen wie zukünftigen Generationenvergleichbare wirtschaftliche Potenziale ermöglicht undökologische wie soziale Belastungen auch in globalerBetrachtung vermeidet• Verdoppelung der Rohstoffproduktivität bis 2020Um die Rohstoffproduktivität bis 2020 gegenüber1994 zu verdoppeln, bedarf es weiterer Anstrengungen.Wichtige Handlungsfelder hierfür sind dieVerbesserung der Materialeffizienz, die Entwicklungneuer und ressourcenschonender Werkstoffe sowiedie Verbesserung des Recyclings und der verstärkteEinsatz von Sekundärrohstoffen und nachwachsendenRohstoffen.Bei der Deckung des Rohstoffbedarfs durch Rohstoffgewinnungund -import sind negative sozialeund ökologische Folgen – auch in globaler Perspektive– zu vermeiden. International anerkannteMindeststandards und Konventionen müssen dafürumgesetzt und die Verantwortung des privaten Sektorsim Sinne des „Global Compact“ und der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen einbezogenwerden. Zur Bekämpfung von Korruptionim Rohstoffsektor unterstützt die Bundesregierungaußerdem die „Extractive Industries TransparencyInitiative“ (EITI).Zur Steigerung der Rohstoffproduktivität hat dieBundesregierung eine Reihe konkreter Vorhaben aufden Weg gebracht. Hierzu gehört u. a. die Förderungvon Forschungsprojekten. Viele Maßnahmen setzenin rohstoffintensiven Wirtschaftsbereichen an; dennerfolgreiche Innovationen dort können eine großeHebelwirkung haben und zu Effizienzgewinnenin weiteren Bereichen führen. Ein Programm <strong>zur</strong>Verbesserung der Materialeffizienz bei kleinen undmittleren Unternehmen (KMU) reagiert darauf, dassbestehende betriebswirtschaftlich rentable Kostensenkungspotenzialein der betrieblichen Praxis zumTeil nicht genügend genutzt werden. InhaltlicherSchwerpunkt des im März 2007 gegründeten NetzwerkesRessourceneffizienz ist es, Effizienzpotenzialedurch den Einsatz moderner InformationsundKommunikationstechnologien zu nutzen.Weitere Maßnahmen zielen auf die stärkere Verwendungvon Holz als Ersatz für andere energie- undrohstoffintensivere Roh- und Werkstoffe sowie aufdie Mehrfachnutzung nachwachsender Rohstoffe(Kaskaden- und Koppelnutzung). Ferner setzt sichdie Bundesregierung dafür ein, die Transparenzim Rohstoffsektor von Entwicklungsländern durchZertifizierungsmaßnahmen zu erhöhen.• Demografischer Wandel und soziale ChancenIn Deutschland werden in Zukunft weniger Menschenleben, vor allem aber werden sie im Durchschnittälter sein als heute. Dies lässt sich durchEinwanderung oder eine Steigerung der Geburtenrateallenfalls abmildern. Denn wegen des Geburtenrückgangsseit den 70er Jahren gibt es schon heuteweniger potenzielle Mütter und Väter.Leider wird der demografische Wandel in derRegel nur als Negativthema verstanden. Dies verstelltden Blick auf die Frage, wie der Wandel positivgestaltet werden kann (Kapitel C.III.). Gerade vieleältere Menschen verfügen über ein großes Maß anErfahrungen, Kreativität und Innovationskraft, undsie möchten diese Potenziale für sich und für andereeinsetzen. Hieraus ergeben sich Chancen für eineStärkung der Zivilgesellschaft, für mehr Solidaritätzwischen den Generationen und für eine Kultur desMiteinanders.Ziele der Strategie:Chancen entwickeln und fördern, die sich aus demdemografischen Wandel für den sozialen ZusammenhaltergebenDiese Chancen können nur genutzt werden,wenn freiwilliges bürgerschaftliches Engagementnoch attraktiver wird. Hierfür hat der Bund eineReihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht. Änderungenim Steuerrecht gehören ebenso dazu wiesolche im Rahmen der Pflegereform <strong>zur</strong> Unterstützungvon pflegenden Angehörigen.Ort des Engagements ist vor allem die kommunaleEbene. Der Bund leistet hierfür auf vielfältigeWeise Unterstützung, insbesondere durch eineentsprechende Gestaltung der gesetzlichen Grundlagen,durch Modellprojekte, Förderung der Infrastruktur,Forschung und Information. ExemplarischeHandlungsfelder sind der ländliche Raum sowieGesundheit und Pflege. Um erfolgreiche Beispieleaus der Praxis bekannter zu machen, wird der Bundeinen Wettbewerb in Anknüpfung an die erfolgreichefrühere Bundesaktion „Bürger initiieren Nachhaltigkeit“ausloben; der modifizierte Wettbewerbwird auf das Thema „ Zusammenhalt der Generationen“ausgerichtet.


16 ZUSAMMENFASSUNGmit konkreten Maßnahmen den Verlust von Biodiversitätbis 2010 signifikant zu reduzieren.Die Bundesregierung tritt nachdrücklich dafürein, dass auf nationaler Ebene, im Rahmen der EU-Fischereipolitik sowie auf internationaler Ebenedie Prinzipien der Nachhaltigkeit stärker als bisherAnwendung finden.• Beispiel Bildung und ForschungDas Wissen über Nachhaltigkeit bereits frühzeitigim Rahmen der Schulausbildung zu vermittelnist Anliegen des 10-jährigen Rahmenprogramms„ Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ der VereintenNationen. Mit den hierzu im Zusammenspielzwischen Ländern und Bund laufenden vielfältigenAktivitäten wird Nachhaltigkeit dauerhaft im Schulunterrichtverankert (Kapitel A.I.3.).Forschungspolitische Weichenstellungen füreine nachhaltige Entwicklung (Kapitel D.VIII.)enthalten das Rahmenprogramm „Forschung fürNachhaltigkeit“ von 2004, die Hightech-Strategieder Bundesregierung von 2006 sowie die Hightech-Strategie zum Klimaschutz von 2007. Allein über dasProgramm „Forschung für Nachhaltigkeit“ wurdenbinnen vier Jahren über 1.000 Projekte gefördert. Umdas Wirtschaftswachstum sowohl vom Energie- undRessourcenverbrauch als auch von der Verkehrsleistungabzukoppeln, spielt Forschung und Entwicklungsowie die Weitergabe von Wissen durch spezifischeBildungsmaßnahmen eine entscheidende Rolle.• Globale Herausforderung NachhaltigkeitDie Bundesregierung bekennt sich <strong>zur</strong> Übernahmeglobaler Verantwortung (Kapitel D.VI.) als unabdingbareVoraussetzung für eine weltweite nachhaltigeEntwicklung. Die Bekämpfung der Armut undder Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen sindwichtige Herausforderung auf dem Weg dorthin.Grundlagen für das deutsche Engagement sind dieMillenniumserklärung der Vereinten Nationen unddie daraus abgeleiteten Millenniums-Entwicklungsziele(MDG), die Beschlüsse des Erdgipfels von Rio1992 und der Aktionsplan des Weltgipfels für nachhaltigeEntwicklung 2002 in Johannesburg.In den letzten Jahren konnten wichtige Prozesseangestoßen werden, u.a. im Rahmen der deutschenG8-Präsidentschaft 2007. Zentrale Herausforderungbleibt die Erreichung der MDG, auch wenn in vielenLändern wichtige Fortschritte gemacht worden sind.Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung bleibenwesentliche Handlungsfelder die Sicherung dernatürlichen Lebensgrundlagen und die Schaffungeiner globalen Partnerschaft. Die Umsetzung desambitionierten Aktionsprogramms „Klima und Entwicklung“,die Steigerung der Entwicklungsfinanzierungsowie ein erfolgreicher Abschluss der Doha-Runde sind hier wichtige Schritte. Ebenso zentralist die Frage, ob die notwendige Anpassung an denKlimawandel gelingt, insbesondere in den armenLändern. In allen Bereichen steht Afrika im Mittelpunktder Aufmerksamkeit der Bundesregierung.Entscheidend für positive Entwicklungen wird es inden nächsten Jahren sein, Nachhaltigkeit maßgeblichin den Entwicklungsagenden der Partnerländer,aber auch der Geberländer und -institutionen zuverankern.Aufgabe für alle – Bund, Länder,Kommunen, ZivilgesellschaftNachhaltigkeit kann von der Bundesregierungnicht verordnet werden. Erforderlich ist eine gemeinschaftlicheAnstrengung von Bund, Zivilgesellschaft,Ländern und Kommunen. Deshalb wurdenzusätzlich zu dem von der Bundeskanzlerin berufenenNachhaltigkeitsrat erstmals auch der ParlamentarischeBeirat für nachhaltige Entwicklung im DeutschenBundestag, die Länder und die kommunalenSpitzenverbände dazu eingeladen, sich mit eigenenBeiträgen an diesem Bericht zu beteiligen.In seinem von allen Fraktionen einstimmig angenommenenBeitrag (Kapitel E) bekräftigt der ParlamentarischeBeirat seine Forderung, dass NachhaltigkeitLeitprinzip der deutschen Politik sein muss.Mit seiner Arbeit leistet der Parlamentarische Beirateinen konkreten Beitrag für die stärkere Berücksichtigungdes Leitbildes nachhaltiger Entwicklung inpolitischen Gestaltungsprozessen.Der Rat für Nachhaltige Entwicklung, der dieBundesregierung in Sachen Nachhaltigkeit berätund ein wichtiger Akteur für den gesellschaftlichenDialog zu Nachhaltigkeit ist, setzt sich in seinemBeitrag (Kapitel F) u.a. dafür ein, die Verbindlichkeitder <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> zu stärken und fordertVerbesserungen beim Nachhaltigkeitsmanagement.Die Länder bekennen sich in dem von den Ministerpräsidentenbeschlossenen Beitrag (Kapitel G) zuNachhaltigkeit als Ziel ihrer jeweiligen Landesentwicklung.Sie bieten der Bundesebene die enge Zusammenarbeitbei Nachhaltigkeit an – ein Angebot,das die Bundesregierung gerne annimmt.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND17Die Kommunen betonen in ihrem Beitrag (KapitelH) ebenfalls ihr Interesse an einer engeren Kooperationsowie an einer stärkeren Unterstützung vonNachhaltigkeitsaktivitäten auf kommunaler Ebenedurch den Bund. Auch die Zusammenarbeit mit denKommunen will der Bund vertiefen.Nachhaltigkeit – keine rein nationaleAngelegenheitIn vielen Bereichen findet Politikgestaltung inDeutschland heute im Wechselspiel zwischen der<strong>nationalen</strong> und der europäischen Ebene (Kapitel I)statt. Die Europäische Union zählt Nachhaltigkeitzu ihren politischen Prioritäten. Die erneuerteEuropäische <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>, die derEuropäische Rat 2006 beschlossen hat, ist daherein bedeutsamer Bezugspunkt für die <strong>nationalen</strong>Aktivitäten; viele Ziele und Maßnahmen in diesemBericht finden auf europäischer Ebene ihre Entsprechung.Diese Verknüpfung soll und mussweiter gestärkt werden.Die Bundesregierung ist mit der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>Teil eines inter<strong>nationalen</strong> Prozesses. EinMeilenstein war der Brundtlandbericht von 1987, derdie konzeptionelle Grundlage für die Beschlüsse derGipfel von Rio de Janeiro 1992 und von Johannesburg2002 gelegt hat. Jenseits von berechtigter – auchdeutscher – Kritik an Einzelpunkten der Arbeit derKommission für nachhaltige Entwicklung (CSD)bleibt diese ein unverzichtbares Gremium auf derEbene der Vereinten Nationen (Kapitel J).Dialog mit der ÖffentlichkeitDie Diskussion, wie wir langfristig leben wollenund welche Prioritäten wir dabei setzen, geht allean. Die Bundesregierung legte deshalb großen Wertdarauf, der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben,sich frühzeitig und umfassend mit Anregungen undVorschlägen am vorliegenden Bericht zu beteiligen.Die Stellungnahmen der Öffentlichkeit (vgl.Kapitel A.V.) haben gezeigt, dass Nachhaltigkeit alsThema in den gesellschaftlichen Gruppen einenbreiten Rückhalt hat. Über die Notwendigkeit einernachhaltigen Entwicklung besteht in der Öffentlichkeitkein Dissens; Nachhaltigkeit ist im politischenund gesellschaftlichen Leben unverrückbar undparteiübergreifend angekommen. Die Bundesregierungsieht dies als Bestätigung ihrer Politik und wirdNachhaltigkeit als politisches Leitbild stärker in denMittelpunkt ihres Handelns rücken.FazitNachhaltigkeit ist eine Daueraufgabe und benötigteinen langen Atem. Erforderlich ist eine umfassendeund konsequente Berücksichtigung vonNachhaltigkeit als Leitprinzip in der deutschen Politik.Nachhaltigkeit prägt alle Politikfelder. Technologischer,ökonomischer und gesellschaftlicher Fortschrittmuss sich am Prinzip der Nachhaltigkeit messenlassen. Wenn Nachhaltigkeit als Herausforderungwirklich angenommen und im Alltag aller Akteureumgesetzt wird, kann sie zum Motor für Erneuerungwerden. In diesem Sinn ist die <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>eine Zukunftsstrategie für das 21. Jahrhundert.


19AAktuelle HerausforderungenNachhaltige Entwicklung ist Leitprinzip der Politikder Bundesregierung – als langfristige Daueraufgabe,unabhängig von Wahlterminen. Die Bundesregierungknüpft deshalb an die nationale <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>von 2002 an und entwickelt sie fort.Nachhaltige Entwicklung durchzieht als Aufgabealle Politikfelder. Forschung und Bildung, Klimaschutz,bürgerschaftliches Engagement, die Armutsbekämpfungin Entwicklungsländern, dauerhaftesumweltgerechtes Wachstum, sichere Arbeitsplätze,solide Haushaltspolitik – diese Themenfelder sind Beispielefür die vielfältigen Fragen, die im Zusammenhangmit einer nachhaltigen Entwicklung stehen.Nachhaltigkeit ist kein unverbindliches Wohlfühlthema,sondern betrifft die drängenden politischenHerausforderungen von Gegenwart undZukunft. Zur nachhaltigen Gestaltung der Politikgibt es keine Alternative. Über alle Parteien hinwegwird Nachhaltigkeit mittlerweile als wegweisendespolitisches Prinzip erkannt.Dieser – zweite – <strong>Fortschrittsbericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>nationalen</strong><strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> ist durch den Staatssekretärsausschussfür nachhaltige Entwicklung unterVorsitz von Bundesminister Dr. Thomas de Maizièreals Chef des Bundeskanzleramts erarbeitet und am29. Oktober <strong>2008</strong> vom Bundeskabinett beschlossenworden. Der Bericht zeigt die Entwicklungen seit derletzten Berichterstattung und schreibt zugleich dieStrategie fort. Dies betrifft neben einzelnen Themenu. a. Indikatoren und Ziele, aber auch die Feinsteuerungder Strategie in der Praxis der Arbeit der Bundesregierung.Die Angaben in diesem Bericht habenden Stand Juli <strong>2008</strong>, soweit nicht anders vermerkt.I. Nachhaltigkeit als umfassendes LeitbildAus Sicht der Bundesregierung verbindet dasKonzept der nachhaltigen Entwicklung den Gedankender Gerechtigkeit mit einer generationenübergreifendenPerspektive, die zugleich verschiedenePolitikfelder verknüpft und einen globalen Ansatzverfolgt. Nachhaltigkeit wird so zu einem neuen Begrifffür Fortschritt. Auf der Handlungsebene dientder Ansatz der Nachhaltigkeit als übergeordneteLeitlinie für die einzelnen Politikbereiche.„Der Begriff der Nachhaltigkeit reicht weit über den Gedankendes Schutzes der natürlichen Ressourcen hinaus ... Wirhaben also über das Prinzip der Nachhaltigkeit im Grunde einDefinitionsmerkmal, ein Kennzeichen dafür, was Fortschritt inunserer Gesellschaft bedeutet. Fortschritt muss nämlich derBedingung genügen, dass die Natur und unsere ökologischenSysteme die Veränderungen auch wirklich dauerhaft tragenkönnen.“Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel auf dem Festakt „20 JahreUmweltministerium Baden-Württemberg“ im Juli 20071. Nachhaltigkeit als Voraussetzung fürGenerationengerechtigkeitNachhaltigkeit basiert auf einer einfachenPrämisse: Die Grenzen der Belastbarkeit unseres Planetenmüssen beachtet werden, um wirtschaftlichenWohlstand und soziales Wohlergehen auf Dauer zugewährleisten – sowohl für die heutige wie auch fürzukünftige Generationen. Hier geht es um weit mehrals um die Bewahrung der Umwelt, es geht um dieSicherung unserer Zukunft.Jede Generation muss ihre Aufgaben selbst lösenund darf sie nicht den kommenden Generationenaufbürden; letzteres wäre ungerecht. Nachhaltigkeitist hier Voraussetzung für Generationengerechtigkeit.Die Generationengerechtigkeit wird etwaverletzt, wenn mehr Ressourcen genutzt werden alsnachwachsen oder als Ersatz für diese Ressourcen<strong>zur</strong> Verfügung steht. Insgesamt muss sich die Politikan der Leitlinie orientieren, die Ressourcen und Naturräumedieser Welt als Erbe für künftige Generationensoweit wie möglich zu erhalten – auch aus dermoralischen Verpflichtung, die Schöpfung in ihrerVielfalt zu bewahren.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND21Deshalb ist Nachhaltigkeit konzeptionell wederein von drei unverbunden nebeneinander stehendenSäulen getragenes „Dach“ noch die Schnittmengeabgrenzbarer Dimensionen, etwa im Sinn eines„kleinsten gemeinsamen Nenners“. Nachhaltigkeitist ein ganzheitlicher, integrativer Ansatz; Wechselbeziehungenund Wechselwirkungen müssen ermittelt,dargestellt und beachtet werden, um langfristigtragfähige Lösungen für die bestehenden Problemezu identifizieren. Umweltschutz, wirtschaftlicheLeistungsfähigkeit und soziale Verantwortung sindso zusammenzuführen, dass Entscheidungen unterallen drei Gesichtspunkten dauerhaft tragfähig sind– in globaler Betrachtung. Die Erhaltung der Tragfähigkeitder Erde bildet die absolute äußere Grenze; indiesem Rahmen ist die Verwirklichung der verschiedenenpolitischen Ziele zu optimieren.„Nachhaltige Entwicklung ist ... der Tatsache geschuldet,dass wir uns in einer zunehmend komplexen Welt bewegen,in der Ökonomie, Ökologie und Soziales nicht mehr getrenntvoneinander wahrgenommen und politisch adressiert werdenkönnen. Zentrale Aufgabe der Nachhaltigen Entwicklungund jedes politischen Programms dazu ist es, die Interdependenzenund Dilemmata zwischen den einzelnen Dimensionenaufzuzeigen und abzuwägen.“Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschafte. V. (Econsense), März <strong>2008</strong>Nachhaltigkeit zielt dimensionenübergreifendauf die Erreichung von Generationengerechtigkeit,sozialem Zusammenhalt, Lebensqualität und internationalerVerantwortung – dies sind die Leitlinien,die zutreffend von der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>2002 als charakterisierend für das Leitbildder nachhaltigen Entwicklung angesehen wordensind. Nachhaltigkeit muss also immer den Blick auf„das Ganze“ umfassen, bei Einhaltung der absolutenGrenzen der Nachhaltigkeit.II. Die Grundlagen der nachhaltigenEntwicklung1. Global: Von Brundtland nach JohannesburgNachhaltigkeit ist keine Erfindung der deutschenPolitik dieser oder der vorhergehenden Wahlperioden.Mit ihren Nachhaltigkeitsaktivitäten knüpft dieBundesregierung vielmehr an die vielfältigen staatlichenwie gesellschaftlichen Prozesse und Aktivitätenauf globaler Ebene an, durch die sich Nachhaltigkeitin den vergangenen Jahrzehnten zu einem weltweitanerkannten Leitbild entwickelt hat.Den umfassenden Ansatz der nachhaltigenEntwicklung formulierte erstmals der Bericht derBrundtland-Kommission von 1987:„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die denBedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne dieMöglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihreeigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, „Brundtland-Kommission“, 1987Zieldreieck der NachhaltigkeitRelative Grenzen/OptimierungsgebotWirtschaftSozialesMaßnahmeAbsolute GrenzeUmweltErhaltung der Lebensgrundlagen in globaler Perspektive


22 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGENSchon im Jahr 1992 erhob die Konferenz derVereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung inRio de Janeiro die „ nachhaltige Entwicklung“ zumzentralen Leitbild globalen Handelns. Mit der Agenda21 schuf sie ein globales Aktionsprogramm fürdas 21. Jahrhundert. Dieses verpflichtete die Unterzeichnerstaaten,bis 2002 eine nationale Strategie zuentwickeln, die eine nachhaltige Entwicklung zumZiel hat.Der Gipfel von Rio de Janeiro ist Symbol einesneuen Bewusstseins für die gemeinsame Verantwortungder Weltgesellschaft. Es umschließt dieinternationale Staatengemeinschaft wie die Zivilgesellschaft.Der Gipfel verbreitete den Nachhaltigkeitsgedankenweltweit – weit über die Akteureder Umwelt- und Entwicklungspolitik hinaus.Inzwischen durchzieht das Leitbild der nachhaltigenEntwicklung sowohl die globale als auch die europäischeund deutsche Politik. Die Vereinten Nationenhaben 1992 eine Kommission für nachhaltige Entwicklung(United Nations Commission on SustainableDevelopment – CSD) eingerichtet. Als Untergliederungdes Wirtschafts- und Sozialrats der VereintenNationen hat sie die Aufgabe, die Umsetzung derErgebnisse der Rio-Konferenz voranzubringen. 2002fand in Johannesburg der Weltgipfel für nachhaltigeEntwicklung statt, der die Vereinbarungen von Riomit neuen Zeitzielen und Handlungsprioritäten fortgeschriebenhat. Auf den Stand der Aktivitäten zuNachhaltigkeit im Rahmen der Vereinten Nationenwird im hinteren Teil des Berichts (Kapitel J) nähereingegangen.2. National: <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> DeutschlandKonkrete Grundlage für die Nutzung des Ansatzesder nachhaltigen Entwicklung als politischesSteuerungsinstrument in Deutschland ist die nationale<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>.Die nationale <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> wurde –wie von der Agenda 21 vorgesehen – erstmals 2002zum Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung inJohannesburg vorgelegt. In der Strategie und innachfolgenden Berichten (<strong>Fortschrittsbericht</strong> 2004;Wegweiser Nachhaltigkeit 2005) wurde bereits eineVielzahl von Themen vertieft behandelt:Bisherige thematische Schwerpunkte von <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>2002, <strong>Fortschrittsbericht</strong> 2004 undWegweiser Nachhaltigkeit 2005• „ Energie effizient nutzen – Klima wirksam schützen“ (2002)• „ Mobilität sichern – Umwelt schonen“ (2002)• „Gesund produzieren – gesund ernähren“ (2002)• „Demografischen Wandel gestalten“ (2002)• „Alte Strukturen verändern – neue Ideen entwickeln“ (2002)• „Innovative Unternehmen – erfolgreiche Wirtschaft“ (2002)• „ Flächeninanspruchnahme vermindern“ (2002)• „Neue Energieversorgungsstruktur unter Einbeziehung dererneuerbaren Energien“ (2004)• „Potenziale älterer Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft“(2004)• „Verminderung der Flächeninanspruchnahme“ (2004)• „ Alternative Kraftstoffe und Antriebstechnologien“ (2004)• „Moderne Stromversorgung – erneuerbare Energien optimalintegrieren“ (2005)• „Nachwachsende Rohstoffe – für neue Produkte und wachsendeMärkte“ (2005)• „Zukunftsfähige Waldwirtschaft – ökonomische Perspektivenentwickeln“ (2005)• „ Biologische Vielfalt – schützen und nutzen“ (2005)Der Koalitionsvertrag von 2005 hat sich nachdrücklichzu Nachhaltigkeit als politischem Leitbildund <strong>zur</strong> Fortentwicklung der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>bekannt. Dies verdeutlicht, dass Nachhaltigkeitals langfristiger Ansatz unabhängig vonWahlperioden ist und von einem breiten politischenKonsens getragen wird.„Die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ist Zielund Maßstab unseres Regierungshandelns, auf nationaler,europäischer und internationaler Ebene.“Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005Der Indikatorenbericht 2006 des StatistischenBundesamtes analysierte den Stand der Entwicklungbei den Nachhaltigkeitsindikatoren. DerBericht zeigte, dass es in etlichen Feldern wichtigeFortschritte gab, dass aber in vielen Bereichen nochweitere Anstrengungen erforderlich sind. Die neueAnalyse der Indikatoren – in diesem Bericht enthaltenals Kapitel B.II. – zeichnet ein ähnliches Bild.III. Angewandte Nachhaltigkeit – eineQuerschnittsaufgabeAuch jenseits der Arbeiten an der Strategie selbstdurchzieht Nachhaltigkeit die Politik der Bundesregierung– ohne dass im Einzelfall immer plakativdarauf hingewiesen wird. Der Grundgedanke einernachhaltigen Entwicklung ist Leitbild der Politikder Bundesregierung. Nachfolgend finden sichausgewählte Beispiele zu Handlungsbereichen, dievielfach noch nicht mit Nachhaltigkeit in Verbindunggebracht werden, die aber ganz wesentlicheBestandteile einer nachhaltigen Politik sind. WeitereInformationen zu diesen und zu anderen ebensowichtigen Themen sind insbesondere im Berichtsteil(Kapitel D) enthalten.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND231. Beispiel nachhaltiges Wirtschaftswachstumund BeschäftigungWirtschaftliche Gesichtspunkte wie ein nachhaltigesWachstum und Beschäftigung sind gleichzeitig mitsozialen und ökologischen Aspekten zentrale Elementeder <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> der Bundesregierung.Ausgangspunkt für die Umsetzung der Strategie ist dieErkenntnis, dass sich Fortschritte einer nachhaltigenEntwicklung in allen drei Bereichen gegenseitig bedingenund verstärken. Insofern zielt die Strategie auf einqualitatives, nachhaltiges Wachstum.Ob Wachstum nachhaltig ist, wird z.B. angesichtsdes Klimawandels oft nur im Hinblick auf dieVerbesserung der Umweltsituation bewertet. Ausdem Auge verloren geht dabei, dass wirtschaftlicherWohlstand, nachhaltiges Wachstum und Beschäftigungeine zentrale Voraussetzung für die globaleund nationale Bekämpfung von Armut sowie fürdie Erreichung hoher ökologischer, ökonomischerund sozial-kultureller Standards sind. Ebenso wieUmweltschutz Voraussetzung für ein nachhaltigesWirtschaften ist, ist auch wirtschaftliche LeistungsfähigkeitVoraussetzung für ein hohes Umweltschutzniveau.Denn zum einen müssen die wirtschaftlichenGrundlagen gewährleistet werden, umInvestitionen z. B. in den Umweltschutz finanzierenzu können. Zum anderen sind positive WachstumsundInnovationsbedingungen von zentraler Bedeutung,um ausreichend innovative Lösungen für denverantwortungsvollen Umgang mit natürlichenRessourcen zu generieren.„Nachhaltigkeit wird immer mehr zu einem wichtigenWettbewerbsfaktor. Denn angesichts steigender Preise ist einmöglichst effizienter Energie- und Rohstoffeinsatz in Produktions-und Verfahrensabläufen auch eine Frage der betriebswirtschaftlichenVernunft. Außerdem wird es für Kunden undVerbraucher immer wichtiger, dass soziale und ökologischeStandards eingehalten werden ...Wer also auf eine nachhaltige Strategie setzt, muss keineswegsauf Wachstum und Gewinn verzichten, sondern erwirtschaftetbeides auf eine andere, auf eine verantwortungsvollereArt und Weise. Dadurch werden nicht nur betreffendeUnternehmen, sondern letztlich wir alle zu Gewinnern.“Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, 52. Food Business Weltgipfel,18. Juni <strong>2008</strong>Der Wirtschaftsstandort Deutschland stehtim globalen Wettbewerb. Dass wir uns wieder aufWachstumskurs befinden, ist Verdienst von Beschäftigtenund Unternehmern. Die Bundesregierung hatihren Teil beigetragen, die Rahmenbedingungen fürdie Verfolgung eines Ziels der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>– eine florierende Wirtschaft und den Abbau derArbeitslosigkeit – zu verbessern.Mit einem Aufschwung für immer mehr Menschen,mit einer Rekordbeschäftigung und miteinem ausgeglichenen Staatshaushalt ist Deutschlandauf gutem Kurs. Die Reformen der letztenJahre zahlen sich jetzt mehr und mehr aus. Der Aufschwungkommt in Form verbesserter Einkommensperspektivenund zusätzlicher Arbeitsplätze beiden Menschen an. Mit über 40 Mio. Erwerbstätigenwurde im Herbst 2007 ein Höchststand erreicht. Diesozialversicherungspflichtige Beschäftigung nahm2007 um 588.000 Personen im JahresdurchschnittReformdividende in Zahlen 2005 – 20072005 2007 Veränderung 2005/2007Erwerbstätige in Mio. 38,8 39,7 +0,9 Mio. (+2,3 %)SozialversicherungspflichtigBeschäftigte in Mio.Registrierte Arbeitslose(Jahresdurchschnitt in Mio.)26,2 26,9 +0,7 Mio. (+2,6 %)4,9 3,8 -1,1 Mio. (-22,3 %)Langzeitarbeitslose in Mio. 1,6 1,4 -0,2 Mio. (-17,3 %)Zahl der neu abgeschlossenenAusbildungsverträgeErwerbsquote der über 55 bis64jährigen550.180 625.914 +75.734 (+13,7 %)45,5 52,5 + 7 %-PunkteLohnzusatzkosten in % 41,4 39,7 - 1,7 %-PunkteStaatsquote in % des BIP 46,9 43,9 - 3,0 %-PunkteFinanzierungssaldoin % des BIP-3,4 0 +3,4 %-Punkte


24 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGENzu. Die Zahl der Arbeitslosen ging von jahresdurchschnittlich4,9 Mio. im Jahre 2005 auf unter3,8 Mio. Personen in 2007 <strong>zur</strong>ück (und damit um fastein Viertel). Die wirtschaftliche Dynamik kommtnun zunehmend auch den Menschen zugute, diemit besonderen Schwierigkeiten am Arbeitsmarktkonfrontiert sind: den Älteren, den Langzeitarbeitslosenund Arbeitnehmern mit einfachen Qualifikationen.Gleichwohl sind 3,16 Mio. Arbeitslose (Stand:Juni <strong>2008</strong>) immer noch zu viel.Wesentliche Schritte auf diesem Weg, die Beschäftigungschancenin Deutschland entschlossenzu nutzen, sind das Ziel, die paritätisch finanziertenBeitragssätze zu den Sozialversicherungen dauerhaftunter 40 % zu halten, sowie eine weiterhin zielgerichteteArbeitsmarktpolitik, die insbesondereLangzeitarbeitslosigkeit bekämpft, Menschen miteinfachen Qualifikationen integriert, die Vereinbarkeitvon Familie und Beruf verbessert sowie durchAus- und Weiterbildung dem Fachkräftemangelbegegnet.Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dasseine positive Gestaltung des Spannungsverhältnisseszwischen Nachhaltigkeit und Wachstum mehrvoraussetzt als eine Verbesserung des Umweltschutzes.Bei einem nachhaltigen Wachstum geht es umdie Sicherung der langfristigen Lebensgrundlagenin der sozialen Marktwirtschaft. Voraussetzung fürnachhaltiges Wachstum sind neben dem Schutz derUmwelt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit undsoziale Stabilität. Ohne Gewinne und ohne die Chanceauf höhere Einkommen gäbe es wenig Anreize fürArbeitnehmer und Unternehmer in Deutschland,Leistungen zu erbringen.Gut geführte Unternehmen sind nicht nur eineQuelle von Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung.Sie sind Voraussetzung für die Übernahmegesellschaftlicher Verantwortung, wie sie von vielenUnternehmern exemplarisch vorgelebt wird. EinigeUnternehmen haben einen sogenannten Code ofConduct – also grundlegende Verhaltensprinzipien– beschlossen. Dazu gehört z.B., keine Kinderarbeitoder Diskriminierung aufgrund persönlicherEigenschaften oder Überzeugungen zu akzeptieren.Unternehmerische Verantwortung wird aber auchdarin deutlich, dass Unternehmer in Umweltfragenüber den Tellerrand des Umweltrechts hinausblickenund z. B. freiwillige Umweltmanagement-Systemeinsbesondere nach der europäischen EMAS-Verordnung,aber auch nach ISO 14001 einführen. Nochweitblickender sind Unternehmen, die die Leitideeder nachhaltigen Entwicklung <strong>zur</strong> Chefsachemachen – auch im Rahmen ihres inter<strong>nationalen</strong>Engagements, z.B. in Entwicklungs- und Schwellenländern.Nachhaltigkeitsberichterstattung ist eine guteMöglichkeit für Unternehmen, ihre „Nachhaltigkeitskompetenz“zu beweisen. Von den 150 größtendeutschen Unternehmen veröffentlichen bislang 58Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte. Die meistenBerichte kommen von Chemie- und Pharmaunternehmensowie von Banken. Im Interesse der Unternehmenselbst sollte diese freiwillige Berichterstattungnoch umfassender und in mehr Bereichengenutzt werden.„ Verantwortung ist immer Freiheit und Pflicht zugleich.Wer Verantwortung übernimmt, wer sie trägt, muss selbst alsfreier Mensch Rede und Antwort über sein Tun und auch übersein Nicht-Tun stehen. Das steckt in dem Begriff „ Verantwortung“.“Dr. Volker Hauff, Vorsitzender des Rats für Nachhaltige Entwicklung,21. November 2007Nachhaltiges Wachstum ist auf eine Entkoppelungvon Wohlstandsentwicklung und Umweltverbrauchausgerichtet. Ein solches nachhaltigesWachstum stärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeitder deutschen Wirtschaft dauerhaft undschafft neue Arbeitsplätze. Auf lange Sicht könnendeutsche Unternehmen im globalen Wettbewerbnur bestehen, wenn sie permanent die Effizienz derProduktionsbedingungen und der Produkte verbessern– z.B. durch die Einsparung von Energie- undMaterialkosten. Diese Produkte müssen sich dannim Markt bewähren. Hier kommt der Kaufentscheidungvon Verbraucherinnen und Verbrauchernentscheidende Bedeutung zu. Gleichzeitig fällt derPolitik die Aufgabe zu, geeignete Rahmenbedingungenfür eine Ausrichtung auf eine nachhaltigeProduktion und einen nachhaltigen Konsum zuschaffen.Die Stärkung innovativer Wachstumskräfte istvon größter Bedeutung für Arbeit, Wohlstand, sozialeSicherheit und hohe Umweltqualität. Ein Beispielfür die Innovationskraft und Exportstärke Deutschlandsist die Umwelttechnologie. Hier ist Deutschlandzu einem weltweit führenden Anbieter avanciert.Die durchschnittlichen Wachstumsraten von2004 bis 2006 mit 11 % in der Rohstoff- und Materialeffizienzund bis zu 30 % in der umweltfreundlichenEnergieerzeugung setzen hier Maßstäbe. Die in einernachhaltigen Produktion liegenden Chancen weiterzu stärken, ist Anliegen der Bundesregierung.Aufgabe der Wirtschaftspolitik ist es, die Rahmenbedingungenfür erfolgreiches nachhaltiges


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND25unternehmerisches Handeln weiter zu stärken.Haushaltskonsolidierung, dauerhafte Senkungder Lohnzusatzkosten, Unternehmens- und Erbschaftssteuerreform,Flexibilität am Arbeitsmarkt,anspruchsvolle Effizienz- und Umweltstandards,Bürokratieabbau und Bereitstellung von Wagniskapitalfür Unternehmensgründungen sind hier einigeStichworte. Wenn es uns gelingt, das Wohlstandsniveauin Deutschland weiter auszubauen und die bestehendenChancen für ein nachhaltiges Wachstumzu nutzen, dienen wir damit gleichzeitig der Verwirklichungunserer Ziele wie Generationengerechtigkeit,Chancengleichheit sowie der Erreichungvon Umwelt- und Klimaschutz.Ausgewählte Elemente der Reformstrategie <strong>2008</strong>• Aufstiegschancen und Durchlässigkeit im Bildungssystemverbessern• weitere Steigerung der F+E-Quote. Ziel ist, dass Bund,Länder und Wirtschaft gemeinsam bis 2010 3 % des BIP fürForschung und Entwicklung <strong>zur</strong> Verfügung stellen.• Umsetzung des Integrierten Energie- und Klimaprogramms,um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringernund die Energiegewinnung durch mehr erneuerbareEnergien und mehr Energieeffizienz klimafreundlicher zugestalten• Globalisierung nachhaltiger machen, indem internationalsoziale und ökologische Standards vorangebracht, gesellschaftlicheVerantwortung von Unternehmen (CSR) und dieTransparenzinitiative für Rohstoffe gefördert und die ILO-Konvention umgesetzt werden• betriebliche und private Altersvorsorge verstetigen• Gesundheitsvorsorge und -förderung verbessern• Erbschaftssteuerrecht neu regeln, insbesondere um Unternehmensnachfolgein KMU zu erleichtern• Modernisierung durch mehr IT, z. B. Kfz-Zulassung online,elektronische Steuererklärung oder elektronische Gesundheitskarte2. Beispiel solide HaushaltspolitikIst bei bestimmten Themen der Nachhaltigkeitsbezugnoch leicht feststellbar, werden andere in derÖffentlichkeit nicht auf Anhieb als Nachhaltigkeitsthemaerkannt – selbst dann, wenn es sich dabeiim Kern um Fragen der nachhaltigen Entwicklungdreht. Ein Beispiel hierfür ist die Haushaltspolitik.Der von der Bundesregierung verfolgte finanzpolitischeKurs ist ein wichtiges Element der Zukunftsvorsorgeund ein Schlüssel <strong>zur</strong> Verbesserung der Qualitätder Staatsausgaben, indem er Konsolidierungsanstrengungenmit wachstumsfördernden Impulsenwirkungsvoll verknüpft. Nicht kurzfristige Ergebnissezählen, sondern die langfristige positive Wirkung.Die Bundesregierung hat in diesem Jahr denzweiten Ressort-Bericht <strong>zur</strong> Tragfähigkeit der öffentlichenFinanzen veröffentlicht. Der Bericht zeigt dielangfristigen Wirkungen der demografischen Entwicklungauf die öffentlichen Haushalte und stelltgeeignete Reformkonzepte dar, um den Wandelerfolgreich zu meistern.Zentrales Ziel einer nachhaltigen Finanzpolitik ist– neben der Förderung von Wachstum und Beschäftigung– die Wahrung bzw. Herstellung der Generationengerechtigkeit.Eine dauerhaft defizitfinanzierteHaushaltspolitik geht zu Lasten der Bedürfnissekommender Generationen. Deutschland hat in denvergangenen Jahrzehnten von der Substanz gelebt –die Folge ist ein Schuldenberg von knapp 1.600 Mrd.Euro. Leben wir weiterhin über unsere Verhältnisse,schränken wir die Entfaltungsmöglichkeit unsererKinder und Enkel in unzumutbarer Weise ein.Die Lösung der Verschuldungsfrage ist unverzichtbar,auch um dem Staat neue Handlungsspielräumezu eröffnen. Gleichzeitig hilft dies, die Herausforderungenaus dem demografischen Wandelzu meistern. Denn Lasten für die Zukunft ergebensich nicht nur aus dem Schuldenstand, sondern auchaus künftigen Leistungsansprüchen an die sozialenSicherungssysteme.Aus wachstums- und gesellschaftspolitischenGründen ist es – neben der quantitativen Rückführungder öffentlichen Verschuldung – ebenso wichtig,die Qualität der Staatsausgaben zu verbessern. Dennauch das Unterlassen von erforderlichen Investitionenbeeinträchtigt die Lebenschancen künftigerGenerationen. Die Struktur des Bundeshaushalts istin den vergangenen Jahren stark durch konsumtiveAusgaben geprägt worden. So beanspruchten dieAusgaben für die soziale Sicherung, insbesondere fürdie Rentenversicherung und den Arbeitsmarkt, imJahr 2006 ca. 52 % der gesamten Bundesausgaben.Dieser Anteil wird jedoch nach der Finanzplanungdes Bundes in den nächsten Jahren sinken. Zinszahlungenmachen rd. 15 % aus. Um die Qualität desBudgets zu verbessern, hat die Bundesregierung beispielsweisekonsequent Subventionen (Finanzhilfen,Steuervergünstigungen) abgebaut. Zu einer weiterenVerbesserung der Effizienz und Effektivität läuft derzeiteine Evaluierung der 20 größten Steuervergünstigungen;das hierzu vergebene Forschungsgutachtensoll im Herbst <strong>2008</strong> vorgelegt werden. Zugleichwerden Schwerpunkte in Zukunftsbereichen gesetzt.Bildung, Forschung und Innovationen, Wissenschaft,Umweltschutz sowie Vereinbarkeit von Familie undBeruf stehen dabei – neben höheren Investitionsausgaben– im Zentrum der Politik der Bundesregierungfür ein nachhaltiges Wachstum.Jedes Hinausschieben der notwendigen Haushaltssanierungwürde den Konsolidierungsbedarfnur weiter in die Höhe treiben.


26 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGENVerzicht auf neue SchuldenDie Finanz- und Wirtschaftpolitik der Bundesregierungist auf die strukturelle Konsolidierungder öffentlichen Haushalte und der sozialen Sicherungssystemewie auf die Verbesserung der Rahmenbedingungenfür Wachstum und Beschäftigungausgerichtet. Die positive Bilanz der vergangenenzwei Jahre bestätigt das erfolgreiche Zusammenspielzwischen Konsolidierung und Wachstum.Bei der Senkung der Neuverschuldung hat dieBundesregierung große Fortschritte erzielt. SeitBeginn der Legislaturperiode im Jahr 2005 wurdedie Neuverschuldung im Bundeshaushalt mehr alshalbiert. Im Jahre 2007 war der Staatshaushalt insgesamtausgeglichen – erstmals seit dem Jahr 1989. Damitrückt auch ein ausgeglichener Bundeshaushaltohne neue Schulden immer mehr in greifbare Nähe.Bis zum Jahr 2011 soll die Neuverschuldung imBundeshaushalt auf Null reduziert werden. DiesesZiel wird mit diesem Bericht neu als Ziel der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>verankert (Indikator 6).Neben der guten wirtschaftlichen Entwicklunghaben maßgeblich eine Vielzahl von Sparanstrengungen<strong>zur</strong> Stabilisierung der öffentlichen Haushaltebeigetragen. Hierzu zählt einerseits etwa dieErhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit und dieweitere Reduzierung des Weihnachtsgeldes bei denBeschäftigten des Bundes. Auf der anderen Seitehaben der Abbau von Steuervergünstigungen undsteuerlichen Sonderregelungen sowie die Anhebungdes allgemeinen Umsatzsteuersatzes und des Regelsteuersatzesder Versicherungsteuer um jeweils3 %-Punkte zu dauerhaften steuerlichen Mehreinnahmengeführt. Gleichzeitig wurde das Aufkommeneines Umsatzsteuerpunktes an die Bundesagenturfür Arbeit weitergeleitet, um die Senkung desArbeitslosenversicherungsbeitrags zu ermöglichen.Jenseits der bereits erzielten Erfolge ist die Konsolidierungder öffentlichen Haushalte, insbesonderedes Bundeshaushalts, nach wie vor eine entscheidendeHerausforderung dieser Legislaturperiode.FöderalismusreformIn Deutschland werden die Rahmenbedingungender Wirtschafts- und Finanzpolitik maßgeblichdurch die föderale Struktur des Bundesstaatesmitbestimmt. Im Rahmen der aktuellen Aktivitätender Föderalismusreform II sollen nunmehr die Bund-Länder-Finanzbeziehungen den veränderten Rahmenbedingungenangepasst werden. Eine zentraleRolle im Finanzbereich wird dabei der Begrenzungder Staatsverschuldung beigemessen. StringentereVerschuldungsregeln können dafür sorgen, dass derStaat die finanziellen Spielräume <strong>zur</strong>ückgewinntbzw. erweitert, die <strong>zur</strong> Erfüllung der drängendenZukunftsaufgaben notwendig sind. Über Finanzthemenhinaus erstrecken sich die Beratungen auch aufMöglichkeiten <strong>zur</strong> Verbesserung der Qualität und derWirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung, z. B.durch Neustrukturierung, Standardisierung, Automatisierung,Bündelung oder Verbesserung der ebenenundorganisationsübergreifenden Zusammenarbeit.Angesichts des erheblichen Schuldenstandesauf Bundes- und Länderebene ist eine gemeinsameStrategie <strong>zur</strong> durchgreifenden Konsolidierung deröffentlichen Haushalte unerlässlich. Hierzu soll dieAufnahme neuer Schulden durch eine Verfassungsänderungklargestellt und begrenzt werden. Diebestehende Neuverschuldungsgrenze des Artikels115 Grundgesetz konnte die Schuldendynamik derletzten Jahrzehnte nicht wirksam begrenzen. Ziel isteine neue Schuldenregel, die sich am Grundkonzeptdes Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktesorientiert und bei der Haushaltswirtschaft dem Zieleines über den Konjunkturzyklus annähernd ausgeglichenenHaushalts Rechnung trägt.Die Beratungen hierzu sollen noch in dieserLegislaturperiode abgeschlossen und die Ergebnissegesetzgeberisch umgesetzt werden.3. Beispiel Bildung für nachhaltige EntwicklungPolitik kann Rahmen setzen. Eine breite Wirkungentfalten kann der Gedanke der Nachhaltigkeit abererst, wenn er Teil des Alltags und Maßstab für Entscheidungenim alltäglichen Leben wird – beimEinkauf und der Entscheidung für die Urlaubsreisewie für das Engagement in Vereinen oder im sozialenBereich. Die Verwirklichung von Nachhaltigkeit erfordertdie Mitwirkung jedes einzelnen Bürgers. UmNachhaltigkeit zu realisieren, brauchen wir innovativeLösungen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit,soziale Gerechtigkeit und Verantwortung für dienatürliche Umwelt miteinander in Einklang bringen.„Nachhaltige Entwicklung beginnt im Kopf und setztImpulse für den Fortschritt frei. Bildung, Forscherdrang undErfindergeist sind ihre Treibstoffe. Unternehmertum undZivilgesellschaft sind ihre Motoren.“Prof. Dr. Jürgen Rimpau, Mitglied des Rats für NachhaltigeEntwicklung


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND27Der Bildung kommt dabei eine Schlüsselrollezu. Aufgrund der Kompetenzverteilung zwischenBund und Ländern, nicht zuletzt gestärkt durch dieErgebnisse der Föderalismusreform vom Sommer2006, liegt die Verantwortung für die Ausgestaltungder Bildungspolitik in besonderem Maße bei denBundesländern.UN-Dekade „ Bildung für nachhaltige Entwicklung“Die Vereinten Nationen haben in Umsetzung derBeschlüsse des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung2002 in Johannesburg die Jahre 2005–2014 <strong>zur</strong>UN-Dekade „ Bildung für nachhaltige Entwicklung“ausgerufen. Der UNESCO wurde die internationaleFederführung übertragen. In einem einstimmigenBeschluss vom 1. Juli 2004 forderte der DeutscheBundestag die Bundesregierung auf, Maßnahmen<strong>zur</strong> Umsetzung der UN-Dekade zu ergreifen undeinen Aktionsplan auf den Weg zu bringen. Dies istam 13. Januar 2005 geschehen. Die UN-Dekade wirdin Deutschland unter der Schirmherrschaft von BundespräsidentHorst Köhler umgesetzt.Strategische Ziele des <strong>nationalen</strong> Aktionsplans fürdie UN-Dekade „ Bildung für nachhaltige Entwicklung“vom 13. Januar 20051. Weiterentwicklung und Bündelung der Aktivitätensowie Transfer guter Praxis in die Breite2. Vernetzung der Akteure der Bildung für nachhaltigeEntwicklung3. Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung vonBildung für nachhaltige Entwicklung4. Verstärkung internationaler KooperationenAuf der Grundlage des Beschlusses des DeutschenBundestags und im Auftrag der Bundesregierungkoordiniert die Deutsche UNESCO-Kommission – gefördertaus dem Bundeshaushalt – die Umsetzungder UN-Dekade in Deutschland. Sie hat dafür als Beratungs-und Steuerungsgremium ein Nationalkomiteeberufen; vertreten darin sind Bundesregierung, Parlament,Länder, Kommunen, Privatwirtschaft, Medienund Nichtregierungsorganisationen, Fachwissenschaftlersowie die Landesschülervertretungen.Der Aktionsplan umfasst einen Katalog vonderzeit 67 Maßnahmen, der regelmäßig aktualisiertwird. Eine erste Evaluation der Maßnahmen nachzwei Jahren Laufzeit ergab Erfolg versprechendeFortschritte in nahezu allen Bereichen.Allerdings müssen für eine flächendeckendeVerankerung der nachhaltigen Entwicklung im Bildungswesentrotz zahlreicher sichtbarer Fortschrittein den letzten Jahren auch weiterhin erheblicheAnstrengungen unternommen werden. Zu denZielen gehört es, die Umsetzung der Dekade inDeutschland auf eine breite Basis zu stellen und dieVernetzung der Akteure der Bildung für nachhaltigeEntwicklung zu stärken. Dazu hat das Nationalkomiteezu einem Runden Tisch eingeladen, an dem 100Einrichtungen der Bildung für nachhaltige Entwicklungvertreten sind.Um gute Praxisbeispiele in der Öffentlichkeitsichtbar zu machen und die Anliegen der Bildungfür nachhaltige Entwicklung in die Breite zu tragen,zeichnet das Nationalkomitee „Offizielle Projekte derUN-Dekade“ aus. Städte, Landkreise und Gemeindenkönnen sich um die Auszeichnung „Kommune derUN-Dekade“ bewerben. Bislang wurden 633 Initiativenals offizielle deutsche Projekte <strong>zur</strong> UN-Dekadeanerkannt. Nach dem deutschen Vorbild führen weitereUNESCO-Mitgliedstaaten derzeit eine ähnlicheZertifizierung ein. Zur Förderung der öffentlichenWahrnehmung der Bildung für nachhaltige Entwicklungund der besseren Vernetzung der Akteurebetreibt die Deutsche UNESCO-Kommission zudemein Internetportal <strong>zur</strong> Bildung für nachhaltige Entwicklung(www.bne-portal.de).Gemäß den Zielsetzungen des Aktionsplans setztsich die Bundesregierung auch international füreine aktive Umsetzung der UN-Dekade „ Bildung fürnachhaltige Entwicklung“ ein. Sie tut dies durch Mitwirkungan der Programmgestaltung der federführendenUNESCO, durch Mitarbeit im von der UNECEfür die UN-Region Europa eingerichteten Steuerungsgremiumund durch internationale Veranstaltungenund Projekte. Die deutsche Umsetzung der Dekadeals gemeinsames Projekt von Politik und Zivilgesellschaftgilt international als modellhaft. Nicht zuletztdeshalb hat die UNESCO die Einladung der Bundesregierungangenommen, anlässlich der Halbzeit derDekade im Jahr 2009 eine große Weltkonferenz <strong>zur</strong>Bildung für nachhaltige Entwicklung durchzuführen.Die Weltkonferenz ist für den 31. März bis zum2. April 2009 in Bonn geplant.Eine weitere bedeutsame Maßnahme stellt dieQualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“vom Januar <strong>2008</strong> dar, die gemeinsam von Bund undLändern sowie Wirtschaft und Sozialpartnern umgesetztwerden soll (weitere Details Kapitel D.VII.).Transfer 21Entscheidend ist die Verankerung von nachhaltigerBildung in der schulischen Praxis. Hier wurden


28 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGENin den vergangenen Jahren wesentliche Fortschritteerreicht.Ziel des von 2004 bis <strong>2008</strong> laufenden Programms„Transfer 21“ war es, eine Beteiligungvon 10 % der deutschen Schulen an Aktivitäten zunachhaltiger Bildung zu erreichen – aufbauend aufden Ergebnissen, die in einem seit 1999 laufendenVorgängerprogramm der Bund- Länder-Kommissionfür Bildungsplanung und Forschungsförderung(„Programm 21“) erzielt worden waren. An diesemProgramm, das sich als Modellprogramm im wesentlichenauf die Sekundarstufe I und II konzentrierthatte, hatten ca. 200 Schulen aus 15 Ländernteilgenommen.Das Ziel von Transfer 21 wurde erreicht. Insgesamtbeteiligten sich 12,1 % der allgemeinbildendenSchulen der am Programm beteiligten Länder.Besonders groß war das Interesse an Grundschulen;in vielen Ländern stellen Grundschulen über 50 % derteilnehmenden Schulen.OrientierungsrahmenIn intensiver Zusammenarbeit von Experten ausBund, Ländern und Zivilgesellschaft entstand imZeitraum seit 2004 der „Orientierungsrahmen fürden Lernbereich Globale Entwicklung“, der am14. Juni 2007 von den Kultusministern verabschiedetund der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Der Orientierungsrahmenstellt die schulische Befassung mitden Fragen der Globalisierung und der nachhaltigenEntwicklung auf eine neue und breite Grundlage. Erist fächerübergreifend angelegt und ermöglicht dieIntegration dieser Thematik in die Pflichtfächer derSchule, so dass sie Teil der allgemeinen Bildung inDeutschland wird.Der Orientierungsrahmen erschließt die grundlegendenKonzepte nachhaltiger Entwicklung fürden ganzen schulischen Bereich – zum einen durchexemplarische Bezüge zu zentralen Fächern, derenKreis noch erweitert werden soll, zum anderendurch den Anschluss zu aktuellen bildungspolitischenEntwicklungen, die stärker auf einen ergebnisorientiertenund auf Kompetenzerwerb ausgerichtetenUnterricht zielen. Es werden spezifischeKompetenzen definiert, die die Jugendlichen biszum Ende der Sekundarstufe I erwerben sollen; dieDefinitionen dieser Kompetenzen sind kompatibelmit den Kompetenzmodellen der beteiligten Fächerund Fachdidaktiken. Bund und Länder arbeitenauch weiterhin eng bei der Umsetzung des Orientierungsrahmensim Schulbereich zusammen. Einbei InWEnt (Internationale Weiterbildung undEntwicklung gGmbH) angesiedeltes Vorhaben unterBeteiligung von Zivilgesellschaft, Bund und Ländernunterstützt die beteiligten Akteure.Beispiel Unterrichtsmaterial biologische VielfaltSeit 23. Juli <strong>2008</strong> können Unterrichtsmaterialien der Bundesregierungzum Thema „ Biologische Vielfalt“ im Internetwww.bmu.de/bildungsservice) abgerufen werden.In dem von Expertinnen und Experten der Bildung für nachhaltigeEntwicklung gestalteten Unterrichtsmaterial wirdbiologische Vielfalt altersgemäß mit Experimenten, Untersuchungen,Exkursionen und praktischen Übungen als Erlebnisund Sinneserfahrung thematisiert. Die Kinder erforschendie „Apotheke Natur“ und stellen selbst Hustenbonbonsher. Sie beschäftigen sich mit dem Thema „Vielfalt“, indemsie auch die Unterschiede und Gemeinsamkeiten innerhalbihrer Klasse untersuchen. Auf Entdeckungstour in das nähereUmfeld ihrer Schule erfahren sie, wie vielfältig – wenn auchmanchmal auf den ersten Blick unscheinbar – pflanzlichesund tierisches Leben auch in einem städtischen Umfeld seinkann.Am 15. Juni <strong>2008</strong> hat die Kultusministerkonferenzeine gemeinsame Empfehlung mit derDeutschen UNESCO-Kommission <strong>zur</strong> Bildung fürnachhaltige Entwicklung beschlossen. Bildung fürnachhaltige Entwicklung wird darin als eine ganzheitliche,interdisziplinäre Vision von Bildung undErziehung formuliert, die dazu dient, Wissen undHandlungsmöglichkeiten zu vermitteln, die füreine nachhaltige Zukunft unserer Erde wichtig sind.Schülerinnen und Schüler sollen <strong>zur</strong> aktiven Gestaltungeiner ökologisch verträglichen, wirtschaftlichleistungsfähigen und sozial gerechten Umwelt unterBerücksichtigung globaler Aspekte, demokratischerGrundprinzipien und kultureller Vielfalt befähigtwerden.IV. NachhaltigkeitsmanagementNachhaltigkeit ist Leitlinie des konkreten politischenHandelns der Bundesregierung. Insbesonderewird die Bundesregierung noch besser organisatorischsicherstellen, dass Nachhaltigkeit in derVerwaltungspraxis sowie bei der Erarbeitung vonGesetzen und Verordnungen beachtet wird.1. Institutionen – das deutscheNachhaltigkeitssystemAuch im inter<strong>nationalen</strong> Vergleich verfügtDeutschland über ein gutes und ausgebautes Systemvon Nachhaltigkeitsinstitutionen:


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND29a) Nachhaltigkeit ist ChefsacheIn Deutschland ist nachhaltige Entwicklung„Chef-“ bzw. „Chefinnensache“. Denn innerhalb derBundesregierung liegt die Zuständigkeit für die nationale<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> bewusst nicht bei einemMinisterium, sondern beim Bundeskanzleramt.Dies zeigt die Bedeutung, die der Frage beigemessenwird, und ist gleichzeitig Ausdruck desQuerschnittscharakters von Nachhaltigkeit. Alsübergeordnetes Konzept benötigt Nachhaltigkeitden politischen Rückhalt, wie er nur durch dieVerankerung an der Spitze der Regierung erreichtwerden kann.b) Staatssekretärsausschuss als hochrangigesSteuerungsgremiumHochrangiges Koordinierungs- und Monitoringgremiumfür Nachhaltigkeit ist der Staatssekretärsausschussfür nachhaltige Entwicklung. AlsNachhaltigkeits-Schaltzentrale ist es seine Aufgabe,die großen Linien der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> festzulegen,Entwicklungen im Blick zu behalten undggf. steuernd einzugreifen. Kennzeichnend für dieArbeitsweise des Ausschusses ist die Orientierung amressortübergreifenden Gedanken der Nachhaltigkeitals gemeinsamem Projekt der Bundesregierung.Der Ausschuss wird vom Chef des Bundeskanzleramtsgeleitet. Seit dieser Legislaturperiode sindalle Ressorts im Ausschuss vertreten. Dies beruht aufder Einschätzung, dass Nachhaltigkeit alle Politikbereicheund daher alle Ressorts betrifft – auch solche,die klassischerweise bisher nicht damit identifiziertworden sind wie etwa das Bundesministerium desInnern, das Bundesministerium der Justiz oder dasBundesministerium der Verteidigung.c) Die sogenannte UAL-AGKaum öffentlich bekannt, aber von großer Bedeutungfür die Nachhaltigkeits-Praxis der Bundesregierungist die sogenannte UAL-AG. Hinter diesemKürzel verbirgt sich eine dauerhafte Arbeitsgruppe,die den kontinuierlichen Arbeitsprozess innerhalbder Bundesregierung zu Nachhaltigkeit steuert.An dieser Arbeitsgruppe nehmen die Ressort-Verantwortlichen für Nachhaltigkeit auf Ebene der„Unterabteilungsleitung“ (UAL) teil. Hier werdenwiderstreitende Ressortinteressen abgestimmt undkoordiniert; nicht zuletzt werden hier auch die Sitzungendes Staatssekretärsausschusses vorbereitet.Geleitet wird die AG vom Bundeskanzleramt.d) Der Rat für Nachhaltige EntwicklungEine wichtige Rolle bei der Formulierung, Weiterentwicklungund Umsetzung der Strategie spieltder Rat für Nachhaltige Entwicklung. Seine Mitgliederwerden von der Bundeskanzlerin jeweils für dreiJahre ernannt; Wiederernennung ist grundsätzlichmöglich. Vorsitzender des Rats ist Bundesministera. D. Dr. Volker Hauff; stellvertretender Vorsitzenderist Bundesminister a. D. Prof. Dr. Klaus Töpfer. DieMitglieder des Rats repräsentieren nach ihrem fachlichenund persönlichen Hintergrund ökologische,ökonomische, soziale oder globale Belange.Der Nachhaltigkeitsrat berät die Bundesregierungin Fragen der nachhaltigen Entwicklungund soll mit Vorschlägen <strong>zur</strong> Fortentwicklung der<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> beitragen. Zu einzelnenFragen hat er darüber hinaus gesonderte Empfehlungenveröffentlicht. Zudem nimmt der Rat einewichtige Funktion im gesellschaftlichen Dialog<strong>zur</strong> Nachhaltigkeit wahr. Seine Jahreskonferenzenhaben sich zum Forum der Nachhaltigkeitspolitikin Deutschland entwickelt. Im Auftrag der Bundesregierunghat der Rat u. a. im Juni 2006 eine europäischeNachhaltigkeitskonferenz im Kontext derEU-Ratspräsidentschaft durchgeführt.Nachhaltige Entwicklung setzt einen tiefgreifendenWandel von Wirtschaft und Gesellschaftvoraus. Denn erreicht werden kann sie nur dann,wenn Nachhaltigkeit als Prinzip von der Gesellschaftgetragen wird. Daher kann – und sollte sie – nichtvon oben verordnet werden. Will sie erfolgreich sein,müssen Gesellschaft und Wirtschaft Nachhaltigkeitals eigene Aufgabe annehmen.Der Rat beteiligt sich an diesem Bericht miteinem Text, der von ihm als Gastbeitrag selbst verantwortetwird (Kapitel F). Der Rat soll künftig nochstärker in die Arbeit der Bundesregierung hineinwirkenkönnen; hierfür wurden die Arbeitskapazitätenin der Geschäftsstelle des Rats – die vom Generalsekretärdes Rats, Dr. Günther Bachmann, geleitet wird– erhöht. Weitere Informationen zum Rat finden sichunter www.nachhaltigkeitsrat.de.


30 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGENMitglieder des Rats für Nachhaltige EntwicklungHorst FrankOberbürgermeister der StadtKonstanzDr. Hans GeislerSächsischer Staatsminister fürSoziales, Gesundheit, Jugend undFamilie a. D.Dr. Volker HauffSenior Vice President Bearing PointGmbHProf. Dr. Ute KlammerProfessorin für Politikwissenschaften,insbesondere Sozialpolitik an derUniversität Duisburg-EssenProf. Dr. Edward G. KrubasikHonorarprofessor an der TU München,ehem. Zentralvorstand SiemensThomas LosterLeiter der Münchener Rück StiftungProf. Dr. Jürgen RimpauVorstandsmitgliedder Deutschen Landwirtschaftsgesellschafte. V., HalberstadtProf. Dr. Georg TeutschWissenschaftlicher GeschäftsführerHelmholtz-Zentrum für UmweltforschungGmbH – UFZMarlehn ThiemeMitglied des Rats derEvangelischen Kirche in Deutschland,Director der Deutsche Bank AGProf. Dr. Klaus TöpferEhem. Undersecretary General derVereinten Nationen, ehem. ExecutiveDirector des United Nations EnvironmentProgramme (UNEP)Christiane UnderbergMitinhaberin Underberg KGMichael VassiliadisMitglied des geschäftsführendendenHauptvorstandes der IG BCEHubert WeinzierlPräsident des Deutschen Naturschutzrings(DNR)Dr. Angelika ZahrntEhrenvorsitzende desBundes für Umwelt undNaturschutz (BUND)


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND31e) Der Parlamentarische Beirat für nachhaltigeEntwicklungWichtig ist der Rückhalt, den die Bundesregierungnun schon seit zwei Legislaturperioden imDeutschen Bundestag findet.„Nachhaltigkeit ist und bleibt, unabhängig von Wahlentscheidungen,eine langfristige Daueraufgabe für alle, umökonomische, soziale und ökologische Herausforderungenzu vernetzen und unser Land zukunftsfähig zu machen.“Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung, Pressemitteilungvom 20. Januar 2005Der Beirat wurde im Frühjahr 2004 erstmalsvom 15. Deutschen Bundestag eingerichtet, umden Nachhaltigkeitsprozess in Deutschland vonder Parlamentsseite aus noch intensiver zu begleiten.Unter seinem Vorsitzenden Dr. Günter KringsMdB hat sich der Beirat in dieser Legislaturperiodeintensiv mit zentralen Fragestellungen der Nachhaltigkeitbeschäftigt, etwa im Rahmen von Expertenanhörungen.Dem Beirat gehören nunmehr40 Bundestagsabgeordnete aus allen Fraktionen an,die als Transmissionsriemen in die Arbeit der Fraktionenund Fachausschüsse wirken können. Der Beiratunterbreitet u. a. Vorschläge <strong>zur</strong> Weiterentwicklungder <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> und gibt mittel- bislangfristig orientierte Empfehlungen zu einzelnennachhaltigkeitsrelevanten Themenbereichen ab.Auch der Beirat beteiligt sich am vorliegenden Berichtmit einem Gastbeitrag (Kapitel E).2. ReformbedarfMehr Verbindlichkeit – so lautet eine Forderung,die mit Blick auf die bisherigen Erfahrungen mit der<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> an die Bundesregierunggestellt worden ist. Hierfür hat sich u. a. der Rat fürNachhaltige Entwicklung in seiner Empfehlung „Wirksamerdurch mehr Verbindlichkeit“ ausgesprochen.• „Jede glaubwürdige Strategie muss neben den staatlichenAkteuren, die unverzichtbar sind, auch die Akteureder Wirtschaft und der Zivilgesellschaft mit einbeziehen.“• „Es gibt keine <strong>nationalen</strong> Inseln für eine nachhaltige Entwicklung.“• „Nur was sich messen lässt, kann man auch managen.“• „Verbindlichkeiten stärken“• „Management der öffentlichen Dinge“• „Zielkonflikte benennen“• „Das Lernfeld gestalten“Aus: Wirksamer durch mehr Verbindlichkeit – Empfehlung desRats für Nachhaltige Entwicklung, 23. August 2007Auch der Parlamentarische Beirat für nachhaltigeEntwicklung strebt eine stärkere Steuerungsfunktionder <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> an; konkretplädiert er für Änderungen, um dem langfristigenund ressortübergreifenden Anspruch an nachhaltigeEntwicklung besser gerecht zu werden.Die Notwendigkeit einer Weiterentwicklungder Strategie mit Blick auf Managementaspektewird vom Sachverständigenrat für Umweltfragenin seinem Umweltgutachten <strong>2008</strong> hervorgehoben;u.a. spricht sich der Sachverständigenrat darin fürVerbesserungen bei Monitoring und Evaluationsowie die Stärkung der institutionellen und personellenBasis des Nachhaltigkeitsprozesses etwadurch Einrichtung einer eigenständigen Arbeitseinheitfür Nachhaltigkeit im Bundeskanzleramtaus. Unterstützt wird diese Forderung u.a. durchdie Umweltverbände und aus dem parlamentarischenRaum.Mit seinen Nachhaltigkeitsaktivitäten stehtDeutschland auch im inter<strong>nationalen</strong> Vergleichsehr gut da. Mit den behandelten Themen wurdenwichtige Entwicklungen angeschoben; ein Beispieldafür ist die Kraftstoffstrategie (hierzu auchim Kapitel D.I.1.). Die <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> hatwichtige Vorarbeiten geleistet, auf deren Basis dannpolitische Prozesse – oft ohne ausdrücklichen Bezugauf die Strategie – fortgeführt wurden. Selbst dort,wo Themen nicht ausdrücklich unter dem VorzeichenNachhaltigkeit behandelt und kommuniziertwerden, sind entsprechende Belange von entscheidenderBedeutung.Trotzdem kann und soll Nachhaltigkeit noch stärkerin den Mittelpunkt der Arbeit der Bundesregierungrücken. Die Bundesregierung setzt sich dafürein, Nachhaltigkeitsmanagement auf allen Ebenen(EU, Bund, Länder und Kommunen) und in allengesellschaftlichen Sektoren (Verwaltung, Unternehmen,Haushalte etc.) voran zu treiben.3. MaßnahmenZur Erhöhung der Steuerungsfähigkeit der Strategiesieht die Bundesregierung folgende Maßnahmenvor, die bereits umgesetzt worden sind oderkurzfristig umgesetzt werden:a) Steuerungsfähigkeit des NachhaltigkeitsgedankenserhöhenDer Ansatz der Nachhaltigkeit wird besser handhabbargemacht und damit seine Steuerungsfähigkeiterhöht.


32 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGENStrategien können Einzelentscheidungen inPolitikfeldern nicht ersetzen, sollen ihnen aber einengemeinsamen Rahmen geben. Diesen Rahmen kanndie <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> nur dann geben, wennKlarheit über ihren Inhalt herrscht. Nicht hilfreichist, dass der Begriff Nachhaltigkeit oft irreführendals Synonym für „nachdrücklich“ oder „andauernd“gebraucht wird. Dadurch kann der Eindruck entstehen,das Konzept der Nachhaltigkeit sei letztlichinhaltsleer, weil beliebig. Die Bundesregierungwird daher künftig noch stärker darauf achten, denBegriff zutreffend zu verwenden.Was die Bundesregierung konkret unter Nachhaltigkeitversteht, wurde oben dargelegt. Zum Teilist jedoch nicht klar genug, was genau die geltendeStrategie ist – das Dokument der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>von 2002, der <strong>Fortschrittsbericht</strong> von 2004oder der Wegweiser Nachhaltigkeit 2005? Zusätzlicherschwert wird die Umsetzung der Strategie inder Praxis durch die fehlende Trennung zwischenStrategie und Berichten sowie das Fehlen von Aussagendazu, welche Teile ggf. inhaltlich bzw. politischüberholt sind.Die Bundesregierung stellt daher die Kernelementeder Strategie nochmals klar (vgl. Anhang,S. 206). Dies umfasst u. a. die Managementregeln,die Indikatoren und Ziele sowie wesentliche Punkteaus den Bereichen Institutionen und Verfahren.b) Stärkere Integration in die politische undadministrative PraxisUm die Steuerungsfähigkeit von Nachhaltigkeitals wegweisendes integratives Konzept stärker zunutzen, integriert die Bundesregierung Nachhaltigkeitweiter in die politische und administrativePraxis. Der Ansatz der nachhaltigen Entwicklungkann Politik nur dann gestalten, wenn er Leitliniepraktischen Handelns ist.aa) Managementregeln der NachhaltigkeitZentrales Hilfsmittel für den Weg von der Theoriein die Praxis sind die Managementregeln derNachhaltigkeit. Mit ihnen hat die Bundesregierungin der Strategie 2002 an bestehende Vorarbeiten wiedie Untersuchungen von BUND/Misereor (ZukunftsfähigesDeutschland, 1996), des Umweltbundesamtes(Nachhaltiges Deutschland 1997) sowie derEnquete-Kommission „Schutz des Menschen undder Umwelt“ des 13. Deutschen Bundestages (KonzeptNachhaltigkeit, 1998) angeknüpft und dasKonzept weiterentwickelt.Die wichtigste Regel – die Grundregel – lautet:Jede Generation muss ihre Aufgaben selbst lösenund darf sie nicht den kommenden Generationenaufbürden. Zugleich muss sie Vorsorge für absehbarezukünftige Belastungen treffen.Daneben gibt es Regeln für einzelne Handlungsbereiche.Die Managementregeln werden mit diesem<strong>Fortschrittsbericht</strong> aufgrund der Entwicklungseit 2002 aktualisiert (vgl. Anhang, S. 206).bb) Managementsystem – konkrete Ziele, klareVerantwortlichkeiten, Verfahren undregelmäßige ErfolgskontrolleDie Managementregeln für die tägliche Arbeitder Bundesregierung noch relevanter zu machen– dies ist das Ziel der im Folgenden dargestelltenNeuerungen.Ausgangspunkt dafür, den breiten Kreis vorhandenerInstitutionen noch besser für eine Steuerungim Sinne der nachhaltigen Entwicklung zu nutzen,ist der Managementgedanke. Kern eines Managements– z. B. eines Qualitätsmanagements nachISO 9000 oder des Umweltmanagements nach derEU-EMAS-Verordnung bzw. nach ISO 14001 – ist dieOrientierung an konkreten Zielen, die regelmäßigeErfolgskontrolle bei klaren Verantwortlichkeitenund das „Nachsteuern“, wenn Entwicklungen (noch)nicht in die richtige Richtung gehen.Anpassung der Nachhaltigkeitsindikatorenund ZieleIndikatoren <strong>zur</strong> Messung von Entwicklungen undkonkrete Ziele, an denen diese Entwicklungen überprüftwerden, sind notwendiger Inhalt eines Managementansatzes.Neben Zielen in Einzelfeldern, diesich die Bundesregierung aktuell setzt, bestehendauerhafte übergeordnete Nachhaltigkeitsziele.Diese untersetzen die Strategie in 21 Bereichen undbetreffen die Bandbreite der politischen Aufgaben– von Ressourcenschonung bis <strong>zur</strong> Öffnung vonMärkten für Entwicklungsländer.Die Bundesregierung hat mit diesem Berichtdas bestehende System der Indikatoren undZiele überarbeitet. Ausgangspunkt war dabei dieEinschätzung, dass Kontinuität bei Zielen undIndikatoren eine wichtige Voraussetzung dafürist, um die für eine nachhaltige Entwicklung entscheidendenlangfristigen Trends wahrnehmbarzu machen. Die Bundesregierung hat sich deshalb


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND33überwiegend für ein Festhalten an Indikatorenund Zielen entschieden, auch wenn die Zielerreichungnur langfristig bzw. durch eine Umkehraktueller Trends möglich ist. Trotz des Bemühensum Kontinuität war es in anderen Fällen an derZeit, die bestehenden Ziele und Indikatoren anzupassen.In einem speziellen interministeriellen Arbeitskreiswurden die damit verbundenen Fragenintensiv diskutiert. Das Ergebnis wird im Kapitel Bdargestellt und erläutert.Nachhaltigkeitsprüfung in der GesetzesfolgenabschätzungFür die Einführung einer Nachhaltigkeitsprüfungbei der Gesetzesfolgenabschätzung haben sich z.B.der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung– u.a. in einer von allen Fraktionen getragenenEntschließung vom 3. März <strong>2008</strong> –, der Sachverständigenratfür Umweltfragen in seinem Umweltgutachten<strong>2008</strong> sowie das Forum Nachhaltige Entwicklungder Deutschen Wirtschaft e. V. (Econsense) ausgesprochen.Die Bundesregierung greift diese Forderung imRahmen der Novelle der Gemeinsamen Geschäftsordnungder Bundesregierung (GGO) auf.Künftig soll Nachhaltigkeit ein Bestandteil derGesetzesfolgenabschätzung werden. Nur wenn möglicheunbeabsichtigte Nebenwirkungen eines Rechtsetzungsvorhabens– in generationenübergreifenderund globaler Betrachtung – möglichst frühzeitigim Normsetzungsverfahren in den Blick genommenwerden, lassen sich dadurch entstehende Problemelösen; denn nur dann öffnet sich der Blick auf möglichegrundlegende Alternativen. Daher soll in denRessorts durch die jeweiligen Bearbeiterinnen bzw.Bearbeiter möglichst frühzeitig die Frage gestelltwerden, ob eine geplante Regelung potenziell dazubeiträgt, das Ziel einer nachhaltigen Entwicklungzu erreichen, oder ob die Regelung mit diesem Zielin Konflikt geraten kann. Eine entsprechende Regelungwird in § 44 der GGO eingefügt.Stärkung der Rolle des StaatssekretärsausschussesEine stärkere Bedeutung als zentrale Instanz fürdas Nachhaltigkeitsmanagement innerhalb derBundesregierung soll künftig der Staatssekretärsausschussfür nachhaltige Entwicklung haben, der früherin etwas verkürzter Betrachtung als „Green Cabinet“bezeichnet worden ist. Seine Sitzungsfrequenz wirdanlassbezogen erhöht. Damit kann der Ausschussbesser <strong>zur</strong> Diskussion laufender politischer Vorhabenunter dem Blickwinkel Nachhaltigkeit genutzt werden.Hinzu kommen sollen Kurzberichterstattungender Ressorts zu Nachhaltigkeit im eigenen Zuständigkeitsbereich.Hierdurch wird ein etwas mehr alsein Jahr dauernder Managementkreislauf geschaffen,der alle Politikbereiche abdeckt und so die Umsetzungdes Nachhaltigkeitsgedankens stärkt. Zuden Sitzungen des Staatssekretärsausschuss könnendie Vorsitzenden des Parlamentarischen Beirats fürnachhaltige Entwicklung und des Rats für NachhaltigeEntwicklung, aber auch ggf. Vertreter der Länderoder der kommunalen Ebene eingeladen werden.<strong>Fortschrittsbericht</strong> und IndikatorenberichtDie Bundesregierung berichtet künftig einmalpro Legislaturperiode <strong>zur</strong> Nachhaltigkeit im Rahmeneines umfassenden <strong>Fortschrittsbericht</strong>s. Danebentreten alle zwei Jahre Berichte <strong>zur</strong> Entwicklungder Nachhaltigkeitsindikatoren. Hierbei hat sich dieAnalyse durch das Statistische Bundesamt bewährt.c) Vertikale und horizontale Integration stärkenaa) Ressortübergreifende ProjekteDamit sich alle Ressorts Nachhaltigkeit als Zielnoch stärker zu eigen machen, sind übergeordneteProjekte sinnvoll, die nicht ein Ressortinteresse,sondern ein eng mit dem Gedanken der Nachhaltigkeitverknüpftes Anliegen als Hauptziel haben undso zeigen, dass Nachhaltigkeit von der Bundesregierungals Querschnittsthema im eigenen Handelnpraktiziert wird. Ein Beispiel hierfür ist der Beschlussder Bundesregierung für klimaneutrale Dienstreisen(mehr hierzu im Kapitel C. I.). Die Bundesregierungwird regelmäßig prüfen, welche weiteren Projektesich hierfür besonders eignen.bb) Verknüpfung mit der europäischenStrategie stärkenPolitikgestaltung findet heute in einem Wechselspielzwischen der <strong>nationalen</strong> und der europäischenEbene statt. Die nationale <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>steht deshalb im Bezug zu der „erneuerten Strategiefür nachhaltige Entwicklung“, die der EuropäischeRat im Juni 2006 beschlossen hat (mehr dazu im KapitelI). Zur stärkeren Verknüpfung der <strong>nationalen</strong><strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> mit der europäischen Strategienimmt dieser Bericht bei der Darstellung in KapitelD die Gliederung der europäischen Strategie auf.


34 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGENcc) Stärkere Einbindung von weiteren Akteurender nachhaltigen EntwicklungIm Sinn einer besseren vertikalen Verbindung der<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>n sollte auch die Verknüpfungder <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>n zwischen Bund,Ländern und Kommunen gestärkt werden. Bereits beiden vorhergehenden Berichten wurde der Standder Nachhaltigkeit in den Ländern auf der Basisvon Textbeiträgen der Länder dargestellt. DieserBericht geht nun einen Schritt weiter, indem dieLänder die Möglichkeit zu einem Gastbeitrag erhaltenhaben (Kapitel G). Gleiches gilt für die kommunalenSpitzenverbände (Kapitel H). Der Bund hatein Interesse daran, diese Zusammenarbeit weiterauszubauen.NachhaltigkeitsmanagementStatistischesBundesamtRat für NachhaltigeEntwicklungParlamentarischerBeirat für nachhaltigeEntwicklungLänderKommunaleSpitzenverbändeGgf. auf Einladung Teilnahme an Sitzungen und Beiträge zu BerichtenStaatssekretärsausschussfür nachhaltige EntwicklungVorbereitungGeschäftsstelle (Bundeskanzleramt)LeitungAG für nachhaltigeEntwicklung(UAL-AG)Berichte derRessortsEntscheidungenTeilnahmeRessort Ressort Ressort Ressort Ressort RessortNachhaltigkeitsprüfungGesetzesfolgenabschätzungV. Gesellschaftliche Dimension – der Wegzum BerichtNachhaltige Entwicklung beruht auf Partizipationund Teilhabe. Sie lebt von der gesellschaftlichenDiskussion, von einer möglichst breitenBeteiligung der Bürgerinnen und Bürger. DieDiskussion, wie wir langfristig leben wollen undwelche Prioritäten wir dabei setzen, geht alle an;dabei wirbt die Bundesregierung für eine starkenachhaltige Entwicklung.Wie schon 2001/2002 bei der Erarbeitung derStrategie und 2004 beim ersten <strong>Fortschrittsbericht</strong>hat die Bundesregierung deshalb großen Wert daraufgelegt, der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben,sich frühzeitig und umfassend mit Anregungenund Vorschlägen zu beteiligen. Schon im November2007 wandte sich die Bundesregierung mit der Veröffentlichungeines Konsultationspapiers an die interessierteÖffentlichkeit und bat um Stellungnahmenund Anregungen. Hierüber hat die Bundesregierungumfangreich informiert.Im Mai <strong>2008</strong> wurde dann der Entwurf desBerichts nach Billigung durch den Staatssekretärsausschussfür nachhaltige Entwicklung veröffentlicht.Der Text war für alle Bürgerinnen und Bürgerim Internet einsehbar und konnte gegenüber derBundesregierung kommentiert werden. Auch auf


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND35diese Möglichkeit wurde umfangreich hingewiesen.Genutzt haben sie neben Einzelpersonen undVerbänden zum Teil auch Vertreter von einzelnen imBundestag vertretenen Parteien, wobei neben generellenübergreifenden Anmerkungen auch konkreteTextänderungsvorschläge unterbreitet worden sind.Neben Veranstaltungen einzelner Ressorts mit Verbändenund Interessengruppen mit Schwerpunkt inden Bereichen Umwelt und globale Fragen wurde derEntwurf am 19. Juni <strong>2008</strong> bei einer zentralen Dialogveranstaltungim Bundeskanzleramt diskutiert. Darannahmen etwa 30 Institutionen oder Verbände teil.Ferner führte der Rat für Nachhaltige Entwicklungam 12. – 14. Juni <strong>2008</strong> auf Bitten der Bundesregierungeine Bürgerkonferenz mit den einhundertjüngsten Mitgliedern von Kommunalparlamentendurch; die Anregungen hieraus sind in den Textbeitragdes Rats zum <strong>Fortschrittsbericht</strong> eingeflossen.Die eingegangenen Anmerkungen enthieltenviele wertvolle Hinweise für die Fertigstellung diesesBerichts. Positiv anerkannt wurde, dass die Strategieund das Verständnis einer nachhaltigen Entwicklungdurch den Bericht positiv weiterentwickelt werden.Angemerkt wurde allerdings auch, dass die Umsetzungder Strategie in das Regierungshandeln weiterverbessert und der Nachhaltigkeitsgedanke nochstärker in den Ressorts verankert werden müsse.Länder, Kommunen). Damit sollte Nachhaltigkeitinsgesamt als gesellschaftliches Reformprojektpositioniert werden.Die Aktivitäten der Bundesregierung im Rahmender Konsultation und weitere Informationen zumInhalt der eingegangenen Stellungnahmen werdenin einer Internet-Broschüre des Bundespresseamtesdargestellt.Die bei der Bundesregierung eingegangenenÄußerungen der Öffentlichkeit haben gezeigt, dassNachhaltigkeit in der Gesellschaft als Thema einenbreiten Rückhalt hat. Über die Notwendigkeit einernachhaltigen Entwicklung besteht in der Öffentlichkeitkein Streit; Nachhaltigkeit ist im politischenund gesellschaftlichen Leben unverrückbar undparteiübergreifend angekommen. Die Bundesregierungsieht dies als Bestätigung ihrer Politik und wirdNachhaltigkeit als politisches Leitbild noch stärker inden Mittelpunkt ihres Handelns rücken.„Die Bundesregierung hat mit dem vorliegenden Entwurfdes <strong>Fortschrittsbericht</strong>s <strong>2008</strong> die Konzeption der <strong>nationalen</strong><strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> sowie das Verständnis einer nachhaltigenEntwicklung positiv weiterentwickelt. Sie muss dieseGrundsätze nun aber auch <strong>zur</strong> Leitlinie ihrer Regierungspolitikmachen, sonst werden die Ziele der Strategie verfehlt.Insgesamt findet sich die Dringlichkeit der Situation nicht im<strong>Fortschrittsbericht</strong> <strong>2008</strong> wieder.“Stellungnahme der Umweltverbände (DNR e. V., BUND e. V.und NABU e. V.) vom Juni <strong>2008</strong>Besonders begrüßt wurden die Wahl derSchwerpunktthemen sowie die Überlegungen derBundesregierung <strong>zur</strong> Stärkung des Nachhaltigkeitsmanagements.Durchgehend zielten Änderungsvorschlägenicht auf eine Abschwächung,sondern auf die Steigerung des Anspruchsniveausund die Sicherstellung der Umsetzung von vorgesehenenMaßnahmen, damit Nachhaltigkeitdauerhaft eine noch stärkere Wirksamkeit zukommt;dabei wurde auch die Frage vorhandenerKapazitäten in der Bundesregierung für das ThemaNachhaltigkeit thematisiert. Die Bundesregierungwurde ermutigt, bestehende Konflikte bei Politikfeldernstärker offen zu legen – unter Nennungder beteiligten Akteure ( Zivilgesellschaft, Bund,


36BStand der Nachhaltigkeit in Deutschland:Indikatoren und Ziele für eine nachhaltigeEntwicklungI. Weiterentwicklung der IndikatorenNachhaltigkeit verlangt nach einer verlässlichenund transparenten Erfolgskontrolle. Mit demIndikatorenbericht 2006 analysierte das StatistischeBundesamt – nach den Berichten der Bundesregierung2004 und 2005 – erstmals in eigener Verantwortungden Stand der Nachhaltigkeitsindikatorenbezogen auf die Ziele der Strategie aus dem Jahre2002. Sechs Jahre nach dem Strategiebeschluss wares an der Zeit, die bestehenden Ziele und Indikatorenzu überprüfen.Verfahren: IMA IndikatorenVom September 2007 an diskutierte der InterministerielleArbeitskreis Nachhaltigkeitsindikatorender Bundesregierung (IMA Indikatoren) gemeinsammit dem Statistischen Bundesamt Fragen wie: Gibtes bessere und aussagekräftigere Indikatoren bzw.wie soll mit Zielen umgegangen werden, die schonerreicht worden sind? Wie steht es mit Zielen, diegrundsätzlich wünschenswert sein mögen, beidenen aus heutiger Sicht aber nicht absehbar ist,ob sie in ihrer Höhe im ursprünglich geplantenZeitraum tatsächlich erreichbar sind? Ist es im Sinneder Glaubwürdigkeit der Strategie vertretbar, solcheZiele beizubehalten?Gleichzeitig war es Prämisse der Diskussionenzwischen den Experten im IMA Indikatoren, möglichsteine weitgehende Kontinuität bei Zielen undIndikatoren zu erhalten, um auch künftig eine nachvollziehbareErfolgskontrolle gewährleisten zu könnenund die für eine nachhaltige Entwicklung entscheidendenlangfristigen Trends wahrnehmbar zumachen. Zudem sollte die Zahl der Indikatoren auchweiterhin begrenzt bleiben.Der IMA Indikatoren führte seine Diskussionenentlang der Vielzahl von Stellungnahmen vonBürgerinnen und Bürgern, aus den Verbänden, demRat für Nachhaltige Entwicklung, dem ParlamentarischenBeirat für nachhaltige Entwicklung sowieden aktuellen Informationen aus den Ministerienund den ihnen zugeordneten Behörden. In derDiskussion kam der IMA zu der Überzeugung, dassder Indikatorensatz auch noch <strong>2008</strong> die wesentlichenThemen einer nachhaltigen Entwicklungabdeckt. Trotzdem sprach sich der IMA Indikatorenin Einzelfällen für Streichungen, eine Veränderungder Aufschlüsselung, eine Verbesserung der Darstellungsowie für die Aufnahme verbesserter und neuerIndikatoren aus.Konsultation – der Dialog mit der ÖffentlichkeitÜberlegungen für die Weiterentwicklung vonIndikatoren wurden in der im Mai <strong>2008</strong> veröffentlichtenEntwurfsfassung des <strong>Fortschrittsbericht</strong>serläutert. Im Interesse möglichst großer Transparenzwurden die beabsichtigten Änderungen dargestelltund insbesondere ausgeführt, dass zu denIndikatoren 11a ( Gütertransportintensität), 11 c, d(Anteil Schienenverkehr und Binnenschifffahrt)sowie 18 ( Verdienstabstand zwischen Frauen undMännern) Festlegungen zu den Zielen erst im Lichtder Konsultation getroffen werden sollten. Das Fazitder Konsultation war insoweit eindeutig: In deneingegangenen Stellungnahmen sprachen sich dieDialogteilnehmer mit überwältigender Mehrheit fürdie Beibehaltung der gesetzten Ziele aus – selbst vordem Hintergrund, dass zumindest die kurzfristigeZielerreichung zum Teil mehr als fraglich ist.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND37Ausgangspunkt: Wofür Ziele?Die Frage nach der Funktion der Ziele muss Ausgangspunktder Überlegungen <strong>zur</strong> Weiterentwicklungder Indikatoren sein.Ziele sind elementare Bestandteile des Managementansatzesder <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>. QuantifizierteZiele machen die Ambition der Politik undden Handlungsbedarf deutlich. Gleichzeitig machendie Ziele Politik überprüfbar und ermöglichen ggf.notwendiges Nachsteuern.Nicht alle in der Strategie von 2002 genannten Politikbereichewaren oder sind allerdings in erster Liniedurch Maßnahmen auf Bundesebene gestaltbar. EinBeispiel hierfür sind die Indikatoren im Bereich Bildung(9a–c); hier müssen Änderungen vor allem durchdie Länder angestoßen werden. Zum Teil handelt essich auch um gesamtgesellschaftliche Aufgaben, zuderen Lösung die Politik nur einen begrenzten Beitragleisten kann. Dies betrifft etwa den Indikator desVerdienstabstands von Frauen und Männern (Indikator18). Da die Ursachen vielfältig sind und sich dabeistrukturelle und kulturelle Faktoren gegenseitig verstärken,ist ein integrierter Ansatz unter Mitwirkungaller Akteure erforderlich. So werden Festlegungen inTarifverträgen überwiegend ohne Einflussmöglichkeitdes Bundes von den Tarifpartnern getroffen; einewichtige Rolle spielen aber zugleich die Unterschiedein den Erwerbsbiografien von Männern und Frauen.Darüber hinaus werden Frauen auch bei gleicherformaler Qualifikation häufig schlechter entlohnt.Aus der Tatsache, dass Nachhaltigkeit – und auchdie Erreichung von Zielen aus der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>– eine gemeinsame Aufgabe der Politik aufallen Ebenen und aller gesellschaftlichen Kräfte ist,ergibt sich die Notwendigkeit, Ziele nicht auf dasallein durch Handeln des Bundes sicher Erreichbarezu beschränken. Insofern ist eine Balance nötigzwischen der Definition von Zielen, die die Bundesregierungals konkretes Steuerungsinstrumentim Rahmen eines zielbezogenen Managementsnutzen kann,und solchen, die vor allem in die Gesellschaft hineinwirken,indem sie einen erstrebten Entwicklungspfadaufzeigen und damit Anstöße für dasHandeln aller Akteure bieten.Unabhängig vom Adressaten der Ziele gilt dabei:Wer viel erreichen will, muss sich ehrgeizige Zielesetzen; illusorische Ziele allerdings führen erfahrungsgemäßeher zu Frustration als zu Motivation.Die <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> erhebt – anders alsStrategien in anderen Politikbereichen – einen umfassendenAnspruch. Eine nachhaltige Entwicklungerfordert Entscheidungen von Akteuren in allenBereichen und auf allen Ebenen. Die Darlegung konkreterMaßnahmen und der entscheidenden Akteureerfolgt daher nachfolgend im Rahmen der Darstellungder jeweiligen Politikfelder (Kapitel C ff.).Manche Entwicklungen waren im Jahr 2002 – impositiven wie im negativen – noch nicht vorhersehbar.Einige Ziele wurden vorzeitig erreicht undverlangen nach neuen, ambitionierten Vorgaben,bei anderen Zielen ist die Erreichung bis zum Jahr2010 in weite Ferne gerückt. In wenigen Fällen istsogar eine Entwicklung weg vom Ziel festzustellen,so dass das Ziel zumindest zum vorgesehenen Zeitpunktnicht mehr erreicht werden kann. Ein Beispielfür letzteres ist das Ziel <strong>zur</strong> Gütertransportintensität.Alle Prognosen zeigen statt einer Abnahme eineweitere Steigerung der Gütertransportintensität. DieInternationalisierung des Transports und die zunehmendeBedeutung Deutschlands als Transitland imeuropäischen Güterverkehr engen die Möglichkeitender <strong>nationalen</strong> Einflussnahme ein. Daher hattedie Bundesregierung im Rahmen der Konsultationdie Frage aufgeworfen, ob in derartigen Fällen anden Zielen festgehalten werden soll – oder ob einemrealistischeren Ziel der Vorzug zu geben ist, das dannmit konkreten Maßnahmen erreicht werden kann.Folgerungen für einzelne Indikatoren und ZieleInnerhalb der 21 Themen sind eine ganze Reihevon Indikatoren und Zielen unverändert geblieben,z. B. <strong>zur</strong> Ressourcenproduktivität (Nr. 1b) oder zumFlächenverbrauch (Nr. 4).Bei einigen anderen Indikatoren wurde dagegenein Anpassungsbedarf gesehen, um ihre Aussagekraftzu verbessern.Neue, geänderte oder ergänzte IndikatorenGeändert wurde der bisherige Indikator 9a (25-Jährige ohneAbschluss Sekundarstufe II und Ausbildungsplatz); an seineStelle ist ein leicht veränderter Indikator mit neuen Zielengetreten. Ziel der Änderung war die Steigerung der Aussagekraftdurch die Einbeziehung weiterer Altersklassen inden Indikator, um die besondere Ausbildungsorganisation inDeutschland angemessen abzubilden.Ergänzt wurden die Indikatoren 11 a,b (Transportintensitätdes Güterverkehrs bzw. des Personenverkehrs). Die Indikatorenwurden erweitert um den Aspekt der Energieeffizienz– sowohl mit Blick auf den absoluten Energieverbrauch als


38 INDIKATOREN UND ZIELEauch den Energieaufwand je Tonnen-/Personenkilometer;dies ermöglicht wertvolle neue Erkenntnisse über bestimmteUmweltauswirkungen des Verkehrs.Geändert wurde die Methodik bei der Erfassung der Stickstoffbilanzüberschüsse(Indikator 12a). Zur Vermeidung statistischerVerzerrungen wird die Entwicklung nun als gleitendesDrei-Jahresmittel dargestellt, um den Entwicklungstrendbesser abbilden zu können.Ferner wurden neue Indikatoren für den Gesundheitsbereichgewählt. Für eine Stärkung des Präventionsaspektseiner nachhaltigen Gesundheitspolitik hatten sich u. a. derParlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung undder Rat für Nachhaltige Entwicklung ausgesprochen. Künftigwerden die Raucherquote und der Anteil von Menschen mitAdipositas als zwei wichtige neue Indikatoren genutzt, diemit konkreten Zielen versehen worden sind. Beim IndikatorAdipositas, der zum Teil auch den Ernährungsbereich mit abdeckt,bestehen noch Fragen <strong>zur</strong> künftigen Datengrundlage,die voraussichtlich erst längerfristig geklärt werden können.Die derzeit verwendeten Mikrozensus-Daten bieten einegute Einschätzung des Trends, sind jedoch aufgrund ihrerErhebungsmethode für diese Fragestellung nicht optimal.Geändert worden ist auch der Indikator 19 ( Integration), beidem entsprechend einer Anregung des ParlamentarischenBeirats künftig nicht mehr der Anteil von ausländischen Schulabgängerinnenund -abgängern ohne Hauptschulabschluss,sondern im Sinn einer positiv formulierten Zielvorgabe derjenigeAnteil mit Abschluss betrachtet wird.Zum Teil wurden die Indikatoren selbst beibehalten,sie aber mit neuen Zielen versehen, um dasAnspruchsniveau der Strategie zu erhalten undauszubauen.Alte Indikatoren, neue ZieleNeue Ziele für bestehende Indikatoren bestehen für• Indikator 3 (Anteil erneuerbare Energien am Bruttostromverbrauch– bisheriges Ziel ist schon überfüllt, neues Ziel für2020: „mindestens 30 %“)• Indikator 6 ( Staatsdefizit – hier wird für 2011 als Ziel für denBundeshaushalt ein Haushalt ohne Nettokreditaufnahmeergänzt)• Indikator 9c ( Studienanfängerquote – Stabilisierung nach2010 auf hohem Niveau)• Indikator 14a (Vorzeitige Sterblichkeit – konkrete Werte für2015)• Indikator 15 ( Kriminalität – neues Ziel: weniger als 100.000Einbrüche/Jahr)• Indikator 16 ( Erwerbstätigenquote – Erhöhung des Ziels füralle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis 2010, neuesZiel für 2020. Daneben werden für ältere Arbeitnehmergesonderte neue Ziele für 2010 und für 2020 eingebracht.)• Indikator 17 ( Perspektiven für Familien – neue Ziele für 2020für Altersbereich der bis 6-Jährigen)beim Primärenergieverbrauch auf Endenergie,wozu derzeit auch noch Methodenklärungen aufEU-Ebene abzuwarten sind, sowie den Indikator 13( Luftqualität).Beim Indikator 12b (Anteil Ökologischer Landbau)wurde das Ziel, einen Anteil von 20 % zu erreichen,in seiner zeitlichen Dimension modifiziert, um derTatsache Rechnung zu tragen, dass die Entscheidungüber einen Einstieg in den ökologischen Landbau deneinzelnen Betrieben obliegt. Die Bundesregierung istentschlossen, die Rahmenbedingungen hierfür so zugestalten, dass dieser Anteil in den nächsten Jahrenerreicht werden kann.Nur in vergleichsweise geringem Umfang werdenbisherige Indikatoren, Teilindikatoren oder Zielenicht weitergeführt.Aufgabe von Indikatoren, Teilindikatoren oder ZielenAls Ausgleich für die beiden neuen Indikatoren im Präventionsbereichwurde der bisherige Indikator „Zufriedenheitmit der Gesundheit“ (14b) aufgegeben, da er sich als wenigaussagekräftig herausgestellt hat.Beim Indikator 17 ( Ganztagsbetreuung für Kinder) erfolgt imSinne einer politischen Schwerpunktsetzung eine Beschränkungder Ziele auf den Altersbereich 0–6 Jahre, in dem Maßnahmendes Bundes eher möglich sind als bei älteren Kindern.Unverändert beibehalten werden dagegen insbesonderedie Ziele bei den im Rahmen der Konsultationbesonders angesprochenen Indikatoren 11a ( Gütertransportintensität),11c, d (Anteil Schienenverkehrund Binnenschifffahrt) sowie 18 ( Verdienstabstandzwischen Frauen und Männern). Denn der Befund,dass es sich um wichtige Anforderungen an einnachhaltiges Deutschland handelt, bleibt zutreffend.Unabhängig von einer tatsächlich zu erwartendenoder möglichen Zielerreichung bleiben sie daher alsZiele der Strategie genannt. Mit welchen Maßnahmendie Bundesregierung zumindest langfristig die Zieleerreichen möchte, wird im Anschluss an die Analysedes Statistischen Bundesamtes (in Kapitel B.III.) dargestellt.In der Zwischenzeit dient die Verankerung inder Strategie dem sichtbaren Ansporn an alle relevantenAkteure, Verbesserungen in diesen Bereichenanzustreben.Bei einzelnen Indikatoren wird vor einer Weiterentwicklungder Ziele der Ausgang von Verhandlungenauf EU-Ebene abgewartet. Dies betrifft denIndikator 2 ( Klimaschutz), den Indikator 3 (Anteilerneuerbarer Energien am Energieverbrauch ) – dorterfolgt so bald wie möglich auch eine UmstellungWeitere DiskussionDaneben wurde eine Reihe von für diesen Berichtnicht aufgenommenen Änderungsvorschlägen diskutiert,die im Rahmen des Nachhaltigkeitsdialogsunterbreitet worden sind.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND39Weitere diskutierte Änderungen• Dies betrifft etwa die Einfügung absoluter Zielwerte bei denIndikatoren 1a und 1b ( Energie- bzw. Ressourcenproduktivität).Schon jetzt – seit dem Indikatorenbericht 2006 desStatistischen Bundesamtes – werden die absoluten Zahlenebenfalls im Indikator ausgewiesen. Die Bundesregierungprüft im Rahmen von Forschungsvorhaben, inwieweit dieGenauigkeit und ökologische Aussagekraft des IndikatorsRessourcenproduktivität verbessert werden kann. Dieumweltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR) desStatistischen Bundesamtes liefern bereits heute sehr detaillierteAnalysen über Ursachen und Verantwortlichkeiten imBereich Ressourcen.• Zum Teil wurde in den Konsultationen bei Indikator 4 dieAufnahme eines langfristigen Ziels von 0 ha für den Flächenneuverbrauchgefordert. Hierzu sollte nach Einschätzungder Bundesregierung zuerst das gesetzte Ziel von 30 ha/Tagerreicht sein, bevor weitergehende Ziele beschlossen werden– so wünschenswert das Ziel unter fachlichen Aspektenauch sein mag. Das Kooperationsangebot der Länder inihrem Beitrag zum <strong>Fortschrittsbericht</strong> bietet positive Ansatzpunktefür weitere Aktivitäten.• Eine Ausdifferenzierung des Indikators für die Artenvielfalt(Indikator 5) im Rahmen der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> wirdals nicht sinnvoll angesehen; die nationale Biodiversitätsstrategieenthält ein umfassendes Indikatorenset, über dasregelmäßig Bericht erstattet wird.• Nicht aufgenommen wurde auch der Vorschlag, mit einemneuen Indikator 9d die vorschulische Entwicklung vonKindern zu betrachten; hierzu besteht bei den zuständigenLändern kein einheitliches Verfahren <strong>zur</strong> Feststellung.• Beim Indikator 10 ( BIP je Einwohner) wurde im Konsultationsverfahrenhinterfragt, ob weitere Indikatoren wie derGini-Koeffizient <strong>zur</strong> Messung von Verteilungsgerechtigkeit,der Index of Sustainable Economic Welfare (ISEW) oder derHuman Development Index (HDI) – ggf. ergänzend – berücksichtigtwerden sollen. Die Prüfung innerhalb der Bundesregierungzu etwaigen zusätzlichen Wohlfahrtsindikatorenläuft, ist aber noch nicht abgeschlossen.• Mit Blick auf die landwirtschaftliche Bodennutzung ( Indikatoren12a/b) wurde die Frage der Effizienz der Bodennutzungaufgeworfen. Die Schaffung eines neuen Teilindikatorshierzu wird weiter geprüft.• Beim Indikator 13 ( Luftschadstoffe) stellt sich die Fragenach der Einbeziehung der Feinstaubbelastung mit Blickauf damit verbundene Gesundheitseinwirkungen; ob dieserfolgt, ist nach der Verabschiedung der Richtlinie 2001/88/EG über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmteLuftschadstoffe, sogenannte NEC-Richtlinie, zu prüfen.• Verschiedentlich wurde die Änderung bzw. Streichung vonIndikator 15 (Wohnungseinbruchsdiebstähle) gefordert,da er als nicht hinreichend aussagekräftig für Fragen derNachhaltigkeit angesehen wurde. Mit Blick auf den Aspektder Kontinuität sowie darauf, dass auch die Erhöhung derpersönlichen Sicherheit die Lebensqualität als eine dervier Leitlinien von Nachhaltigkeit (neben Generationengerechtigkeit,sozialem Zusammenhalt und internationalerVerantwortung) betrifft, hält die Bundesregierung derzeitam Indikator fest; langfristig sollte die Frage aber weitergeprüft werden.• Nicht kurzfristig zu klären ist die aufgeworfene Frage, ob <strong>zur</strong>Abbildung eines nachhaltigen Konsums ein aggregierterIndikator sinnvoll und möglich wäre, der die Breite der Nachhaltigkeitsaspekteaus Verbrauchersicht insgesamt abbildet,oder ob eine Darstellung der Verbrauchersicht zu einzelnenIndikatoren (z. B. Klima, Energie- und Rohstoffeffizienz)vorzugswürdig wäre. Diese Frage wird weiter geprüft.Weiteres VorgehenDie Bundesregierung führt die Diskussion zudiesen und weiteren Fragen der Indikatoren undZiele fort. Dies betrifft auch die Frage, wie die Indikatorenund Ziele besser zwischen Bund und Ländernabgestimmt werden können – damit die Strategieinsoweit eine tatsächlich „nationale“ Strategie wird.II. Wo wir stehen: Analyse zum Stand derNachhaltigkeitsindikatoren– Beitrag des Statistischen BundesamtesDie nachfolgende Auswertung des StatistischenBundesamtes beschreibt die Entwicklung der Indikatorenund die Fortschritte bei der Umsetzung derZiele. Die fachliche Verantwortung für die Richtigkeitder Darstellung liegt beim Statistischen Bundesamt.Die Schlussfolgerung der Bundesregierung ausder Analyse des Bundesamtes findet sich anschließendin Kapitel B.III.


40 STATISTISCHES BUNDESAMTRessourcenschonungRessourcen sparsam und effizient nutzen200190180170160Energieproduktivität und Wirtschaftswachstum1990 = 100Ziel: 20015014013012011010090EnergieproduktivitätPrimärenergieverbrauchBruttoinlandsprodukt(preisbereinigt)140,1130,41990 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 202093,0Quelle: Statistisches Bundesamt, Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB)1a EnergieproduktivitätDer Einsatz von Energie ist für den Wirtschaftsprozess von großer Bedeutung, denn nahezu jede Produktionsaktivitätist mit dem Verbrauch von Energie verbunden. Die privaten Haushalte verbrauchen Energieinsbesondere für Heizung und Warmwasser, für elektrische Geräte sowie den Betrieb von Kraftfahrzeugen.Der Verbrauch von Energie ist mit vielfältigen Umweltbelastungen verbunden wie z. B. der Beeinträchtigungvon Landschaft, Ökosystemen, Böden, Gewässern und Grundwasser durch den Abbau energetischer Rohstoffe,Emissionen von Schadstoffen und klimawirksamen Treibhausgasen in die Luft, die Entstehung von Abfällen sowiedurch den Verbrauch von Kühlwasser bei der Umwandlung und dem Verbrauch von Energieträgern. Undnicht zuletzt ist der Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe im Hinblick auf die Bewahrung der Lebensgrundlagenkünftiger Generationen von Bedeutung.Der hohen Bedeutung der Energie sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus Umweltsicht wird in der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>der Bundesregierung durch die Aufnahme des Indikators Energieproduktivität (preisbereinigtesBruttoinlandsprodukt, je Einheit Primärenergieverbrauch) Rechnung getragen. Die Bundesregierungstrebt an, die Energieproduktivität bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 zu verdoppeln.Die Energieproduktivität hat sich in Deutschland von 1990 bis 2007 um 40,1 % erhöht. Der Produktivitätsanstiegsignalisiert zwar einen effizienteren Energieeinsatz. Dies geht aber nur mit einem relativ schwachenabsoluten Rückgang des Energieverbrauchs um 7,0 % einher, weil die Effizienzsteigerung durch ein Wirtschaftswachstumvon 30,4 % weitgehend aufgezehrt wurde. Im Zeitraum 2000–2007 ist die Energieproduktivitätim Jahresdurchschnitt um 1,7 % gestiegen. Zu dieser Steigerung hat ein sehr großer Anstieg im Jahr 2007gegenüber 2006 von 7,6 % beigetragen. Dieser Anstieg im Jahr 2007 ist auf einen – durch eine milde Witterungstark beeinflussten – hohen Rückgang des Energieverbrauchs von 4,8 % bei einem gleichzeitig kräftigen Wirtschaftswachstumvon 2,5 % zum Vorjahr <strong>zur</strong>ückzuführen. Zur Erreichung des Zielwerts wäre im verbleibendenZeitraum bis 2020 eine Steigerung der Energieproduktivität von durchschnittlich 2,8 % erforderlich. Eine Fortsetzungdes bisherigen durchschnittlichen Entwicklungstempos würde daher nicht ausreichen, um das Zieleiner Verdopplung der Energieproduktivität bis zum Jahr 2020 zu erreichen.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND41Bei den privaten Haushalten ist der Endenergieverbrauch (ohne Kraftstoffverbrauch) zwischen 1990 und2006 um 12,5 % – im Zeitraum 2000–2006 um 3,8 % – gestiegen. Der erhöhte Verbrauch der Haushalte ergibtsich aus einer gestiegenen Nachfrage nach Energiedienstleistungen. Bei Raumwärme ist hierfür die Ausweitungder Wohnfläche ein entscheidender Faktor. Der Anstieg bei Strom ist insbesondere auf eine starke Zunahmeder Ausstattung mit Elektrogeräten <strong>zur</strong>ückzuführen. Die gestiegene Energieeffizienz bei der Nutzungvon Elektrogeräten und Wohnungen konnte den Verbrauchsanstieg zwar bremsen, hat jedoch bisher nicht zueiner vollständigen Kompensation der Faktoren geführt, die den Verbrauch steigern.Im Sektor Verkehr ist der Energieverbrauch zwischen 1990 und 2006 insgesamt um 10,9 % gestiegen. Zwischen2000 und 2006 ist der Verbrauch dagegen um 4,1 % gesunken. Ein rückläufiger Verbrauch ist bei denKraftstoffen für den Straßenverkehr zu beobachten (um -8,1 % im Zeitraum 2000–2006; siehe auch Indikatoren11a und 11b), während der Verbrauch an Flugkraftstoffen einen hohen Anstieg aufweist (21,3 % im Zeitraum2000–2006). Die Angaben zum Kraftstoffverbrauch des Straßenverkehrs aus den Energiebilanzen schließen dieBetankungen der Inländer im Ausland (den sogenannten Tanktourismus) nicht mit ein.Statistisches BundesamtDie inländische Energiewirtschaft ist durch eine zunehmende Importabhängigkeit bei Energie gekennzeichnet.Der Anteil der Importe am Primärenergieverbrauch erhöhte sich im Zeitraum 1991–2007 deutlich von63,3 % auf 71,5 %.RessourcenschonungRessourcen sparsam und effizient nutzenRohstoffproduktivität und Wirtschaftswachstum1994 = 100200Ziel: 200180160140120Rohstoffproduktivität135,4122,310080Bruttoinlandsprodukt (preisbereinigt)90,3Rohstoffentnahme und Importe1994 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 1) 20201) 2007 vorläufige Ergebnisse.Quelle: Statistisches Bundesamt1b RohstoffproduktivitätDie Nutzung von Rohstoffen ist unverzichtbar für die wirtschaftliche Entwicklung. Sie ist jedoch auch mitBelastungen für die Umwelt verbunden. Außerdem stehen nicht erneuerbare Bodenschätze, die heute verbrauchtwerden, künftigen Generationen nicht mehr <strong>zur</strong> Verfügung. Deshalb ist ein sparsamerer Umgang mitRohstoffen erforderlich. Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, die Rohstoffproduktivität bis zum Jahr 2020bezogen auf das Basisjahr 1994 zu verdoppeln.Die Rohstoffproduktivität drückt aus, welche Menge an abiotischem Primärmaterial (in Tonnen) eingesetztwird, um eine Einheit Bruttoinlandsprodukt (in Euro, preisbereinigt) zu erwirtschaften. Zum abiotischen Primärmaterialzählen die im Inland entnommenen Rohstoffe – ohne land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse– und alle importierten abiotischen Materialien (Rohstoffe, Halb- und Fertigwaren).


