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Die Frühe Neuzeit der Kommunikationsgeschichte

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4 Esther-Beate Körber<br />

zwar nicht zwangsläufig miteinan<strong>der</strong> verbunden sein – auf einer Schallplatte o<strong>der</strong><br />

CD etwa können Informationen weltweit verbreitet werden, ein sogar global »disperses«<br />

Publikum erreichen, ohne daß die Geschwindigkeit <strong>der</strong> Informationsübertragung<br />

eine Rolle spielt. Beson<strong>der</strong>s kennzeichnend für mo<strong>der</strong>ne Informations-<br />

und Kommunikationsformen ist aber doch die Verbindung von Ubiquität und<br />

Schnelligkeit, etwa beim Fernsehen via Satellitenübertragung, aber auch bei <strong>der</strong><br />

Live-Reportage im Hörfunk. <strong>Die</strong>se Faszination sowohl <strong>der</strong> Ubiquität als des<br />

Tempos von Informationen drückt Marshall McLuhan aus, wenn er von <strong>der</strong> »Sofortübermittlung<br />

von Nachrichten aus vielen Kulturen, Zeiten und von vielen<br />

Orten« spricht, »die für die mo<strong>der</strong>ne Technik charakteristisch ist«. 1<br />

Ein drittes Kennzeichen mo<strong>der</strong>ner Kommunikationsformen ist, vielleicht überraschend,<br />

ihre Privatheit o<strong>der</strong> sogar Intimität. <strong>Die</strong> mo<strong>der</strong>nen Kommunikationsmittel<br />

lassen sich zwar in <strong>der</strong> Einkaufsstraße, dem schlechthin öffentlichen Ort<br />

von heute, gehäuft antreffen. Ihren eigentlichen Ort und ihre Wirkung haben sie<br />

jedoch im Privaten und auf Einzelne: im Fernsehzimmer, am Küchentisch o<strong>der</strong><br />

sogar, diesseits <strong>der</strong> Intimitätsdistanz, über Kopfhörer im Ohr. Sie sind zwar Massen-Kommunikationsmittel,<br />

aber das Publikum braucht keine konkrete an einem<br />

einzigen Ort versammelte Masse zu sein. Es braucht, wenn man an die wenig<br />

bedachten Massenmedien Musikkassette o<strong>der</strong> CD denkt, nicht einmal zur gleichen<br />

Zeit dasselbe zu hören o<strong>der</strong> zu sehen. Zu massenhafter Wirkung ist keine<br />

konkrete Masse mehr nötig. Mo<strong>der</strong>ne Massenkommunikation braucht keine konkreten<br />

Massen mehr, deshalb kann man mit Günther An<strong>der</strong>s von <strong>der</strong> »Antiquiertheit<br />

<strong>der</strong> Masse« 2 sprechen. Kommunikationstheoretisch exakter müsste man<br />

wahrscheinlich sagen: <strong>Die</strong> Masse ist wie die Information selbst virtuell geworden.<br />

Das hat eine Nebenwirkung, die An<strong>der</strong>s mehr umschreibt als ausdrückt: Mo<strong>der</strong>ne<br />

Massenkommunikation muss nämlich nicht mehr unbedingt »öffentlich« im<br />

Sinne allgemeiner Sicht- o<strong>der</strong> Hörbarkeit und Zugänglichkeit sein – auch wenn sie<br />

»öffentlich« im Sinne kultureller Verbindlichkeit sein kann, ja sogar den Anspruch<br />

auf kulturelle Verbindlichkeit ihrer Inhalte erhebtund, wie An<strong>der</strong>s ausspricht,<br />

Millionen von Menschen in gleicher Weise prägt. 3 Mo<strong>der</strong>ne Massenkommunikation<br />

ist öffentliche Kommunikation im privaten Raum, nämlich Mitteilung kultureller<br />

Verbindlichkeiten (Fernsehen kann Verhaltensstandards definieren, durch<br />

wie<strong>der</strong>holte Vorführung durchsetzen und sie sogar diskutieren), ohne dass das<br />

Publikum sich konkret als Masse versammeln muss. <strong>Die</strong> Kennzeichen <strong>der</strong> kommunikationsgeschichtlichen<br />

Mo<strong>der</strong>ne sind also drei: erstens ubiquitäre Informationsvermittlung<br />

mit Hilfe elektromagnetischer Wellen, zweitens unüberholbare<br />

Schnelligkeit und drittens Virtualität <strong>der</strong> Masse dadurch, dass öffentliche Kommunikation<br />

vorwiegend im privaten Raum stattfindet.<br />

Wann beginnt diese informationelle Mo<strong>der</strong>ne? Ganz streng genommen setzten<br />

schon die Leuchtfeuer <strong>der</strong> Antike und <strong>der</strong> sogenannte optische Telegraph elektromagnetische<br />

Wellen als Informationsträger ein, nämlich Licht. <strong>Die</strong>se Informationen<