42 STATISTISCHES BUNDESAMTDie Rohstoffproduktivität erhöhte sich zwischen 1994 und 2007 um 35,4 %. Bei rückläufigem Materialeinsatz(-9,7 %) stieg das Bruttoinlandsprodukt um 22,3 %. Ab 2002 hat sich der Anstieg der Produktivität verlangsamt.Nachdem von 2005 auf 2006 sogar ein leichter Rückgang der Produktivität zu verzeichnen war, ist sie im Jahr2007 wieder gestiegen. Gegenüber dem Vorjahr verminderte sich der Materialeinsatz leicht (-1,3 %), währenddas Bruttoinlandsprodukt um 2,5 % wuchs. Insgesamt entwickelte sich der Indikator zwar in die angestrebteRichtung, das bisherige Tempo der Erhöhung würde jedoch nicht ausreichen, um das gesetzte Ziel zu erreichen.Die günstige Entwicklung der Rohstoffproduktivität zwischen 1994 und 2007 ist vor allem auf einen Strukturwandelhin zu weniger rohstoffintensiven Branchen <strong>zur</strong>ückzuführen: Die weniger materialintensivenBranchen (insbesondere Dienstleistungsbereiche) sind gewachsen, während Branchen mit hohem Materialverbrauchwie z. B. das Baugewerbe (mit 44 % des gesamten Primärmaterialeinsatzes) oder andere Bereiche desProduzierenden Gewerbes eher geschrumpft sind (siehe Indikator 10). Zwischen 1994 und 2007 ist der Einsatzvon Baurohstoffen um 26 % bzw. 211 Mio. Tonnen (t) <strong>zur</strong>ückgegangen. Demgegenüber nahm der Einsatz vonErzen und ihren Erzeugnissen in diesem Zeitraum deutlich zu (um 59 % bzw. +52 Mio. t). Der mengenmäßigeEinsatz von fossilen Energieträgern nahm seit 1994 nur geringfügig zu (+2,5 %). Diese insgesamt rückläufigenMaterialeinsätze führten bei gestiegenem Bruttoinlandsprodukt zu dem erwähnten Produktivitätsanstieg.Bedeutsam für die Interpretation der Entwicklung des Rohstoffindikators ist auch, dass der Materialeinsatzzunehmend durch Importe gedeckt wird. Während die Entnahme von Rohstoffen im Inland zwischen 1994und 2007 um 254 Mio. t (-23 %) <strong>zur</strong>ückgegangen ist, stieg die Einfuhr von Rohstoffen sowie Halb- und Fertigwarenum 109 Mio. t (+28 %). Der Anteil der importierten Güter am gesamten Primärmaterialeinsatz erhöhte sichdamit von 26 % im Jahre 1994 auf rd. 37 % im Jahre 2007. Quantitativ bedeutsam sind bei dieser Verlagerung insbesonderedie gestiegenen Importe von metallischen Halb- und Fertigwaren (+116 %) sowie die Ablösung vonheimischer Steinkohle durch importierte Energieträger (siehe Indikator 1a). Die inländische Natur wird alsozunehmend geschont und die Umweltbelastungen, die mit der Entnahme von Rohstoffen und ihrer Weiterverarbeitungzu Halb- und Fertigwaren verbunden sind, werden in das Ausland verlagert.KlimaschutzTreibhausgase reduzierenTreibhausgasemissionen (sechs Kyotogase) in CO2-Äquivalenten*)Basisjahr = 1001051009590858081,6Ziel: 79751990 91 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 2010*) Basisjahr ist 1990 für CO , CH , N O und 1995 für HFCs, PFCs, SF (nach Kyoto-Protokoll).2 4 2 6Quelle: Umweltbundesamt2 TreibhausgasemissionenDer Klimawandel ist eine große Herausforderung für die Menschheit. Deutschland hat sich daher verpflichtet,seine Emissionen der sechs im Kyoto-Protokoll genannten Treibhausgase und Treibhausgasgruppen biszum Zeitraum <strong>2008</strong>–2012 gegenüber dem Jahr 1990 um 21 % zu reduzieren. Die Bundesregierung bietet alsdeutschen Beitrag für ein internationales Klimaschutzabkommen nach 2012 an, die Emissionen bis 2020 um


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND4340 % unter das Niveau von 1990 zu senken. Dieses Angebot steht unter der Voraussetzung, dass die EuropäischeUnion im selben Zeitraum ihre Emissionen um 30 % gegenüber 1990 reduziert und andere Staaten vergleichbarehrgeizige Ziele übernehmen.Zu den Treibhausgasen zählen gemäß der inter<strong>nationalen</strong> Vereinbarung von Kyoto folgende Stoffe: Kohlendioxid( CO 2), Methan (CH 4), Distickstoffoxid = Lachgas (N 2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW/HFC), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW/PFC) und Schwefelhexafluorid (SF 6). Diese Emissionen entstehenvorwiegend bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Sie treten aber auch beinicht energetischen Aktivitäten, z. B. beim Umgang mit Lösungsmitteln oder beim Einsatz von mineralischenDüngemitteln, auf. In Deutschland überwiegen die Treibhausgasemissionen aus dem Produzierenden Gewerbe,gefolgt von, solchen aus dem Konsum der privaten Haushalte, den Dienstleistungen und der Landwirtschaft.Seit 1990 hat Deutschland die Freisetzung von Treibhausgasen deutlich vermindert. Bezogen auf dasBasisjahr des Kyoto-Protokolls (1990/1995) sanken die in CO 2-Äquivalente umgerechneten Gesamtemissionenbis zum Jahr 2006 um rd. 226 Mio. t bzw. 18,4 %. Zur Erreichung des Kyoto-Ziels fehlten damit 2,6 % -Punkte biszum Zieljahr. Der Indikator entwickelte sich in den letzten fünf Jahren bis 2006 noch schwach in die richtigeRichtung. Das Ziel wäre damit in 2010 nahezu zu erreichen. Vorläufige Ergebnisse des Umweltbundesamtes fürdas Jahr 2007 weisen auf eine verstärkte Reduktion der Treibhausgasemissionen hin (UBA-Presseinformation16/<strong>2008</strong>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass für 2007 einmalige Effekte wie z. B. milde Wintertemperaturenoder ein geändertes Kaufverhalten infolge der Mehrwertsteuererhöhung zu Beginn des Jahres 2007 eine Rollespielten (endgültige Ergebnisse für 2007 werden erst Anfang 2009 vorliegen).Statistisches BundesamtDen weitaus größten Anteil am gesamten Ausstoß von Treibhausgasen hat Kohlendioxid (2006: 87,6 %). Von1990 bis 2006 war hier ein Rückgang um 151,9 Mio. t bzw. um 14,7 % zu verzeichnen. Der überwiegende Teil derCO 2-Reduktion wurde im Zeitraum 1990 bis 1995 mit 111,4 Mio. t erreicht. Von 1995 bis 2006 gingen die Kohlendioxidemissionendagegen nur noch um 40,5 Mio. t <strong>zur</strong>ück. Der starke Rückgang der Emissionen zwischen1990 und 1995 ist insbesondere auf Umstrukturierungsprozesse in den neuen Ländern (Stilllegung veralteterAnlagen), auf Wirkungsgradsteigerungen der Kraftwerke (Steigerung der Energieeffizienz) sowie Änderungenim Energiemix mit verstärktem Einsatz emissionsfreier bzw. emissionsärmerer Energieträger <strong>zur</strong>ückzuführen.Die direkten CO 2 - Emissionen entstehen zu gut drei Vierteln bei den Aktivitäten der Wirtschaft und zuknapp einem Viertel bei den privaten Haushalten. Der Rückgang zwischen 1995 und 2005 geht jedoch etwaje <strong>zur</strong> Hälfte auf das Konto beider Bereiche. Zu beachten ist allerdings, dass die privaten Haushalte durch ihreNachfrage nach Strom zusätzlich auch Emissionen in der Wirtschaft, d. h. im Produktionsbereich „Erzeugungund Verteilung von Energie (Strom, Gas)“ verursachen.Die meisten Produktionsbereiche konnten ihre CO 2- Emissionen zwischen 1995 und 2005 vermindern, allerdingsdämpfte die wachstumsbedingte Zunahme der Emissionen insbesondere in den bedeutsamen Bereichen„Metallerzeugung“ (+8,0 %) und „Erzeugung und Verteilung von Energie (Strom, Gas)“ (+2,7 %) die gesamteMinderung. Der Indikator hat vielfältige Querbezüge, z. B. zu den Indikatoren 1a, 3, 4, 5, 11 und 12.


44 STATISTISCHES BUNDESAMTErneuerbare EnergienZukunftsfähige Energieversorgung ausbauen30Anteile erneuerbarer Energien am Energieverbrauchin %Ziel 2020: 3025201514,2Ziel 2010: 12,5105Anteil am (Brutto-)StromverbrauchZiel 2010: 4,2Anteil am Primärenergieverbrauch 1)01990 91 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 2010 20201) Nach Wirkungsgradmethode.6,7Ziel 2020: 10Quelle: Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat), Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB), Zentrum für Sonnenenergie- undWasserstoffforschung Baden-Württemberg (ZSW), Bundesumweltministerium; Stand: Juni <strong>2008</strong>3a, b Anteil erneuerbarer Energien am EnergieverbrauchDie Reserven wichtiger fossiler Energieträger wie Öl und Gas sind begrenzt und ihre Nutzung ist mit derEmission von Treibhausgasen verbunden. Ziel der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> der Bundesregierung ist es deshalb,den Ausbau erneuerbarer Energieträger voranzutreiben. Erneuerbare Energieträger sind Energiequellen, dieunter ständiger Regeneration aus natürlichen Prozessen abgeleitet werden. Zu den erneuerbaren Energienzählen u. a. Wasserkraft, Windkraft, Solarenergie und Geothermie, aber auch Biomasse wie Brennholz und derbiologisch abbaubare Anteil von Abfällen aus Haushalten.Die Entwicklung des Einsatzes erneuerbarer Energien wird in der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> anhand derIndikatoren „Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Primärenergieverbrauch“ und „Anteil des Stromsaus erneuerbaren Energiequellen am Bruttostromverbrauch“ gemessen. Zielsetzung der Bundesregierung istes, bis zum Jahr 2010 den Anteil am Primärenergieverbrauch auf 4,2 % und den Anteil an der Stromerzeugungauf 12,5 % zu erhöhen. Darüber hinaus soll der Anteil am Primärenergieverbrauch bis zum Jahre 2020 auf 10 %und der Anteil am Bruttostromverbrauch auf mindestens 30 % ansteigen. Danach soll ein weiterer kontinuierlicherAusbau erfolgen. Die Zielstellungen für 2010 wurden schon 2005 (mit einem Anteil am Primärenergieverbrauchvon 4,7 %) bzw. 2007 (mit einem Anteil am Bruttostromverbrauch von 14,2 %) vorzeitig erreicht. Für denTeilindikator zum Anteil am Primärenergieverbrauch werden die Messgröße (als Endenergie) und das Ziel aufBasis der in Vorbereitung befindlichen Rechtsakte der EU zukünftig angepasst werden.Im Zeitraum 1990–2007 stieg der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch von 1,3 %auf 6,7 %. Der Anteil am Stromverbrauch erhöhte sich von 3,4 % auf 14,2 %. Besonders ausgeprägt ist der Aufwärtstrendin den letzten sechs Jahren seit Einführung der Richtlinie 2001/77/EG des Europäischen Parlamentsvon 2001 <strong>zur</strong> Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes( EEG) von 2004. Letztere verpflichtet die Stromerzeuger, vorrangig Strom aus erneuerbarenEnergien abzunehmen. Bei beiden Indikatoren wurden die Zielwerte für 2010 in 2007 übertroffen.Der Anteil der einzelnen erneuerbaren Energieträger am gesamten Energieaufkommen aus erneuerbarenEnergien war 2007 sehr unterschiedlich. 68 % entfielen auf Bioenergien, 18 % auf Wind- und 9 % auf Wasserkraft.Die erneuerbaren Energien wurden überwiegend in den Bereichen Stromerzeugung (39 %) und Wär-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND45meerzeugung (40 %) eingesetzt. Der Bereich der biogenen Kraftstoffe hatte einen Anteil von 21 % am gesamtenEnergieaufkommen aus erneuerbaren Energien. Seit dem 1. Januar 2007 sind alle Unternehmen, die fossileKraftstoffe in den Verkehr bringen, dabei <strong>zur</strong> Abgabe einer bestimmten Mindestmenge an Biokraftstoffenverpflichtet.Der beschleunigte Anstieg des Anteils der erneuerbaren Energie an der Stromerzeugung seit dem Jahr 2000geht u. a. auf die zunehmende Bedeutung der Windenergie <strong>zur</strong>ück. So stieg die Stromerzeugung mit Windenergievon 7.550 Gigawattstunden (GWh) im Jahr 2000 auf 39.500 GWh im Jahr 2007 (+420 %). Im Jahr 1995betrug sie noch 1.800 GWh. Die Stromerzeugung aus der gesamten Biomasse hat sich im Zeitraum 2000–2007mehr als verfünffacht. Der Beitrag der Wasserkraft <strong>zur</strong> gesamten Stromerzeugung der erneuerbaren Energienlag 2007 bei 20.700 GWh.Die erneuerbaren Energien liefern einen wesentlichen Beitrag <strong>zur</strong> Verminderung von Emissionen, damitweist der Indikator eine positive Korrelation zu Indikator 2 „Treibhausgasemissionen“ auf. Nach Berechnungender „Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik“ wurden durch Nutzung erneuerbarer Energien im Jahr2007 rd. 115 Mio. t des Klimagases CO 2vermieden. Der Bedarf an Biomasse aus nachwachsenden Rohstoffenkann <strong>zur</strong> Flächenkonkurrenz mit dem Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln führen (siehe auch Indikator12b) oder negative Folgen für die Landnutzung haben (Indikator 5).Statistisches BundesamtFlächeninanspruchnahmeNachhaltige FlächennutzungAnstieg der Siedlungs- und Verkehrsflächein ha pro Tag *)Ursprungswertegleitender Vierjahresdurchschnitt160120120 1131201068040Ziel: 3001993-199697 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 2020*) Die Flächenerhebung beruht auf der Auswertung der Liegenschaftskataster der Länder, die die tatsächliche Flächennutzungdokumentieren. Aufgrund von Umstellungsarbeiten in den amtlichen Katastern (Umschlüsselung der Nutzungsarten im Zuge derDigitalisierung) ist die Darstellung der Flächenzunahme am aktuellen Rand verzerrt.Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung4 Anstieg der Siedlungs- und VerkehrsflächeDie unbebaute, unzerschnittene und unzersiedelte Fläche ist eine begrenzte Ressource. Neben den direktenUmweltfolgen einer Ausweitung der Siedlungs- und Verkehrsflächen – wie dem Verlust der natürlichen Bodenfunktionendurch Versiegelung, dem Verlust an fruchtbaren oder naturnahen Flächen sowie an Biodiversität –erzeugt jede Neuerschließung von Bauflächen im Umfeld der Städte und außerhalb von bisherigen Siedlungskernenauch mehr Verkehr. Dies führt zu weiteren Umweltbelastungen durch Lärm, Energieverbrauch und


46 STATISTISCHES BUNDESAMTSchadstoffemissionen. Darüber hinaus ist die Zersiedlung immer auch mit einem erhöhten technischen undfinanziellen Aufwand für die Bereitstellung der Infrastrukturen verbunden. Ziel der Bundesregierung ist esdeshalb, die Inanspruchnahme neuer Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke bis zum Jahr 2020 auf30 Hektar (ha) pro Tag zu begrenzen.In den letzten Jahren hat sich der Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche zwar abgeschwächt, es istjedoch kein eindeutiger Trend erkennbar. Eine Fortsetzung der Entwicklung der letzten Jahre reicht nicht aus,um das vorgegebene Ziel zu erreichen.Die aktuelle Entwicklung der Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche lässt sich anhand der Ergebnisseder Flächenerhebung wegen des unstetigen Verlaufs der Reihe nicht exakt ermitteln. Vermutlich überzeichnenz. B. die Ergebnisse für die Jahre 2001–2003 den jeweiligen Rückgang. Dieser Effekt wurde danach wiederausgeglichen. Der Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsfläche scheint sich über den gesamten Zeitraum abdem Jahr 2000 hinweg relativ kontinuierlich abgeschwächt zu haben (siehe gleitenden Vierjahresdurchschnitt).Ein solcher Verlauf würde mit der Entwicklung der Bauinvestitionen, die sich im Zeitraum 2000–2005preisbereinigt um insgesamt 18 % verringert haben, in etwa korrespondieren. Inwieweit die ab 2006 wiedersteigenden Bauinvestitionen (siehe Indikator 7) auch auf den Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche durchschlagenbleibt abzuwarten.Im Zeitraum 1992–2006 erhöhte sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche um 15,2 %. Dies entspricht einerdurchschnittlichen Zunahme von 120 ha pro Tag. Davon stieg die Siedlungsfläche um 20,7 % (97 ha pro Tag) währendsich die Verkehrsfläche um 7,2 % (23 ha pro Tag) erhöhte. Die gefahrenen Kilometer auf der Straße nahmenzwischen 1992 und 2004 um 18,2 % zu gegenüber einem Anstieg der Straßenverkehrsfläche um 5,2 %. Das bedeutet,die vorhandenen Straßen wurden zunehmend intensiver genutzt (siehe auch Indikatoren 11a, 11b und 11c).Rd. 52 % der Siedlungsfläche wurden im Jahr 2004 (die Berechnung ist nur im Vierjahresturnus möglich)von den privaten Haushalten – überwiegend zum Wohnen – beansprucht. Auf Produktionsaktivitäten entfielenknapp 43 % der Siedlungsfläche, 5,3 % waren ungenutzt.Die Siedlungsfläche der privaten Haushalte stieg im Zeitraum 1992–2004 um 22,1 % (61 ha pro Tag). Sie nahmdamit erheblich stärker zu als die Zahl der Einwohner (+1,9 %). Ein wesentlicher Grund ist der deutlich gestiegeneWohnflächenanspruch, der in dem betreffenden Zeitraum von 36 m 2 auf 42 m 2 pro Kopf zunahm.Hingegen ist es gelungen, mehr Wertschöpfung auf immer weniger Siedlungsfläche zu erzeugen. Die Flächenintensität(der Quotient aus der für Produktionsaktivitäten beanspruchten Siedlungsfläche und der Summeder durch diese Aktivitäten erzielten Bruttowertschöpfung, preisbereinigt) sank um 5,1 %. Der Zuwachsder beanspruchten Siedlungsfläche war also niedriger als der Anstieg der wirtschaftlichen Leistung. DieseEntkopplung zwischen gesamtwirtschaftlicher Produktion und der damit korrespondierenden Nutzung vonSiedlungsfläche ist allerdings nicht auf eine sparsamere Flächennutzung in den einzelnen Branchen, sondernausschließlich auf den Wandel der Wirtschaftsstruktur hin zu weniger flächenintensiven Produktionsaktivitätenwie z. B. den sich ausweitenden Dienstleistungssektor <strong>zur</strong>ückzuführen (siehe auch Indikator 10).


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND47ArtenvielfaltArten erhalten – Lebensräume schützen1201008060105101Artenvielfalt und Landschaftsqualität *)Index 2015 = 100Index insgesamt Teilindex Siedlungen76Teilindex Wälder70Ziel: 100Statistisches Bundesamt402001970 1975 1990 91 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 2015*) Die historischen Werte für 1970 und 1975 sind rekonstruiert. Werte einiger Vogelarten in den Lebensräumen der Küsten/Meere,BinnengewässerundAlpenwurdenineinzelnenJahrenextrapoliert.Quelle: Bundesamt für Naturschutz (<strong>2008</strong>)5 Artenvielfalt und LandschaftsqualitätEine große Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen ist eine wesentliche Voraussetzung für einen leistungsfähigenNaturhaushalt und bildet eine wichtige Lebensgrundlage des Menschen. Natur und Landschaft inDeutschland sind durch Jahrhunderte lange Nutzungen geprägt. Zur Erhaltung der daraus entstandenen undder natürlich gewachsenen Vielfalt reicht ein kleinflächiger Schutz von Arten und Lebensräumen nicht aus.Vielmehr sind nachhaltige Formen der Landnutzung in der Gesamtlandschaft, eine Begrenzung von Emissionenund ein schonender Umgang mit der Natur erforderlich. Auf diese Weise kann die Artenvielfalt erhaltenund zugleich die Lebensqualität des Menschen gesichert werden.Der Indikator gibt Auskunft über die Landschaftsqualität, die Nachhaltigkeit der Landnutzung und die Vielfaltvon Arten. Der Berechnung des Indikators liegt die Entwicklung der Bestände von 59 Vogelarten zu Grunde,die die wichtigsten Landschafts- und Lebensraumtypen in Deutschland repräsentieren (Agrarland, Wälder,Siedlungen, Binnengewässer, Küsten/Meere sowie die Alpen). Die Größe der Bestände spiegelt die Eignungder Landschaft als Lebensraum für die ausgewählten Vogelarten wider. Da neben Vögeln auch andere Artenan eine reichhaltig gegliederte Landschaft mit intakten, nachhaltig genutzten Lebensräumen gebunden sind,bildet der Indikator indirekt auch die Entwicklung zahlreicher weiterer Arten in der Landschaft und die Nachhaltigkeitder Landnutzung ab. Ein Expertengremium hat für jede einzelne Vogelart Bestandszielwerte für dasJahr 2015 festgelegt, die erreicht werden könnten, wenn europäische und nationale rechtliche Regelungen mitBezug zum Naturschutz und die Leitlinien einer nachhaltigen Entwicklung zügig umgesetzt werden. Aus demGrad der Zielerreichung aller 59 Vogelarten wird jährlich ein Wert für den Gesamtindikator berechnet.Der Wert des Indikators für die Artenvielfalt lag im Jahr 1990 deutlich unter den Werten, die für die Jahre1970 und 1975 rekonstruiert wurden. In den letzten zehn Beobachtungsjahren (1997–2006) hat sich der Indikatorwertkaum verändert und zeigte keinen nachweisbaren Entwicklungstrend. Im Jahr 2006 lag er bei ca. 70 %des Zielwerts für 2015. Bei gleichbleibender Entwicklung kann das Ziel zum vorgegebenen Zeitpunkt nichtohne erhebliche zusätzliche Anstrengungen von Bund, Ländern und auf kommunaler Ebene in möglichstallen Politikfeldern mit Bezug zum Natur- und Landschaftsschutz erreicht werden.Die Werte der sechs Teilindikatoren, die zu Beginn der 1990er Jahre noch weiter auseinander lagen, nähertensich bis 2006 einander an. Zwischen 1997 und 2006 zeigten die Teilindikatoren für Siedlungen sowie fürKüsten und Meere einen signifikanten Abwärtstrend, während die Teilindikatoren für Agrarland, Binnenge-


48 STATISTISCHES BUNDESAMTwässer und die Alpen stagnierten. Allein der Teilindikator für die Wälder entwickelte sich seit 1997 signifikantpositiv. Er erreichte in 2006 80 % des Zielwerts, während die anderen Teilindikatoren zu diesem Zeitpunkt nurein Niveau von etwa zwei Dritteln des Zielwertes aufwiesen.Die wichtigsten Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt sind die Intensivierung der land- und forstwirtschaftlichenNutzung, die Zerschneidung und Zersiedelung der Landschaft, die Versiegelung von Flächensowie Stoffeinträge (z. B. Säurebildner oder Nährstoffe). Im Siedlungsbereich wirken sich Verluste an naturnahenFlächen und dörflichen Strukturen aufgrund von Bautätigkeit und Flächenversiegelung negativ aus.Gefährdungsfaktoren für Lebensräume an der Küste sind Störungen durch eine gestiegene Freizeitnutzungund die Verbauung, z. B. durch Küstenschutzmaßnahmen. In Wäldern dürfte sich die Förderung naturnaherWaldbewirtschaftung positiv bemerkbar machen.Die Veränderung des Klimas, die wesentlich durch die Emission von Treibhausgasen verursacht wird, führtbereits heute zu einer Verschiebung der Verbreitungsgebiete vieler Arten und beginnt die Landschaften inDeutschland umzuformen. Der vom Menschen verursachte Klimawandel könnte künftig die Artenvielfaltsowie das Artenspektrum durch Einwanderung und Aussterben von Tier- und Pflanzenarten wesentlich verändern.Der zunehmende Energiepflanzenanbau kann Auswirkungen auf Landschaftsqualität und Artenvielfalthaben. Offen ist bisher, in welcher Weise sich der demografische Wandel – insbesondere infolge der Aufgabelandwirtschaftlicher Nutzungen in Abwanderungsgebieten – auf Artenvielfalt und Landschaftsqualität auswirkenwird.StaatsverschuldungHaushalt konsolidieren – Generationengerechtigkeit schaffenStaatsdefizit *)in % des BruttoinlandsproduktsStaatsdefizitWirtschaftswachstum432,9210-0,1-11991 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07*) Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherung; Jahr 2000: ohne Erlöse aus der UMTS-Versteigerung.Quelle: Statistisches Bundesamt6 StaatsdefizitSolide Staatsfinanzen dienen der Generationengerechtigkeit sowie der Förderung von Wachstum undBeschäftigung durch ein tragfähiges und gerechtes Steuer- und Abgabensystem. Notwendiger Bestandteiltragfähiger Finanzpolitik ist die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Ziel der jetzigen Bundesregierungist es, einen strukturell ausgeglichenen Staatshaushalt zu erreichen. Für den Bereich des Bundes wird als Zielergänzt, ab 2011 einen Haushalt ohne Nettokreditaufnahme zu gewährleisten.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND49Auf europäischer Ebene wird die Höhe der staatlichen Verschuldung u. a. durch die sogenannten „Maastrichtkriterien“,deren Einhaltung die Mitgliedsländer der Eurozone vereinbart haben, begrenzt. Für das jährlicheDefizit (Ausgaben abzüglich Einnahmen) des Staates sehen diese einen Referenzwert von maximal 3 %des Bruttoinlandsprodukts ( BIP) vor.Im Jahr 2007 wies der Staat erstmals seit 1989 – sieht man von der Sonderentwicklung im Jahr 2000 durchdie UMTS-Erlöse ab – einen leicht positiven Finanzierungssaldo von 3,1 Mrd. Euro auf, nach einem Defizit von35,9 Mrd. Euro im Vorjahr. Im Zeitraum 2002–2005 wurde die zulässige Defizitgrenze laut Maastricht-Vertragregelmäßig überschritten. Ein wichtiger Grund für die Entwicklung in diesem Zeitraum war eine anhaltendeKonjunktur- und Wachstumsschwäche. Die Wachstumsraten des realen BIP lagen in den Jahren 2001–2005nur noch zwischen -0,2 und +1,2 % (siehe Indikator 10). Mit dem Jahr 2006 erfolgte eine konjunkturelle Wende.2006 und 2007 erhöhte sich das BIP um 3,0 % bzw. 2,5 % gegenüber dem Vorjahr.Nach der deutschen Vereinigung war das jährliche staatliche Defizit bis 2003 kontinuierlich angestiegen,von 43,8 Mrd. Euro 1991 auf 87 Mrd. Euro 2003. 2004 und 2005 blieb das staatliche Defizit fast unveränderthoch. 2006 und 2007 erfolgte der Abbau des Defizits auf allen gesamtstaatlichen Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden,Sozialversicherung). 2007 wies lediglich der Bundeshaushalt noch ein Defizit von 18,9 Mrd. Euro auf.Die Haushalte der Länder und Gemeinden zeigten dagegen Überschüsse. Die Sozialversicherung konnte ihrenÜberschuss auf 10,4 Mrd. Euro erhöhen. Diese Entwicklungen führten dazu, dass für den Staat insgesamt 2007ein leichter Haushaltsüberschuss (+3,14 Mrd. Euro) erreicht wurde.Statistisches BundesamtDie Einnahmen erhöhten sich seit 2004 stärker als die Ausgaben. Insbesondere 2006 und 2007 war ein kräftigerAnstieg der Steuereinnahmen um 7,6 % bzw. 8,6 % zu verzeichnen. Die gesamten Einnahmen des Staatesstiegen auf 1.065 Mrd. Euro an. Die Steuern betrugen 2007 576,3 Mrd. Euro. Das waren 54 % der gesamten Einnahmen.Die Ausgaben erhöhten sich dagegen nur noch leicht. Der größte Ausgabenblock, die monetären Sozialleistungenin Höhe von 418,4 Mrd. Euro (Renten und Pensionen, Zahlungen der Krankenversicherung undder Arbeitslosenversicherung u. a.) hatten einen Anteil von 39,4 % an den gesamten Ausgaben. Diese Ausgabenwaren rückläufig. So lagen beispielsweise die Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung um knapp 23,0 %und die Zahlungen für Arbeitslosengeld II um 13,4 % unter ihrem Vorjahreswert. Die Arbeitnehmerentgeltebetrugen 2007 168,0 Mrd. Euro. Das entsprach einem Anteil von 15,8 % an den Ausgaben.Der Anteil der Ausgaben am BIP sank von 45,4 % (2006) auf 43,8 % (2007). 2003 betrug dieser Anteil noch48,5 %. Insbesondere der Anteil der monetären Sozialleistungen am BIP ist auf 17,3 % (2007) gesunken (2003:19,8 %).2007 entfielen gut 56 % der Ausgaben des Staates auf Sozialausgaben wie Leistungen der gesetzlichen Renten-,Kranken- und Arbeitslosenversicherungsträger oder die Sozialhilfe. Diese Ausgabenposition stieg im Zeitraum2000–2007 um 12,0 %. Angesichts einer Zunahme der Erwerbslosenzahl in diesem Zeitraum um 470.000und einer deutlichen Erhöhung der Zahl der Rentenbezieher wäre der Ausgabenanstieg ohne die durchgeführtenÄnderungen bei den Sozialleistungen, wie den Strukturreformen der Agenda 2010, der Reform des Gesundheitssystemsund der Begrenzung der Rentenanpassungssätze, noch erheblich höher ausgefallen.


50 STATISTISCHES BUNDESAMTWirtschaftliche ZukunftsvorsorgeGute Investitionsbedingungen schaffen – Wohlstand dauerhaft erhaltenVerhältnis der Bruttoanlageinvestitionen zum BIP *)in %252021,420,21510501991 2000 01 02 03 04 05 06 07*) Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt.Quelle: Statistisches Bundesamt7 Verhältnis der Bruttoanlageinvestitionen zum BIPDie wirtschaftliche Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft hängen entscheidendvon den Investitionen der Unternehmen und des Staates ab. Insbesondere über Investitionen in neue Ausrüstungenund immaterielle Anlagen werden Innovationen realisiert sowie Märkte – und damit auch Beschäftigung– gesichert oder ausgeweitet. Gleichzeitig können Investitionen dazu beitragen, die Energie- undRessourceneffizienz der Volkswirtschaft zu steigern, z. B. durch Energieeinsparmaßnahmen an Gebäuden,Realisierung umwelteffizienter Produktionstechniken oder Herstellung umwelteffizienter Güter. Auf deranderen Seite gehen insbesondere Bauinvestitionen, soweit es sich um Erweiterungsinvestitionen handelt,mit erheblichem Materialverbrauch und zusätzlicher Inanspruchnahme von Siedlungs- und Verkehrsflächeneinher (siehe umweltbezogene Indikatoren, z. B. 1b und 4).Zu den Bruttoanlageinvestitionen zählen die Anlagearten Bauten (Wohnbauten und Nichtwohnbauten),Ausrüstungen (Maschinen, Fahrzeuge, Geräte) und Sonstige Anlagen (immaterielle Anlagegüter wie Softwareund Urheberrechte, Grundstücksübertragungskosten, Nutztiere).Die Investitionsquote (Verhältnis der preisbereinigten Bruttoanlageinvestitionen zum Bruttoinlandsprodukt)in Deutschland lag im Zeitraum 1991 bis zum Jahr 2000 bei rd. 21 %. In den Jahren danach bewegte sich die Quoteauf einem Niveau von rd. 19 %. Ab 2006 stieg der Indikator wieder an und erreichte 2007 einen Wert von 20,2 %.Im Jahr 2006 erfolgte nach der rückläufigen Entwicklung der Investitionen zwischen 2000 und 2004 eineTrendwende: die Anlageinvestitionen sind (preisbereinigt) mit 7,7 % Wachstum zum Vorjahr sehr viel stärkergestiegen als das BIP mit einem Wachstum von 3,0 %. In 2007 setzte sich das kräftige Wachstum der Investitionenmit einem Anstieg von 4,3 % fort, bei einem Anstieg des BIP um 2,5 %. Die Investitionsquote erhöhte sich auf20,2 %.Der Aufschwung in der Investitionstätigkeit hatte sich bei den Ausrüstungen bereits 2004 abgezeichnet.Seit 2004 sind die Ausrüstungen kräftig gestiegen: 2004 um 4,5 %, 2005 um 6,0 %, 2006 um 11, 1 % und 2007 um6,9 % (jeweils Änderung zum Vorjahr). Dazu hat insbesondere die dynamische Entwicklung bei den Investitionenin Datenverarbeitungsgeräte und Fahrzeuge beigetragen. Auch in Maschinen wurde seit 2004 wiederstärker investiert als in den Vorjahren. Die Bauinvestitionen zeigten 2006 erstmals seit 1999 wieder einenAnstieg. Zu diesem Anstieg haben 2006 sowohl die Investitionen in Wohnbauten als auch in Nichtwohnbautenbeigetragen. Während sich der Anstieg 2007 bei den Wohnbauten mit +0,3 % nur leicht fortsetzte, legten dieNichtwohnbauten auch 2007 mit einem Anstieg von 3,8 % kräftig zu. Die Sonstigen Anlagen weisen seit 1991 ein


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND51stetiges und in 2006 und 2007 ein besonders kräftiges Wachstum von 8,3 % (2006) und 8,0 % (2007) im Vergleichzum Vorjahr auf.InnovationZukunft mit neuen Lösungen gestalten3,53,0PrivateundöffentlicheAusgabenfürForschungundEntwicklungAusgaben in % des BIPDeutschland Japan USA EU-27Ziel: 3Statistisches Bundesamt2,52,01,51,01991 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 1) 20101) Schätzung.Quelle: OECD, Main Science and Technology Indicators 20078 Private und öffentliche Ausgaben für Forschung und EntwicklungDie Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F+E) sind eine wichtige, wenn auch nicht die alleinigeBestimmungsgröße für das Innovationstempo einer Volkswirtschaft. Je höher die Ausgaben sind, desto größerist die Aussicht auf eine dynamischere Entwicklung der Produktivität, ein stärkeres Wirtschaftswachstum, eineverbesserte Wettbewerbsfähigkeit und nicht zuletzt die Chance, dass sich unsere Produktions- und Konsummusterin Richtung Nachhaltigkeit weiterentwickeln.Der hier dargestellte Indikator umfasst die Ausgaben von Wirtschaft, Staat und Hochschulen für Forschungund Entwicklung und stellt diese in Relation zum Bruttoinlandsprodukt ( BIP). Der Rat von Barcelona hat 2002als Zielvorgabe für Europa einen Anteil der F+E-Ausgaben von 3 % im Jahr 2010 beschlossen. Diese Vorgabewurde im Rahmen der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> der Bundesregierung für Deutschland als Zielübernommen. Auch nach 2010 sollen die Anstrengungen aller Beteiligten fortgesetzt werden, die InnovationsfähigkeitDeutschlands zu sichern.Im Jahr 2006 lagen die gesamten F+E-Ausgaben in Deutschland bei 58,9 Mrd. Euro. Das entspricht einemAnteil am BIP von 2,5 %. Im Vergleich dazu lag diese Größe in den USA 2006 bei 2,6 % und in Japan bei 3,3 %(2005). Sowohl die EU-15 als auch die EU-27 Region hatten dagegen deutlich geringere Anteile der F+E-Ausgabenam BIP (1,9 % bzw. 1,7 % im Jahr 2005). Seit Mitte der 1990er Jahre ist der Anteil in Deutschland um rd.0,3 %-Punkte gestiegen, wobei sich seit 2000 nur noch eine sehr geringe Erhöhung zeigte.Der weitaus größte Teil der F+E-Ausgaben mit rd. 70 % entfiel auf die interne Forschung der Wirtschaft,gut 16 % gaben die Hochschulen aus, weitere knapp 14 % staatliche Forschungseinrichtungen und privatenForschungseinrichtungen ohne Erwerbszweck. Das Personal in Forschung und Entwicklung umfasste 2006rd. 490.500 Vollzeitäquivalente, wobei jeweils nur der im Bereich Forschung und Entwicklung geleistete Anteilder Arbeitszeit berücksichtigt wird. Das Personal ist zu 64 % der Wirtschaft, zu 20 % den Hochschulen und zu 16 %den staatlichen und privaten Forschungseinrichtungen ohne Erwerbszweck zu<strong>zur</strong>echnen.


52 STATISTISCHES BUNDESAMTHinsichtlich der Wissenschaftszweige spielten bei den staatlichen und privaten Forschungseinrichtungenohne Erwerbszweck die Natur- und die Ingenieurwissenschaften eine besondere Rolle (47 % bzw. 28 % der F+E-Ausgaben 2006 in diesem Bereich). Auf die Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften entfielen 13 %der Ausgaben, 6 % waren es bei der Humanmedizin und 5 % in den Agrarwissenschaften.Die F+E-Aktivitäten der Wirtschaft konzentrierten sich auf die Branchen Fahrzeugbau, Elektrotechnik,Chemische Industrie (einschließlich der pharmazeutischen Industrie) und den Maschinenbau – zusammenetwa 83 % der Ausgaben der Privatwirtschaft. Allein die Automobilindustrie gab 2006 rd. 12,4 Mrd. Euro fürForschung und Entwicklung aus (Quelle: Wissenschaftsstatistik des Stifterverbandes).BildungBildung und Qualifikation kontinuierlich verbessern18161412108642014,9 (insgesamt)18- bis 24-Jährige ohne Abschluss des Sekundarbereichs II undnicht in Bildung und Ausbildung befindlichAnteil an allen 18- bis 24-Jährigen in %insgesamtweiblichmännlich12,9 (insgesamt)Ziel: 9Ziel: 4,51999 2000 01 02 03 04 05 06 07 2010 2020Quelle: Statistisches Bundesamt9a 18- bis 24-Jährige ohne AbschlussDas staatliche Bildungssystem und das duale System der Berufsausbildung sind die Eckpfeiler einer zukunftsorientiertenQualifikation für junge Menschen in Deutschland. Fehlende Schul- und Berufsabschlüsse bedeutenein Armutsrisiko und eine Belastung der Sozialsysteme. Es ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, dass alleJugendlichen einen Schulabschluss erreichen, einen Ausbildungsplatz erhalten oder ein Studium absolvieren.Der hier dargestellte Indikator beschreibt die Defizite der Ausbildung mit dem Anteil der frühen Schulabgängerund -abgängerinnen. Darunter versteht man den Anteil aller 18- bis 24-Jährigen, die gegenwärtigkeine Schule oder Hochschule besuchen und sich auch an keiner Weiterbildungsmaßnahme beteiligen undnicht über einen Abschluss des Sekundarbereichs II (Hochschulreife bzw. abgeschlossene Berufsausbildung)verfügen. Das bedeutet, dass auch junge Menschen, die beispielsweise die Haupt- oder Realschule (SekundarstufeI) erfolgreich abgeschlossen haben (anschließend aber nicht die Hochschulreife bzw. keinen beruflichenAbschluss erlangt haben), sich aber nicht mehr im Bildungsprozess befinden, als frühe Schulabgänger gezähltwerden. Gemeinsam mit den Ländern hat die Bundesregierung das Ziel, den Anteil bis 2010 auf einen Wert von9 % und bis 2020 weiter auf 4,5 % zu senken. Nach Auffassung der EU soll der Anteil der frühen Schulabgänger in2010 höchstens 10 % betragen. Bei gleichbleibender durchschnittlicher jährlicher Entwicklung wie in den letztenfünf Jahren bis 2007 und ohne verstärkte Bemühungen würde das gesetzte Ziel der Strategie für Deutschlanddeutlich verfehlt werden.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND53Im Jahr 2007 waren insgesamt 867.000 junge Menschen ohne Ausbildungsplatz oder entsprechenden Abschluss.Zwischen 1999 und 2007 ging ihr Anteil unter den 18- bis 24-Jährigen von 14,9 % auf 12,9 % <strong>zur</strong>ück, 2005und 2006 hatte er noch bei etwa 14 % gelegen. Die geschlechtsspezifischen Quoten für den Indikator wichenseit 1999 unterschiedlich stark vom Gesamtwert ab. 2007 lag der Anteil der jungen Frauen mit 12,3 % niedrigerals der der jungen Männer mit 13,5 %.Bezogen auf den Anteil der Schulabbrecher weist die Schulstatistik aus, dass 2006 insgesamt rd. 75.900junge Leute (7,8 % des Absolventenjahrgangs) die Schule ohne einen Hauptschulabschluss verlassen haben.Ihr Anteil hat sich im Vergleich zu 1992 kaum verringert. Bei den jungen Frauen ist der Anteil nach wie vordeutlich geringer (5,9 %) als bei den jungen Männern (9,7 %).Einen Hauptschulabschluss erreichten im Jahr 2006 knapp 24,4 % aller Schulabgänger, einen Realschulabschluss41,1 %, die Fachhochschulreife 1,5 % und die allgemeine Hochschulreife 25,2 %. Der Anteil der Absolventinnenund Absolventen mit Hauptschulabschluss ging seit 1992 um 2,6 %-Punkte <strong>zur</strong>ück, die Anteile derhöherwertigen Abschlüsse stiegen dagegen um 3,0 %-Punkte an.Statistisches BundesamtEine wichtige Rolle für die schulische und berufliche Entwicklung spielen die soziale und familiäre Herkunftoder die Kenntnisse der deutschen Sprache. Nach wie vor besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischenden Bildungserfolgen deutscher und ausländischer Jugendlicher (siehe Indikator 19). Weiterhin wirkten sichdie abnehmende Bereitschaft von Arbeitgebern <strong>zur</strong> Ausbildung und das begrenzte Angebot an Lehrstellennegativ auf den Indikator aus. Geprägt durch den Aufschwung am Arbeitsmarkt stieg nach Ergebnissen des Berufsbildungsberichts<strong>2008</strong> im Jahr 2007 die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge auf 625.900und damit um 8,6 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum weiter an (Stichtag: 30. September). Der Anstieg kamvor allem den alten Ländern (10,7 %) zugute, gegenüber nur 0,9 % in den neuen Ländern und Berlin. U. a. wegenAltbewerbern aus Vorjahren und der Zunahme von Bewerbern mit Hochschulzugangsberechtigung, dieAbsolventinnen und Absolventen mit niedrigeren Abschlüssen verdrängen (siehe Indikator 9c), blieben 2007noch 29.100 Bewerber ohne Lehrstelle. Bei den nicht vermittelten Bewerbern spielen – neben nicht erfüllbarenBerufswünschen – oft auch mangelnde Qualifikationen eine wichtige Rolle.BildungBildung und Qualifikation kontinuierlich verbessern252025-Jährige mit abgeschlossener Hochschulausbildung *)Anteil an allen 25-Jährigen in %25-Jährige insgesamt 25-Jährige männlich 25-Jährige weiblich25- bis 34-JährigeinsgesamtZiel: 201513,016,11055,57,6Ziel: 1001999 2000 01 02 03 04 05 06 07 2010 2020*) 25-Jährige: nach (ISCED 5A);25- bis 34-Jährige: nach (ISCED 5A/6), jeweils ohne Verwaltungsfachhochschulen.Quelle: Statistisches Bundesamt


54 STATISTISCHES BUNDESAMT9b 25-Jährige mit abgeschlossener HochschulausbildungEine hoch entwickelte Volkswirtschaft wie in Deutschland, wo der Dienstleistungssektor und der Bedarf anWissen und Expertise gegenüber der industriellen Produktion immer stärker in den Vordergrund rückt, benötigthoch qualifizierte Arbeitskräfte. Dabei sind Studiendauer und Durchschnittsalter von Absolventinnen undAbsolventen zentrale Themen der hochschulpolitischen Diskussion. Als Indikator wählte die Bundesregierungden Anteil aller jungen Menschen, die im Alter von 25 Jahren eine Hochschulausbildung abgeschlossen haben.Es besteht das Ziel, diesen Anteil bis zum Jahr 2010 auf 10 % und bis 2020 auf 20 % zu steigern.Zwischen 1999 und 2007 stieg der Wert von insgesamt 5,5 % auf 7,6 % und gewann 0,9 %-Punkte gegenüberdem Vorjahr. Im Vergleich der Geschlechter war 2007 der Anteil der 25-jährigen Frauen (9,4 %, 0,9 %-Punktemehr als 2006) mit abgeschlossener Hochschulausbildung deutlich höher als der der Männer (5,8 %, ebenfalls0,9 %-Punkte mehr als 2006), was teilweise mit Wehr- oder Ersatzdienstzeiten zusammen hängt. Der Trend desIndikators war in den letzten fünf Jahren positiv. Die Entwicklungsgeschwindigkeit reicht aber <strong>zur</strong> Erreichungder Ziele nicht aus. Der Aussagewert des Indikators ist dadurch eingeschränkt, dass er nur auf einem für statistischeAngaben sehr kleinen Altersjahrgang der Bevölkerung beruht.Das Durchschnittsalter der Erstabsolventen lag 2006 bei 28 Jahren und ist damit gegenüber 1999 nahezuunverändert. Es hängt mit dem Alter bei der Einschulung, der Dauer der Schulzeit bis zum Abitur, der Dauerdes Übergangs vom Schul- in das Hochschulsystem und der Studiendauer zusammen. Die Betrachtung einererweiterten Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen zeigt, dass der Anteil junger Menschen mit abgeschlossenerHochschulausbildung von insgesamt 13,0 % in 1999 auf 16,1 % in 2006 anstieg. Der Durchschnittswert für die25- bis 34-Jährigen in den OECD-Ländern lag 2006 bei 25 %. Unter den Absolventen in Deutschland gab es auchin dieser Gruppe immer mehr qualifizierte Frauen. Im Vergleich der Geschlechter wurden die jungen Männer(15,6 %) von den Frauen (16,7 %) überholt.Die Gesamtzahl aller Hochschulabsolventen im Jahr 2006 lag bei 265.700, 28.600 mehr als noch 1997. Darunterwaren 40.900 Absolventen der Ingenieurwissenschaften (17 % weniger als 1997) und 43.100 Absolventender Mathematik (19 % mehr als 1997). Während in 2006 34 % aller Prüfungen im Bereich Rechts-, WirtschaftsundSozialwissenschaften, 17 % in den Sprach- und Kulturwissenschaften und 16 % in Mathematik/Naturwissenschaftenabgelegt wurden, belegten die Ingenieure mit 15 % den vierten Platz. Ausländische Studentinnen undStudenten trugen in den vergangenen Jahren wesentlich dazu bei, dass der Rückgang der Ingenieurabsolventenabgefedert wurde. Die Abschlüsse von Bildungsausländern stiegen hier gegenüber 1997 um 2.800, währenddie der Absolventen mit deutschem Pass um 11.200 <strong>zur</strong>ückgingen. Der Frauenanteil unter den Ingenieur-Absolventen und -Absolventinnen stieg von 15 % in 1997 auf 22 % in 2006, lag aber weit unter dem Schnitt allerFächer von 50 %.Die europaweite Neuordnung der Studienstruktur (im sogenannten „Bologna“-Prozess) hat zum Ziel, durchdie Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen die internationale Mobilität von Studierenden undAbsolventen und die Attraktivität europäischer Hochschulen für ausländische Studierende zu fördern. In 2006entschieden sich 37 % aller Studienanfängerinnen und -anfänger in Deutschland für einen Bachelorstudiengang(im Vorjahr 23 %) und 5 % im ersten Fachsemester für einen Masterstudiengang (Vorjahr 4 %). Die traditionellenDiplom- und Magisterstudiengänge (33 %, im Vorjahr 41 %) befanden sich dagegen auf dem Rückzug.Auch der Anteil der Studienanfänger, die einen Fachhochschulabschluss anstrebten, ging 2005 von 19 % auf12 % im Jahr 2006 <strong>zur</strong>ück. Das Durchschnittsalter von Erstabsolventinnen und -absolventen hat sich durch denBolognaprozess aber erst in wenigen Bereichen verringert. Im Prüfungsjahr 2006 schlossen Erstabsolventenvon Diplomstudiengängen an Universitäten ihr Studium im Schnitt mit 27,9 Jahren, an Fachhochschulen mit27,8 Jahren ab. Den Bachelor erwarben Erstabsolventen mit 25,8 Jahren und den Master mit 28,0 Jahren. Masterin Informatik, Physik oder Maschinenbau waren älter als Absolventen mit Diplom, bei den Chemikern warensie gleich alt.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND55BildungBildung und Qualifikation kontinuierlich verbessern6055504540insgesamtStudienanfängerquoteAnteil in %männlichweiblichOECD-MittelZiel: 40Statistisches Bundesamt3534,4 (insgesamt)302524,8 (insgesamt)20151993 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 2010Quelle: Statistisches Bundesamt (Berechnung nach internationalem OECD-Standard)9c StudienanfängerquoteEine Bildungspolitik, die möglichst vielen jungen Menschen eine qualifizierte Ausbildung ermöglicht,ist eine Voraussetzung dafür, dass unsere Gesellschaft den künftigen Herausforderungen gewachsen ist. DieStudienanfängerquote misst den Anteil der Studienanfängerinnen und -anfänger (aus dem In- und Ausland,an Hochschulen außer Verwaltungsfachhochschulen) im 1. Hochschulsemester an der altersspezifischen Bevölkerung.Ziel der Bundesregierung ist es, die Studienanfängerquote in Deutschland bis zum Jahr 2010 auf 40 %zu erhöhen und in den Folgejahren auf hohem Niveau weiter auszubauen und zu stabilisieren. In Bezug aufdie erforderlichen Maßnahmen ist die Zuständigkeit der Länder für die Bildungspolitik zu berücksichtigen.Zwischen 1993 und 2004 stieg die Studienanfängerquote in Deutschland von 24,8 % auf gut 37,5 % an, fielaber bis 2007 wieder auf 34,4 % <strong>zur</strong>ück. Bei den Frauen lag die Quote in 2007 (mit 34,6 %) leicht über der derMänner (34,2 %). In den letzten fünf Jahren bis 2007 entwickelte sich der Indikator in die falsche Richtung. Beieiner Fortsetzung dieser Entwicklung könnte das Ziel in 2010 nicht erreicht werden.Im Mittel der OECD- Länder lag die Quote deutlich höher. 2006 begannen 56 % und damit mehr als die Hälfteder Jugendlichen ein Studium. Überdurchschnittlich hoch waren die Anteile der Studienanfänger an der altersspezifischenBevölkerung in Australien (84 %), Island und Polen (je 78 %), Finnland und Schweden (je 76 %) sowieNeuseeland (72 %), während sich Deutschland zusammen mit Österreich, der Schweiz und Belgien im unterenBereich befand. Bei diesem Vergleich ist der unterschiedliche Aufbau der Bildungsgänge in den OECD-Ländernzu berücksichtigen. Der unterdurchschnittliche Wert für Deutschland wird dadurch beeinflusst, dass hier dieBerufsausbildung weitgehend im dualen System erfolgt, in anderen Staaten aber überwiegend an den Hochschulen.Im Studienjahr 2007 schrieben sich 358.200 Studienanfängerinnen und -anfänger (vorläufige Ergebnisse)an den deutschen Hochschulen ein. Berechnet nach <strong>nationalen</strong> Abgrenzungen entspricht dies einer Studienanfängerquotevon 36,6 %. Mit einer Steigerung um 13.300 gegenüber dem Vorjahr liegt die Zahl der Studienanfänger2007 aber noch deutlich unter dem Höchstwert von 2003 (mit 377.500 Studienanfängern). Der Anteilder Frauen an den Studienanfängern betrug in 2007 49,8 %. Wegen der Verkürzung der Schulzeit von 13 auf 12


56 STATISTISCHES BUNDESAMTSchuljahre und einer Reihe geburtenstarker Jahrgänge, die die Schulzeit abschließen, wird bis zum Jahr 2010mit einem deutlichen Anstieg der Studierendenzahlen gerechnet.Während die Studienanfängerquoten 2004–2007 rückläufig waren, stieg die Anzahl derjenigen, die eineStudienberechtigung erwarben (Abitur oder Fachhochschulreife), 2007 gegenüber dem Vorjahr um 4,2 % auf432.500 an (vorläufige Ergebnisse, einschließlich Absolventen nach acht Gymnasialjahren). 46,7 % der Studienberechtigtenwaren junge Männer, die Mehrzahl von ihnen (51,7%) erwarb die Fachhochschulreife. JungeMenschen mit Studienberechtigung wählten verstärkt eine berufliche Ausbildung statt eines Studiums. DieAnzahl der Anfänger einer beruflichen Ausbildung, die eine Studienberechtigung nachweisen konnten, stieg2003–2006 um 18 % auf 130.000 an. Als Gründe für die steigende Ausbildungsneigung der Studienberechtigtenkommen der Wunsch nach stärkerem Praxisbezug, der durch das Studienangebot nicht gedeckt wird, oderZulassungsbeschränkungen bei Studiengängen in Betracht.Studienanfänger, die ihre Studienberechtigung in Deutschland erworben haben, waren 2007 im Mittel21 Jahre alt. 16 % aller Erstimmatrikulierten kamen aus dem Ausland zum Studium nach Deutschland. Da siemeist bereits im Heimatland studiert haben, waren sie im Mittel zwei Jahre älter als die Inländer. Daraus ergabsich ein mittleres Alter der Studienanfänger von 21,2 Jahren. Im europäischen Vergleich waren die Studienanfänger2006 z. B. in Griechenland , Spanien, Belgien und Irland (jeweils rd. 19 Jahre) am jüngsten, die Anfängerin Island (23,2 Jahre), Dänemark (22,6 Jahre) oder in Schweden (22,4 Jahre) am ältesten. Aber bereits innerhalbDeutschlands gab es deutliche Altersunterschiede. Die Spannweite reichte von 20,8 Jahren in Sachsen und Thüringenbis zu 22,4 Jahren in Hamburg.Wirtschaftlicher WohlstandWirtschaftsleistung umwelt- und sozialverträglich steigernBIP je Einwohnerpreisbereinigt, in Preisen von 2000 in 1000 Euro2827262524232221201991 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 0727,3Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen10 BIP je EinwohnerDas Bruttoinlandsprodukt ( BIP) ist Ausdruck der gesamten im Inland entstandenen wirtschaftlichen Leistung.Es wird als wichtiger Indikator für Konjunktur und Wachstum einer Volkswirtschaft angesehen, wurdejedoch nicht als generelles Wohlfahrtsmaß konzipiert. Zwischen der Entwicklung des BIP und den anderenThemenfeldern der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> gibt es vielfältige Beziehungen. So spielen sozialeFaktoren wie die Bevölkerungsstruktur, das Arbeitskräfteangebot, das Bildungssystem, das System der Kinderbetreuungsowie der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft eine wichtige Rolle für die internationale Wettbewerbsfähigkeitder Wirtschaft. Eine steigende Wirtschaftsleistung ist unter Wohlfahrtsgesichtspunkten erstrebenswert.Ausreichendes Wirtschaftswachstum kann Strukturwandel ermöglichen, Arbeitsplätze sichernund neue schaffen sowie die Sozialsysteme vor dem Hintergrund der „alternden Gesellschaft“ und der anzu-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND57strebenden Generationengerechtigkeit stabilisieren. Auf der anderen Seite wirkt ein steigendes BIP tendenziellumweltbelastend, soweit es mit einem steigenden Verbrauch natürlicher Ressourcen verbunden ist. Aufgabeder <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> ist es, solche Zielkonflikte durch geeignete Maßnahmen auszubalancieren.Zwischen 1991 und 2007 hat sich das BIP je Einwohner real um insgesamt 23,8 % erhöht. Nach dem Konjunktureinbruchim Jahre 1993 folgte bis zum Jahr 2001 ein Aufschwung mit jährlichen Wachstumsraten vondurchschnittlich fast 2 %. Im Zeitraum 2001–2005 schwächte sich das Wachstum deutlich ab. Danach sind dieWachstumsraten kräftig angestiegen: 2006 auf 3,0 % und 2007 auf 2,5 % gegenüber dem Vorjahr.Das wirtschaftliche Wachstum verlief nach Branchen sehr unterschiedlich. Die Industrie (ProduzierendesGewerbe, ohne Bau) wies zwischen 1991 und 2007 ein reales Wachstum von rd. 23 % auf. Die Dienstleistungsbereichezusammen zeigten dagegen einen sehr viel stärkeren Anstieg von 40 %. Während die Industrie 1991noch einen Anteil von 30,6 % an der gesamten Bruttowertschöpfung (in jeweiligen Preisen) erwirtschaftete,ging dieser bis 2003 auf weniger als 25 % <strong>zur</strong>ück. Ab 2004 erhöhte sich dieser Anteil jedoch wieder wegen desrelativ hohen Wachstums dieses Bereichs in den Jahren 2005–2007 auf 26,4 %. Ein weit überdurchschnittlichesWachstum bei den Dienstleistungen erzielten zwischen 1991 und 2007 das Gesundheits- und Sozialwesen(+86 %), Verkehr und Nachrichtenübermittlung (+71 %) sowie Grundstückwesen, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen(+64 %). Die Veränderung der Wirtschaftsstruktur – mit zunehmender Bedeutung desDienstleistungsbereichs und abnehmender Bedeutung von Industrie, Bergbau und Baugewerbe – trug zu einerEntkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltbelastungen bei. Dieser Strukturwandel hat insbesonderebeim Verbrauch von Rohstoffen, Energie und Siedlungsfläche und bei den CO 2- Emissionen den negativenEffekt des allgemeinen Wirtschaftswachstums entweder vollständig oder größtenteils kompensiert. Zu einerweiteren Entlastung der Umwelt hat insbesondere die effizientere Nutzung von Energie in den einzelnen Branchenbeigetragen (siehe auch die Indikatoren 1a, 1b, 2 und 4).Statistisches BundesamtDie wirtschaftliche Leistung entwickelte sich regional sehr unterschiedlich. Ausgehend von einem vergleichsweiseniedrigen Niveau konnten die neuen Bundesländer (ohne Berlin) die Wirtschaftsleistung jeEinwohner zwischen 1991 und 2006 fast verdoppeln (+93 %). Das Bruttoinlandsprodukt der neuen Bundesländer(ohne Berlin) weist einen Anstieg von knapp 76 % auf, bei einer um 9,1 % gesunkenen Einwohnerzahl. Im früherenBundesgebiet (ohne Berlin) stieg dagegen die Wirtschaftsleistung je Einwohner im gesamten Zeitraumlediglich um 13,8 %, bei einem Anstieg des BIP um 20,7 % und der Einwohnerzahl um 6,1 %. Dennoch liegen dieneuen Bundesländer beim Bruttoinlandsprodukt je Einwohner weiterhin um rd. 30 % hinter den alten Ländern<strong>zur</strong>ück. Die Erwerbstätigkeit ist in Deutschland zwischen 1991 und 2007 insgesamt um rd. 1,1 Mio. gestiegen(siehe auch Indikator 16). Trotz dieses Anstiegs der Erwerbstätigkeit sind große Teile der Bevölkerung nach wievor armutsgefährdet. Die EU-Erhebung LEBEN IN EUROPA 2006 stellt für 2005 eine Armutsgefährdung für 13 %der Gesamtbevölkerung in Deutschland fest, in den neuen Ländern waren es 15 % . Deutschland liegt damit aberim europäischen Vergleich deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 16 %.


58 STATISTISCHES BUNDESAMTMobilitätMobilität sichern – Umwelt schonen13012011010090Bruttoinlandsprodukt(preisbereinigt)EnergieverbrauchGütertransportintensität1999 = 100Güterbeförderungsleistung 1) GütertransportintensitätEnergieverbrauch je Tonnenkilometer124,8114,0109,5Ziel: 98Ziel: 9588,48070,8701999 2000 01 02 03 04 05 06 2010 20201) Güterbeförderungsleistung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in Mrd. Tonnenkilometern (inkl. Luftverkehr).Quelle: Der Bundesminister für Verkehr (Hrsg.), Verkehr in Zahlen, 2007/<strong>2008</strong>11a GütertransportintensitätDie Bundesregierung beobachtet die Nachhaltigkeit der Güterverkehrsentwicklung anhand des IndikatorsGütertransportintensität. Die Intensität wird gemessen als Güterbeförderungsleistung des Straßenverkehrs, derBahn, der Binnenschifffahrt, der Rohrleitungen und der Luftfahrt im Inland in Tonnenkilometern in Relation zum– preisbereinigten – Bruttoinlandsprodukt ( BIP). Ziel der Bundesregierung ist es, die Intensität gegenüber demBasiswert des Jahres 1999 bis zum Jahr 2010 um 2 % und bis zum Jahr 2020 um weitere 3 %-Punkte zu vermindern.Im Zeitraum 1999–2006 stieg die Gütertransportintensität um 14,0 %. Der Indikator entwickelte sich damitentgegen der angestrebten Richtung. Der deutliche Anstieg der Intensität ergibt sich aus einer relativ starkenErhöhung der Güterbeförderungsleistung (Tonnenkilometer) um 24,8 % und einem Anstieg der wirtschaftlichenLeistung von (preisbereinigt) 9,5 %.Der Anstieg der Güterbeförderungsleistung im betrachteten Zeitraum wurde jedoch mit einem abnehmendenEnergieeinsatz erreicht. Dieser Rückgang kann auf technische Fortschritte <strong>zur</strong>ückgeführt werden. Derdurchschnittliche Energieverbrauch verminderte sich zwischen 1999 und 2006 um 29,2 % auf 1,36 MJ/tkm (Megajoulepro Tonnenkilometer). Diese Entwicklung wurde hauptsächlich durch den Rückgang des spezifischenEnergieverbrauchs der Lastkraftfahrzeuge verursacht, der von 2,52 MJ/tkm um 30,6 % auf 1,75 MJ/tkm gesunkenist. Jedoch hat der enorme Anstieg der Güterverkehrsleistung seit 2005 die technischen Verbesserungen überkompensiertund somit zu einem Anstieg des Gesamtenergieverbrauchs geführt.Belastend auf die Transportintensität wirkte sich die Intensivierung der sachlichen Arbeitsteilung aus. Dieseerfasst die Fertigungstiefe der Unternehmen. Eine abnehmende Fertigungstiefe ist in der Regel mit erhöhtenTransporten für Zulieferungen verbunden. Das Ausmaß der sachlichen Arbeitsteilung lässt sich näherungsweiseanhand der Relation des gesamten Güteraufkommens (im Inland produzierte sowie importierte Waren undDienstleistungen) zum BIP messen. Ein Anstieg dieser Größe zeigt, dass die Unternehmen in zunehmendemMaße Vorprodukte von anderen Unternehmen aus dem In- und Ausland beziehen. Dieser Faktor trug rechnerischmit 9,4 %-Punkten zum Anstieg der Transportintensität bei. Darüber hinaus stiegen die Entfernungenzwischen dem Ort der Produktion und dem Ort der Verwendung der Güter im Durchschnitt an. Diese zunehmenderäumliche Differenzierung von Produktions- und Konsumaktivitäten hatte einen erhöhenden Effektvon 10,8 %-Punkten.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND59Einen entlastenden Einfluss von 6,2 %-Punkten auf die Entwicklung der Transportintensität hatte dagegendie Veränderung der Zusammensetzung des Güteraufkommens durch einen Wandel der Nachfragestrukturhin zu weniger materialintensiven Gütern (z. B. steigender Anteil von Dienstleistungen).Der Indikator <strong>zur</strong> Güterbeförderungsleistung bezieht sich nur auf die Transporte im Inland. Deshalb spiegelter die Einflüsse der zunehmenden Auslandsverflechtung der deutschen Wirtschaft ( Globalisierung) nur un<strong>zur</strong>eichendwider. So belief sich die Gütertransportleistung im Inland im Jahre 2006 auf 620 Mrd. tkm. Im Vergleichdazu war allein die Güterbeförderungsleistung des über die deutschen Häfen abgewickelten Seeverkehrs mit1.750 Mrd. tkm fast dreimal so hoch wie die gesamte inländische Transportleistung. Als Folge der Globalisierungerhöhte sich zudem die Güterbeförderungsleistung der Seeschifffahrt zwischen 1999 und 2006 mit einem Anstiegvon 58 % wesentlich stärker als die Beförderungsleistung im Inland. Der Indikator hat vielfältige Querbezüge zuanderen Indikatoren (z. B. 1a, 2, 3, 4, 13 und 16, im Hinblick auf die Verkehrsdienstleistungen und den Fahrzeugbau).MobilitätMobilität sichern – Umwelt schonenStatistisches Bundesamt115110105Bruttoinlandsprodukt(preisbereinigt)EnergieverbrauchPersonentransportintensität1999 = 100Personenbeförderungsleistung1)PersonentransportintensitätEnergieverbrauch je Personenkilometer109,5104,71009590858095,694,0 Ziel: 9089,8Ziel: 801999 2000 01 02 03 04 05 06 2010 20201) Personenbeförderungsleistung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in Mrd. Personenkilometern (inkl. Luftverkehr).Quelle: Der Bundesminister für Verkehr (Hrsg.), Verkehr in Zahlen, 2007/<strong>2008</strong>11b PersonentransportintensitätDie Verfügbarkeit ausreichender, flexibler und kostengünstiger Personentransportmöglichkeiten ist sowohlunter Wohlfahrtsgesichtspunkten (insbesondere persönliche Mobilität) als auch für das Funktionieren und dieinternationale Wettbewerbsfähigkeit einer modernen arbeitsteiligen Volkswirtschaft von Bedeutung. Personenverkehrsaktivitätenkönnen aber auch zu erheblichen Umweltbelastungen führen, vor allem durch denVerbrauch fossiler Energieträger, durch Luftemissionen, durch die Inanspruchnahme von Flächen und durchLärmbelästigungen. Die Bundesregierung verfolgt deshalb das Ziel, das Wirtschaftswachstum, die Zunahmevon Personentransportleistungen und die Entwicklung verkehrsbedingter Umweltbelastungen zu entkoppeln.Sie beobachtet die Nachhaltigkeit der Personenverkehrsentwicklung anhand des Indikators Personentransportintensität.Die Intensität wird gemessen als Personenbeförderungsleistung in Personenkilometern in Relationzum preisbereinigten Bruttoinlandsprodukt ( BIP). Ziel der Bundesregierung ist es, diese Intensität, gemessenam Basiswert 1999, bis zum Jahr 2010 um 10 % und bis zum Jahr 2020 um weitere 10 %-Punkte zu verringern.Da die Personenbeförderungsleistung im betrachteten Zeitraum mit 4,7 % nur leicht gewachsen ist und dasBIP vergleichsweise stärker um 9,5 % zugenommen hat, verminderte sich die Intensität um 4,4 %. Gemessen an


60 STATISTISCHES BUNDESAMTder Zielvorgabe entwickelte sich der Indikator damit in die angestrebte Richtung. Die relativ günstige Entwicklungdes Indikators dürfte maßgeblich durch den deutlichen Anstieg der Kraftstoffpreise (Vergaserkraftstoff+51 %, Diesel +75 %) verursacht worden sein.Die Zunahme der Personenbeförderungsleistung zwischen 1999 und 2006 ging mit einem rückläufigenEnergieverbrauch einher. Der durchschnittliche Energieverbrauch nahm im betrachteten Zeitraum umnahezu 10 % auf 1,77 MJ/Pkm (Megajoule pro Personenkilometer) ab. Für diese Änderung ist hauptsächlich dieEntwicklung des spezifischen Energieverbrauchs im motorisierten Individualverkehr verantwortlich.Die Beförderungsleistung des motorisierten Individualverkehrs, der im Jahr 2006 einen Anteil von 80,3 %an der gesamten Personenbeförderungsleistung hatte, erhöhte sich seit 1999 mit 2,5 % nur schwach. Dagegennahm die Personenbeförderungsleistung der Eisenbahnen und des öffentlichen Straßenpersonenverkehrs (bis2003 nur Unternehmen mit mindestens 6 Kraftomnibussen) um zusammen 7,8 % zu. Die Leistung des Inlandsluftverkehrserhöhte sich um 11,2 %.Der motorisierte Individualverkehr dient verschiedenen Zwecken. Der Freizeitverkehr hatte im Jahr 2005mit 35,6 % mit Abstand den größten Anteil an den Beförderungsleistungen. Der Anteil des Berufsverkehrs beliefsich auf 17,6 %, es folgten der Einkaufsverkehr mit 17,2 % und der Geschäftsverkehr mit 12,9 %.Vor allem aufgrund technischer Verbesserungen und des steigenden Anteils von Dieselfahrzeugen vermindertesich der Kraftstoffverbrauch je km beim motorisierten Individualverkehr um 8,2 %.Der Indikator hat Querbeziehungen u. a. zu den Indikatoren 1a, 2, 3, 4, 12a, 13, 14a, b (bezogen auf Verkehrsunfälle)und ggf. 16 (im Hinblick auf die Verkehrsdienstleistungen und den Fahrzeugbau).MobilitätMobilität sichern – Umwelt schonenAnteile des Schienenverkehrs und der Binnenschifffahrt an der Güterbeförderungsleistung *)in %Schienenverkehr Binnenschifffahrt30Ziel: 252520151016,513,518,110,8Ziel: 14501999 2000 01 02 03 04 05 06 2015*) Ohne Nahverkehr deutscher Lastkraftfahrzeuge (bis 50 km).Quelle: Der Bundesminister für Verkehr (Hrsg.), Verkehr in Zahlen, 2007/<strong>2008</strong>11c, d Anteile des Schienenverkehrs und der BinnenschifffahrtDer Transport von Gütern mit der Bahn oder mit Binnenschiffen ist mit deutlich weniger Umweltbelastungenje Tonnenkilometer verbunden als der Lufttransport oder der Transport auf der Straße. Die Bundesregierungstrebt deshalb an, den Anteil der Verkehrsträger Bahn und Binnenschifffahrt an der Güterbeförderungsleistungim Inland deutlich zu erhöhen. Ziel ist es, bis zum Jahr 2015 den Anteil des Schienenverkehrs auf 25 %und den Anteil der Binnenschifffahrt auf 14 % zu erhöhen.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND61Die gesamte binnenländische Güterverkehrsleistung ist im Zeitraum 1999–2006 um 27,4 % auf592,7 Mrd. tkm gestiegen. Der Marktanteil der Bahn hat sich von 16,5 % auf 18,1 % etwas verbessert, aber nochnicht signifikant erhöht. Der Anteil der Binnenschifffahrt hat sich sogar von 13,5 % auf 10,8 % vermindert.Betrachtet man die absoluten Werte zwischen 1999 und 2006, so hat sich die Güterbeförderungsleistung desSchienenverkehrs von 76,8 Mrd. auf 107,0 Mrd. tkm und die der Binnenschifffahrt von 62,7 Mrd. auf 64,0 Mrd. tkmerhöht. Trotz positiver Entwicklung ist beim Schienenverkehr eine Zielerreichung zum vorgegebenen Zeitpunktangesichts der durchschnittlichen Veränderungsrate der letzten Jahre nicht absehbar. Die Entwicklungdes Indikators bei der Binnenschifffahrt lässt erkennen, dass das vorgegebene Ziel der Bundesregierung nichterreicht werden kann.Gemessen an der Transportleistung im Inland (im Straßenverkehr, ohne ausländische Lastkraftfahrzeuge)konnte der Schienenverkehr seinen Marktanteil bei den meisten Güterarten vergrößern. Das gilt sowohl fürsolche Güter, bei denen er einen hohen Anteil besitzt, z. B. Kohle, Erze und Eisen, als auch für die Mehrzahl deranderen Gütergruppen. Besonders deutlich stiegen die Anteile der Bahn im Zeitraum 1999–2006 bei Erdöl von12 % auf 23 %, bei Steinen von 8 % auf 12 % und bei Erzen von 37 % auf 47 %. Der Anteil der ausländischen Lastkraftfahrzeugean der Güterbeförderungsleistung wuchs im betrachteten Zeitraum von 19 % auf 23 %, d. h. diegenannten Marktanteilsgewinne der Bahn dürften, gemessen an der gesamten jeweiligen Transportleistung,entsprechend geringer ausgefallen sein. Angaben über die Straßengüterbeförderungsleistung der ausländischenTransporteure nach Güterarten sind nicht verfügbar.Statistisches BundesamtIm Unterschied <strong>zur</strong> Bahn musste die Binnenschifffahrt zwischen 1999 und 2006 insbesondere bei solchenGüterarten, bei denen sie traditionell einen relativ hohen Anteil hat, Marktanteilsverluste hinnehmen. ZumBeispiel verringerte sich der Anteil bei chemischen Erzeugnissen (inklusive Düngemitteln) von 19 % auf 16 %,bei Erdöl von 27 % auf 23 % und bei Erzen von 41 % auf 35 %.Die Güterbeförderungsleistung der Binnenschifffahrt stieg von 1999 bis 2006 um 1,3 Mrd. Tonnenkilometer.Eine rechnerische Zerlegung dieser Entwicklung in die Einflussfaktoren „Güterbeförderungsleistung derinländischen Transporteure“, „Struktur der Güterbeförderungsleistung nach Güterarten“ und „Marktanteil derBinnenschifffahrt bei den einzelnen Gütern“ führt zu folgendem Ergebnis: Der Anstieg der Güterbeförderungsleistunginsgesamt erhöhte das Transportvolumen der Binnenschifffahrt rechnerisch um 11,2 Mrd. tkm. Demstanden aber negative Effekte aufgrund der Veränderung der Zusammensetzung der transportierten Gütervon -3,9 Mrd. tkm und der Marktanteilsverluste bei den einzelnen Güterarten von -6,0 Mrd. tkm gegenüber.LandbewirtschaftungIn unseren Kulturlandschaften umweltverträglich produzierenStickstoffüberschüsse der Gesamtbilanz Deutschlandin kg/ha landwirtschaftlich genutzter Fläche *) 10414012013010080Ziel: 8060402001990 91 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 2010*) Trend (gleitender Dreijahresdurchschnitt, bezogen auf das mittlere Jahr; Werte 1990 bis 2006 einbezogen).Quelle: Julius Kühn Institut Braunschweig und Umweltbundesamt/Universität Gießen


62 STATISTISCHES BUNDESAMT12a StickstoffüberschussStickstoffverbindungen sind wichtige Pflanzennährstoffe. In der Landwirtschaft wird Stickstoff durch Düngungauf die Nutzflächen ausgebracht, um die mit der Produktion verbrauchten Nährstoffe zu ersetzen unddie Erträge, die Qualität von Ernteprodukten sowie die Bodenfruchtbarkeit zu sichern. Auch weitere Quellen(z. B. Tierproduktion, Verkehr, Haushalte) tragen über den Luftpfad zum Eintrag auf die Fläche bei. Im Übermaßin die Umwelt eingetragener Stickstoff führt zu weitreichenden Problemen: <strong>zur</strong> Verunreinigung desGrundwassers, <strong>zur</strong> Überdüngung (Eutrophierung) von Binnengewässern, Meeren und Landökosystemen, <strong>zur</strong>Entstehung von Treibhausgasen und versauernden Luftschadstoffen mit ihren Folgen für Klima, Artenvielfaltund Landschaftsqualität (siehe Indikatoren 2, 5 und 13).Der Stickstoffindikator für die Landwirtschaft in Deutschland ergibt sich rechnerisch aus der Gegenüberstellungvon Stickstoffzufuhr (im Wesentlichen durch Dünge- und Futtermittel sowie dem Saatgut) undStickstoffabfuhr (über pflanzliche und tierische Erzeugnisse). In dem für jedes Jahr getrennt nach dem Prinzipder „Hoftor-Bilanz“ für Deutschland ermittelten Gesamtsaldo (kg N/ha und Jahr) sind die aggregierten Mengenan eingesetztem Stickstoff enthalten, die nicht durch Agrarprodukte den Agrarsektor verlassen haben. Diebilanzierten Überschüsse werden als Maß für die Umweltbelastung in diesem Bereich herangezogen; da derBilanzsaldo z. B. auch die Stickstoffmenge für den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit enthält, darf er nicht pauschalmit Verlusten in die Umwelt gleichgesetzt werden.Gegenüber der bisherigen Darstellung (im Indikatorenbericht 2006) wird eine Zeitreihe verwendet, die aufdas Kalenderjahr bezogen ist und das gleitende Dreijahresmittel (bezogen auf das jeweils mittlere Jahr) ausweist.Durch die Mittelwertbildung werden insbesondere die nicht zu beeinflussenden witterungsabhängigenjährlichen Schwankungen in der Darstellung ausgeglichen. Die Bundesregierung hat das Ziel, die Überschüssebis zum Jahr 2010 auf 80 kg Stickstoff pro ha und Jahr zu reduzieren.Seit 1991 ist der gemittelte Saldo von 130 kg/ha und Jahr auf 104 kg/ha und Jahr in 2005 <strong>zur</strong>ückgegangen. Dasentspricht einem Rückgang des jährlichen Überschusses seit 1991 um 20 %. Insgesamt wurde im Zeitraum 1991bis 2005 wenig mehr als die Hälfte der bis 2010 erwünschten Reduktion erreicht. Der Rückgang zu Beginn derZeitreihe ist im Zusammenhang mit den abnehmenden Tierbeständen in den neuen Bundesländern zu sehen.In den letzten fünf Jahren lag der durchschnittliche jährliche Rückgang des Saldos unter 2 %. Er müsste zwischen2006 und 2010 durchschnittlich 5 % pro Jahr betragen, um das Ziel zu erreichen.Während der Stickstoff-Input in den Sektor sich über die letzten zehn Jahre kaum veränderte, ist der Output(z. B. durch höhere Stickstoff-Abfuhren mit den Marktprodukten) angestiegen. Dies kann auf Ertragssteigerungenin der Pflanzenproduktion und eine höhere Futterverwertung bei Nutztieren <strong>zur</strong>ückgeführt werden,damit auch auf eine gestiegene Stickstoff-Effizienz. Analysen von Betriebsdaten zeigen, dass hohe Überschüssevor allem in Betrieben mit hohem Viehbesatz anfallen. Es zeigt sich auch, dass selbst in Vieh haltenden Betriebenmit vergleichbarer Produktionsstruktur eine hohe Bandbreite von Stickstoffüberschüssen auftritt. Dieslässt darauf schließen, dass weitere Minderungspotenziale bestehen, um die Stickstoff-Effizienz zu verbessern.Der Indikator hat Bezüge zu den Indikatoren 1a und 1b, 2, 5, 11, 12b, 13 und 21.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND63LandbewirtschaftungIn unseren Kulturlandschaften umweltverträglich produzieren2422201816141210864201,6Anbaufläche des ökologischen LandbausAnteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche in %Ziel: 20 (ohne Jahr)··································1994 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 075,1Statistisches BundesamtQuelle: Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nach Daten <strong>zur</strong> Verordnung (EWG) Nr. 2092/9112b Ökologischer LandbauÖkologischer Landbau ist besonders auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Er erhält und schont die natürlichen Ressourcenin besonderem Maße, hat vielfältige positive Auswirkungen auf Natur und Umwelt und dient der Erzeugungqualitativ hochwertiger Lebensmittel. Darüber hinaus leistet er einen Beitrag <strong>zur</strong> Pflege und zum Erhaltder Kulturlandschaft und <strong>zur</strong> Sicherung der Beschäftigung im ländlichen Raum. Zu den Anbauregeln gehört derVerzicht auf leichtlösliche mineralische Düngemittel und chemisch synthetische Pflanzenschutzmittel sowieauf gentechnisch veränderte Organismen. Ökonomisch betrachtet werden die geringeren Produktionsmengenje Flächeneinheit teilweise in gewissem Maße durch höhere Preise für Ökoprodukte aufgefangen.Der Indikator nennt die landwirtschaftlich genutzte Fläche ökologisch wirtschaftender Betriebe, die demKontrollverfahren der EU-Öko-Verordnung unterliegen, als Anteil an der gesamten landwirtschaftlich genutztenFläche in Deutschland. Er umfasst sowohl die voll auf Ökolandbau umgestellten als auch die noch in derUmstellung befindlichen Flächen. Die Entscheidung über den Einstieg in den ökologischen Landbau liegt beimeinzelnen Betrieb. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Rahmenbedingungen für den Einstieg so zu gestalten,dass in den nächsten Jahren ein Anteil von 20 % erreicht werden kann.Von 1994 bis 2007 stieg der Flächenanteil des ökologischen Landbaus an der landwirtschaftlichen Nutzflächevon 1,6 % auf 5,1 % (865.336 Hektar). 2007 war die neu hinzu gekommene Fläche mit 39.797 Hektar (ha) mehrals doppelt so groß wie im Jahr zuvor.Nach Angaben von Eurostat wurden in der EU-27 im Jahr 2006 insgesamt 6,65 Mio. ha landwirtschaftlichgenutzter Fläche im ökologischen Landbau bewirtschaftet. Nach Italien (1,1 Mio. ha oder 17 %) trugen Spanien(0,9 Mio. ha oder 14 %) und Deutschland (0,8 Mio. ha oder 12 %) die größten Flächenanteile dazu bei.Im Ökolandbau hat die Produktion besondere Schwerpunkte: der Anteil der Getreideanbauflächen istgeringer, der für Futterpflanzen und Hülsenfrüchte höher als im konventionellen Anbau. Nach Daten deramtlichen Statistik betrug der Flächenanteil des Dauergrünlands im Ökolandbau im Jahr 2007 in Deutschland50,9 %, während für Ackerbau 47,8 % der Fläche genutzt wurden. In der gesamten landwirtschaftlich genutztenFläche aller Betriebe dominierte dagegen das Ackerland mit 70,1 %, während das Grünland nur 28,8 % derFläche einnahm (hinzu kamen Dauerkulturen mit 1,2 %). Dem hohen Anteil des Dauergrünlandes entsprechend


64 STATISTISCHES BUNDESAMThielten Ökobetriebe mit Tierhaltung 2007 vorwiegend Rinder (75,3 % ), aber auch Schafe (18,6 % ). Die Öko-Schweinehaltung spielte nur eine untergeordnete Rolle.Im Ökolandbau war die durchschnittliche Betriebsgröße 2007 mit 59,5 ha größer als im Durchschnitt derGesamtheit der landwirtschaftlichen Betriebe (45,3 ha) und dabei in den neuen Bundesländern mit 179,2 habesonders groß.Der Umsatz für Bio-Lebensmittel ist seit 2000 deutlich stärker gewachsen als die heimische Produktion underreichte 2006 4,6 Mrd. Euro (Zentrale Markt- und Preisberichtsstelle). Die erhöhte Nachfrage ist auch auf einvergrößertes Angebot im Lebensmitteleinzelhandel <strong>zur</strong>ückzuführen. Der Bedarf musste vermehrt über Importeaus anderen EU-Ländern oder Drittländern gedeckt werden. Die Erzeugung erneuerbarer Energien ausBiomasse (gefördert durch Absatz- und Preisgarantien) sowie eine steigende Nachfrage nach Lebensmittelnführen zu einer Konkurrenz um landwirtschaftlich genutzte Flächen. Preissteigerungen für landwirtschaftlicheErzeugnisse sind die Folge. In dieser Konkurrenzsituation stagniert die unter Umwelt- und Nachfragegesichtspunktenwünschenswerte, aber kostenintensive weitere Umstellung auf den Ökolandbau. Bezüge desIndikators bestehen zu Indikator 2 (Ökolandbau verursacht weniger CO 2- Emissionen, u. a. wegen Einsparungvon Energie, die für die Herstellung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln erforderlich gewesen wäre), 3, 4und 5 (Unterstützung der Vielfalt von Arten und Lebensräumen durch den eher extensiven Anbau).LuftqualitätGesunde Umwelt erhaltenSchadstoffbelastung der Luft *)Index 1990 = 100Luftschadstoffe insgesamtNH 3NO xNMVOCSO 212010010080604044,8Ziel: 302001990 91 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 2010*) Schwefeldioxid (SO ), Stickstoffoxide (NO ), Ammoniak (NH ) und flüchtige organische Verbindungen (NMVOC), gemittelter Index2 x 3der Messzahlen.Quelle: Umweltbundesamt13 Schadstoffbelastung der LuftIm Schutz der menschlichen Gesundheit hatte der Umweltschutz seinen Ausgangspunkt. Erkrankungender Atemwege waren schon früh mit Luftschadstoffen in Zusammenhang gebracht worden. Zunächst konzentriertensich daraufhin die Schutzmaßnahmen auf eine Verringerung der Schadstoffemissionen. Luftverunreinigungenbeeinträchtigen aber auch Ökosysteme und Artenvielfalt, insbesondere durch Versauerungund Überdüngung (Eutrophierung) der Böden. Die in Deutschland freigesetzten Emissionen konnten seit den1980er Jahren durch den Einbau von Entschwefelungs- und Entstickungsanlagen in Kraftwerken und die Ver-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND65breitung der Katalysatortechnik in Ottomotoren erheblich reduziert werden. Dennoch sind weitere Anstrengungenerforderlich. Im Indikator „ Schadstoffbelastung der Luft“ der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>der Bundesregierung sind vier wesentliche Schadstoffe zusammengefasst. Es handelt sich um Schwefeldioxid(SO 2), Stickstoffoxide (NO x), Ammoniak (NH 3) und die flüchtigen organischen Verbindungen (NMVOC).Ziel der Bundesregierung aus der Strategie von 2002 ist es, den Ausstoß dieser Luftschadstoffe bis zum Jahr2010 um 70 % gegenüber dem Basisjahr 1990 zu reduzieren. Eine weiter entwickelte und mit der EU abgestimmteZielmarke wird voraussichtlich 2009 festgelegt.Die Schadstoffbelastung der Luft ging bis zum Jahr 2006 um 55 % <strong>zur</strong>ück. Damit entwickelte er sich in dieangestrebte Richtung. Um den Zielwert zu erreichen, müsste in dem Vierjahreszeitraum bis 2010 eine weitereVerminderung der Emissionen um 15 %-Punkte erreicht werden. Deutliche Rückgänge gab es in der erstenHälfte der 1990er Jahre. Bis zum Jahr 2000 hatte sich der Ausstoß von Luftschadstoffen nahezu halbiert (-49 %).In den folgenden Jahren bis 2006 kam es aber nur noch zu einer Reduzierung um 6 %-Punkte, zum Vorjahr um0,7 %-Punkte. Das Reduktionstempo der letzten Jahre reicht nicht aus, um das gesetzte Ziel einer Reduzierungdes Gesamtindexes auf 30 % zu erreichen.Statistisches BundesamtDie einzelnen Emissionsarten trugen in unterschiedlichem Maße zu der Entwicklung im Zeitraum 1990–2006bei. Am stärksten konnten mit 89,6 % die Schwefeldioxidemissionen vermindert werden. Eine Reduktion um70 % ist hier bereits seit längerem erreicht und sogar deutlich überschritten. Seit Beginn des Jahrtausends ist dieweitere Absenkung nur noch marginal. Zur Entwicklung trugen die Entschwefelung der Kraftwerksabgase, derteilweise Ersatz von stark schwefelhaltiger einheimischer Braunkohle durch schwefelärmere Brennstoffe sowiegesetzliche Begrenzungen für Schwefelgehalte in flüssigen Brennstoffen bei.Die Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen ohne Methan (NMVOC) konnten im betrachtetenZeitraum ebenfalls deutlich um 64,2 % reduziert werden. Damit ist eine Reduktion von 70 % nahezu erreicht.Der zunehmende Einsatz der Katalysatortechnik bei den Personenkraftwagen war bestimmend für eine starkeMinderung der NMVOC- Emissionen im Verkehrsbereich.Die Emissionen von Stickstoffoxiden verminderten sich seit 1990 mit 51,3 % um gut die Hälfte gegenüber1990. Auch hier spielte der bereits erwähnte zunehmende Einsatz der Katalysatortechnik im Straßenverkehreine wichtige Rolle. Darüber hinaus konnte bei Kraftwerken durch den verstärkten Einsatz von Rauchgasentstickungsanlagenein deutlicher Rückgang erreicht werden.Die Emissionen von Ammoniak, die fast ausschließlich aus der Landwirtschaft stammen, gingen seit 1990lediglich um 15,9 % <strong>zur</strong>ück. Der anfängliche Rückgang ist insbesondere auf die Verkleinerung der Tierbeständein Ostdeutschland nach der Vereinigung <strong>zur</strong>ück zu führen. Seitdem zeigte dieser Teilindikator wenig Entwicklung.Der Indikator hat direkte und indirekte Querbezüge zu anderen Indikatoren, z. B. 1, 3b, 4, 5, 11, 12a und 12b.


66 STATISTISCHES BUNDESAMTGesundheit und ErnährungLänger gesund leben400Vorzeitige Sterblichkeit (unter 65 Jahren)Todesfälle pro 100 000 Einwohner unter 65 Jahren* )350300381Männer250200150100200Frauen247141Ziel: 190Ziel: 1155001991 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 2015*) Standardisiert nach Deutschlandbevölkerung von 1987; inkl. der unter 1-Jährigen.Quelle: Statistisches Bundesamt14a, b Vorzeitige SterblichkeitGesundheit und Lebenserwartung werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Dazu gehören die sozialeLage, das Bildungsniveau, Lebensstil und Lebensgewohnheiten (Tabakkonsum, Alkohol, körperliche Betätigung,Ernährung), Arbeitsbedingungen, Umweltfaktoren, medizinische Vorsorgemaßnahmen und Versorgung.Treten in einer Bevölkerung gehäuft Todesfälle in einem Alter auf, das deutlich unter der durchschnittlichenLebenserwartung liegt, ist dies ein Hinweis auf erhöhte Gesundheitsrisiken, die vermieden werden können. Die<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> der Bundesregierung hat zum Ziel, dass die vorzeitige Sterblichkeit bis zum Jahr 2015bei Männern bei höchstens 190 und bei Frauen bei höchstens 115 Todesfällen je 100.000 Einwohner liegt.Der hier dargestellte Indikator weist die Todesfälle der unter 65-Jährigen in Deutschland aus. Die Wertebeziehen sich auf 100.000 Einwohner der Bevölkerung von 1987 unter 65 Jahren. Die Berechnungsmethodeberücksichtigt die Tatsache, dass es durch die demografische Entwicklung in Deutschland immer mehr ältereMenschen über 65 Jahre gibt, und liefert eine über die Jahre vergleichbare Zeitreihe.Die vorzeitige Sterblichkeit ging zwischen 1991 und 2006 kontinuierlich <strong>zur</strong>ück, und zwar bei den Männern(-35 %) mehr als bei den Frauen (-30 %). Der geschlechterspezifische Abstand bei der vorzeitigen Sterblichkeitvon Männern und Frauen hat sich damit verringert. In absoluten Zahlen ausgedrückt starben im Jahr 2006247 Männer und 141 Frauen je 100.000 Einwohner vorzeitig, d. h. bevor sie das 65. Lebensjahr erreichten. Beigleichbleibender Entwicklung könnten die Zielwerte bei den Männern nahezu erreicht werden, bei den Frauenwürden sie leicht verfehlt.Die Lebenserwartung in Deutschland hat erneut weiter zugenommen. Im Durchschnitt der Jahre 2004–2006betrug die mittlere Lebenserwartung für neugeborene Mädchen 82,1 Jahre und für Jungen 76,6 Jahre. ImDurchschnitt der Jahre 2003–2005 waren es noch 81,8 und 76,2 Jahre. Heute 60-ährige Frauen können statistischgesehen mit 24,5 weiteren Lebensjahren rechnen, Männer mit weiteren 20,6 Jahren. Im früheren Bundesgebietist die Lebenserwartung nach wie vor etwas höher als in den neuen Bundesländern: bei neugeborenenJungen beträgt der Abstand 1,4 Jahre, bei Mädchen nur 0,3 Jahre.Generell betrachtet waren im Jahr 2006 Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems die häufigste Todesursache(43,7 %), gefolgt von bösartigen Neubildungen (25,7 %), Krankheiten der Atmungsorgane (6,7 %), des


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND67Verdauungssystems (5,2 %) sowie Todesfälle aufgrund äußerer Ursachen (3,9 %). Die Bedeutung der Todesursachenvariiert nach Alter und Geschlecht. Während Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor allem bei Älteren die meistenSterbefälle verursachen, sind es die bösartigen Neubildungen (Krebserkrankungen) bei den 40- bis 64-Jährigen.Die meisten Todesfälle bei den 1- bis 39-Jährigen waren auf nicht natürliche Ursachen <strong>zur</strong>ückzuführen(Verletzungen und Vergiftungen). Trotz großer Fortschritte in der Unfallbekämpfung standen Unfälle bei den18- bis 25-Jährigen weiterhin an vorderster Stelle der Todesursachenstatistik.Neben Faktoren wie z. B. dem Gesundheitsverhalten spielt auch die medizinische Versorgung eine wichtigeRolle für die Sterblichkeit. Die Ausgaben für Gesundheit beliefen sich im Jahr 2006 auf insgesamt 245 Mrd.Euro. Dies war ein Anstieg um 5,7 Mrd. Euro oder 2,4 % gegenüber dem Vorjahr. Die Ausgaben entsprachen10,6 % des Bruttoinlandsprodukts oder 2.970 Euro je Einwohner (2005: 2.900 Euro). Für ärztliche Leistungenwurden 2006 27 % der gesamten Aufwendungen erbracht. Der gleiche Anteil entfiel auch auf Waren (d. h.Arzneimittel inkl. Verbandmittel, Hilfsmittel, Zahnersatz und sonstiger medizinischer Bedarf). Die Ausgabenfür ärztliche Leistungen stiegen im Vergleich zu 2005 um 3,2 %, die für Waren um 2 % an, wobei Ausgaben fürArzneimittel (39,6 Mrd. Euro) und Hilfsmittel (10,9 Mrd. Euro) hierbei die bedeutsamsten Komponenten waren.Überdurchschnittlich war der Anstieg mit 4,4 % für Prävention (z. B. Früherkennung) und Gesundheitsschutz(9,3 Mrd. Euro).Statistisches BundesamtGesundheit und ErnährungLänger gesund lebenRaucherquoteAnteil in % der BefragtenInsgesamt(ab 15 Jahre)Männer(ab 15 Jahre)Frauen(ab 15 Jahre)Jugendliche(12 bis 17 Jahre)4035302527Ziel:unter 2220151018Ziel:unter 12501995 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 2015Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)14c, d Raucherquote von Jugendlichen und ErwachsenenDas Rauchen von Tabakprodukten kann langfristig zu erheblichen Gesundheitsschäden führen. Von Schädenbetroffen sind nicht nur die Raucher selbst. Auch Nichtraucher, die dem Tabakrauch ausgesetzt sind, werdennicht nur vom Rauch belästigt, sondern können davon erkranken. Bei Jugendlichen ist zu beobachten, dasssie sich in ihrem Raucherverhalten an gesellschaftlichen Vorbildern orientieren, um erwachsener zu wirken.Die beiden Teilindikatoren zum Raucherverhalten geben an, wie viel Prozent der befragten Jugendlichen im


68 STATISTISCHES BUNDESAMTAlter zwischen 12 und 17 Jahren und im Alter von 15 und mehr Jahren gelegentlich oder regelmäßig rauchen.Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, den Anteil der Raucher bei den Kindern und Jugendlichen bis zum Jahr2015 auf unter 12 % zu senken, den Anteil der Raucher insgesamt (ab 15 Jahre) auf unter 22 %.In der Gruppe der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren stieg der Anteil der Raucher von 24 % (1995) auf28 % (1997 und 2001) an. In den folgenden Jahren sank der Anteil bis 2007 auf 18 % (Daten der BZgA). Bei derBevölkerung ab 15 Jahren gaben im Jahr 2005 27 % an, gelegentlich oder regelmäßig zu rauchen (Mikrozensus).In den Jahren 1995 und 1999 rauchten 28 %, damit war die Raucherquote bei Erwachsenen nur leicht rückläufig.Zur Erreichung des Ziels bei Erwachsenen ab 15 Jahren bedarf es verstärkter Anstrengungen aller Akteure.23 % aller Befragten ab 15 Jahren zählten sich im Jahr 2005 zu den regelmäßigen Rauchern, 4 % rauchtengelegentlich. Mit einem Anteil von 32 % rauchten Männer deutlich mehr als Frauen mit 22 %. Während derAnteil bei den Männern seit 1995 um 4 %-Punkte sank, stieg er bei den Frauen minimal an. Für das individuelleGesundheitsrisiko ist die Menge des Tabakkonsums bedeutsam. 2005 bevorzugten 97 % der befragten RaucherZigaretten. 16 % der regelmäßigen Zigarettenraucher (1995: 17 %) waren mit mehr als 20 Zigaretten am Tag denstarken Rauchern zu<strong>zur</strong>echnen, 77 % rauchten 5 bis 20 Zigaretten am Tag. Auch bei der täglich gerauchtenMenge von Zigaretten gab es geschlechtsspezifische Unterschiede. Jeder fünfte der regelmäßigen Zigarettenraucher(20 %), aber nur jede neunte Raucherin (11 %) rauchte stark. Neben der verbrauchten Menge wird dasGesundheitsrisiko vom Zeitpunkt des Rauchbeginns beeinflusst. Innerhalb der letzten 50 Jahre hat sich dasEinstiegsalter entscheidend vermindert. Im Jahr 2005 gaben die zum Zeitpunkt der Befragung 65- bis 69-jährigenMänner an, im Alter von 18,9 Jahren mit dem Rauchen angefangen zu haben, die gleichaltrigen Frauen imAlter von 23,1 Jahren. 15- bis 19- jährige männliche Jugendliche gaben dagegen 15,3 Jahre, weibliche Jugendliche15 Jahre als Einstiegsalter an.Mit steigendem Haushaltsnettoeinkommen nimmt der Anteil der Raucher ab. In Haushalten mit einemmonatlichen Einkommen bis zu 1.300 Euro gaben im Jahr 2005 33 % der Befragten an zu rauchen. In Haushaltenmit 2.600 bis 4.500 Euro monatlichem Haushaltseinkommen waren es noch 26 % und in Haushalten mitüber 4.500 Euro 20 % der Befragten.Rauchen birgt ein hohes und gleichwohl vermeidbares Gesundheitsrisiko. Im Jahr 2006 waren 5,1 % allerSterbefälle (42.348 Personen, davon 30.249 Männer und 12.099 Frauen) auf eine für Raucher symptomatischeErkrankung (Lungen-, Kehlkopf- und Luftröhrenkrebs) <strong>zur</strong>ückzuführen. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist dieseine Steigerung um 4,5 %, die vor allem durch eine Zunahme der Frauen unter den Gestorbenen getragen wurde.Ihr Anteil stieg seit 2000 um 3,9 %-Punkte von 24,7 auf 28,6 %. Das durchschnittliche Alter der an Lungen-,Kehlkopf- und Luftröhrenkrebs Gestorbenen lag 2006 bei 69,5 Jahren und war damit um sieben Jahre niedrigerals das der Gestorbenen insgesamt (76,5 Jahre). Abgesehen von individuellem Leid führen die durch Tabakkonsumverursachten Erkrankungen und vorzeitigen Todesfälle gesamtwirtschaftlich betrachtet zu einer hohenBelastung der Sozial- und Gesundheitssysteme. Es ist davon auszugehen, dass diese Kosten weitaus höherliegen als die Einnahmen aus der Tabaksteuer, die im Jahr 2007 14,2 Mrd. Euro betrugen.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND69Gesundheit und ErnährungLänger gesund leben1614121011,5Anteil der Menschen mit Adipositas (Fettleibigkeit)in % der Erwachsenen (ab 18 Jahre)Adipöse insgesamtadipöse Frauenadipöse Männer13,6Statistisches Bundesamt86420199920032005Quelle: Statistisches Bundesamt14e Anteil der Menschen mit Adipositas (Fettleibigkeit)Übergewicht ist maßgeblich beteiligt an der Entstehung von Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Gelenkschäden. Es wird unmittelbar verursacht durch unausgewogene Ernährungund Bewegungsmangel, ist mittelbar aber auch in Zusammenhang mit sozialen Ursachen wie z. B. demBildungshintergrund oder der sozialen Integration zu sehen. Neben den gesundheitlichen Folgen wirkt sichÜbergewicht auch in volkswirtschaftlicher und sozialer Hinsicht belastend aus. Die Einstufung als übergewichtigergibt sich aus dem Body-Mass-Index (BMI), d. h. dem Verhältnis von Körpergewicht in kg zum Quadrat derKörpergröße in Metern. Menschen mit einem BMI ab 25 gelten nach der Klassifikation der WHO als übergewichtig(wobei alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede unberücksichtigt bleiben). Wenn das Übergewichtein bestimmtes Maß (BMI ab 30) übersteigt, wird es als Adipositas (Fettleibigkeit) bezeichnet und ist inder Regel mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden.Ziel der Bundesregierung ist es, dass der Anteil der Menschen mit Adipositas in Deutschland bis zum Jahr2020 <strong>zur</strong>ückgeht.Im Jahr 2005 konnten 13,6 % der Bevölkerung Deutschlands ab 18 Jahren als adipös eingestuft werden. 1999lag der Anteil noch bei 11,5 %. Mit 14,4 % war der Anteil der adipösen Männer höher als der der adipösen Frauen(12,8 %). Als übergewichtig galten 2005 49,6 % der Bevölkerung ab 18 Jahren. Dabei war der Anteil bei den Männernmit 57,9 % größer als bei den Frauen mit 41,5 %.Der Anteil der Menschen mit Adipositas steigt mit zunehmendem Lebensalter, um erst bei den älteren Ruheständlerndeutlich <strong>zur</strong>ück zu gehen. Im Jahr 2005 hatten 2,8 % der 18- bis 20-ährigen Frauen Adipositas. Beiden 30- bis 35-jährigen Frauen waren es bereits 8 % und bei den 50- bis 55-Jährigen 15,8 %. Die höchsten Anteileerreichte die Altersgruppe der 70- bis 75-jährigen Frauen mit 21,5 %, danach fielen die Werte stark ab. Bei Männernsind die 30- bis 35-Jährigen bereits zu 10 % fettleibig, den höchsten Anteil an Adipösen erreichten Männerbereits in der Altersgruppe der 55- bis 60-Jährigen (20,6 %). Im Vergleich zu 1999 fällt die Verschiebung


70 STATISTISCHES BUNDESAMTdes Anteils der Adipösen im höheren Alter auf: 1999 hatten rd. 16 % der 70- bis 75-jährigen Frauen sehr starkesÜbergewicht, 2005 waren es 21,5 %.Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey 2007 (Robert Koch-Institut) lieferte altersspezifische Ergebnissefür 3- bis 17-Jährige. Danach waren im Zeitraum 2003–2006 2,9 % der 3- bis 6-Jährigen adipös, bei den 7- bis10-Jährigen 6,4 % und bei den 14- bis 17-Jährigen sogar 8,5 %. Deutliche Unterschiede zwischen Jungen und Mädchenwaren nicht erkennbar. Ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und Adipositas wurde bei Kindern aus Familienmit niedrigem Sozialstatus und bei Kindern, deren Mütter ebenfalls übergewichtig waren, festgestellt.Gründe für die zunehmende Verbreitung von Fettleibigkeit sind u. a. in zu fett- und kalorienreicher Ernährungund zu geringer körperlicher Betätigung zu suchen.Untergewicht, d. h. ein BMI kleiner als 18,5, ist ein gegenteiliges Phänomen <strong>zur</strong> Fettleibigkeit. Es stelltebenfalls eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung dar. Frauen waren 2005 wesentlich häufiger (4 %) vonUntergewicht betroffen als Männer (1 %). Junge Frauen im Alter von 18 bis 19 Jahren waren sogar zu 14 % untergewichtig,20- bis unter 24-Jährige noch zu 11 %.Der Indikator hat inhaltliche Bezüge u. a. zu den Indikatoren 9, 14a, b, 16 und 17.KriminalitätPersönliche Sicherheit weiter erhöhenWohnungseinbruchsdiebstahlErfasste Fälle in 1000250227200150100109Ziel: 1005001993 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 2015Quelle: Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik15 WohnungseinbruchsdiebstahlEin sicheres Umfeld, in dem die Bürger eines Staates ohne Angst vor Willkür und Kriminalität leben können,ist eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren sozialer Systeme und für soziale Nachhaltigkeit. Alsein wichtiger Indikator der persönlichen Sicherheit vor Kriminalität gilt die Zahl der Wohnungseinbrüche. Dabeim Wohnungseinbruch Fremde in die Privatsphäre des Opfers eindringen, wird dieses Delikt vom Bürger alsbesonders bedrohlich empfunden. Gleichzeitig kann er durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen aktiv dazubeitragen, einem vollendeten Wohnungseinbruch vorzubeugen.Der Indikator erfasst alle Wohnungseinbruchsdiebstähle, die der Polizei angezeigt werden. Als Entwicklungszielwurde festgelegt, dass die Zahl der Einbrüche pro Jahr bis zum Jahr 2015 auf unter 100.000 sinken soll.Der Wohnungseinbruch ist eine Straftat, die im Laufe des letzten Jahrzehnts fortlaufend seltener registriertwurde. Seit 1993 hat sich die Zahl der bekannt gewordenen Fälle auf weniger als die Hälfte verringert. Mit rd.109.000 Fällen im Jahr 2007 hatte der Wohnungseinbruch einen Anteil von 1,7 % an den insgesamt 6,3 Mio.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND71durch die Polizei registrierten Delikten. Der Rückgang beruht im Wesentlichen auf einer Sensibilisierung derBürger. Sie erhöhten ihre Sicherheit vor Einbrüchen durch den Einbau von Alarmanlagen oder besonders gesichertenFenstern oder Türen.Trotz eines leichten Anstiegs der Wohnungseinbruchsdiebstähle im Jahr 2007 würde das vorgenannte Entwicklungszielbei einer Fortsetzung des Trends der letzten Jahre erreicht.Wohnungseinbrüche stellen nur einen Teil von Kriminalität gegen die persönliche Sicherheit dar. Diebstähleunter erschwerenden Umständen (worunter auch die Wohnungseinbrüche fallen) machten 2007 rd. 20 %der erfassten Straftaten aus, Fälle von Betrug 15 % und von Körperverletzung 9 %. Im Gegensatz zu den generellrückläufigen Zahlen bei Wohnungseinbrüchen (wie auch bei anderen Formen des Diebstahls) sind die gemeldetenFälle von Betrugs- und Körperverletzungsdelikten gegenüber den Vorjahren angestiegen. Sie nahmenin dem hier betrachteten Zeitraum von 1993–2007 um 73 % bzw. 85 % zu, während die Fälle von Wohnungseinbruchsdiebstahlum 52 % abnahmen.Statistisches BundesamtBeschäftigungBeschäftigungsniveau steigernErwerbstätigenquote *)Anteile in %80Männer (15 - 64 J.)74,7Ziel: 73Ziel: 7570Insgesamt(15-64J.)69,464,060Frauen (15 - 64 J.)59,7Ziel: 55Ziel: 5750Männer (55 - 64 J.)51,540Insgesamt(55-64J.)43,630Frauen (55 - 64 J.)201993 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 2010 2020*) Ab 2005 Jahresdurchschnitt und geändertes Hochrechnungsverfahren.Quelle: Statistisches Bundesamt, EU-Arbeitskräfteerhebung (Mikrozensus)16a, b ErwerbstätigenquoteAufgrund des demografischen Wandels („alternde Gesellschaft“) wird es langfristig einen Mangel anArbeitskräften in Deutschland geben. Außerdem droht wegen der Verschiebung des Zahlenverhältnisseszwischen Rentnern und Beitragszahlern eine zunehmende Unterfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme.Daher ist es erforderlich, künftig die vorhandenen Arbeitskräftepotenziale besser auszuschöpfen.Ziel der Bundesregierung ist es deshalb, die Erwerbstätigenquote, d. h. den Anteil der Erwerbstätigen an derBevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15- bis 64-Jährige), bis zum Jahr 2010 auf 73 % und bis zum Jahr 2020 auf 75 %zu erhöhen. Zudem soll die Erwerbstätigenquote der Älteren (55- bis 64-Jährige) bis 2010 auf 55 % und bis 2020 auf57 % zunehmen.


72 STATISTISCHES BUNDESAMTBisher stieg die Erwerbstätigenquote von 65,1 % im Jahr 1993 um 4,3 %-Punkte auf 69,4 % im Jahr 2007.Gleichzeitig nahm die Erwerbstätigenquote 1993–2007 bei Älteren von 35,7 % um 15,8 %-Punkte auf 51,5 % zu.Während eine Fortsetzung des Trends der letzten Jahre bei der allgemeinen Erwerbstätigenquote noch nichtausreicht, um das Entwicklungsziel für das Jahr 2010 zu erreichen, bestehen hieran bei der Erwerbstätigenquoteder Älteren keine Zweifel.In dem deutlichen Anstieg der Erwerbstätigenquote, der seit 2005 zu beobachten ist, spiegelt sich auchdie methodische Neugestaltung der als Datenquelle für die Erwerbstätigenquoten verwendeten und inden Mikrozensus integrierten EU-Arbeitskräfteerhebung wider. Mit der Umstellung auf das unterjährigeErhebungskonzept liefert der Mikrozensus ab 2005 erstmals Jahresdurchschnittsergebnisse, die mit denauf eine einzige Berichtswoche im Frühjahr bezogenen Ergebnissen bis 2004 nur bedingt vergleichbar sind.Zeitgleich mit dem Umstieg auf die kontinuierliche Erhebung wurden die Frageformulierungen und dieFeldarbeit (z. B. durch Umstellung auf Laptop-Interviews) so optimiert, dass jetzt eine bessere Erfassungder Erwerbstätigkeit gemäß dem Labour-Force-Konzept der Inter<strong>nationalen</strong> Arbeitsorganisation möglichist. Neben dem veränderten Referenzzeitraum und den methodischen Weiterentwicklungen hat auch dieÄnderung des Hochrechnungsverfahrens einen steigernden Effekt auf die Erwerbstätigenzahl des Mikrozensus.Die Erwerbstätigenquoten von Männern und Frauen entwickelten sich seit 1993 gegenläufig. Die Quoteverringerte sich bei den Männern im betrachteten Zeitraum um 0,3 % -Punkte auf 74,7 %. Dagegen stieg diese beiden Frauen um 9,0 % -Punkte auf 64,0 %. Bei einer Bewertung des Anstiegs der Erwerbstätigenquote der Frauen istallerdings zu berücksichtigen, dass die Erhöhung der Quote einherging mit einer deutlichen Zunahme der Teilzeitbeschäftigung(+3,1 Mio.), während sich die Zahl der vollzeitbeschäftigten Frauen um 0,9 Mio. verminderte.Bei einer Betrachtung der Erwerbstätigenquote nach Altersgruppen zeigen sich von 1993–2007 unterschiedlicheEntwicklungstendenzen. Bei der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen verminderte sich die Quote um6,6 % -Punkte auf 45,3 %. Hier schlägt sich vor allem die mit einer zunehmend qualifizierteren Ausbildungeinhergehende Verlängerung der durchschnittlichen schulischen und universitären Ausbildungszeiten nieder(siehe Indikator 9c). Erhöht hat sich die Quote (+4,1 %-Punkte) bei den mittleren Jahrgängen (25- bis 54-Jährige).In der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen erhöhte sich die Quote, wie eingangs erwähnt, um 15,8 % -Punkteauf 51,5 %. Besonders deutlich fiel der Zuwachs dabei seit dem Jahr 2003 aus (+12,1 % -Punkte), was neben demmethodischen Bruch im Jahr 2005 auch auf demografische Effekte <strong>zur</strong>ückzuführen ist. Ausgehend von einemniedrigen Niveau stieg die Quote bei den Frauen in dieser Altersgruppe stieg seit 1993 mit 19,7 % -Punkten deutlichstärker als bei den Männern (+12,0 % -Punkte).


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND73Perspektiven für FamilienVereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern706050403020*)Anteil der Kinder in Ganztagsbetreuung an allen Kindernder jeweiligen Altersgruppe in %24,20- bis 2-Jährige 3- bis 5-JährigeZiele: 30Ziele:6035Statistisches Bundesamt106,502006 2007 2010 2020*) Betreuung von mehr als 7 Stunden in Tageseinrichtungen, ohne Tagespflege; Stichtag: 15. März.Quelle: Statistisches Bundesamt17a, b Ganztagsbetreuung für KinderBedarfsgerechte Betreuungsmöglichkeiten für Kinder verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.Nach wie vor werden insbesondere Frauen wegen fehlender Betreuungsplätze daran gehindert, einer Erwerbstätigkeitnachzugehen oder Paare entscheiden sich gegen die Gründung einer Familie, da die Versorgung derKinder nicht gewährleistet ist. Eine bessere Balance zwischen Familien- und Berufsarbeit könnte möglicherweiseauch zu einer Erhöhung der Geburtenziffer in Deutschland beitragen. Die Förderung der Kinder im Rahmenvon Ganztagsangeboten ist aber auch ein wichtiger Beitrag <strong>zur</strong> Chancengerechtigkeit und <strong>zur</strong> Integrationausländischer Kinder und Jugendlicher.Ziel der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> ist es, bis zum Jahr 2010 in beiden Altersgruppen für mindestens 30 % derKinder eine Ganztagsbetreuung zu ermöglichen. Bis zum Jahr 2020 sollen sich die Anteile weiter auf 35 % beiden 0- bis 2-Jährigen und auf 60 % bei den 3- bis 5-Jährigen erhöhen. Im Jahr 2007 haben Eltern für 24,2 % der3- bis 5-Jährigen (Kindergartenalter) eine Ganztagsbetreuung in Tageseinrichtungen ergänzend <strong>zur</strong> eigenenErziehungsarbeit in Anspruch genommen, für Kinder unter drei Jahren (Krippenalter) lag dieser Wert bei 6,5 %.Im Vergleich zum Vorjahr, für das allein vergleichbare Zahlen vorliegen, haben sich damit leichte Fortschritteim Bereich der Ganztagsbetreuung in Tageseinrichtungen ergeben, am deutlichsten bei den 3- bis 5-Jährigen(+2,2 %-Punkte). Die Zunahme der ganztägigen Krippenbetreuung lag bei 0,6 %-Punkten. Um das gesteckte Zielfür Krippen zu erreichen, müssten also die Anstrengungen <strong>zur</strong> Schaffung von Ganztagsplätzen noch beträchtlichverstärkt werden.Die Zahl der ganztags in Krippen und Kindergärten betreuten Kinder lag 2007 bei rd. 661.100. Weitererd. 19.600 Kinder im Alter unter 6 Jahren werden ganztägig in öffentlich geförderter Tagespflege betreut.Die Zahl der Kinder in Teilzeitbetreuung belief sich auf 1,58 Mio.Im Hinblick auf die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder spielen auch die Horte und die Ganztagsschuleneine bedeutsame Rolle. 2007 wurden in Horten rd. 100.900 Kinder zwischen 6 und 13 Jahren ganztags und690.000 Kinder Teilzeit betreut. Der Anteil der Ganztagsschülerinnen und -schüler (an allen Schülerinnen undSchülern in allgemeinbildenden Schulen) lag im Schuljahr 2006/2007 bei gut 17,6 %. Hier sind jedoch alle Schulformeneinbezogen, also auch Schülerinnen und Schüler, die älter als 13 Jahre sind. An Grundschulen wurdenim gleichen Schuljahr 12,7 % der Kinder ganztags betreut. Im Vergleich zum Jahr 2002 ist die Zahl der Ganztags-


74 STATISTISCHES BUNDESAMTschüler deutlich gestiegen, und zwar von 874.000 auf fast 1,5 Mio. im allgemeinbildenden Schulbereich insgesamtund von 134.000 auf rd. 400.000 in den Grundschulen (Quelle: Kultusministerkonferenz, 4. März <strong>2008</strong>).Sowohl hinsichtlich der Ganztagsbetreuung in Tageseinrichtungen als auch bei Ganztagsplätzen beispielsweisein Grundschulen besteht ein deutliches Gefälle zwischen den ostdeutschen und den westdeutschenBundesländern. So liegt die Ganztagsquote für unter 6-Jährige (Anteil der ganztags betreuten Kinder an allenKindern dieser Altersgruppe) in allen östlichen Bundesländern und Berlin deutlich über dem Durchschnitt,in allen westlichen Ländern darunter. Die höchste Ganztagsquote für diese Altersgruppe hat Thüringen mit57,5 %, die niedrigste Baden-Württemberg mit 5,1 % (jeweils 2007). Bei den Ganztagsschülern in Grundschulenliegt die Spanne zwischen 67,4 % in Sachsen und 2,3 % in Niedersachsen (2006).Das Verhältnis von Betreuungsplätzen zu Kinderzahl hängt neben dem Angebot an Plätzen auch von derKinderzahl und der Anzahl der Geburten ab. Hier sind für die einzelnen Bundesländer erhebliche Unterschiedefestzustellen, so dass gesamtdeutsche Ergebnisse die grundverschiedenen Herausforderungen nicht deutlichwerden lassen. Insgesamt lag die Geburtenzahl 2007 bei rd. 685.000 und damit deutlich niedriger als ein Jahrzehntzuvor (765.000 Geburten 1995).GleichberechtigungGleichberechtigung in der Gesellschaft fördern3025Unterschied zwischen den durchschnittlichen Brutto-StundenverdienstenderFrauenundderMännerin % der Verdienste der Männer *)2015102122Ziel: 15Ziel: 10501995 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 2010 2020*) Aufgrund eines Wechsels der Datenquelle im Jahr 2002 dürfte sich der geschlechtsspezifische Lohnunterschied um einenProzentpunkt vergrößert haben.Quelle: Statistisches Bundesamt18 Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigungvon Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ DieseZielsetzung des Grundgesetzes ist auch Ziel einer nachhaltigen Gesellschaft. Benachteiligungen aufgrund desGeschlechts in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen vermieden und damit Chancengerechtigkeit hergestelltwerden.Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern sind in modernen Erwerbsgesellschaften ein Zeichen fürsoziale Ungleichheit. Die Verringerung der Lohnunterschiede ist ein Indikator für Fortschritte auf dem Weg<strong>zur</strong> Gleichstellung. Im Jahr 2006 lag der Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern (der sogenannteGender Pay Gap) bei durchschnittlich 22 %, d. h. der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen miteiner wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden und einem Alter zwischen 15 und 64 Jahren lag ummehr als ein Fünftel niedriger als der der Männer. Neueste Ergebnisse ohne Berücksichtigung der wöchentlichenMindestarbeitszeit und des Alters zeigen sogar einen Verdienstabstand von 24 % für das Jahr 2006. Fürdie Vorjahre stehen leider keine vergleichbaren Daten <strong>zur</strong> Verfügung. Als Ziel der Bundesregierung wird eine


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND75Verringerung des Verdienstabstandes auf 15 % bis zum Jahr 2010 und auf 10 % bis zum Jahr 2020 angestrebt.Seit 1995 haben sich die Lohnunterschiede kaum verändert. Bei gleichbleibender Entwicklung wäre das für2010 gesteckte Ziel nicht zu erreichen.Eine unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern – wie auch zwischen anderen Gruppen – beruhtauf einer Reihe von Faktoren, z. B. der Art des ausgeübten Berufs, der Berufserfahrung und der Positionierungim Unternehmen. Aber auch die Tätigkeit in bestimmten Wirtschaftsbereichen oder in Betrieben unterschiedlicherGröße spielt eine Rolle, ebenso wie die unterschiedliche berufliche Weiterentwicklung.Häufig arbeiten Frauen in Branchen oder Berufen mit geringeren Verdienstmöglichkeiten. Branchen miteinem hohen Anteil an weiblichen Beschäftigten sind zum Beispiel das Bekleidungsgewerbe, der Einzelhandel,das Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen (jeweils mit einem Frauenanteil zwischen 70 und 80 %). Umgekehrtsind Männer verstärkt in Bereichen mit vergleichsweise höheren Verdiensten tätig wie etwa im Maschinen-oder Fahrzeugbau. Frauen stellen in diesen Bereichen weniger als 20 % der Beschäftigten. Im Jahr 2006lag beispielsweise der Bruttomonatsverdienst von vollbeschäftigten Arbeitnehmerinnen im Einzelhandel bei2.132 Euro, im Fahrzeugbau dagegen bei 3.157 Euro. Die Männer verdienten in diesen Branchen durchschnittlich2.703 Euro bzw. 3.587 Euro pro Monat.Statistisches BundesamtIm Verlauf der letzten eineinhalb Jahrzehnte hat sich die formale Qualifikation der Frauen deutlich verbessert(siehe Indikatoren 9a und 9b). Aber auch bei gleicher formaler Qualifikation werden Frauen häufigschlechter entlohnt. Eine wichtige Rolle spielen hierbei vor allem Unterschiede in den Erwerbsbiographienvon Männern und Frauen. Bei Frauen entstehen oft Lücken oder Brüche durch Teilzeitarbeit z. B. wegen Kindererziehungoder Pflege von Angehörigen. Diese Faktoren können die Karriere und damit die Entwicklungder Entlohnung hemmen.Das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen hat sich zwar ebenfalls verbessert (siehe Indikator 17),reicht aber zumindest in Westdeutschland bei weitem nicht aus, um die Erwerbsarbeit mit Familien- undErziehungstätigkeiten problemlos zu vereinen und damit Brüche zumindest in der Erwerbsbiografie vonMüttern zu vermeiden. Das Anfang 2007 eingeführte Elterngeld dürfte ebenfalls einen wichtigen Beitragdazu leisten, dass es weniger Brüche in den Erwerbsbiografien von Frauen gibt.


76 STATISTISCHES BUNDESAMTIntegrationIntegrieren statt ausgrenzenAbsolventen allgemeinbildender Schulen mit Schulabschlussin % der Absolventen eines Jahrgangs100908092,3 Deutsche insgesamt93,080,3Ausländer insgesamt83,2706050403020100Ausländer mit HauptschulabschlussAusländer mit RealschulabschlussAusländer mit Fachhochschul- oder Hochschulreife1996 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06Quelle: Statistisches Bundesamt19 Ausländische Schulabgänger mit SchulabschlussDie Integration in Deutschland lebender Ausländerinnen und Ausländer ist eine wichtige Voraussetzungfür den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Grundbedingung für eine erfolgreiche Integration isteine ausreichende schulische Qualifizierung, die berufliche Ausbildungs- und Erwerbsmöglichkeiten eröffnet.Die nationale <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> verfolgt deshalb das Ziel, den Anteil der ausländischen jugendlichenSchulabgänger, die mindestens einen Hauptschulabschluss erreichen, zu erhöhen und bis zum Jahr 2020 andie entsprechende Quote für die deutschen Jugendlichen anzugleichen.Der Indikator zeigt den Anteil ausländischer Schulabsolventen eines Jahrgangs, die die allgemeinbildendenSchulen mit mindestens Hauptschulabschluss verlassen. Im Zeitraum 1996–2006 hat sich dieser Anteil von80,3 % auf 83,2 % erhöht. Für die ausländischen Jugendlichen wurden somit Fortschritte erreicht. Allerdings warbei dieser Gruppe 2006 der Anteil von Schulabsolventen mit Abschluss immer noch deutlich niedriger als beiden deutschen Jugendlichen, bei denen der Anteil bei 93,0 % lag. Im Hinblick auf das angestrebte Ziel sind alsonoch erhebliche Anstrengungen erforderlich, zumal zugleich angestrebt wird, den Anteil aller Jugendlichenmit Abschluss weiter zu erhöhen (siehe Indikator 9a).Betrachtet man die erreichten Abschlüsse, so lässt sich feststellen, dass knapp 42 % der ausländischen Absolventenallgemeinbildender Schulen des Jahrgangs 2006 einen Hauptschulabschluss erreichten, 31 % beendetendie Schule mit dem Realschulabschluss, 11 % erreichten die Fachhochschulreife oder die allgemeine Hochschulreife.Bei den deutschen Absolventen lagen die vergleichbaren Zahlen bei 23 %, 42 % und 28 %. Insbesondere beiden höheren Bildungsabschlüssen sind also die ausländischen Jugendlichen im Vergleich zu den deutschenerheblich unterrepräsentiert. 16,8 % der ausländischen Absolventen erreichten keinen Schulabschluss an allgemeinbildendenSchulen (sogenannte Abbrecherquote), im Vergleich zu 7,0 % bei den deutschen Absolventen.Zugleich zeigt sich eine insgesamt bessere Schulausbildung ausländischer junger Frauen im Vergleich zuausländischen jungen Männern. Von den Absolventinnen allgemeinbildender Schulen hatten 2006 nur 13,5 %keinen Schulabschluss, während es bei den ausländischen jungen Männern 19,8 % waren.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND77Neben der Schulausbildung spielt die berufliche Qualifizierung eine wichtige Rolle für die Integration ausländischerMitbürger in unsere Gesellschaft. Im Jahr 2006 hatte über die Hälfte (51,4 %) der 25- bis 29-Jährigenausländischer Herkunft keinen Berufs- oder Hochschulabschluss. Die 30- bis 34-Jährigen hatten nach Ende derBerufsbildungsphase zu 45 % keinen Abschluss. Bei den gleichaltrigen Deutschen lagen die Zahlen bei 23 % bzw.13 %. Während mehr ausländische Frauen als Männer einen Schulabschluss hatten, war es beim Berufsabschlussumgekehrt. 48 % der ausländischen jungen Frauen zwischen 30 und 34 hatten 2006 keinen Berufs- oder Hochschulabschluss,gegenüber 42 % der jungen Männer ausländischer Herkunft.Für die gesellschaftliche Integration sind gute deutsche Sprachkenntnisse von entscheidender Bedeutung.Sie sind Voraussetzung sowohl für qualifizierte Schulabschlüsse als auch für gesellschaftliche Teilhabe allgemein.2005 wurden daher Integrationskurse für Zuwanderer eingeführt, an denen bis 2007 rd. 173.000 Personenteilnahmen. Die Abschlussprüfung haben rd. 45 % der Teilnehmer erfolgreich absolviert. Die Bundesregierungstrebt an, die Teilnahme und den erfolgreichen Abschluss an diesen Kursen in den kommenden Jahren zuerhöhen.Statistisches BundesamtIn Deutschland lebten Ende 2006 rd. 7,3 Mio. Mitbürger und Mitbürgerinnen mit ausländischem Pass, dassind 8,8 % der Bevölkerung. Im Schuljahr 2006/2007 besuchten rd. 898.000 Ausländerinnen und Ausländer allgemeinbildendeSchulen. 186.800 ausländische Schüler waren es an beruflichen Schulen. Der Ausländeranteillag damit bei 9,6 % an den allgemeinbildenden Schulen und bei 6,7 % an den beruflichen Schulen.EntwicklungszusammenarbeitNachhaltige Entwicklung unterstützenAnteil der öffentlichen Entwicklungsausgaben (ODA * )am Bruttonationaleinkommenin %0,800,70Ziel:0,700,600,50Ziel:0,510,400,300,200,100,310,370,001995 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 1) 2010 2015*ODA = Offical Development Assistance. 1) Angaben für 2007 vorläufig.Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung20 Anteil öffentlicher Entwicklungsausgaben am BruttonationaleinkommenMit ihrer Entwicklungspolitik tragen die Industrienationen dazu bei, die weltweite Armut zu mindern, denFrieden zu sichern und Demokratie zu verwirklichen, die Globalisierung gerecht zu gestalten und die Umweltzu schützen. In dieser Verantwortung orientiert sich die deutsche Entwicklungspolitik am Leitbild einer globalnachhaltigen Entwicklung, die sich gleichermaßen in wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sozialer Gerechtigkeit,ökologischer Tragfähigkeit und politischer Stabilität ausdrückt.


78 STATISTISCHES BUNDESAMTDer Indikator umfasst die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit (Official DevelopmentAssistance – ODA) im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (BNE). Zur ODA zählen vor allem Ausgabenfür die finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern sowie Beiträge an multilateraleInstitutionen für Entwicklungszusammenarbeit (z. B. Vereinte Nationen (VN), EU, Weltbank, regionale Entwicklungsbanken).Daneben sind auch der Erlass von Schulden sowie bestimmte Ausgaben für Entwicklungim Geberland, etwa Studienplatzkosten für Studierende aus Entwicklungsländern oder Ausgaben für entwicklungsspezifischeForschung, auf die ODA anrechenbar. Im Rahmen der VN-Konferenz <strong>zur</strong> Entwicklungsfinanzierungvon Monterrey verpflichtete sich die Bundesregierung, bis 2006 0,33 % des Bruttonationaleinkommensfür die Entwicklungsarbeit aufzubringen. Dieses Ziel wurde in die deutsche <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> übernommen.Für die Zukunft ergibt sich aus der gemeinsamen Verpflichtung der EU, die Ausgaben für die ODAschrittweise zu erhöhen, für die deutsche Entwicklungspolitik das Ziel, den ODA-Anteil bis 2010 auf 0,51 % undbis 2015 auf 0,7 % zu steigern. Die Bundesregierung hat in einer Protokollerklärung zum Beschluss des EuropäischenRats festgehalten, dass wegen der äußerst schwierigen deutschen Finanzlage innovative Finanzierungsinstrumenteeinen wesentlichen Beitrag <strong>zur</strong> Erreichung dieser Ziele leisten müssen. So werden <strong>2008</strong> erstmalsErlöse aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten für internationale klimarelevante Projekte im Rahmenentwicklungspolitischer Maßnahmen eingesetzt.Nach vorläufigen Berechnungen lag der Anteil der ODA am BNE im Jahr 2007 bei 0,37 % und damit geringfügighöher als im Vorjahr (0,36 %). Die ODA-Leistungen lagen 2007 bei 8,96 Mrd. Euro. Bei gleichbleibenderEntwicklung der ODA-Leistungen wie in den vergangenen fünf Jahren (bis 2007) wäre das Nachhaltigkeitsziel,bis zum Jahr 2010 0,51 % des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen,nicht zu erreichen. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung im Jahr <strong>2008</strong> und in der Finanzplanungbis 2012 die Mittel erheblich aufgestockt.Gut zwei Drittel der Mittel für die ODA wurden 2006 im Rahmen der technischen oder finanziellen Zusammenarbeitmit ausgewählten Partnerländern, der Nahrungsmittelhilfe, der entwicklungsorientierten Not- undFlüchtlingshilfe sowie für Schuldenerlasse verwendet. Auch die nichtstaatliche Entwicklungszusammenarbeit(z. B. von Nichtregierungsorganisationen, politischen Stiftungen, kirchlichen Hilfswerken, Privatwirtschaft) wurdeunterstützt. Die übrigen Mittel gingen an die VN, die EU, die Weltbank oder regionale Entwicklungsbanken.Im inter<strong>nationalen</strong> Vergleich war Deutschland 2007 absolut gesehen der zweitgrößte Geber von ODA-Mitteln hinter den USA. Es folgen Großbritannien, Frankreich und Japan. Bezogen auf das Bruttonationaleinkommenwendeten aber vor allem kleinere Länder höhere Anteile für die Entwicklungszusammenarbeit auf.Norwegen, Schweden, Luxemburg, die Niederlande und Dänemark überschritten auch 2007 – wie bereits seitvielen Jahren – die 0,7 %-Marke.Neben der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit werden auch von privater Seite (z. B. durch Kirchen,Stiftungen und Verbände) aus Spenden und Eigenmitteln Beiträge <strong>zur</strong> Entwicklungshilfe geleistet. Die privateEntwicklungshilfe belief sich in den Jahren 1999 bis 2004 etwa gleichbleibend auf jeweils rd. 900 Mio. Euro.2005 stieg sie auf rd. 1,2 Mrd. Euro und 2006 lag sie bei knapp 1,1 Mrd. Euro, was einem Anteil von 0,05 % (2006)am Bruttonationaleinkommen entsprach. Private Direktinvestitionen in den Entwicklungsländern beliefensich 2006 auf 9,9 Mrd. Euro.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND79Märkte öffnenHandelschancen der Entwicklungsländer verbessern14012010080Deutsche Einfuhren aus Entwicklungsländern *)in Mrd. Euro1)aus AKP-Ländern inkl.aus übrigen Entwicklungsländernam wenigsten entwickelte AKP-Staaten136Statistisches Bundesamt6040412001995 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 2)*) Entwicklungsländer ohne fortgeschrittene Entwicklungsländer. 1) AKP = Afrika, Karibik und pazifischer Raum.2) Vorläufiges Ergebnis.Quelle: Statistisches Bundesamt21 Deutsche Einfuhren aus EntwicklungsländernFür ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung sind die Entwicklungsländer auf ein offenes und fairesHandelssystem angewiesen, das ihnen ermöglicht, sowohl Rohstoffe als auch verarbeitete Produkte auf denMärkten der Industrie- und der Schwellenländer anzubieten. Als Indikator dafür, inwieweit dieses Ziel erreichtwurde, dienen die Einfuhrzahlen der Entwicklungsländer nach Deutschland. Die sogenannten fortgeschrittenenEntwicklungsländer wie etwa Südkorea, Israel oder Singapur sind dabei nicht einbezogen.Ende der 1990er Jahre sowie erneut ab 2004 stiegen die Einfuhren deutlich an, und zwar von 41 Mrd. Euroim Jahr 1995 auf 136 Mrd. Euro im Jahr 2007. Dieser Anstieg (+232 %) ist wesentlich höher als der Anstieg dergesamten Einfuhren nach Deutschland (+127 %). Damit erhöhte sich auch der Anteil der Einfuhren aus Entwicklungsländernan den Gesamteinfuhren 1995–2007 von 12,0 % auf 17,6 %.Rd. 63 % der Einfuhren aus Entwicklungsländern kamen 2007 aus asiatischen Ländern (einschließlich China),15,4 % aus Mittel- oder Südamerika und 11,6 % aus Afrika. Der Rest entfiel auf europäische Entwicklungsländer,Länder des Nahen und Mittleren Ostens sowie Ozeanien.Das im Hinblick auf die Importe nach Deutschland bedeutendste Entwicklungsland war China: Der Wert derEinfuhren aus diesem Land belief sich im Jahr 2007 auf rd. 55 Mrd. Euro und lag damit etwa sechseinhalbmal sohoch wie 1995. Die Einfuhren aus China prägen daher die Entwicklung des Indikators sehr stark. Rechnet mansie über den Zeitraum 1995–2007 aus den Einfuhren der Entwicklungsländer heraus, zeigt sich, dass der Anteildieser Länder an den deutschen Importen sich kaum verändert hat und bei einem Zehntel lag (10,5 % im Jahr2007). Eine stärkere Beteiligung dieser Länder am Handel mit Deutschland ist insoweit kaum erkennbar.Das gilt auch für die Einfuhren aus den Ländern Afrikas, der Karibik und des pazifischen Raums (sogenannteAKP-Staaten), mit denen die EU besondere Beziehungen pflegt. Der Wert der Einfuhren aus diesen Ländern istzwischen 1995 und 2007 von 4,2 Mrd. Euro auf 8,7 Mrd. Euro gestiegen. Ihr Anteil an den gesamten deutschenEinfuhren ist jedoch fast gleich geblieben und lag 2007 bei 1,1 %. Die Gruppe der 50 am wenigsten entwickeltenLänder (Least developed countries – LDCs), die größtenteils zugleich zu den AKP-Staaten gehören, entwickelteihren Anteil an den Importen von 0,37 % im Jahr 1995 auf 0,43 % im Jahr 2007.


80 STATISTISCHES BUNDESAMTAls EU-Mitglied bietet Deutschland sowohl den AKP-Staaten als auch der Gruppe der LDCs im Rahmen verschiedenerPräferenzsysteme nahezu zoll- und quotenfreien Marktzugang. Dennoch konnten die meisten dieserStaaten ihre Exportanteile in die EU nicht in gleichem Maße steigern wie dies einem Land wie China möglichwar. Diese Entwicklungen legen den Schluss nahe, dass es neben der Offenheit der Märkte weitere Faktorengibt, welche die Exportmöglichkeiten von Entwicklungsländern beeinflussen. Hierzu zählen beispielsweise dieKapazitäten, Waren in ausreichender Menge und Qualität zu produzieren, eine funktionierende Infrastruktur,aber auch politische Stabilität.Interessant ist auch ein Blick auf die Gütergruppen, bei denen die Einfuhren aus Entwicklungsländern 2006einen besonders hohen Anteil (mehr als ein Viertel) an den Gesamteinfuhren hatten. Hier sind land- und forstwirtschaftlicheErzeugnisse (35 % bzw. 27 %) zu nennen, Kohle und Torf (27 %), Erze (65 %), Textilien (39 %) und Bekleidung(66 %), Leder und Lederwaren (52 %), Büromaschinen und Datenverarbeitungsgeräte (37 %), Nachrichtentechnik,Radio, TV (32 %) sowie Möbel, Schmuck, Musikinstrumente, Sportgeräte und Spielwaren (35 %). ImVergleich zu 1996 ist der „Marktanteil“ der Entwicklungsländer besonders in den Bereichen Textilien, Bekleidungund Leder sowie bei Datenverarbeitungsgeräten, der Nachrichtentechnik und bei Möbeln, Schmuck usw.gestiegen.Übersicht: Darstellung des Status der IndikatorenDie nachfolgende Übersicht zeigt in vereinfachter Form einen rechnerisch ermittelten Status der Indikatorenim Zieljahr.Grundlage der Berechnung ist die durchschnittliche jährliche Veränderung in den letzten fünf Jahren biszum jeweils letzten Jahr der Zeitreihe. Davon ausgehend wurde statistisch berechnet, welcher Wert bei unveränderterFortsetzung dieser Entwicklung im Zieljahr erreicht würde.Auf dieser Basis erfolgt eine Einteilung der Indikatoren in vier Gruppen:Zielwert des Indikators ist erreicht oder verbleibende „Wegstrecke“ würde biszum Zieljahr bewältigt (Abweichung weniger als 5 %).Indikator entwickelt sich in die richtige Richtung, aber im Zieljahr verbliebebei unveränderter Fortsetzung der jährlichen Entwicklung noch eine Wegstreckevon 5 bis 20 % bis <strong>zur</strong> Erreichung des Zielwerts.Indikator entwickelt sich in die richtige Richtung, aber im Zieljahr verbliebebei unveränderter Fortsetzung der jährlichen Entwicklung noch eine Wegstreckevon mehr als 20 % bis <strong>zur</strong> Erreichung des Zielwerts.Indikator entwickelt sich in die falsche Richtung, Wegstrecke zum Ziel würde sichbei unveränderter Fortsetzung der jährlichen Entwicklung weiter vergrößern.Es handelt sich dabei um keine Prognose. Die Wirkung von zum Ende des Beobachtungszeitraums (bis2007, teilweise früher) beschlossenen Maßnahmen sowie zusätzlicher Anstrengungen der Akteure in denFolgejahren bleibt unberücksichtigt. Die tatsächliche Entwicklung der Indikatoren kann also – in Abhängigkeitvon veränderten politischen, wirtschaftlichen und anderen Rahmenbedingungen – im Zieljahr von derFortschreibung abweichen.Hinweis:Kein statistischer Trend erkennbar oder berechenbar ist bei der Entwicklung der Indikatoren 4 (Anstiegder Siedlungs- und Verkehrsfläche), 5 ( Artenvielfalt und Landschaftsqualität), 9a (18- bis 24-jährige ohneAbschluss), 11b ( Personentransportintensität), 17a, b ( Ganztagsbetreuung für Kinder) und 18 ( Verdienstabstandzwischen Frauen und Männern). Die Eingruppierung ist hier mit großen Unsicherheiten behaftet.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND81Nr.1aIndikatorenbereicheNachhaltigkeitspostulatRessourcenschonungRessourcen sparsam und effizient nutzenÜbersichtIndikatoren Ziele StatusI. GenerationengerechtigkeitEnergieproduktivität Verdopplung von 1990 bis 20201b Rohstoffproduktivität Verdopplung von 1994 bis 2020Statistisches Bundesamt2 KlimaschutzTreibhausgase reduzierenTreibhausgasemissionenReduktion um 21 % gegenüber1990 bis <strong>2008</strong>/20123aErneuerbare EnergienZukunftsfähige Energieversorgung ausbauenAnteil erneuerbarerEnergien am PrimärenergieverbrauchAnstieg auf 4,2 % bis 2010 und10 % bis 20203bAnteil erneuerbarerEnergien am StromverbrauchAnstieg auf 12,5 % bis 2010 undmindestens 30 % bis 20204 FlächeninanspruchnahmeNachhaltige FlächennutzungAnstieg der SiedlungsundVerkehrsflächeReduzierung des täglichenZuwachses auf 30 ha bis 20205 ArtenvielfaltArten erhalten – Lebensräume schützenArtenvielfalt und LandschaftsqualitätAnstieg auf den Indexwert 100bis 20156 StaatsverschuldungHaushalt konsolidieren – Generationengerechtigkeitschaffen7 Wirtschaftliche ZukunftsvorsorgeGute Investitionsbedingungen schaffen – Wohlstanddauerhaft erhaltenStaatsdefizitVerhältnis der Bruttoanlageinvestitionenzum BIPStrukturell ausgeglichenerStaatshaushalt; Bundeshaushaltspätestens ab 2011 ohneNettokreditaufnahmeSteigerung des Anteils8 InnovationZukunft mit neuen Lösungen gestalten9a BildungBildung und Qualifikation kontinuierlich verbessernPrivate und öffentlicheAusgaben für Forschungund Entwicklung18- bis 24-Jährige ohneAbschlussSteigerung auf 3 % des BIPbis 2010Verringerung des Anteils auf 9 %bis 2010 und 4,5 % bis 20209bSteigerung des Anteils auf 10 %bis 2010 und 20 % bis 20209c Studienanfängerquote Erhöhung auf 40 % bis 2010,anschließend weiterer Ausbauund Stabilisierung auf hohemNiveauII. Lebensqualität10 Wirtschaftlicher WohlstandWirtschaftsleistung umwelt- undsozialverträglich steigern11a MobilitätMobilität sichern – Umwelt schonenBIP je Einwohner25-Jährige mitabgeschlossener HochschulausbildungGütertransportintensitätWirtschaftliches WachstumAbsenkung auf 98 % gegenüber1999 bis 2010 und auf 95 %bis 2020


82 STATISTISCHES BUNDESAMTNr.11bIndikatorenbereicheNachhaltigkeitspostulatIndikatoren Ziele StatusPersonentransportintensitätAbsenkung auf 90 % gegenüber1999 bis 2010 und auf 80 % bis202011cAnteil des Schienenverkehrsan der GüterbeförderungsleistungSteigerung auf 25 % bis 201511d12aLandbewirtschaftungIn unseren Kulturlandschaftenumweltverträglich produzierenAnteil der Binnenschifffahrtan derGüterbeförderungsleistungStickstoffüberschussSteigerung auf 14 % bis 2015Verringerung bis auf 80 kg/halandwirtschaftlich genutzterFläche bis 2010, weitere Absenkungbis 202012b Ökologischer Landbau Erhöhung des Anteils desökologischen Landbaus an derlandwirtschaftlich genutztenFläche auf 20 % in den nächstenJahren13 LuftqualitätGesunde Umwelt erhaltenSchadstoffbelastungder LuftVerringerung auf 30 % gegenüber1990 bis 201014a Gesundheit und ErnährungLänger gesund lebenVorzeitige Sterblichkeit(Todesfälle pro 100.000Einwohner unter 65Jahren) MännerRückgang auf 190 Fälle pro100.000 bis 201514bVorzeitige Sterblichkeit(Todesfälle pro 100.000Einwohner unter 65Jahren) FrauenRückgang auf 115 Fällepro 100.000 bis 201514c Raucherquote vonJugendlichen(12 bis 17 Jahre)14d Raucherquote vonErwachsenen(ab 15 Jahre)Absenkung auf unter 12 %bis 2015Absenkung auf unter 22 %bis 201514e15 KriminalitätPersönliche Sicherheit weiter erhöhen16a BeschäftigungBeschäftigungsniveau steigernAnteil der Menschenmit Adipositas (Fettleibigkeit)(Erwachsene ab18 Jahre)WohnungseinbruchsdiebstahlIII. Sozialer ZusammenhaltErwerbstätigenquoteinsgesamt(15 bis 64 Jahre)Rückgang bis 2020Rückgang der Fälle auf unter100.000 pro Jahr bis zum Jahr2015Erhöhung auf 73 % bis 2010und 75 % bis 202016b ErwerbstätigenquoteÄltere(55 bis 64 Jahre)Erhöhung auf 55 % bis 2010und 57 % bis 202017a Perspektiven für FamilienVereinbarkeit von Familie und Beruf verbessernGanztagsbetreuungfür Kinder0- bis 2-JährigeAnstieg auf 30 % bis 2010und 35 % bis 202017b Ganztagsbetreuungfür Kinder3- bis 5-JährigeAnstieg auf 30 % bis 2010und 60 % bis 2020


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND83Nr.IndikatorenbereicheNachhaltigkeitspostulat18 GleichberechtigungGleichberechtigung in derGesellschaft fördern19 IntegrationIntegrieren statt ausgrenzen20 EntwicklungszusammenarbeitNachhaltige Entwicklung unterstützen21 Märkte öffnenHandelschancen der EntwicklungsländerverbessernIndikatoren Ziele StatusVerdienstabstandzwischen Frauen undMännernAusländische Schulabgängermit SchulabschlussIV. Internationale VerantwortungAnteil öffentlicher Entwicklungsausgabenam BruttonationaleinkommenDeutsche Einfuhrenaus EntwicklungsländernVerringerung des Abstandesauf 15 % bis 2010und auf 10 % bis 2020Erhöhung des Anteils derausländischen Schulabgängermit mindestensHauptschulabschlussund Angleichung an dieQuote deutscher Schulabgängerbis 2020Steigerung auf 0,51 % bis2010 und 0,7 % bis 2015Weiterer AnstiegStatistisches Bundesamt


84 INDIKATOREN UND ZIELEIII. Schlussfolgerungen der Bundesregierungaus der Analyse des StatistischenBundesamtesWie nachhaltig ist Deutschland? Die unabhängigeAnalyse des Statistischen Bundesamtes liefertAnhaltspunkte <strong>zur</strong> Beantwortung dieser Frage.Ausgangspunkt sind dabei die Entwicklungen derJahre 2002–2007, zum Teil – wenn keine neuerenDaten vorliegen – auch nur von 2000–2005. KeineBerücksichtigung finden in der Berechnung deshalbMaßnahmen, die entweder vor kurzem ergriffenwurden oder die für die Zukunft durch die <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>angestoßen werden. Dazu gehörtetwa die mit Blick auf das Ziel der Erreichung einesODA-Anteils von 0,51 % bis 2010 erfolgte erheblicheAufstockung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeitin den Jahren <strong>2008</strong> und 2009 sowie in derFinanzplanung bis 2012.Ohne dass die Bundesregierung alle Aussagendes Bundesamtes teilt, so zeigt die Analyse docheines: In einer Reihe von Bereichen verbleibt massiverHandlungsbedarf, der sich an alle politischenEbenen und die Gesellschaft als Ganzes richtet. Auchwenn erst fünf Jahre seit Verabschiedung der Strategieverstrichen sind, ist die Gesamtentwicklung nochnicht zufriedenstellend.Positive EntwicklungenErfreuliche Entwicklungen finden sich in folgendenBereichen:Das Ziel <strong>zur</strong> Verringerung der Treibhausgasemissionen(Indikator 2) wird voraussichtlich erreicht – aufder Basis der umfangreichen Maßnahmen, die dieBundesregierung ergriffen hat. Dass sich etwa derBereich der erneuerbaren Energien (Indikator 3) soausgesprochen positiv entwickelt hat, ist Ausdruckvon Kraftanstrengungen, die die Bundespolitik in denvergangenen Jahren vollbracht hat und mit denenDeutschland im inter<strong>nationalen</strong> Vergleich Vorreitergeworden ist. Das Staatsdefizit (in % des Bruttoinlandsproduktes– Indikator 6) lag 2007 bei 0 %. Deutlichgestiegen ist auch das Bruttoinlandsprodukt jeEinwohner (Indikator 10). Weiter gesunken dagegenist die vorzeitige Sterblichkeit von Personen unter65 Jahren (Indikator 14a), und bei den Wohnungseinbruchsdiebstählenhat sich die Zahl in den vergangenenzehn Jahren fast halbiert (Indikator 15). Sehrpositiv ist auch der deutliche Anstieg der Erwerbstätigenquote(Indikator 16). Übertroffen wurde wie auch2005 und 2006 das in der Strategie 2002 für 2006gesetzte ehrgeizige Ziel <strong>zur</strong> Steigerung des Anteilsder Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen,der sogenannten ODA-Quote (Indikator 20),auf 0,33 % – mit zuletzt 0,37 % im Jahr 2007. Deutlichgesteigert werden konnten auch die Einfuhren ausEntwicklungsländern (Indikator 21).Daneben gibt es eine Reihe von Indikatoren, beidenen die Entwicklung in die richtige Richtung geht.Sie müssen intensiv beobachtet und die Entwicklungggf. durch Maßnahmen unterstützt werden.Beispiel: Schadstoffbelastung der LuftDie Schadstoffbelastung der Luft (Indikator 13) hat sich in denvergangenen Jahren deutlich verbessert – seit 1990 um 55 %.Dass es bei einzelnen Schadstoffen massive Fortschritte gab– am stärksten im Bereich der Schwefeldioxide – verdeutlichtdie Wirksamkeit der hier getroffenen staatlichen Maßnahmen.Die Erreichung des rechnerisch gebildeten Ziels für denGesamtindikator ist noch unsicher. Bei den Emissionen vonAmmoniak, die insbesondere aus der landwirtschaftlichenTierhaltung stammen, sind Reduktionen besonders schwierig.Die Bundesregierung wird daher weitere Anstrengungen<strong>zur</strong> Verbesserung der Stickstoff-Effizienz vornehmen.Ein anderes Beispiel ist der Bereich private und öffentlicheAusgaben für Forschung und Entwicklung(Indikator 8). Der Trend zeigt nach oben. ObwohlDeutschland weit über entsprechenden Ausgabender anderen EU-Mitgliedstaaten liegt und sich etwaauf dem Niveau der USA bewegt, müssen die Gesamtausgabentrotzdem noch deutlich steigen, um dasfür 2010 gesetzte Ziel zu erreichen. Zumindest dieAufwendungen des Bundes sind seit 2006 deutlichgestiegen, was sich aber noch nicht in den vom Bundesamtgenutzten Zahlen widerspiegelt.HerausforderungenInsgesamt steht die Politik und mit ihr diegesamte Gesellschaft weiter vor großen Herausforderungen,wenn wir unserer Verantwortung für dienachfolgenden Generationen und mehr Gerechtigkeit– in Deutschland und in globaler Betrachtung– wirklich nachkommen wollen.Bei den gesetzten Zielen und ausgewähltenIndikatoren hat sich der Bund bewusst nicht aufdiejenigen Bereiche beschränkt, die von ihm alleinoder zum Teil auch nur wesentlich gestaltet werdenkönnen. Denn Ziel war es, ein Gesamtbild der Nachhaltigkeitabzubilden. Der bestehende Handlungsbedarfrichtet sich daher nicht allein und auch nichtimmer prioritär an die Bundesebene.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND85BildungWeit von den gesetzten Nachhaltigkeitszielen entfernt istDeutschland beim Anteil der 18- bis 24-Jährigen mit Schulabschluss(Indikator 9a), dem Anteil der 25-Jährigen mitHochschulabschluss (Indikator 9b) sowie bei der Studienanfängerquote(Indikator 9c). Bildung hat eine Schlüsselfunktionfür eine nachhaltige Entwicklung. Angesichts der besonderenBedeutung von Bildung für Nachhaltigkeit – u. a. mitBlick auf wirtschaftliche Potenziale der Gesellschaft, sozialeAspekte, aber auch für die Vermittlung der Fähigkeiten, dieVerwirklichung von Nachhaltigkeit in der Praxis erfordert –,sind die fehlenden Fortschritte besonders problematisch.Der Bund verfügt hier jedoch leider nur über sehr begrenzteEinflussmöglichkeiten; entscheidende Fortschritte lassensich – verstärkt nach der Förderalismusreform I – nicht ohneentsprechende Anstrengungen der Länder erreichen. DerBund bietet seine Kooperation hierzu an.TransportintensitätVon der Zielerreichung entfernen sich derzeit die Indikatoren<strong>zur</strong> Transportintensität im Güter- bzw. Personenverkehr ( Indikatoren11a und b); eine Erreichung des für 2010 gesetztenZwischenziels ist nicht zu erwarten. Beim Gütertransportist dies im wesentlichen Ausdruck transnationaler Entwicklungenwie dem stärkeren wirtschaftlichen Austausch mitOsteuropa, eine positive Entwicklung für den europäischenBinnenmarkt; die Folge davon ist jedoch ein zunehmenderTransitverkehr mit seinen negativen Auswirkungen.Klimaschutz und Energieversorgungssicherheit sowie dieFragen der Bezahlbarkeit von Mobilität zeigen die großeBedeutung, die eine Entkoppelung von Verkehrswachstumund Energieverbrauch für die Zukunftsfähigkeit des Verkehrshat. Die Analyse des Bundesamtes legt dar, dass – trotzgestiegenen Transportaufkommens – große Fortschritte beider Reduzierung des relativen wie des absoluten Energieaufwandserreicht wurde. Die Bundesregierung strebt weiterhindie Verringerung der Intensität des Transports an und wirdmögliche Auswirkungen steigender Treibstoffpreise aufdie Entwicklung des motorisierten Verkehrs, insbesondereim Bereich des Personentransports, genau beobachten.Maßnahmen <strong>zur</strong> Verringerung der Gütertransportintensitätenthält der Masterplan „Güterverkehr und Logistik“ der Bundesregierung.Die Bundesregierung hält daher am Ziel für dieGütertransportintensität für 2010 bzw. 2020 fest.Güterverkehrsbeförderung durch Schienenverkehrund BinnenschifffahrtAuch bei diesem Indikator (Indikator 11c) entwickeln sichdie Anteile nicht in ausreichender Geschwindigkeit in diegewünschte Richtung.Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass auch mit Blickauf die Maßnahmen im „Masterplan Güterverkehr und Logistik“sowie im Zusammenhang mit den steigenden Preisen fürfossile Treibstoffe der Schienenverkehr langfristig weitereAnteile beim Gütertransport erschließen kann. Auch dieBinnenschifffahrt als umweltfreundliches Transportmittel fürLasten über große Strecken wird weiter von der Bundesregierungunterstützt. An den Zielen in der Strategie für 2015 wirddaher festgehalten.Ökologischer LandbauNicht im angestrebten Umfang gesteigert hat sich der Anteilder Flächen des Ökologischen Landbaus (Indikator 12b). Diesführt dazu, dass entsprechend hergestellte Produkte teilweiseausweit entfernten Weltregionen importiert werden. Der steigendeAnteil von Bioprodukten sollte künftig stärker aus heimischemAnbau gedeckt werden können; Ziel ist ein Flächenanteilvon 20 % in den nächsten Jahren. Die Bundesregierung wirddie Rahmenbedingungen entsprechend gestalten, damit sichweitere Betriebe für diese Anbauart entscheiden können.Verdienstabstand Frauen und MännerBei diesem Indikator (18) ist seit 1995 unabhängig von wechselndenBundesregierungen keine wesentliche Bewegungzu erkennen. So berechtigt das Ziel auch ist, verdeutlicht diesdoch die geringen Einflussmöglichkeiten der Politik in diesemBereich. Als von der Gesamtgesellschaft weiter zu verfolgendesZiel liegt hierin ein Appell an alle relevanten Akteure,insbesondere an die Tarifvertragsparteien.Ausländische Schulabgänger mit SchulabschlussDie Erhöhung der Zahl der Schulabschlüsse um 3 % auf 83,2 %seit 1996 beim Indikator 19 ist mit Blick auf das gesetzte Zielnicht befriedigend. Staatliche Maßnahmen in diesem Bereichwären vor allem von den für die schulische Bildung zuständigenLändern zu treffen.FazitDie vielen positiven Entwicklungen verdeutlichen,dass konsequentes Handeln Änderungenbewirken kann, und sollten Mut machen. Insgesamtist der gesellschaftliche Reformprozess Nachhaltigkeitaber weder abgeschlossen, noch sind wir schonnahe an einem zufriedenstellenden Gesamtniveau.Diese Erkenntnis sollte als Handlungsanreiz wirken.Damit Deutschland insgesamt nachhaltiger wird,bedarf es eines Zusammenwirkens aller staatlichenund gesellschaftlichen Kräfte.Hierfür muss die Bekanntheit des Leitbilds dernachhaltigen Entwicklung und der <strong>nationalen</strong><strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> in der Gesellschaft weitersteigen – als Voraussetzung dafür, dass Ziele konsequenterenEingang in das Handeln der jeweiligenAkteure finden. Aktivitäten wie diejenigen des Ratsfür Nachhaltige Entwicklung sind hierfür ausgesprochenwichtig; daneben müssen weitere Initiativendurch die Bundesregierung selbst treten. Dabei sindinsbesondere die einzelnen Ressorts als Multiplikatorenangesprochen.Auch ist es wichtig, dass Ziele der Strategie, dieim wesentlichen Aufgaben der Länder betreffen, vondiesen aufgegriffen werden. Die Bundesregierungbegrüßt daher das Angebot der Länder (Kapitel G),zu den Indikatoren in einen Dialog mit dem Bundeinzutreten. Entsprechende Beratungen könntendie Grundlage für eine nächste Stufe der Weiterentwicklungder Ziele und Indikatoren im Rahmen des<strong>Fortschrittsbericht</strong>s 2012 bilden.


86CNachhaltigkeit konkret:SchwerpunktthemenDie nachfolgenden Schwerpunktthemen zeigendie Bandbreiten von Fragen, denen sich eine nachhaltigeEntwicklung zu stellen hat.I. Klima und Energie1. Bedeutung des Themas für das LeitbildNachhaltige EntwicklungKlimaschutz und die Anpassung an den Klimawandelist eine der größten Herausforderungen derMenschheit im 21. Jahrhundert.Zum Teil sind schon jetzt Folgen des globalenKlimawandels feststellbar, insbesondere das häufigereAuftreten extremer Wetterereignisse, derAnstieg des Meeresspiegels sowie die Ausbreitungvon Wüsten. Nach Rechnungen der VersicherungMünchener Rück sind die ökonomischen Schädenextremer Wetterereignisse in den letzten 30 Jahrenum den Faktor 15 gestiegen. Tropische Wirbelstürmeforderten 2005 weltweit mehr als 3.500 Todesopfer;wirtschaftliche Schäden von 200 Mrd. US-Dollarentstanden.Der im Oktober 2006 erschienene Report „TheEconomics of Climate Change“ von Sir Nicolas Sternstellt fest: Schäden zwischen 5 und 20 % des globalenBruttoinlandsproduktes ( BIP) sind im Falle einesungebremsten Klimawandels zu erwarten. Das istmehr wirtschaftliche Zerstörung als im Zeitraum1914–1945 durch zwei Weltkriege und eine Weltwirtschaftskrisezusammen verursacht wurde. Die Kosten,um dies zu verhindern, beziffert Stern dagegenauf ca. 1 % des BIP.Am schlimmsten betroffen sind voraussichtlichMenschen in den Küstenregionen und Flussdeltas derLänder des Südens. Klimaschutz ist damit auch eineGerechtigkeitsfrage, denn der Klimawandel bedrohtdie am meisten, die ihn am wenigsten verursachen.Aber auch in Deutschland sind Gefahren undSchäden durch den Klimawandel zu befürchten. EinAnstieg der Durchschnittstemperatur um 2 bis 3,5 °Cist wahrscheinlich. Dadurch werden Hitzewellenhäufiger. Die Niederschläge im Sommer werden abnehmen,so dass Ernteausfälle bis 30 % in sandigen,trockenen Regionen sowie die Zunahme von Waldbrändenzu befürchten ist. Während so einerseits dieGrundwasserneubildung abnehmen wird, werdenandererseits Unwetter und Starkregenfälle häufiger.Und schließlich kann die Erwärmung <strong>zur</strong> Ausbreitungvon Krankheitserregern für Mensch, Tiere undPflanzen aus wärmeren Gebieten führen.Die Wissenschaft ist sich einig: Der von Menschenverursachte Klimawandel ist nicht mehr zu verhindern– er kann und muss jedoch eingedämmt werden,um die gravierendsten Folgen zu vermeiden.Dies gilt insbesondere für die Entwicklungsländer,die von den Auswirkungen des Klimawandels amstärksten betroffen sind.Gleichzeitig übersteigen die Kosten des Nicht-Handels die Kosten des Klimaschutzes um ein Mehrfaches.Wirtschaft und Gesellschaft müssen sichdarauf einstellen und entsprechend handeln.Während seiner EU- und G8-Präsidentschaften2007 hat Deutschland deshalb die Klimaschutz- undEnergiepolitik ganz oben auf die Tagesordnungder Staats- und Regierungschefs gesetzt. Die dabeigefassten klimapolitischen Beschlüsse sind wichtigeSchritte zu einer nachhaltigen Entwicklung. Auf derVertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonventionder Vereinten Nationen auf Bali im Dezember2007 hat die Staatengemeinschaft, auch durchstarke Unterstützung Deutschlands, das Mandat zuglobalen Klimaschutzverhandlungen beschlossen.Die Verhandlungen sollen bis Ende 2009 mit einemneuen inter<strong>nationalen</strong> Klimaschutzabkommen beider VN-Vertragsstaatenkonferenz in Kopenhagenabgeschlossen werden. Die Bundesregierung und


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND87die EU setzen sich dafür mit allem Nachdruck ein.Beim Treffen der G8-Staaten in Japan im Juli <strong>2008</strong> habenalle Teilnehmer sich das Ziel zu eigen gemacht,bis 2050 eine Reduzierung der Treibhausgasemissionenum mindestens 50 % zu erreichen.Die vom Zwischenstaatlichen Ausschuss fürKlimaänderungen (IPCC) im Jahr 2007 der Öffentlichkeitpräsentierten Zahlen machten deutlich, wiedringlich ein gemeinschaftliches Handeln im Klimaschutzfür eine nachhaltige Entwicklung ist:Der globale Temperaturanstieg hat sich beschleunigt.Es gilt als „gesicherte Erkenntnis“, dass imweltweiten Durchschnitt menschliches Handelnseit 1750 das Klima erwärmt hat.Unter der Annahme, dass der Ausstoß von Treibhausgasennicht verringert wird und keineMaßnahmen <strong>zur</strong> Anpassung an den Klimawandelergriffen werden, erwarten die Wissenschaftlerfür das Ende des 21. Jahrhunderts weltweit gravierendeAuswirkungen für Mensch und Umwelt,die die Entwicklungschancen kommender Generationenmassiv beeinträchtigen werden.Eine Erderwärmung um mehr als 2°C gegenübervorindustrieller Zeit ist nach Auffassung derStaats- und Regierungschefs der EU angesichtsder Erkenntnisse des IPCC nicht vertretbar.Das europäische 2°C-Ziel erfordert eineTrendumkehr bei den globalen Emissionen inden kommenden 10–15 Jahren. Alle Industriestaatenmüssen ihre Emissionen drastisch senken.Schwellenländer wie China müssen durch eineEntkopplung von Wirtschaftswachstum undEmissionen dazu beitragen.Um das 2°C-Ziel einzuhalten, müssen die weltweitenEmissionen bis 2050 gegenüber 1990 ummindestens 50 % gesenkt werden.Nach dem Prinzip der gemeinsamen, aber differenziertenVerantwortung bedeutet dies Reduktionenin Industrieländern von mindestens60–80 % bis 2050.Treibhausgase (THG) entstehen vor allem beiVerbrennungsprozessen durch das Freisetzenvon Kohlendioxid. In der Landwirtschaft entstehtMethan – insbesondere bei der Wiederkäuerhaltungund beim Reisanbau – sowie Lachgas inFolge der Stickstofffreisetzung aus Düngemitteln.Gleichzeitig wird durch die land- und forstwirtschaftlicheErzeugung Kohlendioxid auch gebunden.Hinzu kommen kleine Mengen allerdingshoch klimaschädlicher halogenierter Gase ausverschiedenen Anwendungen, vor allem aus demKühlgerätebereich.Es gilt also, mit einem Bündel von Maßnahmenan vielen Stellen gleichzeitig anzusetzen, um dienotwendigen Minderungen zu erreichen. Dabeisind die zentralen Forderungen des Leitbildes einernachhaltigen Entwicklung für den Klimaschutz zubeachten:Der durch den Menschen verursachte Klimawandeldarf nicht zu Lasten nachfolgender Generationenerfolgen.Der Ausstoß von Treibhausgasen durch einzelneLänder und Staatengruppen darf nicht auf Kostenanderer Regionen geschehen.Daher ist eine gerechte Verteilung der Nutzungder Atmosphäre und der Klimaschutzanstrengungenzu gewährleisten.Es ist schnelles Handeln notwendig, denn derNutzen, wenn alle Staaten entschlossen undsofort handeln, übersteigt bei weitem die wirtschaftlichenKosten des Nichthandelns.Die Klimaentwicklung und klimapolitischesHandeln sind unmittelbar mit wirtschaftlichenund sozialen Prozessen, Strukturen und Interessenverknüpft. Klimaschutz im Zeichen nachhaltigerEntwicklung berücksichtigt diese Zusammenhänge:Er nimmt die Herausforderung desStrukturwandels an, bezieht die wirtschaftlichenUrsachen und Wirkungen in Lösungsansätzeein und achtet auf den Ausgleich sozialer undwirtschaftlicher Interessen auf nationaler wieinternationaler Ebene.Eines machen diese Aussagen sehr deutlich: DieNutzung globaler Güter und Ressourcen ist ein zentralesMenschenrechtsthema, u. a. weil arme Länderdurch Klimafolgen überproportional belastet werdenund mögliche Konflikte und Flüchtlingsströme alsFolge von Klimaveränderungen uns vor große Aufgabenstellen. Die Anstrengungen für einen wirksamenKlimaschutz sind auch vor diesem Hintergrund eineGrundvoraussetzung für eine globale nachhaltigeEntwicklung. Parallel dazu sind auch Anstrengungen<strong>zur</strong> Anpassung von Wirtschaft und Gesellschaft anden bereits begonnen Klimawandel erforderlich.Auf der Klimakonferenz auf Bali im Dezember2007 hat die Staatengemeinschaft die Herausforde-


88 KLIMA UND ENERGIErung angenommen. Alle Staaten haben sich zu ihrerVerantwortung für den Klimaschutz bekannt. Mitden Entscheidungen von Bali liegt jetzt eine tragfähigeund umfassende Verhandlungsgrundlage fürein internationales Klimaschutzregime für die Zeitnach 2012 vor. Im sogenannten Bali Aktions-Planwurde festgehalten, dass unter der Klimarahmenkonventionverhandelt wird überdas Anspruchsniveau des künftigen Regimes,das den Ergebnissen des IPCC-Berichts Rechnungtragen soll,Maßnahmen <strong>zur</strong> Minderung der Treibhausgasemissionen,differenziert nach der Verantwortungfür den Klimawandel und den Möglichkeiten<strong>zur</strong> Emissionsminderung,Maßnahmen <strong>zur</strong> Reduzierung von Entwaldungin Entwicklungsländern,Anpassung an den Klimawandel,Entwicklung und Transfer von Technologien <strong>zur</strong>Minderung und Anpassung sowieFinanzierung des künftigen Klimaschutzregimes.Die Verhandlungen sollen im Dezember 2009 aufder Klimakonferenz in Kopenhagen abgeschlossenwerden. Die Gespräche finden in einer eigens eingerichtetenVerhandlungsgruppe statt, die erstmals imApril <strong>2008</strong> tagte.Die Vertragsstaaten des Kyoto-Protokolls einigtensich auf Bali darüber hinaus, für Industriestaateneinen Minderungskorridor von 25–40 % bis 2020gegenüber 1990 als Grundlage ihrer künftigen Verpflichtungenanzustreben. Da die Anstrengungenaller Industriestaaten vergleichbar sein sollen, entfaltendiese Zahlen indirekt auch Wirkung auf dieUSA, die das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben.2. Ziele und Indikatorena) Ziele der EUDie Staats- und Regierungschefs der EU habenunter Führung der Bundeskanzlerin am 8./9. März2007 einen wegweisenden Beschluss über die zukünftigeKlimapolitik gefasst. Der Beschluss machtErnst mit der Integration von Energiepolitik undKlimaschutz und verknüpft ambitionierte Klimaschutzzielemit weit reichenden Maßnahmen.Ergebnisse des Europäischen Rats• Bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen der EU um 30 %gegenüber dem Ausstoß von 1990 vermindert werden,sofern sich andere Industrieländer zu vergleichbarenEmissionsreduzierungen und die wirtschaftlich weiter fortgeschrittenenEntwicklungsländer zu einem ihren Verantwortlichkeitenund jeweiligen Fähigkeiten angemessenenBeitrag verpflichten.• Unabhängig von den inter<strong>nationalen</strong> Verhandlungenverpflichtet sich die Europäische Union schon jetzt, ihreEmissionen gegenüber 1990 um mindestens 20 % bis 2020zu senken.• Der Europäische Rat bekräftigt, dass absolute Emissionsreduktionsverpflichtungendas Rückgrat eines globalenKohlenstoffmarkts bilden. Die entwickelten Länder solltenhierbei weiterhin die Vorreiterrolle übernehmen, indemsie sich verpflichten, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020gemeinsam in einer Größenordnung von 30 % gegenüber1990 zu verringern. Ihr Blick sollte dabei auch auf das Zielgerichtet sein, ihre Emissionen bis 2050 gemeinsam um60–80 % gegenüber 1990 zu verringern.• Für den Anteil der erneuerbaren Energien am gesamtenEnergieverbrauch hat der Rat ein verbindliches Ziel in Höhevon 20 % bis 2020 beschlossen. Darin enthalten ist ein Anteilder Biokraftstoffe von 10 % am Kraftstoffverbrauch, u. a.unter der Voraussetzung, dass diese nachhaltig produziertwerden und die Technologien der zweiten Generationverfügbar sind.• Zudem soll die Energieeffizienz in der EU erhöht werden.Ziel ist es, 20 % des EU-Energieverbrauchs bis 2020, gemessenan den Prognosen für 2020, einzusparen.b) Ziele für DeutschlandDeutschland wird <strong>zur</strong> Erreichung der EU-Zieleeinen entscheidenden Beitrag leisten. Um DeutschlandsLeistungen sowie den Grad der Zielerreichungin diesem Bereich anschaulich darzustellen, sinddie Indikatoren „Verringerung der Treibhausgasemissionen“,„ Energieproduktivität“ und „Anteil dererneuerbaren Energien“ Kernpunkte der <strong>nationalen</strong><strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>. Aktuell hat die Bundesregierunginsbesondere folgende Ziele formuliert:Die Bundesregierung bietet als deutschen Beitragfür ein internationales Klimaschutzabkommennach 2012 an, die Emissionen bis 2020 um 40 %unter das Niveau von 1990 zu senken. DiesesAngebot steht unter der Voraussetzung, dassdie Europäische Union im selben Zeitraum ihreEmissionen um 30 % gegenüber 1990 reduziertund andere Staaten vergleichbar ehrgeizige Zieleübernehmen.Die Energieproduktivität, d. h. das Verhältnis desBruttoinlandsprodukts zum Primärenergieverbrauch,soll in Deutschland bis 2020 im Vergleichzu 1990 verdoppelt werden.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND89Bis 2020 soll der Einsatz erneuerbarer Energienin allen Sektoren stark ausgebaut werden: beiStrom Steigerung ihres Anteils von 14,2 % (2007)auf mindestens 30 % (der Bundestag hat imparlamentarischen Verfahren <strong>zur</strong> Novellierungdes EEG für den Ausbau der Stromerzeugung auserneuerbaren Energien ein Ziel von 30 % bis 2020beschlossen) und danach kontinuierlicher weitererAusbau, bei der Wärmeerzeugung Steigerungdes Anteils von 6,6 % (2007) auf 14 %. Bis Mitte desJahrhunderts sollen erneuerbare Energien rd. dieHälfte des Energieverbrauchs decken.Zudem gilt weiterhin das völkerrechtlich verbindlicheZiel einer Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen um 21 % bis 2012 gegenüberdem Bezugsjahr (1990/1995). Hierzu hat sich dieBundesrepublik mit der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls, dem inter<strong>nationalen</strong> Abkommen<strong>zur</strong> Minderung der Treibhausgasemissionen,verpflichtet.Über diese Ziele hinaus sind im Sinne einer nachhaltigenEntwicklung weitere Aspekte zu berücksichtigen:Klimaschutz erfordert in besonderer Weise eineSicht der Dinge, die die wechselseitigen Störungenund Einflüsse unterschiedlicher Handlungenund Bedürfnisse in den Blick nehmen muss.Zu schnelle Klimaveränderungen bergen auchhohe Risiken für wirtschaftliche Stabilität undfür Sicherheit und Gerechtigkeit. Nur wo sowohlMenschen als auch Ökosysteme sich dem Tempodes Klimawandels anpassen können, sind etwaKonflikte um Land und Wasser lösbar. Nur dannkann sich die Vielfalt des Lebens auf unseremPlaneten weiter ohne immer größere Verlusteentwickeln.Klimaschutz und die Anpassungen an denKlimawandel werden in den nächsten Jahrenund Jahrzehnten Anreiz für eine Fülle vonInnovationen im ökonomischen, technischenund sozialen Bereich sein. Hieraus können fürDeutschland auch wirtschaftliche Chancenerwachsen, insbesondere bei klimafreundlichenTechnologien. Gleichzeitig ist zu beachten,dass diese Anpassung bezahlbar ist und mit derwirtschaftlichen Entwicklung Schritt hält – dasgilt gleichermaßen für Industrie- und Schwellenländer.Deshalb ergreift die Bundesregierungkosteneffiziente Maßnahmen, die weder Unternehmennoch Verbraucherinnen und Verbraucherüberfordern.Richtschnur der Energiepolitik der Bundesregierungbleibt das Zieldreieck aus Versorgungssicherheit,Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit.Dazu gehört, dass Energiewirtschaft undIndustrie verlässliche und wettbewerbsfähigeRahmenbedingungen für ihre Investitionenhaben. Auch die Verbraucher benötigen verlässlicheRahmenbedingungen für ihre Konsum- undInvestitionsentscheidungen.Der Klimawandel erfordert insbesondere in derLand-, Forst- und Fischereiwirtschaft Anpassungen,sowohl hinsichtlich der Stabilität der Ökosystemeund der Wirtschaftlichkeit der Produktionals auch mit Blick auf die Minderung von Risiken.c) ZielerreichungSeit 1990 hat Deutschland die Freisetzung vonTreibhausgasen deutlich vermindert. Bezogen aufdie Basisjahre des Kyoto-Protokolls sank der in CO 2 -Äquivalente umgerechnete Gesamtausstoß bis zumJahr 2007 um rd. 20,4 % (vorläufiges Ergebnis; 2006waren es 18,4 %). Zur Erreichung des Kyoto-Zielsfehlen damit (Stand 2007) nur noch 0,6 %-Punkte bis2012. Selbst wenn das Ziel des Indikators 2 „Treibhausgasemissionen“damit praktisch erreicht ist,bleiben weitere Anstrengungen nötig, um das Ergebnis– z. B. auch bei einem kälteren Winter – zu halten.Die Energieproduktivität hat sich in Deutschlandvon 1990 bis 2007 um knapp 40 % erhöht. Der Produktivitätsanstiegbedeutet, dass Energie effizientereingesetzt wird. Der Energieverbrauch ist allerdingsabsolut nur um 7 % <strong>zur</strong>ückgegangen, da im gleichenZeitraum ein Wirtschaftswachstum von 30 % erzieltwurde. Um das Ziel des Indikators 1a „ Energieproduktivität“2020 zu erreichen, ist eine noch stärkereErhöhung der Energieproduktivität nötig, zu der diebeschlossenen Maßnahmen im Energie- und Klimaprogrammder Bundesregierung beitragen.Im Zeitraum 1990–2007 stieg der Anteil dererneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauchvon 1,3 % auf 6,7 % (entspricht einem Anteil amEndenergieverbrauch von 8,6 %; Stand: Juni <strong>2008</strong>).Damit wurde das 2002 in der deutschen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>für das Jahr 2010 festgelegte Ziel vonmindestens 4,2 % bereits drei Jahre früher deutlichübererfüllt. Der Anteil der erneuerbaren Energienam Stromverbrauch erhöhte sich von 3,4 % auf 14,2 %.Damit hat Deutschland sein Ziel, bis 2010 mindestens12,5 % an der Stromversorgung durch erneuerbareEnergien zu decken, welches auch dem bislang aufeuropäischer Ebene vereinbarten Ziel für 2012 entspricht,ebenfalls bereits im Jahr 2007 erreicht.


90 KLIMA UND ENERGIE3. Konkrete Schritte zu mehr Klimaschutza) Das Energie- und Klimapaketder BundesregierungDie Bundesregierung legte mit den am23./24. August 2007 in Meseberg beschlossenenEckpunkten ein Integriertes Energie- und Klimaprogrammvor. Eine Umsetzung in konkrete Maßnahmenerfolgte mit den Kabinettbeschlüssen am5. Dezember 2007 und am 18. Juni <strong>2008</strong>. Ein Teil derGesetze befindet sich derzeit noch in der parlamentarischenBeratung.Mit dem Programm hat die Bundesregierung dieGrundlage für die Weiterentwicklung einer zukunftsgerichtetenEnergie- und Klimapolitik gelegt.Zugleich nimmt diese Politik die Herausforderungenan, die sich durch die Entwicklung auf den Weltenergiemärkten,insbesondere bei den Preisen, ergeben.Dafür sieht die Bundesregierung vor allem zweiSchlüssel: Energie muss weit effizienter eingesetztwerden als heute und wir brauchen mehr erneuerbareEnergien und CO 2-arme Technologien.Das verabschiedete Paket von Gesetzen, Verordnungenund weiteren Maßnahmen stellt einenwesentlichen Schritt <strong>zur</strong> Erreichung der Klima- undEnergieziele dar. Es dient gleichzeitig dem StandortDeutschland. Dadurch, dass im Verkehr, bei Heizungund Warmwasser sowie in der Stromerzeugung derKohle-, Öl- und Gasverbrauch durch höhere Effizienzund den Einsatz erneuerbarer Energien vermindertwird, verringert sich Deutschlands Abhängigkeit vonEnergieimporten.Der Schlüssel dafür sind innovative Energietechnologien,und zwar auf der Angebotsseite, dort woEnergie umgewandelt wird (z. B. im Kraftwerksbereichoder bei den erneuerbaren Energien), wieauch auf der Nachfrageseite, also dort, wo Energieverbraucht wird (z. B. bei Geräten, Fahrzeugen oderGebäuden).Energieeffizienz:Wer energiesparende Gebäude, Maschinen undPumpen, Anlagen und Fahrzeuge herstellt, hat beisteigenden Energiepreisen auf dem heimischenMarkt, aber auch auf den Exportmärkten Wettbewerbsvorteile.Die Erhöhung der Energieeffizienzverringert die Abhängigkeit von Energieimportenund hält die finanzielle Last für Verbraucher undWirtschaft in Grenzen. Das ist eine richtige Antwortauch auf steigende Energiepreise.MaßnahmenKraft-Wärme-KopplungIm Strombereich setzt die Bundesregierung auf den weiterenAusbau der gekoppelten Erzeugung von Strom undWärme ( Kraft-Wärme-Kopplung). Um Brennstoffe effizienteinzusetzen, soll bis 2020 der Anteil der hocheffizientenKraft-Wärme-Kopplungsanlagen an der Stromproduktionvon derzeit ca. 12 % auf ca. 25 % verdoppelt werden. DieNovellierung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, durchdie sowohl der Neu- und Ausbau von KWK-Anlagen undWärmenetzen als auch die Modernisierung von KWK-Anlagengefördert wird, ist ein wesentlicher Baustein <strong>zur</strong> Erreichungdieses Ziels. Ergänzt wird diese Maßnahme durch die KWK-Selbstverpflichtung der Wirtschaft.Novelle der EnergieeinsparverordnungDurch die Novellen des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG)und der Energieeinsparverordnung (EnEV) werden ab 2009die energetischen Anforderungen für Neubauten und angrößere Änderungen im Gebäudebestand um durchschnittlich30 % erhöht. Außerdem wird der Vollzug konsequenterausgestaltet. In einem weiteren Schritt (angestrebt: 2012)werden die energetischen Anforderungen nochmals bis <strong>zur</strong>gleichen Größenordnung angehoben. Hinzu kommt derlangfristige und stufenweise Austausch von Nachtstromspeicherheizungenunter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots.Die Novellen zum EnEG und <strong>zur</strong> EnEV befinden sich imGesetzgebungs- bzw. Verordnungsgebungsverfahren.Förderprogramme <strong>zur</strong> energetischen Sanierung vonGebäuden und sozialer InfrastrukturDas bestehende CO 2 - Gebäudesanierungsprogramm wirdumstrukturiert und über das Jahr 2009 hinaus bis 2011 aufbisherigem Niveau verstetigt. Zudem wird das Energiesparpotenzial,das in städtischen Strukturen und sozialerInfrastruktur vorhanden ist, besser ausgeschöpft. Bis zu200 Mio. Euro aus dem Programm werden <strong>zur</strong> Zinsverbilligungvon Darlehen an Kommunen eingesetzt.Das Programm <strong>zur</strong> energetischen Sanierung von Bundesgebäudenwird über 2009 hinaus bis 2011 auf bisherigemNiveau verstetigt.Für <strong>2008</strong> ist mit den Ländern der „Investitionspakt Bund-Länder- Kommunen“ <strong>zur</strong> energetischen Sanierung sozialerInfrastruktur vereinbart. Er richtet sich an Kommunen inbesonders schwieriger Haushaltslage. Der Bund stellt200 Mio. Euro an Finanzhilfen <strong>zur</strong> Verfügung, zusammenmit den Anteilen der Länder und Gemeinden ergibt das einFördervolumen von 600 Mio. Euro.Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) <strong>zur</strong> Liberalisierungdes MesswesensVollständige Öffnung sowohl des Einbaus als auch der Ablesungvon Zählern für Wettbewerb. Ab 2010 generelle Pflichtder Messstellenbetreiber zum Angebot neuer Zähler, dieEU-rechtlichen Standards <strong>zur</strong> besseren Verbrauchsinformationdes Kunden genügen (Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/32/EG). Bei Neubauten soll der Einbau solcher Zähler Standardwerden, soweit dies technisch machbar und wirtschaftlichzumutbar ist. Außerdem Anspruch des Kunden, dass seinStrom- oder Gaslieferant mit ihm auch eine unterjährigeAbrechnung (monatlich, vierteljährlich oder halbjährlich)vereinbart (Art. 13 Abs. 2 Satz 3 der genannten EG-Richtlinie).Die notwendige Änderung des Energiewirtschaftsgesetzeswurde am 6. Juni <strong>2008</strong> vom Bundestag verabschiedet, diedazugehörige Verordnung am 18. Juni <strong>2008</strong> im Kabinettbeschlossen.Allgemeine Verwaltungsvorschrift/Leitlinien <strong>zur</strong> Beschaffungenergieeffizienter Produkte und DienstleistungenMit dem Beschluss der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift/Leitlinien <strong>zur</strong> umweltfreundlichen und energieeffizienten


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND91Beschaffung geht die Bundesregierung mit gutem Beispielvoran. Sie ist seit 24. Januar <strong>2008</strong> in Kraft und von allen öffentlichenAuftraggebern auf Bundesebene anzuwenden.Energieeffiziente Geräte und Dienstleistungen werdendurch eine bevorzugte Beschaffung gefördert. Länder undKommunen sind um Prüfung gebeten, ob sie die Bundesregelungübernehmen.Energieeffizienz bleibt eine HerausforderungEnergieeffizienz ist eines der Win-win-Felder derKlimaschutzpolitik. Eingesparte Energie bedeutet inaller Regel auch: eingesparte Kosten. Dazu ist eineVielzahl von technischen, aber auch regulatorischenEinzelmaßnahmen notwendig. Die Effizienz derunterschiedlichsten Gebäudearten muss verbessertwerden und der Verbrauch von Geräten gesenktwerden.Deutschland hat bereits ein hohes Maß an Energieeffizienzerzielt. Es sind jedoch noch ganz erheblicheweitere Anstrengungen notwenig, um denambitionierten Zielen der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>,wie sie auch im Indikator 1a, „ Energieproduktivität“niedergelegt sind, zu erreichen.Effiziente, treibhausgasarme KraftwerkeDas Ziel für 2020 ist, mindestens 30 % der Stromversorgungdurch erneuerbare Energien abzudecken.Der Rest muss zu diesem Zeitpunkt – nebenStrom aus noch laufenden Kernkraftwerken – ausfossilen Energieträgern erzeugt werden.Stichwort KernenergieZur weiteren Nutzung der Kernenergie gibt es innerhalb derBundesregierung unterschiedliche Ansichten.Während zum Teil etwa mit Blick auf die Versorgungssicherheit,die Entwicklung der Energiepreise und die Notwendigkeitder Reduzierung der Treibhausgase auf der Grundlagedes Ziels eines breiten Energiemixes für die Verlängerungder Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke plädiertwird, sprechen sich andere u. a. unter Hinweis auf Restrisikender Kernenergienutzung sowie auf die Frage der dauerhaftsicheren Endlagerung abgebrannter Brennstäbe für dieBeibehaltung der auf der Basis des Atomkonsenses getroffenenRegelungen im Atomgesetz aus. Im Koalitionsvertragist daher festgestellt, dass eine Änderung der bestehendenRegelungen aufgrund der bestehenden Meinungsverschiedenheitenin dieser Legislaturperiode nicht möglich ist.Insgesamt gilt, dass die Stromerzeugung effizienterfolgen muss; nicht nur stromverbrauchendeGeräte, auch die stromerzeugenden Kraftwerkemüssen so sparsam wie möglich sein. Es ist dahereine wichtige Maßnahme <strong>zur</strong> Effizienzsteigerung,den Kraftwerkspark effizienter zu machen. Hierzugehört auch, alte Kohlekraftwerke durch neue zuersetzen. Neue Kraftwerke sollten möglichst alsKWK-Anlagen gebaut werden, denn damit wird dieBrennstoffausnutzung bei bis zu 90 % maximiert.Aber auch der Ersatz eines alten Kraftwerks mit etwa30 % Wirkungsgrad durch ein neues mit etwa 50 %spart 40 % der pro Kilowattstunde freiwerdendenEmissionen. Daher können neue Kohlekraftwerkezum Klimaschutz beitragen, wenn sie alte, ineffizienteersetzen.Mittelfristig kann auch Kohlenstoffabscheidungund -speicherung (CCS) einen Beitrag <strong>zur</strong> Senkungvon THG- Emissionen aus Kraftwerken leisten, fallsentsprechende Anlagen großtechnisch funktionierenund sichere Lagerstätten mit genügender Kapazitätvorhanden sind. Daher fördert die BundesregierungForschung und Entwicklung in diesem Bereich.Zwei bis drei der EU-weit vorgesehenen Pilotanlagensollen in Deutschland entstehen.Erneuerbare Energien:Erneuerbare Energien sind neben der Energieeffizienzdas zweite Standbein einer nachhaltigenEnergiewirtschaft. Sie vermeiden Treibhausgasemissionenund sind weltweit nahezu unerschöpflichbzw. regenerieren sich in überschaubaren Zeiträumen.Sowohl aus Klimaschutzgründen als auch ausGründen der Energieversorgungssicherheit sindsie unverzichtbar. Bei einer verstärkten Nutzungvon Agrarrohstoffen im Bereich Bioenergie sindNutzungskonkurrenzen, insbesondere um knappenatürliche Ressourcen und mit der Nahrungsmittelproduktion,sowie eine nachhaltige Erzeugung zubeachten.Die Einhaltung von Nachhaltigkeitsanforderungenbei der energetischen Nutzung von Biomasse<strong>zur</strong> Strom- und Wärmeerzeugung und <strong>zur</strong> Kraftstoffbereitstellungwird zukünftig Voraussetzung für dieAnerkennung von Bioenergie im Rahmen der Vergütungsregelungendes EEG, der Pflichterfüllung desEEWärmeG sowie der ordnungsrechtlichen (Quote)und steuerlichen Förderung der Biokraftstoffe sein.Die gesetzlichen Grundlagen hierfür wurden bereitsgeschaffen. Nachhaltigkeitskriterien für Bioenergiesollen im Rahmen einer EU-Richtlinie vorgegebenund können dann zügig in nationales Recht umgesetztwerden.Vom Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauchentfallen heute in Deutschland rd.zwei Drittel auf Bioenergie. Bioenergie wird auchin absehbarer Zukunft der wichtigste erneuerbareEnergieträger in Deutschland bleiben. Um die


92 KLIMA UND ENERGIENutzungskonkurrenz zwischen energetischer undstofflicher Nutzung von Biomasse zu entschärfen,soll der Anteil biogener Rest- und Abfallstoffe an derEnergieerzeugung steigen. Die am 6. Juni <strong>2008</strong> vomDeutschen Bundestag beschlossene Neufassung desEEG hat bereits Weichenstellungen für die verstärkteNutzung von Bioabfällen, aber auch von Stroh undGülle vorgenommen.MaßnahmenErneuerbare-Energien-GesetzDas Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil der erneuerbarenEnergien im Strombereich von derzeit 14,2 % aufmindestens 30 % im Jahre 2020 und danach kontinuierlichweiter zu erhöhen. Die vom Deutschen Bundestag am 6. Juni<strong>2008</strong> beschlossene Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ( EEG 2009) dient diesem Ziel.Erneuerbare-Energien-WärmegesetzErneuerbare Energien im Wärmebereich haben ein großesPotenzial für Klimaschutz und für die Einsparung fossilerBrennstoffe. Der Anteil der erneuerbaren Energien amEndenergieverbrauch für Wärme soll daher bis 2020 auf14 % steigen. Hierzu wird im Wärmegesetz eine Pflicht <strong>zur</strong>Nutzung erneuerbarer Energien bei der Errichtung neuerGebäude festgelegt. Darüber hinaus wird die Förderung derNutzung erneuerbarer Energien bei der Wärmeversorgung inbestehenden Gebäuden in den Jahren 2009–2012 auf bis zu500 Mio. Euro pro Jahr aufgestockt werden. Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) wurde am 6. Juni <strong>2008</strong>vom Deutschen Bundestag beschlossen.BiogaseinspeisungZur Erleichterung der Biogaseinspeisung in das Erdgasnetzwurde der bestehende Rechtsrahmen konkretisiert undverbessert. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen,beispielsweise in der Gasnetzzugangsverordnung, wurdenangepasst, um die Einspeisung von Biogas in das Erdgasnetzzu erleichtern und wirtschaftlich attraktiver zu machen. Auchdie Neufassung des EEG und die aktuellen Förderrichtliniendes Marktanreizprogramms unterstützen die Biogaseinspeisungin das Erdgasnetz durch entsprechende Regelungen.NetzausbauEin vom Bundeskabinett beschlossener Gesetzentwurf sollden Ausbau der Hochspannungsstromnetze beschleunigen.Wesentliches Element des Gesetzespakets ist ein Energieleitungsausbaugesetz.Das Gesetzespaket schafft eine Beschleunigungder Planungs- und Genehmigungsverfahren für24 vordringliche Höchstspannungs-Übertragungsleitungen.Das Energieleitungsausbaugesetz ermöglicht die Verlegungvon Erdkabeln im Rahmen von vier Pilotprojekten auftechnisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten. Fürdie Anbindungsleitungen von Offshore-Windenergieanlagenwird ein Planfeststellungsverfahren eingeführt; es ersetzt diebisherigen Einzelgenehmigungen. Das Gesetz eröffnet fernerdie Möglichkeit, Pilotprojekte <strong>zur</strong> Erprobung der Technik derHochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) durchzuführen.Die Kosten dürfen auf die Netzentgelte umgelegtwerden, sofern die Vorhaben für einen effizienten und wirtschaftlichsinnvollen Netzbetrieb erforderlich und die Kostenim Vergleich zu einem entsprechenden Ausbau des Wechselstromnetzeswirtschaftlich vertretbar sind.BiokraftstoffeUm zum Erreichen der energie- und klimapolitischen Ziele derBundesregierung beizutragen, soll der weitere Ausbau derBiokraftstoffe stärker als bisher auf die Minderung von Treibhausgasemissionenund die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsgesichtspunktenausgerichtet werden.Innovation:Das Energie- und Klimapaket setzt wesentlicheModernisierungsimpulse im Bereich der EnergieundKlimaschutztechnologien, in denen Deutschlandbereits weltweit Marktführer ist. Dies zahlt sichdurch steigende Produktions- und Beschäftigungszahlen,eine hohe Wertschöpfungsquote im Inlandund stetig neue Produkt-Innovationen in diesenBereichen aus.MaßnahmenForschung und InnovationIn der Forschung wird die Bundesregierung neue Initiativenstarten u. a. mit Schwerpunkten bei Klimaschutz, Energieeffizienz,erneuerbare Energien und CO 2 -Speicherung sowieim Bereich der Anwendungsforschung. Damit soll auch dieTechnologieführerschaft deutscher Unternehmen auf denWeltmärkten weiter ausgebaut werden. Das Spektrum derAktivitäten umfasst dabei sowohl Grundlagen- als auch anwendungsorientierteForschung.Fördermaßnahmen aus dem BundeshaushaltDie integrierte Energie- und Klimapolitik spiegelt sich auch imBundeshaushalt wider. So stehen für das Haushaltsjahr <strong>2008</strong>für die Klimapolitik insgesamt rd. 3,3 Mrd. Euro (einschließlichbis zu 400 Mio. Euro aus der Veräußerung von Emissionszertifikatensowie rd. 700 Mio. Euro aus der bilateralen undmultilateralen Entwicklungszusammenarbeit) <strong>zur</strong> Verfügung.Dies sind im gesamten Bundeshaushalt 1,8 Mrd. Euro mehr alsim Haushalt 2005. Auch in den kommenden Haushaltsjahren2009 ff. wird der Ausbau einer effizienten Energie- und Klimapolitikim Einklang stehen müssen mit den Konsolidierungszielender Bundesregierung, ihrer verabschiedeten Finanzplanungbis 2011 und der notwendigen weiteren Rückführungder Neuverschuldung des Bundes.Maßnahmen im Verkehrsbereich:Auch der Verkehrsbereich hat bei den energie-und klimapolitischen Herausforderungen derZukunft einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Nachdem EU-Vorschlag soll Deutschland bezogen aufdas Jahr 2005–2020 im Rahmen der Reduktionsverpflichtungenseine Treibhausgasemissionen für dennicht am Emissionshandel beteiligten Bereich um14 % senken. Um die hier notwendigen CO 2-Minderungenzu erreichen, bedarf es weiterer Anstrengungenim Verkehrsbereich. Wichtige Maßnahmensind mit dem Energie- und Klimaprogramm sowiemit dem neuen Verkehrsforschungsprogramm derBundesregierung auf den Weg gebracht worden:


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND93MaßnahmenUmstellung der Kfz-Steuer auf CO 2 -BasisDie Kfz-Steuer wird aufkommensneutral novelliert. Die Steuersoll sich für Neufahrzeuge ab 2010 an den Schadstoff- undCO 2 - Emissionen des Fahrzeugs orientieren. Dazu hat die Bundesregierungzentrale Eckpunkte verabschiedet.Energiekennzeichnung für PkwUm Anreize für den Kauf verbrauchsgünstiger, CO 2 -armerPkw zu verstärken, wird eine verbraucherfreundliche undübersichtliche Kennzeichnung eingeführt. Der Entwurf einerentsprechenden <strong>nationalen</strong> Verordnung wurde erarbeitet.Ggf. erfolgt ein Abgleich mit der angekündigten, aber nochnicht vorliegenden EU-Regelung.Verbesserte Lenkungswirkung der Lkw-MautDie Bundesregierung hat die Mauthöheverordnung mitBeschluss des Kabinett vom 18. Juni <strong>2008</strong> novelliert. Durchdiese Verordnung werden emissionsärmere Lastkraftwagenzukünftig relativ weniger stark belastet als Fahrzeuge mit höherenEmissionen, die stärker belastet werden. Zudem wurdedie Mauthöhe auf Basis des Wegekostengutachtens 2007 andie gestiegenen Verkehrsinfrastrukturkosten angepasst.Weitere Maßnahmen:Reduktion der Emissionen fluorierter Treibhausgase(Chemikalienklimaschutzverordnung)Die Bundesregierung hat eine Verordnungbeschlossen, durch die die Emissionen fluorierterTreibhausgase aus mobilen und stationären Kühlanlagenverringert werden.MonitoringDie Bundesregierung legt Rechenschaft ab überdie Erreichung ihrer Ziele und die Effekte der beschlossenenMaßnahmen. Deswegen werden die ander Umsetzung des Integrierten Energie- und Klimaprogrammsbeteiligten Ressorts im November 2010und danach folgend alle zwei Jahre dem Bundeskabinetteinen Bericht vorlegen, der die Wirkung desEnergie- und Klimaprogramms insgesamt und dereinzelnen Maßnahmen detailliert darstellt. Insbesonderesollen die Zielerreichung in den jeweiligenBereichen und ihre Kosteneffizienz dargestellt werden.Grundlage des Berichts werden von der Bundesregierungbeauftragte Erhebungen unabhängigerGutachter sein. Sollte sich herausstellen, dass die bisherigenMaßnahmen nicht ausreichend bzw. nichtkosteneffizient sind, wird die Bundesregierung diebestehenden Politiken entsprechend ergänzen bzw.verändern sowie ggf. neue Maßnahmen vorschlagenund implementieren.b) Emissionshandel in der zweiten HandelsperiodeDas Emissionshandelssystem (hierzu auch KapitelD.IX.) trägt dazu bei, den Ausstoß des TreibhausgasesCO 2dort zu reduzieren, wo die Vermeidung amkostengünstigsten ist. Allerdings kann das derzeitigeSystem noch optimiert werden, etwa durch eineHarmonisierung der Regelungen auf europäischerEbene.Erreicht das am Emissionshandel teilnehmendeUnternehmen seine erforderlichen Emissionsreduktionendurch eigene kostengünstige CO 2-Minderungsmaßnahmen,kann es nicht benötigte Zertifikateam Markt verkaufen. Im anderen Fall muss esZertifikate am Markt zukaufen. Erfüllt das Unternehmenseine Minderungsverpflichtung weder durcheigene Minderungsmaßnahmen noch durch den Zukaufvon Zertifikaten, werden Sanktionen fällig, diein der zweiten Handelsperiode 100 Euro pro TonneKohlendioxid betragen. Die nicht erreichte Minderungsverpflichtungmuss im Folgejahr gleichwohlerbracht werden.In der zweiten Handelsperiode <strong>2008</strong>–2012 wirdin Deutschland die Gesamtzuteilung gegenüber derersten Handelsperiode um 57 Mio. t CO 2verringert,d.h. die jährliche Zuteilungsmenge für den Emissionshandelssektorwird auf 452 Mio. t CO 2begrenzt.Diese beinhaltet auch die Zuteilungen für Anlagen,die ab <strong>2008</strong> neu in den Emissionshandel aufgenommenwurden. Hierbei handelt es sich in erster Linieum bestimmte Anlagen in der Chemieindustrie,Weiterverarbeitungsanlagen in der Stahlindustrieund Rußerzeugungsanlagen. Diese Anlagen emittierenzusammen ca. 10 Mio. t CO 2pro Jahr. Im Vergleichzum aktuellen Emissionsniveau der derzeitvom Emissionshandel erfassten Anlagen (2006:477,3 Mio. t CO 2) wird die Zuteilungsmenge für<strong>2008</strong>–2012 um mehr als 7 % verringert.Die Europäische Kommission hat am 23. Januar<strong>2008</strong> den Vorschlag für ein umfangreiches Energie-und Klimapaket veröffentlicht. Ziel des Paketsist es, den Ausstoß von Treibhausgasen in Europa zusenken. Die Vorschläge sollen die Europäische Unionin die Lage versetzen, bis 2020 die Treibhausgasemissionenum mindestens 20 % zu reduzieren und denAnteil der erneuerbaren Energiequellen am Energieverbrauchauf 20 % zu erhöhen.Zum Emissionshandelssystem schlägt derEntwurf eine EU-weite Obergrenze (Cap) und einenlinearen Minderungspfad von 1,74 % pro Jahr bis2025 vor. Ferner soll der Handel in Zukunft weitereTreibhausgase einbeziehen. Die Bundesregierungunterstützt die Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungenfür alle Mitgliedstaaten als wesentlichenBeitrag zu einem funktionsfähigen Emissionshandelund <strong>zur</strong> Vermeidung von Wettbewerbsverzerrun-


94 KLIMA UND ENERGIEgen. In Hinblick auf die Auktionierung wird dieunterschiedliche Behandlung von Stromerzeugungund Produzierendem Gewerbe begrüßt. Deutschlandwird aktiv dazu beitragen, zu einer Einigungüber das von der Kommission vorgelegte EnergieundKlimapaket vor Ende <strong>2008</strong> zu gelangen und esspätestens Anfang 2009 zu verabschieden – vor derNeuwahl des Europäischen Parlaments im Juni 2009und als Signal an die VN-Vertragsstaatenkonferenzin Kopenhagen im Dezember 2009.c) Erneuerbare Energien – zukunftsfähigeEnergieversorgung ausbauenDer Europäische Rat beschloss im Frühjahr2007 ambitionierte und verbindliche Ziele für deneuropaweiten Ausbau der erneuerbaren Energien.Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vomJanuar <strong>2008</strong> sieht für Deutschland einen Anteil von18 % der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauchim Jahr 2020 vor.Ziele im Bereich erneuerbare Energien(entsprechend Integriertem Energie- und Klimaprogrammvom 5. Dezember 2007 bzw. wie vom Deutschen Bundestagam 6. Juni <strong>2008</strong> beschlossen)• Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien an derStromversorgung auf mindestens 30 % bis 2020 und danachkontinuierliche Erhöhung• Erhöhung des Anteils von erneuerbaren Energien am Wärmeverbrauchauf 14 % im Jahr 2020Erneuerbare-Energien-Gesetz ( EEG)Mit der Branche der erneuerbaren Energien istin wenigen Jahren eine hoch dynamische Industrieentstanden. Der Gesamtumsatz mit erneuerbarenEnergien lag 2007 bei rd. 25 Mrd. Euro, davon rd.11 Mrd. aus der Errichtung und 14 Mrd. Euro aus demBetrieb von Anlagen. Zukünftig wird dem Exporteine steigende Bedeutung zukommen. In der Windenergiebranchelag die Exportquote im Jahr 2006bereits bei rd. 70 %, bei der Photovoltaik bei rd. 30 %.Insgesamt stieg die Zahl der Beschäftigten in diesenSektoren im Jahr 2007 auf etwa 250.000. Das ist einPlus von rd. 90.000 Arbeitsplätzen im Vergleich zumJahr 2004. Zentrales Instrument <strong>zur</strong> Erreichung derZiele im Strombereich ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz ( EEG). Mit festen Einspeisevergütungenfür Strom aus Wasserkraft, Windenergie, Sonnenenergie,Biomasse und Geothermie, die sich an denStromgestehungskosten und dem Abstand der einzelnenTechnologien von der Wettbewerbsfähigkeitorientieren, wird Planungssicherheit für die notwendigenInvestitionsentscheidungen geschaffen.Durch die zeitliche Degression der Vergütungssätzeentstehen Innovationsanreize <strong>zur</strong> Kostensenkung.Inzwischen nutzen 18 EU-Mitgliedstaaten ein ähnlichesEinspeisesystem <strong>zur</strong> Förderung der erneuerbarenEnergien im Strombereich, ca. 40 weltweit. Nacheinem Dokument der EU-Kommission vom Januar<strong>2008</strong> sind „well-adapted feed in tariff regimes … generallythe most efficient and effective support schemesfor promoting renewable electricity.” Im Rahmenihres Energie- und Klimapakets legte die Bundesregierungam 5. Dezember 2007 ein novelliertes undverbessertes EEG vor. Die Neufassung des EEG wurdeam 6. Juni <strong>2008</strong> durch den Deutschen Bundestag beschlossenund soll zum 1. Januar 2009 in Kraft treten.WärmeIm Wärmebereich wurden die erneuerbarenEnergien bisher hauptsächlich durch das Marktanreizprogrammgefördert. Mit Mitteln von965 Mio. Euro wurden seit Programmstart im Jahr2000 bis Ende 2007 rd. 788.000 Vorhaben gefördertund ein Investitionsvolumen von 8,2 Mrd. Euroausgelöst. Im Rahmen des Energie- und Klimapaketshat der Deutsche Bundestag auf Grundlage einesEntwurfs der Bundesregierung am 6. Juni <strong>2008</strong> dasErneuerbare-Energien-Wärmegesetz beschlossen.Dieses legt insbesondere Pflichten <strong>zur</strong> Nutzungerneuerbarer Energien bei der Errichtung neuerGebäude fest. Eigentümer von neu errichtetenGebäuden haben nach Inkrafttreten des Gesetzes diePflicht, anteilig erneuerbare Energien <strong>zur</strong> Deckungdes Wärmeenergiebedarfs einzusetzen. Die Nutzungerneuerbarer Energien für die Erzeugung von Wärmewird bedarfsgerecht in den Jahren 2009–2012mit bis zu 500 Mio. Euro pro Jahr gefördert. Mit denbeiden Säulen „fordern“ und „fördern“ soll das großePotenzial der erneuerbaren Energien im Wärmebereichgenutzt werden.Leistungen erneuerbarer EnergienDurch erneuerbare Energien konnte imJahre 2007 in Deutschland der Ausstoß vonrd. 115 Mio. t CO 2vermieden werden.Leistungen der erneuerbaren Energien im Einzelnen• Rd. 68 % der gesamten Endenergie aus erneuerbarenEnergiequellen wurden durch den Einsatz der Biomassebereitgestellt.Bezogen auf die Wärmeerzeugung aus erneuerbarenEnergiequellen hat Biomasse (hauptsächlich Holz) einenAnteil von 93 %. Der Bestand an Holzheizungen ist weitergestiegen. Den höchsten Anteil hat dabei die Verwendungvon Scheitholz, die Nachfrage stieg hier deutlich. Aber auchdie Zahl der Pelletheizungen ist 2007 auf 83.000 Anlagenangestiegen. Gleichzeitig wurden rd. 4,6 Mio. t Biokraft-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND95stoffe verwendet. Insgesamt wurden 2007 mehr als23 Terawattstunden (TWh) Strom aus der gesamtenBiomasse erzeugt.• Die Windenergie leistete 2007 den größten Beitrag imStrombereich. Nach einem Nettozubau von 1.667 Megawatt(MW) waren Ende des Jahres 2007 insgesamt 22.247 MWinstalliert. Hiermit wurden 39,5 TWh Strom erzeugt, das sindknapp 50 % der gesamten Stromerzeugung aus erneuerbarenEnergien. Der Anteil der Windenergie am Bruttostromverbrauchlag bei rd. 6,4 %.• Der Stromertrag aus Wasserkraft war 2007 mit 20,7 TWhauf dem Stand von 2006 (20,0 TWh).• Im Jahr 2007 betrug der Anteil der Photovoltaik an derStromerzeugung insgesamt rd. 0,6 % und innerhalb dererneuerbaren Energien rd. 1,6 %. Der Zubau bei der solarthermischenKollektorfläche betrug im Jahr 2007 fast 1 Mio. m 2 ,damit stieg die gesamte Kollektorfläche in Deutschland aufüber 9,5 Mio. m 2 .• 2006 ging das erste ganzjährig industriell nutzbare GeothermiekraftwerkDeutschlands in Betrieb. In Deutschlandsind gegenwärtig rd. 150 Projekte <strong>zur</strong> Wärmenutzung oder<strong>zur</strong> Stromerzeugung in Bearbeitung.Anm.: Alle Zahlen <strong>zur</strong> Entwicklung der erneuerbaren Energien2007, den Umsätzen und die Zahlen <strong>zur</strong> Beschäftigungberuhen u. a. auf Angaben der Arbeitsgruppe ErneuerbareEnergien-Statistik (AGEE-Stat) und der BMU-Publikation „ErneuerbareEnergien in Zahlen – nationale und internationaleEntwicklung, Stand: Juni <strong>2008</strong>.d) Klimaschutz und VerkehrDer Verkehr trägt in Deutschland <strong>zur</strong> Zeit etwamit 20 % zu den anthropogenen Treibhausgasemissionenbei. Angesichts steigender Verkehrsleistungen– insbesondere im Straßengüter- und dem Flugverkehr– ist es besonders wichtig, Wege zu finden, dieTreibhausgasemissionen dennoch zu senken.Auch für die Bundesregierung stellt die Reduktionder CO 2- Emissionen im Pkw-Bereich eine entscheidendestrategische Aufgabe dar. So ist beabsichtigt,durch Einführung einer CO 2-bezogenenBemessung der Kraftfahrzeugsteuer für PersonenkraftwagenAnreize für verbrauchsärmere Fahrzeugenzu schaffen. Die vom Bundeskabinett zuletzt am18. Juni <strong>2008</strong> beschlossenen zentralen Eckpunktesehen vor, nach dem Übergang der Ertragskompetenzfür die Kraftfahrzeugsteuer von den Ländernauf den Bund alle ab dem 1. Januar 2010 erstmals inden Verkehr kommenden Personenkraftwagen aufeine schadstoff- und CO 2-bezogene Steuerbemessungumzustellen. Angestrebt wird mittelfristig eineweitgehende Aufkommensneutralität.Um Anreize für den Kauf verbrauchsgünstigerCO 2-armer Pkw zu verstärken, wird eine verbraucherfreundlicheund übersichtliche Kennzeichnungeingeführt. Die Bundesgierung plant, die Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung(EnVKV) zum „ CO 2-Labelling von Pkw“ zu novellierenund so effizienter zu gestalten. Laut Beschlüssenvon Meseberg soll es sieben Effizienzklassen (A bisG) geben, die sich nach den spezifischen, auf dieFahrzeugmasse bezogenen Emissionen richten. DerEntwurf einer entsprechenden <strong>nationalen</strong> Verordnungwurde erarbeitet. Ggf. erfolgt ein Abgleich mitder angekündigten, aber noch nicht vorliegendenEU-Regelung. Insgesamt wird damit eine deutlicheBelebung bei der Vermarktung von CO 2-effizientenPkw erwartet.Muster des geplanten LabelsMarkeTypInformationüber den Kraftstoffverbrauchund die CO 2-EmissionenKraftstoffGetriebeBenzinLPGAutomatikDieselErdgasManuellBereich Pkw- VerkehrKraftstoffverbrauchkombiniert:innerorts:außerorts:Liter/100 kmLiter/100 kmLiter/100 kmDie CO 2- Emissionen im Pkw-Bereich sollen vermindertwerden. Dazu wurde auf EU-Ebene vereinbart,das Ziel einer Verringerung der spezifischenEmissionen von derzeit 160 g CO 2/km auf 120 g CO 2/kmin Durchschnitt aller europäischen Neufahrzeuge imJahr 2012 zu erreichen. Der Kommissionsvorschlagfür die technischen Maßnahmen, die den Durchschnittauf 130 g CO 2/km senken sollen, liegt seit dem19. Dezember 2007 vor. Vorschläge für die restlichen10 g CO 2/km sollen im Jahr <strong>2008</strong> unterbreitet werden.Die Beratungen im EU-Rat haben begonnen.CO 2-EmissionenJahressteuer für diese Fahrzeugekombiniert:Die angegebenen Werte wurden nach den vorgeschriebenen Messverfahren(RL 80/1268/EWG in der gegenwärtig geltenden Fassung) ermittelt. Die Angaben beziehensich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebotes, sonderndienen allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen.EnergieeffizienzABCDEFGKraftstoffkosten bei einem Kraftstoffpreis von _________ Euro/Literund einer Laufleistung von 20.000 kmGramm/100 kmAuf der Grundlage derCO 2-Emissionen unterBerücksichtigung des Fahrzeugleergewichtsermittelt.Der Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen einer Fahrzeugs hängen nicht nur von der effizientenAusnutzung des Kraftstoffs durch das Fahrzeug ab, sondern werden auch vom Fahrverhaltenund anderen nichttechnischen Faktoren beeinflusst. CO2 ist das für die Erderwärmunghauptsächlich verantwortliche Treibhausgas.Ein Leitfaden für den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen aller in Deutschland angebotenenPersonenkraftfahrzeugmodelle ist unentgeltlich an jedem Verkaufsort in Deutschlanderhältlich, an dem neue Personenkraftfahrzeugmodelle ausgestellt oder angeboten werden.CEuroEuro


96 KLIMA UND ENERGIEBereich Lkw- VerkehrDer Straßengüterverkehr hatte 2005 einen Anteilvon 4,3 % an den <strong>nationalen</strong> Treibhausgasemissionenund weist dabei ein starkes Wachstum auf. Rd. 70 %der geleisteten Tonnenkilometer in Deutschlandwerden heute mit dem Lkw <strong>zur</strong>ückgelegt.Seit dem 1. Januar 2005 wird auf deutschen Autobahneneine Maut für Lkw ab 12 t zulässiges Gesamtgewichterhoben. Durch die verursachergerechteAnlastung der Wegekosten im Straßengüterverkehrwerden die Anstrengungen der Verkehrspolitik <strong>zur</strong>Verlagerung von Transporten auf die Schiene unterstützt.Die Einführung der Maut hat zu einer effizienterenAuslastung beigetragen, d.h. der Anteil derLeerfahrten ist leicht gesunken. Gleichzeitig wurdedurch die Staffelung nach Schadstoffklassen ein Anreiz<strong>zur</strong> Anschaffung schadstoffärmerer Fahrzeugegeboten.Um eine noch stärkere Klimaschutzwirkung zuentfalten, soll die Maut weiter entwickelt werden.Es ist eine stärkere Spreizung und Differenzierungder Mautsätze nach Emissionsklassen von 100 % stattbisher 50 % vorgesehen. Damit sollen schadstoffärmereFahrzeuge weiter entlastet und schadstoffreicherestärker belastet werden. Ein entsprechender Entwurf<strong>zur</strong> Novellierung der Mauthöheverordnung wurde imJuni <strong>2008</strong> im Kabinett beschlossen. Das Wegekostengutachten2007 (Aktualisierung des Wegekostengutachtensaus dem Jahre 2002) wurde bei der Beschlussfassungüber die Verordnung berücksichtigt.BiokraftstoffquotengesetzDer Anteil der Biokraftstoffe soll ausgebaut undab dem Jahr 2015 stärker als bisher auf die Minderungvon Treibhausgasemissionen ausgerichtetwerden. Über die weiteren Schritte wird die Bundesregierungim Rahmen einer Überprüfung derStrategie <strong>zur</strong> Nutzung von Bioenergie entscheiden.Durch eine Nachhaltigkeitsverordnung soll sichergestelltwerden, dass bei der Erzeugung der Biomassenachweislich bestimmte ökologische und sozialeAnforderungen an eine nachhaltige Produktionsowie Mindestanforderungen für eine nachhaltigeBewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächenund zum Schutz natürlicher Lebensräume erfülltwerden. Darüber hinaus müssen Biokraftstoffe einbestimmtes Treibhausgas-Verminderungspotenzialaufweisen.Mit einer Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzessoll geregelt werden, dass der Biokraftstoffanteil,der vom Verpflichteten in Verkehrzu bringen ist, ab dem Jahr 2015 als in den Folgejahrenansteigender Netto-Klimaschutzbeitrag festgelegtwird. D. h., entscheidend ist dann nicht mehr,wie viel Biokraftstoff beigemischt wird, sondern wieviel Kohlendioxid dadurch eingespart wird. Dies istwichtig, da auch die Herstellung von Biokraftstoffzu unterschiedlich hohen Kohlendioxidemissionenführt.An den beschlossenen Maßnahmen im Biokraftstoffbereichhält die Bundesregierung grundsätzlichfest. Dies schließt aber eine Überprüfung undeventuelle Feinsteuerung innerhalb des gesamtenMaßnahmen- und Zielbündels nicht aus. In diesemSinne wird derzeit auch eine mögliche Absenkungder bisher gültigen Biokraftstoffziele diskutiert.ElektromobilitätEffiziente Fahrzeuge und Antriebstechnologiensind ein Schlüsselelement, um weitere CO 2-Reduktionspotenzialeim Verkehrsbereich zu erschließenund gleichzeitig die Energieimportabhängigkeit zuverringern. Mittel- und langfristig bieten elektrischeFahrzeugantriebe hier die größten Potenziale. Durchdie Nutzung elektrischer Energie kann die Anzahlder einsetzbaren Primärenergien deutlich erweitertwerden, so dass damit auch der Zugriff auf das gesamteSpektrum der erneuerbaren Energien möglichwird. Daneben verursachen Fahrzeuge mit elektrischemAntrieb am Betriebsort keine Schadstoffemissionenund geringere Lärmbelastungen.Die Batterie des Elektrofahrzeugs kann zudemeinen wichtigen Beitrag <strong>zur</strong> Verbesserung desNetzmanagements leisten. Dies würde vor allem dieRegelung der Netzstabilität bei einem wachsendenAnteil an fluktuierendem Strom aus erneuerbarenEnergien vereinfachen und gleichzeitig Effizienzreservennutzbar machen.Um die ambitionierten Zielsetzungen der Bundesregierungim Bereich der Energie- und Klimapolitikzu erreichen, ist es erforderlich, den zusätzlichenBedarf an elektrischer Energie in diesem Sektordurch Strom aus erneuerbaren Energien zu decken.Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesregierungzum Ziel gesetzt, die Kraftstoffstrategie indiesem Bereich weiterzuentwickeln. Sie will ihreAnstrengungen auch beim Thema Elektromobilitätbündeln und erhöhen, um die internationale WettbewerbsfähigkeitDeutschlands bei dieser Zukunftstechnologiezu stärken, die Marktentwicklung zu


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND97beschleunigen und – ähnlich wie beispielsweise inJapan und in den USA – dafür eine langfristige undkoordinierte Forschungs- und Entwicklungsförderungzu ermöglichen.Zudem hat die Bundesregierung bereits Forschungsarbeiten<strong>zur</strong> Unterstützung der Hybridtechnologiein Angriff genommen, mit dem Ziel, Kernkomponentendes Hybrid-Antriebsstrangs sowie dieanwendungsorientierte Entwicklung und Integrationvon neuen Funktionsmodulen weiterzuentwickeln.LuftverkehrDer Luftverkehr ist weltweit und auch inDeutschland der am schnellsten wachsende Verkehrsträgermit einem prognostizierten Wachstumder Verkehrsleistung von 4–5 % jährlich in dennächsten beiden Jahrzehnten. Mit diesem Wachstumist ein fortschreitender Anstieg der Emissionen zubeobachten, der auch durch technische Verbesserungennicht aufgefangen wird. Der zunehmendeFlugverkehr trägt deswegen <strong>zur</strong> Beeinträchtigungder Luftqualität durch den Ausstoß von Stickoxiden,Partikeln und Kohlenwasserstoffen sowie zu Treibhausgasemissionenbei.Bislang konnten auf internationaler Ebene nochkeine Fortschritte <strong>zur</strong> Begrenzung der klimawirksamenEmissionen des Flugverkehrs erzielt werden. Ausdiesem Grund schlug die EU-Kommission 2006 vor,den Flugverkehr wettbewerbsneutral in das EU-Emissionshandelssystemeinzubeziehen. Nach dem am8. Juli <strong>2008</strong> verabschiedeten Richtlinienvorschlagwird der Flugverkehr ab 2012 am Emissionshandelteilnehmen: 15 % der Emissionsrechte werden auktioniert,der Rest wird zunächst kostenlos zugeteilt.Unabhängig davon müssen auch auf internationalerEbene der Klimarahmenkonvention sowie derInter<strong>nationalen</strong> Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO)Anstrengungen unternommen werden, um zu einerBegrenzung dieser Treibhausgasemissionen beizutragen.SchiffsverkehrDer Schiffsverkehr ist ein integraler Bestandteildes globalen Warenaustausches. Wegen der zunehmendeninter<strong>nationalen</strong> Handelsverflechtungensteigt die Verkehrsleistung kontinuierlich mit 1–2 %pro Jahr an. Während in der Vergangenheit Klimaschutzim Bereich des Schiffsverkehrs kaum eineRolle spielt, tritt dieses Thema nun verstärkt in denVordergrund, da Schiffe heute bereits einen Anteilvon etwa 3 % an den weltweiten CO 2- Emissionenverursachen. Umfangreiche Forschungen laufenaktuell zu der Frage, welche weiteren Klimawirkungenschiffsverkehrsbedingte Emissionen nochhaben, z. B. durch den Ausstoß von Stickoxiden unddem daraus resultierenden Aufbau von Ozon inmehreren Kilometern Höhe. 1997 konnte sich dieinternationale Staatengemeinschaft für das Kyoto-Protokoll nicht auf Minderungsziele für diesenVerkehrsträger einigen. Trotz der grundsätzlichguten Energieeffizienz des Seeverkehrs pro transportierterTonne verfügt auch die Seeschifffahrtüber Potenzial <strong>zur</strong> Senkung der Emissionen. Diezuständige VN-Sonderorganisation, die InternationaleSeeschifffahrts-Organisation IMO, wurde mitder Gestaltung von Maßnahmen beauftragt. Mitden erforderlichen Arbeiten ist begonnen worden.Künftig werden die Bemühungen in diesem Bereichnoch verstärkt.Hinsichtlich der Emissionen von Seeschiffenkonnte die Bundesregierung auf internationalerEbene deutliche Fortschritte erzielen. Am 10. Oktober<strong>2008</strong> hat der Umweltausschuss der IMO (MEPC)einen Beschluss <strong>zur</strong> Verschärfung der Vorschriftenzu den Emissionen des Seeverkehrs gefasst. Sosollen Schiffe auf der Nord- und der Ostsee ab demJahr 2015 nur noch mit Destillaten fahren dürfen;weltweit gilt diese Vorschrift ab 2020. Außerdemsollen möglichst weitere Schwefelemissionsüberwachungsgebiete(SECAs) wie die Nord- und Ostseeausgewiesen werden. Stickoxide müssen ab 2011um 20 % gegenüber heute reduziert werden, inausgewiesenen Überwachungsgebieten ab 2015sogar um 80 %.Projekt Klimaneutrale DienstreisenAktiver Klimaschutz braucht die Mitwirkungaller gesellschaftlichen Gruppen. Auch die Bundesregierungund öffentliche Institutionen auf nationaler,Landes- und kommunaler Ebene können undmüssen Beiträge leisten. Bei der Weiterentwicklungder <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> hat dieBundesregierung deshalb durch Kabinettbeschlussvom 28. Februar 2007 im Bereich des Klimaschutzesein konkretes Nachhaltigkeitsprojekt im eigenenVerwaltungshandeln ins Leben gerufen. Mit diesemProjekt werden die Dienstreisen der Bundesregierung– beginnend mit dem Jahr 2007 – klimaneutralgestellt. Die Bundesregierung hofft, dass diesemBeispiel von weiteren staatlichen Institutionen,aber auch in Wirtschaft und Gesellschaft gefolgtwird.


98 KLIMA UND ENERGIEMit dem Projekt werden alle durch Dienstreisender Mitglieder und Bediensteten der Bundesregierungverursachten Treibhausgasemissionen jährlichnachträglich kompensiert, sofern sie mit Dienst-Pkwoder Flugzeug durchgeführt werden. „Dienstflüge“umfassen auch die Flüge der Mitglieder der Bundesregierungmit der Flugbereitschaft der Bundeswehr.Die Kompensation erfolgt dadurch, dass die Mengean CO 2- Emissionen, die durch die Dienstreisen verursachtwird, durch zusätzliche Klimaschutzprojekteausgeglichen wird. Aus den mittels dieser Projektevermiedenen CO 2- Emissionen entstehen Emissionsgutschriften,die <strong>zur</strong> Klimaneutralisierung verwendetwerden.Grundlage ist eine alle drei Jahre stattfindendeDatenerhebung über die Dienstflüge und die mitden Dienst-Kfz der Ressorts verbrauchten Kraftstoffmengen.Bahnfahrten werden wegen ihrerumweltpolitischen Vorteilhaftigkeit sowie wegender Erfassung der die Bahn beliefernden Kraftwerkeüber den Emissionshandel nicht berücksichtigt.Der Kabinettbeschluss umfasst die Ministerien, dasBundeskanzleramt, das Bundespräsidialamt unddas Bundespresseamt.KompensationsprojekteGrundsätzlich kommen für die Kompensation der durchDienstreisen entstehenden Treibhausgasemissionen solcheProjekte in Frage, die den Kriterien des Kyoto-Protokollsentsprechen. Damit muss ein Kompensationsprojekt nichtnur dem Kriterium der Zusätzlichkeit genügen, d.h. dass nurProjekte akzeptiert werden, die ausschließlich zu Kompensationszweckendurchgeführt werden, sondern auch das Kriteriumder Förderung nachhaltiger Entwicklung im Projektlanderfüllen.Dies ist besonders bei der Durchführung von Projektenin Schwellen- und Entwicklungsländern mit dem Ziel derArmutsbekämpfung und nachhaltigen wirtschaftlichenEntwicklung von großer Bedeutung. Angestrebt wirdinsbesondere die Förderung von solchen Projekten, die eineSteigerung der Energieeffizienz oder den Ausbau erneuerbarerEnergien zum Inhalt haben. Im Einzelfall können hierunterauch Projekte im Inland fallen.Dies alles sind wichtige Impulse und Schritte hinzu einem aktiven „Klimabewusstsein“ und einer stärkerenSensibilisierung dafür, inwieweit der EinzelneTreibhausgasemissionen verursacht. Insofern hofftdie Bundesregierung, dass das Projekt auch Vorbildwirkungfür den privatwirtschaftlichen Sektor hat.Dennoch bleibt der beste aktive Klimaschutz dieVermeidung von Treibhausgasemissionen. Dahersind konkrete Maßnahmen <strong>zur</strong> Effizienzsteigerungim Verkehrsbereich gegenüber einer nachträglichenKompensation vorrangig anzustreben. Die Ressortswerden daher für den eigenen Bereich prüfen,inwieweit diesem Gesichtspunkt bei der Abwicklungvon Dienstreisen, insbesondere aber auch durch dieVermeidung von Dienstreisen, noch besser Rechnunggetragen wird. Hierzu gehört insbesonderedie verstärkte Nutzung der Möglichkeit von TelefonundVideokonferenzen, um die Folgen der derzeitigenörtlichen Trennung der Dienstsitze der Ressorts– insoweit – so gering wie möglich zu halten.e) Klimaschutzleistungen der AbfallwirtschaftDie Abfallwirtschaft trug in den vergangenenJahren maßgeblich zu den TreibhausgasminderungenDeutschlands bei. Zwischen 1990 und 2004sanken die Treibhausgasemissionen von über40 Mio. t auf etwa 10 Mio. t pro Jahr. Die vollständigeUmsetzung der Abfallablagerungsverordnungsparte allein bei Haushaltsabfällen durch das Deponieverbotfür biologisch abbaubare Abfälle bis 2005jährlich mehr als 20 Mio. t CO 2-Äquivalente. Bis 2012werden es mehr als 30 Mio. t sein. Hinzu kommenweitere Einsparwirkungen aus der energetischenNutzung des Hausmülls und der heizwertreichenAbfallbestandteile.f) Internationale FinanzierungsbeiträgeDie Bundesregierung setzt sich auch auf internationalerEbene und im Rahmen der bilateralen undmultilateralen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländernfür den Klimaschutz und eine nachhaltigeEnergieversorgung ein. Hierfür werden <strong>2008</strong> mehrals 1 Mrd. Euro eingesetzt. Davon sind 600 Mio. Eurofür bilaterale Maßnahmen in Partnerländern vorgesehen.Dies beinhaltet Vorhaben in den BereichenTropenwaldschutz,erneuerbare Energien und Energieeffizienz,neue Klimaschutzinitiative für Industrie, Städteund Mobilität sowieAnpassung an den Klimawandel, insbesondere inden Bereichen Wasserressourcenmanagementund Wasserversorgung.82 Mio. Euro sind für multilaterale Programmeeingeplant, vor allem im Rahmen der Global EnvironmentFacility (GEF) und der dort angesiedeltenKlimafonds sowie beim Montrealer Protokoll zumSchutz der Ozonschicht.Bei einigen bilateralen Vorhaben werdenKredite der finanziellen Zusammenarbeit, die ausHaushaltsmitteln refinanziert werden, mit Kapital-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND99marktmitteln aufgestockt. Dadurch erhöht sich dieEntwicklungsleistung um mindestens 200 Mio. Euro(geschätzt). In der Summe belaufen sich die entwicklungsrelevantenLeistungen im Klimabereich <strong>2008</strong>auf über 880 Mio. Euro.Zusätzlich stehen für das Jahr <strong>2008</strong> 120 Mio. Euroaus den Erlösen der Versteigerung von Emissionsrechtenfür die internationale Klimaschutzinitiative <strong>zur</strong>Verfügung, die grundsätzlich den entwicklungspolitischenMaßgaben entsprechend eingesetzt werden.Mit dieser Initiative will die Bundesregierung demKlimaschutz auf internationaler Ebene zusätzlicheImpulse geben und auf den riesigen Finanzierungsbedarfim inter<strong>nationalen</strong> Klimaschutz reagieren.Gefördert werden in ausgewählten TransformationsundEntwicklungsländern die BereicheInvestitionen in Strukturwandel für eine nachhaltigeEnergieversorgung undAnpassung an den Klimawandel und Sicherungnatürlicher Lebensräume.Die Bundesregierung beabsichtigt, sich darüberhinaus mit 300 Mio. Euro an neuen Klimafonds (ClimateInvestment Funds) der Weltbank zu beteiligen.Energieförderung in der inter<strong>nationalen</strong>ZusammenarbeitDie Bundesregierung hat 2004 ihre Förderzusagenfür erneuerbare Energien und Energieeffizienzauf 400 Mio. Euro jährlich verdoppelt. <strong>2008</strong> erfolgtder nächste Sprung. Durchschnittlich geht die Förderungjeweils <strong>zur</strong> Hälfte an erneuerbare Energienund Energieeffizienz. Derzeit werden Energievorhabenin rd. 50 Partnerländern gefördert. Mit über 25Ländern besteht eine intensive Zusammenarbeit imBereich Energie.Aktivitäten„renewables 2004“Mit der Inter<strong>nationalen</strong> Konferenz „renewables 2004“ inBonn hatte die Bundesregierung einen starken und wichtigenImpuls für den weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energiengegeben. Anfang März <strong>2008</strong> fand nach Beijing in 2005 diezweite Folgekonferenz in Washington statt. Damit hat sichdie Bonner renewables-Konferenz als Prozess etabliert. Wie inBonn soll auch in Washington ein Aktionsprogramm aus denZielen und Versprechen der teilnehmenden Staaten erstelltwerden. Deutschland hat u. a. die entsprechenden Ziele undMaßnahmen des Integrierten Energie- und Klimaprogrammseingebracht.Die Bundesregierung arbeitet eng mit dem RenewableEnergy Policy Network for the 21st Century (REN21)zusammen. Hier arbeiten Regierungen, internationaleOrganisationen und Vertreter der Zivilgesellschaft für dieweltweite Förderung der erneuerbaren Energien zusammen.Ein wichtiger Beitrag des REN21-Netzwerkes ist die jährlicheVeröffentlichung eines globalen Statusberichts. Er gibt einenumfassenden Überblick über die etablierten Förderpolitiken,die Märkte sowie die Investitionen und die damit verbundenenArbeitsplätze.IRENAGemäß Koalitionsvertrag von 2005 haben sich die Regierungsparteienzum Ziel gesetzt, die Gründung einer Inter<strong>nationalen</strong>Agentur für erneuerbare Energien (IRENA)zu initiieren. Die Initiative wird von zahlreichen Staatenunterstützt. Allein an der Vorbereitungskonferenz, die im April<strong>2008</strong> im Auswärtigen Amt in Berlin stattfand, beteiligtensich 170 Teilnehmer aus 60 Ländern. Anfang 2009 wird dieBundesregierung alle interessierten Länder <strong>zur</strong> Gründungskonferenzder IRENA nach Bonn einladen. Hauptziele der IRE-NA werden die Beratung von Regierungen, Informationsaustausch,wissenschaftliche Zusammenarbeit, die Erarbeitungvon Qualitätsstandards und Aus- und Fortbildung sein.GEEREFMit der Einrichtung eines globalen Dachfonds für Energieeffizienzund erneuerbare Energien (GEEREF) soll privatesInvestitionskapital für Entwicklungs- und Schwellenländerbereitgestellt werden, um die Entwicklung, den Transferund Einsatz von umweltfreundlichen Technologien für einenachhaltige Entwicklung zu beschleunigen.Mit diesem Eigenkapitalfonds mit Vereinbarung einer Rückübertragungsoll die Anschubfinanzierung <strong>zur</strong> Markteinführungvon erneuerbaren Energien und Energieeffizienztechnologienin den jeweiligen Regionen ermöglicht werden.Die EU-Kommission stellt für den Fonds in den kommendenvier Jahren insgesamt 80 Mio. Euro als Risikokapital <strong>zur</strong>Finanzierung von privatwirtschaftlichen Investitionen <strong>zur</strong>Verfügung. Deutschland wird einen Beitrag in Höhe voninsgesamt 24 Mio. Euro bis 2010 leisten. Norwegen hat8 Mio. Euro zugesagt, weitere EU-Mitgliedstaaten wie Niederlande,Italien und Großbritannien erwägen ebenfallssich zu beteiligen.Methane to Markets-InitiativeDie Methane to Markets-Initiative setzt sich für den weltweitenErfahrungs- und Wissensaustausch <strong>zur</strong> Vermeidung derMethanemissionen ein. Im Vordergrund steht der Erfahrungsaustausch<strong>zur</strong> effizienten energetischen Nutzung vonMethan sowie <strong>zur</strong> Vermeidung unnötiger Emissionen und Leckagen.Die Initiative ist in allen Methan-emittierenden Sektorenwie z. B. Energieträger tätig. Deutschland ist Mitglieddieser Initiative und unterstützt vor allem die Teilnahme vonUnternehmen. Mit den Emissionsgutschriften aus Projektender flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls CDM und JIkann für viele Investitionen in diesen Sektoren ein zusätzlicherfinanzieller Anreiz gesetzt werden.„Sustainable Solutions“ im Dialog mit SchwellenländernNeue Allianzen, insbesondere mit den großen Schwellenländern,aber auch im transatlantischen und transpazifischenDialog sind Voraussetzung dafür, innovative undangepasste Lösungen zum Klimaschutz weltweit anbietenund durchsetzen zu können. Die Bundesregierung steht imforschungspolitischen Dialog mit wichtigen Gruppen vonSchwellenländern, denen <strong>zur</strong>zeit die besten Chancen aufein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum eingeräumtwerden. Seit März 2007 werden dazu strategischePartnerschaften mit diesen Ländern vorbereitet. Zwischen<strong>2008</strong> und 2009 wird eine Serie internationaler Konferenzenstattfinden, die den Dialog in einen breiten politischen,wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmen stellen unddie Vorreiterrolle Deutschlands international dokumentierenwerden.


100 KLIMA UND ENERGIE4. Hauptakteure im Klimaschutz und bei derVeränderung der Energiebereitstellungund EnergienutzungWissenschaftInnovative Technologien, mit deren Hilfe Energienachhaltig bereitgestellt und effizienter genutztwerden kann, erleichtern den Übergang zu einernachhaltigen Energieversorgung und leisten einenwichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel.Gleichzeitig eröffnen sie auch neue Exportchancen– und damit neue Möglichkeiten für Wachstumund Beschäftigung. Voraussetzung für neue innovativeTechnologien sind verstärkte Anstrengungenbei Forschung, Entwicklung und Demonstration. DieWissenschaft hat demnach eine zentrale Rolle beimKlimaschutz und bei der Veränderung der Energiebereitstellungund Energienutzung.Die Bundesregierung unterstützt die Wissenschaftbei ihren Bemühungen, neue innovativeTechnologien zu entwickeln, vor allem durch ihrEnergieforschungsprogramm und die Hightech-Strategie für den Klimaschutz (Details siehe KapitelD. VIII.). Die Forschungsförderung trägt entscheidendmit dazu bei, dass deutsche Unternehmenund Forschungseinrichtungen im Bereich dererneuerbaren Energien und Energieeffizienz iminter<strong>nationalen</strong> Vergleich führend sind. DeutscheKraftwerkstechnologien zählen international <strong>zur</strong>Spitze und sichern den Herstellern einen beträchtlichenAnteil am stark wachsenden Weltmarkt.Auch bei den erneuerbaren Energien und beiEffizienztechnologien sind deutsche Unternehmenin vielen Bereichen weltweit führend. Sokommen die Kernkomponenten für die weltweitboomende solarthermische Kraftwerkstechnologieaus Deutschland. Die ebenfalls von der Bundesregierunggeförderten Geothermiekraftwerke inLandau (Pfalz) und Unterhaching (bei München)bringen den Durchbruch für die geothermischeStromerzeugung in Deutschland.Unternehmen und KlimaschutzUnternehmen müssen zum weltweiten Klimaschutzbeitragen und brauchen dafür auch langfristigverlässliche Rahmenbedingungen. Die Klimaschutzzielemüssen den Umstand berücksichtigen,dass Unternehmen in Deutschland und in Europamit Wettbewerbern aus Ländern konkurrieren,die bislang keine oder eine weniger ehrgeizigeKlimaschutzpolitik verfolgen. Klimaschutzpolitikdarf daher die Wettbewerbsfähigkeit des WirtschaftsstandortsDeutschland nicht aus den Augenverlieren.KommunenZu einer erfolgreichen Klimaschutzstrategie trägtin besonderem Maße das Engagement von Kommunenbei. Kommunen und kommunale Unternehmenkönnen mit konkreten Projekten z. B. im Gebäudebereich,in der Energieversorgung und im Verkehrsbereicheine wichtige Pilotfunktion übernehmen undmit auf andere Akteure (z. B. Unternehmen, Privatpersonen)abzielenden Initiativen Impulse für vielfältigeKlimaschutzaktivitäten geben.Verbraucherinnen und VerbraucherVerbraucherinnen und Verbraucher können durchihr individuelles Konsumverhalten in erheblichemMaße zum Klimaschutz beitragen (vgl. Kapitel D.II.).Voraussetzung dafür ist, dass sie sich der Klimarelevanzihrer Konsumentscheidungen bewusst sindund dass klimafreundliche Handlungsalternativen<strong>zur</strong> Verfügung stehen. Neben dem Energieverbrauchfür Heizen und Warmwasserbereitung sind Mobilitätund privater Konsum die Hauptfaktoren, die<strong>zur</strong> CO 2-Bilanz von gegenwärtig 10,4 t pro Kopf undJahr beitragen. In den vergangenen Jahren wurdensogenannte CO 2-Rechner entwickelt, mit denen jederseine private CO 2-Bilanz ermitteln kann. VerschiedeneAnsätze <strong>zur</strong> CO 2-Kennzeichnung von Konsumgüternsind in der Erprobungsphase. Die Bundesregierungarbeitet daran, eine einheitliche Berechnungsmethodeund vergleichbare Kommunikationsinstrumentezu entwickeln und <strong>zur</strong> Verfügung zu stellen. EineReihe von Labels beinhaltet schon heute Aussagen <strong>zur</strong>Klimarelevanz von Produkten. Hierzu zählt z. B. derBlaue Engel, der derzeit noch stärker auf Klimaaspekteausgerichtet wird.Die Bundesregierung misst der Verbraucherinformationenüber ein klimafreundliches Konsumverhaltenin allen Lebensbereichen einen hohenStellenwert bei.5. Dem schon stattfindenden Klimawandelrechtzeitig begegnena) Internationaler Kontext einer DeutschenAnpassungsstrategieDer vierte Sachstandsbericht des IntergovernmentalPanel on Climate Change (IPCC) aus dem Jahr


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND1012007 macht deutlich, dass der Klimawandel bereitsstattfindet und sich die Menschheit an seine nichtmehr vermeidbaren Auswirkungen anpassen muss.Voraussichtlich werden diejenigen Entwicklungsländeram stärksten von den Folgen des Klimawandelsbetroffen sein, die weder über finanzielle nochüber technische Kapazitäten verfügen, sich ausreichendzu schützen. Diese Länder sind auf unsereUnterstützung angewiesen, um ihre Chancen aufReduzierung der Armut und wirtschaftliche Entwicklungzu wahren. Aber auch die Industrieländermüssen Vorkehrungen treffen, um sich an die Folgendes Klimawandels anzupassen und wirtschaftlichewie auch soziale Beeinträchtigungen so gering wiemöglich zu halten.Die Notwendigkeit, Maßnahmen <strong>zur</strong> Anpassungan den Klimawandel zu treffen, wurde bereits in den1990er Jahren auf internationaler Ebene vertraglichfestgehalten. Die Klimarahmenkonvention aus demJahr 1992 (Art. 4b, e) und auch das Kyoto-Protokollaus dem Jahr 1997 (Art. 10b) beinhalten eine Verpflichtung<strong>zur</strong> Aufstellung von <strong>nationalen</strong> Anpassungsplänen.Auf der 12. Vertragsstaatenkonferenzder Klimarahmenkonvention im November 2006verabschiedeten die Vertragsparteien das „NairobiArbeitsprogramm zu Klimafolgen, Anfälligkeit undAnpassung“ (NWP), das dazu beitragen soll, regionaleAuswirkungen der Klimaänderung zu identifizieren,Wissensdefizite zu erkennen und technische Lösungenfür Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln.Auch auf europäischer Ebene hat das ThemaAnpassung Eingang in die politischen Zielformulierungengefunden und wurde in die Fortschreibungdes Europäischen Klimaschutzprogramms (ECCP II)integriert. Die EU-Kommission hat im Juni 2007 einGrünbuch <strong>zur</strong> Anpassung an den Klimawandel in Europaveröffentlicht, das erste Leitlinien <strong>zur</strong> künftigenEntwicklung und Umsetzung von Maßnahmen aufeuropäischer Ebene beschreibt. Die EU-Kommissionplant des Weiteren, bis zum Jahresende <strong>2008</strong> die imGrünbuch gemachten Vorschläge weiter zu konkretisierenund in einem Weißbuch <strong>zur</strong> Anpassung zuveröffentlichen.einer entsprechenden <strong>nationalen</strong> und abgestimmtenregionalen Strategie betont. In vielen Bereichenhaben die Länder die Zuständigkeit für Politikgestaltungund ihre Umsetzung, beispielsweise in derRaumordnung und Landesplanung, in der Wasser-,Land-, und Forstwirtschaft oder im Küsten- und Naturschutz.Einige Länder, z. B. Hessen, Brandenburg,Baden-Württemberg, Thüringen, Nordrhein-Westfalen,Sachsen und Bayern, haben bereits regionaleKlimafolgen identifiziert und arbeiten an eigenenStrategien für eine Anpassung an diese Klimafolgen.Ziel der <strong>nationalen</strong> Anpassungsstrategie ist einbundesweiter Rahmen, um klimabedingten Risikenfür die Bevölkerung sowie volkswirtschaftlichenund sozialen Schäden vorzubeugen. Sie wird aberauch Aussagen zum Beitrag Deutschlands in derbilateralen und multilateralen Zusammenarbeit<strong>zur</strong> Entwicklung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmenin den besonders vom Klimawandelbetroffenen Regionen der Erde und insbesondere inden Entwicklungsländern machen.c) Auf dem Weg zu einer Anpassungsstrategie:Stand der ArbeitenIm Herbst <strong>2008</strong> soll dem Bundeskabinett einBericht <strong>zur</strong> Anpassungsstrategie vorgelegt werden,der die Ausgangslage beschreibt und bewertet,Wissenslücken, Forschungsbedarf und vorrangigeHandlungsfelder identifiziert sowie Vorschläge zumweiteren Vorgehen enthalten wird.Die Erarbeitung der wissenschaftlichen Basisfür Anpassungsmaßnahmen ist ein wichtiger Teilder Hightech-Strategie zum Klimaschutz. Die Forschungsaktivitätensollen die Prognosequalität vonExtremwetterereignissen und deren Auswirkungenauf ökologische Systeme verbessern, die Wechselwirkungenzwischen sektoralen und akteursspezifischenAnpassungsstrategien untersuchen sowieAnsätze für die Erarbeitung regionaler Strategienentwickeln. Dabei wird sowohl die nationale alsauch die internationale Perspektive betrachtet.b) Mandat und Ziel einer deutschenAnpassungsstrategieDas deutsche Klimaschutzprogramm aus demJahr 2005 sieht die „Erarbeitung eines umfassenden<strong>nationalen</strong> Konzepts <strong>zur</strong> Anpassung unter Berücksichtigungder Länderzuständigkeiten“ vor. Mit demBeschluss der Sonder-Umweltministerkonferenzim März 2007 haben die Länder die Notwendigkeit


102 KLIMA UND ENERGIEÜbersicht über mögliche Handlungsfelder der Anpassungsstrategie(nicht abgeschlossene Liste)BereichGesundheitLandwirtschaftForstwirtschaftFischereiwirtschaftWasserwirtschaftHochwasserschutzKüstenschutzNaturschutz/ BiodiversitätVerkehr/ VerkehrsinfrastrukturTourismusFinanzwirtschaftEnergiewirtschaft (Erzeugung, Transport, Versorgung)RaumplanungStädtebau und StadtplanungBauwesen/GebäudetechnikArchitektur/GebäudeplanungKatastrophen- und BevölkerungsschutzInternationale Zusammenarbeit zu Klimaschutz undAnpassung an Klimafolgen; EntwicklungszusammenarbeitForschungBeispiele für mögliche Wirkungen des KlimawandelsDurch Hitzewellen, Stürme, Überschwemmungen, Lawinen oderErdrutsche verursachte Erkrankungen und Verletzungen sowieveränderte Verbreitungsgebiete vektorübertragener Krankheiten(z.B. FSME, Borreliose)Beeinträchtigung von Erträgen insbesondere in trockenen GebietenO- und SW-Deutschlands sowie abnehmende Ertragssicherheitdurch zunehmende Witterungsextreme, erhöhte KlimavariabilitätErhöhte Anfälligkeit nicht – oder aufgrund des Klimawandels nichtmehr – standortgerechter Wälder sowie erhöhte Waldbrandgefahrund zunehmender Druck durch Schädlinge und WetterextremeVeränderung der Fischbestände und -wanderungenHäufigeres Niedrigwasser (Sommer), sinkende Grundwasserspiegelinsbesondere in Ost-Deutschland, VersorgungsunsicherheitSteigende Gefahr von Binnenhochwasser (Winter/Frühjahr) und vonlokalen StarkregenereignissenDurch beschleunigten Meeresspiegelanstieg und steigende Zahlvon Sturmfluten erhöhte Gefahr von Meeresüberflutungen undKüstenabbruch, erhöhtes Risiko auch in Kombination mit gleichzeitigemBinnenhochwasser in TideflüssenGefährdung der Artenvielfalt insbesondere in Feuchtgebieten undGebirgsregionen, Veränderung der Artenzusammensetzung(siehe dazu auch Indikator Artenvielfalt und Landschaftsqualität imKapitel B)Beeinträchtigung des Flugverkehrs durch veränderte Strömungsverhältnissesowie der Binnenschifffahrt durch häufigere Hoch- undNiedrigwässer, Hitzeeinwirkungen auf Verkehrsinfrastrukturen,Beschädigung der SchwarzdeckenAbnahme der Schneesicherheit in Gebirgsregionen sowie zunehmenderHitzestress in südlichen Urlaubsregionen, mögliche Verbesserungnördlicher StandorteHöhere direkte Kosten in Haftungsfällen für Versicherer und Rückversicherersowie indirekte KursabhängigkeitenBeeinträchtigung der Kühlleistung von Kraftwerken durch HochundNiedrigwasser sowie der Stromnetze durch Eislasten, Starkwindund -regenRaumnutzungsoptionen bzw. -einschränkungen unter sich änderndenRahmenbedingungenÜberwärmung und mangelnde Durchlüftung von Innenstädtensowie zu gering bemessene KanalisationsanlagenStärkere Hitzebelastung in Innenräumen durch mangelnden Strahlungsschutzvon Gebäuden und höhere LufttemperaturenPlanungsprozesse (u. a. Gebäudeausrichtung, Verschattung, Vermeidungvon Wärmelasten) optimieren; Prüfung und Anpassung der technischenRegeln (Sonnenschutz, Wärmeschutz, Windlasten, Regenwasseretc.)Planung und Vorsorge im Hinblick auf höhere Wahrscheinlichkeit vonExtremereignissenDeutscher Beitrag zum „Nairobi Arbeitsprogramm zu Klimafolgen, Anfälligkeitund Anpassung“ (NWP) sowie Unterstützung der Entwicklungund Umsetzung von Anpassungsstrategien; Finanzierung von Projekten<strong>zur</strong> Verbesserung von AnpassungskapazitätenKlimafolgen, Anpassungstechnologien, sozioökonomische Aspekte


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND1036. FazitDer Ausstoß von Treibhausgasemissionen konntein Deutschland seit 1990 um mehr als 20 % gesenktwerden. Damit sind wir für die Einhaltung unsererKlimaschutzverpflichtungen in der Kyoto-Periode<strong>2008</strong>–2012 auf einem guten Weg.Mit dem Integrierten Energie- und Klimaprogrammhat die Bundesregierung die Weichen für dieEinhaltung ambitionierter Klimaschutzziele nach2012 gestellt. Auf europäischer Ebene sind unterdeutscher Ratspräsidentschaft wegweisende Klimaschutzzielefür das Jahr 2020 vereinbart worden. Miteiner deutlichen Steigerung der Energieproduktivität,der Nutzung CO 2-armer Technologien und demAusbau der erneuerbaren Energien können dieseZiele erreicht werden. Die Maßnahmen des EU-Klimapaketswerden hierzu beitragen.Deutschland und die EU werden ihrer Vorreiterrolleim Klimaschutz damit auch weiterhin gerecht.Auf dieser Basis setzt sich die Bundesregierungauf internationaler Ebene für den Abschluss einesumfassenden und effektiven Folgeabkommens zumKyoto-Protokoll ein.II. Schritte zu einer nachhaltigenRohstoffwirtschaft1. Strategie für eine nachhaltigeRohstoffwirtschaftDie weltweit gestiegene Nachfrage nach Rohstoffenund die damit einhergehenden Preissteigerungen– in den vergangenen fünf Jahren habensich die Preise für wichtige Industrierohstoffe zumTeil mehr als verdoppelt und die Materialkosten inDeutschland um 10 Mrd. Euro erhöht – zwingen <strong>zur</strong>Auseinandersetzung mit einer am Nachhaltigkeitsprinziporientierten Rohstoffwirtschaft. Es ist davonauszugehen, dass Rohstoffe in einer globalisiertenWirtschaft auch künftig knapp und teuer bleibenwerden.Der derzeitige Rohstoff-Boom ist davon geprägt,dass zusätzlich zu den „klassischen“ Industrieländernnun auch aufstrebende Schwellenländer wieIndien und China als Nachfrager auf dem Weltmarktin einen Wettbewerb zu traditionellen Importländerngetreten sind. Mit Blick auf die begrenztenRessourcen und die erforderliche nachhaltige Nutzung,auf die ökologischen und sozialen Herausfor-Preisentwicklung von Metallen an der Börse „London Metal Exchange (LME)“98765AluminiumBleiErdöl (Brent)KupferNickelZinkZinn2,570 $/t1,804 $/t6,925 $/t18,600 $/t1,704 $/t19,020 $/t4321001.01.200301.01.200401.01.20051 = 1. Januar 2003; Stand: 9. September <strong>2008</strong>Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)01.01.200601.01.200701.01.<strong>2008</strong>


104 NACHHALTIGE ROHSTOFFWIRTSCHAFTderungen bei der Rohstoffgewinnung und auf dieRohstoffsicherung für die deutsche Wirtschaft brauchenwir eine Langfriststrategie für eine nachhaltigeRohstoffwirtschaft. Dies folgt aus dem Gebot wirtschaftlicherVorsorge und ist zugleich ein Gebot derGerechtigkeit – im Verhältnis von Nord und Süd wieim Verhältnis zu nachfolgenden Generationen; soverbrauchen die Menschen in Mitteleuropa durchschnittlichrd. zehnmal mehr natürliche Ressourcenals etwa die Menschen in Afrika.Zugleich ist eine nachhaltige Rohstoffwirtschaftein zentrales Element vorausschauender Wirtschaftspolitik.Da mit den heimischen Bodenschätzenwie z. B. Kohle, Kali- und Steinsalze, Kaolin oderQuarzsand nur begrenzt Rohstoffe <strong>zur</strong> Verfügungstehen, ist die Wirtschaft in Deutschland auf Recyclingvon Rohstoffen insbesondere bei Metallen undauf Importe aus dem Ausland angewiesen.Auf dem Weltrohstoffmarkt stehen die deutschenNachfrager unter hohem Wettbewerbsdruck,zugleich treten wettbewerbsverzerrende Elementeim inter<strong>nationalen</strong> Rohstoffhandel auf. Oft werdenin Entwicklungsländern Einnahmen aus dem Rohstoffabbaunicht für eine nachhaltige Entwicklungim Land verwendet. Daher setzt sich die Bundesregierungdafür ein, das Thema Rohstoffwirtschaftbreit anzugehen. Sie strebt eine Verbesserung derMaterial- und Ressourceneffizienz an, will die Versorgungmit Rohstoffen sichern und setzt sich füreinen fairen Handel mit Rohstoffen ein.„Dass das unsere Wirtschaft vor neue Herausforderungenstellt, verwundert nicht. Die Dynamik wird anhalten, dennwenn die Weltwirtschaft um 5 % wächst, der Welthandel um9 % zunimmt und die Schwellenländer noch größere Wachstumsratenhaben, dann ist auch für die nächsten Jahre damitzu rechnen, dass wir hiermit ein Thema haben werden, umdas wir uns weiter kümmern müssen.“Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel auf dem BDI-Rohstoffkongressam 20. März 2007Die mit der weltweiten Bevölkerungsentwicklungund dem globalen Industrialisierungsschubverbundene steigende Nachfrage nach Energie undRohstoffen führt zugleich zu steigenden Belastungenfür Umwelt und Ökosysteme. Konsequenzensind etwa die Zerstörung des Regenwaldes, Verunreinigungenvon Gewässern und zusätzliche Treibhausgasemissionen.Für die Erzeugung, Gewinnung,Aufbereitung und Verarbeitung von Rohstoffenund auch den Rohstoffhandel bedarf es daherangemessener ökologischer und sozialer Standards.Der derzeit verwendete Indikator erfasst nur dieabsolute Menge von Rohstoffen, ohne nach der Umweltrelevanzeinzelner Rohstoffe zu differenzieren.Daher lässt die Bundesregierung derzeit prüfen, inwieweitein geänderter Indikator die Umwelt- undNachhaltigkeitswirkungen des Abbaus einzelnerRohstoffe besser abbilden kann. Hierzu wird auchauf internationaler Ebene geforscht, z. B. durch dasbeim Umweltprogramm der Vereinten Nationenangesiedelte „International Panel for SustainableRessource Management“.Bei Holz und nachwachsenden Agrarrohstoffensieht die Situation etwas anders aus. Deutschlandverfügt über die größten Holzvorräte in Europa(3,4 Mrd. m 3 ) und hohe jährliche Zuwächse (100 Mio. m 3 ).Diese heimische Ressource kann daher einen bedeutendenBeitrag <strong>zur</strong> Rohstoffversorgung leisten.Nachwachsende Rohstoffe leisten aber nicht nureinen wichtigen Beitrag <strong>zur</strong> Schonung fossilerRessourcen, sondern auch zum Klimaschutz und <strong>zur</strong>wirtschaftlichen Entwicklung. Ihr ökologischer Fußabdruckist dabei in der Regel erheblich günstigerals bei fossilen Energieträgern und mineralischenRohstoffen. Angesichts der begrenzten Anbau- undNutzungspotenziale gewinnt aber auch bei der Verwendungnachwachsender Rohstoffe die Effizienzsteigerungstärker an Bedeutung.Die Bundesregierung hat im März 2007 inHinblick auf die veränderte rohstoffwirtschaftlicheSituation bereits Elemente einer Rohstoffstrategiefestgelegt, die sich primär mit der Sicherung derVersorgung der deutschen Wirtschaft mit Rohstoffenauseinandersetzt. Rohstoffversorgung istweiterhin in erster Linie Aufgabe der Wirtschaft.Aufgabe des Staates ist es, die Rahmenbedingungenfür eine international wettbewerbsfähige Rohstoffwirtschaftzu schaffen. Dies entbindet nicht davon,sich für einen verantwortungsvollen Umgang mitRohstoffen und mehr Transparenz im Rohstoffsektoreinzusetzen, wie das auf Initiative Deutschlandsdie G8- Länder in der Gipfelerklärung von Heiligendammgetan und beim Gipfel in Toyako bekräftigthaben.Ein Element der Strategie ist es, Innovationen füreinen nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen voranzutreiben.Denn die Entwicklung von Technologienfür eine nachhaltige Ressourcennutzung leistet einenwichtigen Beitrag zu Wachstum und Beschäftigungund wird daher auch im Rahmen der Lissabon-Strategieder EU als Bereich mit großem Innovations- undExportpotenzial bewertet. Im Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung werden vielversprechendeFelder wie z. B. im Bereich der Werkstoffforschung,der Biotechnologie, der Nanotechnologie,des Recyclingmanagements, der Verfahrenstechnologieund der Umwelttechnik aufgegriffen.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND105Nachhaltige RohstoffwirtschaftNicht erneuerbare Rohstoffe dürfen auf Dauer nur in demUmfang genutzt werden, wie ihre Funktionen durch andereMaterialien ersetzt werden können (zweite Managementregelder <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>). Eine nachhaltige Rohstoffwirtschafterfordert die Nutzung von nicht erneuerbaren undnachwachsenden Rohstoffen in einer Weise, die gegenwärtigenwie zukünftigen Generationen vergleichbare wirtschaftlichePotenziale ermöglicht und ökologische wie sozialeBelastungen vermeidet.Auch wenn viele mineralische Rohstoffe auf unserer Erdenoch längere Zeit verfügbar sind, ist eine konsequenteVerbesserung der Rohstoffeffizienz bei der Güterproduktion,eine Steigerung des Recyclings und die zunehmendeSubstitution endlicher durch nachwachsende und Sekundärrohstoffeerforderlich, um möglichst geschlossene Rohstoffkreisläufezu erreichen. Bei der Gewinnung, Aufbereitung vonRohstoffen sowie beim Rohstoffhandel sind angemesseneökologische und soziale Standards zu beachten.Ziel für 2020: Verdoppelung derRohstoffproduktivitätZiel der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> ist es, dieRohstoffproduktivität bis 2020 gegenüber 1994 zuverdoppeln; dem dient die nachfolgend entwickelteStrategie für eine nachhaltige Rohstoffwirtschaft.Das bisherige Tempo der (Produktivitäts-)Erhöhungwürde nicht ausreichen, um das gesetzte Zielzu erreichen. Um eine nachhaltige Nutzung vonRessourcen zu erreichen, müssen daher zusätzlicheMaßnahmen ergriffen werden. Dies schließt Veränderungenvon Verhaltensweisen und Konsummusternmit ein.Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierungeinen integrativen Politikansatz entwickelt, derfür eine nachhaltige Rohstoffwirtschaft HandlungsundMaßnahmenvorschläge erarbeitet, um dieMaterial- und Ressourceneffizienz in Deutschlandkontinuierlich zu verbessern.2. HandlungsfelderZur Erreichung des Ziels ist eine intelligente Verringerungdes Rohstoffbedarfs erforderlich. Bei derDeckung des Rohstoffbedarfs sind negative sozialeund ökologische Folgen auch in globaler Perspektivezu vermeiden.a) Verbesserung der MaterialeffizienzDie Steigerung der Materialeffizienz ist ein zentralesElement einer nachhaltigen Rohstoffwirtschaft.Neben der Schonung der Ressourcen leistet sie aucheinen wichtigen Beitrag <strong>zur</strong> Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeitder Unternehmen und treibt technologischeInnovationen voran.Für das verarbeitende Gewerbe stellen die Materialkostenderzeit mit ca. 40 % den zentralen Kostenblockdar, Personalkosten machen dagegen nurungefähr 20 % aus. Seit 1960 blieb die Entwicklungdie Materialproduktivität (Faktor 2) gegenüber derArbeitsproduktivität (Faktor 3,5) weit <strong>zur</strong>ück. Auf derBasis von Expertenschätzungen ist zu erwarten, dassim gesamten Produktentstehungsprozess Effizienzsteigerungenvon 20–30 % möglich sind.ÖkodesignUm diese Effizienzsteigerung zu erreichen, mussbereits in der Planungs- und Entwicklungsphase vonProdukten darauf geachtet werden, dass bei der Herstellungweniger Material und Energie verbrauchtwerden und, dass die Produkte über ihren Lebenszyklushinweg bis zu ihrer Entsorgung ressourceneffizient(z. B. recycelbar) sind. Mit dem Instrument desÖkodesigns – also der umweltgerechten Gestaltungdes Produkts – können schon in der Planungs- undEntwicklungsphase die Umweltwirkungen einesProdukts verringert werden. Je weniger Materialund Energie für die Produktion und die Nutzungeines Produktes eingesetzt werden und je mehrseiner Bestandteile am Ende einer möglichst langenLebensdauer wieder verwendet werden können,desto besser.Den rechtlichen Rahmen dafür bietet die europäischeÖkodesign-Richtlinie (Richtlinie über energiebetriebeneProdukte (2005/32/EC) vom6. Juli 2005) mit ihren künftigen Durchführungsmaßnahmen.Auch Produktkennzeichnungen, etwader Blaue Engel, sollen stärker als Benchmarks sowie<strong>zur</strong> Information über die Effizienzeigenschafteneines Produktes genutzt werden.Die Bundesregierung strebt an, Ökodesign weiterzu verbreiten und diesem Leitbild entsprechendeEntwicklungen zu unterstützen.MehrfachnutzungAuch die Mehrfachnutzung von Produkten(Mehrweg, Second Hand, Leihen, Gemeinschaftsnutzung,Förderung von Langlebigkeit und Reparaturfreundlichkeit,Reparaturservice) verbessert dieEffizienz der Rohstoffnutzung.


106 NACHHALTIGE ROHSTOFFWIRTSCHAFTMiniaturisierungEine Miniaturisierung (z. B. bei Speicherchips,Laptops oder Mobiltelefonen) führt zu erheblichenRohstoffeinsparungen. Diesem positiven Effekt aufdie Rohstoffeffizienz im Bereich der Herstellung stehenallerdings oft unerwünschte Effekte beim Konsumund beim Recycling gegenüber wie z. B. eineVerschlechterung der Wirtschaftlichkeit aufgrundgeringerer Wertstoffgehalte oder ein größerer Aufwandfür die Trenn- und Aufbereitungstechniken.LeichtbauEin weiteres Innovationsfeld <strong>zur</strong> Steigerungder Materialeffizienz ist der Leichtbau, der bishervor allem im Fahrzeugbau (z. B. durch Einsatz vonmodernen hochfesten Legierungen und Verbundwerkstoffenoder von Naturfasern an Stelle vonGlasfasern bei der Pkw-Innenauskleidung) und imGebäudebereich (z. B. durch verstärkten Einsatzvon Holz in der Konstruktion) zum Einsatz kommt.Durch die Nutzung bionischer, d. h. aus der Naturübernommener Konstruktionsprinzipien, etwaim Hochbau, lassen sich gerade in der rohstoffintensivenBauwirtschaft erhebliche Ressourceneinsparungenerreichen. Hierzu bestehen aktuelleFörderschwerpunkte der Bundesregierung in derForschung und Entwicklung.Bio- und nanotechnologische VerfahrenMit bio- und nanotechnologischen Verfahrenlassen sich im Vergleich zu herkömmlichen Produktionsprozessenerheblich Material und Energieeinsparen und schädliche Umwelteinwirkungen verringern.Nanotechnologische Materialien, z. B. beiTextilien, organischen Solarzellen oder Baumaterialien,erschließen Einsparpotenziale im Energie- undMaterialverbrauch. Biotechnologische Verfahrenwerden immer wichtiger für die Nutzung nachwachsenderRohstoffe in der chemischen Industrie, z. B.<strong>zur</strong> Herstellung von Kunststoffen. Die „weiße“ Biotechnologiespielt durch den Einsatz von Enzymen,Mikroorganismen und zellulärer Strukturen einezentrale Rolle bei der Herstellung von Chemierohstoffenin der umweltfreundlichen und effizientenAbwasserreinigung, Abfallbehandlung oder Abluftreinigungund ähnlichen Prozessen. Diese Verfahrenbenötigen im Allgemeinen weniger Druck, niedrigereTemperaturen und weniger Zufuhr an Energieoder chemischen Stoffen, um die gewünschtenErgebnisse zu erzielen.Neben die konsequente Verfolgung der Potenzialevon Nanotechnologie für eine nachhaltigeEntwicklung tritt die Erforschung von Folgen fürUmwelt und die Gesundheit. Sie ist als integralerBestandteil einer nachhaltigen Technologieentwicklungzu sehen. Zur Erforschung der Risiken fürMensch und Umwelt fördert die BundesregierungProjekte, fachlich begleitet im Rahmen des Nanodialogsdurch die Nanokommission des Bundesumweltministeriums.An diesem Dialog sind alle gesellschaftlichenKräfte beteiligt, und es werden auchFragen der geeigneten Information der Verbraucherdiskutiert sowie besonders problematische Anwendungsbereicheidentifiziert. Die Nanokommissiongibt im November <strong>2008</strong> erste Empfehlungen an dieBundesregierung.KoppelnutzungEine Möglichkeit <strong>zur</strong> besseren Ausschöpfungdes Rohstoffpotenzials insbesondere organischerRohstoffe und <strong>zur</strong> Steigerung der Materialeffizienzim Produktionsprozess ist die sogenannte Koppelnutzung.Das Ziel besteht darin, den Rohstoffeinsatzüber den gesamten Produktionsprozess durch einemultiple Nutzung des Rohstoffs in Form aller seinerKomponenten einschließlich von anfallenden Neben-und Koppelprodukten zu verringern.So werden etwa bei der Koppelnutzung nachwachsenderRohstoffe parallel Produkte und/oderEnergie erzeugt. Dies ermöglicht es, die bei derBiomasseverarbeitung anfallenden Nebenprodukteeffektiver zu verwerten; landwirtschaftliche undindustrielle Stoffkreisläufe werden enger verzahnt.Prinzipiell sind hier zwei Nutzungsstränge möglich,Nutzungsstrang 1: Kombinierte stoffliche und energetischeVerwertung von Biomasse. Z. B. wird bei der Produktionvon Biodiesel zunächst aus Rapskörnern Rapsölgewonnen. Die verbleibenden Rückstände (Presskuchen,Extraktionsschrot) sind als hochwertiges Futtermittel begehrt.Durch Umesterung des Rapsöls mit Methanol entstehtBiodiesel. Das <strong>zur</strong>ückbleibende Glycerin kann als Rohstofffür Chemieprodukte dienen, die am Ende der Nutzungenergetisch verwertet oder direkt energetisch genutztwerden.Nutzungsstrang 2: Vollständige Verwertung aller Komponentenvon Biomasse in verschiedenen Nutzungspfaden.Dieses Konzept steht unter dem Begriff „Bioraffinerie“in jüngster Zeit besonders im Fokus. Bioraffinerien indiesem Sinne wurden bisher noch nicht in industriellembzw. kommerziellem Maßstab verwirklicht. Sie sind allerdingsweltweit Gegenstand umfangreicher Aktivitäten, vornehmlichim Bereich Forschung, Entwicklung und Demonstration.Da tendenziell mit zunehmender Komplexität einerBioraffinerie ihre Wirtschaftlichkeit sinkt, ist es eine Kernaufgabe,Bioraffinerien hinsichtlich der Zahl ihrer Produkteund der Komplexität ihrer Prozesse so zu optimieren, dasseine wirtschaftlich tragfähige Produktion möglich ist.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND107die jedoch ggf. auch gekoppelt realisiert werdenkönnen.b) Entwicklung neuer und ressourcenschonenderWerkstoffeInnovationen bei der Entwicklung neuer Werkstoffe(smart materials) haben auch zum Ziel, Energie-und Materialeinsparpotenziale zu erschließen.So lässt sich z. B. durch den Einsatz von höher- undhöchstfesten Stählen die Blechdicke im Fahrzeugbauerheblich verringern, was zu einer leichterenBauweise und geringerem Treibstoffverbrauchführt. Bauteile aus der Energietechnik und demMotorenbau, beispielsweise Turbinenschaufeln inmodernen Gas- und Dampf-Kraftwerken, gehörenzu den höchst belasteten Werkstoffen überhaupt.Neue Werkstoffe können hier zu einer Verlängerungder Lebensdauer von Maschinen und Bauteilenführen. Durch eine Verringerung von Reibung undVerschleiß können die Standzeiten von Maschinenverlängert und der Einsatz von Kühlschmiermitteln,z. B. in der Metallbearbeitung, verringert werden.Vielfältig eingesetzt werden inzwischen sogenanntetechnische Textilien: Sie ersetzen schwereMetallteile im Auto oder Flugzeug, spannen sichals Membran-Dach über große Sportfelder undsorgen dafür, dass Brücken auch mit wenig Betonstabil gebaut werden können. Diese Stoffe sind oftfederleicht, reiß-, schnitt- und stichfest, Wasserund Schmutz abweisend, atmungsaktiv, elastisch,lichtecht, schwer entflammbar oder auch besonderssaugfähig. Deutschland spielt in diesem Segment inEuropa und auf dem Weltmarkt eine führende Rolle.Die Bundesregierung unterstützt dies mit Maßnahmender Forschungsförderung.Neue Werkstoffe aus heimischen nachwachsendenAgrarrohstoffen und Holz haben in wichtigenSegmenten der industriellen Produktion, derBauwirtschaft und des Handwerks ebenfalls nochweitere Anwendungspotenziale. Insbesondere inder chemischen Industrie können nachwachsendeRohstoffe verstärkt für neue Verwendungen undinnovative Werkstoffe (z. B. Biokunststoffe) eingesetztwerden. Neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschungsowie Fortschritte in der chemischenVerfahrenstechnik lassen erkennen, dass in Bioraffineriendie Trennung von nachwachsenden Rohstoffen,insbesondere Holz in Einzelkomponenten (u. a.Kohlenstoffbausteine und Harze), wirtschaftlichdurchführbar werden kann. Damit wären vergleichbarechemische Grundstoffe wie in petrochemischenRaffinerien zu erzeugen. Darüber hinaus erhält derRohstoff Holz bei nachhaltigem und energieeffizientemBauen durch die Entwicklung neuer Holzbauund-werkstoffe sowie Verbundstoffe (z. B. Leichtbauplatten,Wabenplatten, Wood Polymer/PlasticComposites, Natur-Dämmstoffe) zusätzliche Perspektiven.Neben Holz können auch landwirtschaftlichePflanzen (vor allem Hanf, Stroh) verwendet werden.Diese Materialien haben neben den Vorteilen hoherBelastbarkeit und leichterer Verarbeitung vor allemauch einen energie- und ressourcensparendenEffekt. Hier setzt die Bundesregierung neue Förderschwerpunkteim Rahmen des Forschungs- undMarkteinführungsprogramms Nachwachsende Rohstoffe.Zudem werden die Ressortforschungskapazitätenausgebaut. Im Jahr <strong>2008</strong> soll ein Aktionsplan<strong>zur</strong> stofflichen Biomassenutzung erarbeitet werden,der Ziele, Strategien und Maßnahmen <strong>zur</strong> breiterenVerwendung von chemisch-technischen Produktenaus nachwachsenden Rohstoffen enthält.c) Verbesserung der Rohstoff-Rückgewinnung ausAbfällen (Recycling) und des Einsatzes vonSekundärrohstoffenIm Bereich Kreislaufwirtschaft/Recycling nimmtDeutschland innerhalb Europas eine Vorreiterrolleein. Als erstes Land hat es schon 1995 mit dem Kreislaufwirtschafts-und Abfallgesetz einen regulativenRahmen für ein rohstoffeffizientes Wirtschaften geschaffen.Rücknahmeverordnungen für Verpackungen,Batterien, Altholz und Altautos traten schon inKraft, bevor der europäische Gesetzgeber dies aufgegriffenhat. Ferner wurden Verordnungen erarbeitet,um die Qualität der Verwertung z. B. von Altholz undBioabfällen zu verbessern. Bei einigen Materialien,z. B. Kupfer, hat Deutschland mit 54 % die höchste Recyclingquoteweltweit (EU 45 %, USA 41 %, Welt 13 %).Bei Papier wird sogar eine Rücklaufquote von 73 %erreicht. Weitere Steigerungen der Recyclingquotensind jedoch in vielen Bereichen noch möglich(z. B. bei seltenen Metallen aus Mobiltelefonen); inmanchen (z. B. bei Papier, Verpackungen oder Glas)sind nur noch begrenzte Steigerungsmöglichkeitengegeben. Auch beim Recycling von Altfahrzeugennimmt Deutschland eine Vorreiterrolle hinsichtlichder Ressourceneffizienz in Europa ein. Im Jahr 2006Recyclingraten wichtiger Rohstoffe in DeutschlandRohstoff Recyclingrate (2006) in %Aluminium 35Blei 59Stahl 90 (Sekundärmaterialeinsatz 45)Kobalt 20–25Kupfer 54Molybdän 10Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe


108 NACHHALTIGE ROHSTOFFWIRTSCHAFTlag die Recyclingquote bei 87 % und mithin über derEU-Vorgabe.StoffkreisläufeDie Verbesserung des Recyclings zielt darauf ab,soviel Sekundärrohstoffe wie möglich in die Produktion<strong>zur</strong>ückzuführen. Ein hochwertiges und effizientesRecycling setzt eine möglichst sortenreine getrennteErfassung von Abfällen voraus. Damit wird das möglichstweitgehende Schließen von Stoffkreisläufen,d. h. die wirtschaftliche Wiederverwendung von ausAbfällen gewonnenen Wertstoffen, erleichtert.Die Altpapiereinsatzquote (Altpapieranteil an derPapier- und Pappeproduktion) liegt bereits bei 68 %.Wie bei der Altpapierrücklaufquote werden damitinternationale Spitzenwerte erreicht, die kaum nochzu steigern sind.Bei anderen Rohstoffen sind teilweise nochhöhere Rücklaufquoten zu verzeichnen. So stieg derAnteil der Altbatterien, aus denen Metalle wie Zink,Stahl, Nickel und Blei <strong>zur</strong>ückgewonnen werden,von 19 % im Jahr 1999 auf 92 % im Jahr 2007. In derGlasproduktion stammen 94 % der Einsatzstoffe ausdem Recycling.Die Schließung von Stoffkreisläufen wird durchrechtliche und wirtschaftspolitische Rahmenvorgabenunterstützt. Wichtigste Neuregelung war dieEinführung des Vorbehandlungsgebots für biologischabbaubare und organikreiche (Siedlungs-)Abfällevor ihrer Deponierung, das seit dem 1. Juni 2005gilt. Dies führt durch verstärkte Getrennthaltung,Getrenntsammlung sowie Sortierung zu einer besserenenergetischen, aber auch stofflichen Nutzungder Wertstoffe aus dem Abfall. So hat das Gesamtkonzept– bestehend aus der Getrennterfassung vonBioabfällen, deren Kompostierung bzw. Vergärungund der Vorbehandlung von Siedlungsabfällen vorder Ablagerung auf Deponien – dazu geführt, dassdie Abfallwirtschaft 2005 im Vergleich zu 1990rd. 21 Mio. t CO 2-Äquivalente weniger emittierte.Auch die gesetzlichen Bestimmungen <strong>zur</strong> Herstellerverantwortungfür Produkte beispielsweise fürVerpackungen, Altfahrzeuge, Elektrogeräte und Batteriensorgen für steigende Sammlungs- und Verwertungsquoten.Bei der Verbesserung der Recyclingfähigkeitspielt auch das Ökodesign eine wichtige Rolle.Nutzungs- und Dienstleistungskonzepte müssenentwickelt werden, die wirtschaftliche Anreize fürdie Nachrüstung und Reparaturfreundlichkeit vonGeräten schaffen, so dass Stoffkreisläufe beispielsweisebei Kunststoffen und Metallen weitestgehendgeschlossen werden können.Dieses Ziel wird heute schon u. a. mit Hilfe vonAnwendungsbeschränkungen für gefährliche Stoffeund mit Zielvorgaben <strong>zur</strong> ökologischen Produktgestaltungerreicht (AltautoV, ElektroG, BatterieV).Bestehende Regulierungen, die das Rohstoffrecyclingbehindern, sollen überprüft und ggf. angepasstwerden.Gebäude als RohstoffquelleAuch bestehende, aber nicht mehr genutzteWohngebäude sind potentielle (Sekundär-)Rohstoffquellen.Allein in den neuen Bundesländern stehendurch den demografischen Wandel ca. 1,1 Mio. Wohnungenleer.Rohstoffe im Wohnbestand von Städten und GemeindenZurzeit sind im Wohnungsbestand ca. 10,5 Mrd. t mineralischeBaustoffe wie Ziegel und Beton verbaut, ca. 220 Mio. t Holzund insbesondere ca. 100 Mio. t Metalle. Schätzungen zufolgekann dieses „Materiallager“ bis 2025 um ca. 20 % wachsen.(Daten aus Öko-Institut, Broschüre „Ressourcenfieber“, Juni2007, S. 18 ff.)Bereits heute ist die Rohstoffgewinnung imGebäudebestand über selektiven Rückbau oderAbriss von Gebäuden ein wichtiges Ressourcenthema.Ein Beispiel ist die Rückgewinnung vonKupfer. Unbekannt ist noch, wie groß dieses „Kupferlager“in Deutschland tatsächlich ist und wie essich verteilt, also welche Metallmengen in Nichtwohngebäudenund Infrastrukturmaßnahmen„lagern“ und wie sie sich zukünftig entwickeln.Ebenfalls fehlen belastbare Bau- und Abbruchprognosen,die darüber Auskunft geben, welchen Beitragverbaute Metalle künftig <strong>zur</strong> Rohstoffversorgungleisten können. Diese Daten werden derzeit ineiner Reihe von Forschungsvorhaben erhoben, aufderen Grundlage dann konkrete Maßnahmen <strong>zur</strong>Nutzung nicht mehr benötigter Gebäude als Sekundärrohstoffquellenentwickelt werden.KaskadennutzungInsbesondere für biogene Rohstoffe und daraushergestellte Produkte beschreibt die Kaskadennutzungeine Strategie, diese in zeitlich aufeinander folgendenSchritten so lange, so häufig und so effizientwie möglich stofflich zu nutzen und erst am Ende desProduktzyklus energetisch zu verwerten. Dabei wer-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND109den Nutzungskaskaden durchlaufen, die von einerhohen Wertschöpfung schrittweise in geringerwertigeNutzungen münden. Dadurch wird die Wertschöpfungbezogen auf den Rohstoffeinsatz insgesamtgesteigert. So werden höherwertige Holzsortenerst als Balken- und Brettware (z. B. in Konstruktionen)oder als Furniere (z. B. in Möbeln), danach in mehrerenNutzungsstufen (z. B. als Gebrauchtmöbel) oderin weiter verarbeiteter Form (z. B. als Spanplatte) genutzt.Im Papierbereich werden Frisch-/Primärfasernzunächst in hochwertigen Papieren und anschließendals Sekundärfasern in bis zu acht Recyclingzyklen inweniger beanspruchten Produkten verwendet. AmEnde des Produktlebens werden Althölzer und diequalitativ minderwertigsten Altpapierfasern aus demStoffkreislauf ausgeschleust und energetisch verwertet.Auch beim Einsatz von biobasierten Kunststoffenist es wichtig, über Nutzungskaskaden Voraussetzungenfür eine höhere Rohstoffausnutzung und Wertschöpfungzu schaffen.d) Sicherung der Verfügbarkeit von RohstoffenDie deutsche Wirtschaft ist auf die Verfügbarkeitvon Rohstoffen angewiesen. So sind z. B. Eisenerz undNicht-Eisenmetalle in der Automobilindustrie, demSchiff- und Flugzeugbau oder in der Elektroindustrieunverzichtbar. Deutschland ist (zumindest wasMetallrohstoffe betrifft) ein rohstoffarmes Land; alssolches ist es trotz guter Recyclingerfolge bei vielenmineralischen Rohstoffen auf Importe angewiesen(s. Abb.). Diese stammen zum größten Teil aus denLändern Australien, Brasilien, Chile, China, Kanada,Russland, Südafrika und USA. Bei einigen Stoffen istdie Abhängigkeit besonders groß. So wird z. B. Wolframzu 86 % in China oder Niob zu 89 % in Brasiliengefördert. Zudem ist Deutschland mit der stark steigendenNachfrage anderer Staaten, insbesondereder Entwicklungsländer, und mit entsprechend starkgestiegenen Preisen konfrontiert.Vor diesem Hintergrund sind Wirtschaft undPolitik in einen engen Dialog getreten und habenMaßnahmen <strong>zur</strong> Entspannung der RohstoffabhängigkeitDeutschlands in einer globalisierten Weltentwickelt.Auf dem zweiten „Rohstoffgipfel“ im März 2007in Berlin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel dasnationale Interesse an einer gesicherten Rohstoffversorgunghervorgehoben und Elemente einerRohstoffstrategie skizziert:Rohstoffsituation in Deutschland 1)Exportanteil (netto)[%] Importanteil (netto)592 % 524 ...219 % 349*Zahlen von 2003;Anteil Eigenproduktion bei Metallen wirddurch Recyclingverfahren gewonnen119 % 2.104Kalisalz (K 2 O)SchwefelZiegeltone22 % 7.673 Gips und Anhydrit16,3 % 8.311 Steinsalz6,8 %5,7 %2,8 %265.04010.410262.602Kies und SandQuarzsandNatursteineFeldspat 356 1,6 %Kalk- und Dolormitstein 75.821 3,5 %Kaolin 4.161 8,3 %Bentonit 611 40 %Blei (Raffinade)* 389 42 %Kupfer (Raffinade)*1.516 46 %Zink (roh)*720 59 %Aluminium (primär)*2.987 65 %Baryt324 74 %Flussspat312 83 %Borate4,8Graphit25Diatomit29Glimmer30Sepiolith50Al-Silikate71Vermiculit und Perlit77Phosphate117Speckstein und Talk341Magnesit440Metalle (Erze und Konzentrate)300 % 200 % 100 % 0 % 100 %Import- und Exportanteile (netto) in % am Nettoverbrauch [1.000 t] im Jahr 20061) am Beispiel produktionsbedeutender mineralischer RohstoffeQuelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)


110 NACHHALTIGE ROHSTOFFWIRTSCHAFTHandelshemmnisse sollen weiter abgebautwerden, Wettbewerbsverzerrungen im inter<strong>nationalen</strong>Handel sollen mit Nachdruck bekämpftwerden. Außenwirtschaftliche Garantieinstrumentariensollen mit Blick auf eine rohstoffwirtschaftlicheBezugsquellendiversifizierungverbessert und weiterentwickelt werden. DieBundesregierung will Rohstofffragen stärkerals bisher in ihre handelspolitischen Strategienund diplomatischen Kontakte integrieren. Siebegrüßt die Initiativen der Europäischen Kommissionzum Abbau von Handelshemmnissenim weltweiten Rohstoffhandel. Prioritär solltenExportsteuern und Importsubventionen im Rohstoffhandelabgebaut werden, um für fairen undfreien Handel zu sorgen. Verhandlungen hierzukönnen einerseits im Rahmen der WTO und andererseitsin bilateralen Freihandelsabkommenerfolgen.Die heimischen Rohstoffpotenziale sollen erkundetund besser genutzt werden, um einen Beitragfür eine nachhaltige Rohstoffwirtschaft zuleisten. Beispiele sind bisher nicht wirtschaftlichgewinnbare Kalisalzlagerstätten, die genehmigteMetallerzexploration in Sachsen und Brandenburgsowie die Wiederherstellung eingestürzterehemaliger Flussspatgruben im Schwarzwaldund im Erzgebirge.Nachwachsende Agrarrohstoffe und Holz sindwichtige heimische und nachhaltig nutzbareRohstoffe. Im Agrarbereich sollen die Anbau- undNutzungspotenziale für eine Vielfalt stofflicherNutzungen besser erschlossen werden. Hierzukönnen auch bisherige Stilllegungsflächen wiederin Nutzung genommen werden. Im Forstbereichwird eine höhere und effizientere Ausschöpfungder vorhandenen Rohholzpotenzialeangestrebt. Dies leistet einen wichtigen Beitrag,die Importabhängigkeit zu reduzieren. Dazusind die Weiterentwicklung waldschonenderund wirtschaftlicher Nutzungsverfahren sowieVerbesserungen in der Holzlogistik erforderlich.Unternehmen der deutschen rohstoffverarbeitendenIndustrie sollen ermuntert werden, sichselbst bei der Exploration und Rohstoffgewinnungim Ausland zu engagieren (Strategie derRückwärtsintegration).Zur besseren Einschätzung der Entwicklungenauf den Rohstoffmärkten will die WirtschaftStrukturen schaffen, mit denen internationaleRohstoffdaten und Informationen über rohstoffwirtschaftlicheEntwicklungen zusammengeführtund für die rohstoffverarbeitende Industriebesser nutzbar gemacht werden – eine Art„Frühwarnsystem“ für die Rohstoff gewinnendeund verarbeitende Industrie.Auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeitsoll erreicht werden, rohstoffreicheEntwicklungsländer dabei zu unterstützen, denRohstoffreichtum <strong>zur</strong> nachhaltigen Entwicklungder Wirtschaftskraft des Landes sowie <strong>zur</strong>Armutsreduzierung zu nutzen. Dabei findet dieUmsetzung international anerkannter Mindeststandardsund der Konventionen in den BereichenUmwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutzbesondere Berücksichtigung. Auf der Basis einerguten Regierungsführung kann der Rohstoffsektor<strong>zur</strong> wirtschaftlichen Entwicklung undDiversifizierung der Wirtschaftsstrukturen derProduzentenländer und gleichzeitig zum Nutzender Verbraucherländer beitragen. Daher werdenAufbau und Entwicklung effizienter staatlicherInstitutionen und verlässlicher sektorpolitischerRahmenbedingungen unterstützt, die eine wichtigeVoraussetzung auch für privatwirtschaftlichesEngagement darstellen.Bestehende Rohstoff-Forschungsaktivitätensollen gestärkt und besser vernetzt werden.Insbesondere im Bereich der Rohstofferkundungund -gewinnung liegen wichtige rohstoffwirtschaftliche,lagerstättenkundliche und bergbauspezifischeForschungsfelder. Diese Bereiche sindfür eine nachhaltige Entwicklung gerade auchin den Entwicklungs- und Industrieländern vonbesonderer Bedeutung.In dem neu eingerichteten InterministeriellenAusschuss „Rohstoffe“ sollen Probleme der Rohstoffversorgungin enger Kooperation von Ressorts undWirtschaft aufgegriffen und gelöst werden. Paralleldazu hat sich im Bundesverband der DeutschenIndustrie (BDI) der Ausschuss „Rohstoffpolitik“ konstituiert.e) Nachhaltige Bedingungen für Rohstoffgewinnungund -importeDie Gewinnung von Rohstoffen steht im Spannungsfeldzwischen ökonomischen Anforderungenund Zielen des Umwelt- und Ressourcenschutzes.Bergbau sowie Land- und Forstwirtschaft versorgenuns mit den notwendigen Rohstoffen, ohne dieunser heutiges Leben nicht vorstellbar wäre. Dasbetrifft nicht nur Technik. Mineralische Düngemittel– wie das im Bergbau gewonnene Kali – sind vonentscheidender Bedeutung für die Sicherung einer


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND111nachhaltigen Ernährung der Weltbevölkerung. So istdas natürlich vorkommende Kochsalz (Halit, NaCl) inSpuren essentiell für unser Überleben.Bergbau ist zwangsläufig mit Eingriffen in dieNatur verbunden. Aus Sicht des Umweltschutzes istdieser Naturverbrauch besonders problematisch insensiblen Ökosystemen wie z. B. in arktischen Regionenoder in Gebieten mit hoher Biodiversität wie Regenwäldern.Je nach Gewinnungsverfahren sind fürdie Förderung von Rohstoffen z. T. erhebliche Massenverlagerungenerforderlich. Besonders groß istder Mengenunterschied zwischen Abraum und Produktbei der Gewinnung von Selten- und Edelmetallen.Toxische Stoffe wie Cadmium oder Quecksilber,die entweder im Gestein gebunden waren oder imAufbereitungsprozess eingesetzt wurden, könnenbei unsachgemäßer Behandlung über die Abwässeroder als Stäube in die Umwelt gelangen. Auch derTransport von Rohstoffen aus den Abbaugebietenerfordert eine Transportinfrastruktur, die zusätzlichFlächen in Anspruch nimmt und gleichzeitig bislangentlegene Regionen für zusätzliche wirtschaftlicheNutzungen erschließen kann. Wichtig ist daher, eineumweltschonende Rohstoffgewinnung anzustreben,die Emissionen in die Umweltmedien minimiert,den Flächenbedarf möglichst gering hält undnach Beendigung des Bergbaus die Flächen soweitmöglich wieder rekultiviert oder renaturiert.Das deutsche Bergrecht enthält hier strenge Vorgaben.Der deutsche Bergbau gilt auf diesem Gebietals weltweit führend. Auch bei Arbeitssicherheitund Gesundheitsschutz gelten strenge Anforderungen.In Entwicklungsländern sieht die Situation oftanders aus. Hier bleibt die Umsetzung ökologischerund sozialer Standards wichtig. Hierzu gehört dieSchaffung und Einhaltung von Arbeits- und Gesundheitsschutzebenso wie z. B. die Abschaffung vonKinder- und Zwangsarbeit im Bergbau (wie auch inder vierten Managementregel „Gefahren und unvertretbareRisiken für die menschliche Gesundheit sindzu vermeiden“ gefordert). Eine nachhaltige Rohstoffwirtschafterfordert ferner die angemessene Berücksichtigungder lokalen Bevölkerung. Besonders derKleinbergbau ist eine zusätzliche Einkommensquellefür die lokale Bevölkerung; allein in den LändernMali, Burkina Faso, Ghana, Simbabwe und Tansanialeben fast zwei Mio. Menschen vom Kleinbergbau.Zwar haben die meisten Entwicklungsländer Regelwerkemit Mindeststandards für den Sektor entwickelt,doch die Umsetzung und Kontrolle etwadurch Aufsichtsbehörden ist vielfach un<strong>zur</strong>eichend.Wo staatliche Vorgaben zu Umwelt-, SicherheitsundGesundheitsstandards fehlen oder deren Einhaltungnicht kontrolliert wird, fordert die BundesregierungUnternehmen dazu auf, im Eigeninteresseentsprechende Standards einzuhalten.Rohstoffreichtum und Korruption gehen in derPraxis leider noch oft Hand in Hand. In rohstoffreichenEntwicklungsländern fließen von Einnahmendes Staates aus der Gewinnung von Bodenschätzenund Holz in der Regel nur Teile in den Staatshaushalt.Die Höhe der mit der Rohstoffgewinnung verbundenenGeldströme schafft starke Anreize zu Mittelmissbrauchund Korruption. Staatliche Institutionensind oft nicht in der Lage, die geförderten Produktekorrekt zu bewerten und stehen häufig kompetentenmulti<strong>nationalen</strong> Unternehmen des Bergbausektorsgegenüber. Darüber hinaus können sie ausKapazitätsgründen vielfach die Einnahmen aus derRohstoffgewinnung nicht transparent erheben unddiese in den öffentlichen Haushalt einstellen. Dieinstitutionellen, sektorpolitischen und gesetzlichenRahmenbedingungen sind oft un<strong>zur</strong>eichend. Korruptionund mangelnde Transparenz untergrabendie Armutsminderung und demokratische Teilhabe.Öffentliche Ressourcen werden oft verschwendet,statt mit ihnen nachhaltige Entwicklung im Interessealler Bevölkerungsgruppen zu fördern. GeradeEinnahmen aus dem Handel mit hochpreisigenRohstoffen werden häufig für das Austragen vongewalttätigen Konflikten zwischen verschiedenenInteressengruppen genutzt.International anerkannte Standards undKonventionenDie Bundesregierung unterstützt die Umsetzunginternational anerkannter Mindeststandards undKonventionen in den Bereichen Umwelt-, ArbeitsundGesundheitsschutz und bezieht die Verantwortungdes privaten Sektors im Sinne des GlobalCompact und der OECD-Leitsätze für multinationaleUnternehmen ein. Die Einhaltung von Sozial- undUmweltstandards muss von den bergbautreibendenUnternehmen beachtet, ihre Umsetzung von Aufsichtsbehördenund Finanzgebern kontrolliert undeingefordert werden. Zudem leisten freiwillige Initiativender Industrie ( Corporate Social Responsibility)einen wichtigen Beitrag in diesem Bereich, z. B. überden International Council on Minerals and Metals(ICMM) oder Selbstverpflichtung von Finanzierungsinstitutionen(Äquator-Prinzipien). Die Bundesregierungunterstützt rohstoffreiche Partnerländer dabei,ihren Rohstoffsektor transparent und im Sinne derNachhaltigkeit zu gestalten sowie dessen Beitrag <strong>zur</strong>Armutsminderung zu optimieren.


112 NACHHALTIGE ROHSTOFFWIRTSCHAFTGute RegierungsführungAls ein zentrales Instrument guter Regierungsführung(Good Governance) und der Bekämpfungvon Korruption im Rohstoffsektor haben sich dabeiin den letzten Jahren Transparenzinitiativen entwickelt,in denen Regierungsvertreter, Unternehmensowie nationale und internationale Zivilgesellschaftzusammenwirken (sogenannte Multi-Stakeholder-Initiativen). Ein Beispiel hierfür ist die von der Bundesregierungunterstützte Extractive IndustriesTransparency Initiative (EITI). Diese von Zivilgesellschaft,Privatsektor und Regierungen gemeinsam ineinem Multi-Stakeholder-Prozess getragene Initiativeverfolgt das Ziel, die häufig intransparenten rohstoffinduziertenGeldströme offen zu legen. Darüberhinaus ist die Zivilgesellschaft beim Aufbau und derUnterstützung von Transparenz und Good Governanceim Rohstoffsektor sehr aktiv, hier ist insbesonderedie Kampagne „Publish What You Pay“ (PWYP)zu nennen, deren Arbeit auch von der Bundesregierungsehr geschätzt wird. Zertifizierungsmaßnahmenerhöhen die Transparenz bei Gewinnung undVerarbeitung von Rohstoffen und tragen damit <strong>zur</strong>Minderung von Armut und Konfliktvermeidung inden rohstoffreichen Entwicklungsländern bei.Transparenz und betrieblicher UmweltschutzZur Transparenz von Geschäftsprozessen trägtdie von der Bundesregierung empfohlene Einführungbetrieblicher Umweltmanagementsysteme bei,insbesondere auf der Basis der europäischen Öko-Audit Verordnung (EMAS), das als einziges Umweltmanagementsystemdie Einhaltung der Rechtsvorschriftenverlangt, ferner aber auch nach ISO 14001.Fortschritte bringen können daneben auch freiwilligeUmweltberichte der Unternehmen, betrieblicheund produktbezogene Ökobilanzen oder Ansätze <strong>zur</strong>verantwortungsbewussten Unternehmensführung( Corporate Social Responsibility). Im Wesentlichenwerden dabei die Umweltwirkungen der in denProduktionsprozess einfließenden Materialien sowiedes Produktes selbst auf die am Produktionsprozessbeteiligten Arbeitnehmer und die Endverbraucherberücksichtigt. Im inter<strong>nationalen</strong> Kontext gewinnendie OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmenund die Globale Berichterstattungsinitiative(Global Reporting Initiative – GRI) immer mehran Bedeutung für Unternehmen, die ihre Transparenzhinsichtlich sozialer Belange und Umweltauswirkungenerhöhen wollen. Die Bundesregierungfordert die Unternehmen auf, diese freiwilligenStandards anzuwenden.Beschaffungsvorgabe für HolzprodukteNachhaltige Bedingungen für Rohstoffgewinnungund -import werden ferner durch eine Beschaffungsvorgabeder Bundesregierung für Holzprodukteunterstützt. Am 17. Januar 2007 hat dieBundesregierung eine Regelung erlassen, wonachHolzprodukte, die durch die Bundesverwaltung beschafftwerden, nachweislich aus legaler und nachhaltigerWaldbewirtschaftung stammen müssen. AlsNachweis anerkannt werden hierbei Zertifikate vonFSC (Forest Stewardship Council), PEFC (Programmefor the Endorsement of Forest Certification Schemes)oder vergleichbaren Initiativen. Damit wird ein deutlichesSignal für die große Bedeutung einer umweltgerechten,sozialverträglichen und wirtschaftlichdauerhaft tragfähigen Bewirtschaftung der Wälderweltweit gesetzt. Bereits heute sind in Deutschland70 % der Gesamtwaldfläche (rd. 11 Mio. ha) zertifiziert,weltweit sind es ca. 270 Mio. ha (rd. 7 % derWeltwaldfläche) – Tendenz weiter steigend. Auf denkonsequenten Ausschluss von Holz aus illegalenQuellen, weltweit, zielen Selbstverpflichtungen dereuropäischen Papierindustrie sowie (seit Mitte 2007)des Deutschen Holzhandels.3. Konkrete VorhabenUm den Ansatz einer breit angelegten Rohstoffstrategieumzusetzen, verfolgt die Bundesregierung verschiedeneVorhaben. Im nachfolgenden Text werdenausgewählte aktuelle Ressortprojekte vorgestellt.a) Förderschwerpunkte <strong>zur</strong> Erhöhung derRessourceneffizienzIm Rahmen der Hightech-Strategie und desRahmenprogramms „Forschung für die Nachhaltigkeit“( Fona) fördert die Bundesregierung innovativeForschungsprojekte. Der Schwerpunkt liegt dabeiin der Förderung von Verbundprojekten, in denenPartner aus Universitäten, Forschungsinstituten undUnternehmen sowie anderen gesellschaftlichenAkteuren zusammen arbeiten.Rohstoffintensive Wirtschaftsbereiche als HebelMaßnahmen <strong>zur</strong> Effizienzsteigerung in den rohstoffintensivenWirtschaftsbereichen können einegroße Hebelwirkung nach sich ziehen und zu Effizienzgewinnenin weiteren Bereichen führen. Deshalbzielt die Fördermaßnahme „Innovative Technologienfür Ressourceneffizienz – Rohstoffintensive Produktionsprozesse“auf rohstoffnahe Industrien mit hohem


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND113Primärmaterialeinsatz, etwa die Verarbeitung vonmineralischen Rohstoffen (u. a. Metalle) oder die Herstellungvon chemischen Grundstoffen.Schwerpunkt der FörderungDie Förderung richtet sich an Projekte, die einen substanziellenBeitrag <strong>zur</strong> Steigerung der Ressourceneffizienz in rohstoffintensivenProduktionsbereichen erwarten lassen, insbesonderebei Rohstoffen, die mengenmäßig ins Gewicht fallen.Darüber hinaus können auch seltene Rohstoffe betrachtetwerden, die bei hoher Importabhängigkeit für hochwertigeTechnologien unersetzbar sind. Im Fokus stehen damit Produktionsbereichewie die Herstellung bzw. Verarbeitung vonEisen, Nichteisenmetallen, Glas, Papier und Keramik sowie dieChemie- und Baustoffindustrie.Diese Produktionsprozesse stehen am Beginn vonweit verzweigten Wertschöpfungsketten und hiererzielte Effekte wirken sich auf alle anschließendenProduktionsverfahren und Produkte aus. Zukunftsweisendsind Lösungen, die den Rohstoffeinsatznicht nur auf Betriebsebene, sondern entlang einergesamten Prozesskette optimieren.Die Rolle von KMUAuch im Rahmen der im September 2007 gestartetenFörderinitiative „KMU-innovativ“ werdenF+E-Arbeiten <strong>zur</strong> Erhöhung der Energie- undRessourceneffizienz gefördert. Die Initiative hat dasübergreifende Ziel, die Spitzenforschung im Mittelstandzu stärken und innovative Unternehmen anunterschiedliche Fachprogramme der Bundesregierungheranzuführen.LeichtbauDie Ende 2006 ausgeschriebene Fördermaßnahme„Funktionsintegrierter Leichtbau“ setzt Impulsefür die Entwicklung neuartiger Leichtbaukonzepte.Das entscheidende Innovationsmerkmal ist dabeidie Integration von zusätzlichen Funktionalitäten(z. B. sensorische Funktionselemente) in Leichtbauwerkstoffe.Diese kann zu Energie- und Materialeinsparungenwährend der Nutzungsphase sowie zuKosteneinsparungen bei der Herstellung führen.Mit der in 2005 ausgeschriebenen Förderbekanntmachung„Werkstoffe für Produkte undVerfahren mit hoher Ressourceneffizienz“ werdenmit fast 25 Mio. Euro Werkstoffentwicklungen imRahmen von insgesamt 14 bis Ende <strong>2008</strong> bzw. Anfang2009 laufenden Verbundprojekten gefördert, diebei der Anwendung in technischen Systemen einenBeitrag <strong>zur</strong> Einsparung von Ressourcen ( Energie,Material, Produktionszeit) leisten. Mit der Bekanntmachung„Höchstleistungswerkstoffe“, die Mitte2007 ausgeschrieben wurde, sollen Leistungssprüngein energetischen Umwandlungsprozessen durchWerkstofftechnologien initiiert werden.NanotechnologieAuch die Nanotechnologie kann wichtige Beiträge<strong>zur</strong> Steigerung der Ressourceneffizienz und zumnachhaltigen Umgang mit Rohstoffen leisten:Die Bekanntmachung „NanoTecture“ (VeröffentlichungMitte 2007) zielt auf die Entwicklung neueroder entscheidend verbesserter Baustoffe, Materialienund Verfahren durch den Einsatz der Nanotechnologie.Schwerpunkte der FörderungThematische Schwerpunkte der Forschungsarbeiten sind u. a.die Erhöhung der Haltbarkeit von Gebäudeelementen, eineReduzierung des Energiebedarfs durch nanotechnologischeEffekte, die Verbesserung von Raumklima, Wohnkomfort undSicherheit, die Verbesserung von Energieeffizienz und Langlebigkeitzementgebundener Werkstoffe sowie eine Erhöhungder Beständigkeit von Straßenbelägen.Im Zentrum der Förderbekanntmachung„NanoTextil“ (veröffentlicht Mitte 2007) steht dieEntwicklung neuer oder entscheidend verbessertertechnischer Textilien oder Funktionsbekleidungendurch den Einsatz der Nanotechnologie. Die Verbundprojektebeinhalten neue nanotechnologischeForschungsansätze im Bereich der Fasern, Garne,Gewebe, Gewirke, Geflechte, Vliesstoffe, Beschichtungen,Verbindungstechniken und Composite(= zusammengesetzte Werkstoffe o. ä.).Solarzellen, Litihium-Ionen-BatterieDie Entwicklung alternativer Materialien fürbiegsame, leichte und kostengünstige Solarzellenauf der Basis organischer und polymerer Werkstoffeist ein Schwerpunkt der gemeinsam von Wirtschaft,Wissenschaft und der Bundesregierung getragenenInnovationsallianz „Organische Photovoltaik“, dieMitte 2007 veröffentlicht wurde. Organische Solarzelleneignen sich beispielsweise für die Stromerzeugungin Mobiltelefonen oder in der Bauindustrie,wo sie künftig auf Dächern, Fassaden oder FensternStrom erzeugen könnten. Voraussetzung für solcheAnwendungen sind jedoch höhere Wirkungsgrade,eine wesentlich höhere Lebensdauer der Bauelementeund geringere Herstellkosten. Hierzu werden


114 NACHHALTIGE ROHSTOFFWIRTSCHAFTHochtechnologie-Metalle wie z. B. Gallium, Germaniumoder Indium benötigt.In strategischer Partnerschaft zwischen Wissenschaft,Wirtschaft und öffentlicher Hand wurde imNovember 2007 die Innovationsallianz „Lithium-Ionen-Batterie – LIB 2015“ gestartet. Ziel ist dieEntwicklung einer neuen Generation von leistungsstärkerenund zugleich sicheren, preisgünstigen undleichten Batterien.Neben technologischen Ansätzen sind wirtschaftswissenschaftlicheInnovationen für Verbesserungenim Bereich der Recyclingwirtschaft nötig.Im Rahmen des Fona-Förderschwerpunkts „Wirtschaftswissenschaftenfür Nachhaltigkeit“ fördertdie Bundesregierung volkswirtschaftliche Ansätze,die einen wirksamen wissenschaftlichen Beitrag <strong>zur</strong>Konkretisierung, Weiterentwicklung und Umsetzungvon Nachhaltigkeitskonzepten leisten, etwadurch die Analyse von Innovationsprozessen undvon effizienten Institutionen.b) Verbesserung der Materialeffizienz inkleinen und mittleren Unternehmen (KMU)Es existieren bereits heute moderne Technologienund geeignete Managementmethoden, um MaterialundEnergiekosten deutlich zu reduzieren. Die betrieblichePraxis zeigt jedoch, dass dieses Potenzial nichtgenügend genutzt wird. Insbesondere im Mittelstandkönnen das Bewusstsein über mögliche Einsparpotenzialesowie technisches, logistisches und Management-Know-how noch gestärkt werden. Eine konsequenteAusnutzung der betriebswirtschaftlich rentablen Kostensenkungspotenzialeverbessert die Wettbewerbsfähigkeitder deutschen Wirtschaft und schafft neueArbeitsplätze. Gleichzeitig bedeutet jede Reduzierungdes Energieverbrauchs und der Materialdurchsätzeauch eine erhebliche Entlastung der Umwelt.Materialeffizienz-ProgrammEin Programm <strong>zur</strong> Verbesserung der Materialeffizienzmacht KMU auf bestehende Defizite aufmerksamund unterstützt sie bei der Verbesserung desMaterialeinsatzes. Zur Zeit werden über die deutscheMaterialeffizienzagentur 350 Projekte <strong>zur</strong> Verbesserungder Materialeffizienz in KMU gefördert. Nebenrd. 270 Erstberatungen werden auch 50 Vertiefungsberatungenund 17 Netzwerke unterstützt.Gerade unter Nachhaltigkeitsaspekten ist dieVerbesserung der Materialeffizienz entlang derWertschöpfungskette sehr wichtig, da dadurchüberbetrieblich und gemeinsam erhebliche Optimierungspotenzialegefunden werden können. Dieskann von der einfachen Abstimmung der Anforderungenfür Zulieferungen (z. B. Oberflächenbeschaffenheit)bis zum konstruktiven Design und der dazunötigen Festlegung der Materialien reichen. Eineaktuelle Studie (A. Brinkhoff/U. Thonemann, „PerfekteProjekte in der Lieferkette“, in: Harvard BusinessManager, Juni 2007) zeigt, dass Projekte entlang derWertschöpfungskette (Supply Chain Management)sehr oft an relativ leicht zu vermeidenden Problemenbei der Projektgenese und Durchführung scheitern.Die klare Ausrichtung auf die Verbesserung derMaterialeffizienz sollte bei entsprechenden Supply-Chain-Management-Projekten zu deutlich wenigerhohen Ausfallzahlen führen. Ein Ziel des Programmsder deutschen Materialeffizienzagentur ist es, derartigeNetzwerke zu fördern.c) Das Netzwerk RessourceneffizienzDas im März 2007 von der Bundesregierunggegründete Netzwerk soll dazu beitragen, DeutschlandsVolkswirtschaft zum Vorreiter beim schonendenund umweltverträglichen Umgang mit Energieund Rohstoffen zu machen. Zu den Netzwerkpartnerngehören wissenschaftliche Institutionen,Stiftungen, Verbände, Gewerkschaften und Unternehmen.Das Netzwerk spricht Akteure an, die alsMultiplikatoren in betriebliche und wissenschaftlicheBereiche hineinwirken: Ingenieure, Techniker,Unternehmen und Wissenschaftler können hier ihreErfahrungen austauschen, Know-how aufbauen undso auf allen Ebenen des Energie- und RohstoffeinsatzesVerbesserungen bei der Ressourceneffizienz anstoßen.Das Netzwerk ist offen für alle Personen undInstitutionen, die sich mit dem Thema Ressourceneffizienzbeschäftigen und sich für die Steigerung derRessourceneffizienz einsetzen wollen.Ziele des Netzwerks Ressourceneffizienz• in der Entwicklung, Produktion und Bereitstellung vonWaren und Dienstleistungen wie auch im Konsum eine effizientereRessourcennutzung und eine höhere Wertschätzungfür die Ressourcenschonung fördern• die Akteure und die Aktivitäten in Politik, Wirtschaft, Gewerkschaftenund Wissenschaft zusammenführen und ineinem Kompetenzverbund bündeln• den Erfahrungsaustausch über die konkrete Machbarkeit derRessourceneffizienz verbessern• Vorschläge für Rahmenbedingungen entwickeln, umHemmnisse abzubauen und Anreize für eine effizientereRessourcennutzung zu gebenAls Ideenplattform fördert das Netzwerk denfachlichen Erfahrungsaustausch durch regelmäßigeNetzwerkkonferenzen, gezielte Informationen und


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND115Hilfen für Klein- und Mittelbetriebe, die Bekanntmachungvon Best-Practice-Beispielen, Expertenveranstaltungenzu ausgewählten Themenschwerpunktensowie durch die Erarbeitung eines Weiterbildungskonzepts<strong>zur</strong> Verbesserung der Ressourceneffizienzin Unternehmen.Ein inhaltlicher Schwerpunkt des Netzwerks istdie Nutzung von Effizienzpotenzialen durch denEinsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie(IKT). Hierfür arbeitet die Bundesregierungeng mit dem zuständigen Branchenverbandzusammen. Das Ziel ist die Verringerung des Stromundmittelfristig des Materialverbrauchs in dieserwie in anderen Branchen.Bereits im Jahr 2004 entsprach der IKT-bezogeneStromverbrauch in Deutschland über 28 Mio. t CO 2.Derzeit liegt der auf die IKT entfallende Strombedarfbei ca. 8 % am gesamten Stromverbrauch der Endenergiesektoren.Allein der Stromverbrauch des Internetsbeläuft sich auf über 2 %. Auch „virtuelle“ Aktivitätenverursachen entgegen der landläufigen Meinungalso einen ganz erheblichen Ressourcenverbrauch.Die fortschreitende Durchdringung des Alltags durchdas Internet lässt infolge des wachsenden Bestandsan Geräten, Infrastruktur und Anwendungen einenweiteren steigenden Stromverbrauch erwarten.Gleichzeitig unterstützt die IKT aber auchRessourceneinsparungen in allen Wirtschaftsbereichen.Die intelligente Steuerung von Motoren, Maschinenund Anlagen in der Verfahrens- und Gebäudetechnik,computergestütztes Produktdesign oderdie Optimierung in Transport und Logistik mittelsSupply-Chain-Management-Lösungen tragen erheblich<strong>zur</strong> Erhöhung der Ressourceneffizienz bei.Untersuchungen zeigen, dass mit Hilfe derbreiten Anwendung von heute bereits bei Vorreiterneingesetzten energieeffizienten Technologienim Zeitraum 2007–2010 insgesamt ca. 20 Terrawattstunden(entspricht 13,5 Mio. t CO 2) eingespart werdenkönnten. Allein die Betreiber von Rechenzentrenin Deutschland könnten auf diese Weise bis 2010rd. 2,5 Mrd. Euro an Stromkosten einsparen. DasNetzwerk Ressourceneffizienz greift diese Erkenntnisseauf und sorgt durch seine Multiplikatorenfunktiondafür, dass verstärkt energie- und materialeffizienteIKT-Lösungen umgesetzt werden.d) Nutzung von Holz <strong>zur</strong> Substitution endlicherRohstoffeDie Auswertung der Bundeswaldinventur hat2004 ergeben, dass Deutschland mit seinen11 Mio. ha Wald über die umfangreichsten Holzvorrätein Europa (3,4 Mrd. m 3 ) und hohe jährlicheZuwächse (100 Mio. m 3 ) verfügt. Um die mit einerverstärkten Holzverwendung verbundenen positivenEffekte (klima-, energie-, umwelt- und ressourcenpolitisch)zu forcieren, wurde von der Bundesregierungdie Charta für Holz erarbeitet.Clusterstudie Forst & HolzEin Schwerpunkt dieser Holzcharta, die ClusterstudieForst & Holz, liefert in den Jahren 2006–<strong>2008</strong>eine gute Grundlage <strong>zur</strong> weiteren Optimierung derWertschöpfungskette vom heimischen Wald zumHolzprodukt und damit zu nachhaltiger Wirtschaftsentwicklungund Schaffung von Arbeitsplätzen:Zur künftigen nachhaltigen Holznutzung wurdenverschiedene Szenarien untersucht – vonder weiteren Vorratsanreicherung bis hin <strong>zur</strong>Nutzung der seit Ende der 1980er Jahre zusätzlichakkumulierten Vorräte – und Möglichkeiten<strong>zur</strong> Holzmobilisierung aufgezeigt. Bisher wenigausgeschöpfte Holznutzungspotenziale bestehenvor allem beim Laubholz und Waldrestholz.In einer Stärken-Schwächen- sowie Chancen-Risiken-Analysewurden Maßnahmen <strong>zur</strong> Stärkungder Branche Forst und Holz entwickelt und weitereAnsatzpunkte <strong>zur</strong> Verbesserung der nachhaltigenRohstoffwirtschaft aufgezeigt. Danach weistdie Holz be- und verarbeitende Industrie einhohes Produktivitäts- und Innovationspotenzialauf. Hinzu kommt auch ein weit gefächertes undinnovatives Branchenumfeld. LeistungsfähigeMaschinen- und Anlagenbauer arbeiten eng mitden Forschungseinrichtungen zusammen undnehmen daher eine internationale Spitzenstellungein. Die nachhaltige Waldbewirtschaftungmit der flächigen Rohholzbereitstellung, die guteInfrastruktur und die Nähe zu den Absatzmärktensind wichtige Standortvorteile, auf derenGrundlage die deutsche Holzwirtschaft in denletzten Jahren ihre internationale Wettbewerbsfähigkeitsteigern konnte.Um diese positive Entwicklung auch in Zukunftweiter fortsetzen zu können, sind Weiterentwicklungenin der Verfahrenstechnik und Holzlogistik,eine Intensivierung der Kaskadennutzungund eine verstärkte Rohholzbereitstellung unerlässlich.Die Bundesregierung wird deshalbihre Aktivitäten in den Bereichen Bildung, Forschungund Entwicklung bei Maßnahmen <strong>zur</strong>Rohholzbereitstellung verstärken. Dabei wird es


116 NACHHALTIGE ROHSTOFFWIRTSCHAFTum einen breiten Ansatz <strong>zur</strong> Rohstoffsicherunggehen. Die Themen „Kurzumtriebsplantagen“,„Landschaftspflegeholz“ und „Rohstoff orientierterWaldbau“ sollen in Zusammenarbeit mitWirtschaft, Wissenschaft und anderen Akteurengezielt für neue Förderschwerpunkte aufbereitetwerden.Die Mobilisierung bisher nicht oder nur wenigausgeschöpfter Holznutzungspotenziale insbesondereim Privatwald soll mit einem Maßnahmenbündelweiter verbessert werden.Maßnahmen• Informations- und Fortbildungsveranstaltungen für forstlicheZusammenschlüsse• Verbesserung der Logistik durch ein digitalisiertes Navigationssystemzwischen den Waldlager- und Verarbeitungsstandorten• Gewährung einer Rohholzmobilisierungsprämie für forstlicheZusammenschlüsse im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe<strong>zur</strong> Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes(GAK)• Auslobung eines mit 10.000 Euro dotierten Innovationspreisesfür besonders vorteilhafte Forsttechnik im Kleinprivatwald• Symposiumreihe zum Thema „Holz – Rohstoff mit Zukunft“Holz als Ersatz für andere RohstoffeUm den Einsatz von Holz als Substitut für energieundrohstoffintensivere Roh- und Werkstoffe zuverstärken, hat die Bundesregierung eine Reihe vonForschungsvorhaben initiiert.Forschungsvorhaben• Forschungsvorhaben <strong>zur</strong> Herstellung von leichteren Holzwerkstoffenmit Schaumkernen, mit denen der Materialverbrauchauf ca. 30 % gesenkt und die Weiterverarbeitungseigenschaftenerheblich verbessert werden sollen• Forschungsvorhaben zum Ersatz eines für die Lebensmittel-und Pharmaindustrie wichtigen Inhaltsstoffs aus demtropischen Pockholz durch geeignete Inhaltsstoffe ausheimischer Buche, auch als Beitrag zum Tropenwaldschutz• Projekte <strong>zur</strong> Verbesserung der Rahmenbedingungen fürdie Holzverwendung im Baubereich. So soll im Rahmen desProjektes „ÖkoPot“ konkret aufgezeigt werden, welcheökologischen Potenziale durch vermehrte Holznutzung z. B.im Konstruktions-, Bau- und Renovierungsbereich erschlossenwerden könnene) Transparenz und Korruptionsbekämpfung imRohstoffsektor von EntwicklungsländernGute Regierungsführung und die Verbesserungvon Transparenz bei der Rohstoffgewinnung, demRohstoffhandel und den daraus erzielten Einnahmensind wesentliche Voraussetzungen <strong>zur</strong> Verringerungvon Korruption und Misswirtschaft sowie füreine verantwortungsvolle Verwendung der Einnahmen.Während der deutschen EU- und G8-Präsidentschaftin 2007 bekräftigte die Bundesregierungihre Unterstützung für mehr Transparenz und einenverantwortlichen Umgang mit Rohstoffen.Extractive Industries Transparency InitiativeDabei unterstützt Deutschland insbesondere dieExtractive Industries Transparency Initiative (EITI)sowie Zertifizierungsmaßnahmen im Rohstoffsektor.Die Bundesregierung ist Mitglied im EITI-Aufsichtsratund unterstützt diese Initiative politisch undfinanziellmit Beiträgen zum Multi-Geber Treuhandfonds(MDTF) mit dem Ziel, die Partnerländer bei derUmsetzung der <strong>nationalen</strong> EITI-Prozesse zu unterstützen,mit der Mitfinanzierung des inter<strong>nationalen</strong>Sekretariats in Oslo mit dem Ziel, neue Partnerländer<strong>zur</strong> Teilnahme an EITI zu bewegen,mit bilateralen Unterstützungen in den umsetzendenEntwicklungsländern, z. B. in Ghana undder DR Kongo, sowie der Rechnungshöfe in derCEMAC-Region.ZertifizierungsmaßnahmenEin weiteres Instrument, um die Transparenzbei Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffenzu erhöhen und so <strong>zur</strong> Minderung von Armut undKonfliktvermeidung in den rohstoffreichen Entwicklungsländernbeizutragen, sind Zertifizierungsmaßnahmen.In den letzten Jahren sind zahlreicheInitiativen gemeinsam von Bergbauindustrie,Regierungen, inter<strong>nationalen</strong> Organisationen undNichtregierungsorganisationen begründet worden,die auf eine freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmenund auf Zertifizierungssysteme hinzielen(z. B. Green Lead Initiative, Mining CertificationEvaluation Project (MCEP), Kimberley Process).Die Bundesregierung fördert die Entwicklungvon Zertifizierungssystemen. So wurde z. B. die Möglichkeiteines chemischen Nachweisverfahrens <strong>zur</strong>Herkunftsbestimmung (fingerprinting) von Coltan(Minerale der Columbit-Tantalit-Gruppe) untersucht.Ziel ist, die Herkunft gehandelter Coltanerze zuüberprüfen und damit eine Diskriminierung von Lie-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND117ferungen aus Konfliktregionen zu erreichen. Der illegaleAbbau von Coltan in den Ostprovinzen der DRKongo wurde in den letzten Jahren immer wieder alsein Grund für die Fortsetzung bewaffneter Konflikteidentifiziert. Es konnten geeignete Laborverfahrenentwickelt werden, die die Herkunft von Coltanerzenaus verschiedenen Abbaugebieten in Zentralafrikaeindeutig belegen. Ein Herkunftsnachweis istsomit durch analytische Methoden grundsätzlichmöglich, kann allerdings je nach Herkunftsgebietsehr aufwändig sein. Die Weiterentwicklung undStandardisierung der Verfahren wird fortgesetzt undsoll zukünftig auch auf Zink, Wolfram und Platinausgeweitet werden.Die Bundesregierung unterstützt zudem dieEntwicklung von Zertifizierten Handelsketten imBereich mineralischer Rohstoffe, mit dem Fokus aufden Kleinbergbau. Eine erste Studie wurde im April2007 vorgestellt. Ziel der Maßnahme ist, durch dieErschließung von Rohstoffpotenzialen Armut zumindern und Konflikte in Entwicklungsländern zuvermeiden. Gleichzeitig kann dadurch ein Beitrag<strong>zur</strong> Verbesserung der Versorgungssicherheit für dieIndustrie sowie der Sozial- und der Umweltverträglichkeitder Rohstoffgewinnung geleistet werden.Mit der Durchführung eines Pilotprojekts <strong>zur</strong>Zertifizierung einer Rohstoffhandelskette wurde imersten Drittel des Jahres <strong>2008</strong> begonnen (Ruanda).Internationale Konferenz zu „Transparenz imRohstoffsektor“Im Rahmen der deutschen G8-Präsidentschaftveranstaltete die Bundesregierung am 14. Dezember2007 in Berlin eine internationale Konferenzzu „Transparenz im Rohstoffsektor“, die mit über200 Teilnehmern und Teilnehmerinnen (Regierungen,inter<strong>nationalen</strong> Organisationen, Zivilgesellschaft,Wirtschaft) aus Industrie-, Schwellen- undEntwicklungsländern ein reges Interesse fand. DieBundesregierung wird das Thema der Transparenzim Rohstoffsektor weiterhin in die relevanten inter<strong>nationalen</strong>Foren einschließlich der G8 einbringenund engagiert im Dialog mit den Schwellenländernbleiben.Herkunftsnachweis von HolzErgänzend <strong>zur</strong> verstärkten Beschaffung von Holzaus zertifizierten Quellen und zum Ausschluss illegalerQuellen durch Wirtschaft und öffentliche Auftraggeberarbeitet die Bundesregierung intensiv anNachweisverfahren <strong>zur</strong> Herkunft von gehandeltenHölzern mit chemischen und genetischen Methoden(fingerprinting). Diese sollen in den nächsten Jahrenbei einigen wichtigen Handelshölzern anwendungsreifwerden und damit die bereits bestehendenErkennungsmittel ergänzen. Bereits heute leistetdie Holzforschung des Bundes einen bedeutendenBeitrag bei der Holzerkennung für die Zolldienststellen,z. B. <strong>zur</strong> Durchsetzung des WashingtonerArtenschutzabkommens.Auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeitfördert die Bundesregierung in vielenTropenwaldländern die Umsetzung nachhaltigerWaldwirtschaft u. a. durch Einführung internationalanerkannter verlässlicher Zertifizierungssysteme imRahmen von „Entwicklungspartnerschaften mit derWirtschaft“ (PPP). Glaubwürdige Zertifizierungssystemekönnen dazu beitragen, den illegalen Holzeinschlageinzuschränken, die Sicherheit beim Verbraucherfür einen nachhaltig produzierten Rohstoff zuschaffen und insbesondere in den Entwicklungsländerndie gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungenzu verbessern. Grundlage für glaubwürdigeForst-Zertifizierung ist ein breit angelegter gesellschaftspolitischerDialog, der auf transparente undpartizipative Weise Standards nachhaltiger Waldbewirtschaftungfestlegt und über den Sektor hinausauch in anderen Bereichen zu Reformprozessen inden Partnerländern der Entwicklungszusammenarbeitbeitragen kann.Derzeit sind eine Reihe von unterschiedlichenHolz-Zertifizierungssystemen am Markt vertreten.Die in Europa bekanntesten Label sind PEFC (Programmefor the Endorsement of Forest CertificationSchemes) und FSC (Forest Stewardship Council). DieZertifizierung konnte in vielen Tropenwaldländern(u. a. Brasilien, Indonesien, DR Kongo) wichtigeAkzente setzen, ist aber noch weit von einer erhofftenBreitenwirkung entfernt und kann derzeit nichtannähernd die wachsende Nachfrage nach zertifiziertenHolzprodukten in den Verbraucherländernbedienen.Die Bundesregierung unterstützt daher denAufbau von Zertifizierungssystemen, soweit sie hoheStandards nachweisen oder sich dorthin entwickelnwollen. So unterstützt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit<strong>zur</strong>zeit gemeinsam mit dem GesamtverbandDeutscher Holzhandel das Nationale MalaysischeZertifizierungssystem (MTCC) <strong>zur</strong> Erreichungausreichender Standards für eine internationaleAnerkennung.


118 DEMOGRAFISCHER WANDEL / SOZIALER ZUSAMMENHALTf) Innovative Mehrfachnutzung nachwachsenderRohstoffeDie Bundesregierung wird die Kaskaden- undKoppelnutzung nachwachsender Rohstoffe verstärktunterstützen. Ziel ist, nachwachsende Agrarrohstoffeund Holz effizienter zu nutzen und gleichzeitig dieführende Position Deutschlands bei den Technologien<strong>zur</strong> Nutzung nachwachsender Rohstoffe durchFortentwicklung innovativer Ansätze zu sichern undauszubauen.Maßnahmen <strong>zur</strong> Unterstützung von KaskadenundKoppelnutzung• Förderung von Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsprojekten:Pilotprojekt Lignocellulose-Bioraffinerie inPublic-Privat-Partnership <strong>zur</strong> vollständigen wertstofflichenNutzung aller Pflanzenkomponenten (Cellulose, Hemicellulose,Lignin, Extraktstoffe) und weitere Verbundprojekte <strong>zur</strong>Erforschung der Bioraffinerietechnologie, Einrichtung einesneuen Förderschwerpunktes <strong>zur</strong> Kaskaden- und Koppelnutzungim Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe• Entwicklung innovativer Verfahrenslösungen unter Anwendungder weißen Biotechnologie <strong>zur</strong> Herstellung vonneuartigen hochwirksamen Stoffen (Lösungsmittel, Farben,Klebstoffe, Pharmaka)• Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für dieKaskadennutzung, z. B. für Verpackungen aus nachwachsendenRohstoffen (Verpackungs- und Düngemittelverordnung)sowie für den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffenim Automobilbau (Altfahrzeugverordnung)• Prüfung weiterer Maßnahmen <strong>zur</strong> Unterstützung der Kaskaden-und Koppelnutzung bei der Erarbeitung eines Aktionsplanes<strong>zur</strong> stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffein <strong>2008</strong> in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft• Ausbau der inter<strong>nationalen</strong> Zusammenarbeit durch Kooperationsprojekte<strong>zur</strong> Kaskadennutzung und Koppelnutzungim 7. Forschungsrahmenplan der EU und Stärkung derTechnologieplattformen (z. B. SusChem) und Forschungsnetzwerke(z. B. EraNet Industrielle Biotechnologie)4. FazitEine nachhaltige Gestaltung der Rohstoff- undWertschöpfungsketten erfordert Anstrengungenaller gesellschaftlichen Kräfte und ihre Zusammenarbeitauf lokaler, nationaler wie internationalerEbene. In der Kooperation von Politik, Wissenschaft,Wirtschaft, privaten Verbrauchern und öffentlicherHand, Medien und Bildungsträgern liegt der Schlüsselzum Erfolg einer nachhaltigen Rohstoffwirtschaftals Bestandteil der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>.Entsprechend der Anregung des ParlamentarischenBeirats für nachhaltige Entwicklung (KapitelE) muss auch über Anreizsysteme für eine Effizienzsteigerungnachgedacht werden.Die Bundesregierung wird die Fortschritte indiesem für eine nachhaltige Entwicklung wichtigenPolitikbereich weiter unterstützen und ggf. zusätzlicheMaßnahmen ergreifen. Dies gilt insbesonderemit Blick auf das Ziel, die Rohstoffproduktivität bis2020 gegenüber 1994 zu verdoppeln.III. Demografischer Wandel – Chancen fürstärkeren sozialen Zusammenhalt1. Demografischer Wandel und sozialerZusammenhaltDie AusgangslageIn Deutschland werden künftig weniger Menschenleben, und sie werden im Schnitt älter seinals heute. Der Anteil der über 60-Jährigen wird sichvon heute rd. 25 % auf rd. 39 % im Jahr 2050 erhöhen.Auch der Trend zu Ein- und Zwei-Personen-Haushaltensetzt sich fort. In den Großstädten liegt der Anteilder Ein-Personen-Haushalte bereits heute vielfachbei über 50%. In den westlichen Flächenländern sinktdie durchschnittliche Haushaltsgröße von 2007 bis2020 voraussichtlich von 2,13 auf 2,02 Personen jeHaushalt, in den neuen Ländern von 2,00 auf 1,90und in den Stadtstaaten von 1,80 auf 1,72.Der demografische Wandel wird die wirtschaftlicheund soziale Entwicklung zunehmend prägen. Dabeiwerden die Veränderungen regional allerdingssehr unterschiedlich verlaufen. Neben schrumpfendenwird es auch in Zukunft wachsende Gemeindenund Regionen geben. Durch den Fortzug vieler Jüngererund den markanten Geburteneinbruch nachder Einigung Deutschlands wird sich die Alterung derBevölkerung in den ländlichen Räumen der neuenBundesländer besonders ausprägen. Aber auch inden alten Bundesländern gibt es Regionen mit starkalternder und <strong>zur</strong>ückgehender Bevölkerung.Daneben sind Familien bereits heute kleiner undvielfältiger; diese Entwicklung wird sich fortsetzen.Die Netze der alltäglichen Unterstützung innerhalbder Familien verändern sich, die Bedingungen,unter denen sie aufrechterhalten werden können,werden schwieriger. Gleiches gilt für verlässlicheNachbarschaften oder Gemeindestrukturen. Damitverringern sich vielerorts alltägliche Gelegenheitenzu Begegnung und Kommunikation zwischen denGenerationen.Vor diesem Hintergrund ist das Engagementder einzelnen Bürgerinnen und Bürger für denZusammenhalt von Gemeinschaft und Gesellschaftwichtiger denn je. Es verbindet Menschen


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND119Bevölkerungsentwicklung in Deutschland nach Jahren und AltersgruppenEntwicklung der Bevölkerung Deutschlands bis 2050 1)500004500040000350003000025000200001500010000500001) ab 2010 Schätzwerte der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, Mittlere VarianteQuelle: Statistisches Bundesamt 2006im gemeinsamen Tun, begründet gegenseitigesVerständnis und fördert die Integration. Außerdemgibt das Engagement Menschen die Möglichkeit,ihre Kompetenzen und Fähigkeiten zu entwickelnund einzubringen.Der demografische Wandel bedeutet auch einebesondere Herausforderung für die Infrastrukturentwicklung(vgl. hierzu die Aktivitäten des ParlamentarischenBeirats für nachhaltige Entwicklung, KapitelE). Die Bundesregierung bildet im Kontext diesesFortschrittberichtes allerdings nicht die Demografiedebattein ihrer ganzen Breite ab; die Auswirkungendes Wandels auf die Infrastrukturplanungen bzw.sein Charakter als Gestaltungsaufgabe für den Umweltschutz– womit sich die Umweltverbände DNR,BUND und NABU bei einer Konferenz im November2006 beschäftigt haben – sind nicht Gegenstand diesesBerichts. Vielmehr liegt der Fokus bewusst auf denChancen für den sozialen Zusammenhalt, die sichaus dem demografischen Wandel ergeben und die eswahrzunehmen und zu nutzen gilt.Voraussetzung dafür ist eine Politik, die sich aufallen Ebenen den absehbaren Veränderungen imAltersaufbau der Bevölkerung stellt, zukunftsfähigeKonzepte entwickelt und umsetzt. Dies betrifft dieFamilienpolitik ebenso wie Maßnahmen für ältereMenschen.Nachhaltige FamilienpolitikEine nachhaltige Familienpolitik schafft verlässlicheRahmenbedingungen für Familien und trägtzu einer familienfreundlichen Gesellschaft bei. Sieschafft die notwendigen Rahmenbedingungen dafür,dass sich wieder mehr Menschen für Kinder undfür Familie entscheiden. Sich an den Lebensrealitätenund Lebensentwürfen von Frauen und Männernzu orientieren, gehört dabei <strong>zur</strong> wichtigsten Grundlageeiner zukunftsorientierten Familienpolitik.Erforderlich für eine wirksame Unterstützung vonFamilien ist ein abgestimmter Mix aus Infrastruktur,Zeit und Geld.Von zentraler Bedeutung ist die Vereinbarkeitvon Familie und Beruf. Das Elterngeld gibt Familiennach der Geburt eines Kindes mehr finanzielleSicherheit und ermöglicht es Müttern und Vätern,Betreuungsaufgaben zu übernehmen. Die Vereinbarkeitwird ebenfalls verbessert und zusätzlicheArbeitsplätze werden geschaffen durch die Absetzbarkeiterwerbsbedingter Betreuungskosten,gezielte Aktivitäten für familienunterstützendeDienstleistungen sowie den verstärkten Ausbau derKinderbetreuung. Letzterem haben Bund, Länderund Gemeinden bereits Rechnung getragen. Es istein großer politischer Erfolg, dass Bund, Länder undKommunen sich 2007 darauf verständigt haben,bis zum Jahr 2013 für bundesweit im Durchschnitt


120 DEMOGRAFISCHER WANDEL / SOZIALER ZUSAMMENHALT35 % der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze<strong>zur</strong> Verfügung zu stellen. Das für die Förderung vonInvestitionen in Einrichtungen und in die Kindertagespflegefür Kinder unter drei Jahren vorgeseheneSondervermögen in Höhe von 2,15 Mrd. Euro istinzwischen vom Bund geschaffen worden. Darüberhinaus wird der Bund den Ländern im Wege einesFestbetrages bei der Umsatzsteuerverteilung ab2009–2013 zweckgerichtet insgesamt 1,85 Mrd. Euround anschließend jährlich 770 Mio. Euro <strong>zur</strong> Verfügungstellen, um eine Entlastung bei den Betriebskostensicherzustellen.Auch eine familienfreundliche Arbeitsweltgehört zu einer nachhaltigen Familienpolitik. ImJanuar 2006 startete das Unternehmensprogramm„Erfolgsfaktor Familie. Unternehmen gewinnen“.Familienfreundlichkeit soll zu einem Markenzeichender deutschen Wirtschaft werden.Netzwerke für ältere MenschenÄltere Menschen sind von den Änderungen in denFamilienstrukturen in besonderer Weise betroffen.Immer mehr von ihnen haben keine oder nur wenigeKinder, die in vielen Fällen noch dazu weit entferntwohnen. Familie, Nachbarschaften, soziale Netzwerkedünnen mit wachsendem Alter aus, sind aberandererseits von steigender Bedeutung für die Lebensqualitätund die Bewältigung kritischer Lebensereignissewie z. B. des Pflege- und Betreuungsfalles.Kontaktnetze müssen deshalb zunehmendbewusster gepflegt und neu geknüpft werden. EinWohnumfeld, welches auf die Bedürfnisse einer älterwerdenden Gesellschaft Rücksicht nimmt, verbessertdie Chancen der gesellschaftlichen Teilhabe im Alterund wird immer wichtiger, denn Ältere verbringeneinen größeren Teil ihrer Zeit in ihrer Wohnung undin ihrem unmittelbaren Lebensumfeld. Eine entsprechendeWohnraumgestaltung – einschließlich einerumfassenden Barrierefreiheit in den Wohnungenund im Wohnumfeld – ermöglicht die Aufrechterhaltungeiner selbständigen und selbst bestimmtenLebensführung, kommt aber ebenso Familien mitKindern zugute.Es müssen neue Wege beschritten werden, umder vor allem im Alter drohenden Vereinsamungentgegenzuwirken, den Zusammenhalt der Generationenzu stärken und neue Strukturen der Hilfezwischen den Generationen zu schaffen. Das Miteinanderder Generationen auch außerhalb familiärerStrukturen gewinnt als ein Stabilitätsfaktor zunehmendan Bedeutung. Ältere Menschen können undwollen dabei einen aktiven Part übernehmen.Die aktiven „Alten“Die Menschen in Deutschland werden nicht nurälter, sie bleiben auch länger aktiv. Für die meistenMenschen bringt die höhere Lebenserwartung„gewonnene Jahre“, denn viele ältere Menschen ver-Freiwilliges Engagement und Bereitschaft zum freiwilligen Engagement1999 und 2004Bevölkerungab 14 Jahren(Angaben in %)1999 200440 %34 %32 %36 %16 %10 %20 %12 %Freiwillig engagiertZum freiwilligen Engagementbestimmt bereitZum freiwilligen Engagementeventuell bereitNichts davonQuelle: Freiwilligensurverys 1999 und 2004


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND121fügen über ein großes Maß an Erfahrungen, Kreativitätund Innovationskraft. Häufig haben sie die Zeitund die Bereitschaft, diese Potenziale für sich und fürandere einzusetzen.Das Engagement „älterer“ Menschen ist bereitsheute unverzichtbar. Eine wichtige Aufgabe wirddarin bestehen, noch mehr ältere Menschen für einbürgerschaftliches Engagement zu gewinnen – undihnen damit auch eine attraktive Perspektive für dieneue Lebensphase nach dem Ausscheiden aus demBerufsleben aufzuzeigen. Das aktive und produktiveAlter wird eine wichtige Rolle spielen – für die Gesellschaft,für die Wirtschaft und die älteren Menschenselbst.Das heute noch in der Gesellschaft vorherrschendedefizitorientierte Bild vom Alter trägt hier nichtmehr. Deshalb muss sich das Bild vom Alter und vonälteren Menschen in unserer Gesellschaft grundlegendändern.Mehr als 23 Mio. Menschen oder 36 % der Bevölkerungüber 14 Jahren engagieren sich bereits jetztfreiwillig, mit steigender Tendenz. Die Bereitschaftbisher nicht Engagierter hat noch stärker zugenommen.Das Fundament dafür bilden seit Jahren Vereine,Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Stiftungen.Die Leistungen der Freiwilligen in vielen Bereichenwie Soziales, Sport, Kultur, Gesundheit, Bildung,Umwelt-, Katastrophen- oder Verbraucherschutzkönnen nicht hoch genug eingeschätzt werden.Besonders auffällig ist das gestiegene EngagementÄlterer, insbesondere bei den „jungen Alten“(60 bis 69 Jahre).Das Potenzial derjenigen, die zum freiwilligenEngagement bereit wären, ist bei weitem noch nichtausgeschöpft. Diese Chance gilt es zu nutzen undGestaltungsräume und Gelegenheitsstrukturen fürneue Formen des bürgerschaftlichen Engagementszu schaffen. Es liegt im Interesse des Staates unddes Gemeinwohles, das wachsende Interesse amEngagement zu unterstützen und den Bürgerinnenund Bürgern den Raum und die Möglichkeiten <strong>zur</strong>Gestaltung und <strong>zur</strong> Entfaltung ihrer eigenen Kräftezu geben.2. Förderung von freiwilligem undbürgerschaftlichem Engagementa) Rechtliche RahmenbedingungenFreiwilliges und bürgerschaftliches Engagementbedarf – um sich entfalten und effektiv wirken zukönnen – entsprechender gesetzlicher Rahmen-Engagementbereitschaft in verschiedenen AltersgruppenExternes EngagementpotenzialBevölkerungab 14 Jahren(Angaben in %)199920041999200419992004322561515237182317131413119946637382630313714-59 Jahre 60 Jahre und älter 60-69 JahreFreiwillig engagiertZum freiwilligen Engagementbestimmt bereitZum freiwilligen Engagementeventuell bereitNichts davonQuelle: tns infratest, Freiwilligensurveys 1999 und 2004


122 DEMOGRAFISCHER WANDEL / SOZIALER ZUSAMMENHALTbedingungen. Die Bundesregierung hat deshalbfolgende Maßnahmen auf den Weg gebracht:Gesetz <strong>zur</strong> weiteren Stärkung des bürgerschaftlichenEngagements vom 10. Oktober 2007, mitdem die Bundesregierung die steuerlichen Rahmenbedingungenerheblich verbessert hat. DasGemeinnützigkeits- und Spendenrecht wurdevereinfacht, die Bürokratie ab- und die finanzielleFörderung ausgebaut. Der Staat betont damitdie Wertschätzung für die Menschen, die einEhrenamt übernehmen, und baut gleichzeitigHemmnisse für ehrenamtliches Engagement ab.Die wichtigsten Änderungen:• Als spendenbegünstigte Zwecke gelten alle Zwecke, die alsgemeinnützig anerkannt wurden.• Die Höchstgrenzen für den Spendenabzug wurden von5 bzw. 10 % auf einheitlich 20 % des Gesamtbetrags derEinkünfte angehoben, unabhängig vom geförderten Zweck.Für Unternehmen wurde die Alternativgrenze auf 0,4 % derSumme der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahraufgewendeten Löhne und Gehälter verdoppelt.• Der Höchstbetrag für die Ausstattung von Stiftungen mitKapital wurde von 307.000 Euro auf 1 Mio. Euro in 10 Jahrenohne Beschränkung auf das Gründungsjahr angehoben(Vermögensstockspenden).• Der sogenannte Übungsleiterfreibetrag erhöhte sich von1.848 Euro auf 2.100 Euro im Kalenderjahr.• Ein Steuerfreibetrag (sogenannte Aufwandspauschale) fürnebenberufliche Tätigkeiten im Dienst oder im Auftrag einerKörperschaft des öffentlichen Rechts oder gemeinnützigenEinrichtung <strong>zur</strong> Förderung steuerbegünstigter Zwecke wurdein Höhe von 500 Euro im Kalenderjahr eingeführt.• Die Grenzen, bis zu der gemeinnützige Körperschaftenkeine Körperschaft- und Gewerbesteuer für wirtschaftlicheBetätigungen zu zahlen brauchen, sportliche Veranstaltungenals Zweckbetrieb gelten und die Vorsteuer pauschaliertwerden darf, wurden von jeweils 30.678 Euro auf 35.000 EuroEinnahmen im Jahr angehoben.Absicherung von Risiken durch eine Unfallversicherungfür ehrenamtlich tätige Personen wieim Siebten Buch Sozialgesetzbuch. Die meistenLänder haben dazu ergänzend Rahmenverträgemit Unfallversicherern abgeschlossen.Mit dem Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetzwurde bereits in 2002 ein wichtiger Schrittdafür getan, den Bereich des ehrenamtlichenEngagements in der Pflege durch niedrigschwelligeAngebote auszubauen. Das bürgerschaftlicheEngagement ist schon jetzt nebenfamiliären und professionellen Hilfen einewichtige Stütze bei der Pflegeversorgung. Diesgilt für die ambulante und die stationäre Pflegeebenso wie für die Betreuung und hauswirtschaftlicheVersorgung in ambulant betreutenWohneinrichtungen.Good PracticeMit dem durch die Bundesregierung im Rahmen des Bundesmodellprogramms„Generationsübergreifende Freiwilligendienste“geförderten Projekt „pflegeBegleiter“ sollbeispielsweise die gemeinsame Verantwortlichkeit in Nachbarschaftund Kommune für die Sorge um Pflegebedürftige,vor allem alte Menschen, gefördert werden. Mittlerweileengagieren sich rd. 1.800 Freiwillige als Pflegebegleiterinnenund -begleiter. Sie wurden gezielt vorbereitet, um pflegeleistendenAngehörigen qualifiziert bei den alltäglichen Fragen,den individuellen Problemen sowie der häufig überforderndenGesamtsituation Unterstützung, Beratung und aktiveBegleitung leisten zu können.Mit der Pflegereform <strong>2008</strong> (Gesetz <strong>zur</strong> strukturellenWeiterentwicklung der Pflegeversicherung)werden auch der Grundsatz „ambulantvor stationär“ und das bürgerschaftliche Engagementgestärkt. Sie schafft weitere rechtlicheRahmenbedingungen, um die Anerkennungdes ehrenamtlichen Einsatzes für Mitmenschenweiterzuentwickeln. Diese Reform ist Teil des Gesamtkonzeptsder Bundesregierung <strong>zur</strong> Verbesserungder Betreuung und Versorgung pflegebedürftiger,behinderter und älterer Menschen.Die wichtigsten Änderungen:• Pflegebedürftige bekommen höhere Leistungen in derambulanten Pflege. Damit wird ihnen ein höherer Betrag sowohlfür die Inanspruchnahme von Pflegediensten als auchfür die selbst sichergestellte Pflege <strong>zur</strong> Verfügung stehen.• Pflegestützpunkte koordinieren, steuern und vernetzenLeistungen unterschiedlicher Versorgungsbereiche undunterschiedlicher Leistungsträger unter Einbindung sozialersowie bürgerschaftlicher Initiativen und Selbsthilfevereinigungenbzw. Selbsthilfeorganisationen, um eine an denindividuellen Bedürfnissen ausgerichtete Versorgung undBetreuung im wohnortnahen Bereich zu erleichtern. Pflegestützpunktewerden in den Bundesländern eingerichtet, indenen dies durch das jeweilige Land bestimmt wird.• Die allgemein vorgesehene Anschubfinanzierung in Höhevon bis zu 45.000 Euro pro Pflegestützpunkt kann sich umbis zu 5.000 Euro erhöhen, wenn freiwillig Engagierte in dieTätigkeit des Pflegestützpunktes einbezogen werden.• Die Fördermittel zum weiteren Ausbau niedrigschwelligerBetreuungsangebote sowie für ehrenamtliche Strukturenund die Selbsthilfe im Pflegebereich sollen erhöht undehrenamtlich Tätige sowie sonstige zum bürgerschaftlichenEngagement bereite Personen sowie die Selbsthilfe in denKreis der förderungsfähigen Versorgungsstrukturen einbezogenwerden.• Die Kosten für die vorbereitende und begleitende SchulungEhrenamtlicher, für die Organisation und Planung ihresEinsatzes und für die entstehenden Aufwendungen könnenin den Pflegevergütungen berücksichtigt werden.Eine Aufgabe der Vertragspartner der Pflegeselbstverwaltungauf Landesebene wird künftigdarin bestehen, Möglichkeiten aufzuzeigen, unterdenen zum bürgerschaftlichen Engagementbereite Personen in ambulanten und stationärenPflegeeinrichtungen tätig werden können.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND123b) Engagement auf kommunaler EbeneFreiwilliges, ehrenamtliches, bürgerschaftlichesEngagement findet vor allem in den Kommunenstatt. Die Bundesregierung leistet ihren Beitrag dazu,die gesellschaftliche Beteiligung und Aktivität zu fördern,vorhandenes Potenzial besser zu erschließenund die gewachsene Kultur des bürgerschaftlichenEngagements fortzuentwickeln.Bereits jetzt gibt es aufgrund des demografischenWandels Kommunen, in denen un<strong>zur</strong>eichendeAuslastungen öffentlicher Einrichtungeneinhergehen mit engen oder fehlenden finanziellenHandlungsspielräumen. Dort ist die Aufrechterhaltungöffentlicher Einrichtungen wie Schulen,Kindergärten, Bäder, Bibliotheken, Kultur- undBürgerhäuser gefährdet oder bereits eingeschränkt.Gleichzeitig wächst der Bedarf an neuen Einrichtungen,Dienstleistungen und veränderter Wohnumfeldgestaltung.Hierbei geht es auch darum,mit angepassten Instrumenten die kommunaleDaseinsvorsorge zu gewährleisten und für die Aufrechterhaltungder Lebensqualität am Standort fürJung und Alt zu sorgen.Freiwilliges und bürgerschaftliches Engagementkann ein wichtiger Teil einer neuen Strategie <strong>zur</strong>Lösung sein. Dazu bedarf es eines passenden Zusammenspielsvon Haupt- und Ehrenamtlichen, Professionalitätund Freiwilligkeit, Subsidiarität und unterstützenderNetzwerke. Weitgehend in Eigenregievon Bürgerinnen und Bürgern organisierte Museen,Schwimmbäder, Bibliotheken, Begegnungsstättenoder Bürgerbusse haben merklich an Verbreitunggewonnen. Vorlesepaten und ehrenamtliche Hausaufgabenhilfenunterstützen Kindertagesstättenund Schulen. Aus dem Erwerbsleben ausgeschiedeneSeniorinnen und Senioren beraten junge Unternehmen.Die wohnort- und familiennahe Versorgungvon Demenzkranken und Pflegebedürftigenkann durch die Ergänzung der professionellen mitfreiwilligen Kräften weiter verbessert werden.Dies ist eine ermutigende Entwicklung, weil sichbürgerschaftliches Engagement hier den ihm zustehendenRaum schafft und staatliche Flankierung aufihren subsidiären Charakter verweist.Damit verschiedene Engagementstrukturenwie z. B. Freiwilligenagenturen, Jugend- und Seniorenverbände,Elterninitiativen und Fördervereinezusammenarbeiten können, bedarf es der Netzwerkbildungvor Ort. Nur so können dauerhafte,nachhaltige Wirkungen erzielt und die Qualifikationder Freiwilligen sowie die Qualität des Engagementssichergestellt werden. Die Konzentration erleichtertebenfalls die Kooperation mit der Verwaltung undden politischen Entscheidungsträgern.Bürgerschaftliches Engagement benötigt stabile,fördernde, professionelle Infrastrukturen, diesowohl Vernetzung, Aktivierung von Engagementund Multiplikation sicherstellen und zugleich aufverändertes Engagement und Motivation reagierenkönnen. Um die zum Engagement bereiten Bürgerinnenund Bürger zu gewinnen, muss auch auf jenach Lebenslage und Lebensabschnitt zeitlich undinhaltlich veränderte Interessen stärker eingegangenwerden. Die Bundesregierung misst daher demAufbau von Strukturen, wie er etwa mit den Freiwilligenagenturen,Seniorenbüros oder Selbsthilfekontaktstellenerfolgt ist, besondere Bedeutung bei undwird auch weiterhin im Wege von Modellprojekteninnovative Strukturen vor Ort fördern.Good PracticeIm Auftrag der Bundesregierung wurde vom Berliner nexusInstitut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäreForschung in Kooperation mit dem Bundesnetzwerk BürgerschaftlichesEngagement (BBE) und der Akademie für Sozialarbeitund Sozialpädagogik e. V. in den vergangenen beidenJahren das Projekt „Partizipative Kommune“ durchgeführt.Im Mittelpunkt des Projektes standen Kooperationsnetzwerkeund bürgerschaftliches Engagement als Erfolgsfaktorenfür ostdeutsche Kommunen.In den beiden Modellkommunen Strausberg in Brandenburgund Sondershausen in Thüringen wurden maßgeblicheFaktoren identifiziert, die geeignet sind, die Kooperation derdrei Sektoren öffentliche Verwaltung, Bürgergesellschaft undWirtschaft in ostdeutschen Kommunen zu verbessern (u. a.Vernetzung, Kommunikationsinstrumente und -strategien,Fort- und Weiterbildungsangebote). Diese Erfolgsfaktorenund ihre Auswirkung auf die soziale und wirtschaftlicheEntwicklung haben Eingang in das „Leitbild einer bürgerschaftlichverfassten Kommune“ gefunden. Ein Leitfadenbündelt Umsetzungs-Strategien für die Entfaltung zivilgesellschaftlicherPotenziale. Eine Bürgerausstellung mit erfolgreichenBeispielen und guten Erfahrungen engagierter lokalerAkteure und Akteurinnen leistet einen Beitrag, den Dialogzwischen Bürgerinnen und Bürgern und Politik anzustoßenund zum Mitmachen an<strong>zur</strong>egen.Weitere Informationen zum Projekt finden sich unterwww.partizipative-kommune.de.c) Initiativen des BundesEngagement im Sinne von Hilfe <strong>zur</strong> Selbsthilfezeigt dann seine Wirkung, wenn der Staat geeigneteGestaltungs-, Einfluss- und Mitwirkungsmöglichkeitenfür die Bürgerinnen und Bürger schafft undFreiräume für selbstbestimmtes, eigenverantwortlichesHandeln sowie Selbstorganisation bestehen. ImSinne der Subsidiarität genießt die jeweils kleineregesellschaftliche Einheit Vorrang bei der Lösungsozialer Probleme. Partizipation, auch als Mitsprache


124 DEMOGRAFISCHER WANDEL / SOZIALER ZUSAMMENHALTund Mitentscheidung verstanden, ist hierbei einSchlüsselelement.Der Bund unterstützt und fördert in diesem subsidiärenSinn z.B. durchdie Gestaltung der gesetzlichen und anderenRahmenbedingungen,Modellprojekte <strong>zur</strong> Anregung von Verbesserungen,Infrastrukturförderung auf nationaler Ebene undForschung und Evaluation.Wesentliche Rahmenbedingung und zugleichVoraussetzung für bürgerschaftliches Engagementist die Berücksichtigung des demografischen Wandels,der unser Zusammenleben in der Zukunft wesentlichprägen wird. Die hieraus folgenden Herausforderungenmüssen gesehen, vor allem aber gilt es,die damit verbundenen Chancen für eine Stärkungdes sozialen Zusammenhalts zu nutzen.Initiative ZivilEngagement Miteinander –FüreinanderMit der Initiative ZivilEngagement Miteinander– Füreinander der Bundesregierung wird ein Prozess<strong>zur</strong> Weiterentwicklung der Engagementförderungund der Entwicklung der Bürgergesellschaft imZusammenwirken mit nichtstaatlichen Akteuren inGang gesetzt. Zugleich wurde mit der erstmaligenBerufung eines Beauftragten für ZivilEngagementdie Aufgabe anerkannt, die Leitidee der Bürgergesellschaftstärker in Öffentlichkeit und Politik zu verankernund die Bündelung diesbezüglicher Aktivitätenvoranzutreiben. Aus einer Vielzahl von Maßnahmenund Aktivitäten haben der Auf- und Ausbau der Freiwilligendienstealler Generationen sowie die weitereUnterstützung und Förderung einer bundesweitenInfrastruktur einen besonderen Stellenwert.Daneben hat die Bundesregierung Maßnahmen<strong>zur</strong> generellen Stärkung bürgerschaftlichen Engagementsergriffen. Hierzu gehören die Förderungdes Engagements von Migrantinnen und Migrantendurch eine gemeinsam mit Migrantenverbändenentwickelte Strategie und durch Forschung hierzuebenso wie Maßnahmen in den neuen Bundesländern,hier insbesondere der Aufbau von Bürgerstiftungenund die Stärkung zivilgesellschaftlichenEngagements gegen rechtsextreme Initiativen imRahmen des Programms „Vielfalt tut gut“.Stärkung der AnerkennungskulturDie Umsetzung und Weiterentwicklung derInitiative ZivilEngagement der Bundesregierungwird der öffentlichen Anerkennung und Stärkungbürgerschaftlichen Engagements einen Schub verleihenund einen breiten gesellschaftlichen Diskursfördern. Für die Entwicklung eines gesellschaftlichenKlimas der Wertschätzung bürgerschaftlichenEngagements bedarf es der aktiven Mitwirkungaller zivilgesellschaftlichen Partner, insbesondereauch der Unternehmen. Denn dort liegen vielfältigePotenziale für bürgerschaftliches Engagement anden jeweiligen Standorten. Dies gilt auch für dieWürdigung der Kompetenzen, die im Engagementerworben wurden, in der Personalpolitik. Auch aufstaatlicher Ebene ist vielerorts noch ein Umdenkenhin zu einer neuen Rolle des Staates als zivilgesellschaftlichemPartner erforderlich, der bürgerschaftlichesEngagement stärkt, bürokratisches Handelnabbaut und Kreativitätsräume ermöglicht. Engagiertemüssen spüren, dass sie nicht Ausfallbürgenfür staatliche Aufgaben, sondern unverzichtbaremündige Bürger sind, die mitgestalten können.Die Bundesregierung leistet auch hierzu einenBeitrag durch die Stärkung der Anerkennungskulturfür die Leistungen engagierter Menschen in derÖffentlichkeit.Good PracticeEin Beispiel ist die jährliche bundesweite Aktionswoche zumbürgerschaftlichen Engagement unter Schirmherrschaftund aktiver Mitwirkung des Bundespräsidenten. Mit allenzivilgesellschaftlichen Partnern soll ferner eine Kampagne fürein Klima der Wertschätzung des Engagements für andere insLeben gerufen werden.Förderung von Infrastruktureinrichtungenauf nationaler EbeneDie Bundesregierung fördert Einrichtungenmit dem Ziel, Infrastrukturen zu vernetzen undSynergien zu nutzen. Beispielhaft sind das BundesnetzwerkBürgerschaftliches Engagement (BBE),das Wirtschaft, Staat und dritten Sektor zusammenbringtoder aber die Bundesarbeitsgemeinschaftder Freiwilligenagenturen (Bagfa) sowie die BundesarbeitsgemeinschaftSeniorenbüros (BaS), die eineMittlerfunktion zwischen Engagementpolitik undSeniorenpolitik einnimmt.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND125Förderung von ModellprogrammenDaneben erfolgt eine Förderung von Modellprogrammenim Sinne der Anregungskompetenzdes Bundes. Relevant sind etwa die Programme„Generationsübergreifenden Freiwilligendienste“,„Freiwilligendienste aller Generationen“, dasAktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser, dieLokalen Bündnisse für Familien, das Modellprojekt„Selbstorganisation älterer Menschen“, das Programm„Alter schafft Neues – Aktiv im Alter“, aberauch die Erprobung neuer, innovativer Wohn- undBetreuungsformen.Generationsübergreifende FreiwilligendiensteIn dem 2005–<strong>2008</strong> laufenden Programm GenerationsübergreifendeFreiwilligendienste sind Freiwillige in verschiedenstenEinsatzfeldern tätig (z. B. Kindergärten, Schulen, Familien,Stadtteilzentren, stationäre Einrichtungen und Hospize).Viele der Projekte arbeiten mit Menschen mit Migrationshintergrundoder beziehen diese ein. Im Programm engagierensich jüngere Menschen in Phasen (beruflicher) Neuorientierungebenso wie Ältere mit ihrem reichen Erfahrungswissen.Beteiligt sind über 6.500 Freiwillige bei rd. 150 Trägern(www.zentrum-zivilgesellschaft.de/modellprogramm/).Freiwilligendienste aller GenerationenDas im Modellprogramm „Generationsübergreifende Freiwilligendienste“entwickelte flexible, aber verbindliche Angebotdes Engagements soll Schritt für Schritt bundesweit flächendeckendumgesetzt und mit Strukturen vor Ort vernetztwerden. Beim Auf- und Ausbau der Freiwilligendienste allerGenerationen sollen die unterschiedlichen spezifischenBedarfslagen und Ressourcen von Kommunen und Verbändenberücksichtigt werden, damit nachhaltige Strukturenentstehen.MehrgenerationenhäuserDas bundesweite Aktionsprogramm verbessert die Infrastrukturfür Familien und stärkt den Zusammenhalt zwischen denGenerationen – auch außerhalb der Familie. Gleichzeitig wirdein Markt für haushaltsnahe Dienstleistungen, der sich an denBedürfnissen der einzelnen Generationen und Lebenslagenorientiert, aufgebaut (www. mehrgenerationenhaeuser.de).Seit Januar <strong>2008</strong> fördert der Bund 500 Mehrgenerationenhäuserin ganz Deutschland.Good Practice: In Ingelheim (Rhein) wurde im Rahmen desAktionsprogramms ein Kindergemeinschaftshaus zum Mehrgenerationenhauserweitert. Gemeinsam haben Jung und Alteine Biker-Bahn neben dem Gebäude errichtet, die nicht nurvon Jugendlichen benutzt wird. Alle Generationen werden indie Aktivitäten eingebunden. Die Älteren helfen bei den Hausaufgaben,Kinder und Jugendliche unterstützen im Gegenzugbeim Einkauf. Mit verschiedenen Veranstaltungen, beispielsweisedem Konzentrations- und Gedächtnistraining für dieÄlteren, nutzen mehrere Generationen die Räumlichkeiten.Im Café fühlen sich Eltern, Kinder und Ältere gleichermaßenwohl. Hier kann außerdem jede und jeder mitteilen, was sieoder er gerade sucht: eine Tagesmutter, Leih-Großeltern <strong>zur</strong>flexiblen Kinderbetreuung oder eine zuverlässige Hilfe fürden Haushalt.Lokale Bündnisse für FamilienPartner aus Politik und Verwaltung, Unternehmen, Kammernund Gewerkschaften, Kirchen, Verbänden, Vereinen, Einrichtungenund Initiativen suchen gemeinsam auf lokaler Ebenedurch Projekte die Lebens- und Arbeitsbedingungen für Familienzu verbessern (www.lokale-buendnisse-fuer-familie.de).Selbstorganisation älterer MenschenIn diesem Projekt werden zwölf Kommunen, die freiwilligeAngebote wie z. B. Schwimmbäder, Bibliotheken oder Altentagesstättenganz oder teilweise in die Verantwortung vonBürgerinnen und Bürgern übergeben wollen, beraten.Dabei soll herausgefunden werden, welche Angebote undDienstleistungen sich besonders für eine Organisation durchFreiwillige („Selbstorganisation“) eignen und welche Voraussetzungenfür ein optimales Gelingen erfüllt sein müssen.Alter schafft Neues – Aktiv im AlterZiel des neuen Programms ist es, das Leitbild des aktivenAlters in den Kommunen stärker zu verankern, Beteiligungsmöglichkeitenfür ältere Menschen zu erweitern undpartizipatorische Prozesse im Gemeinweisen aufzubauen.Seniorenvertretungen, Seniorenbüros, seniorTrainern undseniorKompetenzteams wird dabei eine wichtige Funktionzukommen. Grundlage ist das Memorandum „Mitgestaltenund Mitentscheiden“, das von der Bundesarbeitsgemeinschaftder Seniorenorganisationen (BAGSO) gemeinsam miteinem breiten Partnerspektrum der Länder, kommunalenSpitzenverbände, Wohlfahrtspflege, Kirchen und Sporterarbeitet wurde. Ziel ist es, eine „soziale Bewegung“ für eineaktive Rolle des Alters in der Gesellschaft zu initiieren. Hierzusollen Einrichtungen und Institutionen für das Engagementälterer Menschen stärker geöffnet werden (www.Alter-Schafft-Neues.de).Erprobung neuer, innovativer Wohn- undBetreuungsformenUm selbst bestimmtes Leben und Wohnen auch im fortschreitendenAlter zu fördern und verstärkt Alternativen zumPflegeheim aufzuzeigen, werden neue Formen der Kooperationzwischen Altenhilfe, Wohnungsunternehmen, Kommunenund Handwerk erkundet und entsprechende Informationsmedienfür Rat suchende Bürgerinnen und Bürger erstellt.Nicht zuletzt in dem Zusammenwirken von professionellenund ehrenamtlichen Kräften liegt eine Chance, auch bei HilfeundPflegebedürftigkeit in der vertrauten Wohnumgebungbleiben zu können (www.modellprogramm-wohnen.de).Forschung zum freiwilligen und bürgerschaftlichenEngagementIm Rahmen einer Reihe von Forschungsprojektenwerden Grundlagen des freiwilligen und bürgerschaftlichenEngagements beleuchtet. Ein Beispieldafür ist der Freiwilligensurvey.FreiwilligensurveyMit dem ersten und zweiten Freiwilligensurvey ist eine methodischfundierte repräsentative Untersuchung auf der Basisvon 15.000 befragten Personen zum bürgerschaftlichen Engagementin Deutschland vorgelegt worden, Folgeuntersuchungenfinden im Abstand von fünf Jahren statt. Es werdenDaten zum Umfang und zu Ausprägungen des bürgerschaftlichenEngagements der Bevölkerung, <strong>zur</strong> Zusammensetzungund soziodemografischen Struktur der Gruppe der Engagierten,zu den Motiven sowie zum Engagementpotenzial derjenigen,die bislang nicht engagiert sind, ermittelt. Mit diesembreit angelegten Untersuchungsdesign repräsentiert derFreiwilligensurvey eine Erhebung, die für die Diskussion undWeiterentwicklung des bürgerschaftlichen Engagements inDeutschland von zentraler Bedeutung ist.Weitere Forschungsvorhaben betreffen bürgerschaftlichesEngagement von Türkinnen und Türken,individuelle und institutionelle „Passungen“ des


126 DEMOGRAFISCHER WANDEL / SOZIALER ZUSAMMENHALTbürgerschaftlichen Engagements, gesellschaftlichesEngagement von Unternehmen in Deutschlandsowie Jugend in ländlichen Räumen.3. Exemplarische Handlungsfeldera) Engagement im ländlichen RaumDie Bundesregierung unterstützt die Anpassungder ländlichen Räume an die demografische Entwicklung,um diese auch in Zukunft als WirtschaftsundLebensräume attraktiv zu gestalten. Insbesonderein den strukturell benachteiligten Regionenist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig, der nichtnur den Agrar- und Umweltbereich berücksichtigt,sondern auch Einkommensmöglichkeiten außerhalbder Landwirtschaft sowie die bedarfsgerechteVersorgung z. B. mit Postdienstleistungen, BildungsundInfrastruktureinrichtungen einschließen muss.Dabei gilt es, das gesellschaftliche Engagement derBetroffenen in den Regionen zu stärken.Daraus ergeben sich folgende Teilziele:1. Stärkung der Wirtschaftskraft und Diversifizierungder ländlichen Wirtschaft mit dem Ziel,bestehende Arbeitsplätze zu erhalten und neuezu schaffen,2. bedarfsgerechte Anpassung der technischen undsozialen Infrastruktur; Entwicklung innovativerAnpassungsstrategien im Umgang mit Abwanderungund Alterung,3. Verbesserung der Perspektiven für junge Menschen,4. Sicherung einer umwelt- und naturverträglichenLandnutzung sowie Erhaltung und Verknüpfungder Umwelt- und Erholungsfunktionen ländlicherRäume,5. Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements.Optionen ergeben sich z. B. durch den Einsatzneuer Kommunikationstechnologien und altersgerechterTechnologien, die gesundheitsbedingteMobilitätseinschränkungen kompensieren undAlltagsversorgung und gesellschaftliche Teilhabeunterstützen können.Ein besonderes Augenmerk ist auf die Situationder Jugend in ländlichen Regionen und ihreZukunftsperspektiven zu legen. Fehlende Ausbildungs-und Arbeitsplätze und eine un<strong>zur</strong>eichendeInfrastruktur führen in vielen strukturschwachenRegionen – insbesondere bei jungen Frauen – zuAbwanderungen. Der demografische Wandel, dereinhergeht mit einer Reduzierung von Schul- undWeiterbildungsstandorten, wird diese Situationverstärken und die Lebensqualität für junge Menschenin ländlichen Räumen zusätzlich beeinträchtigen.Damit junge Menschen dieser Entwicklungentgegentreten können, ist es wichtig, sie zu mehrEigeninitiative und einem stärkeren persönlichenEngagement an<strong>zur</strong>egen.BundeswettbewerbMit dem Bundeswettbewerb „Junge Menschengestalten die ländlichen Räume“ sollen Landjugendlichemotiviert werden, konkrete Vorstellungen undinnovative, beispielhafte und übertragbare Maßnahmen<strong>zur</strong> Zukunftssicherung ländlicher Regionenund <strong>zur</strong> Verbesserung der Lebensqualität für jungeMenschen zu entwickeln. Der Bundeswettbewerbsoll <strong>2008</strong>/2009 durchgeführt werden.Verknüpfung von PolitikbereichenEine Reihe von Maßnahmen dienen dazu, dieverschiedenen Politikbereiche, die den ländlichenRaum betreffen, stärker als bisher miteinander zuverknüpfen:Eine interministerielle Arbeitsgruppe wird <strong>2008</strong>ein Handlungskonzept <strong>zur</strong> Weiterentwicklung ländlicherRäume erarbeiten. Über die Gemeinschaftsaufgabe„Verbesserung der Agrarstruktur unddes Küstenschutzes“ können ab <strong>2008</strong> neben Maßnahmen<strong>zur</strong> integrierten ländlichen Entwicklungkünftig auch breitbandige Internetzugänge sowieNahwärmenetze gefördert werden. Die Ergebnisseder Konferenzreihe <strong>zur</strong> „Zukunft ländlicher Räume“werden in Politik, Fachwelt und Öffentlichkeit kommuniziert;die Schlussfolgerungen der Diskussionsprozessewerden jährlich in einem Zukunftsforumländliche Entwicklung zusammengefasst und dieeingeleiteten Maßnahmen dargestellt. Die Ergebnisseder Konferenz „Lebensqualität in ländlichen Räumensichern – Neue Dienstleistungsmärkte nutzen“sollen Anstöße für den Ausbau des Dienstleistungssektorsin ländlichen Räumen geben.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND127Modellvorhaben „ Demografischer Wandel – Zukunftsgestaltungder Daseinsvorsorge in ländlichenRegionen“Bürgerschaftliches Engagement spielt auch überdie Gestaltung neuer Entwicklungskonzepte hinauseine Schlüsselrolle im ländlichen Leben. Hierzu hatdie Bundesregierung im vergangenen Jahr ein rd.zweijähriges Modellvorhaben in den beiden besondersstark vom demografischen Wandel betroffenenostdeutschen Regionen Stettiner Haff und Südharz/Kyffhäuser gestartet.Beispielhafte und übertragbare Maßnahmen:Modellvorhaben „ Demografischer Wandel – Zukunftsgestaltungder Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen“In den beiden Modellregionen Stettiner Haff und Südharz/Kyffhäuser sollen konzertiert Lösungsansätze und -möglichkeitenin wesentlichen Handlungsfeldern der Daseinsvorsorgeerprobt werden. Darunter fallen u. a. folgende Bereiche:• Familien- und altengerechtes Wohnen• Mehrgenerationenhaushalte• Wohnumfeld• Verkehrsinfrastruktur und Mobilitätskonzepte ( ÖPNV)• Gesundheits-, Schul-, Sport- und Freizeitversorgung• öffentliche Verwaltung• Einzelhandel• Regionalentwicklung in Vernetzung und Kooperation• Wirtschaft• Landwirtschaft• Arbeitsmarkt und AusbildungEs ist vorgesehen, weitere Regionen im Rahmeneines Erfahrungsaustauschs und durch dieFörderung korrespondierender Einzelprojekte indas Projekt einzubeziehen. So können ausgewählteinnovative Ansätze dieser Regionen nicht abgedeckteThemenfelder der Modellregionen ergänzen.Darüber hinaus soll im Projektverlauf das Modellvorhabenauf die alten Bundesländer ausgedehntwerden, um auch westdeutsche Regionen anden Erfahrungen der Modellregionen in den neuenLändern zu beteiligen.b) Gesundheit und PflegeIm Zusammenhang mit dem demografischenWandel wird die Frage der Absicherung und Versorgungnicht nur älterer, sondern auch chronischkranker, behinderter oder pflegebedürftiger Menschenzunehmend an Bedeutung gewinnen. Um einselbst bestimmtes Leben in vertrauter Umgebung zuermöglichen, kommt es darauf an, die Angebote <strong>zur</strong>Versorgung, Betreuung, häuslichen Pflege und gesellschaftlichenTeilhabe dezentraler aus<strong>zur</strong>ichten.Sie müssen stärker in die Wohnviertel integriert unddort vernetzt werden.Dafür ist eine stetige Weiterentwicklung derAltenhilfestrukturen erforderlich. Sie muss nebender Qualitätsverbesserung vor allem stärker auf einezielgerichtete und effiziente Versorgung pflegebedürftigerMenschen ausgerichtet sein. Die Bundesregierungwirkt insbesondere darauf hin, dass dasGesundheitswesen und die Altenhilfe besser miteinanderverzahnt werden und die Versorgungsstrukturenim Sinne der Quartierskonzepte weiterentwickeltwerden. Dabei spielen die Koordination undVernetzung der Leistungsanbieter eine entscheidendeRolle. Ferner leistet die Bundesregierung durchgesetzliche Maßnahmen und Modellförderungenzielgerichtete Beiträge, um die häusliche Betreuungzu stärken, neue betreute Wohngemeinschaften zuentwickeln, die stationäre Pflege bedarfsgerecht auszubauenund die professionelle Betreuung stärkermit ehrenamtlichem Engagement zu verknüpfen.Bürgerschaftliches Engagement ist bereits heuteeine unschätzbare Säule im Gesundheits- und Sozialwesenund damit einer aktiven solidarischen Bürgergesellschaft.Erfahrungsaustausch, gegenseitigeUnterstützung und umfassende Information helfenBetroffenen bei der Bewältigung ihrer Krankheit.Gleichzeitig verstehen sie sich als Experten bzw.Expertinnen in eigener Sache und treten für einestärke Beteiligung der Patientinnen und Patientenund damit auch für eine stärkere Demokratisierungder bestehenden Strukturen im Gesundheitswesenein.Mit dem Gesetz <strong>zur</strong> Stärkung des Wettbewerbs inder gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz)wurde die Selbsthilfeförderungweiter verbessert, der Einsatz der Mittel <strong>zur</strong>Selbsthilfeförderung sichergestellt und das Antragsverfahrenverbessert.Good PracticeIm Rahmen des Modellprogramms <strong>zur</strong> Verbesserung derVersorgung Pflegebedürftiger der Bundesregierung mitverschiedenen Projekten <strong>zur</strong> Gewinnung, Schulung undBegleitung von Ehrenamtlichen, z. B. im TecklenburgerLand, konnte gezeigt werden, dass mit bürgerschaftlichemEngagement oder mit ehrenamtlichem Einsatz und sozialerKompetenz sowohl der Vereinsamung Alleinstehendererfolgreich entgegengewirkt als auch im niederschwelligenBereich pflegerische Hilfestellung durch Nachbarn, Freundeund sozial Engagierte geleistet werden kann. Hervorzuhebensind weiterhin die durch die Bundesregierung gefördertenProjekte „Zentrum für seelische Gesundheit“ eines Bezirkskrankenhausesin Bayern und „Soziale Personenbetreuung– Hilfen im Alter – SOPHIA“ einer Stiftung in Bayern sowie dieProjekte BETA I und II in Baden-Württemberg, die sich mitdem Auf- und Ausbau des bürgerschaftlichen Engagementsbeschäftigten. Modellprojekte wie diese belegen die großeBereitschaft vieler Freiwilliger und bürgerschaftlich Engagierter<strong>zur</strong> Mitarbeit in pflegerischen Versorgungssituationen.


128 DEMOGRAFISCHER WANDEL / SOZIALER ZUSAMMENHALT4. Ressortübergreifende InitiativeUm das bürgerschaftliche Engagement vor demHintergrund des demografischen Wandels zu stärken,wurden im Rahmen der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>der Bundesregierung über die einzelnen Maßnahmender Ressorts hinaus gemeinsame Projekteangestoßen. Es gilt, vorhandene Potenziale besser zuidentifizieren und zu erschließen, damit durch dieverstärkte Aktivierung von freiwilligem und bürgerschaftlichemEngagement Einrichtungen weiterhinaufrechterhalten, öffentliche Dienstleistungenergänzt und neue Angebote entwickelt werden. Engagementbereitschaftund Partizipation der Bürgerinnenund Bürger müssen seitens der KommunenUnterstützung finden durch Kooperationswilligkeitund die Schaffung ermöglichender und unterstützenderStrukturen.Im Rahmen der ressortübergreifenden Initiativewerden Informationen über erfolgreiche Projekteund über Netzwerke bürgerschaftlichen Engagementsin vom demografischen Wandel unterschiedlichbetroffenen Regionen gesammelt, aufbereitetund gezielt weitergegeben. Das gleiche gilt fürrechtliche und steuerliche Rahmenbedingungensowie Fördermöglichkeiten, über die häufig nochgroße Unsicherheit vor Ort herrscht. Erfahrungenin unterschiedlichen Projekten und Modellprogrammenwerden hierbei einfließen. Auch gilt es,den Zugang zu Berichten, Veröffentlichungen undVeranstaltungen zu verbessern. Auf der Informationsplattformwww.erfahrung-ist-zukunft.de soll derInformationsteil zum bürgerschaftlichen Engagementausgebaut werden.Die Maßnahmen im Einzelnen:Öffentlichkeitsarbeit: Im Rahmen einer vonmehreren Ressorts getragenen Presse- und Öffentlichkeitsarbeitwird die Bundesregierung aufdie vielfältigen und Erfolg versprechenden Möglichkeiten<strong>zur</strong> Beteiligung engagierter Bürgerinnenund Bürger aufmerksam machen, durch diestärkerer sozialer Zusammenhalt in den Kommunengeschaffen und öffentliche Einrichtungenunterstützt sowie Dienstleistungen verbessertwerden können.„Bürger initiieren Nachhaltigkeit“ (BIN): Umpraktische Beispiele bekannter zu machen, sollan die erfolgreiche frühere Bundesaktion „Bürgerinitiieren Nachhaltigkeit“ (BIN) angeknüpft undder Wettbewerb in modifizierter Form weitergeführtwerden. Das Ziel der Initiative ist es, dienationale <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> mit lokalenund regionalen Aktivitäten zu verknüpfen undzivilgesellschaftliches Engagement für eine nachhaltigeEntwicklung zu fördern. Der Wettbewerbsoll auf das Thema „ Zusammenhalt der Generationen“ausgerichtet werden.Studie: Eine Zusammenstellung relevanterDaten und Fakten zum Thema „DemografischeEntwicklung: Potenziale für bürgerliches Engagement“wird neben einer grundsätzlichen,statistischen Erfassung des Engagements auchdie verschiedenen Entwicklungen der Regionenbeinhalten. Die Studie soll der interessiertenÖffentlichkeit zugänglich gemacht werden,insbesondere ehrenamtlich Engagierten sowieVerbänden und Institutionen.Datenbank, Internetportal, Veröffentlichungen:Der Information über Möglichkeiten undMethoden der Aktivierung freiwilligen Engagementswerden auch eine in das „Bürgernetz“(www.das-buergernetz.de) eingebettete Datenbank,ein damit verknüpftes Internetportal sowieeine Broschüre dienen. In die Datenbank werdengute Beispiele ehrenamtlichen Engagementsaller Altersstufen aufgenommen und Zugänge zubereits bestehenden Datenbanken im Internet eröffnet.Das hiermit verknüpfte Internetportal sollden Zugang zu verschiedenen Dachorganisationenund übergeordneten Fördereinrichtungendes bürgerschaftlichen bzw. freiwilligen Engagements– nicht nur älterer Bürgerinnen undBürger – im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorgeerleichtern; das Portal könnte somit alsWegweiser durch „den Dschungel der Daten“ imehrenamtlichen Bereich dienen. Die Broschürewird Beispiele für die Aufrechterhaltung undAusweitung öffentlicher Angebote durch dieAktivierung, Ermöglichung und Förderung vonfreiwilligem bzw. bürgerschaftlichem Engagementbeinhalten, u. a. auch Informationen zuAktivitäten in Modellregionen. Hierdurch solldas bürgerschaftliche Engagement gerade vordem Hintergrund des demografischen Wandelserleichtert werden – nicht als Lückenbüßer fürdie Erfüllung bisheriger staatlicher Aufgaben,sondern als Chance für mehr Partizipation undbürgerschaftliche Mitgestaltung.Ein Reader zu den vielfältigen Einsatzfeldernund Wirkungen von freiwilligem und bürgerschaftlichemEngagement mit Bezug zu Nachhaltigkeitund demografischen Wandel soll darüber hinausperspektivische Beiträge <strong>zur</strong> demografischen Entwicklungund zum bürgerschaftlichen Engagementzusammenbinden.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND1295. FazitDer demografische Wandel ist eine der großenHerausforderungen der Politik in Deutschland undwird sie auch in den kommenden Jahrzehnten mitprägen. Dabei gibt es – wie die Länder in ihremBeitrag (Kapitel G) anmerken – <strong>zur</strong> Bewältigung desdemografischen Wandels kein Erfolgsrezept. Auf derKlausurtagung des Bundeskabinetts in Meseberg imSommer 2007 wurde betont, dass es um „ein menschlichesDeutschland für alle Generationen“ geht. Einenachhaltige Politik stellt sich dieser Entwicklungund nutzt die im demografischen Wandel enthaltenenChancen – als Anstoß für eine Stärkung derZivilgesellschaft, für mehr Solidarität zwischen denGenerationen und für eine Kultur des Miteinanders.Erste Schritte hierzu wurden bereits unternommen.Diesen Weg will die Bundesregierung mit vielfältigenMaßnahmen und Aktivitäten auf allen Ebenenkonsequent weiter gehen.IV. WelternährungIn der Millenniumserklärung (vgl. hierzu auchKapitel D.VI.) haben die Staats- und Regierungschefsu. a. das Ziel gesetzt, bis 2015 den Anteil der Hungerndenund die Armut weltweit zu halbieren.Die Erreichung dieses Ziels ist gefährdet, weil zusätzlichzu den Energiekosten auch die Weltmarktpreisefür Nahrungsmittel in den letzten Jahren undvor allem 2006 und 2007 stark gestiegen sind. DieOECD erwartet, dass die realen Preise für Getreide,Reis und Ölsaaten im Durchschnitt der nächstenzehn Jahre etwa 20–30 % höher liegen werden als imDurchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Zugleichist mit deutlich größeren Preisschwankungenzu rechnen. Der Klimawandel erhöht zudem dieErtragsrisiken. Gravierende Folgen für die Ernährungssicherheitder armen und ärmsten Haushaltein den ländlichen und urbanen Regionen der Entwicklungsländersind absehbar. Fehlender Zugangzu Nahrungsmitteln und Verteilungskonflikte umRessourcen können zudem Demokratisierungsprozessegefährden, Staaten destabilisieren undzu einem Problem der inter<strong>nationalen</strong> Sicherheitwerden.Die Vielfalt der Ursachen der Krise infolge desPreisanstiegs und die Breite der Lösungsansätzeunterstreicht die Notwendigkeit der Verzahnungvon einzelnen Politikbereichen, insbesondere derAgrar-, Umwelt-, Energie-, Entwicklungs-, Handels-,Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Forschungspolitik.1. UrsachenanalyseIn Reaktion auf die aktuellen Entwicklungen hatdie Bundesregierung im April <strong>2008</strong> eine hochrangigeRessortarbeitsgruppe zu den Fragen der Welternährungslageeingerichtet. Diese hat unter Beteiligungexterner Experten die Ursachen der aktuellenSituation und die erwartbaren weiteren Entwicklungenanalysiert und Handlungsoptionen entwickelt.Steigende Preise, größere PreisschwankungenDer weltweite Nahrungsmittelpreisindex derLandwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen(FAO) 2006 stieg um 9 % gegenüber demVorjahr und 2007 gegenüber 2006 um 23 %. DerPreisanstieg wurde wesentlich von Milcherzeugnissen(+80 %), Ölen (+50 %), Getreide (+38 %) getrieben.Die Steigerung des weltweiten Nahrungsmittelpreisindexesfür März <strong>2008</strong> gegenüber März 2007gibt die FAO sogar mit 57 % an. Zu einem tendenziellgleichen Ergebnis kommt das US-Landwirtschaftsministerium.Der Preisanstieg wurde begleitet vonhöheren Preisschwankungen als in der Vergangenheit,insbesondere bei Getreide und Ölsaaten. Dienachfolgend dargestellten langfristig wirksamenFaktoren sprechen dafür, dass die Zeit real sinkenderWeltmarktpreise für verschiedene Agrarproduktezu Ende geht.Es gibt keine singuläre UrsacheFür die Preisentwicklung kann nicht eine einzigeUrsache verantwortlich gemacht werden. Sieresultiert aus dem Zusammenspiel struktureller undzyklischer Faktoren. Kurz- und langfristige Effektehaben sich zudem überlagert und führten zu denhohen Preisausschlägen.Der Preisanstieg ist nicht auf einen Einbruchder Welterzeugung <strong>zur</strong>ückzuführen, vielmehrstieg die Erzeugung pro Kopf der Weltbevölkerungsogar leicht an, hat aber gleichwohl nicht zu einerVerbesserung der Versorgungslage geführt, insbesonderenicht in vielen Entwicklungsländern. Aufder Nachfrageseite wird die Preisentwicklung u. a.durch das hohe Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstumin den Entwicklungs- und insbesonderein den Schwellenländern bestimmt. HöhererWohlstand geht – erfreulicherweise – auch einhermit höherer kaufkräftiger Nachfrage nach Nahrungsmitteln,insbesondere nach höherwertigenVeredlungsprodukten (z. B. Fleisch). In der Folgeder gestiegenen Einkommen ist eine Änderung der


130 WELTERNÄHRUNGErnährungsgewohnheiten zu beobachten, die sichdem Muster in den OECD-Staaten anpassen.Steigende Rohölpreise erhöhen einerseits dieKosten der Nahrungsmittelproduktion und führenandererseits zu einer Flächennutzungskonkurrenz,da mehr agrarische Rohstoffe in die Bioenergieerzeugungfließen. Der global wachsende Anbau fürBiokraftstoffe kann zu einem Preisanstieg für Nahrungsmittelführen.Kurzfristig wirkende FaktorenFolgende Faktoren wirken kurzfristig preissteigernd:Die weltweite Getreideproduktion ging 2005 und2006 vor allem aufgrund witterungsbedingterErtragseinbußen um 1 bzw. 2 % <strong>zur</strong>ück; allein inden acht Hauptexportländern von Getreide, wodie Hälfte des Weltgetreides erzeugt wird, sankdie Produktion um 4 bzw. 7 %.Der drastische Anstieg der Rohölpreise verteuertedie Agrarproduktion (Treibstoff, Dünger,Pflanzenschutzmittel) und die Transporte.Dies machte die energetische Verwertung vonAgrarrohstoffen attraktiver und der Anbau vonEnergiepflanzen stieg kurzfristig und regionalunterschiedlich zu Lasten der Lebensmittelerzeugungan. Die Weltbank (<strong>2008</strong>) schätzt denEinfluss steigender Energiepreise (Treibstoffe,Dünger, Pflanzenschutzmittel) auf die Preissteigerungenbei Agrarrohstoffen auf ca. 15 %.Die weltweiten Lagerbestände an Reis und Getreidesind in den vergangenen Jahren auf denniedrigsten Stand seit rd. 30 Jahren gefallen. Inder EU haben die Agrarreformen im Zusammenhangmit der Uruguay-Runde des AllgemeinenZoll- und Handelsabkommens (GATT) und seit2003 sinkende (Stütz-)Preise zu abnehmendenstaatlichen Lagerbeständen geführt. Zudem hatdie steigende Bioethanolproduktion zu sinkendenÜberschüssen in wichtigen Agrarexportländerngeführt. Die Folge des Lagerabbaus sindgrößere Preisausschläge, weil es keine Pufferdurch die Räumung von Lagern mehr gibt.Exportzölle bzw. -beschränkungen einiger Hauptexportstaatenführen zu regionalen und bestimmteProdukte betreffenden Exportausfällenund steigenden Preisen. Auf Importe angewiesenearme Länder geraten dadurch in noch größereSchwierigkeiten.Schließlich verfügen die von der Nahrungsmittelkriseam meisten betroffenen Länder in derRegel weder über Haushaltsreserven noch überfunktionierende soziale Sicherheitsnetze, dieeine Mindestversorgung für die vom Risiko derMangelernährung und des Hungers betroffenenBevölkerungsgruppen gewährleisten können.Hauptursachen sind langfristigDie strukturellen langfristig wirkenden Hauptursachenfür die Preissteigerung sind die Änderungder qualitativen Nachfrage nach Lebensmitteln, dasBevölkerungswachstum, eine Vernachlässigungdes Agrarsektors in vielen Entwicklungsländernwährend der letzten Jahrzehnte sowie die steigendeNachfrage nach Biokraftstoffen.LangfristentwicklungenDie qualitative Nachfrage nach Lebensmitteln hat sichverändert, weil sich mit steigendem Einkommen auch dieErnährungsgewohnheiten ändern. Zudem leben weltweiterstmals mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Immerstärker bevorzugt werden eiweißreiche tierische Lebensmittel,die einen vielfachen Einsatz an Getreide erfordern. DerPro-Kopf-Fleischkonsum in China hat sich nach Einschätzungdes Inter<strong>nationalen</strong> Forschungsinstituts für Ernährungspolitik(IFPRI) im Zeitraum 1990–2005 verdoppelt. Der im weltweitenVergleich hohe Verzehr tierischer Lebensmittel (Milcherzeugnisse,Fleisch, Eier) in den Industrieländern erfordert seitjeher einen hohen Einsatz von Futtermitteln. Die EuropäischeUnion ist Nettoimporteur von Futtermitteln (rd. 32 Mio. tFuttermittel ohne Getreide).Das globale Bevölkerungswachstum von jährlich etwa80 Mio. Menschen führt verbunden mit Einkommenssteigerungenin Staaten mit hohem Wirtschaftswachstum zueinem starken Anstieg der mengenmäßigen Nachfrage nachNahrungs- und Futtermitteln. Die FAO rechnet mit einemglobalen jährlichen Anstieg des Bedarfs an Agrarprodukten(Nahrungs-, Futtermittel sowie nachwachsende Rohstoffe)um 1,6 % bis 2015 und danach um 1,4 % bis 2030.In vielen Entwicklungsländern wurde der Agrarsektor in denvergangenen Jahrzehnten vernachlässigt. Investitionen indie Landwirtschaft und die ländliche agrarische Infrastrukturwurden nicht in ausreichendem Maße getätigt. Die geringeProduktivität ist strukturell bedingt und wird durch einenMangel an guter Regierungsführung, aber auch durch innereoder regionale Konflikte verschärft. Auch die durch Exportsubventionenoder andere Formen der Exportförderungverbilligten Nahrungsmittelexporte der Industrieländerhaben die Produktion und Produktivitätsentwicklung inder Landwirtschaft gebremst, vor allem in einigen LändernAfrikas – aber auch Asiens und der Karibik. Viele afrikanischeLänder, die vor 20 Jahren noch regelmäßig Agrarprodukteexportiert haben, sind aufgrund einer Vernachlässigung desAgrarsektors heute zu Nettonahrungsmittelimporteurengeworden. Aktuell zählt die FAO 82 Länder mit gravierendenDefiziten bei der Nahrungsmittelproduktion, darunter 40afrikanische Länder.Die Nachfrage nach Agrarrohstoffen für die Bioenergieerzeugungwächst, vor allem nach Zucker, Mais, Maniok, Ölsaatenund Palmöl. Der Anbau für Biodiesel und Bioethanol aufgeschätzten bisher nur 1,9 % (2007, FAO) der Weltackerfläche


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND131ist insbesondere regional ein weiterer Faktor für den starkenPreisanstieg für die meisten Agrarerzeugnisse. Die Erzeugungauf dieser Fläche liegt allerdings unterhalb der jährlichenSchwankungen der Erntemengen, z. B. in Folge der Witterung.Außerdem entstehen bei der Biokraftstoffherstellung inerheblichem Maße Nebenprodukte, die für die Verfütterungeingesetzt werden. Zukünftig, je nach Szenario und Modellannahmenunterschiedlich, wird jedoch der geplante Ausbauder Agrarkraftstoffnachfrage ohne Mobilisierung von nachhaltignutzbaren Flächenreserven, Produktivitätssteigerungund Reststoffnutzung einen stärkeren Einfluss auf die Preisefür bestimmte Agrarerzeugnisse gewinnen. Die Schätzungenund Prognosen unterscheiden sich je nach Szenario undzugrunde liegenden Annahmen erheblich. Die OECD (<strong>2008</strong>)schätzt den Preiseffekt der Bioenergienachfrage auf die Weizenpreise2013 bis 2017 auf rd. 8 %, auf die Grobgetreidepreiseauf rd. 11 % und auf die Ölsaatenpreise auf rd. 6 %. Das IFPRI(<strong>2008</strong>) hingegen schätzt schon den aktuellen Einfluss (2007)des Agrarkraftstoffverbrauchs auf die Preisbildung auf ca. 10 %(Weizen) und ca. 20 % (Mais). Die gestiegenen Treibstoffpreisemachen die energetische Verwertung von Agrarrohstoffengenerell attraktiver und der Anbau von Energiepflanzensteigt kurzfristig und regional unterschiedlich zu Lasten derLebensmittelerzeugung an. Regional hat die gestiegeneNachfrage nach Rohstoffen für die Agrarkraftstoffherstellungbereits Lebensmittelkrisen verursacht oder verschärft (Tortillakrisein Mexiko).Für die Zukunft ist zu erwarten, dass die Klimaveränderungdurch die Verringerung von Niederschlagsmengenund Verschiebung von Regenzeiteninsbesondere auf der südlichen Hemisphäre zuWasserknappheit, weniger nutzbarer Fläche undeiner verringerten Produktivität der Landwirtschaftführt. Neben Bodenverlusten durch Wüstenbildung,Versalzung, Erosion und Nährstoffverarmungvermindert auch der Flächenverbrauch für Siedlungenund Infrastruktur weltweit die Agrarfläche. InEntwicklungsländern der Tropen und Subtropenwerden überwiegend Ernterückgänge erwartet. Ineinigen Ländern Afrikas könnten sich die Erträge ausder vom Regen abhängigen Landwirtschaft bis 2020um bis zu 50 % reduzieren. Es ist daher dringenderforderlich, traditionelle Verfahren der Bewässerungslandwirtschaftauf wassersparende Methodenumzustellen, sie effizienter zu gestalten. Dort, wodies auf nachhaltige Weise auch zukünftig möglichist, soll die Bedarfsbewässerung weiter ausgebautwerden, denn auf 18 % der weltweiten Agrarflächemit künstlicher Bewässerung werden über 40 % derNahrungsmittel produziert.Ebenfalls längerfristig kann die Abnahme derBiodiversität eine Bedrohung für die Ernährungssicherheitwerden. Die Pflanzenzüchtung ist auf dasReservoir von Wildpflanzen angewiesen, um neueEigenschaften zu finden und in Kulturpflanzeneinzubringen. Auch die weltweite Verbreitung nurweniger Kultursorten vermindert die Biodiversität.2. Auswirkungen der globalenNahrungsmittelpreissteigerungZum Teil positive FolgenEin Anstieg der Nahrungsmittelpreise ist zunächstAusdruck der Marktverhältnisse und löstReaktionen in Produktion und Verbrauch aus. Profitierenwerden davon zwar in erster Linie die starkenAgrarexportländer. Preissteigerungen bieten jedochauch Chancen für die ländlichen Räume der Entwicklungsländer,wo ca. 75 % der Armen leben.Positive AuswirkungenBauern, auch Kleinbauern in Entwicklungsländern, könnenhöhere Erlöse erzielen, soweit sie für den Markt produzieren,Produktionsanreize erhalten und ihre Einkommen verbessern(Bekämpfung der ländlichen Armut). Dafür dürfen die Produktionskostennicht in gleichem Maße steigen, und es brauchtgünstige politische Rahmenbedingungen und in bestimmtenFällen (fehlendes Saatgut) konkrete und rasche Hilfe. Aufgrundder Tendenz, dass kleinbäuerliche Betriebe infolge dersteigenden Inputkosten ihre Anbaufläche eher einschränken,statt in Erwartung steigender Preise ihre Produktivität zu steigern,können sich – insbesondere in den ländlichen Regionen,in denen die Armut besonders ausgeprägt ist – die lokal verfügbarenAngebotsmengen kurzfristig weiter verringern undzu weiteren Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln führen.Durch Steigerung ihrer Agrarproduktion können exportierendeLänder, darunter fraglos auch viele Entwicklungsländer,auf dem Weltmarkt zusätzliche Deviseneinkünfte erzielen.Angesichts des weiterhin zu erwartenden hohen Agrarpreisniveausist es ökonomisch sinnvoll, diese Einkünfte in dieLandwirtschaft und in die Agrarforschung zu reinvestieren.Höhere Lebensmittelpreise können zu einer Neugewichtungder politischen Prioritäten in den Entwicklungsländernzugunsten der Landwirtschaft führen, was besonders wichtigist, weil bisher in vielen Ländern die landwirtschaftlicheEntwicklung vernachlässigt wurde, obwohl ein großer Teilder Bevölkerung nach wie vor auf dem Land und von derLandwirtschaft lebt.Preissteigerungen eröffnen Möglichkeiten für die Nutzungbisher ungenutzten Landes ohne großen Naturschutzwertund für eine nachhaltige Produktivitätssteigerung.Negative Auswirkungen steigender NahrungsmittelpreiseSteigende Nahrungsmittelpreise sind jedochvor allem ein existenzielles Problem für Arme, insbesonderein Entwicklungsländern. Sie können beisteigenden Preisen ihren Bedarf nicht mehr deckenund werden von externer Hilfe abhängig. Dies trägtzu einseitiger Ernährung mit den entsprechendenGesundheitsschäden bei. Weltbank und IWF geheninfolge der Preissteigerungen bei Lebensmitteln voneiner Zunahme der Armut aus, die jahrelange Armutsbekämpfung( Millenniums-Entwicklungsziele)zunichte machen könnte. Betroffen sind vorwiegenddie arme städtische Bevölkerung und die margina-


132 WELTERNÄHRUNGlisierte ländliche Bevölkerung, die einen großenTeil ihrer Einkünfte für Nahrungsmittel aufwendenmüssen. Nahrungsmittelengpässe können in sozialund/oder politisch instabilen Regionen zusätzlichdestabilisierend wirken. In Industrieländern sindMenschen mit niedrigen Einkommen gezwungen,einen wachsenden Teil ihrer Ausgaben für Lebensmittelaufzuwenden.Als Folge der höheren Nahrungsmittelpreisemüssen auf Nahrungsmittelimporte angewieseneLänder (insbesondere die 82 Low-Income Food-DeficitCountries, FAO) dafür erheblich mehr bezahlenoder die Importe einschränken. Die Handelsbilanzendieser Länder geraten noch stärker in Schieflage.Hinzu kommen weitere Belastungen der öffentlichenHaushalte, da viele Betroffene mit einer Senkungder Einfuhrzölle oder Steuern bzw. einem Ausbauvon Subventionsprogrammen oder sozialer Sicherungssystemeauf die Notlage reagieren (müssen).Diese Folgen gefährden das Wirtschaftswachstumund die gesamte Entwicklung der betroffenenLänder in anderen Bereichen, die infolge der Notlagevernachlässigt werden, u.a. Investitionen in Landwirtschaftund agrarische Infrastruktur.Für internationale Hilfsorganisationen bedeutendie höheren Preise, dass sie für ihre Budgets nur nocheine kleinere Menge an Lebensmitteln erwerbenkönnen; sie müssen, falls keine zusätzlichen Gelder<strong>zur</strong> Verfügung gestellt werden, die Rationen kürzenund/oder einzelne Bevölkerungsgruppen oder Ländervon Hilfslieferungen ausschließen.Der Druck auf die freilebenden Meeresfischbeständekann durch hohe Lebensmittelpreise ansteigen.Steigende Lebensmittelpreise erhöhen generellden Druck auf verwundbare Lebensräume wildlebenderPflanzen und Tiere (z. B. Regenwälder) sowiedie Ressourcen Wasser, Boden und Luft, wenn dielandwirtschaftliche Nutzung oder Produktivitätssteigerungnicht nachhaltig erfolgt.3. Bisherige AktivitätenDie Reaktion der inter<strong>nationalen</strong> Gemeinschaftauf die Nahrungsmittelkrise wird von den VereintenNationen (VN) durch eine Task Force unter Leitungdes VN-Generalsekretärs Ban Ki-moon und Beteiligungvon Weltbank und IWF koordiniert. Daraufhaben sich die Chefs der VN-Sonderorganisationen,VN-Fonds und -Programme sowie der Weltbankund des IWF beim Treffen des Chief Executive Board(CEB) geeinigt. Koordiniert wird die Arbeit der TaskForce vom Unter-Generalsekretär für HumanitäreAngelegenheiten John Holmes und dem Influenza-Koordinator des VN-Systems David Nabarro. Daserste Treffen hat am 12. Mai <strong>2008</strong> stattgefunden. Am3. Juni hat die Task Force einen Entwurf ihres „ComprehensiveFramework of Action“ vorgelegt.Vom 3. bis 5. Juni <strong>2008</strong> tagte die FAO-Konferenzzum Thema „Welternährungssicherung: Die Herausforderungendes Klimawandels und der Bioenergie“.Sie bot gleichzeitig ein sehr hochrangig besetztesForum für die internationale Diskussion über die aktuelleLebensmittelpreiskrise und Lösungsansätze.Am 22. Mai <strong>2008</strong> fand eine Sondersitzung des Menschenrechtsratsder VN zum Recht auf Nahrungstatt. Der Europäische Rat beschäftigte sich am19./20. Juni <strong>2008</strong> mit den politischen Auswirkungender hohen Nahrungsmittelpreise.Die Staats- und Regierungschefs der G8 habensich vom 7. bis 9. Juli <strong>2008</strong> in Toyako/Hokkaidogetroffen. Auf Initiative der japanischen Präsidentschaft,die das Thema prominent auf die Tagesordnungdes Gipfels gesetzt hatte, verständigten sichdie G8-Staaten auf einen Maßnahmenkatalog <strong>zur</strong>Überwindung der Welternährungskrise.Not- und NahrungshilfeWichtige kurzfristige Maßnahme, um unmittelbareHungerkrisen zu verhindern, ist die Not- undNahrungshilfe.Deutsche finanzielle UnterstützungDie Bundesregierung unterstützt die Arbeit des Welternährungsprogrammsder Vereinten Nationen jährlich mit einemfreiwilligen Beitrag von 23 Mio. Euro. In <strong>2008</strong> wurden darüberhinaus dem Welternährungsprogramm weitere 34 Mio. Eurosowie deutschen Nichtregierungsorganisationen mehr als16 Mio. Euro länderbezogen für Projekte der Nahrungsmittelnothilfe<strong>zur</strong> Verfügung gestellt. Aufgrund der aktuellen Krisewurde der Beitrag für die Arbeit der Nichtregierungsorganisationenum weitere 5 Mio. Euro erhöht.Die Vereinten Nationen haben die internationaleGemeinschaft aufgefordert, weitere finanzielleMittel bereitzustellen.Eine Aufstockung des deutschen Engagements inder Not- und Übergangshilfe muss von den strukturellangelegten Initiativen <strong>zur</strong> Reform der Nahrungsmittelhilfekonvention(Food Aid Convention, FAC)und Ausrichtung des Welternährungsprogramms(WFP) begleitet werden. Den drei römischen VN-Organisationen kommt mit ihrer Expertise in denBereichen ländliche Entwicklung (FAO und IFAD)und Nahrungsmittelhilfe bei der Bewältigung der


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND133derzeitigen Krise entscheidende Bedeutung zu.Alle drei VN-Organisationen befinden sich derzeitin einem strukturellen Reformprozess, um denzukünftig steigenden Herausforderungen durchErnährungs- bzw. Nahrungsmittelkrisen adäquatbegegnen zu können. Ziel ist eine weitere Steigerungder Effizienz der Arbeit der Organisationen sowie dieEinbettung der Nahrungsmittelhilfe in eine langfristigeund nachhaltige Ernährungssicherungsstrategie.Deutschland unterstützt diese Reformanstrengungensowohl durch intensive Mitarbeit in den Entscheidungsgremienals auch durch finanzielle Mittel.Multilaterale ZusammenarbeitZusätzlich ist Deutschland über seine Mitgliedschaftin der EU und in inter<strong>nationalen</strong> Organisationennicht nur an der Finanzierung von deren Programmen,sondern auch an der Ausrichtung der Förderpolitikbeteiligt (Beispiel: deutscher Finanzierungsanteilan EU-Programmen für Landwirtschaft undErnährungssicherung im Jahr 2006: rd. 100 Mio. Euro).So hat sich Deutschland in den vergangenenJahren dafür eingesetzt, dass die Weltbank wiedereinen höheren Anteil ihrer Mittel für die ländlicheEntwicklung einsetzt. Die Weltbank hat mit ihremdiesjährigen Weltentwicklungsbericht „Agriculturefor Development“ die ländliche Entwicklung in denMittelpunkt gestellt und ihre Ausgaben deutlichgesteigert: Im Zeitraum 2005–2007 haben sich dieKredite im Bereich Landwirtschaft im Vergleich zumZeitraum 1999–2001 um 38 % erhöht. Bei der Frühjahrstagung<strong>2008</strong> der Weltbank hat WeltbankpräsidentRobert Zoellick weitere Erhöhungen angekündigt.Inzwischen hat die Weltbank eine mit1,2 Mrd. US-Dollar ausgestattete Global Food CrisisResponse Facility geschaffen und angekündigt, dasssie ihre Förderung der Landwirtschaft von jährlich4 Mrd. US-Dollar auf 6 Mrd. US-Dollar erhöhen wird.Die regionalen Entwicklungsbanken haben zusätzlicheMittelbereitstellungen für die Entwicklungsländerin ihren jeweiligen Kontinenten angekündigt;dies gilt für die Afrikanische Entwicklungsbank, dieAsiatische Entwicklungsbank und die InteramerikanischeEntwicklungsbank. Daneben steht auchder Internationale Währungsfonds (IWF) bereit, umMitgliedsländern zeitnah und ohne Verzögerung zuhelfen, die wegen der hohen Nahrungsmittelpreisein Zahlungsbilanzschwierigkeiten geraten. DieProgramme werden bei Bedarf an die geändertenUmstände angepasst, um flexibel auf die Entwicklungder Nahrungsmittelpreise reagieren zu können.Nationale und internationale ForschungspolitikEs besteht kein Zweifel, dass <strong>zur</strong> Überwindungder Nahrungsmittelkrise die einschlägigen Forschungsaktivitätenintensiviert werden müssen. DieBundesregierung hat mit der Hightech-Strategie bereitsspezifische Maßnahmen eingeleitet, um durchdie Förderung von Forschung und Innovation sowiedurch die Gestaltung von Rahmenbedingungenlangfristige Problemlösungen für die nachhaltigeErnährungssicherheit zu erarbeiten. Darüber hinaushat die Bundesregierung mit einer umfassendenStrategie <strong>zur</strong> Internationalisierung von Wissenschaftund Forschung einen weiteren Schritt getan, umAntworten auf die forschungs- und innovationspolitischenHerausforderungen der Globalisierung zugeben. Hierzu zählt u. a. die Stärkung der Zusammenarbeitmit Entwicklungsländern in Bildung,Forschung und Entwicklung.AgrarhandelspolitikDie EU ist der größte Lebensmittelimporteurder Welt und hat einseitig oder bilateral den Agrarmarktzugangfür Entwicklungsländer und damitProduktionsanreize für die dortige Landwirtschaftdeutlich verbessert.Agrarhandelspolitische Maßnahmen der EUDie EBA-Initiative der EU (Everything but Arms – Alles außerWaffen) gibt den 49 am wenigsten entwickelten Ländern derWelt einseitig zoll- und quotenfreien Marktzugang in die EU.Dieser Marktzugang gilt grundsätzlich auch für alle Agrargüter,ab 2009 auch für Zucker und Reis. Die EU ist bereit, dafürteilweise schmerzhafte Einschnitte in Kauf zu nehmen, bei Zuckerz. B. kräftige Verringerung der Erzeugung, Fabrikschließungen,Arbeitsplatzabbau. Im Rahmen der Verhandlungen<strong>zur</strong> WTO-Entwicklungsrunde ist es der EU 2005 in Hongkonggelungen, eine entsprechende an alle Industrieländer gerichteteZielvorgabe für 97 % aller Zolllinien festzuschreiben.Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) bzw. entsprechendeInterimsabkommen ersetzen die bisherige Handelsregelungim Cotonou-Abkommen durch WTO-kompatibleFreihandelsabkommen. AKP- Länder, die derartige EPAs mitder EU abschließen, erhalten grundsätzlich zoll- und quotenfreienMarktzugang mit Übergangsfristen für Reis und Zucker.Im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems der EU (APS)werden Entwicklungsländern für einen großen Teil ihrerProdukte – darunter auch nicht sensible Agrarprodukte –deutliche Zollnachlässe gewährt. Sind die EntwicklungsländerVN-Konventionen im Bereich der Menschenrechte, derUmwelt- und Sozialpolitik beigetreten und wenden diese an,erhalten sie über das APS+ sogar zollfreien Marktzugang.


134 WELTERNÄHRUNGEin erfolgreicher Abschluss der Doha-Rundeso schnell wie möglich kann <strong>zur</strong> Beruhigung derWeltagrarmärkte durch Abbau von Handelshemmnissenbeitragen. Beschränkungen des Welthandels(Exportsteuern und Embargos, Preisstützungenund Einfuhrbehinderungen) haben – insbesonderemittel- bis langfristig – oft schädliche und unbeabsichtigteAuswirkungen für Produzenten undKonsumenten.Reformen der EU- AgrarpolitikDarüber hinaus hat die EU mit ihren umfangreichenAgrarreformen bereits eine Vorleistung auf dieglobalen Entwicklungsziele eines Abschlusses derWTO-Runde erbracht und hat zusätzlich die GemeinsameAgrarpolitik an die EU-eigenen entwicklungsbezogenenHandelsvereinbarungen angepasst:Handelsverzerrende Subventionen werden ineinem fortschreitenden Reformprozess abgebaut.Heute vorherrschende Maßnahmen derAgrarpolitik (Direktzahlungen) sind weitgehendentkoppelt und weisen keine direkten Produktionsanreizemehr auf, die zu einer Überproduktionmit Störungen der Märkte in Entwicklungsländernführen könnten. Sie berücksichtigen stärkerumwelt-, sozial- und regionalpolitische Ziele.Die EU-Exporterstattungen wurden seit 1992 von9,47 Mrd. Euro auf 336 Mio. Euro bereits stark gesenkt.Es ist das Ziel, die Agrarexporterstattungenschrittweise vollständig abzubauen.Im Rahmen der Agrarreformen, sowohl der umfassendenReform von 2003 als auch der Baumwoll-und Zuckermarktreform von 2005, wurdenauch die EU-Binnenpreise deutlich gesenkt, wasein Zurückfahren des tarifären Außenschutzesim Rahmen der bilateralen Vereinbarungen undspäter auch der WTO ermöglicht.Bilaterale Entwicklungszusammenarbeitund KooperationsprojekteDie Bundesregierung hat im Jahr <strong>2008</strong> durchUmstrukturierungen innerhalb der bestehendenPlanansätze Neuzusagen in der Höhe von600 Mio. Euro <strong>zur</strong> Überwindung der Welternährungskrisevorgesehen. Eine zentrale Rolle imRahmen des bilateralen Engagements der Bundesregierungspielt insbesondere die Beratung undSchulung von Kleinbäuerinnen und -bauern bei derSteigerung ihrer Produktivität sowie der gerechteZugang – insbesondere für Frauen – zu Land undanderen produktiven Ressourcen der ländlichenWirtschaft. Aber auch die Förderung sozialer Sicherheitsnetzevon Infrastrukturmaßnahmen und dieUnterstützung verarbeitender Industrie sind Teileines umfassenden Förderungsansatzes.Neben der klassischen Entwicklungszusammenarbeitleistet die Bundesregierung seit Beginn der1990er Jahre Unterstützung bei der Restrukturierungder Landwirtschaft in Mittel- und Osteuropa. Dies geschiehtdurch eine Kombination von Agrarpolitikberatungmit praxisnahen Projekten. Seit 1993 wurdenaus dem Bundeshaushalt ca. 70 Mio. Euro bereitgestellt.Das Programm hat den Wiederaufbau deslandwirtschaftlichen Sektors unterstützt und damit<strong>zur</strong> Verbesserung der Ernährungssituation in MittelundOsteuropa beigetragen. Mit Beginn des Jahres<strong>2008</strong> wurden die Voraussetzungen geschaffen, dasKooperationsprogramm über Mittel- und Osteuropahinaus in andere Regionen auszudehnen.Ernährungssichernde MaßnahmenDeutschland unterstützt die Arbeit der FAO für ernährungssicherndeMaßnahmen.Unterstützung für die Arbeit der FAOIm Rahmen des Bilateralen Treuhandfonds der Bundesregierungmit der FAO werden Leuchtturmprojekte gefördert, diebeispielhaft für die nachhaltige Ernährungssicherung in Entwicklungsländernsind. Dazu zählt z. B. das Projekt „Bioenergieund Ernährungssicherheit“, das die Auswirkungen desBioenergiebooms auf die Ernährungssituation beispielhaft indrei Entwicklungsländern untersucht. Ziel des Projekts ist es,Strategien und Ansätze zu entwickeln, mit denen in Entwicklungsländerndie ökonomischen, ökologischen und sozialenAuswirkungen der Bioenergieerzeugung und -nutzung imSinne der Ernährungssicherung gestaltet werden können.4. Weiteres HandlungskonzeptEin Handlungskonzept muss berücksichtigen,dass die Verschärfung der Versorgungslage und derUnterernährung in vielen Entwicklungsländern vielfältigeUrsachen sowohl auf der Nachfrage- als auchauf der Angebotsseite der Nahrungsmittelmärktehat. Krisenhafte Erscheinungen treten insbesonderein den Ländern und Regionen auf, in denen steigendeLebensmittel- und Energiepreise auf eine bereitsbestehende Armutssituation treffen. Die Programme<strong>zur</strong> Verbesserung der globalen Ernährungssicherungsind daher nicht allein auf die Agrarfrage(Produktivitätssteigerung; globaler Ansatz) und diekonkrete Armutsbekämpfung (regionaler Ansatz)zu konzentrieren, vielmehr sind parallel – im Sinne


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND135einer nachhaltigen Entwicklung – stets die Wechselwirkungenzwischen umwelt- und wirtschaftspolitischenund sozialen Fragen auch mit Blick aufdas Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum, denKlimawandel sowie die Sicherung der Energie- undWasserversorgung zu beachten.Wegen der gravierenden humanitären Auswirkungenund der damit einhergehenden Gefährdungder politischen Stabilität einiger betroffener Länderist schnelles und entschlossenes Handeln der inter<strong>nationalen</strong>Gebergemeinschaft und der staatlichensowie nichtstaatlichen Hilfsorganisationen erforderlich.Kurzfristig geht es darum, akute Not zu lindern,humanitäre Hilfe zu leisten und Maßnahmen <strong>zur</strong>Beruhigung der Agrarmärkte zu ergreifen. Gleichzeitigmüssen in den Entwicklungsländern mittelundlangfristig wirkende strukturelle Maßnahmenergriffen werden, um die Produktion von Nahrungsmittelnzu erhöhen. Dazu bedarf es breit angelegterProgramme <strong>zur</strong> Steigerung der landwirtschaftlichenProduktion durch Förderung einer nachhaltigenLandwirtschaft sowie <strong>zur</strong> wirtschaftlichen und sozialenStärkung der ländlichen Räume in den Entwicklungsländernund einer Intensivierung der damitkorrespondierenden Forschung. Angesichts derdrängenden Probleme müssen diese Maßnahmen soforteingeleitet werden. In diesem gesamten Prozessist die Eigenverantwortung der Entwicklungsländerin besonderem Maße gefordert. Die Hilfen der inter<strong>nationalen</strong>Gemeinschaft sind primär darauf zu richten,die Regierungen in den Entwicklungsländern zuunterstützen, ihre Eigenverantwortung wahrzunehmenund strukturelle Hindernisse abzubauen.Sowohl im bilateralen als auch im multilateralenRahmen sollten die Entwicklungsländeraufgefordert und dabei unterstützt werden, sichder Verpflichtung <strong>zur</strong> dauerhaften Sicherung derErnährung im Rahmen eines am Ziel der nachhaltigenEntwicklung ausgerichteten Konzepts zustellen. Dabei muss die Förderung der Erzeugungvon Lebensmitteln und von zukunftsträchtigenBeschäftigungs- und Einkommensmöglichkeitenin ländlichen Räumen deutlich ausgebaut werden.Diese Ziele sind Teil des Rechts auf Nahrung, dessenBeachtung zum Kodex guten Regierungshandelnsgehört; die freiwilligen FAO-Richtlinien zum Rechtauf Nahrung bieten den geeigneten Orientierungsrahmen.Wie hier verankert, ist aber auch dieinternationale Gebergemeinschaft aufgefordert,einen Schwerpunkt im Bereich der Ernährungssicherungzu setzen. In diesem Zusammenhang begrüßtdie Bundesregierung die aktuellen Anstrengungen<strong>zur</strong> Reform und Stärkung des multilateralen Systems(VN, FAO, Nahrungsmittelhilfe), die jüngstenMaßnahmen von Weltbank und IWF und insbesonderedie Initiative des VN-Generalsekretärs für einenkohärenten Handlungsansatz der VN-Institutionen(Task Force on the Global Food Security Crisis). DieAktivitäten der einzelnen Akteure müssen gutkoordiniert werden. Der politische Austausch beimG8-Gipfel vom 7. bis 9. Juli <strong>2008</strong> hat hierzu wichtigeImpulse gegeben.Notwendige kurzfristige MaßnahmenKurzfristig müssen folgende Maßnahmen ergriffen werden:• humanitäre Soforthilfe, Not- und Übergangshilfe und insbesonderedie Nahrungsmittelhilfe aufstocken; Finanzierunginsbesondere über die inter<strong>nationalen</strong> Organisationen.Begleitet werden muss die Hilfsgewährung von einerReform der Nahrungsmittelkonvention, die sich auch aufdas Welternährungsprogramm (WEP), die FAO und IFADerstrecken muss.• Sicherstellen, dass Nahrungsmittel- und Einkommenstransfers(Transferzahlungen oder Nahrungsmittelcoupons) imSinne guten Regierungshandelns die sozial Schwächstenerreichen• Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln verbessern.Dies beinhaltet insbesondere Hilfen für Saatgut,Düngemittel und Technik, die sehr schnell verfügbar sind,für ausgewählte Regionen, vorzugsweise handlungsfähigeStaaten Afrikas.• Ausfuhrbeschränkungen sofort aufheben. Diese von einigenEntwicklungsländern neu geschaffenen Exportbarrieren(Exportstopps) behindern insbesondere den Süd-Südhandelund schaden vor allem den Entwicklungsländern untereinander.• Doha-Runde zum Erfolg führen. Eine multilaterale Liberalisierungdes Weltagrarhandels als Teil eines ausgewogenenGesamtergebnisses der Doha-Entwicklungsrunde, sobaldwie möglich, würde einen wesentlichen Beitrag dazu leisten,die Hemmnisse und Verzerrungen, insbesondere durchExportsubventionen und -förderung, auf den inter<strong>nationalen</strong>Nahrungsmittelmärkten abzubauen, Anreize für dieNahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern zuschaffen und die Versorgungslage zu verbessern.• Haushalts- und Zahlungsbilanzungleichgewichte bekämpfen.Die 30 ärmsten Länder mit größter Unterversorgungbenötigen aufgrund der gestiegenen Nahrungsmittelpreiseetwa 20 Mrd. US-Dollar pro Jahr zusätzlich für Nahrungsmittelimporte,die die Zahlungsbilanzprobleme dramatischverschärfen. Hier ist vor allem der IWF gefragt, Monitoringzu betreiben, Liquiditätsengpässe zu vermeiden und Aktionsplänevorzulegen.Mittel- und langfristig wirkende MaßnahmenHinsichtlich der mittel- und langfristig wirkenden Maßnahmengilt, dass auch sie angesichts der dramatischen Problemesofort einzuleiten sind. Als wesentliche Elemente sieht dieBundesregierung:• Die institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungenin den Entwicklungsländern müssen verbessert werden.Weit über den Agrarsektor hinaus sind grundlegendeStrukturveränderungen erforderlich, darunter Gewährleistungund Verbesserung der Rechtssicherheit, Instrumente<strong>zur</strong> Schaffung von Markt- und Preistransparenz sowie anArmutsbekämpfung orientierte sozialpolitische Maßnahmen.Landwirtschaft und rurale Entwicklung muss inder Politik der Entwicklungsländer ein stärkeres Gewichtzukommen. Auch die sozialen Sicherungssysteme sind ausbzw.aufzubauen. Die Geberländer werden diese Prozesse


136 WELTERNÄHRUNGunterstützen. Dabei ist es jedoch wichtig, die Eigenverantwortungder Entwicklungsländer deutlich zu machen. Zielist, dass die betroffenen Länder selbsttragende Strukturenaufbauen, die auf lange Sicht ohne Hilfsmaßnahmen vonaußen bestehen können.• Langfristig ist sowohl eine globale Steigerung der nachhaltigenNahrungsmittelproduktion – insbesondere derEigenproduktion in den Entwicklungsländern – als aucheine Stärkung der Einkommen in den von Armut betroffenenLändern notwendig. Eine Voraussetzung <strong>zur</strong> Steigerungder landwirtschaftlichen Produktivität sind verstärkteInvestitionen in eine nachhaltige Landwirtschaft vor allemin den Entwicklungsländern. Dies schließt eine nachhaltigeBewässerungslandwirtschaft ein. Dazu ist Hilfe von außennotwendig. Alle Maßnahmen, die zu einer Verbesserungder allgemeinen Einkommenslage beitragen, verbesserndie Aussichten, dass die Landbevölkerung selbst in diesenBereich investieren kann.• Parallel dazu ist die Agrarforschung zu intensivieren. UmErtragssteigerungen zu erreichen, sind Forschungsanstrengungenentlang der gesamten landwirtschaftlichenProduktionskette einschließlich der Zulieferindustriennotwendig. Ferner ist die Ausbildung von Fachkräften der Entwicklungsländerdurch geeignete Qualifizierungsangeboteund gemeinsame F+E-Projekte zu verbessern.• Um Produktivitätssteigerungen über längere Zeit zu erreichen,sind die Ertragspotenziale der landwirtschaftlichenKulturpflanzen mit Hilfe moderner Methoden der Pflanzentechnologiezu verbessern. Dazu gehört auch ein verstärkterDialog zu Chancen und Grenzen einer verantwortungsvollenNutzung der grünen Gentechnik.• Nutzungskonkurrenzen müssen vermieden werden. Ausder globalen Nachfragesteigerung nach Nahrungsmitteln,nachwachsenden Rohstoffen und Bioenergie resultiert einezunehmende Konkurrenz um den Boden und das Wasser. Einverantwortungsbewusster Ausbau der Bioenergie muss ökonomischeEffizienz und ökologische und soziale Forderungender Nachhaltigkeit beachten. Er soll die Abhängigkeitvon Importen fossiler Energieträger verringern, einen Beitragzum Klimaschutz leisten und Einkommen für Bäuerinnenund Bauern schaffen. Gleichzeitig ist die Flächenreserveweltweit begrenzt, ökologisch wertvolle Flächen müssengeschützt werden. Neben der Förderung der Produktivitätnachhaltiger Landwirtschaft sind deshalb weitere Maßnahmenerforderlich. In erster Linie sind dies verbindliche Nachhaltigkeitsstandardsund effektive Zertifizierungssysteme.Die Bundesregierung strebt im EU-Rahmen die Festlegungentsprechender Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffean. Ziel der Bundesregierung ist, dass die Kriterien ökologischeund soziale Aspekte wie auch die Frage der Flächenkonkurrenzumfassen und für Biomasse insgesamt gelten.Bei einer Anwendung auf Importe aus Drittstaaten mussWTO-Konformität gewährleistet sein.• Wo Nutzungskonflikte dennoch nicht aus<strong>zur</strong>äumen sind,vertritt die Bundesregierung den Grundsatz, dass dieErnährungssicherung Vorrang vor anderen Nutzungen derAgrarerzeugnisse hat.Biokraftstoffe der zweiten Generation können <strong>zur</strong> Minimierungder Konkurrenz zu Nahrungsgütern wegen ihrer Fähigkeit,Reststoffe zu verwerten, einen nennenswerten Beitragleisten. Der Übergang auf diese Generation der Biokraftstoffeist deshalb zu beschleunigen.Die Agrar- und Energieforschung ist über die gesamteWertschöpfungskette von der Züchtung über den Anbau unddie Ernte der Agrarerzeugnisse bis <strong>zur</strong> Umwandlung, z. B. inBiokraftstoffe, in den Blick zu nehmen. Die Transformationsprozessemüssen in mehrfacher Hinsicht ( Energie, Emissionsminderung)effizienter werden und soweit wie möglich miteinanderverknüpft werden (Mehrfach- und Kaskadennutzung,Bioraffinerie-Konzepte).Die Bundesregierung unterzieht ihre Förderpolitik im Bereichder Bioenergie regelmäßig einem Monitoringprozess, um dieZielerreichung der jeweiligen Instrumente und die Einhaltungvon Nachhaltigkeitskriterien zu überprüfen sowie auftechnologische Entwicklungen reagieren zu können.• Um klimabedingte Ernteausfälle zu begrenzen, muss dieglobale Klimaschutzpolitik vorangebracht werden. Hierfürsind internationale Vereinbarungen für ein Post-Kyoto-Abkommen ebenso unverzichtbar wie die Umsetzung der<strong>nationalen</strong> und europäischen Klimaschutzziele. Weltweitvorangetrieben werden muss auch der Schutz der biologischenVielfalt als Grundlage jeder landwirtschaftlichen Produktion.Die Bundesregierung wird die deutsche Präsidentschaftder Konvention über die biologische Vielfalt (CBD)nutzen, um die inter<strong>nationalen</strong> Aktivitäten <strong>zur</strong> Sicherungder Biodiversität, einschließlich der Agrobiodiversität, zuforcieren.• Agrarpolitik an den Märkten orientieren: Erforderlich istKohärenz mit den übrigen Politikbereichen, insbesondereden globalen Entwicklungszielen und den Zielen der WTO-Runde.• Frühwarnsysteme verbessern. Dies ist notwendig, uminsbesondere akut notwendig werdende Hilfsmaßnahmenrechtzeitiger und umfassender vorbereiten zu können.5. FazitAls Antwort auf die krisenhafte Situation derWelternährungslage ist eine umfassende und aufDauer angelegte koordinierte Strategie erforderlich,die zwischen den Staaten und den inter<strong>nationalen</strong>Institutionen abzustimmen ist. Der G8-Gipfel im Juli<strong>2008</strong> in Japan hat die Notwendigkeit des gemeinsamenAgierens nochmals unterstrichen. Insbesonderedie Vereinten Nationen sollten in diesem Prozesseine wesentliche Führungsrolle übernehmen.Langfristig muss globale Steigerung der Nahrungsmittelproduktion– insbesondere die Eigenproduktionin den Entwicklungsländern – erreicht werden.Nachhaltige Landwirtschaft und nachhaltigeländliche Entwicklung müssen ein stärkeres Gewichtin den <strong>nationalen</strong> Politiken der Entwicklungsländernbekommen. Die Bundesregierung wird diesenAnsatz mit all ihrem Gewicht in den einschlägigeneuropäischen und multilateralen Gremien unterstützen.


137DNachhaltigkeit in einzelnen weiterenPolitikfeldernMit der Gliederung dieses Kapitels knüpft die Bundesregierungan die Themen der neuen Europäischen<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> von 2006 an (vgl. hierzuauch Kapitel I). Zu den in der Strategie aufgeführtenThemenfeldern erfolgt eine exemplarische Darstellung,nicht eine umfassende Berichterstattung überdie Vielfalt der Aktivitäten der Bundesregierung, dieunter diese Themen fallen.I. Nachhaltiger VerkehrIn der Nachhaltigkeitsdiskussion der letzten Jahrehat sich auch im Verkehrsbereich der Schwerpunktvon den klassischen Umweltthemen zu den Herausforderungendes Klimaschutzes verschoben (vgl.Kapitel C.I.). Dies ist – angesichts erfreulicher Entwicklungenbei der Reduktion und Vermeidung klassischerLuftschadstoffe – berechtigt (<strong>zur</strong> Entwicklungder Luftbelastung vgl. Indikator 13 in Kapitel B). Eineverkehrspolitische Daueraufgabe bleibt gleichwohldie Verringerung des Verkehrslärms. Zudem trägtauch der Verkehr erheblich zum Flächenverbrauch(vgl. Kapitel D.III.1., Indikator 4 in Kapitel B) und <strong>zur</strong>Zerschneidung der Landschaft bei. Die Bundesregierunghält an ihrem Ziel fest, langfristig eine Entkoppelungvon Wirtschaftswachstum und Verkehrsnachfragezu erreichen (vgl. Indikatoren 11a und 11c), umdie Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern. Diesist auch Ziel der Europäischen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>von 2006. Flankiert wird dies durch Maßnahmen<strong>zur</strong> Entkoppelung von Wirtschaftswachstum undEnergieverbrauch. Positiv ist festzustellen, dass trotzgestiegener Verkehrsnachfrage der Energieverbrauchseit 1999 im Personen- wie auch im Güterverkehrgesunken ist. Eine leistungsfähige, wettbewerbsfähigeund innovative Mobilitätswirtschaft,die ökonomisch und ökologisch effiziente Verkehrsabläufeund Prozesse organisiert, ist eine wichtigeVoraussetzung für Wachstum und Beschäftigung inDeutschland und der Europäischen Union.1. Klimaschutz im Zentrum nachhaltigerVerkehrspolitikDer Verkehr von morgen soll leise, sauber,effizient, flächensparend und klimafreundlich sein.In Bezug auf den Klimaschutz geht es darum, denCO 2-Ausstoß des Verkehrs weiter zu reduzieren. Dasim Integrierten Energie- und Klimaprogramm ( IEKP)bekräftigte Klimaschutzziel bis 2020 erfordert auchvom Verkehrssektor einen substanziellen Beitrag. ImIEKP hat die Bundesregierung sich bereits auf eineReihe den Verkehr betreffender Maßnahmen verständigt.Diese betreffen u. a. die Steigerung der CO 2-Effizienz des Verkehrssektors. Angesichts des prognostiziertenVerkehrswachstums insbesondere desGüterverkehrs ist es jedoch offenkundig, dass eineReduzierung des spezifischen Energieverbrauchsund CO 2-Ausstoßes durch technische Maßnahmenallein nicht ausreichend ist. Der Masterplan Güterverkehrund Logistik enthält wichtige Bausteine, dieden Beitrag des Verkehrs zum CO 2-Minderungszielunterstützen.Herausforderungen und erste ErfolgeIn der EU sind heute 71 % des Gesamtverkehrsvom Mineralöl abhängig, der Straßenverkehr sogarzu rd. 97 %. Der Verkehr trägt damit erheblich zumVerbrauch von Energiereserven bei und ist zudemfür rd. 20 % des Gesamt- CO 2-Aufkommens in der EUverantwortlich.Die Treibhausgasemissionen des Verkehrs gehenvor allem vom Automobilverkehr, vom Straßengüterverkehrund vom Luftverkehr aus. Angesichtserheblicher Wachstumsraten ist es zudem erforderlich,auch in der Seeschifffahrt Möglichkeiten derTreibhausgasreduzierung in Angriff zu nehmen,auch wenn hier zunächst die Reduzierung der klassischenLuftschadstoffe, insbesondere des Schwefels,


138 WEITERE POLITIKFELDERim Vordergrund steht. Die Bundesregierung wirdvor diesem Hintergrund weiterhin aktiv für deninter<strong>nationalen</strong> Emissionshandel im Luft- wie auchim Seeverkehr eintreten.Die Herausforderungen sind erheblich, aberkein Grund, nicht einen substanziellen Beitrag desVerkehrs <strong>zur</strong> CO 2-Reduktion anzustreben.Dass Deutschland in der Lage und willens ist, dieInteressen von Mobilität und Umweltschutz in Einklangzu bringen, zeigt die erfolgreiche Reduzierungvon Luftschadstoffen. Mit stufenweise durchgesetztenGrenzwertverschärfungen konnte eine deutlicheMinderung der Luftschadstoffe bei gleichzeitigemerheblichen Anstieg der Verkehrs- und Fahrleistungerreicht werden. Bei Stickoxiden z. B. hat Deutschlandim Straßenverkehr gegenüber 1990 bereits eineVerringerung um rd. 50 % erreicht, bis 2010 wird essogar eine Verringerung um über 60 % und bis 2020um über 70 % sein. Die Bundesregierung hat dieseEntwicklung zusätzlich dadurch unterstützt, dasssie die vorzeitige Einhaltung der künftigen Abgasnormenmit steuerlichen Anreizen gefördert hat(emissionsbezogene Kfz-Steuer). Damit konnte dieEinführung moderner, schadstoffgeminderter Fahrzeugeerheblich beschleunigt werden.Vergleichbares war auch bei den CO 2- Emissionenmöglich: Deutschland ist es schon jetzt als einzigemLand in der EU gelungen, im Verkehrsbereich dieCO 2- Emissionen in den <strong>zur</strong>ückliegenden acht Jahrenzu senken.Mit ihrer im Rahmen der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>entwickelten „ Kraftstoffstrategie“ hat dieBundesregierung in den Bereichen Energieeffizienzund Verbreiterung der Kraftstoffstoffbasis im Verkehreine klare Orientierung für die nächsten zweiJahrzehnte vorgegeben, die in den Beschlüssen vonMeseberg und deren Umsetzung ihren Niederschlaggefunden hat. Dies gilt sowohl für die Anforderungenan Effizienzverbesserungen bei den Antriebenals auch – u. a. mit Hilfe des deutschen Biomasseforschungszentrums(DBFZ) – die künftige, differenziertzu bewertende Rolle von Biokraftstoffen sowie dieweitere Unterstützung von innovativen Entwicklungenwie der Anwendung von Wasserstoff undelektrifizierten Antrieben mit Brennstoffzellen undBatterien. Diese Orientierung ist im Licht neuer Aktivitätenund Erfahrungen weiterzuentwickeln.Nachhaltiger PersonenverkehrIm Individualverkehr ist nicht zuletzt auchaufgrund gestiegener Kraftstoffpreise eine Entkoppelungvon Verkehrsleistung und Energieverbraucheingeleitet, der Weg hin zu mehr Energieeffizienzund „weg vom Öl“ ist eingeschlagen. In diesen erstenErfolgen zahlt sich aus, dass die Doppelstrategie imStraßenverkehr aus Anreizen für mehr Energieeffizienzund durch Weichenstellungen zum Einsatzalternativer Kraftstoffe einherging mit deutlichenVerbesserungen im ÖPNV-Angebot. Mit dem IntegriertenEnergie- und Klimaprogramm vom 5. Dezember2007 wurden hierfür weitere wichtige Entscheidungengetroffen (vgl. Kapitel C.I.).Die geplante Festlegung von CO 2-Zielwerten fürin der EU neu zugelassene Pkw ab 2012 stellt in demZusammenhang gleichwohl die wichtigste Weichenstellungfür Energieeffizienz und CO 2-Reduktion inEuropa dar. Die Umgestaltung der Kfz-Steuer, einetransparentere und kundenfreundliche Verbrauchskennzeichnungbei Pkw und die Verbesserung derRahmenbedingungen für den nachhaltigen Einsatzvon Biokraftstoffen werden zu einer weiteren Reduzierungder CO 2- Emissionen im Personenverkehrund zu einer deutlichen Steigerung der CO 2-Effizienzführen.Zugleich wird die Bundesregierung ihre Strategiefortsetzen, die Marktvorbereitung und Markteinführungneuer Technologien zu unterstützen, durch dieerhebliche Verbesserungen bei der Energieeffizienzerreicht werden können. Sie ist wesentlicher Bestandteileiner fortentwickelten Kraftstoffstrategie.Das „Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff-und Brennstoffzellentechnologie (NIP)“(Informationen unter www.now-gmbh.de) befindetsich in der Umsetzungsphase. Parallel dazu wird einnationaler Entwicklungsplan „ Elektromobilität“erarbeitet (siehe Kapitel C.I.).Dem Öffentlichen Personennahverkehr ( ÖPNV)kommt beim Umwelt- und Klimaschutz eine herausragendeRolle zu. Er ist Garant für die Sicherungeiner nachhaltigen und modernen Mobilität undnimmt in der integrierten Verkehrspolitik der Bundesregierungeinen hohen Stellenwert ein. Der Bundträgt weiterhin mit verschiedenen Finanzierungsinstrumentenin erheblichem Maße <strong>zur</strong> Förderungdes ÖPNV bei. Durch Forschung (z. B. ForschungsprogrammStadtverkehr) und Förderung des Best-Practice-Austauschsunterstützt die Bundesregierungzudem regelmäßig Maßnahmen der Kommunenim Interesse eines nachhaltigen Stadtverkehrs (wie


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND139z. B. Maßnahmen für eine zügige Modernisierungder Fahrzeugflotte, Schaffung von Fußgängerzonenund Tempo-30-Zonen, Erstellung flächendeckenderParkraumkonzepte). Der ÖPNV ist auch für vieleMenschen im ländlichen Bereich von essentiellerBedeutung.Das Fahrrad wird in seiner Bedeutung als eingesundheitsförderndes, umwelt- und sozialverträglichesVerkehrsmittel häufig unterschätzt. Ziel des NationalenRadverkehrsplans 2002–2012 ist es deshalb,die Chancen des Fahrradverkehrs im Rahmen einerintegrierten Verkehrspolitik aufzuzeigen und diesesEntwicklungspotenzial in einem auf Nachhaltigkeitausgerichteten Verkehrssystem gezielt zu nutzen.Der Radverkehr ermöglicht Mobilität unabhängigvom Alter und Einkommen, ist gesundheitsfördernd,kostengünstig, umweltfreundlich, leise undbeansprucht wenig Fläche. Attraktive Fahrradangebotetragen <strong>zur</strong> Verbesserung des TourismusstandortesDeutschland bei, gerade in strukturschwachenländlichen Gebieten. Fahrradförderung sichert darüberhinaus Arbeitsplätze in der Fahrradindustrie,im Handel und in diversen Dienstleistungsbereichenrund ums Rad. Die Bundesregierung setzt sich dafürein, dass Länder und Gemeinden den Radverkehr alsgleichwertiges Verkehrsmittel neben dem motorisiertenIndividualverkehr und dem öffentlichen Verkehranerkennen und entsprechend in die regionaleund kommunale Verkehrsentwicklungsplanungintegrieren. Auf diese Weise kann die Steigerung desRadverkehrsanteils am Modal Split <strong>zur</strong> Erreichungübergeordneter gesellschaftspolitischer Ziele wieKlimaschutz und Gesundheitsvorsorge beitragen.Nachhaltiger GüterverkehrDie größte Herausforderung bei der Reduzierungder Treibhausgasemissionen im Verkehr stellt wegenseines künftig starken Wachstums in Deutschlandund Europa der Straßengüterverkehr dar. Aufgrundder schon heute hohen Kosten- und Energieeffizienzgroßer Dieselmotoren bei Lkw sind die noch vorstellbarentechnologischen Einsparpotenziale begrenztund auch nicht kurzfristig zu realisieren.Schon heute entfällt rd. ein Drittel der CO 2-Emissionen des Straßenverkehrs auf den Straßengüterverkehr.Nach vorliegenden Prognosen ist unterStatus-quo-Bedingungen mit einer Zunahme derGüterverkehrsleistung zwischen 2004 und 2025 um71 % zu rechnen.Zugleich ist klar: Nur wenn der Güterverkehrkünftig ökonomisch, ökologisch und sozial tragfähiggestaltet wird, kann auch nachhaltiger Personenverkehrstattfinden. In einem gemeinsamen Verkehrssystemsind beide auf das engste miteinanderverbunden.Die Bundesregierung hat daher mit dem MasterplanGüterverkehr und Logistik die Initiative ergriffen,um mit einem integrierten Ansatz dafür zu sorgen,dass die Bedingungen für einen im umfassendenSinne nachhaltigen Güterverkehr geschaffen werden.Handlungsfelder des Masterplan Güterverkehrund LogistikIn den folgenden Handlungsfeldern werden Akzente für eineneffizienten und zugleich klima- und umweltverträglichenGüterverkehr gesetzt:1. Unsere Verkehrswege müssen optimal genutzt werden.Eine intelligente und effiziente Verkehrsgestaltung unterNutzung aller modernen I+K-Medien und Verkehrsmanagementverfahrenmuss dazu entscheidend beitragen.2. Wir müssen Verkehr vermeiden, ohne dabei wirtschaftlichesHandeln zu beeinträchtigen.3. Mehr Güterverkehr muss auf der Schiene und der Wasserstraßeabgewickelt werden.4. Die Hauptverkehrsachsen und -knoten müssen vorrangigausgebaut werden, denn hier entstehen die größtenEffizienzgewinne.5. Es müssen zusätzliche Anreize für den Einsatz von Technologienfür einen umwelt- und klimafreundlichen Güterverkehrgesetzt werden.6. Durch eine gute Ausbildung im Transportgewerbe muss beiden dort Beschäftigten das Bewusstsein für die vielfältigenMöglichkeiten geschaffen werden, zu mehr Effizienz undNachhaltigkeit im Güterverkehr beitragen zu können.Die Bundesregierung entwickelt hierzu gemeinsammit den beteiligten Akteuren aus Wirtschaftund Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft eineReihe konkreter Handlungsvorschläge.Die Maßnahmen des Masterplans <strong>zur</strong> Verkehrsvermeidung,<strong>zur</strong> Verlagerung von Verkehren auf dieBahn und das Schiff, <strong>zur</strong> effizienteren Abwicklungdes Güterverkehrs, <strong>zur</strong> optimierten Nutzung bestehenderVerkehrswege sowie weitere Maßnahmen<strong>zur</strong> Entlastung des Straßenverkehrs, vor allemdie Stärkung öffentlicher Verkehrsangebote, dienengleichzeitig dem Ziel, Energieverbrauch undCO 2-Ausstoß des Verkehrs weiter zu reduzieren.2. Lärmschutz im VerkehrDer Lärmschutz spielt in der öffentlichen Diskussiondes nachhaltigen Verkehrs noch immer nichtdie ihm gebührende Rolle, obwohl er aus Sicht derBürgerinnen und Bürger ein wesentlicher Faktor für


140 WEITERE POLITIKFELDERihre Lebensqualität ist. Die Bundesregierung nimmtdies sehr ernst und hat daher mit einem <strong>nationalen</strong>Lärmschutzpaket wichtige Weichenstellungen fürmehr Lärmschutz im Verkehr vorgenommen. DiesesPaket wird jetzt konsequent umgesetzt.a) Planerische und administrative LärmvorsorgeDie Lärmberechnungsverfahren, die den Lärmschutzmaßnahmenzu Grunde liegen, werdenaktualisiert.Für den Schienenverkehrslärm sind die fachlichenArbeiten abgeschlossen; die rechtlicheUmsetzung (Änderung der 16. BImSchV) folgt imkommenden Jahr. Das neue Berechnungsverfahrenwird aktuelle Fahrzeug- und Fahrbahnbauartenrealistischer abbilden, beispielsweise diehoch liegenden Schallquellen schneller ICE-Züge.Für das Berechnungsverfahren für Straßenverkehrslärmwerden <strong>zur</strong>zeit die möglichen finanziellenAuswirkungen einer Aktualisierung ermittelt.Die anschließenden fachlichen Arbeitensind umfangreich und erfordern einen längerenZeitraum.Die Berechnungsverfahren für den Luftverkehrwerden auf Basis der Novellierung des Fluglärmgesetzesüberarbeitet. Die Facharbeiten hierzusind abgeschlossen, die rechtliche Umsetzungerfolgt derzeit.Das einzelne Fahrzeug muss leiser werden. DieGeräuschreduzierung an der Quelle macht aufwändigeLärmsanierungsmaßnahmen überflüssig,spart damit Kosten und wirkt flächendeckend.Gelegenheit für eine Senkung der Geräuschgrenzwertebietet sich in nächster Zeit vor allem für Lkw,Pkw und deren Reifen sowie für Motorräder, da dieentsprechenden Richtlinien der „United NationsEconomic Commission for Europe“ (ECE) bzw. diemaßgeblichen EG-Richtlinien derzeit überarbeitetwerden.b) Lärmreduktion durch technische Innovationen,ForschungFür die Lärmminderung im Schienenverkehrwerden in einem von der Bundesregierung gefördertenForschungsprojekt mit dem Titel „Leiser Zug aufrealem Gleis“ weitere Maßnahmen entwickelt. DieErgebnisse sollen dabei ab 2011 einen kontinuierlichsteigenden Beitrag <strong>zur</strong> Lärmminderung bis zu3 dB(A) im Jahr 2020 liefern.Für den Straßenverkehr wird an einer Verringerungdes Reifen-Fahrbahn-Geräusches gearbeitet.Im Flugverkehr konnte das Forschungsprogramm„Leiser Flugverkehr 2“ abgeschlossen werden(u. a. mit der Entwicklung von geräuscharmenAn- und Abflugverfahren); das europäische Forschungsprogramm„Clean Sky“, das auch Fragestellungen<strong>zur</strong> Verringerung des Fluglärms aufgreift,wird sich anschließen.c) Lärmsanierung, Investitionen, LärmaktionspläneDie Lärmsanierungsmittel für Bundesstraßenwurden auf 50 Mio. Euro pro Jahr deutlich erhöht,um den Lärmsanierungsbedarf schneller abzuarbeiten.Im Bundeshaushalt <strong>2008</strong> sind erstmalig Mittel inHöhe von rd. 10 Mio. Euro für ein Pilot- und Innovationsprogramm<strong>zur</strong> lärmmindernden Umrüstungbestehender Güterwagen eingestellt. Insgesamtsind für das Pilot- und Innovationsprogramm40 Mio. Euro vorgesehen. Mit dem Pilot- und Innovationsprogrammwird ein Startschuss und Anschubfür eine Ausrüstung bestehender Güterwagen mitleiser Technik und andere wirtschaftspolitische Instrumentemöglich.Für den Bereich Fluglärm ist die Novelle desFluglärmschutzgesetzes nach langer Vorbereitungam 7. Juni 2007 in Kraft getreten. Das Gesetz bringtPlanungssicherheit für die Verkehrsflughäfen.Durch eine erhebliche Verschärfung der Lärmgrenzwerte,die Einführung einer Nachtschutzzone unddie Einführung einer Außenwohnentschädigungentspricht es auch den berechtigten Interessen derschutzbedürftigen Menschen, die in der Nähe vonFlughäfen leben.Nach der Umsetzung der Umgebungslärm-Richtliniein nationales Recht folgen jetzt die praktischenMaßnahmen: Die derzeit laufende Lärmkartierungwird Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzen,sich einen objektiven Eindruck über ihre Lärmbelastungzu verschaffen. Der Bund finanziert hier imRahmen seiner Verwaltungszuständigkeit dieLärmkartierung für die Schienenwege der Eisenbahnendes Bundes. Anschließend wird die Lärmaktionsplanungder nach Landesrecht zuständigenBehörden Maßnahmen für eine schrittweise Verbesserungder Lärmsituation vor Ort entwickeln;die Betroffenen sind im Rahmen der Beteiligungder Öffentlichkeit zu aktiver Mitwirkung an dieserPlanung aufgerufen.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND141Das Nationale Verkehrslärmschutzpaket machtden hohen Stellenwert deutlich, den das ThemaLärmreduzierung für die Verkehrspolitik hat. Einezusammenfassende Agenda zum Verkehrslärmschutzist ein Signal für alle Beteiligten, Maßnahmenzum Verkehrslärmschutz konzentriert und beschleunigtanzugehen. Das Paket ist eine gute Grundlagefür ein entschlossenes Vorgehen in diesem wichtigenAspekt einer nachhaltigen Verkehrspolitik.II. Nachhaltiger Konsum, nachhaltigeProduktion, nachhaltiges Wachstum1. Wechselwirkungen von Produktion und KonsumEine nachhaltige Entwicklung der Gesellschaftkann nicht allein durch staatliches Handeln, Initiativender Wirtschaft oder technologische Innovationen erreichtwerden. Das Konsumverhalten der Verbraucherinnenund Verbraucher entscheidet in einem hohenMaße mit, ob Deutschland seine Nachhaltigkeitszieleerreichen wird. So werden beispielsweise mehr als20 % der Treibhausgasemissionen in Deutschlanddirekt durch die privaten Haushalte verursacht.„Die Verbraucherperspektive ist für den Erfolg der<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> essentiell. Der Weltumweltbericht„Geo 4“ von UNEP bezeichnet übermäßigen Konsum als einender wichtigsten Belastungsfaktoren für die globale Umwelt.Dies hängt damit zusammen, dass die Gestaltungsmacht derVerbraucher in der globalisierten Wirtschaft enorm angewachsenist. Verbraucher entscheiden heute auch über dieökologische Verträglichkeit von Produkten und Dienstleistungenund über Lebens- und Arbeitsverhältnisse von Menschenin Asien oder Afrika ...Zugleich entwickeln sich derzeit günstige Voraussetzungen,den Konsum in eine nachhaltigere Richtung zu lenken ...Verbraucher erkennen zunehmend ihre Verantwortung undbeginnen, sie auch im Sinne einer nachhaltigen Entwicklungzu nutzen. Nach einer Studie der UnternehmensberatungsgesellschaftErnest & Young erwarten über 90 % der Verbrauchervon ihrem Händler ein ökologisch und sozial verantwortlichesAngebot. Kommen die Händler dem nicht nach, wollen über90 % der Verbraucher die Marke wechseln ...“Verbraucherzentrale Bundesverband, Stellungnahme zum<strong>Fortschrittsbericht</strong>, 27. Juni <strong>2008</strong>Die individuellen Konsumentscheidungensummieren sich zu Markt beeinflussenden Konsumtrends,die mehr oder weniger nachhaltig seinkönnen. Nachhaltiger Konsum kann nachhaltigeProduktion stimulieren und umgekehrt. Ein verbessertesAngebot an und eine steigende Nachfragenach Waren und Dienstleistungen, die bei Produktionund Nutzung positive Wirkungen auf einenachhaltige Entwicklung haben, verstärken sichwechselseitig und führen zu umweltschonendemnachhaltigem Wachstum. Die Bundesregierungzieht für eine nachhaltige Entwicklung Maßnahmen<strong>zur</strong> Stärkung der Marktmechanismen staatlicherRegulierung vor.2. Nachhaltiger Konsum – die Verantwortungdes Verbrauchers und des HandelsDie Frage, wie Verbraucherinnen und Verbraucherverstärkt Nachhaltigkeitsaspekte in ihre täglichenKonsumentscheidungen einbeziehen können,ist von großer Bedeutung für die angestrebte Entwicklunghin zu insgesamt nachhaltigeren Lebensstilen.Die breite öffentliche Debatte um die globalenKlimaveränderungen und die Energiepreise hat zueiner Sensibilisierung der Verbraucherinnen undVerbraucher für das Thema Nachhaltigkeit beigetragen.Konsumenten machen ihre Kaufentscheidungin eigenem Interesse immer stärker von wirtschaftlichwie ökologisch sinnvollen Einsparpotenzialenabhängig.Gerade im Zeitalter der Globalisierung kommtes darauf an, die ausgeprägte Gestaltungsmacht derKonsumenten für eine nachhaltige Entwicklung zumobilisieren.Ziel der Bundesregierung ist es dabei, den VerbrauchernInstrumente an die Hand zu geben, mitdenen sie ihre Konsumentscheidungen an Nachhaltigkeitskriterienausrichten können. Die Bundesregierungunterstützt hier zahlreiche Maßnahmen <strong>zur</strong>Erhöhung der Transparenz für die Verbraucher, seies in den Bereichen Energie, Lebensmittel oder Kapitalanlagen.Die Alternativen sollen mittels Kennzeichnungs-und Zertifizierungsmaßnahmen für dieVerbraucher erkennbar werden.Beispiele für InformationsinstrumenteDer Blaue Engel ist das älteste und bekannteste Umweltzeichenin Deutschland. Neben dem Umweltschutz werdenauch in hohem Maße Gesundheitsaspekte berücksichtigt.Sein Produktportfolio reicht vom Recyclingpapier überMatratzen und Fußbodenbelägen bis zum Beamer. Derzeitwerden etwa 10.000 Produkte mit dem Blauen Engel ausgezeichnet.Weitere Beispiele für die Nutzung von Informationsinstrumentensind die Projekte „Label-online“ der Verbraucherinitiativee. V. und „EcoTopTen“ des Öko-Instituts e. V., die mitFörderung der Bundesregierung etabliert wurden.In diesem Zusammenhang ist auch das FairTrade-Siegelzu nennen, denn nachhaltiger Konsum kann sich nicht aufDeutschland beschränken. Dieses Siegel kennzeichnetProdukte, die unter Einhaltung von inter<strong>nationalen</strong> Umwelt-und Sozialstandards hergestellt wurden und für die dieProduzentinnen und Produzenten in Entwicklungsländerneinen fairen Preis erhalten. Mit dem FairTrade-Siegel versehensind vor allem Lebensmittel, erfasst werden aber auch immermehr andere Produkte wie z. B. fair gehandelte Fußbälle undTextilien.


142 WEITERE POLITIKFELDERGemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für nachhaltigesBauen e. V. (DGNB) hat die Bundesregierung ein „DeutschesGütesiegel Nachhaltiges Bauen“ bereitgestellt. Es beziehtökologische, ökonomische und soziokulturelle Aspekte sowieInformationen <strong>zur</strong> rechnerischen und planerischen Leistungin die Bewertung zunächst von Büro- und Verwaltungsgebäuden(Neubau) ein. Zusätzlich enthält es Aussagen zum Standortdes Gebäudes. Das Siegel geht über den inter<strong>nationalen</strong>Stand von Zertifizierungssystemen hinaus und kann den hohenStandards des nachhaltigen Bauens in Deutschland auchinternational Geltung verschaffen. Auf einer Internetplattform„Nachhaltiges Bauen“ (www.nachhaltigesbauen.de)werden dazu sowohl notwendige Grundlagen und Hilfsmittelals auch aktuelle Informationen <strong>zur</strong> Umsetzung der<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> im Baubereich bereitgestellt.Die Durchsetzung von nachhaltigen KonsumundProduktionsmustern in Industrie- und Entwicklungsländernist wesentliches Element einer auchdie globale Perspektive einbeziehenden <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>der Bundesregierung (siehe hierzuKapitel D.VI.). Um die Ursachen identifizieren zukönnen, die nachhaltigen Konsummustern immernoch entgegenstehen, finanziert die Bundesregierungseit 2006 ein Forschungsvorhaben unter demTitel „Vom Wissen zum Handeln – Neue Wege zumnachhaltigen Konsum“.Von zentraler Bedeutung wird die Entwicklungeines Nachhaltigkeitsindikators sein, der die Entwicklungim Konsumbereich belastbar abbildet. Dieswürde ein zielgerichtetes Handeln in diesem Bereichfür alle Akteure erleichtern und den Konsumenteneine bessere Orientierung ermöglichen. Ein geeigneterTeilindikator hierzu könnte beispielsweise denAusstoß von Treibhausgasen pro Kopf für privateKonsumzwecke messen. Die Bundesregierung wirddie Tragfähigkeit und mögliche Ausgestaltung einessolchen Indikators bis zum nächsten <strong>Fortschrittsbericht</strong>prüfen.An der Schnittstelle zwischen Produktion undKonsum kommt dem Einzelhandel eine zentraleBedeutung bei der Förderung des nachhaltigenKonsums zu, indem er entsprechende Produkte insein Angebot aufnimmt. Die Bundesregierung unterstütztdies durch Kooperationsprojekte mit Handelsunternehmenund Umweltverbänden wie z. B.durch das Projekt „ökologischer Schulanfang“ oderMaßnahmen im Rahmen des „Bundesprogrammsökologischer Landbau“.Bei der Durchsetzung eines nachhaltigen Konsumsspielen auch staatliche Akteure eine wichtigeRolle. Bund, Länder und Kommunen geben großeSummen für Güter, Dienstleistungen und Bauaufträgeaus, um ihre Verwaltungsaufgaben zu erfüllenund Serviceleistungen für die Bürgerinnen und Bürgerbereitzustellen. Einer an den Kriterien derNachhaltigkeit orientierten Beschaffungspolitik deröffentlichen Hand kommt in diesem Zusammenhangeine zunehmende Bedeutung zu. Die öffentlichenAuftraggeber müssen auch bei der Umsetzungnachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster ihrerVorbildfunktion gerecht werden. Dies unterstreichtdarüber hinaus die Glaubwürdigkeit politischerEntscheidungen.Das europäische Vergaberecht bietet bereits eineVielzahl von Möglichkeiten, soziale und umweltbezogeneAspekte bei der öffentlichen Auftragsvergabezu berücksichtigen. Im Rahmen der bereitsabgeschlossenen sogenannten ersten Etappe der<strong>nationalen</strong> Vergaberechtsreform wurden die meistendiesbezüglichen Regelungen in das deutscheVergaberecht übernommen. Die derzeit laufendesogenannte zweite Etappe der Vergaberechtsreformsoll im Ergebnis auch dazu führen, dass sozialeund umweltbezogene Kriterien durch öffentlicheAuftraggeber auch bei der Auftragsausführung berücksichtigtwerden können. Die Bundesregierungselbst geht hier mit gutem Beispiel voran – durchdie Regelung vom 17. Januar 2007, wonach Holzprodukte,die durch die Bundesverwaltung beschafftwerden, nachweislich aus legaler und nachhaltigerWaldbewirtschaftung stammen müssen (vgl. KapitelC.II.2.e.), sowie durch die im Rahmen des IntegriertenEnergie- und Klimaprogramms beschlossenenLeitlinien <strong>zur</strong> Beschaffung umweltfreundlicher undenergieeffizienter Produkte vom 24. Januar <strong>2008</strong>.3. Nachhaltige Produktion – die Verantwortungder Unternehmen„Freiwilliges Engagement von Unternehmen für dieGesellschaft, Selbstbindung und Selbstverpflichtung sind fürden Rat für Nachhaltige Entwicklung wesentliche Kennzeicheneiner Nachhaltigkeitspolitik. Neben einer aktivierenden<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> des Staates sind auch die Akteurevor allem aus der Gesellschaft und der Wirtschaft angesprochen,wenn es um Innovationen für neue Märkte und Verantwortungspartnerschaftengeht.“Rat für Nachhaltige Entwicklung: „Unternehmerische Verantwortungin einer globalisierten Welt – Ein deutsches Profil derCorporate Social Responsibility“, Berlin 2006In vielen Unternehmen in Deutschland gehenressourcenschonende, energieoptimierte undemissionsarme Produktionsprozesse einher mitpraktizierter Verantwortung weltweit. Unter derÜberschrift „ Corporate Social Responsibility“(CSR)machen mehr und mehr Unternehmen Anstrengungen,ihre gesellschaftliche Verantwortungin Deutschland und weltweit durch ökonomisch,


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND143ökologisch und sozial nachhaltiges Handeln aktivwahrzunehmen. Unternehmen haben die Ziele undInstrumente von CSR als Wettbewerbsvorteile unddas Konzept CSR als Marketing-Argument für sichentdeckt (siehe z. B. www.econsense.de, www.unternehmen-fuer-die-region.de,www.csrgermany.de).Verbraucherinnen und Verbraucher beziehen CSRzunehmend in ihre Kaufentscheidungen ein. Wergesellschaftliche Verantwortung übernimmt undsichtbar macht, stärkt seine Position im Wettbewerb.Bisher eher auf Konzerne zugeschnittene Instrumentekönnen verstärkt auch für den Mittelstandnutzbar gemacht werden.Die Bundesregierung setzt sich für die Bündelung,Förderung und Sichtbarmachung der CSR-Aktivitäten deutscher Unternehmen ein. Die gesellschaftlicheVerantwortung von Unternehmenkann einen wichtigen Beitrag für eine zukunftsfähigeGesellschaft leisten. Die Bundesregierung plant,eine nationale CSR-Strategie zu entwickeln, um dievielfältigen Aktivitäten sichtbarer zu machen, insöffentliche Bewusstsein zu rücken und den Austauschder Akteure (Stakeholder) zu unterstützen.Den politischen Auftakt dazu bildete die zweitägigeKonferenz „Unternehmen in Verantwortung – EinGewinn für alle“ Ende April <strong>2008</strong> in Berlin. Ziel wares, den Austausch aller relevanten Akteure überZiele, Handlungsfelder und Instrumente zu ermöglichen.Die Ergebnisse der Konferenz fließen unmittelbarin eine laufende Forschungsstudie „CSR zwischenMarkt und Politik“ ein. Die CSR-Aktivitätender Bundesregierung werden darüber hinaus aufeiner Internetplattform (www.csrindeutschland.de)veröffentlicht.Jenseits von Aktivitäten zu CSR ist es Ziel derBundesregierung, den Impuls <strong>zur</strong> Entwicklungnachhaltiger Produktionsverfahren, Produkte undDienstleistungen weiter zu verstärken. Marktanreizehaben dabei Vorrang vor ordnungspolitischen Maßnahmen.Gerade im Hinblick auf den Klimaschutzund die notwendige Verbesserung der Energie- undRohstoffeffizienz soll ein Wettbewerb der Innovationenin Gang gesetzt werden. Die „Top Runner“ unterden Produkten, d. h. die effizientesten am Marktbefindlichen Produkte, müssen sich dort schnellerdurchsetzen können. Mit dem im Dezember 2007verabschiedeten Energie- und Klimapaket wird dieBundesregierung die Rahmenbedingungen weiterverbessern, z. B. durch Unterstützung des europäischenTop-Runner-Ansatzes <strong>zur</strong> Steigerung derEffizienz von Produkten.4. Nachhaltiges Wachstum – die Verantwortungvon Unternehmen, Verbrauchern und der PolitikZiel der Bundesregierung ist es, die Rahmenbedingungenfür nachhaltiges Wachstum in Deutschlandund weltweit weiter zu verbessern und so auchauf die Zukunftschancen kommender Generationenzu achten. Wie oben dargestellt (Kapitel A.III.1.),ist dies eine der aktuellen Herausforderungen fürdie Arbeit der Bundesregierung. Ohne die bereitserfolgreich auf den Weg gebrachte Anpassung derSozialsysteme an den demografischen Wandel, dieRückführung der Staatsverschuldung und weitereVerringerung der Umweltinanspruchnahme, z. B.durch Verminderung des Flächenverbrauchs, istdies nicht möglich.In einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaftist nachhaltiges Wachstum ohne verantwortungsbewussteUnternehmer und Verbraucher nichterreichbar. Hier nimmt die deutsche Wirtschaft seitJahren eine Vorreiterrolle ein, weil sie ohne eineständige Effizienzsteigerung, z. B. bei Energie- undRessourcenverbrauch, im weltweiten Wettbewerbund auch gegenüber ihren wichtigsten Stakeholdern– Beschäftigte, Kunden, Kapitalgeber undGesellschaft – nicht bestehen könnte. Bei Wasser undEnergie sparenden Haushaltsgeräten sind deutscheUnternehmen führend. Bei Lebensmitteln sindAngebot und Nachfrage nach Bioprodukten undProdukten aus fairem Handel seit Jahren auf Wachstumskurs.Die Bundesregierung unterstützt dieseAusrichtung, z. B. durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz oder das staatliche Biosiegel.III. Erhaltung und Bewirtschaftung dernatürlichen Ressourcen1. Reduzierung der Flächeninanspruchnahmea) AusgangspunktZiel der Bundesregierung ist die Verminderungder Flächeninanspruchnahme für Siedlung undVerkehr auf 30 ha pro Tag im Jahr 2020. Dieses Zielaus der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> von2002 wurde in der Koalitionsvereinbarung vom11. November 2005 bekräftigt. Auch die Umweltministerder Länder haben sich am 16. November 2007für dieses Ziel ausgesprochen.Ein erstes anspruchsvolles Arbeitsprogramm<strong>zur</strong> Verminderung der Flächenneuinanspruchnahmewurde im Rahmen des <strong>Fortschrittsbericht</strong>s2004 entwickelt; Impulse hierzu kamen vom Rat


144 WEITERE POLITIKFELDERfür Nachhaltige Entwicklung, der das Thema auchweiterhin durch Expertendialoge und eine Überprüfungder Wirksamkeit der eigenen Stellungnahmebegleitet.Empfehlungen des Rats für Nachhaltige EntwicklungIn seiner Empfehlung „Mehr Wert für die Fläche: Das Ziel-30-ha“ im <strong>Fortschrittsbericht</strong> 2004 nimmt der Rat zu folgendenThemen Stellung:• neue Leitbilder für Stadt und Land• neues Ziel-Management für das „Ziel-30-ha“• Planungswahrheit und Flächenrecycling• Steuern und Subventionen• zusätzliche Maßnahmen des Bundes• Empfehlung für ein Projekt zum kontinuierlichen Dialog Fläche• Verbesserungen der statistischen InformationsgrundlagenEine Reihe von Maßnahmen ist bereits umgesetztworden (u. a. Abschaffung der Eigenheimzulage undVerbesserung der Bodenschutzklausel im Baugesetzbuch).Am 1. Januar 2007 trat die BauGB-Novelle<strong>zur</strong> Unterstützung der Innenentwicklung in denStädten in Kraft. Weitere Maßnahmen sind jedochdringend erforderlich, um das gesetzte Ziel zu erreichen.Auch der demografische Wandel begünstigteine Reduzierung der Flächeninanspruchnahme.Weiterhin kommt der Innenentwicklung der Städteund Gemeinden durch Qualifizierung des Gebäude-und Siedlungsbestandes eine wichtige Rolle zu.Schon im <strong>Fortschrittsbericht</strong> 2004 wird gefordert,„die tatsächliche Neuinanspruchnahme von Flächenweitgehend durch die erneute Nutzung vorhandenerFlächen zu ersetzen“ und so einen Flächenkreislaufdurch Flächenrecycling einzuführen.Flächeninanspruchnahme immer noch zu hochDie Neuinanspruchnahme von Flächen fürSiedlung und Verkehr lag zuletzt bei 113 ha pro Tag(Trend 2003–2006). Ohne den Einsatz wirksamer Instrumenteder Flächenhaushaltspolitik auf Bundes-,Länder- und kommunaler Ebene wird das 30-ha-Zielnicht erreicht werden können.HauptverursacherVon der Flächeninanspruchnahme von 113 hapro Tag entfallen 90 ha auf den Siedlungsbereich(darunter 40 ha auf Erholungsflächen einschließlichca. 20 ha pro Tag durch Neuklassifizierung ehemaligerTagebau- und Militärflächen als „Erholungsflächen“),23 ha auf Verkehrsflächen. Im früherenBundesgebiet lag die Flächeninanspruchnahme2005 mit 70 ha pro Tag wieder auf dem Niveau derspäten 1980er Jahre.Die Zunahme der Verkehrsfläche erfolgt entgegender Zielsetzung seit 1993 insgesamt ungebremst.Die Siedlungsfläche der privaten Haushalte für Wohnenund Erholung (einschließlich Nutzgärten undFriedhöfe) stieg von 1996 bis 2004 um 25 % (+69 hapro Tag) und erhöhte sich damit prozentual ebenfallserheblich stärker als die Zahl der Einwohner (1991 bis2003 + 2,8 %). Ein wesentlicher Grund ist der deutlichgestiegene Wohnflächenkonsum pro Kopf der Bevölkerung.Insbesondere in Ostdeutschland gab es in den1990er Jahren eine drastische Nachholentwicklung.Insgesamt hat sich die zum Wohnen genutzte Siedlungsflächein den Jahren 1992–2005 um 19 % erhöht.Dagegen hat der Wandel der Wirtschaftsstrukturweg von produzierenden hin zu nutzungsintensiverenWirtschaftszweigen dazu geführt, dass wenigerneue Gewerbeflächen ausgewiesen wurden. Baufertigstellungfür Nichtwohngebäude und Flächeninanspruchnahmefür Nichtwohnbauflächen sankenseit Mitte der 1990er Jahre erheblich. Täglich wurdenim Zeitraum 1996–2004 35 ha pro Tag für Dienstleistungenneu beansprucht, aber nur 25 ha pro Tag fürdie Produktionsbereiche Bergbau, VerarbeitendesGewerbe, Energie und Wasser, Bauarbeiten.Nachfrage nach Bauland rückläufigBereits seit 1993 ist die Zunahme der eigentlichenSiedlungsflächen bundesweit rückläufig.Mit 50 ha pro Tag (davon 43 ha in den alten und7 ha in den neuen Ländern) lag er von 2002–2005deutlich niedriger als von 1993 bis 1996; damals warbundesweit noch ein Anstieg um 82 ha pro Tag zuverzeichnen, davon 58 ha in den alten und 24 ha inden neuen Ländern. Diese Entwicklungslinie entsprichtim Wesentlichen der baukonjunkturellenEntwicklung. Auch als Folge des demografischenWandels wurden in den letzten Jahren weit wenigerNeubauten fertig gestellt und entsprechendsinkt die Nachfrage nach Bauland deutlich. Zugleichist im Wohnungsmarkt eine zunehmendeBelebung der Nachfrage nach Bestandsimmobilienzu verzeichnen. Verlängert man die Trendlinien desdemografischen Wandels und die damit verbundenenStrukturänderungen im Wohnungsbau in dieZukunft, zeichnet sich ein Rückgang der Neuinanspruchnahmevon Siedlungsfläche „Wohnen“ ab.Nach einer Modellrechnung auf Basis der BBR-Wohnungsmarktprognose 2020 wird die Neuinanspruchnahmevon Siedlungsflächen „Wohnen“ aufetwa 10 ha sinken und damit den anteiligen Beitrag<strong>zur</strong> Erreichung des 30-ha-Ziels beisteuern können.Voraussetzung ist allerdings, dass es gelingt, diezukünftig freiwerdenden Wohnungsbestände auchweiterhin zu belegen.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND145Siedlungsbrachen nehmen zuDa in den 1990er Jahren vielerorts mehr Baulandneu ausgewiesen wurde als angesichts der stagnierendenBevölkerung und verhaltenen Konjunkturbenötigt wird, nahmen seit 1993 untergenutzte undbrachliegende Flächen im Siedlungsbestand deutlichzu. Zuletzt waren dies mindestens 150.000 ha,davon ca. 114.000 ha in den alten Ländern und mehrals 36.000 ha in den neuen Bundesländern und inBerlin.Vergleichsweise groß ist die Menge der Siedlungsbrachenin den ostdeutschen sowie in altindustrialisiertenund konversionsbetroffenen Regionen.Entsprechend betrug in den in der regelmäßigenBaulandumfrage des Bundesamtes für Bauwesenund Raumordnung befragten Kommunen der Anteilder Brachen am Gewerbebaulandangebot in denJahren 2004/2005 bereits 52 % gegenüber nur 27 %im Zeitraum 1998/1999.Nur bei einem Teil dieser Flächen, vor allem inden heutigen Wachstumsregionen, besteht einerealistische Aussicht auf die baldige Wiedernutzungals Wohn- oder Gewerbefläche. Im Übrigen könnenallenfalls Zwischennutzungen realisiert werden,die Kommunen und Eigentümer finanziell nichtbelasten und möglichst <strong>zur</strong> Verbesserung des Stadtbildesbeitragen – falls die Nutzung der Fläche nichtendgültig aufgegeben wird.Weiterhin hohe UmweltbelastungenMit einem Siedlungs- und Verkehrsflächenanteilvon 13 % im Jahr 2006 (bei hohen regionalen Schwankungen)zählt Deutschland zu den am stärksten besiedeltenLändern Europas. Bundesweit waren Ende2006 ca. 46 % der Siedlungs- und Verkehrsflächeversiegelt, wobei zwischen 2000 und 2006 geschätzte43 ha pro Tag neu versiegelt wurden.Das Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsflächenführt zu einer zunehmenden Zerschneidungund Fragmentierung der Landschaft, mit negativenAuswirkungen für die vielfältigen Schutz- undSozialfunktionen (z. B. biologische Vielfalt, Erholungsfunktionetc.) und ebenso für die land- undforstwirtschaftliche Nutzung. Die Anzahl der unzerschnittenenverkehrsarmen Räume mit einer größerenFläche als 100 km 2 ist in den fünf Jahren von 1998bis 2003 von 480 auf 422 gesunken. Hinzu kommt,dass das Wachstum der Siedlungsflächen Verkehrmit Lärm und Schadstoffemissionen erzeugt.Neue Siedlungsflächen werden nur in geringemMaß in den bestehenden Siedlungsbestand integriert.Nur ein Viertel des Randes neuer Siedlungsflächengrenzt direkt an den Siedlungsbestand. In Agglomerationsräumenstehen Freiflächen in der Näheder Kernstadt unter besonders hohem Druck. Dabeiist die Nutzungsintensität neuer Siedlungsflächenregional unterschiedlich; vergleichsweise hoch istsie in den südlichen und westlichen Bundesländern.Hoch ist auch die Dynamik der Siedlungstätigkeit inschutzwürdigen Landschaften.Kosten von Flächenverlusten und ZersiedelungDer aus ökonomischer und sozialer Sicht besorgniserregendsteTrend der Flächennutzung ist dieZersiedelung, insbesondere in ländlichen Gebieten.Dieser seit Jahrzehnten anhaltende Prozesshat sich in den vergangenen Jahren aufgrund derdemografischen Entwicklung verstärkt. Dadurchkommt es zu einer zunehmenden Unterauslastungvon Infrastrukturen. Der Aufwand pro Einwohnerund die Kosten für technische Infrastruktur, z. B.Abwasserentsorgung, ist bei geringer Siedlungsdichtesignifikant höher als bei hoher Siedlungsdichte.Auch entstehen neue Siedlungsgebiete überwiegendfern von Bahnhöfen oder sonstigen Haltepunktenschienengebundener Verkehrsmittel. Durch einestärkere Zersiedlung, ggf. gleichzeitig verbunden miteiner schrumpfenden Bevölkerung, sinkt wegen dergeringeren Nutzerdichte die Rentabilität öffentlicherVerkehrsmittel. In der Folge muss die Bedienungsqualitätoft eingeschränkt werden, und es steigt dieAbhängigkeit vom motorisierten Individualverkehr.Mit der am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen BauGB-Novelle <strong>zur</strong> Stärkung der Innenentwicklung hat derGesetzgeber das Instrumentarium der Kommunenverbessert, solchen Entwicklungen entgegenzutreten.Die Ausweitung der Siedlungs- und Verkehrsflächengeht zu erheblichen Teilen zu Lasten von Bödenmit hoher natürlicher Ertragsfähigkeit. Diese Bödenmachen nur 18 % der Gesamtfläche Deutschlands aus.Ein Drittel der gesamten Flächeninanspruchnahmefür Siedlungs- und Verkehrzwecke fand im Zeitraum1996–2000 auf diesen Böden statt. Damit gehen dieseFlächen dauerhaft für die Erzeugung von LebensundFuttermitteln, Energiepflanzen und nachwachsendenRohstoffen verloren.


146 WEITERE POLITIKFELDERb) Aktivitäten seit dem letzten<strong>Fortschrittsbericht</strong> 2004REFINADie Bundesregierung hat im Oktober 2004Richtlinien für den handlungsorientierten Förderschwerpunkt„Forschung für die Reduzierung derFlächeninanspruchnahme und ein nachhaltigesFlächenmanagement“ (REFINA) veröffentlicht.Von den über 300 Projektvorschlägen, mit denensich mehr als 1.000 wissenschaftliche Einrichtungen,Kommunen und Unternehmen an der Aufforderung<strong>zur</strong> Ideenentwicklung beteiligt haben, nahmen abAnfang 2006 insgesamt 116 Projekte ihre Arbeit auf:Die Aktivitäten werden von der Bundesregierungmit über 22 Mio. Euro gefördert. 37 kleine bzw. mittlereUnternehmen, 32 wissenschaftliche Einrichtungen,16 Kommunen und Regionalverbände sowieverschiedene weitere Organisationen (u. a. Umweltverbände)haben sich die Aufgabe gestellt, innovativeLösungen vorzubereiten und in den Regionen alsnachahmenswerte Beispiele für das Flächensparenzu demonstrieren. Über 90 Kommunen sind in dieProjekte einbezogen. REFINA ist geprägt von derVernetzung von Experten verschiedenster Fachrichtungenund Praxispartnern aus Kommunen undRegionen. In Querschnitts-Arbeitsgruppen sowiemit jährlichen Statusseminaren wird der fachlicheAustausch und der Transfer von Ergebnissen forciert.Der wichtige Aspekt der Kommunikation undBewusstseinsbildung ist integraler Bestandteil vonREFINA. Die nachfolgend erwähnten Projektverbündevermitteln einen ersten Eindruck von denForschungsschwerpunkten (weitere Informationenunter www.refina-info.de).REFINA-Projektverbünde:• Modellkonzepte für die regionale ZusammenarbeitDer Projektverbund „KomReg“ bereitet für die FreiburgerRegion eine Entscheidungshilfe <strong>zur</strong> Steuerung der Flächennutzungsowie <strong>zur</strong> Flächenkostensenkung vor. DerProjektverbund „Städtenetzwerk“ entwirft in der RegionBalve–Hemer–Iserlohn–Menden eine interkommunale Gewerbeflächen-Entwicklungsstrategie.Mit dem „RegionalenGewerbeflächenpool Neckar-Alb“ (Projektverbund „Regena“im Zusammenwirken mit dem Regionalverband Neckar-Albunter Einbeziehung von mehr als zehn Kommunen) soll einebessere Steuerung der regionalen öffentlichen und privatenFlächennutzung unterstützt werden.• ökonomische KonzepteDer Projektverbund „Nachhaltiges Flächenmanagement“untersucht Möglichkeiten für die Stadt Hannover, privatesKapital <strong>zur</strong> Entwicklung von Brachflächen im Stadtinnerenzu mobilisieren. Durch ein privatwirtschaftlich organisiertesFondsmodell sollen das Tempo des Brachflächenrecyclings erheblichgesteigert und öffentliche Kassen entlastet werden.Der Projektverbund „Nutzungszyklusmanagement“ erarbeitetein beispielhaftes Managementsystem für Kommunenund Wohnungsbaugesellschaften, mit dem unter Berücksichtigungsozialer, ökologischer und ökonomischer Standortbedingungeneffiziente Nutzungszyklen für innerstädtischeWohnquartiere ausgewiesen werden können.• innovative InstrumenteIm Projektverbund LEAN 2 soll ein praxistaugliches Instrumentariumentwickelt werden, das die Auswirkungen planerischerEntscheidungen auf die kommunalen Haushalte darstelltund eine Basis für die fundierte Abwägung von Vor- undNachteilen liefern soll. Im Projektverbund DORIF wird nachinnovativen Wegen gesucht, wie die Kommunen raumpolitischeZiele der Länder und Regionen mithilfe handelbarerFlächenausweisungszertifikate effizient und verhältnismäßigerreichen und dabei große Handlungsspielräume behaltenkönnen.• schrumpfende RegionenUnter den Bedingungen des wirtschaftlichen und demografischenWandels ist es notwendig, die Flächennutzungbundesweit zu überdenken. Der Projektverbund „KoReMi“entwickelt hierzu innovative Handlungsstrategien für einLändergrenzen überschreitendes kooperatives regionalesFlächenmanagement anhand der Beispielsregion Halle-Leipzig. Der Projektverbund „Flächenkonstanz Saar“ arbeitetam Beispiel der Saarland-Region erstmalig ein Konzept für einNullwachstum in der Flächeninanspruchnahme aus.• Konversion, FlächenrecyclingDer Projektverbund „Gläserne Konversion“ untersucht exemplarischin der Region Barnstorf-Fürstenau (Niedersachsen),wie unter Einbeziehung aller betroffenen Akteure stillgelegteKasernengelände zum Nutzen der Region eingesetzt undsomit Bauflächen eingespart werden können. Der Projektverbund„Sinbra“ erarbeitet wissenschaftliche Grundlagen <strong>zur</strong>Gefahrenbewertung und Flächenentwicklung militärischerLiegenschaften am Beispiel eines ehemaligen Standortes derRoten Armee in Potsdam-Krampnitz. Die Forschungsarbeiten<strong>zur</strong> Konversion werden von der Universität der Bundeswehrin München unterstützt. Mit dem Projektverbund „Optirisk“wird eine neue Methode für die Entwicklung belasteterGrundstücke erarbeitet.• Bewusstseinsbildung, KommunikationFragen der wissenschaftlich begründeten Boden-/Flächenbewertungin Städten sowie einer effizienteren Nutzung vonFernerkundungsmethoden durch neue Sensor- und Auswertetechnikenwerden im Projektverbund „Flächenbarometer“(Leipzig, Dresden, Regionalverband Koblenz, Planungsverband„Äußerer Wirtschaftraum München“) untersucht.Der Projektverbund „3-D-Stadtmodelle“ (am Beispiel vonStadtquartieren in Berlin/Potsdam) bereitet neue kommunaleKommunikations- und Entscheidungsplattformen inForm dreidimensionaler Stadt- und Stadtgebietsmodellevor, womit Risiken und Nebenwirkungen von Entscheidungensichtbar gemacht werden können. Ziel des Projekts„Entscheidungssystem <strong>zur</strong> Abschätzung des langfristigenInfrastruktur- und Flächenbedarfes“ ist die Entwicklung einesPrüfrasters (Nachhaltigkeits-Check) für eine nachhaltige Infrastruktur-und Flächenplanung vor dem Hintergrund demografischerVeränderungen. Das Instrument soll den Akteuren alsEntscheidungshilfe dienen, mit dessen Hilfe die Formulierungvon Zielen unter Berücksichtigung relevanter Indikatorensowie Prioritätensetzungen und Handlungsalternativenerleichtert wird.Für die Unterstützung der Forschungsarbeitenund den schnellen Ergebnistransfer wurde inREFINA ein Begleitkreis eingerichtet, dem nebenVertretern der Bundesregierung Fachleute derBundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Nieder-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND147sachsen und Nordrhein-Westfalen, der kommunalenVerbände, des Rats für Nachhaltige Entwicklungund des Ingenieurtechnischen Verbandes Altlastenangehören. Die Ergebnisse von REFINA werden ineiner Schriftenreihe veröffentlicht, die kostenfrei fürdie Arbeit in den Kommunen und Regionen, aberauch allen interessierten Bürgern <strong>zur</strong> Verfügungstehen wird. Die Bundesregierung wird die Ergebnisseder REFINA-Vorhaben auswerten und gemeinsammit den Ländern weitere Schlussfolgerungen für dieGestaltung bundesweiter rechtlicher und ökonomischerRahmenbedingungen <strong>zur</strong> Förderung desFlächensparens ziehen.Städtebauliche Forschung, experimentellerWohnungs- und StädtebauSeit dem <strong>Fortschrittsbericht</strong> 2004 sind durch denBund mehrere Forschungsvorhaben zum Flächenmanagementund <strong>zur</strong> Verminderung der Flächeninanspruchnahmedurchgeführt worden (weitereInformationen unter www.bbr.bund.de/Forschungsprogramme).Nachhaltigkeitsbarometer FlächeIm <strong>Fortschrittsbericht</strong> 2004 wurde die Weiterentwicklungder Erfassung quantitativer undqualitativer Aspekte der Flächeninanspruchnahmegefordert. Dazu wurde im Forschungsprojekt „NachhaltigkeitsbarometerFläche“ ein Indikatorensystem<strong>zur</strong> Ermittlung und Fortschreibung der Nachhaltigkeitflächenpolitischer Ziele erarbeitet. Es dient alsInformations- und Bewertungsinstrument <strong>zur</strong> politischenEntscheidungsunterstützung und Evaluationder Politiken <strong>zur</strong> Steuerung der Flächeninanspruchnahmefür Siedlung und Verkehr.Fläche im KreisStrategischer Ansatz künftiger Stadtentwicklungmuss die Flächenkreislaufwirtschaft sein. Bei derFlächenkreislaufwirtschaft geht es um ein systematischesFlächenressourcenmanagement nach demPrinzip „Vermeiden – Verwerten – Ausgleichen“ mitvorrangiger Mobilisierung von Flächenpotenzialenin der Stadtregion. Sie eignet sich – regional angepasst– sowohl als Umbaustrategie für schrumpfendeRegionen wie auch als Lenkungs- und Begrenzungsstrategiefür wachsende Regionen.Forschungsfeld „Fläche im Kreis“Im Rahmen des Forschungsfeldes „Fläche im Kreis – Kreislaufwirtschaftin der städtischen/stadtregionalen Flächennutzung“(2003–2007) wurden Grundlagen für eine Flächenkreislaufwirtschafterarbeitet, mehr als 50 bestehende undneue Instrumente systematisiert und in fünf Regionen desBundesgebietes mittels Planspielen auf Zielerreichungsbeitrag,Realisierbarkeit und Akzeptanz getestet.Im Ergebnis ermöglichen schon heute die verfügbarenInstrumente den raschen Einstieg in die Flächenkreislaufwirtschaft.Erleichtert würde dieser insbesondere durch mehrInformationen über Flächenpotenziale, eine Stärkung derüberörtlichen Planung, verbesserte Kooperationsprozessemit regionalem Interessen- und Finanzausgleich, ausreichendPersonal, marktgängige Entwicklungskonzepte für Potenzialflächen,aber auch durch Finanzierungsmöglichkeiten fürZwischennutzungen und <strong>zur</strong> Renaturierung.Zur raschen und dauerhaften Realisierung einer Flächenkreislaufwirtschaftplädierten die Planspielregionen für einenPolitikmix mit marktwirtschaftlichen Instrumenten. Präferiertwurden u. a. eine Kosten-Nutzen-Betrachtung <strong>zur</strong> Bilanzierunginvestiver und langfristiger Kosten von Flächenneuausweisungen,Fonds <strong>zur</strong> Mobilisierung kleinteiliger Brachflächen,zinsbegünstigte Kredite für die Bestandsentwicklung,Zweckzuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichssowie eine Baulandausweisungsumlage. Einige dieserEmpfehlungen werden in Projekten des FörderschwerpunktesREFINA (s. o.) aufgegriffen.Die Ergebnisse des Forschungsfeldes werden nun insbesondereim Dialog mit Länder-, Regionen- und Gemeindevertreternverbreitet. Sie sind in zahlreichen Publikationen dokumentiert(vgl. www.flaeche-im-kreis.de).Modellvorhaben „Nachhaltige Siedlungsentwicklung“Mit dem Modellvorhaben „Nachhaltige Siedlungsentwicklung“(2004–2006) sollten kreative,praktische und akzeptable Handlungsansätzeentwickelt werden, die dem weiteren Zuwachs derModellvorhaben• Nachhaltiges regionales Siedlungsflächenmanagement(Verband Region Stuttgart) MORO-RESIM• Stadt-Umland-Regionen in Vorpommern <strong>zur</strong> kooperativenErarbeitung von regionalen Siedlungskonzepten und derenrechtsverbindliche Umsetzung• Integration flächenpolitischer „ökonomischer“ Steuerungsinstrumentein das Raumplanungs- und FinanzsystemBaden-Württemberg (Regionalverband Rhein-Neckar-Odenwald)• WohnQualitäten Mittelthüringen – Neue Strategien undAllianzen im regionalen Umbauprozess: Lösungsansätzeeiner ressourcenschonenden Wohnbauflächenentwicklungin Ostdeutschland und ihre Umsetzung in der Regionalplanung• Weiterentwicklung eines integrierten regionalen Flächenmanagementsin der Wirtschaftsregion Chemnitz-Zwickau• interkommunales Gewerbe- und Kompensationsflächenmanagementim Jade-Weser-Raum (Landkreis Friesland)• interregionaler Interessenausgleich und nachhaltige Siedlungs-und Flächenentwicklung am Beispiel der Gebietsentwicklungsplanung(Gemeinde Fockbek, Lebens- und WirtschaftsraumRendsburg): regionale Ausgleichszahlungen imRahmen eines regionalen Flächenmanagements


148 WEITERE POLITIKFELDERFlächeninanspruchnahme für Siedlungszweckeentgegenwirken. Im Mittelpunkt standen sowohldie Weiterentwicklung integrierter Ansätze desregionalen Flächenmanagements als auch z. B. neueökonomische Anreizinstrumente zum Flächensparenund deren Verknüpfung mit planerischenVerfahren.Forschungsprogramm Aufbau OstIm Forschungsprogramm Aufbau Ost widmetensich mehrere Projekte gezielt Fragen der Standortentwicklung,u. a. zum Flächenrecycling in suburbanenRäumen sowie zu Fragen der Zwischennutzung,dem Gewerbeflächenmonitoring und Flächenrecyclingaus Akteursperspektive. Auf einer von mehrerenBundesministerien unterstützten Fachveranstaltungmit mehr als 170 Praktikern, Politikern und Fachleutenin Freiberg (Sachsen) im September 2005 wurdenInstrumente, Leitfäden und Entscheidungshilfenzum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen vorgestelltund diskutiert; die Inhalte wurden in einemFachbuch dokumentiert.Weitere ForschungsaktivitätenDas Umweltbundesamt und das Bundesamtfür Naturschutz initiierten ebenfalls relevanteForschungsvorhaben:Gegenstand der UBA/BfN-Vorhaben• Effektivierung des Naturschutzrechtes und des Rechtesder gesamträumlichen Planung sowie umweltrelevanterFachplanungen <strong>zur</strong> Förderung einer flächensparendenSiedlungsentwicklung• Kosten und Nutzen der Siedlungsentwicklung, Vorteile undNachteile aus der Sicht unterschiedlicher Akteure• Weiterentwicklung ökonomischer Instrumente für die Förderungnachhaltigen Wirtschaftens – Reformmöglichkeitenim Rahmen der GA Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur• demografischer Wandel in Städten und Regionen und Entwicklungsstrategienaus Umweltsicht• Entwicklung neuer Instrumente zum Vorteilsausgleich zwischenKommunen oder Regionen, insbesondere Handel mitFlächenausweisungszertifikaten• nachhaltiges regionales Flächenressourcenmanagement– Integration von Flächen in den Wirtschaftskreislauf amBeispiel von Brachflächen der Deutschen Bahn AG und• Empfehlungen für Unterhaltung und Bewertung versiegelterFlächen sowie <strong>zur</strong> Erhaltung und Wiederherstellung derLeistungsfähigkeit des Bodensder Länder und Gemeinden. Die Bundesregierungwird jedoch unterstützend tätig, durch die Förderprogrammeder Städtebauförderung, die aufdie Innenentwicklung der Städte und Gemeindenausgerichtet ist, durch Forschungsprogrammeund nicht zuletzt durch Maßnahmen der Gesetzgebung.Ausgangspunkt im gesetzgeberischen Bereich istder stadtentwicklungspolitische Ansatz im EuroparechtsanpassungsgesetzBau (2004) – Betonung derInnenentwicklung, Verbesserung der Bodenschutzklausel.In diesem Sinn soll mit der Städtebaurechtsnovelle2007 (Gesetz <strong>zur</strong> Erleichterung von Planungsvorhabenfür die Innenentwicklung der Städte, in Kraftseit dem 1. Januar 2007) die Planungspraxis in Städtenund Gemeinden spürbar erleichtert und beschleunigtwerden. Der neue § 13a BauGB ermöglicht den Gemeinden,für bestimmte Bebauungspläne der Innenentwicklungein beschleunigtes Verfahren zu wählen.Hierdurch sollen den Innenstädten ein Standortvorteilgegenüber der „grünen Wiese“ gegeben und mehrInvestitionen in die Innenstädte gelenkt werden.Die Förderung der Dorferneuerung im Rahmender Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstrukturund des Küstenschutzes“ (GAK) trägt <strong>zur</strong>Belebung der Dorfinnenentwicklung und damit <strong>zur</strong>Minderung der Flächeninanspruchnahme außerhalbder bisher besiedelten Fläche bei.Aber auch in anderen Rechtsbereichen hat dasZiel <strong>zur</strong> Reduzierung des Flächenverbrauchs Berücksichtigungin der Gesetzgebung gefunden.Beispiele für Regelungen aus anderen BereichenGesetz <strong>zur</strong> Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaftenmit börsennotierten AnteilenMit dem Gesetz wurde im Zuge der Einführung von REITs imEinkommensteuergesetz eine auf die Jahre 2007 bis 2009befristete steuerliche Begünstigung für Gewinne aus derVeräußerung von Grund und Boden und Gebäuden an einenREIT oder an eine Vor-REIT-AG eingeführt. Das gilt für Veräußerungsvorgängeim betrieblichen Bereich. Insbesondereunter dem Aspekt der Wiedernutzung von Brachen ist dabeiinteressant, dass es sich bei den begünstigten Grundstückverkäufenauch um nicht mehr benötigte Betriebsgrundstückehandeln kann.EigenheimzulageIhre Streichung war u. a. aus Gründen des sparsamen Umgangsmit Grund und Boden und des Abbaus von Fehlsubventionierungendes Wohnungsbaus insbesondere auf der„grünen Wiese“ seit langem gefordert worden. Die Zulage istseit dem 1. Januar 2006 entfallen.InstrumenteDas Erreichen des 30-ha-Ziels ist zwar in derstädtebaulichen Praxis in erster Linie eine AufgabeBeim Neu- und Ausbau von Bundesverkehrswegenunterstützen verschiedene Maßnahmen wie dieBündelung von Verkehrswegen verschiedener Verkehrsträger,die Reduzierung von Fahrbahnbreiten


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND149in geeigneten Fällen, die Optimierung der Linienführungsowie der vollständige Rückbau nicht mehrbenötigter Verkehrsanlagen ebenfalls das Ziel derVerringerung der Flächeninanspruchnahme. Durchden Einsatz moderner Verkehrsleit- und Sicherungstechnikwird die Leistungsfähigkeit der vorhandenenVerkehrsinfrastruktur erhöht und der Bedarf anNeu- und Ausbau reduziert.c) PerspektivenStädtebauförderungIm Bereich der Städtebauförderung sind bereitsseit 1998 als Schwerpunkte für den Einsatz derFinanzhilfen u. a. die Stärkung von Innenstädten undOrtsteilzentren, die Wiedernutzung von Brachensowie von flächensparenden Bauweisen definiert(§ 164b Abs. 2 BauGB). Die Bundesregierung und dieLänder haben auf diese Förderschwerpunkte ab demProgrammjahr <strong>2008</strong> ein noch stärkeres Gewicht gelegt.Mit dem Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“sollen <strong>zur</strong> Stärkung der Innenentwicklungvor allem die zentralen Versorgungsbereiche inden Zentren und Ortsteilzentren durch Profilierungund Aufwertung wieder an Attraktivität gewinnen.Förderfähig ist z. B. die Wiederherstellung derNutzungsfähigkeit leer stehender Gebäude. Denrechtlichen Instrumenten der Städtebaurechtsnovelle2007 wird damit eine finanzielle Unterstützunghinzugefügt.RaumordnungsgesetzAuch die Novellierung des Raumordnungsgesetzes,deren Abschluss Ende <strong>2008</strong> angestrebtwird, betont – entsprechend seinem Gewicht in der<strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> – das Ziel derVerminderung der Flächeninanspruchnahme undder Wiedernutzung vorhandener Brachflächen. Fürdie Verwirklichung dieses Ziels haben die höherenPlanungsebenen in den Ländern, vor allem auch dieLandes- und Regionalplanung, Verantwortung zuübernehmen.Kosten-Nutzen-BetrachtungenIn dem Forschungsfeld „Fläche im Kreis“ (sieheoben) ist deutlich geworden, dass für die GemeindenKosten-Nutzen-Betrachtungen im Hinblick aufeine Neuausweisung auf der „grünen Wiese“ undeinen Neubau in der Innenstadt auf Brachflächen/Baulücken hilfreich wären. Bislang fehlen hierfürnoch die methodischen und inhaltlichen Erkenntnisse.Um zu einer möglichst praktikablen Handreichungfür die Kommunen zu gelangen, soll dieserAnsatz in laufenden Forschungsprojekten (REFINA)weiterentwickelt werden. Dabei wird auch eineBaulandausweisungsumlage oder Neuerschließungsabgabediskutiert, die die Neuinanspruchnahmevon Flächen auf der grünen Wiese gegenüberdem Brachflächenrecycling verteuern unddamit erschweren könnte.GrundstücksfondsZielführend könnte auch sein, mit Hilfe von Grundstücksfondsaus sich heraus nicht marktgängige Brachflächenu. ä. zu mobilisieren. Hier können im Rahmender EU-Initiative JESSICA (Joint European Support forSustainable Investment in City Areas) seit 2007 auchMittel aus den europäischen Strukturfonds eingesetztwerden, um der Wiedernutzung von Brachen und Baulückenz. B. mit zinsverbilligten Krediten, Eigenkapitaloder Garantien ökonomische Anreize zu geben.Beim informellen Ministertreffen <strong>zur</strong> Stadtentwicklungund zum territorialen Zusammenhalt am24./25. Mai 2007 in Leipzig erkannten die Mitgliedstaatendie Notwendigkeit, verstärkt über neueFinanzierungsformen in der Stadtentwicklungnachzudenken. Die im Zusammenhang mit derGründung von Stadtentwicklungsfonds im Rahmender JESSICA-Initiative bestehenden Fragen werden ineiner inter<strong>nationalen</strong> Arbeitsgruppe unter deutschemVorsitz geklärt.BewusstseinsbildungProbleme der Flächeninanspruchnahme müssenauch stärker in das Bewusstsein der Menschen gebrachtwerden. Darin liegt die besondere Bedeutungvon Projekten wie:„Living 2010: Flächensparen – Natur erhalten“(Öffentlichkeitskampagne des NaturschutzbundDeutschland NABU zu ökologischen, ökonomischenund sozialen Risiken des anhaltendenWachstums der Siedlungs- und Verkehrsfläche)Herausgabe von Unterrichtsmaterialien fürLehrerinnen und Lehrer zum Thema „Flächenverbrauchund Landschaftszerschneidung“gemeinsames Positionspapier von Umweltbehörden,Umweltverbänden und DeutschemBauernverband <strong>zur</strong> Verringerung der Flächeninanspruchnahmedurch Siedlungen und Verkehr


150 WEITERE POLITIKFELDER„Entsiegelung bei Neuversiegelung – Eingriffsregelungoptimiert anwenden“.„Flächenverbrauch“ ist ein schleichendes Phänomen,das für die meisten Bürgerinnen und Bürger– ebenso wie für viele kommunalen Entscheidungsträger– kaum selbst wahrnehmbar ist. Denn problematischist nicht das einzelne neue Projekt, sonderndie Summierung von Vorhaben an verschiedenenvoneinander entfernten Orten. Schon daher wirddas Ausmaß der Problematik sowohl von Planernund Entscheidungsträgern als auch von Bürgerinnenund Bürgern manchmal nicht hinreichenderkannt.In der Folge kann es in der Praxis schwierigsein, bereits existierende wirksame Instrumentekonsequent anzuwenden, ökonomische Fehlanreizeabzubauen oder die Einführung zusätzlicher Instrumentepolitisch durchzusetzen. Dies zeigt sichbeispielsweise in den Diskussionen um Maßnahmenim Planungsrecht, bei der Eigenheimzulage sowieim Zusammenhang mit verbindlichen regionalenund kommunalen Zielen zum Flächensparen. Einstärkeres gesellschaftliches Problembewusstseinist daher wichtig, um Akzeptanz für wirksameMaßnahmen zu schaffen. Eine regelmäßige Erfassungund öffentliche Darstellung der örtlichen undregional verfügbaren erschlossenen Baulandreserven,Baulücken und Siedlungsbrachen fördert dasProblembewusstsein und erhöht die Akzeptanz fürnotwendige Maßnahmen.Nachhaltigkeitsprüfung bei InfrastrukturinvestitionenEin zentraler Ansatzpunkt, um in Schrumpfungswieauch in Wachstumsregionen ein Umdenkeneinzuleiten, ist das Verhältnis von Kosten undNutzen der Siedlungsentwicklung. Hierzu kannauch die Durchführung einer Nachhaltigkeitsprüfungbei Infrastrukturinvestitionen beitragen, wiesie von der Bundesregierung geplant wird. Dieseumfasst eine wirksame Koppelung von Programmenund Maßnahmen <strong>zur</strong> Förderung der sozialen undtechnischen Infrastruktur mit belastbaren mittelundlangfristigen Bedarfsprognosen sowie regionalenEntwicklungskonzepten, damit Programmeund Pläne besser aufeinander abgestimmt werden.Hierdurch lässt sich der Bau unnötiger bzw. falschdimensionierter Infrastruktur vermeiden und dieFlächeninanspruchnahme verringern; gleichzeitigkönnen auch die Gesamtkosten der Infrastrukturgesenkt werden. Die Bundesregierung erarbeitetderzeit Vorschläge für eine solche Nachhaltigkeitsprüfung.Aktivitäten von Ländern, Kommunen undNachhaltigkeitsratEine Reihe von Best-Practice-Beispielen zeigt,dass in einigen Regionen dem Problem der übermäßigenFlächeninanspruchnahme bereits gegengesteuertwird. Wirtschaftliche Strukturbrüche,Abwanderung, Überalterung und Schrumpfung derBevölkerung und die Finanzlage der öffentlichenHaushalte zwingen zu neuen Ansätzen. Zersiedelungist auch unter finanzpolitischen Aspekten einProblem. In den Ländern stehen deshalb zunehmenddie Raumordnungspolitik und eine verstärkte Steuerungder Siedlungs- und Infrastrukturentwicklungauf der politischen Agenda. Aus Sicht der Bundesregierungkommt dabei z. B. der Auswertung derErfahrungen der Länder mit der Vorgabe quantifizierterZielgrößen <strong>zur</strong> Verringerung der FlächeninanspruchnahmeBedeutung zu.Diese Sicht hat die Bundesregierung in derNationalen Strategie <strong>zur</strong> Biologischen Vielfalt vomNovember 2007 bekräftigt. Es liegt nun in der Verantwortungder Länder, Regionen und Gemeinden,bis 2015 auch raum- und gebietsbezogene Ziele<strong>zur</strong> Reduktion der Flächeninanspruchnahme zuerarbeiten. Die Bundesregierung wird die Bemühungen<strong>zur</strong> verstärkten Innenentwicklung durchdie Städtebauförderung und Verbesserung derRahmenbedingungen <strong>zur</strong> Aufwertung bestehenderSiedlungen nach Kräften unterstützen. Dazugehören Programme <strong>zur</strong> energetischen Gebäudesanierung,der weitere Abbau von ökonomischenFehlanreizen durch Subventionen sowie die Mitarbeitan einer optimalen Gestaltung von sonstigenRahmenbedingungen. In diesem Rahmen könntenlangfristig etwa auch die Vor- und Nachteile desVorschlags der kommunalen Spitzenverbände fürein zoniertes kommunales Satzungsrecht bei derGrundsteuer weiter zusammen mit den Länderndiskutiert werden.Der Dialogprozess des Rats für Nachhaltige Entwicklung<strong>zur</strong> Flächeninanspruchnahme hat bestätigt,dass das Problembewusstsein auf kommunalerEbene zunimmt. Erste konkrete Aktivitäten sind vorallem von denjenigen Kommunen zu verzeichnen,die von der Schrumpfung und Alterung der Bevölkerungbesonders betroffen sind. Nicht nur die Nichtregierungsorganisationenrücken das Thema immermehr in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Auch dieMedien befassen sich mit den damit in Zusammenhangstehenden Fragen wie z. B. regional sinkendenImmobilienpreisen, möglichen Folgen für die Alterssicherungprivater Eigentümer oder die Solvenz vonUnternehmen, die finanziellen Lagen von Ländern


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND151und Kommunen und den neuen räumlichen Entwicklungstendenzen.Die Bundesregierung wird dieZusammenarbeit mit Vorbildkommunen, Ländernund gesellschaftlichen Gruppen fortführen und eineVielzahl von eigenständigen Aktivitäten der Öffentlichkeitsarbeitund Bewusstseinsbildung im Bereichder Verminderung der Flächenneuinanspruchnahmeumsetzen.d) FazitDer demografische Wandel, Wanderungsbewegungenund wirtschaftsstrukturelle Veränderungenwerden das Maß der Neuinanspruchnahme vonFlächen für Siedlungen und Verkehr künftig nochstärker in die gesellschaftliche Diskussion rücken.Verdichtung statt Zersiedelung ist ökonomisch,baukulturell, sozial und ökologisch erforderlich undzunehmend auch aus klimapolitischen Erwägungengeboten. Klimaschützendes Bauen setzt – dort woNeubau erforderlich ist – kompakte und verdichteteSiedlungsstrukturen voraus. Kompakte Siedlungsstrukturensind z. B. auch erforderlich, um Nah- undFernwärmenetze rentabel betreiben zu können. Diesgilt für Wachstumsregionen wie für Regionen desStadtumbaus gleichermaßen.Die Revitalisierung der zunehmend leerstehendenoder brachliegenden Flächenpotenziale imBaubestand ist eine wesentliche Voraussetzung fürdie Verminderung der Flächeninanspruchnahme.Die Entwicklungschancen von brachliegendenFlächen zu nutzen, ist zugleich die entscheidendeHerausforderung für die Revitalisierung der Innenstädte.Flächenrecycling ist ökologisch notwendig,ökonomisch sinnvoll und sozial verantwortlich; es istder zentrale Baustein für eine nachhaltige Siedlungsflächenpolitik.Die Bundesregierung wird fortlaufend die treibendenKräfte der Flächeninanspruchnahme sowiedie Hemmnisse bei der Revitalisierung von Siedlungsbrachenanalysieren. Sie wird die verschiedenenMaßnahmen, die auf eine Reduzierung der Flächeninanspruchnahmezielen, zusammenführen, evaluierenund daraus weitere effektive Maßnahmen ableiten.Um das Ziel einer Reduzierung des Flächenverbrauchserreichen zu können, ist der kontinuierlicheAbbau von ökonomischen Anreizen für Flächenverbraucherforderlich. Deshalb sind vor allem die staatlichgesetzten ökonomischen Rahmenbedingungen,die derzeit noch direkt oder indirekt den Flächenverbrauchfördern, kritisch zu prüfen. Die Erfahrungenin den Kommunen und Bundesländern sowiedie wissenschaftlichen Ergebnisse im Rahmen vonREFINA sind für die Erarbeitung von nachfrage- undangebotsseitigen Handlungsstrategien umfassendauszuwerten. Dabei sollten auch neue ökonomischeInstrumente <strong>zur</strong> Verringerung des Flächenverbrauchsgeprüft und in Pilotvorhaben getestet werden.Zur Unterstützung der Konzeption und Umsetzungvon Maßnahmen setzt die Bundesregierung denDialog mit allen relevanten Akteuren fort. Die Bundesregierungwird insbesondere in Zusammenarbeitmit den Ländern und Kommunen die regionale Planungskompetenzstärken und sich für eine Verbreitungder Planungskultur im Sinne der Nachhaltigkeiteinsetzen. Die Bundesregierung begrüßt das Angebotder Länder (vgl. Kapitel G.III.), ihre Erfahrungen beiden verschiedenen planerischen, rechtlichen undfiskalischen Instrumenten in die Überlegungen derBundesregierung einzubringen.2. Biologische VielfaltDie biologische Vielfalt ist eine zentrale Grundlagedes menschlichen Lebens auf der Erde. Sie istein Erbe, mit dem wir im Interesse der kommendenGenerationen sowie aufgrund des Eigenwerts vonNatur sorgfältig umgehen müssen.Für ihre Erhaltung gibt es vielfältige Gründe.Hierzu zählt etwa bessere Anpassungsfähigkeit ansich verändernde Umweltbedingungen (z. B. mitBlick auf den weltweiten Klimawandel). Über dieTechnologieentwicklung nach dem Modell der Naturkönnen Wachstumsmärkte der Zukunft erschlossenwerden (Stichwort Bionik). Biologische Vielfalt ist dieGrundlage für unverzichtbare Ökosystemleistungenwie z. B. die Selbstreinigungskraft von Gewässern, dieLuftreinigung über die Filterleistungen von Pflanzenoder die natürliche Bodenfruchtbarkeit. Bereits heutehängen viele Wirtschaftszweige und Arbeitsplätzein Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Tourismus,Ernährungsgewerbe, Gesundheitswesen von einerintakten und vielfältigen Naturausstattung und ihrernachhaltigen Nutzung ab. Aspekte des Naturerlebens,von Ästhetik, Bildung, Freizeitgestaltung, aber auchHeimatgefühl und Lebensqualität des Wohnumfeldssowie ethische Gründe sprechen ebenfalls für dienachhaltige Sicherung der biologischen Vielfalt.Ein wirksamer Schutz der biologischen Vielfaltwird erleichtert, wenn er in der Gesellschaft breiteUnterstützung findet, insbesondere wenn wirtschaftlichePerspektiven für eine nachhaltige Nutzung derbiologischen Vielfalt gegeben sind. Dies war auchFolgerung des Schwerpunktthemas „ Biologische Vielfalt– schützen und nutzen“ im „Wegweiser Nachhaltigkeit2005“.


152 WEITERE POLITIKFELDERDie wichtigsten Ursachen für den Rückgang derbiologischen Vielfalt sind die Zerschneidung undVersiegelung der Landschaft für Verkehr, Wohnenund Wirtschaft, nicht nachhaltige Formen der Landnutzung,Trockenlegung und Verbauung natürlicherFließgewässer, die Übernutzung der Fischressourcen,Stoffeinträge und der Klimawandel. Wie in denmeisten Ländern Europas ist die Artenvielfalt imTeilbereich Agrarland von 1970 bis 1990 besondersstark <strong>zur</strong>ückgegangen. Allerdings konnte seit 1990der Rückgang im Agrarland wie auch in den LebensräumenWälder und Küsten/Meere in Deutschlandgestoppt werden. Seit Ende der 1980er Jahre hat sichdie Vielfalt im deutschen Wald wieder erhöht (mehrLaub- und Mischwälder, Altersmischung, viel Alt- undTotholz). Die Verbesserung der Gewässergüte vielerFlüsse und Seen in den letzten Jahrzehnten hat sichebenfalls positiv auf die Erhaltung der biologischenVielfalt ausgewirkt.Der in Kapitel B enthaltene Indikator 5 „ Artenvielfaltund Landschaftsqualität“ macht deutlich, dass diegenannten positiven Entwicklungen in Teilbereichennoch nicht zu einer ausreichenden Entschärfung derBelastungs- und Gefährdungssituation der biologischenVielfalt in Deutschland insgesamt geführthaben. Der Indikator zeigt 1997–2006 keinen nachweisbarenEntwicklungstrend, nur der Teilindikatorfür die Wälder weist einen positiven Trend auf.a) AktivitätenAuf der inter<strong>nationalen</strong> Ebene setzt sich dieBundesregierung im Rahmen einer Reihe von inter<strong>nationalen</strong>Übereinkommen dafür ein, die Vielfaltder Arten und ihrer Lebensräume zu schützen sowiedie Nachhaltigkeit ihrer Nutzung zu fördern. Vonzentraler Bedeutung ist dabei allen voran das 1992 inRio de Janeiro beschlossene Übereinkommen überdie biologische Vielfalt (Convention on BiologicalDiversity – CBD). Im Einklang mit der CBD hat derInternationale Vertrag über pflanzengenetischeRessourcen für Ernährung und Landwirtschaft denErhalt und die nachhaltige Nutzung dieses Sektorszum Gegenstand. Weiterhin befassen sich auch dasÜbereinkommen über den inter<strong>nationalen</strong> Handelmit gefährdeten Arten freilebender Tiere undPflanzen (das Washingtoner Artenschutzabkommen– CITES), die Bonner Konvention <strong>zur</strong> Erhaltungwandernder wild lebender Tierarten (CMS) und dieRamsar-Konvention über Feuchtgebiete, insbesondereals Lebensraum für Wasser- und Watvögel, mitdem weltweiten Schutz der Biodiversität. NebenAktivitäten im Rahmen der globalen Konventionenunterstützt die Bundesregierung zahlreiche Maßnahmenzum Erhalt und <strong>zur</strong> nachhaltigen Nutzungder biologischen Vielfalt in den Partnerländern imRahmen von bi- und multi<strong>nationalen</strong> Beiträgen(z.B. der Globalen Umweltfazilität – GEF). Die Bundesregierungwird diese Prozesse intensiv nutzenund fortentwickeln.Vom 19. bis 30. Mai <strong>2008</strong> war Deutschland unterdem Motto „Eine Natur – eine Welt – unsere Zukunft“Gastgeber der 9. Vertragsstaatenkonferenz desÜbereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD)in Bonn. Um dem von der Staatengemeinschaft 2002in Johannesburg festgelegten Ziel näher zu kommen,den weltweiten Verlust der biologischen Vielfalt biszum Jahr 2010 signifikant zu reduzieren, bleiben nurnoch zwei Jahre. Entsprechend groß waren die Erwartungen,die an die Ergebnisse dieser Konferenz derVereinten Nationen geknüpft waren.Die schließlich in Bonn erzielten Einigungen sindgroße Erfolge für die internationale Biodiversitätspolitik.Es ist gelungen, neuen Schwung in die Diskussionüber Maßnahmen gegen den weltweiten Biodiversitätsverlustzu bringen und sich bei bislang sehrkontrovers diskutierten Fragen zu einigen.So gelang es, das „Bonner Mandat“ für die Verhandlungenzum weiteren Vorgehen bezüglich desZugangs zu genetischen Ressourcen und die gerechteAufteilung der aus der Nutzung der Ressourcenentstehenden Vorteile (Access and Benefit Sharing– ABS) zu verabschieden. Dieses Mandat beinhalteteinen straffen Fahrplan für die nächsten zwei Jahre,um bei der 10. Vertragsstaatenkonferenz in Japan einsogenanntes Internationales ABS-Regime beschließenzu können.Ein großer Fortschritt wurde auch beim Meeresnaturschutzerzielt, für den wissenschaftlicheKriterien für die Auswahl von Meeresschutzgebietenverabschiedet wurden. Obwohl ein globales Netzvon Meeresschutzgebieten eine Schlüsselrolle beimSchutz der Ozeane einnimmt, steht bis heute lediglich1 % der Fläche unter Schutz.Die Bundesregierung hat schließlich mit derLife Web-Initiative ein Instrument initiiert, umdas Ziel der Einrichtung eines weltweiten Netzesvon Schutzgebieten zu erreichen. Die Life Web-Initiative schafft eine Plattform, auf der Geber undEmpfänger im Bereich Schutzgebietsaktivitätenzusammengebracht werden. Mit der Initiative wirddie Weltgemeinschaft eingeladen, Vorschläge fürneue bzw. unterfinanzierte Schutzgebiete zu meldensowie bevorzugt solche Gebiete zu finanzieren.Deutschland selbst wird für den inter<strong>nationalen</strong>Naturschutz in den Jahren 2009–2012 500 Mio. Euro


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND153zusätzlich und ab 2013 500 Mio. Euro jährlich <strong>zur</strong>Verfügung stellen.Im Vorfeld der Konferenz nutzte die Bundesregierungauch ihre G8-Präsidentschaft 2007, um diebiologische Vielfalt als eigenständiges Thema aufder G8-Agenda zu platzieren. Zusätzlich werden dieauf dem G8+5-Umweltministertreffen im März 2007beschlossene „Potsdam Initiative“ sowie die darinenthaltenen konkreten gemeinsamen Aktivitäten fürden Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischenVielfalt kontinuierlich vorangetrieben. Als einerstes Ergebnis wurde auf der CBD <strong>2008</strong> in Bonn einZwischenbericht vorgestellt, der die volkswirtschaftlichenKosten der Naturzerstörung und des weltweitenVerlustes von Ökosystemleistungen untersucht.b) Nationale Strategie <strong>zur</strong> biologischen VielfaltUm den Rückgang der biologischen Vielfalt inDeutschland zu stoppen und gleichzeitig SchutzundNutzungsinteressen besser miteinander inEinklang zu bringen, hat die Bundesregierung am7. November 2007 eine Nationale Strategie <strong>zur</strong> biologischenVielfalt beschlossen. Damit liegt in Deutschlanderstmals eine umfassende und anspruchsvolleStrategie <strong>zur</strong> Umsetzung des VN-Übereinkommensüber die biologische Vielfalt (Artikel 6 der CBD) vor.Die nationale Strategie formuliert Leitbilder undZielvorstellungen; diese werden durch Maßnahmenkonkretisiert, die die verschiedenen staatlichen undnicht-staatlichen Akteure aller Ebenen zum Handelnauffordern. Die Strategie berücksichtigt dabei auchdie Auswirkungen deutscher Aktivitäten auf die biologischeVielfalt weltweit. Die Bundesregierung wirdeinmal in jeder Legislaturperiode einen Bericht <strong>zur</strong>Zielerreichung vorlegen. Mit Indikatoren wird dabeieine zusammenfassende Erfolgskontrolle angestrebt.Ausgewählte Ziele der <strong>nationalen</strong>BiodiversitätsstrategieSchutz der biologischen Vielfalt• Bis zum Jahre 2010 ist der Anteil der vom Aussterben bedrohtenund stark gefährdeten Arten verringert. Bis 2020erreichen Arten, für die Deutschland eine besondere Erhaltungsverantwortungträgt, überlebensfähige Populationen.Bis 2020 hat sich für den größten Teil der Rote Liste-Arten dieGefährdungssituation um eine Stufe verbessert.• Bis zum Jahre 2020 kann sich die Natur auf 2 % der FlächeDeutschlands wieder nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeitenungestört entwickeln und Wildnis entstehen.• 2020 beträgt der Flächenanteil der Wälder mit natürlicherWaldentwicklung 5 % der Waldfläche.• Bis 2015 nimmt der Flächenanteil naturschutzfachlich wertvollerAgrarbiotope (hochwertiges Grünland, Streuobstwiesen)um mindestens 10 % gegenüber 2005 zu. In 2010beträgt in agrarisch genutzten Gebieten der Anteil naturnaherLandschaftselemente (z. B. Hecken, Raine, Feldgehölze,Kleingewässer) mindestens 5 %.• Der derzeitige Anteil der unzerschnittenen verkehrsarmenRäume > 100 km 2 bleibt erhalten.• Bis zum Jahr 2020 hat sich die natürliche Speicherkapazitätfür CO 2der Landlebensräume (z. B. durch Wiedervernässungund Renaturierung von Mooren und durch die Zunahmenaturnaher Wälder) um 10 % erhöht.• Erarbeitung einer Liste der auf nationaler Ebene durch exsitu-Maßnahmen dringend zu schützenden Arten bis <strong>2008</strong>;Vorlage eines artspezifischen, mit den Bundesländernabgestimmten ex situ-Programmes und Umsetzung für 25 %der Arten bis 2010• Entwicklung einer Strategie <strong>zur</strong> vorbildlichen Berücksichtigungder Biodiversitätsbelange für alle Flächen der öffentlichenHand bis 2010Nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt• stärkere Orientierung der Steuer- und Förderpolitik an derErhaltung der biologischen Vielfalt• Bis zum Jahr 2020 wird ein vorbildliches Beschaffungs- undBauwesen angestrebt, das sich hinsichtlich der Natur- undUmweltfreundlichkeit auch an biodiversitätserhaltendenStandards orientiert.• verstärkte Berücksichtigung der biologischen Vielfalt beiUmweltmanagement- und Zertifizierungssystemen undderen verbesserte Kommunikation• Erarbeitung einer integrativen Strategie für die Erhöhungder Agrobiodiversität bis 2010 und Etablierung hierfürgeeigneter Beratungs-, Finanzierungs- und Monitoringinstrumentebis 2015• Im Jahre 2020 stammen 25 % der importierten Naturstoffeund Produkte (z. B. Agrar-, Forst-, Fischereiprodukte, Heil-,Aroma- und Liebhaberpflanzen, Liebhabertiere) aus naturundsozialverträglicher Nutzung.• keine Importe von illegal geschlagenem Holz und daraus erzeugtenHolzprodukten nach Deutschland unter Beachtungder WTO-rechtlichen Anforderungen spätestens ab 2010• 2020 beinhalten von der deutschen Industrie aufgestellteÖkobilanzen alle Umweltauswirkungen vom Rohstoffeinsatzbis hin <strong>zur</strong> Abfallwirtschaft. Dabei werden auch die Auswirkungendes Produkts auf die Biodiversität im Ausland dargestellt.• Bis 2020 sind Biodiversitätsaspekte umfassend in die Welthandelsordnungintegriert.Soziale Aspekte der Erhaltung der biologischen Vielfalt• Im Jahre 2015 zählt für mindestens 75 % der Bevölkerungdie Erhaltung der biologischen Vielfalt zu den prioritärengesellschaftlichen Aufgaben.• Bis zum Jahre 2020 ist die Durchgrünung der Siedlungen einschließlichdes wohnumfeldnahen Grüns (z. B. Hofgrün, kleineGrünflächen, Dach- und Fassadengrün) deutlich erhöht.Öffentlich zugängliches Grün mit vielfältigen Qualitätenund Funktionen steht in der Regel fußläufig <strong>zur</strong> Verfügung.• Erarbeitung eines umfassenden Konzeptes „Stadt der kurzenWege“ bis 2010 und Umsetzung bis 2020• Steigerung des Anteils von Plätzen in Naturerlebniskindergärtenauf 25 % bis 2015• Die Schadstoffbelastung der Fische (z. B. Aal) und Muschelnist bis 2015 so weit reduziert, dass diese (wieder) uneingeschränktgenießbar sind.• Im Jahre 2020 sind 30 % der Fläche in Deutschland Naturparke.Bis 2010 erfüllen 80 % der Naturparke Qualitätskriterienim Bereich Tourismus und Erholung. Alle Nationalparkeermöglichen in geeigneten Bereichen Naturerfahrung fürdie Menschen.• Förderung der angemessenen Teilhabe und Mitwirkung vonMigranten und Migrantinnen an Innovationen, Wissen undDialog <strong>zur</strong> Erhaltung der biologischen Vielfalt• Erhöhung des Anteils der Mittel für Entwicklungsprojekte,die den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischenVielfalt sowie den gerechten Vorteilsausgleich zumZiel haben, an der gesamten deutschen Entwicklungshilfeum 50 % bis 2015


154 WEITERE POLITIKFELDERWegen der großen Komplexität der Aufgabe derErhaltung der biologischen Vielfalt, der hohen Zahlbetroffener Politikbereiche und der vielen involviertenstaatlichen und nicht-staatlichen Akteure kanndie anspruchsvolle Aufgabe nur gemeinsam bewältigtwerden. Die Aktivitäten der Länder – etwa zumAufbau des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 – undviele andere Fortschritte bei der Erhaltung der biologischenVielfalt zeigen, dass Deutschland auf demrichtigen Weg ist. Der weiterhin hohe Gefährdungsgradvieler Arten und Lebensräume macht aber auchdeutlich, dass weitere Anstrengungen erforderlichsind.Zur Einbeziehung aller gesellschaftlichen Akteurein die Umsetzung der Strategie wurde imDezember 2007 ein mehrjähriger Dialog gestartet(www.biologischevielfalt.de). Bausteine dieses Prozessessind u. a. nationale und regionale Foren <strong>zur</strong> biologischenVielfalt sowie verschiedene Workshops. Auftaktfür den Umsetzungsprozess war das 1. nationale Forum<strong>zur</strong> biologischen Vielfalt am 5./6. Dezember 2007in Berlin. Ein 2. nationales Forum wird es im Herbst<strong>2008</strong> geben. Zu wichtigen Themen der Biodiversitätsstrategiefanden sieben regionale Foren statt.c) Biologische Vielfalt in der Land-, Forst-,Fischerei- und ErnährungswirtschaftDie Vielfalt der in der Land-, Forst-, Fischerei- undErnährungswirtschaft genutzten und nutzbarenLebewesen in ihrer genetischen Vielfalt und dieVielfalt der genutzten Ökosysteme – die sogenannteAgrobiodiversität – ist ein wesentlicher Teil derbiologischen Vielfalt auf der Erde. Dabei trägt dieLand- und Forstwirtschaft durch die Erhaltung derKulturlandschaft auch <strong>zur</strong> Erhaltung der dort wildlebendenTier- und Pflanzenarten bei. Daher wird dienationale Biodiversitätsstrategie der Bundesregierungdurch die Sektorstrategie Agrobiodiversität (abrufbarauf www.bmelv.de) unterstützt und ergänzt.Zu ihren Zielen zählen u. a. die langfristige Erhaltungund breitere Nutzung genetischer Ressourcenfür den Ernährungsbereich und die Land-, Forst- undFischereiwirtschaft sowie das Bestreben, die NutzundSchutzinteressen der biologischen Vielfalt inEinklang zu bringen.Von Bedeutung für die Erhaltung der Biodiversitätsind auch Maßnahmen im Bereich der Agrarpolitikwie etwa die Luxemburger Beschlüsse vom Juli2003, die die EU- Agrarpolitik grundlegend reformierthaben. Entkoppelung der Direktzahlungenvon der Produktion und Bindung der Direktzahlungenan Umwelt- und Naturschutzanforderungeneröffnen EU-weit Spielräume für eine nachhaltigereLandwirtschaft. Deutschland hat ein Umsetzungsmodellgewählt, das Grünland und LandschaftselementeAckerflächen gleichstellt und damit inbesonderem Maße Belange der Biodiversität berücksichtigt.Hinzu kommen Fördermaßnahmen aus derGemeinschaftaufgabe „Verbesserung der Agrarstrukturund des Küstenschutzes“, die u. a. Beiträgefür eine umweltverträgliche Landwirtschaft, dieErhaltung der genetischen Ressourcen der Landwirtschaft,<strong>zur</strong> Verbesserung der Gewässerreinhaltungund der ökologischen Gewässerstruktur sowie füreine nachhaltige ländliche Entwicklung leistet.Die deutsche Fischereipolitik verstärkt ebenfallsihre Bemühungen <strong>zur</strong> Erhaltung und nachhaltigenNutzung von Meeren und Binnengewässern (vgl.Kapitel D.III.3.). Entscheidend kommt es aber daraufan, dass eine umweltverträgliche und qualitätsorientierteLandwirtschaft eine ökonomische Perspektivehat. Es liegt somit maßgeblich an den Verbraucherinnenund Verbrauchern, beim Einkauf regionalerzeugten bzw. zertifizierten Lebensmitteln undProdukten den Vorzug zu geben.Die Bundesregierung unterstützt die Erhaltungund nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcenim Rahmen nationaler, bilateraler und internationalerProjekte und Programme, welche z.B. dieFörderung der Inter<strong>nationalen</strong> Agrarforschungszentrender Beratungsgruppe für internationale Agrarforschung(CGIAR) umfassen. Weiterhin engagiertsie sich für geeignete Rahmenbedingungen für einenachhaltige Nutzung der Agrobiodiversität.d) Biologische Vielfalt und KlimawandelDie Veränderung des Klimas, die wesentlichdurch die Emission von Treibhausgasen verursachtwird, verschiebt bereits heute die Verbreitungsgebietevieler Arten und beginnt – besonders aufgrundheißer und trockener Sommer – die Landschaftenin Deutschland umzuformen. Der verstärkte Klimawandelwird zukünftig die Artenvielfalt sowie dasArtenspektrum durch Einwanderung, Abwanderungund Aussterben von Tier- und Pflanzenarten starkverändern. Es ist außerdem zu erwarten, dass sichLandschaft und biologische Vielfalt infolge demografischerund ökonomischer Veränderungen (z. B.Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzungen in Abwanderungsgebieten,zunehmender Anbau von Energiepflanzen)ändern wird. In der derzeit in Arbeitbefindlichen <strong>nationalen</strong> Strategie <strong>zur</strong> Anpassung andie Folgen des Klimawandels werden diese Aspekteberücksichtigt werden (vgl. Kapitel C.I.5.c.).


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND1553. Nachhaltige Fischereia) Entwicklung von Management- undWiederaufbauplänenDie Bundesregierung tritt nachdrücklich dafürein, dass nicht nur in der <strong>nationalen</strong> und EU-Fischereipolitik,sondern auch auf internationaler Ebenedie Prinzipien der Nachhaltigkeit in der Fischereistärker als bisher Anwendung finden. Gerade in derFischerei sind gesicherte Fischbestände mit ausreichendemNachwuchs Grundlage für Wertschöpfungund Arbeitsplätze und dürfen auf Dauer nur imRahmen ihrer Fähigkeit <strong>zur</strong> Regeneration genutztwerden (zweite Managementregel der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>).Gesamtfangmengen und technischeRegelungen sollen hierzu auf verlässlichen wissenschaftlichenUntersuchungen basieren.Insbesondere unterstützt Deutschland im Rahmender EU-Fischereipolitik die Weiterentwicklungund konsequente Umsetzung von mehrjährigenWiederaufbau- und Bewirtschaftungsplänen fürübernutzte Fischbestände. Hierzu leistet die Fischereiforschungdes Bundes entscheidende Vorarbeiten.Daneben beteiligt sich die Bundesregierungaktiv an der Entwicklung von Regelungen <strong>zur</strong>Vermeidung von unerwünschten Beifängen undRückwürfen.Auch auf internationaler Ebene setzt sich dieBundesregierung dafür ein, nachhaltige Wiederauffüllungs-und Bewirtschaftungspläne und Biodiversitätsaspektein das Fischereimanagement regionalerFischereiorganisationen und in Fischereiabkommender EU mit Drittstaaten zu integrieren. Im Falle vonca. 20 EU-Abkommen mit insbesondere afrikanischenEntwicklungsländern (z. B. aktuell Mauretanien)engagiert sich die Bundesregierung besondersfür Maßnahmen <strong>zur</strong> Entwicklung der lokalenFischereiverwaltungen und der Fischwirtschaft.Außerdem fördert Deutschland über die bilateraleEntwicklungszusammenarbeit den Aufbau vonKapazitäten im Bereich des Fischereimanagementsund der Fischereiüberwachung.Ein besonderes Anliegen der Bundesregierung istdie Nachhaltigkeit der Fischerei in Flüssen und SeenDeutschlands. Zusammen mit den für die Binnenfischereizuständigen Bundesländern soll der Schutzder wandernden Fischarten (z. B. Aal, Lachs und Stör)durch Forschungsvorhaben und Unterstützung vonBesatzmaßnahmen auf europäischer Ebene gestärktwerden. Dazu werden im Rahmen von Strukturfondsprogrammender Ausbau von Fischtreppenund die Kooperation der Länder untereinander, mitanderen Flussanrainerstaaten und Kraftwerksbetreiberngefördert.b) Schutz empfindlicher Tiefseeökosysteme vorzerstörerischen Fischereipraktiken auf derHohen SeeSeeberge und Tiefseeplateaus beherbergenhäufig sensible Lebensräume wie heiße Quellenund Kaltwasserkorallen und gelten als Rückzugsräumeeiner Vielzahl nur lokal vorkommenderArten. Aufgrund ihres zumeist langsamen Wachstumsund ihrer begrenzten Verbreitung gelten dieseArten als besonders empfindlich gegenüber menschlichenBeeinträchtigungen. Die Tiefseefischerei mitGrundfanggeräten stellt deshalb eine Bedrohungfür die Biodiversität sensibler Tiefseeökosystemedar. Da ein großer Teil dieser Ökosysteme außerhalbder 200-Seemeilen-Zonen der Küstenstaaten liegt,ist eine internationale Kooperation der Staatengemeinschaftbei der Regulierung der Tiefseefischereiunabdingbar.Die Bundesregierung hat mit der EU wesentlichdazu beigetragen, dass im Dezember 2006auf VN-Ebene Verpflichtungen <strong>zur</strong> Regulierungder Tiefseefischerei und zum Schutz von Tiefseelebensräumenvereinbart wurden. Die deutscheRatspräsidentschaft hat daraufhin zusammen mitder EU-Kommission eine Initiative zum Schutz vonTiefseeökosystemen vor zerstörerischen Fischereipraktikenergriffen. Als Ergebnis dieser Initiative legtedie Kommission im Oktober 2007 einen Vorschlagvor, über den der Fischereirat Ende Juni <strong>2008</strong> eineEinigung erzielte.c) Bekämpfung der illegalen FischereiDie politischen Bemühungen um eine nachhaltigeFischerei in den Weltmeeren werden vielfachdurch die illegale, unregulierte und ungemeldeteFischerei (IUU- Fischerei) untergraben. Der geschätzteWert der Fänge aus der IUU- Fischerei beträgt biszu 10 Mrd. Euro. Dadurch werden legale Fischereiensowie die marine Biodiversität enorm geschädigt.Die deutsche Ratspräsidentschaft und weitereMitgliedstaaten haben sich dafür eingesetzt, dass dieEU im weltweiten Kampf gegen die illegale Fischereieine Vorreiterrolle übernimmt. Daraufhin hat dieEU-Kommission 2007 einen Vorschlag <strong>zur</strong> Vorbeugungund Beseitigung der IUU- Fischerei vorgelegt,zu dem Ende Juni <strong>2008</strong> eine politische Einigungdes Fischereirats erreicht werden konnte. Ziel istes, jeglichen Zugang zu europäischen Gewässern,Häfen und zum Binnenmarkt für die IUU- Fischerei


156 WEITERE POLITIKFELDERund ihrer Erzeugnisse zu unterbinden. Parallel dazuunterstützt die Bundesregierung den FAO-Aktionsplan<strong>zur</strong> IUU- Fischerei sowie geeignete Maßnahmenregionaler Fischereiorganisationen wie beispielsweiseschwarze Listen und Einfuhrverbote für Erzeugnisseder IUU-Schiffe. Die Maßnahmen der Bundesregierunggegen die IUU- Fischerei dienen auchdem Schutz nachhaltig wirtschaftender deutscherFischereibetriebe gegen unfaire Wettbewerber.d) Ökokennzeichnung von FischereierzeugnissenErgänzend zu den vielfältigen, direkt bei derFischerei ansetzenden Maßnahmen <strong>zur</strong> Erhaltungder Fischbestände leisten auch Handel und Fischverarbeitungsindustriesowie Verbraucherinnen undVerbraucher durch den Kauf von Fisch aus nachhaltigerNutzung einen zunehmenden Beitrag.Auf Einladung der Bundesregierung fand imNovember 2007 ein Runder Tisch von Vertretern ausden oben genannten Bereichen mit Umwelt- undVerbraucherverbänden statt. Dabei wurde vor allemdie Bedeutung von Ökokennzeichen als wirkungsvollenInstrumenten betont, um eine nachhaltigeFischerei von der Nachfrageseite her zu unterstützen.Diese Kennzeichen werden an verantwortlicheFischereien vergeben, die nachweislich nicht zumProblem des Überfischens beitragen (z. B. das blaueSiegel des Marine Stewardship Council – MSC). Damitsolche Siegel glaubwürdig sind, bedarf es einesverlässlichen und verbindlichen Rechtsrahmens. AmRunden Tisch bestand Einvernehmen über die Notwendigkeitverbindlicher Mindestanforderungen,die nun auf EU-Ebene konkret ausgestaltet werdensollen. Auch hiermit will die Bundesregierung dieZukunft nachhaltig wirtschaftender Fischereibetriebesichern.Um die Einführung ökozertifizierter Fischprodukteweiter voranzubringen, hat die Bundesregierungim November 2005 ein Symposium unter Beteiligungder Fischerei und von Fisch verarbeitendenUnternehmen durchgeführt. Bei einem weiterenSymposium <strong>zur</strong> „Ökozertifizierung in der Fischerei“im Februar <strong>2008</strong> ging es um den Beitrag von Fischwirtschaft,Handel und Gastronomie. In den Beratungenüber die neue EU-Ökoverordnung hatte sichDeutschland dafür eingesetzt, dass Fischereierzeugnisseaus der Aquakultur in die Verordnung aufgenommenwerden. Dieses Vorhaben konnte unterdeutscher Präsidentschaft im Juni 2007 erfolgreichabgeschlossen werden.Deutschland fördert ferner Projekte <strong>zur</strong> Zertifizierungvon lokalen Fischereien bzw. Aquakulturenin Entwicklungsländern. Damit soll sowohl eineneue Einkommensquelle für die Fischerei vor Ort erschlossenals auch eine nachhaltige Bewirtschaftungder Ressourcen umgesetzt werden.4. Wasserbewirtschaftung, Hochwasser- undMeeresschutzDer Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftungder Ressource Wasser sowie der Gewässer undgewässerabhängiger Ökosysteme stehen in engemZusammenhang mit vielen in der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>formulierten Handlungsfeldern undZielen. Die Gewässer nehmen wichtige ökologische,ökonomische und soziale Funktionen wahr: Ausreichendverfügbares, sauberes Wasser ist eine Grundvoraussetzungfür gesunde Lebensräume, für dieErnährung sowie ein wichtiger Produktionsfaktor.Wie in der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> 2002 außerdemin globaler Perspektive formuliert wurde, ist derZugang zu sauberem Trinkwasser und zu sanitärerGrundversorgung eine der zentralen entwicklungspolitischenAufgaben sowie friedens- und sicherheitspolitischvon wachsender Bedeutung. Weltweitrichten sich die deutschen Bemühungen auf dieUmsetzung der Millenniumsziele der VereintenNationen <strong>zur</strong> Verbesserung des Zugangs zu sauberemTrinkwasser und zu sanitärer Grundversorgungsowie auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeitbei der Bewirtschaftung von Gewässern undWasserressourcen.Im Zentrum der deutschen Gewässerpolitik stehtdas durch die EG-Wasserrahmenrichtlinie vorgegebeneZiel, bis zum Jahr 2015 (bei Anwendung allermöglichen Fristverlängerungen bis spätestens 2027)für alle Gewässer einschließlich des Grundwasserseinen guten Zustand zu erreichen. Außerdem ergebensich aus der EG-Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie wesentliche Zielsetzungen wie der weitereAusbau eines effizienten Hochwasserrisikomanagementsund die Gewährleistung eines ausreichendenSchutzes der Bevölkerung sowie der Kultur- undWirtschaftsgüter vor Hochwasser- und Sturmflutschäden.Die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinietritt nun in eine zentrale Phase: Bis Ende 2009 sindnationale Maßnahmenprogramme und nationale/internationale Bewirtschaftungspläne für zehnFlussgebiete zu erstellen und abzustimmen. Mitdiesen Instrumenten werden die wesentlichenBewirtschaftungsziele und die zu ihrer Realisierungvorgesehenen Maßnahmen festgelegt. Sie sind überLänder- und Staatengrenzen hinweg zu koordinie-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND157ren. In den Bundesländern laufen derzeit die Arbeiten<strong>zur</strong> Aufstellung der Maßnahmenprogramme.Dabei binden sie die betroffenen Gewässernutzerund die Öffentlichkeit regional und lokal vielfachaktiv in die Planungsarbeiten ein. Es zeichnet sichab, dass für viele Gewässer der gute Zustand nicht bis2015 erreicht werden kann und daher Fristverlängerungenin Anspruch genommen werden müssen.Der Bund unterstützt die Umsetzung der Wasserrahmenrichtliniedurch Rechtsetzung im Rahmen derGemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstrukturund des Küstenschutzes“ (GAK) und durchForschungsaktivitäten zu wichtigen methodischenAspekten und praktischen Maßnahmen. Er koordiniertmit den Bundesländern die deutsche Positionfür die Zusammenarbeit in den sechs inter<strong>nationalen</strong>Flussgebieten.Die europäischen Vorgaben zum Grundwasserschutzwurden durch die EG-Richtlinie zum Schutzdes Grundwassers vor Verschmutzung und Verschlechterung(RL 2006/118/EG) weiter präzisiert.Insbesondere wurden Kriterien für die Ermittlungund Beurteilung des Grundwasserzustands sowie fürTrends steigender Schadstoffbelastungen festgelegt.Im Bereich des Hochwasserrisikomanagementsund des Hochwasserschutzes sind in den vergangenenJahren deutliche Fortschritte erzielt worden; dieszeigt etwa der Bericht <strong>zur</strong> Umsetzung des Aktionsplans„Hochwasser“der Inter<strong>nationalen</strong> Kommissionzum Schutz des Rheins, 1995–2005 (IKSR-Bericht Nr.156 d auf http://iksr.org), oder der erste Bericht <strong>zur</strong>Umsetzung des Aktionsplans „HochwasserschutzElbe“ der Inter<strong>nationalen</strong> Kommission zum Schutzder Elbe (vgl. www.ikse-mkol.org). Dennoch bleibt dieVerbesserung des vorsorgenden Binnenhochwasserschutzesauch im Hinblick auf die sich abzeichnendenAuswirkungen des Klimawandels eine ständigeHerausforderung und langfristige Aufgabe. Vor allemdie Verbesserung des Rückhalts in der Fläche und dieSchaffung von zusätzlichen Rückhalteräumen bleibenhäufig hinter den Planungen <strong>zur</strong>ück.Ähnliches gilt für den Küstenschutz. Der Küstenschutzist Voraussetzung für die Sicherung undnachhaltige Entwicklung des Lebens- und Wirtschaftsraumesder Niederungsgebiete im Einzugsbereichder Nord- und Ostsee, die mit ca. 1,1 Mio. hard. 3 % des Bundesgebiets umfassen. Infolge desKlimawandels, verbunden mit einem weiteren Meeresspiegelanstieg,der Zunahme der Wellenenergie,Tideänderungen und einer intensiveren Sturmtätigkeitsind unsere Küstenschutzanlagen laufend zuverbessern oder sonstige Anpassungsmaßnahmendurchzuführen.Ebenfalls von großer Bedeutung für eine nachhaltigeEntwicklung sind der Schutz der Meeresumweltund eine nachhaltige Nutzung der Meeresressourcen(vgl. hierzu auch Kapitel D.III.3.). Am15. Juli <strong>2008</strong> ist die Europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie in Kraft getreten. Gemäß denSchlussfolgerungen des Europäischen Rats soll dieMeeresstrategie-Rahmenrichtlinie die Umweltsäuleder integrierten Meerespolitik für die EuropäischeUnion bilden. Das Ziel der Richtlinie ist die Erreichungdes guten Zustands der Meeresumwelt Europasbis zum Jahr 2020. Im Rahmen zu entwickelnderregionaler Meeresstrategien, die ein integriertes,sektorübergreifendes Schutzkonzept erfordern,kommt der Ökosystem-Ansatz <strong>zur</strong> Steuerungmenschlichen Handelns, das sich auf die Meeresumweltauswirkt, <strong>zur</strong> Anwendung. Die Strategiensollen zudem die nachhaltige Nutzung von Güternund Dienstleistungen des Meeres heute und durchzukünftige Generationen ermöglichen sowie dazubeitragen, dass die Belange der Meeresumwelt beiallen politischen Maßnahmen, Vereinbarungen undRechtsetzungen, die sich auf das Meer auswirken,berücksichtigt werden.Für das Ostseegebiet haben die Vertragsparteiendes Helsinki-Übereinkommens im November 2007mit der Verabschiedung des HELCOM-Ostseeaktionsplans(vgl. www.helcom.fi) bereits wesentlicheWeichenstellungen in Bezug auf die Anwendung derMeeresstrategie-Rahmenrichtlinie beschlossen.Der Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftungder Ressource Wasser verlangt in Deutschland dieEinbindung zahlreicher Akteure auf Bundes-, Landes-und regionaler/lokaler Ebene. Die nachhaltigeBewirtschaftung von Gewässern – über Landes- undBundesgrenzen hinweg – erfordert eine koordinierteVorgehensweise der verschiedenen Ebenen; hierwurden entsprechende Gremien eingerichtet. Nötigist aber auch die Einbindung der einschlägigenNutzer- und Interessengruppen, z. B. der Landwirteoder der Naturschutzorganisationen. Dafür sindin den Bundesländern funktionsfähige Strukturenentstanden. Insbesondere bei der Umsetzung derMeeresstrategie-Rahmenrichtlinie kommt es aufeine enge Zusammenarbeit mit den inter<strong>nationalen</strong>Akteuren der verschiedenen Regionalabkommenzum Meeresschutz an.


158 WEITERE POLITIKFELDERIV. Gesundheit1. HerausforderungenGesundheit ist die zentrale Voraussetzungfür eine hohe Lebensqualität und eine hohe Lebenserwartung.Die demografische Entwicklunghin zu einer immer höheren Lebenserwartung inDeutschland ist aber auch eine wachsende Herausforderung.Die Lebenserwartung bei Geburt liegtbereits heute für Jungen bei 76,6 und für Mädchenbei 82,1 Jahren und wird vermutlich weiter steigen.Diese grundsätzlich sehr positive Entwicklungführt – verbunden mit einer niedrigen Geburtenratevon derzeit nur 1,3 Kindern pro Frau – allerdings zueinem Bevölkerungsrückgang und einer verändertenAltersstruktur der Bevölkerung. Alle Bereicheunserer Gesellschaft müssen auf diese Veränderungenreagieren und ihre Chancen nutzen. Besondersoffenkundig wird die demografische Herausforderungangesichts der Zahl Pflegebedürftiger, dievon heute knapp 2,1 Mio. Menschen auf voraussichtlichrd. 4 Mio. Menschen im Jahre 2050 steigenwird – allein schon diese Entwicklung stellt unserVersorgungs- und Finanzierungssystem vor eineschwierige Herausforderung. Umgekehrt bietendie angesprochenen Herausforderungen auchgroße Chancen für Innovationen in der Gesellschaft,Wachstum in den auf Gesundheit ausgerichtetenMärkten und zukunftsfähige Beschäftigungsmöglichkeitenim Gesundheitssystem.Neben der demografischen Entwicklung stellender Lebensstil sowie die Lebens- und Umweltbedingungender Bevölkerung eine Herausforderung fürdas deutsche Gesundheitssystem dar. Knapp ein Fünftelder in Deutschland lebenden Gesamtbevölkerungist fettleibig und damit besonders krankheitsgefährdet.Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass sich gesundheitlicheRisiken besonders bei Kindern und Jugendlichenauch nach sozialem Status unterscheiden. Sosind Kinder aus sozial benachteiligten Familien bzw.aus Familien mit Migrationshintergrund häufigerübergewichtig, haben häufiger einen ungesundenLebensstil und ein erhöhtes Unfallrisiko und nehmenVorsorgeuntersuchungen seltener wahr.Bis zu 60 % aller Erkrankungen weltweit sind lautWeltgesundheitsorganisation (WHO) umweltbedingt.In Deutschland nehmen Asthmaerkrankungenund Allergien deutlich zu. Berechnungen habenergeben, dass die Feinstaubbelastung zu einer Verkürzungder durchschnittlichen Lebensdauer vonrd. zehn Monaten führt. Die Zahl der Hautkrebserkrankungenhat sich in den vergangenen 20 Jahrenverdoppelt. Auch diese Belastungen sind ungleichverteilt. Eine besondere Rolle kommt in allen Bereichender Prävention zu.In einem globalen Kontext ist der Schutz vorInfektionskrankheiten und bestehenden wie neuenUmweltrisiken – etwa im Zuge des Klimawandels– besonders wichtig. Eine gesundheitsförderndeUmwelt sowie die Gewährleistung gesundheitlichunbedenklicher Lebensmittel sind sicherzustellen.2. Ziele einer nachhaltigen GesundheitspolitikFür eine nachhaltige Gesundheitspolitik gilt es,gesundheitliche Risiken zu minimieren, ein ganzheitlichesGesundheitsbewusstsein zu fördern undvorsorgende Gesundheitspolitik auf allen Ebenenund in allen Lebensbereichen umzusetzen. Einfunktionierendes Gesundheitswesen trägt mit dazubei, dass die Menschen länger gesund bleiben undimmer älter werden – das Versorgungssystem istdaher immer besser an die Bedürfnisse der älterwerdenden Bevölkerung anzupassen und seinelangfristige Finanzierbarkeit sicherzustellen. Damitdas Gesundheitssystem als Teil unseres Sozialsystemsauch in Zukunft zu gesellschaftlicher Stabilität undGerechtigkeit beitragen kann, muss darüber hinaussichergestellt werden, dass das System der Gesundheitsversorgungallen Bürgerinnen und Bürgern– unabhängig vom Einkommen – offen steht und dieFinanzierung solidarisch erfolgt.3. Reformmaßnahmen und PräventionDie von der Bundesregierung schon umgesetztenoder bereits eingeleiteten gesundheitspolitischenReformmaßnahmen stärken die Leistungsfähigkeitdes Gesundheitssystems und machen es für die Zukunftgerechter und sicherer. Mit Präventionsmaßnahmen,dem Aktionsplan „IN FORM – DeutschlandsInitiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“sowie der stetigen Verbesserung der Lebensmittelsicherheitwird wichtigen gesundheitlichenRisiken auch im Rahmen der Ernährungs- und Verbraucherpolitikbesser vorgebeugt. Das AktionsprogrammUmwelt und Gesundheit initiiert Aktivitäten,die darauf abzielen, umweltbedingte Risiken für dieGesundheit zu erkennen und Risikominderungsstrategienzu entwickeln (www.apug.de).a) Stärkung des Wettbewerbs in der GesetzlichenKrankenversicherungMit dem Gesetz <strong>zur</strong> Stärkung des Wettbewerbsin der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND159die Bundesregierung die Voraussetzungen für mehrWirtschaftlichkeit im deutschen Gesundheitssystemgeschaffen. Gleichzeitig wird der gleichberechtigteZugang für alle Bürgerinnen und Bürger zu einerhochwertigen medizinischen Versorgung gewährleistet.Die überwiegend am 1. April 2007 in Kraft getretenenRegelungen zeigen bereits Wirkung. Mehrals 130.000 Menschen, die bisher ohne Versicherungsschutzwaren, sind wieder in die Gesetzlicheoder Private Krankenversicherung aufgenommenworden. Wettbewerbliche Anreize für Leistungserbringerund Krankenversicherungen tragen zu mehrEffizienz bei und dienen dem Ziel sinkender Lohnnebenkostenund einer höheren Versorgungsqualität.Auch die finanzielle Stabilität und Nachhaltigkeitder GKV wurde bei gleichzeitiger Verbesserung desLeistungsumfangs gestärkt. Für die Finanzierunggesamtgesellschaftlicher Aufgaben der GKV wirdein Zuschuss aus allgemeinen Steuermitteln <strong>zur</strong>Verfügung gestellt, der bis 2016 jährlich anwächst.Die GKV erzielte 2007 einen Überschuss von1,76 Mrd. Euro. Bis spätestens zum Start des neuenGesundheitsfonds am 1. Januar 2009 müssen alleKassen schuldenfrei sein. Dies wird angesichts derpositiven Finanzentwicklung und der verpflichtendenUmsetzung der Entschuldungskonzepte für diewenigen noch verschuldeten Kassen auch gelingen.Die aktuell publizierten Daten der OECD bescheinigender deutschen Gesundheitspolitik, wie schon imvergangenen Jahr, eine erfolgreiche Kostendämpfungim inter<strong>nationalen</strong> Vergleich.b) Weiterentwicklung der PflegeversicherungMit dem Gesetz <strong>zur</strong> strukturellen Weiterentwicklungder Pflegeversicherung ( Pflege-Weiterentwicklungsgesetz)werden die Leistungen aus dieserVersicherung noch besser auf die Bedürfnisse derPflegebedürftigen und ihrer Angehörigen ausgerichtet.Die seit 1995 konstanten Leistungssätzefür die häusliche Pflege und die höchste Stufe derstationären Pflege sollen in drei Schritten angehobenwerden. Darüber hinaus sollen – dem Wunschvieler Pflegebedürftiger folgend – die häuslichenVersorgungsstrukturen gestärkt werden. Neben derAnhebung der Leistungsbeträge werden im Bereichder häuslichen Pflege ein Anspruch auf Pflegeberatungund – im Ermessen der Bundesländer – flächendeckendPflegestützpunkte geschaffen, umdie wohnortnahen Versorgungsstrukturen auf- undauszubauen. Das Gesetz enthält wichtige Maßnahmen<strong>zur</strong> Verbesserung der Qualität der Pflege und<strong>zur</strong> Transparenz und Vergleichbarkeit der erbrachtenLeistungen. Der Beitragssatz <strong>zur</strong> Pflegeversicherungwurde zum 1. Juli <strong>2008</strong> um 0,25 %-Punkte auf1,95 % angehoben. Mit dieser Anhebung können dieLeistungen der Pflegeversicherung auf der Basis desGesetzes voraussichtlich bis Anfang 2015 finanziertwerden. Modellrechnungen des Sachverständigenrats<strong>zur</strong> Begutachtung der gesamtwirtschaftlichenEntwicklung verdeutlichen außerdem, dass derBeitragssatz der sozialen Pflegeversicherung unterBerücksichtigung der mit der Pflegereform beabsichtigtenrechtlichen Änderungen auch bis 2050in einem verkraftbaren Rahmen bleiben kann. DerSachverständigenrat <strong>zur</strong> Begutachtung der gesamtwirtschaftlichenEntwicklung rechnet in seinemBasisszenario für 2050 mit 2,5 % Beitragssatz.c) PräventionUnter dem Aspekt des individuellen Wohlbefindens,aber auch unter dem Aspekt der finanziellenTragfähigkeit unseres Systems ist es besser, Krankheitengar nicht erst entstehen zu lassen. Wie hoch dasPotenzial an volkswirtschaftlichen Gewinnen durchgesundheitliche Prävention in allen Bereichen ist,verdeutlicht auch der auf 65 Mrd. Euro geschätzteVerlust an Bruttowertschöpfung durch krankheitsundunfallbedingte Fehltage von Arbeitnehmern(Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz undArbeitsmedizin, Februar <strong>2008</strong>). Gesundheitsförderungund Prävention sind gesellschaftliche Aufgaben,bei denen alle gefordert sind. Wir wollen einenstrukturellen Rahmen schaffen, in dem u. a. Maßnahmender Sozialversicherungsträger und Sozialversicherungszweigebesser koordiniert und qualitativaufgewertet werden.U. a. dank der Maßnahmen der Bundesregierungin der Tabakprävention sowie gesetzlicher Regelungen<strong>zur</strong> Reduzierung des Rauchens konnte die Raucherquotekontinuierlich gesenkt werden; sie liegtlaut Mikrozensus 2006 bei 27 % der Bevölkerung.Zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchenswurde als Maßnahme <strong>zur</strong> Verbesserung der Innenraumluftdas Rauchen in öffentlichen Einrichtungendes Bundes, in öffentlichen Verkehrsmitteln undPersonenbahnhöfen der Eisenbahnen grundsätzlichverboten. Jugendlichen darf das Rauchen in derÖffentlichkeit nicht gestattet und Tabakproduktedürfen ihnen nicht verkauft werden.Allerdings zeigt sich im Kinder-Umwelt-Survey,dass fast jedes zweite 3- bis 14-jährige Kind im Haushaltmit mindestens einer rauchenden Person lebt.Es sind daher weitere Anstrengungen notwendig,Kinder besser vor dem Passivrauchen zu schützen.Auf die Risiken überhöhten Alkoholkonsumskonnte bislang noch keine zufrieden stellende Antwortgefunden werden. So liegt der Alkoholkonsum


160 WEITERE POLITIKFELDERder Deutschen auf hohem Niveau und steigt geradebei jungen Menschen derzeit an.Die Prävention von Krankheiten, die durch einenungesunden Lebensstil verursacht werden, ist eineder größten Herausforderungen der kommendenJahrzehnte. Die Bundesregierung hat daher denNationalen Aktionsplan <strong>zur</strong> Prävention von Fehlernährung,Bewegungsmangel, Übergewicht unddamit zusammenhängenden Krankheiten mit einerLaufzeit bis 2020 erarbeitet. Um dem Anspruch einerGesamtstrategie für Deutschland gerecht zu werden,wurden dabei die Bundesländer, die kommunalenSpitzenverbände und die Zivilgesellschaft einbezogen.Der Aktionsplan wurde unter dem Titel „INFORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährungund mehr Bewegung“ am 25. Juni <strong>2008</strong> vomBundeskabinett verabschiedet.Ziel ist die Verbesserung des Bewegungs- undErnährungsverhaltens der Bevölkerung und dieSchaffung von Voraussetzungen dafür, dass Kindergesünder aufwachsen und Erwachsene gesünderleben. Der nationale Aktionsplan soll zu einer höherenLebensqualität und gesteigerten Leistungsfähigkeitder Menschen beitragen, verständlicheund alltagstaugliche Informationen für die gesamteBevölkerung anbieten und dauerhafte Strukturen<strong>zur</strong> Erleichterung eines gesunden Lebensstils inEigenverantwortung beitragen.Um dies zu erreichen, werden Akteure und konkreteMaßnahmen vernetzt, gute Projekte bekanntgemacht, die Transparenz gefördert und Empfehlungenzum Ernährungs- und Bewegungsverhaltenstandardisiert.Maßnahmen <strong>zur</strong> Verbesserung der Umweltbedingungenführen zu einem Rückgang vonUmweltschadstoffen und damit auch zu einemRückgang der Belastung des Menschen mit diesenSchadstoffen. So konnte z. B. durch das Verbot vonBlei im Kraftstoff ein Rückgang der Bleibelastungim Blut um 70 % in den letzten 20 Jahren und durchdas Verbot von Pentachlorphenol ein Rückgang von90 % ebenfalls im Blut im gleichen Zeitraum erreichtwerden. Auch die Belastung der Umwelt mit Dioxinenund Blei nimmt seit Jahren ab und ist inzwischensehr gering. In der Folge ist etwa die Dioxinbelastungvon Milch von 1987 bis 2006 um rd. 80 % vonca. 2,3 auf ca. 0,4 Pikogramm Dioxinäquivalente jeGramm Milchfett gesunken und liegt damit weitunter dem europaweit geltenden Grenzwert.Weitere Anstrengungen werden unternommen,um angesichts neu aufkommender Schadstoffedie Bevölkerung langfristig zu schützen. Hierzuträgt auch die neue EU-ChemikalienverordnungREACH bei. Im Verkehrssektor ist die Verringerungder Feinstaubbelastung und des Lärms von großerBedeutung.Bei der Verbesserung der Lebensmittelsicherheitsetzt die Bundesregierung folgende Schwerpunkte:Verbesserung der Lebensmittelkontrollen, Minimierengesundheitlich bedenklicher Stoffe in Lebensmittelnsowie Bekämpfung von auf den Menschenübertragbaren Tierkrankheiten. Wichtiger Bestandteildes gesundheitlichen Verbraucherschutzes istauch der im März 2007 gestartete Aktionsplan gegenAllergien. Allergien sollen <strong>zur</strong>ückgedrängt undder Alltag von Allergikern erleichtert werden. BeiLebensmitteln wird die Kennzeichnung von allergieauslösendenStoffen verbessert und bei Kosmetika,Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Tätowiermittelnder Einsatz allergener Stoffe vermindert. Durchbreit angelegte Informationsmaßnahmen werdenInteressierte besser über die Zusammenhänge beiallergischen Reaktionen aufgeklärt (Internetportalwww.aktionsplan-allergien.de) Außerdem treibt dieBundesregierung konsequent die Allergieforschungvoran.Durch diese und weitere Maßnahmen kann beider Reduzierung der sogenannten vermeidbarenSterbefälle eine sehr positive Entwicklung berichtetwerden, die auf eine hohe Qualität unseres Gesundheitssystemsschließen lässt. Als vermeidbareSterbefälle gelten alle Sterbefälle von Personen, diedas 65. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. DerenZahl ist seit 1990 kontinuierlich gesunken und hatsich zwischen den Frauen aus den neuen und denalten Ländern weitgehend angeglichen. Mit ihrenPräventionsprogrammen steht die Bundesregierungim Einklang mit den Zielen der Europäischen Unionund der Weltgesundheitsorganisation (WHO).Durch die Aufnahme der Indikatoren zum Rauchverhaltenund zum Übergewicht in die <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>wird den hier anstehenden HerausforderungenRechnung getragen und gleichzeitigden Empfehlungen des Parlamentarischen Beiratszum Indikatorenbericht 2006 des StatistischenBundesamtes gefolgt, sich stärker auf die Präventionaus<strong>zur</strong>ichten.V. Soziale Eingliederung, Demografieund MigrationDie Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzungist wichtiger Bestandteil der Politik derBundesregierung und der Länder. Bezugspunkt


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND161sozial gerechter Politik ist für die Bundesregierungdie Schaffung sozialer und ökonomischer Teilhabeund von Verwirklichungschancen für alle Mitgliederder Gesellschaft. Denn Armut und soziale Ausgrenzungschränken die Chancen der davon Betroffenenein, ihre individuellen Fähigkeiten zu entwickelnund ihre Lebensentwürfe zu realisieren, und begrenzenso ihre Teilhabe am sozialen und ökonomischenLeben der Gesellschaft. Armut und soziale Ausgrenzungstellen aber nicht nur individuelle Problemlagendar, sondern berühren den Zusammenhalt derGesellschaft gravierend.Zentrale Voraussetzungen für Teilhabe sind dabeiBildung und der Zugang zum Arbeitsmarkt. DieSicherung der sozialen Integration und Teilhabe allerBürger und Bürgerinnen erfordert die Erhaltung derWettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. DerIntegration von Migrantinnen und Migranten misstdie Bundesregierung besondere Bedeutung bei undstellt bereits jetzt erhebliche Ressourcen hierfür <strong>zur</strong>Verfügung. Schon bislang werden beispielsweise rd.155 Mio. Euro jährlich für Integrationskurse bereitgestelltund zahlreiche weitere Maßnahmen <strong>zur</strong> Integrationsförderungfinanziert. Im Folgeprozess zumNationalen Integrationsgipfel wurde ein NationalerIntegrationsplan erstellt, der u. a. noch weitergehendeSelbstverpflichtungen des Bundes enthält.Deutschland profitiert von den grundlegendenReformen der Sozialsysteme und der Stabilisierungder Lohnzusatzkosten und erlebt seit 2006 einenstarken wirtschaftlichen Aufschwung, der bei immermehr Menschen ankommt (vgl. auch Kapitel A.III.1.).Besonders deutlich werden die Erfolge auf demArbeitsmarkt. So sank die Zahl der Arbeitslosen seitDezember 2006 um 602.000 auf 3,4 Mio. im Dezember2007. Die Arbeitslosenquote liegt damit bei 8,1 %.Dabei wächst auch die Zahl der sozialversicherungspflichtigBeschäftigten seit 2006 erstmalig wiederseit dem Jahr 2000. So lag die Zahl der sozialversicherungspflichtigBeschäftigten im Dezember 2007 um588.000 höher als im Vorjahr (+2,2 %). Arbeitnehmerund Arbeitgeber werden durch die Absenkung desBeitragssatzes <strong>zur</strong> Arbeitslosenversicherung von4,2 % auf 3,3 % zum Jahresbeginn finanziell weiterentlastet. Der Zuwachs bei den ausschließlichgeringfügig Beschäftigten ist mit einem Anstiegvon 0,3 % von Dezember 2006 bis Dezember 2007hingegen gering.Alle Gruppen profitieren vom Aufschwung amArbeitsmarkt. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen sankim Dezember 2007 im Vergleich zum Vorjahresmonatum 384.000 (-24,6 %). Die Zahl der älteren Arbeitslosenvon 50 bis 64 Jahren war im Dezember 2007 mit875.000 um 192.000 (-18,0 %) niedriger als vor einemJahr. Die Zahl der arbeitslos gemeldeten Ausländerbetrug im Dezember 2007 518.000 und lag damit um12,8 % (- 76.000) unter dem Vorjahreswert.Auch bei der Beschäftigung junger Menschenkommen wir voran. Kein Jugendlicher soll länger alsdrei Monate arbeitslos sein. Dieses politische Ziel istehrgeiziger als die einschlägige beschäftigungspolitischeLeitlinie der EU (spätestens nach sechs MonatenArbeitslosigkeit ein Angebot für Jugendliche). ImVordergrund steht der mit der Wirtschaft um dreiJahre bis 2010 verlängerte Ausbildungspakt mit dembisherigen Sonderprogramm der Bundesregierung<strong>zur</strong> Förderung von Einstiegsqualifizierungen Jugendlicher(EQJ), das im Herbst 2007 als gesetzliche Arbeitgeberleistungins Dritte Buch Sozialgesetzbuchüberführt worden ist. Die Wirtschaft hat ihre bisherigenZusagen stark ausgeweitet. Die Jugendarbeitslosigkeitgeht kontinuierlich <strong>zur</strong>ück und liegt um überein Viertel niedriger als im Vorjahr (341.000 jugendlicheArbeitslose im Dezember 2007). Mit dem Ausbildungsbonuswerden bis 2010 rd. 100.000 zusätzlicheAusbildungsplätze für Altbewerber geschaffen.Erfreulich ist, dass im Dezember 2007 die Zahlarbeitsloser schwerbehinderter Menschen im Vergleichzum Vorjahr um 11,9 % <strong>zur</strong>ückgegangen undauch bei der Zahl arbeitsloser schwerbehinderterFrauen inzwischen ein deutlicher Rückgang zu verzeichnenist (-11,3 %). Der Rückgang bei schwerbehindertenMenschen liegt damit zwar weiterhin unterdem Rückgang der allgemeinen Arbeitslosigkeit,nähert sich diesem jedoch an. Dies macht deutlich,dass Informationen, insbesondere für Arbeitgeber,über die rechtlichen Rahmenbedingungen für Ausbildungund Beschäftigung behinderter Menschensowie die Darstellung von Beispielen gelungenerUmsetzung einer Integration dieser Personen in dasArbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarktnotwendig sind, wenn die Zielvorgabe einer chancengleichenTeilhabe erreicht werden soll. Dem Bedarfan Information und beispielhafter Darstellungwird durch die Initiative „job – Jobs ohne Barrieren“(Initiative für Ausbildung und Beschäftigung behinderterMenschen sowie betriebliche Prävention)Rechnung getragen, die bis 2010 durchgeführt wird.Der demografische Wandel stellt Politik undGesellschaft vor große Herausforderungen. Wennkünftig in Deutschland weniger Menschen leben,die im Durchschnitt deutlich älter sein werden alsheute, wird dies die wirtschaftliche und soziale Lagein unserem Land zunehmend prägen (dazu mehr imKapitel C.III.).


162 WEITERE POLITIKFELDERDie Bundesregierung hat bereits vielfältigeMaßnahmen ergriffen, um die mit dem demografischenWandel verbundenen Herausforderungenzu bewältigen. Insbesondere bei der Steigerung derErwerbsbeteiligung Älterer und – damit zusammenhängend– bei der langfristigen Tragfähigkeit deröffentlichen Finanzen wurden bedeutende Verbesserungenerreicht.Viele Unternehmen beschäftigen keine Personen,die älter als 50 Jahre sind. Wenn wir unserenwirtschaftlichen Wohlstand in einer alterndenGesellschaft sichern wollen, muss die ErwerbsbeteiligungÄlterer weiter erhöht werden. Die Erwerbstätigenquoteälterer Arbeitnehmer über 55 Jahreist von 37,9 % in 2001 auf 51,5 % in 2007 gestiegen(Zahlenangaben nach Eurostat). Die EU-Zielvorgabefür 2010 (Anstieg der Quote auf 50 %) wird bereitsjetzt übertroffen. Damit sich dieser positive Trendfortsetzt, hat die Bundesregierung mit der „Initiative50 plus“ ein Bündel an Maßnahmen <strong>zur</strong> weiterenVerbesserung der Beschäftigungschancen Ältererauf den Weg gebracht. Die Beschäftigung ältererArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer soll damitweiter erhöht und das vorzeitige Ausscheiden der55-Jährigen und Älteren aus dem Berufsleben weiterreduziert werden. Ältere Arbeitslose sollen besser alsbisher wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden.Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmersollen sich deutlich stärker als bisher an beruflicherWeiterbildung beteiligen.Die Beschäftigungsquote der Frauen soll nach derEU-Zielvorgabe bis 2010 bei 60 % liegen. Auch dieses Zielwurde bereits erreicht. Die Frauenerwerbstätigenquotelag im Jahresdurchschnitt 2007 bereits bei 64,0 %.Die Bundesregierung hat für den Nachhaltigkeitsindikator„Erwerbstätigenquoten“ neue Zielefestgelegt. Die allgemeine Erwerbstätigenquote(15 – 64 Jahre) soll bis zum Jahr 2010 auf 73 % und biszum Jahr 2020 auf 75 % steigen. Bei den älteren Arbeitnehmernwird bis zum Jahr 2010 eine Erwerbstätigenquotevon 55 % und bis zum Jahr 2020 von57 % angestrebt.VI. Globale Herausforderungen in Bezug aufArmut und nachhaltige Entwicklung1. Ausgangslage und ProblemstellungenIn einer interdependenten Welt sind Problemewie Armut und die Gefährdung der natürlichenLebensgrundlagen Kernherausforderungen auf demWeg zu einer weltweit nachhaltigen Entwicklung.Insbesondere der Klimawandel und seine bereitsheute spürbaren Auswirkungen – Dürren, Sturmkatastrophen,Überflutungen – machen deutlich,welche unmittelbaren negativen Folgen die fortschreitendeUmweltzerstörung gerade für die Entwicklungschancender ärmsten Länder hat.Mit welchen Maßnahmen die Bundesregierungauf die aktuell bestehende Krise bei der Welternährungantworten will, wurde bereits oben in KapitelC.IV. dargestellt.Die Bundesregierung bekennt sich ausdrücklich<strong>zur</strong> Übernahme globaler Verantwortung als unabdingbareVoraussetzung <strong>zur</strong> Umsetzung des Leitbildesder nachhaltigen Entwicklung. Die Millenniumserklärungder Vereinten Nationen und die darausabgeleiteten Millenniums-Entwicklungsziele (u. a.Halbierung der extremen Armut bis 2015) sowie dieBeschlüsse des Erdgipfels von Rio 1992 und der Aktionsplandes Weltgipfels für nachhaltige Entwicklungvon Johannesburg 2002 bilden die Grundlagen fürdas deutsche Engagement. Unter Berücksichtigungder zehnten Managementregel der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>zu globalem nachhaltigen Handeln(vgl. Anhang, S.206) ist Schwerpunkt hierbei dieGestaltung struktureller Voraussetzungen, die denSchutz und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen,die nachhaltige Gestaltung des Welthandelssowie nachhaltiges, breitenwirksames wirtschaftlichesWachstum und Investitionen ermöglichen.2. Die Millenniums-Entwicklungsziele alsOrientierungsrahmen und MesslatteDie Halbzeitbilanz auf dem Weg <strong>zur</strong> Erreichungder Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) zeigt,dass viele Länder wichtige Fortschritte gemacht haben.1990 lebte noch ein knappes Drittel der Menschheitin extremer Armut. Heute ist es ein knappesFünftel – zum ersten Mal weniger als eine MilliardeMenschen. Grundbildung für alle erscheint heute alserreichbares Ziel. Verbesserungen gab es auch beider Verringerung der Säuglingssterblichkeit sowiebei der Wasserversorgung.Die Fortschritte sind noch un<strong>zur</strong>eichend undregional sehr ungleich verteilt. Chancenungleichheit,Armut und Umweltprobleme bestehen selbstin Gebieten mit hohem Wirtschaftswachstum fort.Die größten Defizite in allen Zieldimensionen sind inSubsahara-Afrika absehbar. In den meisten – selbstbesonders erfolgreichen – Regionen (z. B. Ostasien)stehen Fortschritte in einzelnen Bereichen großen Herausforderungenin anderen gegenüber (z. B. erfolg-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND163reiche Armutsbekämpfung gegenüber Problemenin der Gesundheitsversorgung und beim Umweltschutz).Fragile Staaten laufen am stärksten Gefahr,die Ziele nicht zu erreichen (z. B. leben 37 % der 72 Mio.Kinder, die nicht <strong>zur</strong> Schule gehen, in den drei von derOECD als fragile Staaten bezeichneten Ländern).Besondere verbleibende Herausforderungen:• MDG 1: Die Bekämpfung von Unterernährung bei Kindernunter fünf Jahren macht ungenügende Fortschritte, vor allemin Südasien und Afrika südlich der Sahara, wo nahezu dieHälfte bzw. fast ein Drittel der Kinder in dieser Altersgruppeunterernährt sind.• MDG 3: Bis 2005 hatten nur 63 % der 188 Länder mit verfügbarenDaten ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnisin der Grundschulbildung erzielt; in der Sekundarstufewaren es nur 37 % der Länder und in der Hochschulbildungweniger als 3 %. Weltweit nahm der Anteil der Frauen an dennichtselbständigen Erwerbstätigen im Nicht-Agrarsektorum 3 %-Punkte nur leicht zu und der Sitzanteil der Frauen in<strong>nationalen</strong> Parlamenten nahm weltweit seit 1990 um4 %-Punkte zu und liegt heute weltweit bei 17 %.• MDG 5: Jährlich sterben noch über eine halbe Mio. Frauenan Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen sowiean nicht fachgerecht durchgeführten Abtreibungen. Globalsank zwischen 1990 und 2005 die Müttersterblichkeitsrateum 2,5 %. Zielvorgabe ist Reduzierung um drei Viertel. DieAbweichungen vom MDG-Zielkorridor sind am größten inLändern Afrikas südlich der Sahara, Süd- und Zentralasienund Ozeanien.• MDG 6: 2007 steckten sich weltweit etwa 2,5 Mio. Menschenneu mit dem HI-Virus an. Insgesamt waren etwa 33,2 Mio.Kinder und Erwachsene mit HIV infiziert, 68 % davon in Afrikasüdlich der Sahara. In einigen Ländern Afrikas südlich derSahara sowie in Ostasien und Osteuropa steigen die Infektionsratenbei HIV/Aids weiter an.• MDG 7: Starke Defizite bei der Sanitärversorgung (most offtrack MDG) und sauberem Trinkwasser behindern die Erreichunganderer MDGs. Trotz Fortschritten in einigen Regionenhaben weiterhin 2,6 Mrd. Menschen keine ausreichendeSanitärversorgung und 1,1 Mrd. Menschen keinen Zugang zusauberem Trinkwasser.• MDG 8: <strong>2008</strong> war die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichendreimal so hoch wie unter Erwachsenen. In den meistenEntwicklungsländern hat die Arbeitslosenquote unter Jugendlichenin den letzten zehn Jahren entweder zugenommenoder stagniert. Der zentralen Bedeutung produktiverVollbeschäftigung und menschenwürdiger Arbeit für alleinklusive der Frauen und jungen Menschen wird mit deroffiziell mit Wirkung vom 15. Januar <strong>2008</strong> u. a. um ein entsprechendesZiel (Target 1.B) erweiterten offiziellen Liste derMDG- Indikatoren Rechnung getragen.• Der globale Klimawandel ist eine wissenschaftlich akzeptierteRealität. Seine Auswirkungen werden die Entwicklungsländerbesonders stark treffen und u. a. die Erreichung derMDGs wie die bisherigen Fortschritte gefährden.Die Bundesregierung orientiert ihr entwicklungspolitischesEngagement an diesen Herausforderungen.Sie setzt sich zudem besonders dafür ein,den Spielraum für die Entwicklungsfinanzierung zuerweitern und die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeitzu erhöhen.Für die deutsche Entwicklungspolitik sind dieMillenniumserklärung und MDGs Orientierungsrahmenund Messlatte. Die Bundesregierung konkretisiertauf der Grundlage ihres Aktionsprogramms2015 laufend die aus diesem Handlungsrahmen erwachsendenAufgaben. Ihr entwicklungspolitischerSchwerpunkt liegt weiterhin auf der Verbesserungder Lebenssituation armer Menschen in Entwicklungsländern.Vor diesem Hintergrund spielten Entwicklungsthemenauch eine wichtige Rolle während derdeutschen G8-Präsidentschaft 2007. Die Staaten derG8 haben während des G8-Gipfels in Heiligendammbeschlossen, 60 Mrd. US-Dollar <strong>zur</strong> Bekämpfungvon HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose sowie <strong>zur</strong>Stärkung der Gesundheitssysteme bereitzustellenund Gender-Aspekte stärker zu berücksichtigen.Deutschland trägt 4 Mrd. Euro bis 2015 bei. Insbesonderesoll der Globale Fonds <strong>zur</strong> Bekämpfungvon AIDS, Malaria und Tuberkulose (GF) finanziellunterstützt werden; ein wichtiger Schritt dazu wardie erfolgreiche Wiederauffüllungskonferenz EndeSeptember 2007 in Berlin. Die G8-Staaten wollenzudem dazu beitragen, die Gesundheitssysteme undihre gerechte Finanzierung zu stärken sowie bi- undmultilaterale Partnerschaften <strong>zur</strong> Gesundheitsvorsorgebesser zu koordinieren.Unter deutscher Präsidentschaft sind die EU-Ratsschlussfolgerungen„Gleichstellung und Teilhabe –die Rolle der Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit“verabschiedet worden. Sie unterstreichendie zentrale Bedeutung, die die Gleichstellung derGeschlechter und die Durchsetzung der Menschenrechtevon Frauen und Mädchen für die Erreichunginternational vereinbarter Entwicklungsziele sowieeine global nachhaltige Entwicklung haben. Dieswird auch durch die überarbeitete Liste der MDG-Indikatoren deutlich, die dazu auffordert, alle Indikatoreneiner nach Geschlechtern differenziertenBetrachtung und Berichterstattung zu unterziehen.Mit den im Juni <strong>2008</strong> verabschiedeten EU-Ratsschlussfolgerungen„Die EU als globaler Partner fürEntwicklung: die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele schneller vorantreiben“ undder darauf aufbauenden EU-Aktionsagenda habendie europäischen Mitgliedstaaten und somit auchDeutschland sich daher zu einem gestärkten Engagementund konkreten Maßnahmen zum Abbau geschlechtsspezifischerBenachteiligungen von Frauenund <strong>zur</strong> Förderung der tatsächlichen Gleichberechtigungvon Frauen und Männern verpflichtet.


164 WEITERE POLITIKFELDER3. KrisenpräventionGewaltsam ausgetragene Konflikte machenhäufig die Entwicklungsanstrengungen von Jahrzehntenzunichte. Zwischen Armut, Menschenrechtsverletzungenund gewaltsamen Konfliktenbesteht häufig eine enge Verbindung. Ursachen vonKonflikten reichen von wirtschaftlicher und sozialerUngleichheit oder fehlender Rechtsstaatlichkeit bishin <strong>zur</strong> zunehmenden Konkurrenz um knapper werdendenatürliche Ressourcen. Daher ist Krisenpräventionsowie die Verwirklichung aller Menschenrechteund menschenrechtlichen Prinzipien, u. a.durch die Förderung von guter Regierungsführung,ebenfalls ein entscheidendes Handlungsfeld einerglobalen Nachhaltigkeitspolitik.Um Frieden und Entwicklung zu fördern, setztdie Bundesregierung auf ein kohärentes Zusammenwirkenvon Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik.Es bleibt Ziel der Bundesregierung, diestrukturellen Ursachen von Konflikten in Entwicklungsländernzu reduzieren und eine Kriseneskalationfrühzeitig zu verhindern. Hierfür nutzt die entwicklungspolitischeZusammenarbeit erfolgreichverschiedene Instrumente wie z. B. Dialogprogrammeim Rahmen des zivilen Friedensdienstes.Durch den Klimawandel werden Umweltkrisenund Landnutzungskonflikte verschärft. Ein Beispielhierfür sind Auseinandersetzungen um knapperwerdende Wasserressourcen oder fruchtbare Böden.Auch mit Blick auf Krisenprävention ist die Unterstützungder Entwicklungsländer bei der Anpassungan den Klimawandel (siehe unten) zentral.4. Entwicklungsfinanzierung und entwicklungspolitischerDialogDer Konsens von Monterrey (2002) hat die gemeinsameVerantwortung und die gegenseitigenPflichten von Industrie- und Entwicklungsländern<strong>zur</strong> Erreichung der in der Millenniumserklärung verabschiedetenZiele betont. Als erste Quelle der Entwicklungsfinanzierungnennt er die Mobilisierungvon Eigenmitteln in den Ländern des Südens. Nebenstrukturellen Veränderungen, u. a. in den BereichenHandel und Auslandsinvestitionen, werden dieIndustriestaaten aufgefordert, ihre Entwicklungsausgaben(ODA – Official Development Assistance)bis 2015 auf 0,7 % des Bruttonationaleinkommenszu steigern. Deutschland hat im Jahre 2007 0,37 %erreicht und damit die Zusage des Europäischen Ratsvon Barcelona von 2002, bis 2006 eine Quote von0,33 % zu erreichen, übertroffen (vgl. hierzu Indikator20 in Kapitel B.II.). Gemäß dem vereinbarten„EU-Stufenplan“ gilt es nun für die EU-Mitgliedstaaten,bis 2010 gemeinsam eine Quote von 0,56 % zuerreichen. Deutschland hat sich dabei verpflichtet,0,51 % bis 2010 zu erzielen. Die Bundesregierungsetzt hierzu neben Haushaltsmitteln und Schuldenerlasseninnovative Finanzierungsinstrumente ein.So werden in <strong>2008</strong> Erlöse aus der Versteigerung vonEmissionszertifikaten für internationale klimarelevanteProjekte eingesetzt. In den Jahren <strong>2008</strong>–2011ist eine Aufstockung der Haushaltsmittel für diedeutsche Entwicklungszusammenarbeit um3 Mrd. Euro geplant (750 Mio. Euro pro Jahr). DerHaushaltsentwurf 2009 sieht darüber hinaus eineweitere Steigerung in Höhe von 800 Mio. Euro proJahr für den Zeitraum 2009–2012 vor.Weiterhin konnten zwei weltweite Entschuldungsinitiativenin den letzten Jahren bereits dazubeitragen, den finanziellen Spielraum der Entwicklungsländerfür nachhaltige Entwicklung zu schaffenbzw. zu vergrößern. Deutschland hat im Rahmender HIPC-Initiative (Erweiterte Heavily IndebtedPoor Countries-Initiative) bis Ende 2007 Schulden inHöhe von 4,5 Mrd. Euro erlassen, insgesamt könntenes bis zu 7 Mrd. Euro werden. Dazu kommt noch derErlass multilateraler Schulden. Hieran beteiligt sichDeutschland mit knapp 3,5 Mrd. Euro. Ebenso wurdemit der Initiative DEBT2HEALTH ein neues Instrumentgeschaffen, durch das Schulden in Investitionenim Gesundheitsbereich umgewandelt werden.Die Bundesregierung hat schließlich ihren Dialogmit großen Schwellenländern bzw. neuen Gebernausgebaut. Mit den sogenannten Ankerländernerfolgt im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeiteine intensive Kooperation, insbesondere inden Themenfeldern Umweltschutz und nachhaltigeWirtschaftsentwicklung. Auch die Beschlüsse desG8-Gipfels 2007 in Heiligendamm setzen hier an: ImHeiligendammprozess wollen die G8-Staaten überzwei Jahre mit China, Indien, Brasilien, Mexiko undSüdafrika eine neue Form des institutionalisiertenund vertieften Dialogs über zentrale Fragen derWeltwirtschaft wie Investitionen, soziale Gestaltungder Globalisierung, Innovationen und Energieeffizienz<strong>zur</strong> Senkung der CO 2- Emissionen führen.Weiteres wichtiges Thema in diesem Kontext ist dieEntwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit,insbesondere in Afrika.Ergänzend <strong>zur</strong> inhaltlichen Ausrichtung derEntwicklungszusammenarbeit an der Millenniumserklärungund den Millenniumszielen und derWeiterentwicklung der dafür notwendigen Finanzierungsmöglichkeitenpasst die Bundesregierung


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND165laufend ihr entwicklungspolitisches Instrumentariuman die Erfordernisse der neuen globalen Partnerschaftan. Die Gebergemeinschaft hat in Paris 2005(Erklärung über die Wirksamkeit in der Entwicklungszusammenarbeit)folgende wichtige Ansatzpunktevereinbart: die konsequente Ableitung vonFördermaßnahmen aus <strong>nationalen</strong> Entwicklungsstrategiender Partnerländer, die Koordination,Harmonisierung sowie Arbeitsteilung mit anderenGebern, die Konzentration auf eine geringere Anzahlan Partnerländern und die Ausrichtung aller Maßnahmenan den angestrebten Wirkungen.Um eine global nachhaltige Entwicklung zuerreichen, baut die Bundesregierung zudem aufdie enge Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.Nicht-staatliche Akteure, insbesondere Nichtregierungsorganisationen,sowohl in den Partnerländernals auch in den Geberländern, verfügen häufig übereinen unmittelbareren Zugang zu den Zielgruppenin Entwicklungsländern. Diese Basisnähe und dievielfältigen Erfahrungen zivilgesellschaftlicherAkteure machen sie zu wichtigen Partnern, welchedie staatliche Entwicklungspolitik und -zusammenarbeitder Bundesregierung ergänzen.5. Schutz und nachhaltige Nutzung natürlicherRessourcenDie nach den Ergebnissen des Millennium EcosystemAssessment global fortschreitende Zerstörungnatürlicher Ressourcen gefährdet – zunehmendauch durch die Wirkungen des Klimawandels –insbesondere die Lebensgrundlagen der Armen inEntwicklungsländern. Der Verlust ökosystemarerLeistungen stellt das Erreichen der MDGs infrage.Vor diesem Hintergrund ist die Berücksichtigung derzweiten Managementregel der Nationalen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>zu erneuerbaren und nichterneuerbarenNaturgütern (vgl. Anhang, S. 206) von elementarerBedeutung.Zentrale Herausforderung für die Entwicklungspolitikbleibt die Vernetzung und Integration vonEntwicklung und Umweltaspekten. Die Forderungnach einem schonenden Umgang mit natürlichenRessourcen sowie die Unterstützung der Entwicklungs-und Schwellenländer bei der Minderung vonTreibhausgasemissionen wie auch bei der Anpassungan die negativen Auswirkungen des Klimawandelssind daher wesentliche Elemente einer globalorientierten Nachhaltigkeitspolitik, die zugleich denAspekt der Armutsreduzierung berücksichtigt.WälderWälder haben weltweit eine zentrale ökologischeAusgleichsfunktion, insbesondere als Speicher vonKohlenstoff und als wichtiger Regelmechanismusim Wasserkreislauf. Darüber hinaus stellen sie mitihren vielfältigen Ressourcen in vielen Ländernauch einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar.Die Unterstützung unserer Partnerländer beimSchutz und der nachhaltigen Bewirtschaftung vonWäldern ist daher von zentraler Bedeutung; siedient zugleich der Sicherung der Lebensgrundlageinsbesondere der in Wäldern lebenden (indigenen)Bevölkerung. Die 2007 während der deutschenEU-Ratspräsidentschaft ausgehandelte und von derGeneralversammlung der Vereinten Nationen verabschiedeteinternationale Waldübereinkunft setzt fürdie internationale Zusammenarbeit bei der nachhaltigenWaldbewirtschaftung erstmals einen – freiwilligen– Rahmen, den es künftig aktiv zu nutzengilt. Prioritäten des deutschen Engagements in denPartnerländern sind insbesondere die Bekämpfungdes illegalen Holzeinschlags und Handels mit illegaleingeschlagenem Holz. Deutschland unterstützt darüberhinaus die Entwicklung neuer Initiativen undFinanzierungsinstrumente zum Schutz des Waldesals Element einer Vermeidungs- und Anpassungsstrategiean den Klimawandel. Dafür steht u. a.die sogenannte Forest Carbon Partnership Facility(FCPF). Diese Initiative wurde auf der Klimakonferenzim Dezember 2007 auf Bali ins Leben gerufen.Ziel ist es, pilothaft Ansätze zu testen, die finanzielleAnreize für die Entwicklungsländer schaffen, wennsie ihre Wälder langfristig schützen und damit <strong>zur</strong>Reduzierung von Treibhausgasemissionen aus derWaldzerstörung beitragen.Biologische VielfaltDer Verlust an biologischer Vielfalt (vgl. auch KapitelD.III.2.) trifft insbesondere die (extrem) Armen inihren existentiellen Lebensgrundlagen. Gerade dieseMenschen sind auf natürliche Ressourcen angewiesen:für ihre Versorgung mit Trinkwasser, Nahrung,Medizin, Brennholz <strong>zur</strong> Energieerzeugung, die Erhaltungfruchtbarer Böden sowie als Einkommensquelle.Insbesondere weist die Biodiversität ein hohes Potenzialfür die Ernährungssicherung einer zunehmendenWeltbevölkerung (vgl. hierzu auch oben Kapitel C.IV.)auf. Der vom Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung2002 in Johannesburg durch die Staats- und Regierungschefsgefasste Beschluss, bis zum Jahr 2010 dendurch Menschen verursachten Verlust an Biodiversitätweltweit deutlich zu verlangsamen, ist damit einwichtiger Schritt auch im Hinblick auf die Erreichung


166 WEITERE POLITIKFELDERder MDG. Die Bundesregierung unterstützt daherEntwicklungsländer bei der Entwicklung und Umsetzungnachhaltiger Schutz- und Nutzungskonzeptefür ihre natürlichen Ressourcen. Es gilt, Schutz- undNutzungsinteressen besser in Einklang zu bringen,d. h. gleichzeitig den Biodiversitätserhalt und einenachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklungsicherzustellen. Hierfür hat die Bundesregierunganlässlich der 9. Konferenz der Vertragsstaaten derBiodiversitätskonvention die Bereitstellung zusätzlicherMittel angekündigt (zusätzlich 500 Mio. Euro indem Zeitraum 2009–2012 und ab 2013 500 Mio. Eurojährlich). Schutzgebietsmanagement, Zugang zugenetischen Ressourcen und gerechter Vorteilsausgleich,traditionelles Wissen, nachhaltige Nutzungder biologischen Vielfalt, biologische Sicherheit unddie Wechselwirkung zwischen Biodiversität undKlimawandel sind zentrale Handlungsbereiche imRahmen einer globalen Nachhaltigkeitspolitik. DieBundesregierung unterstützt das international vereinbarteZiel, bis zum Jahr 2010 ein globales Schutzgebietsnetzwerkzu etablieren. Zudem beteiligt sie sichintensiv an den Verhandlungen <strong>zur</strong> Schaffung einesinter<strong>nationalen</strong> Regimes <strong>zur</strong> gerechten Verteilungder aus der Nutzung genetischer Ressourcen entstehendenVorteile. Dieses soll 2010 verabschiedet werdenund einen wichtigen Beitrag <strong>zur</strong> Inwertsetzungvon Biodiversität, <strong>zur</strong> Verhinderung von Biopiraterieund <strong>zur</strong> Armutsbekämpfung leisten. Gleichermaßenunterstützt die Bundesregierung den Schutz derweltweiten Waldressourcen und deren nachhaltigeNutzung.WasserWasser ist durch seine direkten Wirkungen inverschiedenen Sektoren wie Gesundheit, Ernährung,Bildung, Umwelt etc. ein echtes Querschnittsthemaund hat eine Schlüsselrolle für nachhaltige Entwicklung.Gleichzeitig ist Wasserknappheit in vielenRegionen der Welt zu einem wachsenden Problemgeworden. Ursachen sind häufig un<strong>zur</strong>eichendepolitische Reaktionen auf hohes Bevölkerungswachstum,eine rasche Verstädterung, industrielleEntwicklung und die damit einhergehende Umweltverschmutzungsowie der Ausbau der Bewässerungslandwirtschaft.Dies hat häufig verheerende Folgen für Bödenund Wasserressourcen durch kontinuierliche Übernutzungund Verschmutzung und kann mittelfristigKonflikte zwischen verschiedenen Wassernutzergruppen,aber auch zwischen Staaten nach sich ziehen.Zusätzlich führen in manchen Regionen die Auswirkungendes Klimawandels zu außergewöhnlichenDürreperioden und Überschwemmungen, was denDruck auf die verfügbaren Wasserressourcen nocherhöht.1,1 Mrd. Menschen – ein Viertel der Weltbevölkerung– haben weiterhin keinen sicheren Zugangzu sauberem Trinkwasser. 2,6 Mrd. Menschen lebenheute ohne sanitäre Grundversorgung. Während aufglobaler Ebene die MDG-Zielvorgabe <strong>zur</strong> Trinkwasserversorgung(Halbierung des Anteils der Menschenohne Zugang bis 2015) vermutlich erreichtwerden kann (vor allem aufgrund der Fortschrittein Indien und China), ist das bei der Sanitärversorgungunwahrscheinlich. Aus diesem Grund habendie Vereinten Nationen das Internationale Jahr derSanitärversorgung <strong>2008</strong> ausgerufen. Die Bundesregierunghat dies explizit unterstützt und beteiligtsich intensiv an der Umsetzung der mit der Initiativeverbundenen Ziele. Zudem werden Maßnahmender deutschen Entwicklungszusammenarbeit imBereich Sanitärversorgung verstärkt.Deutschland ist ein wichtiger Akteur in der globalenWasserpolitik und zählt zu den drei größtenbilateralen Gebern weltweit mit einem jährlichenFördervolumen von rd. 350 Mio. Euro.KlimaMenschen in den Entwicklungsländern habenmeist nur wenig Möglichkeiten, sich ausreichendgegen Überschwemmungen, Dürren oder Sturmkatastrophenzu schützen. Bereits bestehende Umweltkrisen– wie etwa Wasserknappheit – werden durchden Klimawandel weiter verschärft; es kommt zuLandnutzungskonflikten und Migrationsbewegungen.Vor diesem Hintergrund muss in Zukunft diesystematische Vernetzung von Klimaschutzmaßnahmen(vgl. Kapitel C.I.) und Entwicklungspolitik nochweiter ausgebaut werden.Die deutsche Entwicklungspolitik wird ihre Maßnahmen<strong>zur</strong> Unterstützung der Entwicklungsländerim Hinblick auf den Klimawandel ausweiten undbündeln. Im Rahmen des Aktionsprogramms „Klimaund Entwicklung“ belaufen sich die Ausgaben derBundesregierung für Klimaschutzmaßnahmen inEntwicklungsländern <strong>2008</strong> auf rd. 900 Mio. Euro.Zusammen mit den Erlösen aus dem Verkauf vonEmissionsrechten umfasst das deutsche Engagementbei der Minderung von Treibhausgasemissionen undbei der Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern<strong>2008</strong> über 1 Mrd. Euro.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND167Erfolgreiche Armutsbekämpfung und wirtschaftlicheEntwicklung ziehen eine Zunahme desEnergieverbrauchs in den Entwicklungsländernnach sich. Damit dieser Energiebedarf so nachhaltigwie möglich gedeckt wird, kommt dem Einsatzvon erneuerbaren Energien eine zentrale Rolle zu.Die Bundesregierung ist ein wichtiger Partner beimEinsatz erneuerbarer Energien, z. B. von Windkraftin Kolumbien, Solarherden in Afrika oder dezentralenkleinen Wasserkraftwerken in Nepal, Indonesienund China. Durch einen Beitrag in Höhe von 25 Mio.Euro in 2007 zum Fonds für die am wenigsten entwickeltenLänder (Least Developed Countries Fund)werden diese zudem bei der Anpassung an denKlimawandel unterstützt.Beispiele für Maßnahmen mit Partnerländernim Klimabereich:Indien: Unterstützung eines Programms der indischen Regierung<strong>zur</strong> Effizienzverbesserung der StromversorgungIndonesien: Vorbereitung einer deutsch-indonesischen Kooperationzum Schutz der tropischen Wälder als Maßnahme<strong>zur</strong> KohlenstoffbindungBrasilien: Unterstützung von Kommunen und Betrieben beider Einführung eines effizienteren Energie- und UmweltmanagementsPazifik: Beratung bei der Anpassung an den Klimawandel im„Sekretariat für die pazifischen Inselstaaten“ in Suva, Fidschi6. Nachhaltige Gestaltung des WelthandelsEine stärkere Integration der Entwicklungsländerin den Welthandel sowie die Beachtung ökologischerund sozialer Leitplanken bei der Gestaltungdes inter<strong>nationalen</strong> Handelssystems sind zentraleAspekte einer global nachhaltigen Entwicklung undKernelemente des Umsetzungsplans von Johannesburg2002 (vgl. hierzu auch den Nachhaltigkeitsindikator„Märkte öffnen – Handelschancen der Entwicklungsländerverbessern“). In diesen Zieldimensionensind unterschiedliche Fortschritte zu verzeichnen.Die derzeitige Doha-Entwicklungsrunde derWelthandelsorganisation ( WTO) hat explizit zumZiel, die Integration der Entwicklungsländer indas multilaterale Handelssystem voranzubringen;bedauerlicherweise konnte die Verhandlungsrundenoch nicht erfolgreich zu Ende geführt werden.Einige Zwischenerfolge, die unter dem Vorbehalteiner Gesamteinigung stehen, konnten auf derMinisterkonferenz 2005 in Hongkong unter deutscherBeteiligung erreicht werden. Es wurde u. a. einEntwicklungspaket vereinbart, das einen wichtigenBeitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leistenkann. Agrarexportsubventionen sollen generell bisEnde 2013 abgeschafft werden und die am wenigstenentwickelten Länder sollen freien Marktzugang inalle Industrie- und Schwellenländer erhalten. Diesomit weiter entzerrten Weltmärkte können wesentlichzu nachhaltiger Entwicklung der ärmerenLänder beitragen.Offene Märkte, faire Handelsbedingungen undein multilaterales Handelssystem sind wichtigeVoraussetzungen dafür, dass Entwicklungsländerdie neu erwachsenden Chancen der wirtschaftlichenGlobalisierung nutzen können – die Erfahrung hatjedoch gezeigt, dass sie bei weitem nicht ausreichen.Deswegen haben die Industrieländer weiterhin zugesagt,ihre handelsbezogene Entwicklungszusammenarbeit(Aid for Trade) bis 2010 auf 4 Mrd. US-Dollarzu steigern. Allein die EU und die Mitgliedstaatenwerden ab dem Jahr 2010 gemeinsam 2 Mrd. Eurojährlich hierfür aufbringen. Unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft hat die EU eine Umsetzungsstrategiefür diese Verpflichtung entwickelt, die imOktober 2007 verabschiedet wurde. Deutschlandwar in der Vergangenheit der zweitgrößte bilateraleGeber handelsbezogener Entwicklungszusammenarbeit,die auch künftig eine wichtige Rolle einnehmenwird.Auch die Verknüpfung ökologischer Ziele mitLiberalisierungsmaßnahmen ist Gegenstand derDoha-Verhandlungen, etwa bei den Verhandlungenüber besondere Zollsenkungen für Umweltgüterund -dienstleistungen oder den Verhandlungenüber Sonderregeln für Fischerei- Subventionen. DieBundesregierung ist der Auffassung, dass Nachhaltigkeitsaspektein künftigen Welthandelsrundenverstärkt berücksichtigt werden müssen.Im Rahmen von Verhandlungen über bilateraleFreihandelsabkommen bemüht sich die Bundesregierungebenfalls, Nachhaltigkeitsziele einzubringen.Dies gilt insbesondere für die laufendenVerhandlungen der EU mit Südkorea, Indien und denASEAN-Staaten. Im Rahmen der EU-Handels- undEntwicklungspolitik ist es Ende 2007 gelungen, einerstes umfassendes Wirtschaftspartnerschaftsabkommenmit der Karibik (CARIFORUM) abzuschließen.Es geht über Marktzugangsfragen hinaus undumfasst auch handelsbezogene Themen, die wichtigeImpulse für regionalen Handel und regionale Integrationinsgesamt geben können. Weiterhin enthältes ein eigenständiges Kapitel zu Sozialem. Hier habendie Verhandlungspartner vereinbart, die grundlegendenSozialstandards der Inter<strong>nationalen</strong> Arbeitsorganisation(ILO) anzuerkennen und umzusetzen.Ein Konsultationsmechanismus soll eingerichtet werden,um Fortschritte auf diesem Gebiet nachzuverfolgen.Ähnliches gilt auch für den Bereich Umwelt. Mitden anderen Regionen der afrikanischen, karibi-


168 WEITERE POLITIKFELDERschen und pazifischen Staaten (AKP) konnten nur aufden Warenhandel begrenzte Interimsabkommenabgeschlossen werden. Diese Interimsabkommenmüssen in den kommenden Monaten weiterverhandeltwerden bis zum Abschluss von regionalen undumfassenden Wirtschaftpartnerschaftsabkommen.Hierfür setzt sich Deutschland ein.Ein weiterer aus Sicht der Bundesregierungbesonders wichtiger Beitrag der Handelspolitik<strong>zur</strong> nachhaltigen Entwicklung ist das AllgemeinePräferenzsystem der EU mit seinen zusätzlichenZollvergünstigungen für Entwicklungsländer, diebereit sind, bei Menschenrechten, sozialer Sicherungund beim Umweltschutz bestimmte Mindeststandardseinzuhalten. Die Bundesregierung setzt sichdafür ein, dass die Bewerbungszeiträume für diesesPräferenzsystem künftig flexibilisiert werden, damitsich Entwicklungsländer, die die Kriterien erfüllen,zeitnah bewerben können.Schließlich liegt im Fairen Handel ein Potenzialfür Armutsbekämpfung und gerechte Gestaltung derGlobalisierung. Derzeit profitieren über 1,6 Mio.Produzentinnen und Produzenten vom Fairen Handel– rechnet man die Familienangehörigen ein, sindes über 5 Mio. Menschen. Erfreulich sind die Umsatzsteigerungender letzten Jahre (+154 % 2000–2005).Mit der von der Bundesregierung unterstütztenInformationskampagne zum Fairen Handel „fairfeels good“ (2003–2007) wurde ein Beitrag geleistet,den Fairen Handel in breiten Bevölkerungsschichtenbekannter zu machen und den Umsatz erheblich zusteigern.Der Themenbereich nachhaltige Rohstoffwirtschaftwird in einem eigenen Schwerpunktkapitel(C.II.) ausführlich behandelt.7. Förderung von wirtschaftlichem Wachstumund von InvestitionenViele Entwicklungsländer durchlaufen derzeitbeachtliche Wachstumsprozesse. So erzielten z. B.afrikanische Länder in den letzten Jahren eindurchschnittliches Wachstum von knapp 5 %. Damitwirtschaftliches Wachstum jedoch nachhaltig undbreitenwirksam wird, sind gesetzliche und institutionelleRahmenbedingungen notwendig, die effizientesunternehmerisches Handeln ermöglichen. DieBundesregierung ist hier im Rahmen ihrer Entwicklungspolitikunterstützend tätig.Entwicklungsförderliche Investitionen sind einewichtige Voraussetzung für Wirtschaftswachstumund die Bekämpfung von Armut. Im Mittelpunktdeutscher Programme stehen dabei die Verbesserungdes Geschäfts- und Investitionsklimas, ein leichtererZugang zu Finanzdienstleistungen sowie dieFörderung beruflicher Qualifizierung der Arbeitskräfte.Es geht vor allem um die Verbesserung vonrechtlichen, administrativen und institutionellenRahmenbedingungen, die oftmals Investitionenbehindern. Die Berücksichtigung ökologischer,geschlechtsspezifischer und sozialer Aspekte, z. B.Kernarbeitsnormen, ist für die Sicherung einesnachhaltigen Erfolgs des wirtschaftlichen Handelnsunabdingbar. Zentral bei allen Reformmaßnahmenist die Einbindung und Teilhabe aller betroffenenGruppen (Privatsektor, Zivilgesellschaft, öffentlicherSektor). Die Bundesregierung unterstützt Förderprogrammefür eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklungin derzeit 43 Entwicklungsländern mit jährlichrd. 400 Mio. Euro.Deutsche G8-Präsidentschaft 2007Die Förderung von sozial und ökologisch nachhaltigen Investitionenin Afrika ist ein Grundanliegen der Bundesregierung.Dies hat in den in Heiligendamm beschlossenen InitiativenNiederschlag gefunden:• Die G8 haben mit den afrikanischen Partnern einen Dialog<strong>zur</strong> Förderung von „Good Financial Governance“, d. h. Transparenzund Rechenschaft im öffentlichen Finanzwesen, indie Wege geleitet.• Die G8 unterstützen bilateral und im Rahmen der Initiative„Making Finance Work for Africa“ zusammen mit afrikanischenPartnern die Stärkung des Finanzsektors in den afrikanischenPartnerländern und damit die Verbesserung desZugangs von Haushalten und Unternehmen zu adäquatenFinanzdienstleistungen.• Die G8 fördern weiterhin die Aktivitäten <strong>zur</strong> Verbesserungdes Geschäfts- und Investitionsklimas in Afrika durch dieInvestment Climate Facility (ICF).Auch verantwortliches unternehmerischesHandeln ( Corporate Social Responsibility – CSR)leistet einen wichtigen Beitrag zu einer globalen<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> für Entwicklung. InZusammenarbeit mit der Bundesregierung entwickelninternational agierende Unternehmen z. B.Gesundheitsprogramme am Arbeitsplatz, hohe Sozial-und Ökostandards oder auch überbetrieblicheAus- und Weiterbildung an ihren Produktionsstättenin Entwicklungsländern. Den inter<strong>nationalen</strong>Referenzrahmen für verantwortliches unternehmerischesHandeln bilden die OECD-Leitsätze fürmultinationale Unternehmen, die Kernarbeitsnormender ILO und der GlobaI Compact der VereintenNationen. Darüber hinaus existieren eine Vielzahlvon CSR-Aktivitäten und -Initiativen, die zumTeil auf einzelne Sektoren spezialisiert (siehe z. B.Kapitel C.II.2.e. zum Rohstoffsektor) sind, und dasISO-Normungsprojekt 26000 <strong>zur</strong> gesellschaftlichenVerantwortung von Organisationen, die auf die


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND169globale Verbreitung und zunehmende Umsetzungvon CSR abzielen.8. FazitDie Bundesregierung hat sich nach sichtbarenErfolgen in der Vergangenheit weiterhin eine anspruchsvolleAgenda auf dem Weg zu einer globalnachhaltigen Entwicklung gesetzt. Seit dem letzten<strong>Fortschrittsbericht</strong> konnten wichtige Prozesse, z. B.im Rahmen der deutschen G8-Präsidentschaft 2007,angestoßen werden. Zentrale Herausforderungbleibt die Erreichung der MDG. Wesentliche Aktionsfeldersind hierbei die Sicherung der ökologischenNachhaltigkeit und die Schaffung einer globalenPartnerschaft. Die Umsetzung des ambitioniertenentwicklungspolitischen Klimaaktionsprogramms,die Steigerung der Entwicklungsfinanzierung (auchfür die wachsenden Anforderungen von Klimaschutzund die Anpassung an den Klimawandel) sowie dererfolgreiche Abschluss der Doha-Runde sind hierwichtige Schritte. Ebenso zentral ist die Frage, ob dienotwendige Anpassung an den Klimawandel gelingt,insbesondere in den armen Ländern. In allen Bereichensteht Afrika im Mittelpunkt der Aufmerksamkeitder Bundesregierung. Entscheidend für positiveEntwicklungen wird es in den nächsten Jahren sein,Nachhaltigkeit maßgeblich in den Entwicklungsagendender Partnerländer, aber auch der Geberländerund -institutionen zu verankern. Die Bundesregierungwird dazu durch kohärente Politik dieParis-Erklärung über die Wirksamkeit in der Entwicklungszusammenarbeitvon 2005 weiter umsetzen.VII. Allgemeine und berufliche BildungVor dem Hintergrund von Globalisierung unddemografischer Entwicklung sind Bildung und Qualifizierungentscheidende Schlüssel für die Zukunft.Technologieintensive Industrien und wissensbasierteDienstleistungen boomen, das weltweite Wissenwächst rasant. Die Sicherung eines nachhaltigenWirtschaftswachstums ist nur mit gut qualifiziertenFachkräften möglich. Dies gilt insbesondere für einrohstoffarmes Land wie Deutschland.Deshalb ist es eine Frage der Zukunftsvorsorge,dass alle Menschen in Deutschland ihre Fähigkeitenund Talente ausbilden und im Laufe ihres Lebensauch weiterentwickeln können. Nur wenn die Menschengut für die Anforderungen des Arbeitsmarktesvon morgen qualifiziert werden, können Wachstum,Beschäftigung, soziale Sicherungssysteme und Wohlstandgestärkt werden.Gleichzeitig spielt Bildung bei der gesamtgesellschaftlichenUmsetzung des Leitbilds der Nachhaltigkeiteine entscheidende Rolle, insbesondereauch für die Lösung technischer, wirtschaftlicher,ökologischer und sozialer Zielkonflikte. Ziel einerBildung für nachhaltige Entwicklung muss es sein,jedem Einzelnen das Wissen, die Kompetenzen unddie Werte zu vermitteln, die für die Gestaltung einermenschenwürdigen Zukunft erforderlich sind.Qualifizierungsinitiative der BundesregierungBund und Länder sind sich einig, dass weitereAnstrengungen <strong>zur</strong> Sicherung der Fachkräftebasiserforderlich sind. Die Regierungschefs von Bund undLändern haben deshalb im Dezember 2007 beschlossen,bis zum Ende des Jahres <strong>2008</strong> gemeinsam eine„Qualifizierungsinitiative für Deutschland“ zu konzipieren.Dieser Konsens ist ein wichtiges Signal für diegemeinsame Verantwortung von Bund und Ländernfür das Bildungssystem.Die Bundesregierung hat im Januar <strong>2008</strong> dieQualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“verabschiedet und damit für ihren VerantwortungsbereichWeichenstellungen einschließlich ersterkonkreter Maßnahmen beschlossen und Vorschlägegemacht, die nunmehr mit den Ländern, der Wirtschaftund den Sozialpartnern erörtert und umgesetztwerden sollen. Schwerpunkte sind:mehr Bildungschancen für Kinder unter sechsJahren: Bildung beginnt nicht erst in der Schule.Kindertagesstätten sind Orte frühkindlicher Bildungund ergänzen so die Familie. Hier könnenBegabungen frühzeitig gefördert und Benachteiligungenrechtzeitig erkannt und abgebautwerden. Bis 2013 soll deshalb für jedes dritte Kindunter drei Jahre ein Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätteoder in Tagespflege <strong>zur</strong> Verfügungstehen. Die Maßnahmen der Länder <strong>zur</strong> qualitativenVerbesserung der Bildungs-, Erziehungs- undBetreuungsangebote in Kindertageseinrichtungenwird die Bundesregierung u. a. durch eineFortbildungsinitiative für Erzieherinnen undErzieher sowie Tagespflegekräfte unterstützen.jeder Bildungsweg soll zu einem Abschlussführen: Schulische und berufliche Abschlüssesind die Grundlage für beruflichen Erfolg. Vielejunge Menschen, insbesondere mit Migrationshintergrund,schließen ihren Bildungswegjedoch nicht erfolgreich ab. Deshalb wird die


170 WEITERE POLITIKFELDERBundesregierung die Anstrengungen der Länder<strong>zur</strong> Halbierung der Zahl der Schulabbrecherdurch gezielte Maßnahmen an der SchnittstelleSchule – Ausbildung unterstützen. U. a. soll dasBundesprogramm „Perspektive Berufsabschluss“dazu beitragen, den Anteil von Jugendlichenohne beruflichen Abschluss konsequent zu senken.Verbesserung der Ausbildungschancen förderungsbedürftigerjunger Menschen: Ein wichtigesZiel des Konzeptes „Jugend – Ausbildungund Arbeit“ der Qualifizierungsinitiative derBundesregierung ist die Schaffung von 100.000zusätzlichen Ausbildungsplätzen für förderungsbedürftigeAltbewerber bis zum Jahr 2010. ImDritten Buch Sozialgesetzbuch wird dazu ein befristeterAusbildungsbonus und eine Berufseinstiegsbegleitungeingeführt. Der Ausbildungsbonuswird bis Ende 2010 an Arbeitgeber gezahlt,die zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätzefür förderungsbedürftige junge Menschen, diebereits seit längerem einen Ausbildungsplatz suchen,bereitstellen. Der Grundsatz der originärenVerantwortung der Wirtschaft für die Ausbildungdes eigenen Fachkräftenachwuchses bleibtunangetastet. Mit der Berufseinstiegsbegleitungwerden junge Menschen individuell beimÜbergang von Schule in Ausbildung unterstützt.Die Förderung mit Berufsausbildungsbeihilfe füreine zweite Berufsausbildung im Rahmen einerErmessensleistung wird ermöglicht, wenn diedauerhafte berufliche Eingliederung sonst nichtzu erreichen ist und durch die zweite Ausbildungvoraussichtlich erreicht wird.Aufstieg durch Bildung: Gerade in Deutschlandist die soziale Herkunft in hohem Maße entscheidendfür den Bildungserfolg. Deshalb sollen dieDurchlässigkeit zwischen den verschiedenenZweigen des Bildungssystems deutlich erhöhtund mehr Aufstiegswege aus Berufsausbildungund Berufstätigkeit heraus eröffnet werden. DieBundesregierung wird deshalb u. a. Aufstiegsstipendienfür junge Erwachsene einführen, dienach erfolgreicher beruflicher Ausbildung undBerufstätigkeit ein Hochschulstudium aufnehmen,sowie die Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung,das sogenannte Meister-Bafög,fortentwickeln. Zudem werden die wissenschaftlicheWeiterbildung und berufsbegleitendeStudienangebote weiter ausgebaut.Erleichterung des Übergangs von der Schulein die Hochschule: Die geburtenstarken Jahrgängeder nächsten Jahre mit Hochschulzugangsberechtigungsind eine große Chance. Die Bundesregierunghat sich das Ziel gesetzt, künftig40 % eines Altersjahrgangs für ein Hochschulstudiumzu gewinnen. Bereits beschlossen ist diedeutlich verbesserte Ausbildungsförderung nachdem BAföG durch eine entsprechende Erhöhungder Bedarfssätze und Freibeträge. Um das quantitativeAngebot an Studienplätzen zu erhöhen,haben Bund und Länder zudem den Hochschulpaktgeschlossen, um bis 2010 90.000 zusätzlicheStudienplätze zu schaffen. Angestrebt werdenzudem eine bessere Nutzung vorhandener Studienkapazitätenund die gezieltere Vermittlungvon Studienplätzen.mehr Aufmerksamkeit für Technik und Naturwissenschaften:Ausreichend qualifizierterNachwuchs in den Fächern Mathematik, Informatik,Naturwissenschaften und Technik (MINT)ist entscheidend für die Sicherung des hohenNiveaus unserer Innovationsfähigkeit und vonwirtschaftlichem Wachstum. Allerdings ist in einigenBranchen und Regionen bereits Fachkräftemangelspürbar. Etliche Unternehmen meldenRekrutierungsschwierigkeiten für bestimmteBereiche. Dieser Mangel an höher qualifiziertenFachkräften wird sich durch den demografischenWandel noch verschärfen. Die Bundesregierungwird deshalb insbesondere durch die Einführungeines „Freiwilligen Technischen Jahres“ dasInteresse junger Menschen an den sogenanntenMINT-Berufen erhöhen und ihre Bereitschaft,technische oder naturwissenschaftliche Studiengängezu wählen, in der entscheidenden Phaseder Berufsorientierung gezielt fördern. Dies sollzugleich dazu beitragen, die hohen Abbruchquotenin diesen Studienfächern zu senken.Chancen für Frauen verbessern: Frauen habengute Voraussetzungen für Führungspositionen:Sie erreichen im Vergleich zu Männern höhereund bessere Schulabschlüsse und sind in Ausbildungund Studium erfolgreich. Trotzdem sind siein den leitenden Positionen in Wirtschaft, Wissenschaftund Verwaltung nicht entsprechendvertreten. Ein Grund dafür ist, dass ihr Berufswahlspektrumimmer noch geschlechtsspezifischeingeschränkt ist. Die Bundesregierung hat eineReihe von Initiativen und Maßnahmen beschlossen,mit denen die Repräsentanz von Frauen insbesonderein Führungspositionen, in den MINT-Berufen und bei der Besetzung von Professurenerhöht werden soll.Weiterbildung: Die Bundesrepublik Deutschlandverfügt über eine im europäischen Maßstab


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND171gut ausgebaute Weiterbildungsstruktur in derVerantwortung der Länder. Die Länder habenihre Weiterbildungsstrukturen und Ziele in Weiterbildungsgesetzenund Landeskonzeptionenniedergelegt. Kontinuierliches Lernen im gesamtenLebenslauf wird immer wichtiger. Die Weiterbildungsbeteiligungstagniert jedoch. Deshalbhaben sich die Bundesregierung und die Länderdas Ziel gesetzt, die Weiterbildungsbeteiligungin Deutschland von derzeit 43 % auf 50 % imJahr 2015 zu steigern. Die Bundesregierung unddie Länder streben an, in Zusammenarbeit mitKommunen und Sozialpartnern entsprechendeMaßnahmen im Rahmen einer Weiterbildungsallianzzu verstärken und zu bündeln. Die Bundesregierungund die Länder werden insbesonderedie Entwicklung regionaler Weiterbildungsstrukturenunterstützen und mit der Einführung einer„Bildungsprämie“ auch finanzielle Anreize füreine verstärkte Beteiligung an Weiterbildungsetzen.Ausbau der empirischen Bildungsforschung:Die Bundesregierung hat im November 2007das Rahmenprogramm <strong>zur</strong> Förderung derempirischen Bildungsforschung aufgelegt undgemeinsam mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenzöffentlich vorgestellt. Zieldes Rahmenprogramms ist es, die empirischeBildungsforschung in Deutschland strukturell zustärken. Durch die Förderung von Forschung inzentralen bildungspolitischen Themenfeldern,z. B. Sprachstandsdiagnostik und (individuelle)Sprachförderung, Unterrichtsgestaltung undProfessionalisierung des pädagogischen Personalssowie Systemsteuerung, wird mittelfristigumfangreiches neues Steuerungswissen für dieVerantwortungsträger im Bereich der Bildungspolitikbereitgestellt. Zentrale Bestandteile desProgramms sind der thematische Schwerpunkt„Kompetenzdiagnostik und technologiebasiertesTesten“ sowie – in Abstimmung mit denLändern und der Deutschen Forschungsgemeinschaft– die geplante Etablierung eines <strong>nationalen</strong>Bildungspanels. Hierbei handelt es sich umeine breit angelegte Längsschnittstudie auf derkonzeptionellen Basis „Kompetenzentwicklungim Lebenslauf“, mit der umfangreiche Daten zumLernen im Lebenslauf erhoben und damit in derFolge differenzierte Erkenntnisse zu Bildungsverläufenund zu wesentlichen Einflussfaktorenermöglicht werden.VIII. Forschung und Entwicklung1. Forschung für Wettbewerb und globaleVerantwortungDeutschland steht <strong>zur</strong>zeit vor großen Herausforderungen:Es geht darum, in einer globalisiertenWelt die Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlicheLeistungsfähigkeit zu erhalten und auszubauen.Und darum, Verantwortung für unseren nach wievor hohen Verbrauch an Energie und Rohstoffenzu übernehmen und intelligente Lösungen für dieNutzung dieser und für die Erschließung alternativerRessourcen zu entwickeln.Sich auf diesem Weg auf bewährte und verfügbareTechnologien und Konzepte zu verlassen, reichtbei weitem nicht aus. Vielmehr müssen wir Kreativitätund Erfindergeist mobilisieren. Der Schlüsseldazu heißt: Investitionen in Forschung und Entwicklung.Mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft unddem G8-Vorsitz in 2007 hat die deutsche Politikinhaltliche Schwerpunkte auf die Themen Klimaschutz,Umweltschutz und den verantwortlichenUmgang mit Rohstoffen gelegt. Dies spiegelt sichauch in der F+E-Politik Deutschlands wider.2. Wie innovativ ist Deutschland?Mit der 2000 verabschiedeten Lissabon-Strategiehat sich die europäische Gemeinschaft das ehrgeizigeZiel gesteckt, Europa bis 2010 <strong>zur</strong> „wettbewerbsfähigstenund dynamischsten wissensbasiertenWirtschaft der Welt“ zu machen. Konkret sollen alleMitgliedstaaten bis 2010 3 % ihres Bruttoinlandsproduktsin Forschung und Entwicklung (F+E) investieren.Dieses Ziel hat die Gemeinschaft bisher verfehlt;zwischen 2000 und 2005 stagnierten die F+E-Anteilebei 1,9 % in der EU-15 und 1,4 % in der EU-25. Deutschlandliegt mit einem Anteil von 2,5 % (2006) deutlichüber dem europäischen Durchschnitt. Anders alsvielen anderen Ländern ist es Deutschland auch inden letzten Jahren gelungen, die F+E-Investitionenkonsequent weiter zu steigern: Der deutsche Haushalt<strong>2008</strong> enthält den voraussichtlich erforderlichenBundesanteil für eine F+E-Quote von 2,7 %.Auch die deutsche Wirtschaft investiert nachJahren der Stagnation wieder mehr in Forschungund Entwicklung. Im Jahr 2006 hat sie 41,1 Mrd. Euroin F+E-Aktivitäten investiert. Industriezweige wiedie Optischen Technologien wollen bis 2010 ihre F+E-Anstrengungen um mehr als 10 % steigern.


172 WEITERE POLITIKFELDERDie Umwelttechnikbranche ist ein besondersforschungsintensiver Wirtschaftszweig. Deutschlandliegt hinsichtlich des Anteils der Umwelt-F+Eam Bruttoinlandsprodukt an der Spitze der OECD-Länder und nimmt traditionell eine Führungspositionim Export der Umwelttechnologie ein. Den Titelals „Exportweltmeister im Umweltschutz“ konntesich Deutschland 2004 wieder von den USA <strong>zur</strong>ückerobern.Nachdem die F+E-Ausgaben im Umweltbereichin den 1990er Jahren stagnierten, ist in denletzten Jahren insbesondere in den Bereichen Energieund Klimaschutz ein Anstieg zu verzeichnen.3. Aktivitäten der BundesregierungHightech-StrategieDie Hightech-Strategie der Bundesregierungwurde 2006 beschlossen und stellt bis 2009 insgesamt15 Mrd. Euro für Forschung und Innovation bereit.Sie verfolgt drei zentrale Ansätze: Sie erschließtLeitmärkte, sie vernetzt Wirtschaft und Wissenschaft,um schneller neue Produkte und Dienstleistungenauf den Markt zu bringen, und sie verbesserttechnologieübergreifende Rahmenbedingungen,um Forschern und Innovatoren mehr Freiräume <strong>zur</strong>Verwirklichung ihrer Ideen zu geben. In 17 Innovationsfeldern– von der Gesundheitsforschung überdie Umwelttechnik bis hin <strong>zur</strong> Mikrosystemtechnik –bündelt sie die Kräfte der deutschen Wirtschaft undWissenschaft. Mit der ersten Zwischenbilanz 2007wurden neue Schwerpunkte insbesondere in denThemen Gesundheit, Klima- und Ressourcenschutz,Mobilität und Sicherheit gelegt.Mit der Hightech-Strategie zum Klimaschutzwurden im Jahr 2007 ergänzend dazu neue Schwerpunktein Forschung und Entwicklung zugunstenenergie- und ressourcensparender Technologien gesetzt,um <strong>zur</strong> Umsetzung der ehrgeizigen deutschenund europäischen Klimaschutzziele beizutragen.Forschungsfelder der Hightech-Strategie zumKlimaschutz• Für den Ausbau der Wissensbasis werden die Grundlagen derKlimaforschung systematisch erschlossen. Dazu zählt das Erstellenverlässlicher mittel- und längerfristiger Klimaszenarienund Klimavorhersagen, die bisher fehlen, aber auch dieErarbeitung von Grundlagen für Maßnahmen <strong>zur</strong> Anpassungan den Klimawandel.• Auf breiter Basis und mit allen relevanten Branchen der Wirtschaftsollen Potenziale erschlossen werden. Außer den vierim Folgenden erwähnten Innovationsallianzen sind deshalbnoch weitere in Vorbereitung.• Das Wissen für den Klimaschutz soll nutzbar gemachtwerden. Die zielgerichtete Aufbereitung von Wissen für Entscheidungsträgerwird in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungenund Wetterdienst aufgebaut. Ein neuesClimate Service Center wird die dezentral vorhandenenInformationen zum Klimawandel bündeln und nach demBedarf ausgerichtet <strong>zur</strong> Verfügung stellen.• Um Deutschlands globale Verantwortung wahrzunehmen,sind die Forschungsaktivitäten international ausgerichtet.Vor allem bei der Energieversorgung und bei der Anpassungan den Klimawandel sollen die Schwellen- und Entwicklungsländerunterstützt werden.Auf dem 2. Klima-Forschungsgipfel im Oktober2007 präsentierten sich vier Innovationsallianzenzu den Themen organische Photovoltaik, innovativeStromspeicherung, optimierte Abstimmung vonFahrzeugkomponenten und Optimierung des Verkehrsflusses.Die Bundesregierung fördert diese vierAllianzen mit mehr als 220 Mio. Euro, die industriellenPartner stellen 1,2 Mrd. Euro <strong>zur</strong> Verfügung. Alsweitere Allianz wurde auf dem 2. Klima-Forschungsgipfeldas „Finanz-Forum: Klimawandel“ von führendenFinanzdienstleistern gegründet.Beispiel: Innovationsallianz Lithium-Ionen-BatterieMit stationären Speichern lassen sich große Energiemengenspeichern, was bei der Nutzung regenerativer Energien wieetwa Windkrafträdern wichtig ist. Nur so lässt sich in Zukunftvermeiden, dass Energie ungenutzt verloren geht – sokonnten 2006 ca. 15 % des durch Windkraftwerke erzeugtenStroms nicht eingespeist werden und gingen damit für denVerbrauch verloren. Erforderlich ist eine Steigerung der Energie-und Leistungsdichte der Energiespeicher um den Faktor5 – 10. Dies kann mit der Lithium-Ionen-Technologie erreichtwerden.Ziel ist die Entwicklung einer neuen Generation von leistungsstärkerenund zugleich sicheren, preisgünstigen und leichtenBatterien. Sie unterstützen die breitere Nutzung regenerativerEnergien, z. B. für die Energiezwischenspeicherungin Windkraftanlagen und für den Einsatz energieeffizienterHybrid- und Elektroantriebstechnologien in Fahrzeugen.Ein wichtiger Schwerpunkt dabei ist die Entwicklung neueralternativer Elektroden- und Separatormaterialien sowie vonElektrolyten und Leitsalzen. Die Bundesregierung stellt dafür60 Mio. Euro <strong>zur</strong> Verfügung; aus der Industrie wurden weitere360 Mio. Euro zugesagt.Die Hightech-Strategie setzt nicht nur thematischeSchwerpunkte, sondern fokussiert ihre Unterstützungzusätzlich auf spezielle Akteure: Mit300 Mio. Euro unterstützt die Bundesregierung innovativekleine und mittelständische Unternehmen. ImRahmen der 2007 begonnen Initiative „KMU-innovativ“soll dieser Zielgruppe durch vereinfachte undbeschleunigte Antragsverfahren und feste Stichtageder Zugang zu Forschungsmitteln erleichtert werden.Ergänzt wird dies durch den im gleichen Jahr ausgerufenenSpitzencluster-Wettbewerb. In drei Wettbewerbsrundensollen jeweils bis zu fünf regionaleSpitzencluster ausgewählt werden, die über einenZeitraum von maximal fünf Jahren mit insgesamt biszu 200 Mio. Euro gefördert werden können.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND173FonaDas Rahmenprogramm „Forschung für die Nachhaltigkeit“( Fona) wurde 2004 mit einer Laufzeit vonfünf Jahren und einem Budget von 800 Mio. Eurogestartet. Ziel des Rahmenprogramms ist es, in vierAktionsfeldern (Wirtschaft, Regionen, Ressourcenund Gesellschaft) innovative Technologien und Strategienfür eine nachhaltige Entwicklung zu fördern.In fast vier Jahren wurden über 1.000 Projekte initiiert.Die bearbeiteten Forschungsthemen umfassendas ganze Spektrum nachhaltigkeitsrelevanter Fragestellungen– vom integrierten Hochwasserschutzüber Wassermanagement in Entwicklungsländern,Querschnittstechnologien für Nachhaltigkeit in derWirtschaft, Anpassung an den Klimawandel bis hinzum Beitrag der Wirtschafts- und Geisteswissenschaften<strong>zur</strong> Nachhaltigkeit.Die Ausgestaltung von Kooperationen mit anderenRessorts in Ankerländern (z. B. Mexiko, Brasilien,China, Indien, Südafrika) ermöglicht es, die wissenschaftlich-technologischeZusammenarbeit mit derEntwicklungszusammenarbeit gut zu verzahnen. Einerstes positives Beispiel ist aus Mexiko zu vermelden.Dort wurde durch eine von zwei Ressorts gemeinsamgetragene Initiative ein Master-Studiengang zustädtisch-industriellem Umweltschutz/Energiepolitikeingerichtet. In Brasilien, einem Pilotland der Zusammenarbeit,sowie in anderen Ankerländern sind für<strong>2008</strong> weitere konkrete Initiativen geplant.Innovationen als Schlüssel für eine nachhaltigeEntwicklungInnovationen, mit denen Kosten- und Materialeinsparungenin Unternehmen erreicht werden können, sind besonderseffektiv, wenn sie als Querschnittstechnologie in verschiedenenBranchen einsetzbar sind. Mit der Fördermaßnahme „Innovationenals Schlüssel für Nachhaltigkeit in der Wirtschaft“werden seit 2004 gezielt solche Querschnittstechnologien inenger Zusammenarbeit zwischen Forschungsinstituten undUnternehmen entwickelt. Ein Fraunhofer-Institut arbeitetz. B. an der Weiterentwicklung von Mikrosieben, die trotz großerFilterwirkung hohe Durchflussraten erlauben und sowohlin der Lebensmittelherstellung als auch in der Abwasserreinigungeinsetzbar sind.Neben den inhaltlichen Schwerpunkten stehtbei Fona auch die qualitative Weiterentwicklung derForschung im Mittelpunkt. Dazu zählt die Bearbeitunganwendungs- und politikrelevanter Fragestellungen,die interdisziplinäre Zusammenarbeit vonNatur- und Geisteswissenschaften sowie die Zusammenarbeitvon Wissenschaftlern mit Akteurenaußerhalb der Wissenschaft (insbesondere Unternehmen,NGOs, Kommunen).Herangehensweise und Ziele von Fona wurdenauf europäischer Ebene zum Vorbild: 2006 hat dieEuropäische Kommission ihre erneuerte Strategiefür eine nachhaltige Entwicklung vorgelegt. Die dortgenannten Ziele und Eigenschaften einer „Forschungfür Nachhaltigkeit“ entsprechen den Zielen,die zwei Jahre zuvor in Fona festgelegt wurden.Rolle der Forschung in der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>der EU„Forschung zu nachhaltiger Entwicklung muss kurzfristigeProjekte <strong>zur</strong> Entscheidungshilfe und langfristige visionäreKonzepte beinhalten und Probleme mit globaler und regionalerTragweite angehen. Sie muss inter- und transdisziplinäreAnsätze unter Einbeziehung der Sozial- und Naturwissenschaftenfördern und die Kluft zwischen Wissenschaft, Politikgestaltungund Durchführung überbrücken.“Mit der zunehmenden Bedeutung des Klimawandelsauf der politischen Agenda wurde auch dieKlimaforschung innerhalb von Fona ausgeweitet.Die Forschungsansätze umfassen die Grundlagen,um Ursachen und Ausmaß des Klimawandels besserverstehen zu können, die Erforschung von Handlungsoptionenfür die Minderung von Treibhausgasensowie die Entwicklung von Anpassungsstrategienfür Gesellschaft und Wirtschaft an die Folgen desKlimawandels. 255 Mio. Euro wurden dafür bis zumEnde der Legislaturperiode bereit gestellt.Masterplan UmwelttechnologienDer Masterplan Umwelttechnologien wurde <strong>2008</strong>gemeinsam von zwei Ressorts verabschiedet. Zieldes Masterplans ist es, den Leitmarkt Umwelttechnikfür die deutsche Wirtschaft zu erschließen und dieBedingungen für die Entwicklung und den Einsatzneuer Umwelttechnologien zu verbessern. Es gilt,innovative Technologien bereit zu stellen, die Nachfragenach ihnen im Inland zu stimulieren und dieExportchancen auf den expandierenden Weltmärktenzu sichern. Den Schwerpunkt legt der Masterplanauf die Themen Klimaschutz, Ressourcenschonungund Wassertechnologien. Nach einer aktuellen Studiewird das Weltmarktvolumen der Leitmärkte derUmwelttechnologien in 2005 auf etwa 1.000 Mrd.Euro geschätzt und seine weitere Entwicklung miteiner jährlichen Wachstumsrate von 5,4 % pro Jahrauf rd. 2.200 Mrd. Euro im Jahr 2020 prognostiziert.Für die Leitmärkte Energieeffizienz und nachhaltigeWasserwirtschaft wird dabei die größte absoluteZunahme der Marktvolumina erwartet.Der Masterplan verbindet thematisch fokussierteFörderaktivitäten mit Maßnahmen im Bereich der


174 WEITERE POLITIKFELDERNormierung, der Bildung und Ausbildung und derVernetzung auf europäischer Ebene. So soll künftigein Gesetzesfolgenmonitoring eingeführt werden,das die nationale Umweltgesetzgebung aus derinnovationspolitischen Perspektive beleuchtet.Forschungsprogramm „Innovation und neue Energietechnologien“Am 1. Juni 2005 hat das Bundeskabinett das5. Energieforschungsprogramm „Innovation undneue Energietechnologien“ verabschiedet. DasProgramm bildet die Grundlage für die Förderpolitikdes Bundes in den kommenden Jahren und löst dasVorläuferprogramm aus dem Jahr 1996 ab. Zielsetzungist, durch Innovation und technischen Fortschrittden Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgungweiter voran zu treiben.Im Jahr 2007 hat die Bundesregierung für neueForschungsprojekte ein Gesamtvolumen von 440 Mio.Euro <strong>zur</strong> Verfügung gestellt. Die Schwerpunkteder Förderung lagen auf anwendungsnahen Forschungsprojektenin den Bereichen Kraftwerkstechnik,Brennstoffzellen, energieoptimiertes Bauen,Photovoltaik, Wind- sowie Bioenergie, Geothermie,Niedertemperatur-Solarthermie, Netzintegrationund Optimierung der Energieversorungssystemesowie Querschnittsfragen.Beispiele für Aktivitäten• Ein wichtiges Forschungsziel ist die Erhöhung der Energieeffizienzauf der Angebotseite. Unter dem Namen COO-RETEC wird gemeinsam mit Wissenschaft und Wirtschaftnach Wegen gesucht, den Ausstoß von Treibhausgasenbei der Energiegewinnung aus fossilen Energieträgern <strong>zur</strong>eduzieren. Ziel ist vor allem, den Wirkungsgrad herkömmlicherKraftwerke zu erhöhen. Der effiziente Umgang mitherkömmlichen Energieressourcen steigert sowohl dieWirtschaftlichkeit der Anlagen als auch ihre Umweltverträglichkeit.Mit über 20 Mio. Euro wurde diese Initiative 2007unterstützt.• Der sparsame Umgang mit endlichen Ressourcen spieltnicht nur bei der Herstellung von Strom und Wärme eineRolle. Vor allem der Verbrauch bietet große Effizienzpotenziale.Unter dem Stichwort „Energieeffiziente Schule“ wurdegemeinsam mit Wirtschaft, Wissenschaft und Kommuneneine Forschungsinitiative gestartet. Im Fokus stehenDemonstration und Erprobung neuer innovativer Energietechnologien.Parallel dazu wird Schülerinnen und Schülernder angemessene Umgang mit Energie vermittelt. Mit derInitiative wird voraussichtlich ein Finanzierungsvolumenvon rd. 27 Mio. Euro mobilisiert. Davon stammen 16 Mio. ausöffentlichen Haushalten.• Die Bundesregierung fördert Forschungsprojekte im erstendeutschen Offshore-Windpark „Alpha Ventus“ mit rd. 50 Mio.Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren. Im Rahmen derInitiative RAVE (Research at Alpha Ventus) wurden bereits14 Projekte mit über 16 Mio. Euro bewilligt.Um die Innovationsprozesse weiter zu beschleunigen,wird die Bundesregierung laufende Aktivitätenin der Energieforschung verstärken sowie ausgewählteneue Initiativen starten und die Ausgaben fürdie Forschung im Bereich moderner Energietechnologienweiter steigern. Der Ansatz im Haushalt <strong>2008</strong>liegt bei 506 Mio. Euro.Durch das Energieforschungsprogramm werdenbereits mittelfristig sichtbare Erfolge beim Klimaschutzmöglich gemacht. Im Übrigen stärkt das ProgrammWachstum und Beschäftigung in Deutschlandund bietet über den Export von hocheffizientenEnergietechnologien einen wirksamen Beitrag zumglobal notwendigen Schutz der Erdatmosphäre.Die Bundesregierung finanziert zudem Forschungin den Sektoren Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft,die mit natürlichen Ressourcen wirtschaftenund besonders vom Klimawandel betroffensind. Ziel ist insbesondere die Weiterentwicklungnachhaltiger Nutzungen ( Klimaschutz, Biodiversität,Pflanzenschutz, Ökobilanzierung), die Anpassungan den Klimawandel und die Verbesserung derWettbewerbsfähigkeit umweltgerechter Produktiondurch Innovationen und <strong>zur</strong> Weiterentwicklungnachwachsender Rohstoffe. Zur Stärkung der energetischenNutzung von Biomasse hat die Bundesregierung<strong>2008</strong> das Deutsche Biomasse-Forschungszentrum(DBFZ) in Leipzig errichtet.Die Bundesregierung hält unter Beachtung desZieles der Haushaltskonsolidierung am 3 %-Ziel derLissabon-Strategie fest. In den Haushalten der kommendenJahre wird dabei die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktsberücksichtigt. Insgesamt ist indieser Legislaturperiode ein Ausbau des F+E-Budgetsum 6,5 Mrd. Euro vorgesehen. Auch nach 2009 solldie Forschung für die Nachhaltigkeit weitergeführtund in einem Rahmenprogramm gebündelt werden.Dabei soll die internationale Ausrichtung betontwerden: Forschungsallianzen mit Staaten, die sichderzeit besonders dynamisch entwickeln, werdenzum einen der globalen Verantwortung Deutschlandsgerecht und helfen zum anderen, internationaleMärkte zu erkennen und zu erschließen. Nochstärker als bisher sollen dabei Grundlagenforschungund anwendungsorientierte Forschung verzahntwerden, um innovative Lösungen für die globalenHerausforderungen Klimawandel, nachhaltigeEnergieversorgung und Ressourcenknappheit zuentwickeln.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND175IX. Finanzierungs- und WirtschaftsinstrumenteDie Bundesregierung setzt bei der Umsetzungder <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> auf effiziente Instrumente.Wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltigeEntwicklung sind transparente Märkte mitPreisen, die die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischenKosten von Waren und Dienstleistungen widerspiegeln.Mit marktbasierten Instrumenten wiez. B. Steuern und Abgaben oder Zertifikatehandelkönnen hierfür die geeigneten Preissignale gesetztwerden. Diese Instrumente sind besonders geeignet,wirksamen Umweltschutz mit den Erfordernisseneiner auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichtetenWirtschaftspolitik zu verbinden. MarktbasierteInstrumente haben darüber hinaus in der RegelEinfluss auf die öffentlichen Haushalte. Deshalb istderen Auswahl und Ausgestaltung von erheblicherfinanzpolitischer Bedeutung.Die Bundesregierung setzt in ihrer <strong>nationalen</strong><strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> nachdrücklich auf marktbasierteInstrumente. Beispiele sind der Handel mitEmissionszertifikaten und die Ökologische Steuerreform.EmissionshandelMit der 2005 erfolgten Einführung des Emissionshandelswurden die insgesamt für Energieanlagenverfügbaren Emissionsberechtigungen der Mengenach begrenzt. Hierdurch haben CO 2- Emissionenerstmals einen Marktpreis erhalten. Die am Emissionshandelteilnehmenden Unternehmen haben dieWahl zwischen der Reduktion von CO 2- Emissionenund dem Kauf von Emissionsberechtigungen; liegendie spezifischen Vermeidungskosten des Unternehmensunter dem Preis des Zertifikates, wird dasUnternehmen in Vermeidungstechnik investieren,anderenfalls sich für den Kauf von Zertifikatenentscheiden. Emissionsminderungsmaßnahmen innerhalbdes vom Emissionshandel erfassten Bereichswerden somit dort durchgeführt, wo sie am kostengünstigstensind.In <strong>2008</strong> hat die zweite Handelsperiode des europäischenEmissionshandels begonnen. Die Regelungenfür Deutschland <strong>2008</strong>–2012 sind im Zuteilungsgesetz2012 festgelegt, das ein ambitioniertes Ziel fürdie CO 2-Reduktionen festlegt. Damit wird sichergestellt,dass Energiewirtschaft und Industrie einen angemessenenBeitrag <strong>zur</strong> Einhaltung des deutschenKlimaschutzziels für <strong>2008</strong>–2012 leisten werden.Die Zuteilung für Energieanlagen erfolgt auf derGrundlage eines Benchmark-Systems, das effizienteAnlagen belohnt und veraltete Technik belastet.Für den Modernisierungsprozess in der deutschenEnergiewirtschaft werden dadurch zusätzliche Anreizegesetzt. Vom Produzierenden Gewerbe werdenweniger Minderungsleistungen als von der Energiewirtschaftverlangt. Diese differenzierte Behandlungder Branchen berücksichtigt die unterschiedlicheWettbewerbssituation. Kleine Emittenten werdenzudem von Minderungsbeiträgen ganz freigestellt.Etwa ein Zehntel der gesamten Zuteilungsmenge,nämlich 40 Mio. Berechtigungen pro Jahr, wird nichtmehr gratis verteilt, sondern veräußert. Mit dieserVeräußerungsquote liegt Deutschland an erster Stellein der EU. Aus den erzielten Einnahmen werdenim Bundeshaushalt <strong>2008</strong> bis zu 400 Mio. Euro für Förderprogrammein den Bereichen Klimaschutz undEnergieeffizienz bereitgestellt. Davon können bis zu280 Mio. Euro für nationale und bis zu 120 Mio. Eurofür internationale Maßnahmen, die grundsätzlichden entwicklungspolitischen Maßgaben entsprechen,verwendet werden. Ziel der Klimaschutzinitiativeist es, national und international Potenzialefür Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel,Energieeffizienz und erneuerbare Energien kostengünstigzu realisieren sowie innovative Modellprojektevoranzubringen. Außerdem will Deutschlanddamit neue Impulse in den Verhandlungen über eininternationales Klimaschutzabkommen nach 2012setzen.Ökologische SteuerreformBereits im Jahr 1999 wurde in Deutschland dieÖkologische Steuerreform durchgeführt. Anders alsbeim Emissionshandel wird hier nicht die Emissionsmengestaatlich fixiert, sondern am Preis angesetzt.Mit der steuerlichen Verteuerung von Kraft- undHeizstoffen und Strom wurden der Faktor Energiebelastet und dadurch Anreize zum Energiesparengesetzt. Im Gegenzug wurde mit dem erzieltenSteuermehraufkommen durch Mehrleistungen desBundes an die gesetzliche Rentenversicherung inHöhe von jährlich fast 16 Mrd. Euro der Faktor Arbeitinsbesondere durch Stabilisierung des Beitragssatzesin der Rentenversicherung entlastet. Somitleistet diese Reform einen wesentlichen Beitrag <strong>zur</strong>Verbesserung der Rahmenbedingungen für denArbeitsmarkt. Die deutsche Industrie wird durch diereduzierten Steuersätze und die Verringerung derArbeitgeberbeiträge für die Rentenversicherung inerheblichem Umfang entlastet.


176ENachhaltigkeit im Deutschen Bundestag– Beitrag des Parlamentarischen Beirats fürnachhaltige Entwicklung – Berlin, 29. Mai <strong>2008</strong>Nachhaltigkeit muss Leitprinzip der deutschen Politik sein. Wenn Nachhaltigkeit als politische und gesellschaftlicheQuerschnittsaufgabe begriffen wird, kann sie zum Innovationsmotor werden. Die <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>ist eine Zukunftsstrategie.Das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung beeinflusst alle Politikfelder. Technologischer, ökonomischerund gesellschaftlicher Fortschritt muss sich an diesem Prinzip messen lassen. Mit der Arbeit des ParlamentarischenBeirats leistet der Bundestag einen konkreten Beitrag für die Verbreitung und Vertiefung einer nachhaltigenEntwicklung.I. Die Aufgaben und Aktivitäten des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung1. Konstituierung, Kompetenzen und AufgabenDer Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung (Beirat) wurde in der vergangenen Wahlperiodegegründet und in der aktuellen 16. Legislaturperiode wieder eingesetzt. Der Beirat umfasst in dieser Wahlperiode20 Abgeordnete. Mit ihm hat der Deutsche Bundestag den regierungsseitigen Institutionen einGremium auf parlamentarischer Ebene gegenüber gestellt. Durch den Beirat hat das Parlament seine aktiveRolle in der Debatte um Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit verstärkt.Der Beirat hat kraft Einsetzungsbeschluss folgende Aufgaben:parlamentarische Begleitung der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> der Bundesregierung und der Europäischen<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>Beratung selbst gewählter Schwerpunkte und Überweisung daraus resultierender Berichte und Empfehlungendem jeweils federführenden Ausschuss des Deutschen BundestagesErstellung gutachtlicher Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen oder anderen parlamentarischen VorlagenKontaktpflege und Beratungen mit anderen Parlamenten, insbesondere in der Europäischen Union, <strong>zur</strong>Entwicklung gemeinsamer Positionen <strong>zur</strong> nachhaltigen EntwicklungUnterstützung der gesellschaftlichen Diskussion <strong>zur</strong> nachhaltigen Entwicklung, Wahrnehmung einerScharnierfunktion für gesellschaftliche Gruppen.Der Beirat versteht sich als Mitgestalter bei der Umsetzung der Ziele der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>.Seine Arbeit ist darauf gerichtet, nachhaltige Entwicklung aus Umweltschutz, wirtschaftlicher Leistungs-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND177fähigkeit, sozialer Verantwortung und die Interessen kommender Generationen bestmöglich zusammen zuführen und im Deutschen Bundestag zu vertreten.Die Mitglieder des Parlamentarischen Beirats sehen in ihrer Arbeit die langfristige Sichtweise als eine oberstePrämisse. Beschlüsse werden möglichst einstimmig gefasst, denn eine Politik der nachhaltigen Entwicklungist eine langfristige und politikfeldübergreifende Aufgabe über laufende Wahlperioden und Auseinandersetzungender Tagespolitik hinaus. Ein Konsens aller Fraktionen ist deshalb eine Grundvoraussetzung im DeutschenBundestag, damit auch bei einer veränderten politischen Machtkonstellation die Kontinuität der Arbeitgewährleistet werden kann. Die bisherige parlamentarische Zusammenarbeit hat gezeigt, dass dieses Zielnicht zu hoch gesteckt war. Eine Vielzahl von Beschlüssen, Stellungnahmen und Berichten wurde einstimmigoder nur mit vereinzelten Sondervoten verabschiedet.2. Der Beirat im DialogParlamentarischer BeiratDie Institutionen auf Bundesebene Staatssekretärsausschuss, Rat für Nachhaltige Entwicklung und ParlamentarischerBeirat für nachhaltige Entwicklung bieten eine gute Ausgangslage für einen Dialog über einenachhaltige Entwicklung in Deutschland. Allerdings ist der Beirat der Auffassung, dass sich die Kooperationdurch regelmäßigen direkten Austausch, gemeinsame Schwerpunktsetzungen sowie kontinuierlichen Informationsflussnoch verbessern ließe.Der Beirat begrüßt, dass es auf Bundes- und Landesebene und in den Kommunen sowie in der EuropäischenUnion <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>n gibt. Es ist allerdings erforderlich, die Koordinierung zwischen Bund undLändern über die bisherige Berichtsform der Bundesländer hinaus zu verbessern. Hierfür wären aus Sicht desBeirats weitere Vergleichs- und Abstimmungsmöglichkeiten neben der bestehenden Bund- Länder-Zusammenarbeitin der Umweltministerkonferenz zum Zweck der besseren Koordinierung und Weiterentwicklungder <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>n sowie der Identifizierung gemeinsamer Handlungsfelder sinnvoll. Denn <strong>zur</strong>Verbesserung der Wirksamkeit der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> ist eine gute Vernetzung und Abstimmungzwischen Bund und Ländern sowohl bei der Erarbeitung als auch bei der Implementierung der Strategieunerlässlich.Nachhaltigkeit ist nicht allein Aufgabe der Politik. Über den parlamentarischen Rahmen hinaus will derBeirat auch eine Kommunikationsplattform für weitere Nachhaltigkeits-Akteure sein. Der Beirat sucht dengesellschaftlichen Dialog, um die <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> mit Leben zu füllen. Dazu müssen alle in der PolitikHandelnden, Unternehmen, Experten und Initiativen sowie Bürgerinnen und Bürger zusammenarbeiten. DerBeirat führt diesen Dialog bereits und bietet der Bundesregierung eine enge Zusammenarbeit an.3. Kontaktpflege und Beratungen mit anderen Parlamenten – internationale und europäische Dimensionnachhaltiger EntwicklungZur Kontaktpflege und Beratung mit anderen Parlamenten und inter<strong>nationalen</strong> Akteuren sowie <strong>zur</strong> Begleitungder Europäischen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> unternahm der Beirat Delegationsreisen in verschiedene Länder,um über Inhalte und Prozesse nachhaltiger Entwicklung zu diskutieren. Dabei galt das Interesse sowohlden Ländern wie Großbritannien, Finnland und Schweden, in denen seit mehreren Jahren eine professionelle<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> umgesetzt wird, als auch den Staaten wie Spanien und Portugal, in denen dieser Prozessnoch am Anfang steht.Es ist deutlich geworden, dass unter einer nachhaltigen Entwicklung europaweit noch immer unterschiedlichepolitische Ansätze und Lösungsoptionen verstanden werden. Ein Ziel der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> derEuropäischen Union sollte es daher sein, eine Bündelung der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>n an<strong>zur</strong>egenund den länderübergreifenden Nachhaltigkeitsdialog zu fördern. Im Jahr 2005 hat der Beirat eine gutachtlicheStellungnahme <strong>zur</strong> Europäischen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> abgegeben.Bei der diesjährigen Auswärtigen Sitzung des Beirats in Brüssel war ein Schwerpunktthema die Fortschreibungder Europäischen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>. Im Gespräch mit dem Generalsekretariat der Europäischen


178 PARLAMENTARISCHER BEIRATKommission erörterten die Abgeordneten die bestehenden, vor allem zeitlichen Probleme einer Beteiligungdes Deutschen Bundestages am europäischen Fortschreibungsprozess. Die Abgeordneten des Beirats regtendeshalb an, die Beteiligungsfrist gerade bei der langfristig orientierten <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> deutlich zuverlängern.II. Aktuelle Aktivitäten des Beirats1. NachhaltigkeitsprüfungDer Beirat ist der Auffassung, dass für eine nachhaltige Entwicklung politische Ressortgrenzen überwundenwerden müssen und Nachhaltigkeit losgelöst von den zeitlichen Zwängen der Legislaturperioden alsGrundprinzip von Politik anerkannt werden muss. Um diesem langfristigen und ressortübergreifenden Anspruchan nachhaltige Entwicklung gerecht zu werden, sind Änderungen im Gesetzgebungsprozess erforderlich.Der Beirat empfiehlt, eine Nachhaltigkeitsprüfung einzuführen. Als zentraler und integraler Bestandteileiner Gesetzesfolgenabschätzung sollten neben den fiskalischen insbesondere mittel- und langfristige ökologische,ökonomische und soziale Folgen abgebildet werden.Der Beirat führte in der 16. Legislaturperiode zwei Anhörungen zu den Themen „Generationenbilanzen“sowie „Nachhaltigkeitsprüfung“ durch. Im Ergebnis dessen hat der Beirat in einem ersten Schritt im März <strong>2008</strong>Empfehlungen an die Bundesregierung beschlossen, um eine Nachhaltigkeitsprüfung in das Gesetzgebungsverfahrenaufzunehmen:Die derzeitige Fassung des § 44 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) sollum Nachhaltigkeitskriterien erweitert werden. In diesem Paragraphen werden die darzustellenden Gesetzesfolgenfür den Begründungsteil einer Gesetzesvorlage definiert. Eine Darstellung nachhaltigkeitsrelevanterPunkte muss bisher nicht erfolgen.Des Weiteren empfiehlt der Beirat in seinem Beschluss eine Änderung des § 47 GGO. Neben den dort aufgeführtenAdressaten einer frühzeitigen Zuleitung von Gesetzesvorlagen soll der Deutsche Bundestag hieraufgenommen werden. Diese frühzeitige Kenntnisnahme würde ihm die Möglichkeit eröffnen, eine ergänzendeGesetzesfolgenabschätzung nach Nachhaltigkeitskriterien rechtzeitig einzuleiten.Ungeachtet dieses Beschlusses wird der Beirat <strong>zur</strong> weiteren Optimierung des Gesetzgebungsprozesses unterAuswertung seiner Anhörungen „Nachhaltigkeitsprüfung“ und „Generationenbilanzen“ noch in dieser Legislaturperiodeeinen Bericht mit entsprechenden Empfehlungen vorlegen.2. ManagementsystemWollen wir eine Entwicklung der Nachhaltigkeit ernsthaft vorantreiben, so ist die allein vorausschauendePrüfung von Gesetzesfolgen nicht ausreichend. Das Leitbild „ nachhaltige Entwicklung“ sollte außerdem inForm eines Managementsystems auf allen Ebenen, in der Arbeit der Bundesregierung ebenso wie in der Parlamentsarbeit,ausgeweitet werden. Dazu zählen die Vereinbarung von konkreten Zielen, die den Handlungsbedarfdeutlich machen und eine regelmäßige Bewertung der Entwicklung, also ein Monitoring und Controllingder politischen Entscheidungen, das über Fortschritte berichtet und Ziele an sich ändernde Prioritäten anpasst.Ein solches System benötigt feste Zeitpläne, klare Verfahren und Zuständigkeiten.Denn ein Grund für die nicht zufrieden stellende Verankerung der deutschen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> inder Tagespolitik ist aus Sicht des Beirats die Unverbindlichkeit und Nichtbenennung von politischen Verantwortlichkeitenfür einzelne Ziele. Der Beirat würde es begrüßen, wenn eine bessere Verankerung der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>durch genauere Benennung der Verantwortlichkeiten möglich wäre.Der regelmäßig erscheinende <strong>Fortschrittsbericht</strong> der Bundesregierung und der 2006 veröffentlichte Indikatorenberichtsind hilfreiche Instrumente des Nachhaltigkeitsmanagements. Damit wird das Bestreben gefördert,Politik transparent und überprüfbar zu gestalten. Darüber hinaus muss jedoch als stetige Daueraufgabe


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND179auch außerhalb der Berichte ein verstärktes Augenmerk auf die Umsetzung festgelegter Ziele und angekündigterMaßnahmen gesetzt werden.3. Demografischer Wandel und nachhaltige InfrastrukturDer Beirat begrüßt, dass die Bundesregierung das Thema „ Demografischer Wandel – Chancen für einenstärkeren sozialen Zusammenhalt“ als Schwerpunkt der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> mit aufgenommenhat. Anders als im ersten Bericht „Perspektiven für Deutschland“ vom April 2002 wird hier die Problematikder Gewährleistung öffentlicher Daseinsvorsorge wie der sozialen und technischen Infrastruktur miteinbezogen.Bereits in der 15. Legislaturperiode hatte der Parlamentarische Beirat begonnen, sich mit dieser Frage zu befassen.Die Bundesregierung hat in ihrem „Wegweiser Nachhaltigkeit 2005“ erste Aufgabengebiete benannt,in denen Politik und Gesellschaft vor großen Herausforderungen stehen: Auch in Zukunft muss in strukturschwachenRäumen eine angemessene Lebensqualität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewährleistetwerden. Dazu gehören Verkehrsanbindung, Schulen, ärztliche Versorgung ebenso wie Geschäfte <strong>zur</strong> Deckungdes täglichen Bedarfs und Freizeiteinrichtungen. Die Angebote sollen sich an den regionalen Gegebenheitenund Potenzialen (z. B. der Altersstruktur der Bevölkerung) ausrichten. Dort, wo die Nachfrage und Potenzialesehr gering sind, sind neue Lösungen (z. B. mobile Dienste für ältere Menschen) zu entwickeln, um die Grundversorgungsicher zu stellen.Parlamentarischer BeiratDer Beirat hat diese Fragestellungen in einer öffentlichen Expertenanhörung aufgegriffen. Die Ergebnissewurden in einem Bericht zusammengefasst (Bundestagsdrucksache 16/4900). Dieser enthält konkrete Handlungsempfehlungenan die Bundesregierung in den Bereichen Stadt- und Raumentwicklung, Mobilität undTechnische Infrastruktur (Leitungsinfrastruktur). Der Beirat fordert u. a. eine verstärkte Prüfung von geplantenöffentlichen Infrastrukturinvestitionen auf ihre künftige Auslastung hin sowie, insbesondere im Rahmen derStädtebauförderung, die Förderung interkommunaler Kooperation und regionale Entwicklungskonzepte.Regionale Entwicklungspläne sollen Vorrang haben vor kommunalen. Weiterhin empfiehlt der Beirat u. a.,zu prüfen, ob und inwieweit Angebote der öffentlichen Daseinsvorsorge und des öffentlichen Personennahverkehrsflexibler erbracht werden und im Bereich der Ver- und Entsorgung ( Energie, Wasser etc.) dezentraleSysteme zum Einsatz kommen können. Überdies regt der Beirat im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung auchden verstärkten Einsatz schadstoffarmer Antriebe und Kraftstoffe und die weitere Verbesserung der Barrierefreiheitim öffentlichen Verkehr an. Eine ressortübergreifende Zusammenarbeit ist nach Auffassung des Beiratsunentbehrlich, um diese Ziele zu verwirklichen.Der Bericht wurde im Dezember 2007 mit Annahme einer fraktionsübergreifenden Entschließung vomBundestag beschlossen. Das federführende Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wirddarin aufgefordert, die Empfehlungen umzusetzen und darüber zu berichten sowie einen Entwurf für einenHandlungs- und Aktionsrahmen zum Umgang mit den Folgen der demografischen Entwicklung für den AusundUmbau der technischen und sozialen Infrastruktur zusammen mit den Ländern zu erarbeiten. Der Beiratbegrüßt in diesem Zusammenhang die inzwischen initiierten Modellvorhaben und erwartet konkrete Vorschlägefür angemessene Maßnahmen auf die Herausforderungen des demografischen Wandels im Bereichder sozialen und technischen Infrastruktur, insbesondere im ländlichen Raum.III. Nationale <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> der Bundesregierung1. Parlamentarische Begleitung von <strong>Fortschrittsbericht</strong> und Indikatorenbericht 2006Zu den Aufgaben des Beirats gehört die Begleitung der Arbeit der Bundesregierung an der Fortschreibungder <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>.Eine der ersten Aktivitäten des Beirats der 15. Wahlperiode war daher eine fraktionsübergreifende Stellungnahmezum <strong>Fortschrittsbericht</strong> 2004, die vom federführenden Umweltausschuss einstimmig verabschiedetund vom Deutschen Bundestag in seiner Sitzung am 2. Juni 2005 angenommen wurde (Bundestagsdrucksache


180 PARLAMENTARISCHER BEIRAT15/5399). Inhalt der Stellungnahme waren die Würdigung der erzielten Fortschritte als auch gezielte Kritikpunktean der Zwischenbilanz der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>.Entgegen der ursprünglichen Absicht, den <strong>Fortschrittsbericht</strong> regelmäßig alle zwei Jahre selber vorzulegen,beauftragte die Bundesregierung 2006 das Statistische Bundesamt, den „Indikatorenbericht 2006 ‚NachhaltigeEntwicklung in Deutschland’“ zu erstellen. Es ist zu begrüßen, dass die Evaluierung der Ziele der <strong>nationalen</strong><strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> erstmals in die Verantwortung des Statistischen Bundesamtes gelegt wurde. Dennder Bericht des Statistischen Bundesamtes ist eine objektive Darstellung von Zahlen und Entwicklungen ohnepolitische Wertungen. Viele der Indikatoren entwickeln sich in die richtige Richtung, dennoch ist bei einigenabzusehen, dass die gesetzten Ziele verfehlt werden. Im Ergebnis zeigt der Indikatorenbericht, dass es bislangnoch nicht gelungen ist, Nachhaltigkeit als roten Faden für Entscheidungen im Alltag von Politik, Wirtschaftund Gesellschaft durchzusetzen.2. Erwartungen an eine Nachhaltigkeitspolitik in den nächsten JahrenDer Beirat begrüßt das in der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> eingeführte Indikatorensystem, weil diesesInstrument Politik überprüfbar und messbar macht. Er hat aber Vorschläge für die Weiterentwicklung undKonkretisierung der Indikatoren vorgelegt.Darüber hinaus fordert der Beirat, die <strong>nationalen</strong> Ziele intensiver mit den Zielen der Europäischen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>und inter<strong>nationalen</strong> Verpflichtungen zu vernetzen.Für die Zukunft empfiehlt der Beirat der Bundesregierung über die oben genannten Punkte Nachhaltigkeitsprüfung,Managementsystem sowie Demografie und Infrastruktur hinaus eine stärkere Berücksichtigungfolgender Handlungsfelder:Bildung für eine nachhaltige EntwicklungDie Maßnahmen im Rahmen der Weltdekade „ Bildung für nachhaltige Entwicklung“ 2005 bis 2014, wie z. B.das Bund- Länder-Kommissions-Programm Transfer 21, sind in der Gesellschaft noch nicht ausreichend angekommen.Nach der Föderalismusreform müssen sich die Bundesländer dieses Themas stärker annehmen. Seinequerschnittsorientierte Verankerung in der Schul-, Berufs- und Hochschulausbildung muss gewährleistet seinund mit einer stärkeren Öffentlichkeitsarbeit verknüpft werden. Die Bildung von Gestaltungskompetenz zuentwickeln, ist zu fördern. Diese bedeutet nicht-nachhaltige Entwicklungen erkennen zu können und Wissenüber nachhaltige Entwicklung anwenden zu lernen. Dabei sollte die Programmgestaltung einer Bildung fürnachhaltige Entwicklung die demografische Entwicklung, Generationengerechtigkeit und das Defizit berücksichtigen,dass Bildung für nachhaltige Entwicklung immer noch vorwiegend nur an Gymnasien stattfindet.Nachhaltige Entwicklung ist vor allem ein Lernprozess, daher kommt der Bildung für eine nachhaltige Entwicklungeine zentrale Bedeutung zu: Durch die positive Prägung von Lebensstilen und des Verantwortungsbewusstseinseines jeden für künftige Generationen.Forschung und InnovationIn der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> wurde das Thema Forschung zu wenig beleuchtet. Auch imHinblick auf berufliche Zukunftsperspektiven künftiger Generationen ist die Forschung für eine nachhaltigeEntwicklung ein elementarer Baustein für die Wissensgesellschaft Deutschland. Es geht um die Sicherung vonChancen und Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten Welt. Der Beirat fordert u. a. die verstärkte Forschungnach nachhaltigen Energiequellen und Fahrzeugantrieben, die Erhöhung der Ressourcenproduktivitätund die Nutzung nachwachsender anstelle fossiler und begrenzter Rohstoffe.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND181PräventionDer demografische Wandel und eine älter werdende Gesellschaft erfordern verstärkte Investitionen in diePrävention. Es gilt die Kompetenzen von Patienten auszubauen, Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftlicheAufgabe wahrzunehmen und effektive Früherkennungsmaßnahmen flächendeckend zu etablieren.Zudem kann betriebliche Prävention dazu beitragen, Krankheiten zu verhindern, die Arbeits- und Lebenszufriedenheitzu erhöhen und Frühverrentung vorzubeugen. Dazu gehört auch die altersgerechte Gestaltungvon Arbeitsprozessen und -abläufen.Finanzen/ HaushaltSowohl die Verschuldung öffentlicher Haushalte als auch die Unterlassung notwendiger Investitionen sindHypotheken künftiger Generationen. Erforderliche öffentliche Investitionen dürfen nicht versäumt werden.Gleichzeitig müssen bei Investitionen ihr langfristiger Nutzen gegenüber den heutigen und künftigen Kostenabgewogen werden, um unnötige Lasten für nachfolgende Generationen zu vermeiden. Nach Jahrzehnten desSchuldenaufbaus hält der Beirat es für erforderlich, damit zu beginnen, über einen ausgeglichenen Bundeshaushalthinaus im Rahmen eines Konjunkturzyklus Haushaltsmehreinnahmen zu erwirtschaften und fürTilgungsleistungen zu verwenden, um somit politische Gestaltungsspielräume für jetzige und künftige Generationen<strong>zur</strong>ückzugewinnen. Dies muss als systematische Entschuldungsstrategie umgesetzt werden.Parlamentarischer BeiratBiologische VielfaltZurzeit schwindet die biologische Vielfalt weltweit in einer noch nie da gewesenen Geschwindigkeit. DerVerlust der genetischen Vielfalt, der Artenvielfalt und ganzer Ökosysteme bedeutet einerseits einen Wertverlustan sich, hat aber auch erhebliche negative wirtschaftliche und soziale Auswirkungen bis hin zu großerArmut der betroffenen Menschen und existenzieller Not. Die <strong>nationalen</strong> und inter<strong>nationalen</strong> Maßnahmen,die bislang ergriffen wurden, um den Verlust an biologischer Vielfalt entgegenzuwirken, reichen nicht aus.Ein wichtiger Beitrag <strong>zur</strong> Reduzierung des Artensterbens ist ein zusammenhängendes Netz von Naturschutzgebieten,gerade hierfür ist eine ausreichende Mittelausstattung notwendig.Dafür darf aber nicht der Naturschutz auf der gesamten Fläche vernachlässigt werden. Flächenversiegelung,industrielle Landwirtschaft und wachsendes Verkehrsaufkommen sind die zentralen Herausforderungenin Bezug auf den Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland. Eine wirksame Strategie <strong>zur</strong> Bekämpfung desFlächenverbrauchs fehlt bislang allerdings.Durch die Föderalismusreform I ist dem Bund der Auftrag für eine bundeseinheitliche Vollregelung mitauf den Weg gegeben worden. Der Bund sollte diesen Auftrag umfassend wahrnehmen. Die Abweichungsmöglichkeitenim Naturschutz sind eine Kompetenzverschiebung hin zu den Ländern. Sie erfordern von diesenneue Anstrengungen sowie ein hohes Maß an Abstimmung, da sonst Rechtsunsicherheit und eine weitereZersplitterung des Umweltrechts zu befürchten ist.Der Schutz der biologischen Vielfalt ist jedoch nicht allein staatliche Aufgabe, sondern ein gesamtgesellschaftlichesAnliegen, das Anstrengungen seitens der Industrie, der Land- und Forstwirtschaft und von jedemeinzelnen Bürger erfordert.Umgang mit knappen RessourcenDer absolute Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen steigt trotz vielfältiger Bemühungen der Materialeinsparungin fast allen Branchen weiter an.Für eine generationengerechte und nachhaltige Entwicklung muss der Ressourcenverbrauch insgesamtdrastisch reduziert und die bisherigen Anstrengungen in diesem Bereich massiv verstärkt werden. Auch bei der


182 PARLAMENTARISCHER BEIRATnotwendigen Substitution durch erneuerbare Ressourcen muss neben der Effizienz die langfristige Verfügbarkeit,die Umwelt- und Sozialverträglichkeit der Ressourcengewinnung, -verarbeitung und -nutzung vermehrtin den Fokus gerückt werden, wie die gegenwärtige Diskussion um Biokraftstoffe belegt.In einer <strong>nationalen</strong> Ressourcenstrategie müssen Effizienzsteigerung, Vermeidungs- und Verbrauchsminderungs-sowie Wiederverwendungsstrategien durch entsprechende Anreizsysteme gefördert werden. Die bisherigeAbfallpolitik muss eine echte Ressourcenpolitik werden. Ressourceneffizienz und Ressourcenschonungspielen vor allem für Produktionskosten eine herausragende Rolle. In den letzten Jahren sind aber die Preise fürwichtige Rohstoffe wie Metalle geradezu explodiert.IV. FazitDie Arbeit im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung verdeutlicht, dass es zu einer nachhaltigenPolitik keine Alternative gibt. Fraktionsübergreifend wird Nachhaltigkeit als Ziel politischen Handelnsanerkannt. Im politischen Alltagsgeschehen darf das Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung nicht aufgrundvon kurzfristigen Erwägungen missachtet werden. Unabhängig von Wahlterminen handelt es sich um einelangfristige und unumgängliche Daueraufgabe. Das gemeinsame Ziel, eine Nachhaltigkeitsprüfung innerhalbdes Gesetzgebungsprozesses noch in dieser Legislatur umzusetzen, verdeutlicht dies.Die Mitglieder des Beirats wollen in Zukunft durch ihre Arbeit in den Fraktionen, Fachausschüssen undPlenardebatten des Deutschen Bundestages dazu beitragen, das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung stärkerals bislang im parlamentarischen Prozess zu verankern. Der Beirat wird zudem die Aktivitäten der Bundesregierungweiter konstruktiv und kritisch begleiten und in seinem Wirkungskreis für eine stärkere Berücksichtigungvon Nachhaltigkeit in der politischen Praxis werben.Nachhaltigkeit als Gesamtaufgabe erfordert eine verstärkte Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen.Dazu will der Beirat seinen Beitrag leisten.


183FNachhaltigkeit als gesellschaftlicher Prozess– Beitrag des Rates für NachhaltigeEntwicklung – Erfurt, 3. Juli <strong>2008</strong>Ein VorschlagWarum engagieren wir uns?Wir sind berufen worden, um der Bundeskanzlerin Rat zu geben, Vorschläge zu machen und die Idee derNachhaltigkeit in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Wir engagieren uns in unserer persönlichen Verantwortung,mit unserer professionellen Kompetenz und unserem politischen Hintergrund – für unsere Enkel unddie Zukunft unserer Gesellschaft, soweit wir sie durch unser heutiges Handeln mitbestimmen. Wohin unsereGesellschaft treibt, sehen wir mit Sorge: vom massiven Klimawandel über Rohstoffkrisen bis hin <strong>zur</strong> Fragmentierungunserer Gesellschaft. Selbst die unmittelbar auf der Hand liegenden Chancen, aus dem Wandel der ZeitNutzen zu ziehen für Wirtschaft, Gemeinschaft und Politik, werden zu wenig genutzt.Es ist erkennbar,dass die Ernteerträge nicht schnell genug zu steigern sind, um die wachsende Weltbevölkerung in denStädten trotz des Schrumpfens der Anbaufläche und bei konkurrierenden Flächennutzungen in Zukunftauch nur halbwegs vernünftig ernähren zu können;dass die endlichen Brennstoffe nicht schnell genug durch erneuerbare Energiequellen ersetzt werdenkönnen, um der globalen Nachfrage-Explosion gerecht zu werden. Übergangstechnologien werden nichtentschieden an den Markt gebracht. Unterdessen übersteigt die tatsächliche, globale Emission von Treibhausgasenalle Annahmen, mit denen der Klimawandel prognostiziert wird;dass die Rohstoffpreise auf den globalen Märkten weiter steigen, ob für Dünger, Grundnahrungsmittel oderKupfer, Blei und Stahl. Weil dies neben vielen hausgemachten Einzelfaktoren und Finanzspekulationen vorallem auch mit dem Übergang von großen Volkswirtschaften aus der Kommando- und Mangelwirtschaftheraus zu tun hat, wird es die Chancen <strong>zur</strong> Bewältigung globaler Probleme vielfältig beeinflussen;dass nachhaltige Finanzanlagen einer guten Rendite schon längst nicht mehr widersprechen, aber weitermassiv Kapital in nicht zukunftsfähigen Finanzmärkten angelegt wird. Ein Irrglaube ist es anzunehmen,fossile Brennstoffe seien billiger als erneuerbare Energien. Diese Annahme geht nur solange auf, wie dieKosten nicht-nachhaltiger Ressourcennutzung von den Preisen ignoriert werden;dass unsere Bildungspolitik weit davon entfernt ist, Chancen für alle zu schaffen, während die großenPotenziale einer vorschulischen Bildung ungenutzt bleiben und die erheblichen Rückstande Deutschlandsim tertiären Bildungsbereich für ein Industrieland nicht akzeptabel sind.


184 RAT FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNGWenn uns diese Fakten nicht täuschen, liefert die Gegenwart tiefgehende Markierungen für die Geschichtsschreibung.Das Schmelzen der Polkappen, Hungerrevolten und Völkerwanderungen und die Verteilungskämpfeum die knapp werdenden Böden und das Wasser, die Ökonomie des Peak Oil mit Ressourcenpreisen,die ganze Volkswirtschaften vom Markt auszuschließen drohen – die Zeit läuft uns weg. Erfolge in Deutschlandwie die Reinhaltung der Flüsse, die Recyclingwirtschaft, die Bio-Lebensmittel und der Aufbau der erneuerbarenEnergien sind gut und nötig. Aber sie sind nicht genug.Panikmache ist es deshalb nicht, wenn Alarm gerufen wird. Wer wollte nicht hoffen, dass die Zeit für einUmsteuern noch ausreicht und die Voraussage nicht eintrifft? Dann hätte der Alarm seine Funktion doch aucherfüllt, denn niemand erfreut sich am Untergang.Gelebte Verantwortungbeginnt damit, klar zu sagen, wo man steht. Unsere Kinder und Kindeskinder werden uns mit Recht fragen:Habt ihr das nicht alles kommen sehen? Habt ihr nicht über die Erwärmung der Erde Bescheid gewusst? Habtihr nicht gewusst, wohin die Macht weniger über Öl, Gas und wichtige Rohstoffe führt?Was nicht hilft, ist das fatalistische Schuldgefühl im ungebremsten Weiterso. Auch die Bekenntnisse <strong>zur</strong>eigenen Hilflosigkeit sowie kleine Projekte für das gute Gewissen sind nicht das, was wir brauchen. Wir meinen:Wir müssen mehr Mut und die Kraft aufbringen, Dinge zu ändern, die wie in Stein gemeißelt erscheinen;gegen enorme Widerstände und wohl auch nicht ohne Verzicht auf manches, an das wir uns gewöhnt haben.Wir stehen nicht am Nullpunkt.Im Gegenteil, vieles wurde schon erreicht. Manchmal ist es schwer, das Neue, das schon da ist, im ständigenWechselspiel von Moden, Trends, verrückten Ideen und „Infos“ zu begreifen.Manche unserer Mitstreiter philosophieren teils skeptisch, teils verlegen darüber, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“zu sperrig und zu kraftlos sei. Das kritische Hinterfragen von Begriffsinhalten ist richtig, zumal derBegriff mitunter inhaltsleer verwendet wird. Ob aber der Begriff „Nachhaltigkeit“ tatsächlich ein linguistischesHindernis der deutschen Sprache ist, sei getrost dahingestellt. Jedenfalls gibt es keinen passenderen Ausdruck,und so wie er ist, ist er nützlich. Denn: Das Wort „Nachhaltigkeit“ greift tief. Wer es benutzt, macht sich auskunftspflichtig!Auskunft, was genau unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist, wo Grenzen in der Naturnutzungund im sozialen Zusammenhalt zu respektieren sind und Grenzen des Denkens verschoben werden müssen –das ist jede Debatte wert.Und: Können wir nicht stolz darauf sein, dass der Begriff in Deutschland zu einem Kurswechsel in der Forstwirtschaftgeführt hat? Das gilt es festzuhalten, trotz aller kritischen Erscheinungen in der seitherigenGeschichte der Waldbewirtschaftung. Kann uns diese Erfahrung nicht Mut und Kraft geben, immer erneut umden Inhalt des Begriffs zu streiten, und ihn neu zu füllen: die Klimabedrohung abzuwenden, der älter werdendenGesellschaft Neues ab<strong>zur</strong>ingen, uns um Zukunft zu kümmern?Nachhaltigkeit gibt es nicht zum Nulltarif. Es ist anstrengend, sich für nachhaltige Entwicklung einzusetzen.Die Bundesregierung tut Recht daran, ihre Ziele <strong>zur</strong> Nachhaltigkeit messbar zu machen. So gibt sie Auskunft,welche Wege sie gehen will. Diese Ziele und ihre Indikatoren haben wir – auf der Grundlage von Datender Bundesregierung – mit roten, gelben oder grünen Ampeln bewertet. Alle sollen wissen, woran wir sind.Im September 2007 legte der Nachhaltigkeitsrat die Hürde hoch. Für den <strong>Fortschrittsbericht</strong> der Bundesregierungforderte er mehr Verbindlichkeit im Nachhaltigkeitsmanagement der Bundesregierung. Davonverspricht sich der Rat eine wirksamere Strategie. Dass diese notwendig ist, beweist der „Ampelbericht“, derden 2006 erreichten Zwischenstand der Ziele der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> bewertet. Jetzt bilanziert die Bundesregierungden heute erreichten Fortschritt und schlägt neue Maßnahmen <strong>zur</strong> Wirksamkeit der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>vor.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND185Die rot/gelbe Mehrzahl der Ampelnmuss zu denken geben. Nachhaltigkeit braucht Visionen, aber unterm Strich müssen vor allem mehrkonkrete Ergebnisse sichtbar und wirksam werden. Das geht nur mit mehr Verbindlichkeit der Ziele und mitverbesserter Messung, ob die Ampeln auf Rot, Gelb oder Grün stehen. Wer permanent vor roten Ampeln steht,muss sich fragen, ob sein Weg richtig ist. Die falsche Konsequenz wäre, wenn die Verfehlung eines Zieles nichtzum Nachdenken darüber, was seinen Misserfolg bedingte und welche Strukturen zu seinem Erfolg beitragenkönnen führt. Falsch ist, ein solches Ziel einfach mutlos aufzugeben oder es trotzig zu verschärfen.Wissenschaft und Bildung sind dabei die wichtigsten langfristigen Hebel. Nachhaltigkeitspolitik ist Innovationspolitik,wobei darunter sowohl technische als auch soziale Innovationen gemeint sind. In Schulen,Ausbildung, in der Betriebspraxis, in Universitäten – überall zeigen engagierte Menschen schon heute, dassdie konkrete Beschäftigung mit den Herausforderungen, die eine nachhaltige Entwicklung global und vor Ortstellt, dabei hilft, Dinge (wieder) miteinander zu verbinden, die heute vielfach auseinanderfallen und verlorengehen: Wissen mit Begeisterung, Informationen mit Neugier, Forschen mit Erfolg und Lehren mit Zufriedenheit.Eine wirksamere <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> muss Forschung und Lehre auf allen Ebenen kompetent <strong>zur</strong>Wirkung bringen.Die roten Ampeln weisen aber auch auf das mangelhafte Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern undKommunen einerseits aber auch zwischen Staat, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Medien andererseits hin.Hier fehlt es am Mut zu neuen Verfahren zum Management von Zielen. Wer es ernst meint mit der Zukunftsfähigkeit,muss die Grenzen des politisch Machbaren verschieben. Ohne wesentliche Politikänderungen sindviele Ziele nicht zu erreichen. Die Ampelbilanz ist ein wichtiger Maßstab für die Fortschreibung der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>.Sie zeigt: Die Strategie muss ins Zentrum der Politik gerückt werden, um auf dem Weg <strong>zur</strong>Nachhaltigkeit schneller voranzukommen.Rat für Nachhaltige EntwicklungWenn das Kurzfristige mit dem Wichtigen verwechselt wird,dann werden die Weichen in die Zukunft falsch gestellt. Auch darauf machen die Ampeln aufmerksam. DieZeit, in der Politik von der Idee zum Handeln führen muss, ist immer irgendwie knapp. Die Folge im politischenBetrieb: Das Befristete und Kurzfristige hat automatisch Priorität. Der zeitliche Druck des Alltages definiert alles,was dringlich erscheint, zu dem, was als unwidersprochen „wichtig“ wahrgenommen wird. Das muss aberlängst nicht immer tatsächlich richtig sein. Längerfristiges kann jedoch in der Sache wichtiger sein; es kannmehr Konsequenzen haben, andere Dinge präjudizieren, Alternativen verstellen und ausschließen. Wer aberdas Befristete und das Wichtige verwechselt, der kann den Eigenwert des längerfristig Relevanten nicht erkennen.Er wird die Nachhaltigkeitspolitik nur als lästiges Aperçu zu seinem Tagwerk missverstehen.Langfristige und übergreifende Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung brauchen einen eigenenOrt, an dem die notwendige Auseinandersetzung kraftvoll und zukunftsorientiert geführt wird. Je langfristigerdie Auswirkungen nicht-nachhaltiger Trends, je komplexer das Feld der Akteure, je mehr es um Werte undLebensstile geht, desto wichtiger ist für die Nachhaltigkeits-Ziele, die Verbindlichkeiten und die Management-Aufgaben seitens Staat, Wirtschaft und Gesellschaft klar auszusprechen, Zielkonflikte offen zu legen undLernen zu ermöglichen. Das wünschen wir uns von einer wirkungsvollen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>.Positive Signaleaus Wirtschaft und Gesellschaft: Anders als noch vor wenigen Jahren ist Nachhaltigkeit in der Welt der Unternehmenund im Wettbewerb angekommen. Das ist auch höchste Zeit. Denn eigentlich spielten geschäftsfeldnaheThemen im Nachdenken über Wege <strong>zur</strong> nachhaltigen Entwicklung schon immer eine große Rolle.Während es jedoch in den 80er und 90er Jahren vorwiegend um Politik und Staat ging, holen verantwortlicheUnternehmen jetzt auf. Können sie sogar <strong>zur</strong> treibenden Kraft werden?Jenseits des Regierungshandelns signalisiert die Gesellschaft viele weitere Beispiele für ein konstruktivesund kreatives Aufgreifen der Nachhaltigkeitsidee. Künstler nehmen die Herausforderungen der Nachhaltigkeitbeispielhaft auf. Im Internet entstehen soziale Netzwerke von Menschen, die sich dem strategischen Kon-


186 RAT FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNGsum mit der Leitschnur Nachhaltigkeit verschreiben. Studenten initiieren neue Formen der Nachhaltigkeits-Diskussion an ihren Hochschulen. In Stadtentwicklung und Immobilienwirtschaft wird „Nachhaltigkeit undBauen“ mit neuen Konzepten zum Beispiel <strong>zur</strong> Kennzeichnung von Gebäuden und <strong>zur</strong> Lebenszeitbetrachtungvon Immobilien aufgegriffen. Das sind nur einige Beispiele. Sie stimmen positiv. Und sie zeichnen auch einklares Bild dessen, was dringlich fehlt.Was Nachhaltigkeit konkret bedeutet,wird noch viel zuwenig durch verständliche Informationen, Hilfestellungen, Zertifikate beantwortet. In seinemforstwirtschaftlichen Ursprung bedeutet Nachhaltigkeit, dass man nicht mehr Bäume fällt als nachwachsen.Auf das Wirtschaften und Konsumieren in einer Welt mit in wenigen Jahrzehnten neun Mrd. Menschenübertragen, ist die Sache nicht so einfach und muss in viele Richtungen ausgedeutet werden. Der Laie (d. h. wiralle, außerhalb unseres Experten-Lebens) braucht klare Orientierungen über Produkte, Dienstleistungen undUnternehmen, für sein eigenes Verhalten und die Politik.Um die Entscheidung an der Ladentheke für nachhaltig erzeugte Produkte zum Alltag zu machen, brauchenwir mehr und bessere Information.Um die politische Entscheidung über Gesetze und Verordnungen an der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> zu orientieren,brauchen wir einen Nachhaltigkeits-Check. Eine frühzeitige Nachhaltigkeitsprüfung im Gesetzgebungsverfahrenwird keine abschließende Lösung für alle Frage bieten, aber sie kann ein gutes Stück dazubeitragen, viel Ärger im Nachhinein zu ersparen.Um besser zu entscheiden, wie zukunftsfähiger Konsum aussieht, wo und wie Wohnungen gebaut werden,wie Mobilität erhalten und unnötiger Verkehr vermieden wird, wie das Wirtschaften vom Ressourcenverbrauchentkoppelt wird, wie wir die Umwelt nutzen ohne sie zu zerstören, brauchen wir ein Mehr anForschung und Bildung <strong>zur</strong> Nachhaltigkeit, das uns den Weg zu einer Forschungskultur <strong>zur</strong> Nachhaltigkeitaufzeigt, so wie einst Wilhelm von Humboldt seine Zeit mit der Einheit von Forschung und Lehre revolutionierte.Um die durchaus vorhandenen, vielen guten Vorschläge und Innovationen wirklich in die Praxis zu bringen,brauchen wir deutlich mehr und bessere Initiativen <strong>zur</strong> beruflichen Fortbildung und <strong>zur</strong> beruflichenBildung. Überall, wo man praktisch denkt und handwerklich arbeitet, gilt es, die nachhaltigen Lösungenauch anwendbar zu machen.Die 100 jüngsten Parlamentarieraus deutschen Städten und Gemeinden kamen im Juni <strong>2008</strong> erstmalig zu einer Konferenz zusammen. Nachhaltigkeitspolitikbraucht diese neue Art der Konsultation und Diskussion, nicht nur vom Format her, sondernauch hinsichtlich der Inhalte.Drei Tage lang bewegten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit stets wechselnden Aufgaben undFormaten vom konkreten Beispiel <strong>zur</strong> politischen Schlussfolgerung. Alle präsentierten zu Beginn konkrete Beispieleaus ihrem politischen Alltag. In Gruppen diskutierten sie gemeinsam relevante Probleme und Chancen.Es folgten Heißer-Stuhl-Debatten, Formulierung von Forderungen, Zwischenpräsentationen, Gesprächskreise,Feedback-Runden und Input von Mitgliedern des Nachhaltigkeitsrats und anderen politischen Experten.Das Ausmaß von Zustimmung und Ablehnung zu den Lösungsvorschlägen wurde am Ende per TED-Umfrageermittelt. Das wichtigste Ergebnis ist: Die grundlegende politische Herausforderung einer generationengerechten,umweltbewussten und wettbewerbsfähigen Zukunftspolitik ist im politischen Handeln und in denKonzepten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer klar ablesbar. Für die junge Politik hat Nachhaltigkeit einklares Profil.Ein klares Signal gab es beispielsweise für ein Überdenken der ökonomischen Dimension von Nachhaltigkeit.Ganz überwiegend war man der Meinung, dass die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Vorhaben ent-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND187scheidend auch die langfristigen Veränderungen der Rahmenbedingungen, Lebenszeitkosten von Produktenund Gebäuden, die Verhältnismäßigkeit von Kosten und Nutzen und den Gerechtigkeitsaspekt berücksichtigenmuss. Eine transparentere und verlässlichere Ausgabenplanung wurde angemahnt; hierzu wird gefordert,dass die Kommunalpolitiker umfassend über die neuen Möglichkeiten der Haushaltsführung und Steuerungder Verwaltung informiert werden.Die Bundesebene wird aufgefordert, den Austausch mit den Kommunen zu suchen und ein Informationsnetzwerkmit Stabsstellen auf allen politischen Ebenen in Gang zu setzen, um Nachhaltigkeitspolitik besserzu kommunizieren. Ehrenamtskarten, Kooperation mit den Nachbarn, die Einführung eines Nachhaltigkeits-Checks, die Förderung von Austausch und Kooperation zwischen den Generationen, das Bekenntnis <strong>zur</strong> Einwanderungin Deutschland, die Förderung des Ehrenamtes – das sind nur einige weitere Diskussionsergebnisse.Nachhaltigkeit muss vor Ortankommen. Große Ziele und Konzepte gibt es (fürs Erste) genug, was uns hingegen fehlt, sind konkreteVerfahren und Prozesse, sie umzusetzen und zu handhaben, ihnen Verbindlichkeit zu geben und gesellschaftlicheVerantwortung in persönliche Kompetenz münden zu lassen. Auch dies ist ein Ergebnis derKonferenz der 100 jüngsten Kommunalparlamentarier. Die Teilnehmer machten aber auch deutlich, dass eslängst viele gute Beispiele in der Politik gibt. Der Blick aufs Ganze darf nicht <strong>zur</strong> Floskel für die Sonntagsredeerstarren. Nachhaltigkeit muss endlich <strong>zur</strong> Kategorie für Montag bis Freitag werden. Politik muss dabei auchein Stück weit neu erfunden werden, sonst bleibt die Idee der Nachhaltigkeit im Unverbindlichen stecken.Rat für Nachhaltige EntwicklungNachhaltigkeit muss vor Ort ankommen. Einerseits. Und die praktischen Erfahrungen der lokalen Ebenemüssen stärker als bisher in der Politik wahrgenommen werden. Als Rat halten wir unsere Arbeitssitzungennicht nur in Berlin, sondern regelmäßig auch vor Ort ab, zuletzt in Erfurt. Gespräche mit den Akteuren ausWirtschaft, den Schulen und Bildungsträgern, Umweltgruppen und politisch Verantwortlichen der Stadt unddes Landes bestätigen uns, wie wichtig Strategien <strong>zur</strong> konkreten Umsetzung sind.Die Kultur der Anerkennungist eine oft sträflich ignorierte Ressource. Gute Beispiele für Nachhaltigkeits-Initiativen gibt es in der Wirtschaftbei großen und kleinen Betrieben. Es gibt sie auch vielerorten auf lokaler Ebene. Mit der Auszeichnungim Rahmen der Aktion „Bürger initiieren Nachhaltigkeit“ hat die Bundesregierung 2005/2006 einen erstenrichtigen Schritt gemacht. Der Erfolg von Ideen und Initiativen hängt oft mehr von der Anerkennung ab alsvom Geld allein. Die Nachhaltigkeitspolitik hat hier Nachholbedarf. Wir sollten in Zukunft viel stärker auf denWettbewerb der Ideen setzen.Mehr Anerkennung zollen sollten wir auch unseren europäischen Nachbarn, die fast alle neue und eigeneWege <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> beschreiten oder gerade dabei sind, diese für sich zu erschließen. Die politischeKultur innerhalb von Europa ist so differenziert, dass die konkreten Schritte zu <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>nein großes Reservoir an Ideen und Konzepten sind. Die Geschichte Europas kennt viele Beispiele dafür, dasssich europäische Identität durch den Austausch von Waren und Ideen herausbildet. Die Konferenz „EuropeanSustainability Berlin 2007“, mit der der Nachhaltigkeitsrat im Auftrag der Bundesregierung <strong>zur</strong> deutschen EU-Ratspräsidentschaft beitrug, hat den Meinungs- und Ideenaustausch vorangetrieben.Von Jahr zu Jahr und immer neukommunizieren wir in Jugendprojekten die Idee der Nachhaltigkeit. Ob mit Hauptschülern in Tanzprojekten,ob in Literaturwettbewerben oder mit Aktionstagen, Modeschauen, Ideenwettbewerben, Kinospots <strong>zur</strong>Nachhaltigkeit: die „Mission Sustainability“ funktioniert.Unsere Projekte zeigen, was machbar ist. Sie zeigen, dass man die Idee der Nachhaltigkeit durchaus Menschennahebringen kann, die nicht zum immer gleichen Kreis der Experten zählen. Kreativität und Prozess-


188 RAT FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNGdenken sind wichtig; entscheidend ist das Konzept, die Idee der Nachhaltigkeit zum Thema für Stil, Sinn undKultur des Lebens zu machen.Mit der Kapazität des Nachhaltigkeitsrats können wir nur an Beispielen aufzeigen, was Nachhaltigkeits-Kommunikation kann. Was sich im Kleinen beweist, muss aber endlich auch im Großen aufgegriffen werden,zum Beispiel von Stiftungen, Unternehmen und Institutionen.Wirkungen erzielthaben wir vor allem in drei Themen der Nachhaltigkeitspolitik. Gemeinsam ist ihnen, dass sie nicht demklassischen Politik-Schema folgen, das einem Problem eine Zuständigkeit zuordnet und es mit einem Gesetzoder einer Fördermaßnahme löst. Unsere Fragestellungen sind komplexer. Die Wirkungen sind komplex undbetreffen die ganze Gesellschaft.Schon 2003 haben wir nach dem zukunftsfähigen Energiemix und nach der Stellung des EnergieträgersKohle gefragt. Das Wachrütteln des „schlafenden Riesen“ Energieeffizienz haben wir gefordert, als er nochtief schlief und mehr Geld für die Energieforschung gefordert, als die Etat-Ziffern nach unten zeigten. An dieUnternehmen und die Bundesregierung richteten wir unsere Empfehlung <strong>zur</strong> Unternehmensverantwortung( Corporate Social Responsibility – CSR), um die Blockade zwischen Freiwilligkeit und gesetzlichen Vorgaben zulösen. Unserem Vorschlag, die Fläche für den Neubau von Straßen und Wohngebieten auf täglich 30 ha stattder üblichen weit über 100 ha pro Tag zu begrenzen und dies bis 2020 zu schaffen, begegneten viele Fachleutemit Skepsis, ob das realistisch ist. Keiner jedoch bezweifelt, dass es wünschenswert wäre und hohe Innovationenfür eine Gesellschaft im demografischen Übergang bringen könnte. Was das Bewusstsein für das Flächenthemaangeht, haben wir Wirkungen erzielt; eine tatsächliche Senkung des Flächenverbrauchs haben wirindessen nicht erreicht.Wirkungen erzielt haben wir durch Intervention und Dialog, die quer zu Hierarchien und Interessengruppierungengehen. Mit Intervention, Vorschlag und Gegenrede ermuntern wir zu Aktionen, seien esForschungs- und Dialogprogramme, unternehmerische Aktionen, landes- und kommunalpolitische Entscheidungenund „Agenda-Setting“. Wirkungen in und auf die Gesellschaft zu erzielen, verlangt, Grenzen und Abgrenzungenin Frage zu stellen und neue Sichten auf alte Probleme zu erzeugen. Die praktische Resonanz vonNachhaltigkeitsdenken in der Gesellschaft ist positiver als die Ampel-Bilanz der Ziele der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>denken lässt. Weil wir aber von einer wirklich nachhaltigen Entwicklung noch weit entfernt sind, greifenwir diese Themen weiter auf.Angesichts der Herausforderungen globaler Märktebeobachten wir jetzt einen gewandelten Rahmen der unternehmerischen Verantwortung <strong>zur</strong> Nachhaltigkeit(CSR). Fortschrittliche Unternehmen entwickeln ein eigenes Profil, wie sie mit ihren Produkten undDienstleistungen den Herausforderungen der Zukunft begegnen. Sie machen Corporate Social Responsibilityzu einem wichtigen Bestandteil für verlässliche Geschäftsbeziehungen und Wertschöpfungsketten. Auchmittelständische Betriebe müssen als Innovationsträger und Zulieferer internationaler Märkte zunehmendauskunftsfähig über ihre Produktionsprozesse sein. Es kristallisieren sich Standards für ein gutes Nachhaltigkeitsmanagementheraus. Transparenz spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Beispielgebende Unternehmen– insgesamt aber noch zu wenige – haben in der jüngsten Zeit mit ihren Nachhaltigkeits- oder CSR-Berichtenden Trend gesetzt. Es ist ein Wettbewerb um die beste Lösung entstanden. Diesen Wettbewerb fördert derRat für Nachhaltige Entwicklung. U. a. unterstützen wir das Ranking der Nachhaltigkeitsberichte, mit demdas Institut für ökologisches Wirtschaften und Future e. V. die Leistungen der Unternehmen vergleichen.Politisch geht es darum, die Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung weiter an<strong>zur</strong>egen und dieVerlässlichkeit von Informationen von Unternehmen sicherzustellen. Aber es geht auch darum, den Staat anseiner Verantwortung insbesondere bei der öffentlichen Beschaffung zu messen.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND189Wer in einen Dialog eintritt,ist nicht mehr unabhängig vom Dialogpartner. Keine Antwort ist unabhängig von der Frage. Die Anbindungdes Nachhaltigkeitsrats an höchster Stelle der Regierung ist ein Signal für politische Aufmerksamkeit,aber auch eines an die Qualität der Beratung.Die Debatte um Nachhaltigkeit geht nur in Teilhabe, nicht durch fingerzeigende Vorhaltungen. Unser Ratwiegt nur dann, wenn wir unsere eigene Verantwortung deutlich machen. Mit diesem Grundsatz muss jederbei sich anfangen. Für den Staat bedeutet das ganz praktisch und aktuell, dass die öffentliche Hand die öffentlicheBeschaffung reformieren muss.Wir wollen dazu beitragen, veraltete Denkschablonen und -Grenzen zu verschieben und neue Optionen zueröffnen. Denn die Idee der Nachhaltigkeit ist noch nicht da, wo sie als Kompass <strong>zur</strong> Gestaltung von Politik undWirtschaft hingehört. Im Alltag verblasst sie allzu oft <strong>zur</strong> administrativen Pflichtübung. Auf dem politischenNebengleis aber wäre sie überflüssig.Wir schlagen vor,Rat für Nachhaltige Entwicklungdass die Bundesregierung ihren Beitrag <strong>zur</strong> Weltausstellung 2010 in Shanghai dazu nutzt, die deutsche<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> umfassend der inter<strong>nationalen</strong> Öffentlichkeit vorzustellen. Wir halten es für sinnvoll,die Präsentation im deutschen Pavillon zu einer Plattform zu machen, um nationale und globale Wege <strong>zur</strong>nachhaltigen Entwicklung zu diskutieren. Wir glauben, dass die nationale <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> sehr guteAnknüpfungspunkte hierzu liefert.Gute Anknüpfungspunkte liefert sowohl die technologische Kompetenz Deutschlands als auch die Art, wieNachhaltigkeit in der Gesellschaft zum Thema für Stil, Sinn und Kultur des Lebens gemacht wird. Auch die neuenAnsätze des nachhaltigen Bauens und die Gestaltung des demografischen Wandels in Deutschland treffenauf hohes internationales Interesse. Mit Blick auf die Entwicklungsdynamik des Gastgeberlandes der Weltausstellungist ein explizites Profil Deutschlands <strong>zur</strong> nachhaltigen Entwicklung ein gutes Diskussionsangebot.Wir schlagen <strong>zur</strong> Vorbereitung dieser Präsentation vor, eine Konferenz der Bundesregierung, der Länderund der Kommunen zu den Perspektiven der nachhaltigen Entwicklung abzuhalten. Sie sollte die politischenGrundsätze einer gemeinsamen Verantwortung bei unterschiedlicher Zuständigkeit formulieren und die Verbindlichkeitund Steuerungswirkung der <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> entscheidend verbessern.Wir halten es für unerlässlich, die Verbindlichkeit der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> zu stärken und die staatlichenInvestitionen und Beschaffungen nachprüfbar daran aus<strong>zur</strong>ichten.


190GNachhaltigkeit in den Ländern– Beitrag der Länder –Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder der Bundesrepublik DeutschlandBerlin, 12. Juni <strong>2008</strong>Nachhaltige Entwicklung findet als gesellschaftlicher und politischer Prozess auf allen Ebenen statt. Strategienund Konzepte <strong>zur</strong> Förderung einer nachhaltigen Entwicklung liegen auf VN-, EU-, nationaler, Landes- undkommunaler Ebene vor. Diese Initiativen dürfen nicht isoliert voneinander stehen. Es müssen vielmehr Verknüpfungenhergestellt und Synergien genutzt werden.Die Länder begrüßen deshalb sehr die Einladung der Bundesregierung, sich mit einem gemeinsamen Beitragam <strong>Fortschrittsbericht</strong> <strong>zur</strong> Nationalen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> zu beteiligen. Dies könnte nach Auffassungder Länder den Auftakt zu einer langfristigen, engeren Zusammenarbeit im Bereich der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>nbilden. Die Länder halten einen vertieften Austausch zu den Themenschwerpunkten nachhaltigerEntwicklung und strukturellen Fragen von <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>n für erforderlich und bieten der Bundesregierungihre Kooperation an.Um auf breiter Basis einen signifikanten Beitrag für die <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> des Bundes zu erzielen,sollten die Länder grundsätzlich bereits in der Konzeptionsphase entsprechend ihrer föderalen Rolle einbezogenwerden. Dadurch könnte aus Sicht der Länder eine deutlichere inhaltliche Verzahnung und erhöhte Wirkkraftder <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>n und -prozesse auf Bundes- und Länderebene erzielt werden. Die Länderbieten hierzu einen konstruktiven Dialog an.Nachhaltige Entwicklung lässt sich nicht verordnen, sondern muss im Dialog mit den jeweiligen Akteurenund unter Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen erfolgen. Gerade die Länder und Kommunen spielen hieraufgrund ihrer Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern sowie <strong>zur</strong> Wirtschaft und anderen gesellschaftlichenBereichen eine wichtige Rolle. Die Länder sehen in einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern,Kommunen sowie privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren eine Chance, weitereSynergieeffekte für den Prozess der nachhaltigen Entwicklung in Deutschland zu nutzen.I. Vielfalt der Politikansätze und Erfahrungen mit <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>n in den LändernDie Länder bekennen sich <strong>zur</strong> Nachhaltigkeit als Ziel ihrer jeweiligen Landesentwicklung. Entsprechendwurden in den Ländern vielfältige und unterschiedliche Strukturen geschaffen, um die relevanten Zukunftsthemenangemessen zu diskutieren und umzusetzen.Unterschiedliche Voraussetzungen, Erfahrungen und Herausforderungen sind gute Gründe dafür, dassdie Länder verschiedene Wege einer nachhaltigen Entwicklung beschreiten. Manche Länder haben sich fürden übergreifend strategischen Ansatz entschieden, andere wiederum diskutieren Nachhaltigkeit themenundprojektorientiert.Einige Länder haben Dialog- und Konsultationsprozesse <strong>zur</strong> Erarbeitung gemeinsamer Zielvorstellungenfür eine nachhaltige Entwicklung auf den Weg gebracht. Andere Länder haben landesweite Agenda-Prozesseinitiiert. In mehreren Ländern wurden eigene, umfassende <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>n gestartet. Im Bereich


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND191nachhaltigen Wirtschaftens sind die auf Länderebene bestehenden Umweltpartnerschaften beispielhaftdafür, wie Kooperationen zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren <strong>zur</strong> Förderung der Prinzipieneiner nachhaltigen Entwicklung ausgestaltet werden können.Das Spektrum an behandelten Themen ist dabei breit, wobei es große Übereinstimmungen in der Schwerpunktsetzungbei den Ländern, aber auch zwischen Bund und Ländern gibt. Die Themenfelder reichen vonEnergie und Klimaschutz, demografischem Wandel, Mobilität, Arbeit und Wirtschaft, Entwicklung von Städtenund Regionen bis hin zu Bildung und Forschung.LänderNach den Erfahrungen der Länder mit Initiativen auf verschiedensten Ebenen <strong>zur</strong> Förderung einer nachhaltigenEntwicklung haben sich beispielsweise folgende Ansätze bewährt:Einbindung gesellschaftlicher AkteureNachhaltige Entwicklung ist als partizipativer Prozess nicht nur Sache von Politik und Verwaltung, sondernsollte von der aktiven Teilnahme gesellschaftlicher Gruppen mitgetragen werden. Dabei ist es aus Sichtder Länder hilfreich, den gesellschaftlichen Akteuren eine aktive Rolle zuzuweisen und sie unmittelbar inden Prozess der Strategiebildung einzubinden.Entwicklung klarer ZielsetzungenUm das Leitbild der Nachhaltigkeit konkreter zu fassen, haben viele Länder klare Ziele formuliert. Diesestellen einen langfristigen Orientierungsrahmen für alle Akteure dar und geben sowohl Planungssicherheitals auch Handlungsorientierung. Mit Hilfe geeigneter Indikatoren, die auf der Grundlage der vereinbartenZiele erstellt wurden, kann der Umsetzungsstand der Ziele überprüft werden.Die Länder bieten an, ihre Erfahrungen in eine Diskussion mit dem Bund einzubringen und würden esbegrüßen, wenn dies bereits in den frühen Phasen der Zielentwicklung erfolgen könnte. Dies gilt besondersfür die Themenbereiche, in denen die Länder eine maßgebliche Rolle bei der Umsetzung haben.Konkrete Umsetzung nachhaltiger EntwicklungNachhaltigkeit kann als abstraktes Leitbild keine Schlagkraft entfalten. Zudem sollten <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>nnicht anderen Politik- und Gesellschaftsbereichen übergeordnet sein. Dies würde den Handlungsspielraumder Akteure einengen und jede <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> überfordern. Die Länder haben deshalb Themenbereichebzw. Handlungsfelder definiert, um in diesen Nachhaltigkeit mit konkreten Aktionen, Projektenund Initiativen zu unterlegen. Dadurch wird das Thema Nachhaltigkeit auch für eine breite Öffentlichkeitdeutlich und erfahrbar.Die erfolgreiche Umsetzung eines zentralen Themas der Nachhaltigkeit in den Ländern soll an dem BeispielBildung für nachhaltige Entwicklung aufgezeigt werden.Bildung für nachhaltige EntwicklungBildung ist einer der zentralen Schlüssel, um das Leitbild der Nachhaltigkeit mit Leben zu füllen und alsgelebte Handlungsmaxime breit zu verankern.Auf Grund der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern – nicht zuletzt gestärkt durch die Ergebnisseder Föderalismusreform vom Sommer 2006 – liegt die Verantwortung für die Ausgestaltung der Bildungspolitikin besonderem Maße bei den Ländern. Die Länder engagieren sich in föderaler Vielfalt und mit konkretenMaßnahmen und Programmen im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung. Insbesondere leisten dieLänder damit wichtige Beiträge <strong>zur</strong> Unterstützung der UN-Dekade „ Bildung für nachhaltige Entwicklung“.


192 LÄNDERMit der UN-Dekade „ Bildung für nachhaltige Entwicklung“ von 2005 bis 2014 wurden von den VereintenNationen die globale Bedeutung der nachhaltigkeitsbezogenen Bildung hervorgehoben und der Rahmen fürihre Förderung und Intensivierung geschaffen. Die Regierungen wurden aufgerufen, Maßnahmen <strong>zur</strong> Förderungder Weltdekade „ Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in ihre Bildungsstrategien und Aktionspläneaufzunehmen.Mit der bundesweiten Koordination der Dekadeaktivitäten wurde das dafür gegründete Nationalkomiteebetraut. Die rd. 30 Mitglieder decken ein breites Spektrum der Bildungslandschaft für nachhaltige Entwicklungin Deutschland ab. Die Länder bringen sich über die Umwelt- und Kultusressorts sowohl im Nationalkomiteeals auch am Runden Tisch aktiv ein.Weiterhin engagieren sich die Länder im Rahmen der Fortschreibung des Nationalen Maßnahmenkatalogessowie mit vielfältigen Veranstaltungen bei der diesjährigen bundesweiten Aktionswoche der DeutschenUNESCO-Kommission vom 19. bis 28. September <strong>2008</strong>.Durch regional und lokal verankerte Bildungsmaßnahmen gewinnt der Nationale Aktionsplan Substanzund der Nachhaltigkeitsprozess erhält die erforderliche Breitenwirkung. Hieran haben die für ihren Vorbildcharakterausgezeichneten regionalen und lokalen Projekte <strong>zur</strong> Unterstützung der UN-Dekade (sog. „Dekadeprojekte“)wesentlichen Anteil. Die Aktivitäten von Ländern und Kommunen <strong>zur</strong> UN-Dekade sind damit einetragende Säule der bundesweiten Nachhaltigkeitsaktivitäten.Die gute Verankerung und Öffentlichkeitswirksamkeit der UN-Dekade „ Bildung für nachhaltige Entwicklung“ist nicht nur für die Schule, sondern auch für alle anderen Bildungsbereiche eine wertvolle Instanz beider Revision der bestehenden Bildungsansätze. Inhaltlich werden mit den Länderbeiträgen <strong>zur</strong> UN-Dekadefolgende Themen einer nachhaltigen Entwicklung aufgegriffen: Energie und Klimaschutz, Biodiversität undLebensräume, Wasser und Boden, Konsum und Lebensstile, generationenübergreifender Zusammenhalt,Mobilität, Bauen und Wohnen, Gesundheit, Ernährung, Armutsbekämpfung, Lebensqualität, Menschenrechteund Demokratie, internationale Zusammenarbeit sowie Migration und kulturelle Vielfalt.Der Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit unter den Ländern erfolgt insbesondere über die Umwelt-und Kultusministerkonferenz der Länder. Die Länder sehen es als notwendig an, diese Zusammenarbeitauch auf andere Ebenen auszudehnen.Die Länder regen an, die strukturellen Maßnahmen im Bereich der UN-Dekade „ Bildung für nachhaltigeEntwicklung“ dahingehend zu prüfen, ob sich daraus Anregungen für eine verstärkte horizontale und vertikaleVernetzung bei anderen Themen der Nationalen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> ergeben können.II. Entwicklung von NachhaltigkeitsindikatorenDie Umsetzung nachhaltiger Entwicklung ist ein langfristiger Prozess, in dessen Verlauf die Resultate vonProgrammen, Projekten und Maßnahmen oft nur auf lange Sicht wirksam und erkennbar werden. WichtigerBestandteil eines solchen Politikentwurfes ist daher eine wissenschaftlich fundierte Kontrolle, ob die Maßnahmengreifen und zum gewünschten Ziel führen. Hierzu dienen Indikatoren als Instrumente des strategischenControllings.Die Länder haben schon frühzeitig auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet: zunächst mit Indikatorenfür die kommunale Ebene, wo aus verschiedenen länderübergreifenden Projekten schließlich ein allgemeinanerkannter Satz an kommunalen Nachhaltigkeitsindikatoren entstanden ist (LINK 21). Schließlich auch fürdie Bundesländer selbst, wo ein von allen Ländern gemeinsam entwickelter und getragener sowie 2003 vonder Umweltministerkonferenz verabschiedeter Satz an 24 umweltbezogenen Nachhaltigkeitsindikatoren imEinsatz ist. Der erste Indikatorenbericht wurde 2005 veröffentlicht und 2007 fortgeschrieben. Diese Berichtezeigen anschaulich Entwicklungen und Trends im Umweltbereich.Ziel muss es aber sein, zu allen relevanten Themenbereichen einer nachhaltigen Entwicklung länderspezifischeAussagen und Prognosen vornehmen zu können. Die Einbeziehung der Themenbereiche Wirtschaft und


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND193Soziales neben dem Themenbereich Umwelt vervollständigt nicht nur das Bild, sondern ermöglicht auch dieBerücksichtigung sich gegenseitig beeinflussender Entwicklungen im Rahmen der Gesamtbetrachtung.Bei der Entwicklung eines abgestimmten Satzes an sozioökonomischen Indikatoren erwarten die Länder –wie bei den Umweltindikatoren geschehen – Engagement und Unterstützung durch den Bund mit seinen Fachbehörden.Dabei ist zu berücksichtigen, dass in vielen Fällen sowohl Datengrundlagen als auch ErhebungsundBerechnungsmethoden für die Ebene der Länder von denen des Bundes abweichen. Eine oft gewünschteVergleichbarkeit der Entwicklung oder des Entwicklungsstandes ist daher meist weder in vertikaler Sicht – vonBund über Länder bis hin zu Kommunen – noch in horizontaler Sicht – zwischen den Ländern – möglich.LänderDie Länder legen großen Wert auf die Feststellung, dass – wie im Umweltbereich gezeigt – kein zusätzlicherErhebungsaufwand für die Ermittlung notwendiger Daten entsteht. Vielmehr kann durch ein abgestimmtesVorgehen eine Verwertung vorhandener statistischer Daten erfolgen und so ohne weiteren Erhebungsaufwandein Informationsmehrwert erzielt werden.III. Schwerpunktthemen der Nationalen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>Die Bundesregierung hat sich entschlossen, im <strong>Fortschrittsbericht</strong> <strong>2008</strong> – anders als noch 2004 – dasThema Nachhaltigkeit anhand dreier Schwerpunktthemen – Klima und Energieeffizienz, nachhaltige Rohstoffwirtschaftund demografischer Wandel – besonders zu vertiefen und ihre <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> aufdiesen Feldern inhaltlich und konzeptionell weiterzuentwickeln. Die Fortschritte auf anderen Politikfeldernder Nachhaltigkeit finden sich gegenüber den im <strong>Fortschrittsbericht</strong> <strong>2008</strong> benannten Schwerpunkten nurin einer kompakteren Darstellung wieder. Die Länder gehen davon aus, dass die bisherigen Themen derNationalen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> wie z. B. Reduzierung der Flächeninanspruchnahme, Erhalt der biologischenVielfalt und Bildung für nachhaltige Entwicklung von der Bundesregierung intensiv weiter betriebenwerden.Die Länder werden sich weiterhin bei der Bearbeitung der nachfolgenden Themen der Nationalen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>in ihren jeweiligen Regelungskompetenzen engagieren und somit den Gesamtprozessunterstützen.Schwerpunktthema „ Klimaschutz“Die Länder werden sich umfassend in die Ausgestaltung und Umsetzung der von der Bundesregierungin den „Eckpunkten für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm“ (Meseberg, August 2007) vorgeschlagenenMaßnahmen einbringen. Die „Bund- Länder-Arbeitsgemeinschaft Klima, Energie, Mobilität – Nachhaltigkeit(BLAG KliNa)“ hat den Auftrag der Umweltministerkonferenz, die Umsetzung der <strong>nationalen</strong> undeuropäischen Maßnahmen <strong>zur</strong> integrierten Klima- und Energiepolitik zu begleiten, sich insbesondere mitden Eckpunkten von Meseberg auseinander zu setzen und Vorschläge aus Sicht der Länder zu entwickeln. Dasbetrifft speziell die Säulen Energieeinsparung, Energieeffizienz und erneuerbare Energien unter Einschluss deranstehenden Maßnahmen <strong>zur</strong> Minderung der Emissionen im Verkehr. Darüber hinaus werden ein Konzept <strong>zur</strong>Beteiligung der Kommunen sowie weitergehende Vorschläge im Bereich eines integrierten Klimaschutz- undEnergierechtes entwickelt.Schwerpunktthema „ Demografischer Wandel“Der Umgang mit den Herausforderungen des demografischen Wandels erfordert grundsätzlich neueIdeen. Zur Bewältigung des demografischen Wandels gibt es kein Erfolgsrezept. Vielmehr müssen Lösungsansätzevorausschauend erarbeitet werden und an die spezifischen regionalen Situationen angepasst sein.Die Länder halten die Bearbeitung des demografischen Wandels als Schwerpunktthema der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>für wichtig. Sie haben großes Interesse, die bestehenden Kooperationen mit dem Bund zu vertiefenund ihre Erfahrungen bei der Erarbeitung und Umsetzung von Konzepten <strong>zur</strong> zukunftsfähigen Entwicklungstädtischer und ländlicher Regionen einzubringen.


194 LÄNDERSchwerpunktthema „Nachhaltige Ressourcenwirtschaft“Auch beim Schwerpunktthema „Nachhaltige Ressourcenwirtschaft“ bieten die Länder der Bundesregierungihre Kooperation an. Die Länder verfügen hierbei über ein breites Spektrum an Aktivitäten. Dieses reichtvon den Umweltpartnerschaften auf Länderebene, die das Ziel haben, Ressourcen schonende Produktions- undWirtschaftsweisen zu befördern, über Landesförderprogramme im Bereich des betrieblichen Umweltschutzes,die Förderung des betrieblichen Energie- und Stoffstrommanagements bis hin zu Förderschwerpunkten fürinnovative, umweltfreundliche Technologien.Verstetigung von SchwerpunktthemenÜber diese für den <strong>Fortschrittsbericht</strong> <strong>2008</strong> benannten Schwerpunkte hinaus kommt aus Sicht der Länderweiteren Themen besondere Bedeutung für eine Behandlung im Rahmen einer Nationalen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>zu. Dazu zählen neben dem bereits erwähnten Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung auchThemen wie die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke und der Erhaltder biologischen Vielfalt. Fortschritte können nur durch eine kontinuierliche Bearbeitung der Themenkomplexeerzielt werden.Beim Thema Reduzierung der Neuinanspruchnahme von Flächen haben die Länder vielfältige Aktivitätengestartet. Sie zeigen, wie eine nachhaltige Flächenpolitik konsequent, unter besonderer Berücksichtigung ökologischerund sozialer, aber auch wirtschaftlicher Entwicklungsmöglichkeiten, gestaltet werden kann. Die Erfahrungenauf Landesebene erstrecken sich auf die verschiedenen planerischen, rechtlichen und fiskalischenInstrumente, von einer ökologisch und ökonomisch tragfähigen Flächenhaushaltspolitik über kommunaleFlächenmanagementsysteme bis hin zu stadtregionalen und interkommunalen Kooperationen <strong>zur</strong> Schonungvon Fläche und Boden bei gleichzeitiger Wahrung der ökonomischen Leistungsfähigkeit. Die Länder werdendieses Thema weiterhin bearbeiten und bieten an, ihre Erfahrungen auf diesem Gebiet in die Überlegungender Bundesregierung einzubringen.Der Schutz der biologischen Vielfalt, der auch im Rahmen der Nationalen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> alsLeitbild beschrieben ist, sollte aus Sicht der Länder aufgrund der Komplexität der Aufgabe und der Notwendigkeit,unterschiedlichste Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu beteiligen, ebenfalls als wichtigesThema der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> der Bundesregierung behandelt werden.IV. Stärkung der vertikalen und horizontalen AbstimmungAus der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland ergeben sich jeweils begrenzte Regelungsmöglichkeitenfür den Bund und die Länder. Insbesondere in den Themenfeldern, in denen die Länder einemaßgebliche Rolle in der Umsetzung spielen, ist der Bund auf eine Zusammenarbeit mit den Ländern bereitsbei der Zielfindung angewiesen. Dieser Verantwortung sind sich die Länder ebenso bewusst wie der Notwendigkeit,die Kommunen in ihrer kommunalen Selbstbestimmung als Partner zu beteiligen und einzubinden.Zudem erfordert die Bewältigung vieler Themen aufgrund ihrer Komplexität eine zwischen den Ressortsabgestimmte sowie eine medienübergreifende Herangehensweise. Vor diesem Hintergrund und angesichtsder globalen Herausforderungen halten es die Länder für erforderlich, auf eine Bündelung der Kräfte und Konzentrationauf gemeinsame Ziele und Aufgaben hinzuwirken.Die Länder sprechen sich daher für eine stärkere vertikale (Bund- Länder) und horizontale (zwischen denLändern sowie zwischen den Fachressorts) Abstimmung der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>n aus.Dies bedeutet im Einzelnen:eine Intensivierung des Meinungsaustauschs und regelmäßige Konsultationen auf EU-, Bundes- und Landesebeneüber konkrete Ziele und Maßnahmen im Rahmen der Umsetzung einer gemeinsam getragenenNationalen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>;


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND195eine stärkere Abstimmung der Ziele und Aktivitäten von EU, Bundesregierung und Ländern entsprechendihrer Regelungskompetenzen. Dem Subsidiaritätsprinzip ist insoweit Rechnung zu tragen, als die Länderdie jeweils spezifische Form der Umsetzung so wählen, dass die Realisierung nachhaltiger Entwicklung unterden Aspekten Integration, Effizienz und Wirksamkeit sichergestellt ist. Die Länder legen dabei gleichermaßenGewicht auf die Belange der Kommunen.LänderFestlegung der grundsätzlichen Ausrichtung der gemeinsamen Nachhaltigkeitspolitik durch die MPKunbeschadet der fachlichen Zuständigkeiten (insbesondere Umwelt, Wirtschaft, Soziales), um den gemeinsamenpolitischen Willen der Verantwortlichen in den Landesregierungen deutlich und auch nach außensichtbar zu machen.


196HNachhaltigkeit auf kommunaler Ebene– Beitrag der kommunalen Spitzenverbände*–* Die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, bestehend aus demDeutschen Städtetag, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen StädteundGemeindebundI. Nachhaltigkeit als zentrales Leitbild kommunaler PolitikNachhaltigkeit wird mehr und mehr zum zentralen Leitbild kommunaler Politik. Bereits seit Mitte der90er Jahre des letzten Jahrhunderts haben die deutschen Kommunen mit der Umsetzung des Aktionsprogramms„AGENDA 21“ der VN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung, die im Juni 1992 in Rio de Janeirostattfand, begonnen. Seitdem gewinnt das Thema Nachhaltigkeit über den Bereich der Ökologie hinauszunehmend an Bedeutung.Nachhaltiges Handeln beinhaltet nicht allein ökologisches Handeln, sondern wird auch in den BereichenSoziales und Ökonomie als wichtiges kommunales Leitbild verstanden. Gelten beispielsweise Ressourcenschonungoder Klimaschutz als klassische ökologische Bereiche, die ein nachhaltiges Handeln verlangen, istaus ökonomischer Sicht eine nachhaltige Haushaltspolitik zentrales Element zukunftsorientierten Handelns.Aus kommunaler Sicht erfordert dies mit Blick auf zukünftige Kinder- und Enkelgenerationen in besonderemMaße, die öffentlichen Haushalte dauerhaft und grundlegend zu sanieren und auszugleichen. Schließlich beinhaltetNachhaltigkeit aber auch eine soziale Komponente. So kann z. B. nur durch ein nachhaltiges Handeln inder Sozial- und Stadtentwicklungspolitik einem zunehmenden Auseinanderdriften der Gesellschaft (Segregation)entgegengewirkt werden.Im Folgenden wird auf zwei wesentliche Aspekte einer den Nachhaltigkeitsgrundsätzen verpflichtetenKommunalpolitik, nämlich den kommunalen Klimaschutz und die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme,näher eingegangen.II. Klimaschutz und KommunenDer Klimaschutz ist eine unserer größten Herausforderungen für die Zukunft und eines der Kernelementeeiner nachhaltig gestalteten Kommunalpolitik. Den Städten und Gemeinden kommt dabei eine herausragendeBedeutung zu.Auf internationaler, europäischer, nationaler und Länderebene geht es darum, den Rahmen für einen wirksamenund zukunftsweisenden Klimaschutz zu schaffen. Die kommunale Ebene ist die Ebene der Umsetzungin der Praxis. Hier verdichten sich die technologischen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen,vor denen wir stehen. In den Kommunen wird Klimaschutz gelebte Realität. Dazu braucht es das Engagementaller Betroffenen, also der Verwaltungen, der Kommunalpolitik, der Unternehmen und der einzelnen Bürgerinnenund Bürger vor Ort. Erforderlich ist aber auch eine zielgenaue Unterstützung dieses Engagementsdurch Bund und Länder.Die kommunalen Spitzenverbände unterstützen das Ziel der Bundesregierung, die Treibhausgasemissionenbis 2020 um 40 % gegenüber 1990 zu senken. Wichtige Teilziele sind dabei der Ausbau der erneuerbaren Ener-


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND197gien im Strombereich auf 30 % und der Kraft-Wärme-Kopplung auf 25 % bis 2020, der Ausbau der erneuerbarenEnergien im Wärmebereich auf 14 % sowie die Verdoppelung der Energieproduktivität bis 2020 (>1990).Diese ambitionierten Pläne können nur unter aktiver Beteiligung der Kommunen verwirklicht werden,denn diese nehmen als bürgernächste staatliche Ebene eine Schlüsselfunktion ein.Zunächst sind Städte und Gemeinden selbst Verbraucher von Energie. Sie sind der größte GebäudebesitzerDeutschlands mit ca. 40.000 Schulgebäuden, 50.000 Kindertagesstätten und über 15.000 Verwaltungsgebäuden.Daneben unterhalten sie Fuhrparks und beschaffen Verbrauchs- und Anlagengüter. Kommunen sind abernicht nur Verbraucher, sondern auch Vorbild für Bürger und Unternehmen. So können beispielsweise eineklimafreundliche Gebäudesanierung, der Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung oder die SolarenergienutzungVorbild für Bürger und Unternehmer sein und diese <strong>zur</strong> Nachahmung animieren. Vorbildfunktion könnenKommunen aber auch dadurch erlangen, dass sie als größter öffentlicher Auftraggeber die Auftragsvergabe imEinzelfall an nachhaltige, klimaschutzfreundliche Kriterien koppeln.Darüber hinaus gestalten die Kommunen insbesondere im Rahmen der Bauleitplanung eine an Nachhaltigkeitsgrundsätzenausgerichtete Politik vor Ort. Beispiele hierfür sind die Ausrichtung und Gestaltung von Gebäuden,die Förderung von Passivhäusern, die Orientierung der Stadtplanung am Leitbild einer kompakten Stadt oderdie Ausarbeitung von Verkehrsentwicklungsplänen, die Busse und Bahnen sowie den Fahrradverkehr fördern.Kommunale SpitzenverbändeWeiterhin können Städte und Gemeinden sowie deren kommunale Unternehmen im Bereich der Ver- undEntsorgung eine aktive Klimaschutzpolitik betreiben. So kann die öffentliche Daseinsvorsorge, also beispielsweisedie Energieversorgung, der ÖPNV, der Wohnungsbau oder die Abwasser- und Abfallentsorgung klimafreundlichgestaltet werden. Hier können Angebote an den Bürger gemacht werden, die dieser allerdings imGegenzug auch annehmen muss. Anreize durch die Gebührenordnungen und Tarife können hier helfen, einnachhaltiges Wirtschaften zu unterstützen.Schließlich sind Kommunen auch als Berater und Förderer bei der Umsetzung einer <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>aktiv. Als Beispiele können hier zahlreiche kommunale Beratungsstellen zum Klimaschutz sowie <strong>zur</strong>Energieeffizienz, die Vermittlung einzelner Förderprogramme, die Teilnahme an Klimaschutzwettbewerbenund verschiedene Bildungsinitiativen unter Einbeziehung der Schulen genannt werden.Getreu dem Motto „Global denken, lokal handeln“ zeigt dies, dass eine aktive Klimaschutzpolitik inDeutschland und damit eine nachhaltige Politik nur gemeinsam mit den Städten, Gemeinden und Landkreisenvorangebracht werden kann.III. Nachhaltige Stadtentwicklung und Reduzierung der FlächeninanspruchnahmeEin weiterer wichtiger Baustein nachhaltiger Entwicklung auf kommunaler Ebene ist eine langfristig ausgerichteteStadtentwicklung und die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme. Die Stadtentwicklung hatden Auftrag, aktiv einen Beitrag zum Klimaschutz sowie <strong>zur</strong> Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu leisten.Raumplanung und Stadtentwicklung dienen zum einen dem Schutz, der Sicherung und der nachhaltigenWeiterentwicklung der Raumstruktur mit ihren Bestandteilen der Siedlungs-, Verkehrs- und Freiraumstruktur.Zum anderen sollten sie natürliche Ressourcen schützen und sichern und die Nutzung der Ressourcen planenund steuern. Damit ist für eine erfolgreiche Stadtentwicklung und Planung ein Strategiemix erforderlich, derVermeidungs- und Anpassungsstrategien verfolgt und, wo sinnvoll, miteinander kombiniert.Innerhalb der Stadtentwicklung und Planung besitzt vor allem die kommunale Ebene große Handlungsspielräumeund Handlungsoptionen. Die kommunale Ebene spielt für die Implementierung integrativer undgroßräumiger Anpassungsstrategien eine entscheidende Rolle. So können etwa der Hochwasserschutz, dieAufrechterhaltung von Frischluftschneisen, die Frischluftentstehung und die Wasserspeicherung besonderserfolgreich auf kommunaler und regionaler Ebene gesteuert werden.Zu den großen Herausforderungen zählt auch die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme. Ziel einernachhaltigen Entwicklung sollte es sein, die Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsflächen inDeutschland langfristig zu reduzieren.


198 KOMMUNALE SPITZENVERBÄNDEDurch die Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungs-, Gewerbe-, Freizeit- und Verkehrszweckewird die Ressource Boden beeinträchtigt. Städte und Gemeinden haben daher erkannt, dass es zukünftig beider Siedlungsentwicklung im Rahmen der kommunalen Planungshoheit noch stärker auf eine Nutzung dervorhandenen innerörtlichen Potenziale ankommen wird sowie flächensparende Bauweisen erforderlich sind.Deshalb werden Prognosen <strong>zur</strong> demografischen Entwicklung bereits heute in die Bauleitplanung einbezogenund die Ausweisung von Neubaugebieten auf den tatsächlichen Bedarf beschränkt.Ungeachtet dessen müssen kommunale Bedürfnisse nach einer Stärkung der örtlichen Wirtschaft und derSchaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen berücksichtigt werden, was mitunter auch die Erschließung neuerGewerbeflächen umfasst. In dem zu lösenden Spannungsfeld zwischen der angestrebten Reduzierung derFlächeninanspruchnahme und eines nachhaltigen wirtschaftlichen Wachstums ist es daher von besondererBedeutung, die unterschiedlichen Belange miteinander in Einklang zu bringen und schlüssige Gesamtkonzeptezu entwickeln. Individueller und gesamtwirtschaftlicher Wohlstand sowie eine nachhaltige Entwicklung inden Kommunen auf qualitativ hohem Niveau sind aber auch mit flächensparenden Lösungen möglich.Ein flächensparender und schonender Umgang mit Grund und Boden kann jedoch nur dann gelingen,wenn eine breite Öffentlichkeit für dieses Thema sensibilisiert wird. Auf kommunaler Ebene sind dafür Partnernotwendig, die unterschiedliche Aufgaben in der Gesellschaft wahrnehmen, sich für eine Reduzierung des Flächenverbrauchsim Sinne einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung einsetzen und sich zu einem schonendenund flächensparenden Umgang mit Grund und Boden bekennen.Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch eine „Regionalisierung“ des Themas „Flächen sparen“.Ziel muss es sein, auch auf regionaler Ebene und auf Landesebene die Instrumente einer nachhaltigen Siedlungsentwicklunganzugehen und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie „vor Ort“ mit dem Thema „ Flächenmanagement“umgegangen werden kann.Aus kommunaler Sicht muss es auch Ziel sein, eine stärkere Unterstützung durch Bund und Länder beimRecycling von kontaminierten Flächen zu erhalten. Voraussetzung für eine nachhaltige Flächenentwicklungsplanungist schließlich ein effektives Altlastenmanagement.IV. Energieeinsparung und Energieeffizienz: Eckpfeiler kommunalen HandelnsEin an Nachhaltigkeitsgrundsätzen orientiertes Handeln ist für Deutschlands Kommunen seit langem keinreiner Selbstzweck mehr, sondern bereits aus ökonomischen Gründen unausweichlich. Dafür ist nicht zuletztdie nach wie vor sehr angespannte Haushaltslage in den meisten deutschen Kommunen verantwortlich. Lauteiner aktuellen Bertelsmann-Studie bewegen sich die kommunalen Schulden pro Kopf und Einwohner auf3.286 Euro und machen damit mehr als 5 Mrd. Euro allein im Jahr für Zinsen erforderlich.Gleichzeitig sind die Städte und Gemeinden immer stärker von den Auswirkungen des globalen Klimawandelsbetroffen. Es sind hauptsächlich Kommunen, die die schwerwiegenden Folgen von Stürmen, Überschwemmungenund anderen Umweltkatastrophen zu tragen haben. Neben den finanziellen Folgewirkungenvon Naturkatastrophen belasten auch die explodierenden Energiepreise die Finanzsituation vieler Kommunenzusätzlich. Auch aus ökonomischen Gründen sind daher Klimaschutzkonzepte und eine damit verbundeneReduzierung der Energiekosten sinnvoll.Allein die Energiekosten für die Unterhaltung der kommunalen Gebäude einschließlich der Straßenbeleuchtungbetragen pro Jahr etwa 2,5 Mrd. Euro. Sie bilden damit den drittgrößten Ausgabenblock in denKommunen hinter den Ausgaben für Sozialhilfe und den Personalkosten. Dabei lassen sich bereits durchorganisatorische Maßnahmen hohe Einsparungen erzielen. So können bis zu 30 % der Energiekosten durchdie Einführung bzw. Optimierung eines kommunalen Energiemanagements eingespart werden.Die größte Energieeinsparung ist bei Gebäuden möglich: Hier können im Einzelfall bis zu 40 % des Energieverbrauchseingespart werden. In dreifacher Hinsicht wird hier ein nachhaltiges Handeln aufgezeigt: Bei der energetischenSanierung insbesondere von Schulen und Kindergärten wird neben dem aktiven Klimaschutz zugleich einewichtige Investition in das Zukunftsthema Bildung getätigt. Zudem erfolgt eine Stärkung des lokalen Arbeitsmarktes.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND199Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz stehen also nicht im Gegensatz, sondern können und müssen sinnvollmiteinander verknüpft werden. Dies zeigt auch die Entwicklung von Arbeitsplätzen im Bereich des Klimaschutzes.Laut einer Studie zu den wirtschaftlichen Effekten des Meseberg-Paketes entstehen bis 2020 unterdem Strich bis zu 500.000 neue Jobs durch eine ambitionierte Klimaschutzpolitik. Nach heutiger Prognosewird um 2020 der Umsatz der Umwelttechnologien den Umsatz im Fahrzeugbau überholen und danach weiterstark ansteigen.Klimaschutz und eine nachhaltige Politik werden damit mehr und mehr zu einem Standortfaktor. Die Ausweisungenergiesparender Neubaugebiete, ein gut ausgebautes und funktionierendes öffentliches Nahverkehrssystemund ein gelebtes Umweltbewusstsein vor Ort entwickeln sich zu Standortvorteilen der Kommunenim Verhältnis zueinander.V. Unterstützung durch den Bund und die Länder erforderlichAngesichts knapper Kassen können die Städte und Gemeinden die notwendigen Investitionen für einenachhaltige Politik nicht alleine stemmen. Allein der Investitionsbedarf <strong>zur</strong> energetischen Gebäudesanierungim Bereich kommunaler Schulen wird bis 2020 auf 5,1 Mrd. Euro beziffert. Für kommunale Verwaltungsgebäudeentstehen zusätzliche Kosten in Höhe von 500 Mio. Euro. Die tatsächliche Förderung für das Jahr <strong>2008</strong> durchdas Investitionsprogramm <strong>zur</strong> energetischen Erneuerung der sozialen Infrastruktur in den Kommunen beträgtjedoch lediglich 600 Mio. Euro, wobei je 200 Mio. Euro von Bund, Ländern und Gemeinden getragen werden.Aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände reicht diese Förderung nicht aus und sollte in den nächsten Jahrenweiter ausgebaut und verfestigt werden.Kommunale SpitzenverbändeFür die aktive Gestaltung einer nachhaltigen Politik sind daneben aber auch direkte Finanzzuschüsseerforderlich, da zinsverbilligte Kredite von zahlreichen Gemeinden aufgrund der angespannten Haushaltslagenicht in Anspruch genommen werden können. Um zu verhindern, dass nachhaltiges Handeln nur in finanzstarkenKommunen betrieben werden kann, sind flexible Lösungen auch zugunsten von finanzschwachenKommunen notwendig. Neben Finanzhilfen benötigen Kommunen auch die notwendige Planungssicherheitfür Investitionen, beispielsweise in erneuerbare Energien, um damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutzund einer nachhaltigen Entwicklung leisten zu können.Neben diesen Fördermaßnahmen ist zudem eine stärkere Verknüpfung der kommunalen AGENDA-Prozessemit den Entwicklungen auf Landes- und Bundesebene unumgänglich. Als bürgernächste staatliche Ebenespielen die Kommunen eine entscheidende Rolle bei der Mobilisierung der Öffentlichkeit und ihrer Sensibilisierungfür eine nachhaltige und umweltverträglichere Entwicklung. Ein regelmäßiger Erfahrungsaustauschzwischen Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden könnte die Abstimmung zwischen den verschiedenenEbenen <strong>zur</strong> <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> weiter verbessern.Aufgrund ihrer angespannten Haushalts- und Personalsituation kommt aus kommunaler Sicht einer Unterstützungzukunftsorientierter kommunaler Maßnahmen durch Bund und Länder besondere Bedeutung zu.Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang beispielsweise eine nähere Zusammenarbeit der kommunalenSpitzenverbände mit dem Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung. Eine engere Kooperationmit den Staatssekretären aus den verschiedenen Bundesministerien sowie dem Auswärtigen Amt könnte zumeinen dazu beitragen, Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen vor Ort direkt an die entsprechenden Stellenin den Ministerien weiterzuleiten. Zum anderen könnten aber auch etwaige Probleme bei der Umsetzung derFörderprogramme angesprochen und gegebenenfalls behoben werden.VI. FazitDas Thema Nachhaltigkeit hat sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr zu einem wichtigen Bestandteilkommunaler Politik entwickelt. Nachhaltiges Handeln steht dabei nicht nur im Bereich der Ökologieim Mittelpunkt, sondern muss mehr und mehr auch in den Bereichen Ökonomie und Soziales verankertwerden.


200 KOMMUNALE SPITZENVERBÄNDEEin wesentliches Element einer nachhaltig gestalteten Kommunalpolitik ist insbesondere ein aktiver Klimaschutzauf kommunaler Ebene. Den Kommunen kommt aufgrund ihrer Schlüsselposition eine besondereBedeutung bei der Erreichung des Zieles der Bundesregierung, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 %gegenüber 1990 zu senken, zu. Getreu dem Motto „Global denken, lokal handeln“ lassen sich die Klimaschutzzielenur durch eine aktive Beteiligung und Förderung der Kommunen verwirklichen. Neben dem Klimaschutzstellen auch Raumplanung und die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme wesentliche Bausteine einernachhaltigen Entwicklung im kommunalen Bereich dar.Ziel muss es sein, die Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsflächen in der Zukunft weiterzu reduzieren. Entscheidend für das Gelingen wird hierbei sein, die Reduzierung der Flächeninanspruchnahmemit den Bedürfnissen der Förderung der örtlichen Wirtschaft und eines damit teilweise einhergehendenAusbaus von Gewerbeflächen <strong>zur</strong> Schaffung und Unterhaltung von Arbeitsplätzen in Einklang zu bringen. Hiermüssen auf lokaler und regionaler Ebene schlüssige Gesamtkonzepte entwickelt werden.Nachhaltiges Handeln auf kommunaler Ebene ist seit langem kein reiner Selbstzweck mehr. Es ist nicht nuraus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen unausweichlich. Grund dafür ist zum einen dienach wie vor sehr hohe Verschuldung der Kommunen, die allein jedes Jahr mehr als 5 Mrd. Euro Zinszahlungenerfordert. Gleichzeitig sind es aber auch die Kommunen, die selbst immer stärker von den Auswirkungen desKlimawandels betroffen werden. Die Folgen der stark zunehmenden Naturkatastrophen sind in erster Linie inden Kommunen vor Ort spürbar. Weiterhin sind die Kommunen in besonderem Maße durch die explodierendenEnergiekosten betroffen. Die größte Energieeinsparung in Höhe von bis zu 40 % ist bei der energetischenSanierung kommunaler Gebäude und insbesondere bei den über 40.000 Schulen und 50.000 Kindergärtenmöglich. Nachhaltigkeit und Kosteneinsparungen stehen damit nicht im Gegensatz, sondern können undmüssen sinnvoll miteinander verknüpft werden.Angesichts der leeren Kassen in den Kommunen können die notwendigen Investitionen für eine nachhaltigePolitik aber nicht ohne eine zielgerichtete Unterstützung durch Bund und Länder erfolgen. Allein der Investitionsbedarf<strong>zur</strong> energetischen Gebäudesanierung im Bereich kommunaler Schulen wird bis 2020 auf 5,1 Mrd.Euro beziffert. Die dazu für <strong>2008</strong> durch das Investitionsprogramm <strong>zur</strong> energetischen Erneuerung in Aussichtgestellten 600 Mio. Euro reichen nicht aus. Die Förderung muss daher auf höherem Niveau in den nächstenJahren fortgesetzt und ausgebaut werden. Da zinsverbilligte Kredite von zahlreichen Gemeinden aufgrund derHaushaltslage nicht in Anspruch genommen werden können, sind <strong>zur</strong> Förderung einer nachhaltigen Politikauch direkte Finanzzuschüsse notwendig. Angesichts der zum Teil gravierend unterschiedlichen Rahmenbedingungen(Schrumpfung und Wachstum etc.) in den verschiedenen Städten und Gemeinden Deutschlandssind hier flexiblere Förderungsmöglichkeiten erforderlich. Zur Erleichterung kommunaler Investitionensollten auch pauschale Förderungen gewährt werden, deren Schwerpunkt die Gemeinden auf Grundlage vonintegrierten und abgestimmten Investitions- und Entwicklungskonzepten, die die spezifische örtliche Situationwiderspiegeln, eigenverantwortlich bestimmen können.Neben dem Ausbau von Fördermaßnahmen ist auch eine Intensivierung des Austausches zwischen Bund,Ländern und Kommunen wünschenswert. Als Politik und Verwaltungsebene, die den Bürgern am nächsten ist,spielen die Kommunen die entscheidende Rolle bei der Mobilisierung der Öffentlichkeit und ihrer Sensibilisierungfür eine nachhaltige und umweltverträglichere Entwicklung. Ein regelmäßiger Erfahrungsaustauschzwischen der Bundesebene, den Ländern und den Kommunen, etwa mit dem Staatssekretärsausschuss fürnachhaltige Entwicklung, könnte ein geeigneter Rahmen sein, um sich über die aktuellen Entwicklungen zuinformieren und die Umsetzung der kommunalen AGENDA- und Nachhaltigkeitsprozesse zu beschleunigen.


201INachhaltigkeit in EuropaDie Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft isteine grenzüberschreitende Herausforderung, diekein Land alleine bewältigen kann. Die EuropäischeUnion zählt Nachhaltigkeit zu ihren wichtigstenpolitischen Prioritäten. Die „erneuerte Strategie fürnachhaltige Entwicklung“, die der Europäische Ratim Juni 2006 beschlossen hat, ist Ausdruck dieserPrioritätensetzung. Mit ihr hat die Union den 2001 inGöteborg begonnenen Prozess weiterentwickelt undden aktuellen Herausforderungen angepasst.Europäische <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> 2006Die europäische <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> benennt vier Zielefür eine nachhaltige Zukunft: Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit,wirtschaftlicher Wohlstand und die Wahrnehmunginternationaler Verantwortung.Um diese zu erreichen, werden sieben zentrale Handlungsfelderidentifiziert: Klimawandel und saubere Energie,nachhaltiger Verkehr, nachhaltiges Konsum- und Produktionsverhalten,Erhaltung und Bewirtschaftung natürlicherRessourcen, Gesundheit, soziale Eingliederung, Demografieund Migration sowie globale Armutsbekämpfung.Gleichzeitig wird Nachhaltigkeit als Querschnittsziel europäischerPolitik verankert. Synergien zwischen der Nachhaltigkeits-und der Lissabonstrategie für Wachstum undBeschäftigung, die Integration von Nachhaltigkeit in dieGesetzesfolgenabschätzung und eine bessere Rechtsetzungsollen zu den Zielen der Strategie beitragen.Die Strategie betont die Verknüpfung von europäischer undnationaler Nachhaltigkeitspolitik und die Verantwortungaller Akteure – Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – füreine nachhaltige Entwicklung.Mit ihren Schwerpunkten und Querschnittszielenhat die EU-Strategie einen Rahmen vorgegeben, andem sich auch die deutsche <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>orientiert. Viele Regelungen und Maßnahmen, diedieser Bericht beschreibt, finden in der europäischen<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> ihre Entsprechung.Die Fortschritte bei der Umsetzung und dieallgemeine Ausrichtung der europäischen <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>werden alle zwei Jahre von deneuropäischen Staats- und Regierungschefs auf derGrundlage eines Fortschrittberichts der EU-Kommissionüberprüft. Der erste Bericht wurde im September2007 vorgelegt. Er basiert vor allem auf den <strong>nationalen</strong><strong>Fortschrittsbericht</strong>en der EU-Mitgliedstaaten(vgl. Bericht Deutschland vom 18. Juni 2007 aufwww.auswaertiges-amt.de) und auf statistischenAuswertungen von EUROSTAT. Der Bericht fällt imErgebnis allerdings verhalten aus. Im Vergleich zumBasisjahr 2000 sieht die EU-Kommission auf europäischerEbene nur wenig konkrete Fortschritte; diepolitischen Weichenstellungen werden aber positivbewertet. Dies gilt vor allem für die zentrale Herausforderungdes Klimawandels, die auf europäischerwie nationaler Ebene an erster Stelle der Agendasteht. Der Bericht richtet an den Europäischen Ratdie Empfehlung, die Umsetzung der Strategie fürnachhaltige Entwicklung weiter voranzutreiben.Der Europäische Rat hat diese Aufforderungangenommen. Im Dezember 2007 haben die StaatsundRegierungschefs die Fortschritte der europäischenNachhaltigkeitspolitik einer ersten Überprüfungunterzogen.„Die nachhaltige Entwicklung ist ein grundlegendes Zielder Europäischen Union. Der Europäische Rat begrüßt denersten <strong>Fortschrittsbericht</strong> der Kommission <strong>zur</strong> erneuerten EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung. Er teilt die Auffassung,dass ... das Hauptaugenmerk ... auf der effektiven Umsetzungauf allen Ebenen liegen sollte. Die erneuerte EU-Strategie unddie <strong>nationalen</strong> Strategien für nachhaltige Entwicklung müssenzudem stärker miteinander verzahnt werden ... Die integrierteKlima- und Energiepolitik der EU und ein integriertes Konzeptfür die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen,für den Schutz der biologischen Vielfalt und der Ökosystemfunktionensowie für Nachhaltigkeit bei Produktion undVerbrauch gehören zu den Triebkräften für die Verwirklichungder Ziele, die im Rahmen der erneuerten EU-Strategie für nachhaltigeEntwicklung und im Rahmen der Lissabon-Strategievorgegeben wurden. Die EU muss weiter daran arbeiten, denVerkehr nachhaltiger zu gestalten und zu umweltfreundlichenVerkehrsträgern zu gelangen. Die Kommission wird ersucht,zusammen mit ihrem nächsten <strong>Fortschrittsbericht</strong> <strong>zur</strong> Strategiefür nachhaltige Entwicklung im Juni 2009 einen Fahrplanmit den verbleibenden Maßnahmen vorzulegen, die mit höchsterPriorität durchgeführt werden müssen.“Schlussfolgerungen des Europäischen Rats,14. Dezember 2007


202 EUROPADie Europäische Kommission ist den Empfehlungendes Europäischen Rats gefolgt und hat in<strong>2008</strong> mehrere umfangreiche Vorschläge für einenachhaltige Entwicklung Europas vorgelegt. DenAnfang machte das sogenannte Klima- und Energie-Paket vom Januar <strong>2008</strong>, das die Reduktion von CO 2-Emissionen und die Erhöhung des Anteils erneuerbarerEnergien vorantreiben soll. Diese Vorschlägebasieren auf den im März 2007 unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft gefassten Beschlüssen für eineklimafreundliche europäische Energiepolitik.Bereits im Mai 2007 hat die EU-Kommission mehrereVorschläge zu nachhaltigem Produktions- undKonsumverhalten vorgelegt. Im Mittelpunkt stehendabei die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterienbei der öffentlichen Beschaffung und beider energieeffizienten Gestaltung von Geräten undVerfahren. Im Juni 2007 folgte schließlich ein Bündelvon Vorschlägen für nachhaltigen Transport. Diesezielen auf die Internalisierung externer Kosten, dieFörderung intelligenter Verkehrsmanagementsystemeund einen umwelt- und verbraucherfreundlichenVerkehr. Weitere Initiativen <strong>zur</strong> Umsetzung der europäischen<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> werden folgen.


203JNachhaltigkeit im Rahmender Vereinten NationenNachhaltigkeitsziele lassen sich nicht alleindurch nationale Anstrengungen erreichen – weltweiteZusammenarbeit ist unerlässlich. Die VereintenNationen (VN) stellen hier die entscheidendepolitische Plattform dar. Deutschland setzt sichnachdrücklich für die Unterstützung und Stärkungder VN-Mechanismen ein, um substantielle Verbesserungenfür eine kohärente und innovative globaleUmwelt- und Entwicklungspolitik zu erreichen.Deshalb begreift die Bundesregierung ihr Engagementfür die Vereinten Nationen auch als wichtigenTeil einer global orientierten <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>.Auf dem Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992 unddem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung inJohannesburg 2002 wurden mit der Agenda 21 unddem Johannesburg-Aktionsplan konkrete Grundsteine<strong>zur</strong> Umsetzung des Leitbildes einer globalnachhaltigen Entwicklung gelegt. Die internationaleStaatengemeinschaft ist die Verpflichtung eingegangen,die Zielvorgaben für nachhaltige Entwicklungweltweit durchzusetzen.Die Agenda 21 und der Johannesburg-Aktionsplansind auch Basis für die Erarbeitung und Weiterentwicklungder <strong>nationalen</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>.Deutschland setzt sich sowohl bi- als auchmultilateral für die Umsetzung der Ziele ein. Diesgilt vor allem für die Bereiche Zugang zu sauberemTrinkwasser, sanitäre Grundversorgung, nachhaltigeEnergiepolitik, Chemikaliensicherheit sowienachhaltige Konsum- und Produktionsmuster undArmutsbekämpfung. Mit der Ausrichtung der Konferenz„renewables 2004“ und der Durchführung der9. Vertragsstaatenkonferenz über die biologischeVielfalt (Convention on Biological Biodiversity –CBD) <strong>2008</strong> wird das Engagement Deutschlands <strong>zur</strong>Umsetzung nachhaltiger Entwicklung im Rahmender Vereinten Nationen auch öffentlich sichtbar. Zuden konkreten Handlungsfeldern einer global orientiertenNachhaltigkeitspolitik der Bundesregierungvgl. Kapitel D.VI.; Ausführungen <strong>zur</strong> UN-Dekade„ Bildung für nachhaltige Entwicklung“ finden sichin Kapitel A.III.3.VN-Kommission für nachhaltige EntwicklungDie VN-Kommission für nachhaltige Entwicklung(CSD) ist ein zentrales internationales Gremium <strong>zur</strong>Unterstützung der Umsetzung der Agenda 21, desJohannesburg-Aktionsplans und der Millenniums-Entwicklungsziele. Im Anschluss an den Weltgipfelfür nachhaltige Entwicklung hat sie ein umfassendesArbeitsprogramm für den Zeitraum 2004–2017 <strong>zur</strong>Überprüfung der Gipfelergebnisse verabschiedet,das zentrale Umwelt- und Entwicklungsthemenjeweils in Zweijahreszyklen zum Schwerpunkt derAktivitäten macht. Die Ergebnisse des ersten Arbeitszyklus2004/2005 zu den Themen Wasser, sanitäreGrundversorgung und nachhaltiges Siedlungswesen,die konkrete Zielvorgaben und Handlungsprioritätenenthalten, sind von Deutschland unterstütztworden. Die Bundesregierung ist bi- und mulilateralaktiv an der Umsetzung beteiligt.Auf der Tagesordnung des zweiten Zweijahreszyklusdes Arbeitsprogramms 2006/2007 standen dieSchwerpunktthemen Energie, nachhaltige industrielleEntwicklung, Klima und Luftreinhaltung.Deutschland und die Partner in der EU setzten sichhierbei vor allem für konkrete Zeitziele beim Ausbauerneuerbarer Energien, für die Einbeziehung derEnergiepolitik in die nationale Planung ab 2010, füreinen Überprüfungsmechanismus zu Energiefragenim Rahmen der CSD sowie für ein internationales Abkommen<strong>zur</strong> Energieeffizienz ein – aus Sicht der EUwesentliche Elemente auf dem Weg <strong>zur</strong> Erreichungder Millennium-Entwicklungsziele. Dieser Zweijah-


204 VEREINTE NATIONENreszyklus wurde im Mai 2007 ohne Ergebnis beendet,da der vom CSD-Vorsitzenden zuletzt vorgelegteEntscheidungsentwurf weit hinter den Erwartungen<strong>zur</strong>ückblieb und daher von der EU und der Schweizabgelehnt wurde. Trotz des Scheiterns der Verhandlungenim Jahr 2007 unterstützt Deutschland dieCSD nach wie vor als unverzichtbares Gremium imRahmen der Vereinten Nationen <strong>zur</strong> Durchsetzungnachhaltiger Entwicklung.Im Zweijahreszyklus <strong>2008</strong>/2009 behandelt dieCSD die Schwerpunktthemen Landwirtschaft undländliche Entwicklung, Landnutzung, Dürre undWüstenbildung sowie Afrika. Deutschland setzt sichbeim Themenkomplex Landwirtschaft insbesonderefür die Entwicklung von international harmonisiertenUmwelt- und Sozialstandards für eine nachhaltigelandwirtschaftliche Produktion ein. Die EU hatdieses Anliegen inzwischen als eine ihrer Prioritätenfür das aktuelle CSD-Biennium definiert.Die internationale Staatengemeinschaft hatbeim VN-Weltgipfel 2005 <strong>zur</strong> ersten 5-Jahres-Überprüfungder Millenniumserklärung die Erklärung– einschließlich der darin enthaltenen acht Millenniums-Entwicklungsziele– bekräftigt und eine Reformder VN-Strukturen in den Bereichen Entwicklung,humanitäre Hilfe und Umweltschutz angemahnt.VN-UmweltreformIm Rahmen informeller Konsultationen derVN-Generalversammlung <strong>zur</strong> Stärkung der multilateraleninstitutionellen Strukturen der VereintenNationen im Umweltbereich ist im Juni <strong>2008</strong> einumfassendes Optionspapier vorgelegt worden.Dieses führt detaillierte Reformvorschläge auf, diederzeit von der inter<strong>nationalen</strong> Staatengemeinschaftdiskutiert werden. Deutschland unterstütztdiese Vorschläge.Insbesondere die Stärkung und Aufwertung desVN-Umweltprogramms (UNEP) steht hierbei im Mittelpunktder deutschen Bemühungen. Die Aufgabenvon UNEP sind in der Vergangenheit stetig gewachsen– nicht aber Status, Mandat und Ausstattungder Einrichtung. Die EU sowie u. a. Algerien, Ghana,Marokko, Mexiko, Norwegen und die Schweiz forderneine starke VN-Umweltorganisation, die für dieBalance zwischen wirtschaftlicher Globalisierungund den Anforderungen globaler Umweltpolitikim Sinne einer nachhaltigen Entwicklung effizienteintreten kann. Brasilien fordert die Einrichtungeiner Dachorganisation, die UNEP, die Globale Umweltfazilität(GEF) und die Sekretariate der multilateralenUmweltabkommen umfassen und gleichzeitigImpulse für den Bereich der nachhaltigen Entwicklunggeben soll. Die Diskussionen auf dem globalenUmweltministerforum von UNEP im Februar <strong>2008</strong> inMonaco zeigten, dass weitgehend Übereinstimmungdarüber besteht, dass UNEP mit seiner jetzigen Strukturals VN-Programm nicht in der Lage ist, seinerAufgabe als weltweit zentrale Umweltinstitutiongerecht zu werden, und deshalb eine grundlegendeReform unumgänglich ist.VN-Waldforum (UNFF)Das VN-Waldforum einigte sich im April 2007unter maßgeblicher Beteiligung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft erstmals seit der Rio-Konferenz1992 auf eine internationale Waldübereinkunft. Diesewurde am 17. Dezember 2007 feierlich durch dieVN-Generalversammlung angenommen. Trotz ihresrechtlich unverbindlichen Charakters eröffnet dieUNFF-Waldübereinkunft, insbesondere im Kontextmit anderen globalen Umweltprozessen, verbesserteMöglichkeiten, eine nachhaltige Waldbewirtschaftungweltweit voranzubringen und damit derfortschreitenden Entwaldung entgegenzuwirken.Vorschläge <strong>zur</strong> entsprechenden Stärkung des UNFF-Sekretariates sind in die Strukturreformvorschläge<strong>2008</strong> aufgenommen worden.VN-Konvention <strong>zur</strong> Desertifikationsbekämpfung(UNCCD)Die UNCCD verpflichtet ihre 193 Vertragsstaaten<strong>zur</strong> Förderung von nachhaltigem Landmanagement.Dies ist ein maßgeblicher Beitrag <strong>zur</strong> nachhaltigenEntwicklung der Trockengebiete, die vomKlimawandel besonders betroffen sind. Deutschlandunterstützt die UNCCD und die 2007 verabschiedete10-Jahresstrategie <strong>zur</strong> Implementierung der Konvention.


205KAusblick2010 soll über die Entwicklung der Nachhaltigkeitsindikatorenwieder durch das StatistischeBundesamt berichtet werden. Der nächste <strong>Fortschrittsbericht</strong>ist für 2012 vorgesehen. Die Zeit biszum nächsten Bericht steht für die Bundesregierungunter dem Vorzeichen der Umsetzung und Weiterentwicklungder Strategie.Erforderlich ist eine umfassende und konsequenteBerücksichtigung von Nachhaltigkeit als Leitprinzipin der deutschen Politik. Nachhaltigkeit prägtalle Politikfelder. Technologischer, ökonomischerund gesellschaftlicher Fortschritt muss sich am Prinzipder Nachhaltigkeit messen lassen. Wenn Nachhaltigkeitals Herausforderung begriffen wird, kannsie zum Innovationsmotor werden. In diesem Sinn istdie <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> eine Zukunftsstrategiefür das 21. Jahrhundert.


206Nachhaltigkeitsmanagement– Zusammenfassung bestehender Steuerungselemente und -verfahren der <strong>nationalen</strong><strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> –I. Bedeutung, Grundlage und Reichweite von Nachhaltigkeit als Steuerungsinstrument1. Nachhaltige Entwicklung (Nachhaltigkeit) ist Leitprinzip der Politik der Bundesregierung. Als Ziel und Maßstabdes Regierungshandelns auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene ist es bei Maßnahmenin sämtlichen Politikfeldern zu beachten.2. Nachhaltigkeit zielt auf die Erreichung von Generationengerechtigkeit, sozialem Zusammenhalt, Lebensqualitätund Wahrnehmung internationaler Verantwortung. In diesem Sinne sind wirtschaftliche Leistungsfähigkeit,der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und soziale Verantwortung so zusammenzuführen,dass Entwicklungen dauerhaft tragfähig sind.3. Nationale <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> ist die Strategie von 2002 in der durch die nachfolgenden Berichte,insbesondere durch den <strong>Fortschrittsbericht</strong> <strong>2008</strong>, weiterentwickelten Form. Sie beschreibt einen längerfristigenProzess der Politikentwicklung und bietet hierfür Orientierung.4. Die federführende Zuständigkeit für nachhaltige Entwicklung auf nationaler Ebene liegt beim Bundeskanzleramt,um die Bedeutung für alle Politikbereiche zu betonen und eine ressortübergreifende Steuerungsicherzustellen.5. Die Verwirklichung von Nachhaltigkeit ist entscheidend auf ein Zusammenspiel aller relevanter Akteureangewiesen. Weitere Akteure der Nachhaltigkeit sind:a) Internationale EbeneDeutschland setzt sich im Rahmen der Vereinten Nationen (insbesondere im Rahmen der Kommission fürnachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen – CSD) und bilateral für Fortschritte bei Nachhaltigkeit ein.b) Europäische EbeneDer Bund– setzt sich für eine Stärkung von Nachhaltigkeit auf europäischer Ebene, insbesondere der europäisch<strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> sowie die Verknüpfung zwischen ihr und <strong>nationalen</strong> Strategien ein,– arbeitet eng mit anderen europäischen Ländern in Fragen der nachhaltigen Entwicklung zusammen.c) Länder und KommunenZwischen Bund und Ländern findet ein regelmäßiger Austausch zu Nachhaltigkeit im Rahmen dergeeigneten Gremien mit dem Ziel statt, Aktivitäten und Ziele besser aufeinander abzustimmen. Einbezogenwerden auch die kommunalen Spitzenverbände.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND207d) Zivilgesellschaft (Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Gewerkschaften, Wissenschaft, Kirchenund Verbände)Die Akteure der Zivilgesellschaft sind in vielfältiger Weise bei der Verwirklichung von Nachhaltigkeitgefordert. So tragen zum Beispiel Unternehmen für ihre Produktion und ihre Produkte die Verantwortung.Die Information der Verbraucher auch über gesundheits- und umweltrelevante Eigenschaften derProdukte sowie über nachhaltige Produktionsweisen ist Teil dieser Verantwortung. Verbraucher leistenindividuelle Beiträge durch die Auswahl des Produkts und dessen sozial und ökologisch verträglichesowie ökonomisch sinnvolle Nutzung.II. Nachhaltigkeitsmanagement1. Die Ressorts greifen bei der Prüfung und Entwicklung von Maßnahmen in ihren Zuständigkeitsbereichen aufdas Managementkonzept für eine nachhaltige Entwicklung <strong>zur</strong>ück. Dieses enthält folgende drei Elemente:– Managementregeln (2.)– Indikatoren und Ziele (3.)– Monitoring (4.)2. Managementregeln der Nachhaltigkeit– Grundregel –(1) Jede Generation muss ihre Aufgaben selbst lösen und darf sie nicht den kommenden Generationen aufbürden. Zugleich muss sie Vorsorge für absehbare zukünftige Belastungen treffen.– Regeln der Nachhaltigkeit für einzelne Handlungsbereiche –(2) Erneuerbare Naturgüter (wie z. B. Wald oder Fischbestände) dürfen auf Dauer nur im Rahmen ihrerFähigkeit <strong>zur</strong> Regeneration genutzt werden.Nicht erneuerbare Naturgüter (wie z. B. mineralische Rohstoffe oder fossile Energieträger) dürfen aufDauer nur in dem Umfang genutzt werden, wie ihre Funktionen durch andere Materialien oder durch andereEnergieträger ersetzt werden können.(3) Die Freisetzung von Stoffen darf auf Dauer nicht größer sein als die Anpassungsfähigkeit der natürlichenSysteme – z. B. des Klimas, der Wälder und der Ozeane.(4) Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit sind zu vermeiden.(5) Der durch technische Entwicklungen und den inter<strong>nationalen</strong> Wettbewerb ausgelöste Strukturwandelsoll wirtschaftlich erfolgreich sowie ökologisch und sozial verträglich gestaltet werden. Zu diesem Zwecksind die Politikfelder so zu integrieren, dass wirtschaftliches Wachstum, hohe Beschäftigung, sozialerZusammenhalt und Umweltschutz Hand in Hand gehen.(6) Energie- und Ressourcenverbrauch sowie die Verkehrsleistung müssen vom Wirtschaftswachstumentkoppelt werden. Zugleich ist anzustreben, dass der wachstumsbedingte Anstieg der Nachfrage nachEnergie, Ressourcen und Verkehrsleistungen durch Effizienzgewinne mehr als kompensiert wird. Dabeispielt die Schaffung von Wissen durch Forschung und Entwicklung sowie die Weitergabe des Wissensdurch spezifische Bildungsmaßnahmen eine entscheidende Rolle.(7) Die öffentlichen Haushalte sind der Generationengerechtigkeit verpflichtet. Dies verlangt die Aufstellungausgeglichener Haushalte durch Bund, Länder und Kommunen. In einem weiteren Schritt ist derSchuldenstand kontinuierlich abzubauen.


208 ANHANG(8) Eine nachhaltige Landwirtschaft muss nicht nur produktiv und wettbewerbsfähig, sondern gleichzeitigumweltverträglich sein sowie die Anforderungen an eine artgemäße Nutztierhaltung und den vorsorgenden,insbesondere gesundheitlichen Verbraucherschutz beachten.(9) Um den sozialen Zusammenhalt zu stärken, sollen– Armut und sozialer Ausgrenzung soweit wie möglich vorgebeugt werden,– allen Bevölkerungsschichten Chancen eröffnet werden, sich an der wirtschaftlichen Entwicklung zubeteiligen,– notwendige Anpassungen an den demografischen Wandel frühzeitig in Politik, Wirtschaft und Gesellschafterfolgen,– alle am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben.(10) Die inter<strong>nationalen</strong> Rahmenbedingungen sind gemeinsam so zu gestalten, dass die Menschen in allenLändern ein menschenwürdiges Leben nach ihren eigenen Vorstellungen und im Einklang mit ihrerregionalen Umwelt führen und an den wirtschaftlichen Entwicklungen teilhaben können. Umwelt undEntwicklung bilden eine Einheit. Nachhaltiges globales Handeln orientiert sich an den Millenniums-Entwicklungszielen der Vereinten Nationen. In einem integrierten Ansatz ist die Bekämpfung von Armutund Hunger mit– der Achtung der Menschenrechte,– wirtschaftlicher Entwicklung,– dem Schutz der Umwelt sowie– verantwortungsvollem Regierungshandelnzu verknüpfen.3. Die nachhaltige Entwicklung wird in 21 Bereichen anhand folgender Schlüsselindikatoren gemessen:Nr.IndikatorenbereicheNachhaltigkeitspostulatIndikatorenZieleI. Generationengerechtigkeit1a Ressourcenschonung Energieproduktivität Verdopplung von 1990 bis 2020Ressourcen sparsam und1b effizient nutzenRohstoffproduktivität Verdopplung von 1994 bis 20202 KlimaschutzTreibhausgase reduzieren3a Erneuerbare EnergienZukunftsfähige Energieversorgungausbauen3bTreibhausgasemissionen Reduktion um 21 % gegenüber 1990 bis <strong>2008</strong>/2012Anteil erneuerbarer Energienam PrimärenergieverbrauchAnteil erneuerbarer Energienam StromverbrauchAnstieg auf 4,2 % bis 2010 und 10 % bis 2020Anstieg auf 12,5 % bis 2010 und mindestens 30 % bis20204 FlächeninanspruchnahmeNachhaltige Flächennutzung5 ArtenvielfaltArten erhalten – Lebensräumeschützen6 StaatsverschuldungHaushalt konsolidieren – Generationengerechtigkeitschaffen7 Wirtschaftliche ZukunftsvorsorgeGute Investitionsbedingungenschaffen – Wohlstand dauerhafterhalten8 InnovationZukunft mit neuen LösungengestaltenAnstieg der Siedlungs- undVerkehrsflächeArtenvielfalt und LandschaftsqualitätStaatsdefizitVerhältnis der Bruttoanlageinvestitionenzum BIPPrivate und öffentlicheAusgaben für Forschung undEntwicklungReduzierung des täglichen Zuwachses auf 30 ha bis2020Anstieg auf den Indexwert 100 bis 2015Strukturell ausgeglichener Staatshaushalt; Bundeshaushaltspätestens ab 2011 ohne NettokreditaufnahmeSteigerung des AnteilsSteigerung auf 3 % des BIP bis 2010


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND209Nr.IndikatorenbereicheNachhaltigkeitspostulat9a BildungBildung und Qualifikation9bkontinuierlich verbessernIndikatoren18- bis 24-Jährige ohneAbschluss25-Jährige mit abgeschlossenerHochschulausbildungZieleVerringerung des Anteils auf 9 % bis 2010und 4,5 % bis 2020Steigerung des Anteils auf 10 % bis 2010 und 20 % bis20209c Studienanfängerquote Erhöhung auf 40 % bis 2010, anschließend weitererAusbau und Stabilisierung auf hohem Niveau10 Wirtschaftlicher WohlstandWirtschaftsleistung umweltundsozialverträglich steigern11a MobilitätMobilität sichern – UmweltBIP je EinwohnerII. LebensqualitätWirtschaftliches WachstumGütertransportintensität Absenkung auf 98 % gegenüber 1999 bis 2010 und auf95 % bis 202011bschonenPersonentransportintensität Absenkung auf 90 % gegenüber 1999 bis 2010 und auf80 % bis 202011cAnteil des Schienenverkehrs Steigerung auf 25 % bis 2015an der Güterbeförderungsleistung11dAnteil der Binnenschifffahrt Steigerung auf 14 % bis 2015an der Güterbeförderungsleistung12aStickstoffüberschussVerringerung bis auf 80 kg/ha landwirtschaftlich genutzterFläche bis 2010, weitere Absenkung bis 2020LandbewirtschaftungIn unseren Kulturlandschaftenumweltverträglich produ-12b Ökologischer Landbau Erhöhung des Anteils des ökologischen Landbaus anzierender landwirtschaftlich genutzten Fläche auf 20 % inden nächsten Jahren13 LuftqualitätGesunde Umwelt erhalten14a Gesundheit und ErnährungLänger gesund leben14bSchadstoffbelastung der Luft Verringerung auf 30 % gegenüber 1990 bis 2010Vorzeitige Sterblichkeit(Todesfälle pro 100.000Einwohner unter 65 Jahren)MännerVorzeitige Sterblichkeit(Todesfälle pro 100.000Einwohner unter 65 Jahren)Frauen14c Raucherquote vonJugendlichen(12 bis 17 Jahre)14d Raucherquote vonErwachsenen(ab 15 Jahre)14eAnteil der Menschen mitAdipositas (Fettleibigkeit)(Erwachsene ab 18 Jahre)15 KriminalitätPersönliche Sicherheit weitererhöhenWohnungseinbruchsdiebstahlIII. Sozialer ZusammenhaltRückgang auf 190 Fälle pro 100.000 bis 2015Rückgang auf 115 Fälle pro 100.000 bis 2015Absenkung auf unter 12 % bis 2015Absenkung auf unter 22 % bis 2015Rückgang bis 2020Rückgang der Fälle auf unter 100.000 pro Jahr bis zumJahr 201516a BeschäftigungBeschäftigungsniveau steigernErwerbstätigenquoteinsgesamt(15 bis 64 Jahre)16b ErwerbstätigenquoteÄltere(55 bis 64 Jahre)17a Perspektiven für FamilienVereinbarkeit von Familie undBeruf verbessernGanztagsbetreuung fürKinder0- bis 2-Jährige17b Ganztagsbetreuung fürKinder3- bis 5-JährigeErhöhung auf 73 % bis 2010 und 75 % bis 2020Erhöhung auf 55 % bis 2010 und 57 % bis 2020Anstieg auf 30 % bis 2010 und 35 % bis 2020Anstieg auf 30 % bis 2010 und 60 % bis 2020


210 ANHANGNr.IndikatorenbereicheNachhaltigkeitspostulat18 GleichberechtigungGleichberechtigung in derGesellschaft fördern19 IntegrationIntegrieren statt ausgrenzen20EntwicklungszusammenarbeitNachhaltige Entwicklungunterstützen21 Märkte öffnenHandelschancen der EntwicklungsländerverbessernIndikatorenVerdienstabstand zwischenFrauen und MännernAusländische Schulabgängermit SchulabschlussZieleVerringerung des Abstandes auf 15 % bis 2010 und auf10 % bis 2020Erhöhung des Anteils der ausländischen Schulabgängermit mindestens Hauptschulabschluss undAngleichung an die Quote deutscher Schulabgängerbis 2020IV. Internationale VerantwortungAnteil öffentlicher Entwicklungsausgabenam Brutto-Steigerung auf 0,51 % bis 2010 und 0,7 % bis 2015nationaleinkommenDeutsche Einfuhren ausWeiterer AnstiegEntwicklungsländern4. Monitoringa) Es wird regelmäßig über erreichte Fortschritte sowie verbleibende Defizite berichtet.Alle zwei Jahre veröffentlicht das Statistische Bundesamt einen Bericht zum Stand der Nachhaltigkeitsindikatoren.Die Analyse der Indikatorenentwicklung wird vom Statistischen Bundesamt in eigenerfachlicher Verantwortung vorgenommen.Eine Berichterstattung <strong>zur</strong> Strategie selbst (<strong>Fortschrittsbericht</strong>) erfolgt einmal pro Legislaturperiode.Die <strong>Fortschrittsbericht</strong>e bewerten den Stand der Umsetzung der Strategie, enthalten konkrete Maßnahmen<strong>zur</strong> Erreichung gesetzter Ziele und entwickeln die Strategie in einzelnen Schwerpunktfeldern fort.Die Berichte werden dem Deutschen Bundestag <strong>zur</strong> Kenntnis übermittelt.b) Bei der Erstellung von <strong>Fortschrittsbericht</strong>en findet eine frühzeitige und umfassende Beteiligungder Öffentlichkeit statt.c) Ergänzend berichten die Ressorts regelmäßig im Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklungüber aktuelle Fragen der Nachhaltigkeit im eigenen Geschäfts- und Aufgabenbereich.III. Institutionen1. Das Bundeskabinett beschließt Änderungen und Fortentwicklungen der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>.2. Der Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklunga) entwickelt die nationale <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> inhaltlich fort,b) überprüft regelmäßig die Entwicklung der Nachhaltigkeitsindikatoren,c) ist Ansprechpartner für den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung, Länder, kommunaleSpitzenverbände,d) berät über aktuelle Themen aus der Arbeit der Bundesregierung mit Nachhaltigkeitsbezug.Im Ausschuss sind alle Ressorts vertreten. Die Leitung des Staatssekretärsausschusses liegt beim Chef desBundeskanzleramts.3. Die Sitzungen des Staatssekretärsausschusses werden durch eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundeskanzleramtesvorbereitet, in der alle Ressorts auf Ebene der fachlich zuständigen Unterabteilungsleiter vertreten sind.4. Der Interministerielle Arbeitskreis Nachhaltigkeitsindikatoren leistet unter Federführung des Bundesministeriumsfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und unter Beteiligung des Statistischen Bundesamtesfachliche Vorarbeiten für die Überprüfung und Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitsindikatoren.


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND2115. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (Beschluss des Bundeskabinetts vom 26. Juli 2000, geändert durchBeschluss vom 4. April 2007)a) berät die Bundesregierung in Fragen der nachhaltigen Entwicklung,b) erarbeitet Beiträge <strong>zur</strong> Fortentwicklung der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>,c) veröffentlicht Stellungnahmen zu Einzelthemen,d) trägt vor allem <strong>zur</strong> öffentlichen Bewusstseinsbildung und zum gesellschaftlichen Dialog <strong>zur</strong> Nachhaltigkeit bei.Die Mitglieder des Rats werden von der Bundeskanzlerin berufen.IV. Verfahren innerhalb der Bundesregierung <strong>zur</strong> Umsetzung der Strategie1. Die Ressorts richten auf der Grundlage der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> ihre Aktivitäten einschließlich ihrerVerwaltungspraxis an der Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung aus. Bei Rechtsetzungsvorhabenwerden Auswirkungen auf eine nachhaltige Entwicklung untersucht und das Ergebnis dargestellt. Die Prüfungerfolgt durch das für das Vorhaben federführend zuständige Ressort im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung.2. Die Ressorts überprüfen fortlaufend die Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen der <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>und informieren bei Bedarf den Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung über auftretendeProbleme.3. Im Rahmen ihrer eigenen Kommunikation achten die Ressorts darauf, Bezüge <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong>herauszustellen.4. Die Bundesregierung verdeutlicht durch geeignete ressortübergreifende Projekte, dass sie Nachhaltigkeitim eigenen Bereich praktiziert. Über Projekte entscheidet der Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung.


212 STICHWORTVERZEICHNISStichwortverzeichnisAAbfallwirtschaft 98, 108Agenda 21, 22, 203Agrarpolitik 134, 136, 154Ältere Menschen14, 66, 119 ff., 125Siehe auch SeniorenAnpassungsstrategie 100 ff., 165Armut 16, 129, 160 ff., 181, 208Armutsbekämpfung 19, 98, 131 ff., 163, 166 ff., 192, 201, 203Artenvielfalt39, 47, 80, 102, 152, 154, 181, 208Siehe auch BiodiversitätBBeschäftigung23 ff., 48, 50, 71, 82, 100, 104, 161, 169, 201, 207, 209Siehe auch ErwerbstätigenquoteBildung 16, 19, 26 ff., 52 ff., 81, 85, 161, 166, 169 ff., 180, 183, 191 ff., 203, 209Bildung für nachhaltige Entwicklung 26 ff., 169, 180, 191 ff., 203Hochschulausbildung 54, 81, 180, 209Schulausbildung 16, 76, 77Biodiversität 16, 45, 102, 131, 136, 152, 153 ff., 165, 166, 192Biokraftstoffe 88, 91 ff., 96, 136Biologische Vielfalt 15, 28, 151 ff., 154, 165, 181BIP23, 25, 39, 49, 50 ff., 56 ff., 81, 208 ff.Siehe auch BruttoinlandsproduktBodenschutzklausel 144, 148Bruttoinlandsprodukt 40 ff., 50, 51, 56 ff., 84, 172Bundesländer 27, 74, 118, 146, 159, 177, 180, 192Bundestag 16, 27, 31, 35, 89, 90, 92, 94, 176 ff., 210CCO 242, 45, 57, 64, 89 ff., 100, 103, 108, 137 ff., 164, 175, 202Siehe auch KohlendioxidCorporate Social Responsibility 111, 112, 142, 168, 188DDemografischer Wandel 14, 118, 127, 179, 193Düngemittel 63, 110, 135


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND213EEEG13, 44, 89, 91, 92, 94Siehe auch Erneuerbare-Energien-GesetzElektromobilität 96, 138Emissionen 13, 40 ff., 65, 84, 87 ff., 111, 138, 164, 175, 193, 202Luftschadstoffe 39, 65, 137, 138Treibhausgas 12 ff., 40 ff., 81, 91 ff., 103, 137, 174, 196Emissionshandel 92, 93, 97, 98, 138, 175Energie 13, 22 ff., 39 ff., 64, 90 ff., 91, 137 ff., 171 ff., 193 ff., 198, 207Energieeffizienz 13, 25, 37, 41, 43, 88, 90 ff., 113, 138, 164, 173 ff., 188, 193, 197, 198, 203Energieeinsparung 193, 198, 200Energieproduktivität 13, 40, 81, 88 ff., 103, 197, 208Energieverbrauch40, 44, 45, 58, 60, 85, 88 ff., 100, 137 ff.Energieversorgung 44, 81, 94, 98 ff., 172, 174, 197, 208Engagement 14, 16, 19, 100, 110, 118 ff., 142, 162 ff., 193, 196, 203Entwicklungszusammenarbeit 77, 78, 83, 84, 92, 102, 134, 155, 163 ff., 173, 210Einfuhren aus Entwicklungsländern 79, 80, 83, 84, 210Finanzierung 78, 98, 133, 135, 164Ernährung 63, 66 ff., 82, 111, 133 ff., 152 ff., 192, 209Erneuerbare Energien 13, 92, 94, 143Erneuerbare-Energien-Gesetz 92, 94, 143Erwerbstätigkeit 57, 72, 73Ältere Menschen 14, 66, 119 ff., 125, 179Erwerbstätigenquote 38, 71, 72, 82, 84, 162, 209Frauen 12, 36 ff., 53 ff., 119, 126, 134, 160 ff., 170, 209, 210Europa 20, 27, 51, 93, 100, 104, 138, 171, 187, 201Europäische Kommission 93, 173, 202Europäische Union 17, 20, 43, 88, 93, 130, 157, 201Europäische <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> 17, 201FFamilie24, 25, 73, 82, 119 ff., 169, 209Siehe auch GanztagsbetreuungFinanzen 25, 162, 181Fischerei 151, 154, 155, 156, 167Nachhaltige Fischerei 155Flächeninanspruchnahme 15, 22, 45, 81, 143 ff., 193 ff., 208Flächenmanagement 146, 147, 198Flächenrecycling 144, 146, 148, 151Fluglärm 140Fona – Forschung für die Nachhaltigkeit 112, 114, 173Forschung und Entwicklung 16, 25, 51, 52, 81, 84, 91, 106, 115, 133, 171, 172, 207, 208Ausgaben für Forschung und Entwicklung 51, 81, 84, 208Forstwirtschaft 101, 102, 110, 151, 154, 181Frieden 77, 164Futtermittel 62, 106, 130


214 STICHWORTVERZEICHNISGGanztagsbetreuung 12, 38, 73 ff., 80, 82, 209Gebäudesanierung197, 199 ff.Gebäudesanierungsprogramm 90Gemeinsame Agrarpolitik134Siehe auch AgrarpolitikGenerationen 11, 14, 19, 21, 25, 32, 40 ff., 84, 87, 104 ff., 118,120, 124, 125, 128 ff., 143, 157, 177, 180 ff., 187, 207Generationengerechtigkeit 11, 19, 21, 25, 39, 48, 57, 81, 180, 206, 207, 208Gesetzesfolgenabschätzung 12, 33, 178, 201, 211Gesundheit 14, 38, 64, 66 ff., 69, 82, 102, 106, 111, 121, 127, 158, 166, 172, 192, 201, 207, 209Gewässer156 ff.Gewerkschaften 114, 125, 207Globalisierung 20, 25, 28, 59, 77, 133, 141, 164, 167 ff., 204Gütertransportintensität 36 ff., 58, 85, 209HHandel 79, 93, 104, 110 ff., 143, 152, 156, 167 ff., 175Haushalt 38, 48, 81, 92, 111, 118, 125, 159, 171, 174, 181, 208Hochschulausbildung 53, 54, 81, 180, 209IIEKP 13, 137Indikatoren 12, 19, 22, 32 ff., 36 ff., 41, 43 ff., 46, 50, 57, 59 ff., 62, 65,70, 75, 80 ff., 88, 137, 146, 153, 160, 163, 180, 184, 191 ff., 207 ff.Integration 15, 28, 32 ff., 38, 69, 73, 76 ff., 83, 88, 97, 119, 147 ff., 161, 167, 195, 201, 210Integriertes Energie- und Klimaprogramm 193Internationale Verantwortung83, 210Siehe auch VerantwortungKKernenergie 91Kinderbetreuung 56, 119, 125Klimaschutz 12 ff., 15 ff., 19, 25, 42, 81, 85 ff., 95, 97 ff., 136 ff., 143, 169, 171 ff., 191 ff., 196 ff., 208Siehe auch EmissionshandelKlimaschutzpolitik 91, 100, 136, 197, 199Klimaschutzziele 13, 88, 100, 103, 136, 172, 200Klimaveränderungen 87, 89, 141Klimawandel 13, 16, 42, 48, 86 ff., 98 ff., 129, 135, 151 ff., 154, 162 ff., 169, 172 ff., 183, 201, 204Kohlendioxid 43, 87, 93, 96Kommunen 13, 16 ff., 27, 31, 34 ff., 90 ff., 100, 119, 123, 138, 142, 145 ff., 171,173 ff., 177, 182, 185, 187, 189 ff., 192, 193 ff., 206 ff.Konsolidierung 12, 26, 48Konsultation 35 ff., 186Konsum 15, 24, 43, 100, 106, 141, 186, 192, 201, 203Nachhaltiger Konsum 141


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND215Konsumverhalten 100, 141, 202Kraftstoffstrategie 15, 31, 96, 138Alternative Kraftstoffe 22Kraft-Wärme-Kopplung90, 196 ff.Kriminalität 38, 70 ff., 82, 209Küstenschutz 102, 126, 157KWK90, 91Siehe auch Kraft-Wärme-KopplungKyoto-Protokoll 13, 42, 88, 97, 101, 103LLänder 12 ff., 16, 25 ff., 33 ff., 37, 39, 49, 55, 79, 85 ff., 90 ff., 99, 101, 104,119, 122, 125, 129 ff., 135 ff., 139, 142 ff., 146 ff., 154 ff., 160, 162 ff.,167 ff., 177, 180, 189 ff., 198 ff., 206 ff., 210Landwirtschaft 43, 62 ff., 65, 87, 102, 126 ff., 131 ff., 152, 154, 181, 204, 208Lärmschutz15, 139 ff.Lebensmittelsicherheit 158, 160Leitbild Nachhaltige Entwicklung 86Leitprinzip Nachhaltigkeit11, 12, 16, 17, 19, 176, 205 ff.Lkw-Maut 93Luftqualität 38, 64, 82, 97, 209MManagementregeln 12, 15, 20, 32, 105, 111, 155, 162, 165, 207Managementsystem 32, 146, 178, 180Marktanreizprogramm 92, 94Materialeffizienz 13 ff., 24, 105 ff., 114Meeresschutz156 ff.Millenniums-Entwicklungsziele16, 131, 162 ff., 203 ff.Mindeststandards14, 110 ff., 168Siehe auch Internationale VerantwortungMobilität12, 15, 22, 54, 58 ff., 81, 85, 98, 100, 138 ff., 172, 179, 186, 191 ff., 209Siehe auch VerkehrMonitoring 12, 31, 93, 135, 178, 207, 210NLeitbild der nachhaltigen Entwicklung 21, 22Nachhaltiger Konsum141Siehe auch KonsumverhaltenNachhaltiges Wachstum23 ff., 141, 143Siehe auch WirtschaftswachstumNachhaltigkeitsmanagement12, 16, 28, 31, 33 ff., 184, 188, 206 ff.Nachwachsende Rohstoffe 107, 130Nahrungsmittel129 ff., 135Siehe auch ErnährungNanotechnologie 104, 106, 113


216 STICHWORTVERZEICHNISNationale <strong>Nachhaltigkeitsstrategie</strong> 19, 22, 29, 33, 76, 128, 189, 210Naturschutz47, 101 ff., 148, 152, 181, 210Siehe auch BiodiversitätOODA-Quote 84Ökologischer Landbau 38, 63, 82, 85, 209Ökologische Steuerreform 175ÖPNV 127, 138 ff., 197PParlamentarischer Beirat 31, 34, 177Personentransportintensität 59, 80, 209Perspektiven für Familien 38, 73, 82, 209Pflege 14, 63, 75, 120, 122, 127, 159Prävention 12, 67, 158 ff., 181Primärenergieverbrauch12, 38, 40 ff., 44, 81, 88 ff., 208Siehe auch EnergieproduktivitätProduktion 15, 20, 24, 46, 54, 58, 62 ff., 89, 96, 105 ff., 114,130 ff., 135 ff., 141 ff., 154, 174, 201, 204, 207Nachhaltige Produktion 24, 96, 141Produktkennzeichnungen 105QQualifizierung76 ff., 144, 168 ff.RRat für Nachhaltige Entwicklung 16, 29, 35, 142, 143, 177, 211Raucherquote 12, 38, 67, 68, 82, 159, 209Raumordnung 45, 101, 145Ressourcen 11, 15, 19, 20, 39 ff., 57, 63, 81, 87, 91, 103 ff., 111, 125, 129, 132, 143, 152,154, 156, 165, 166, 173, 174, 181, 182, 194, 197, 201, 207, 208Ressourceneffizienz 14, 50, 104, 105, 107, 112, 113, 114, 115, 182Rohstoffproduktivität 14, 41, 42, 81, 105, 118, 208Rohstoffwirtschaft 13, 103, 104, 105, 110, 111, 115, 118, 168, 193SSchadstoffbelastung 64, 65, 82, 84, 153, 209Boden 132, 136, 146, 148, 165, 166, 184, 192, 194, 198Luft 40, 64, 65, 82, 84, 132, 209Schulabschluss 52, 76, 77, 83, 85, 210


FORTSCHRITTSBERICHT <strong>2008</strong> – FÜR EIN NACHHALTIGES DEUTSCHLAND 217Senioren 123Siedlungsentwicklung 147, 148, 150, 198Siedlungsfläche 46, 57, 144, 145Sozialer Zusammenhalt 118, 128, 207, 209Staatsdefizit 38, 48, 81, 84, 208Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung 12, 19, 29, 33, 34, 199, 200, 210, 211Stadtentwicklung 147, 149, 179, 186, 197Städtebauförderung 148, 149, 179Statistisches Bundesamt 34, 40, 45, 48, 50, 52, 55, 56, 66, 67, 69, 71, 73, 74, 76, 77, 79, 119Steuerreform 175Ökologische Steuerreform 175Stromverbrauch12, 44, 81, 89, 115, 208Siehe auch EnergieproduktivitätStrukturwandel 42, 56, 57, 99, 207Studienanfängerquote 38, 55, 81, 85, 209Subventionen 25, 134, 144, 150TTeilhabe 11, 34, 77, 111, 120, 126, 127, 153, 161, 163, 179, 189Gesellschaftliche Teilhabe 77, 126Treibhausgase12, 40, 42, 43, 44, 48, 81, 87, 91, 93, 174, 208Siehe auch Klimaschutz, EmissionenUUmweltstandards 25, 111Umwelttechnologien 173, 199VVerantwortung 11, 15, 16, 21, 22, 24, 25, 36, 39, 83, 125, 141, 142, 143,172, 180, 183, 184, 188, 189, 201, 206, 207, 210Globale Verantwortung 20, 171, 172Internationale Verantwortung 83, 210Verbraucher 23, 24, 89, 90, 100, 106, 117, 141, 143, 156, 197, 207Verbraucherpolitik 158Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern 36 ff., 74, 83, 85, 210Vereinte Nationen 78Verkehr15, 41, 58 ff., 95 ff., 137 ff., 179, 201, 202Siehe auch MobilitätFlugverkehr 95, 97, 102, 140Radverkehr 139, 197Schiffsverkehr 97Verkehrsaufkommen 181Verkehrsfläche 45, 46, 80, 81, 144, 145, 149, 208Verkehrsinfrastruktur 93, 102, 127, 149Verkehrsvermeidung 139


218 STICHWORTVERZEICHNISWWachstum 5, 6, 19, 23 ff., 48, 50, 51, 56, 57, 81, 96, 97, 100, 104Nachhaltiges Wachstum 23 ff., 141, 143Wald 115, 152, 207Nachhaltige Bewirtschaftung 96, 156, 157, 201Wasser89, 101, 132, 136, 143, 144, 156, 157, 166, 179, 184, 192, 203Siehe auch GewässerWasserversorgung 98, 135, 162Weiterbildung24, 28, 162, 168, 170, 171Siehe auch QualifizierungWeltbank78, 99, 130 ff.Welternährung 13, 15, 129, 162Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 22, 165, 203Welthandel 11, 104, 134, 167Welthandelsorganisation167Siehe auch WTOWettbewerbsfähigkeit 20, 24, 50, 51, 56, 59, 96, 114, 115, 161, 171, 180Wirtschaftswachstum 11, 16, 23, 40, 51, 56, 57, 87, 99, 129 ff., 162, 168, 207Wissenschaft 25, 86, 100, 113 ff., 133, 170 ff., 185, 207Wohnungseinbruchsdiebstahl 70, 71, 82, 84, 209WTO110, 133, 134, 136, 153, 167Siehe auch WelthandelsorganisationZZivilgesellschaft 13, 14, 16 ff., 31, 35, 99, 112, 129, 139, 160, 165, 185, 201, 207Zusammenhalt11, 14, 21, 39, 56, 76, 118 ff., 125, 149, 161, 179, 184, 192, 206 ff.Sozialer Zusammenhalt 82, 209


ImpressumHerausgeberPresse- und InformationsamtDer Bundesregierung11044 BerlinStandJuli <strong>2008</strong> (Indikatoren: August <strong>2008</strong>)GestaltungOtterbach Medien KG GmbH & Co.76437 RastattDruckSilber Druck oHG34266 NiestetalBezugsquellePostanschrift:Publikationsversand der BundesregierungPostfach 48 10 09, 18132 RostockServicetelefon: 0 18 05 / 77 80-90Servicefax: 0 18 05 / 77 80-94E-mail: publikationen@bundesregierung.deDiese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung.Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt

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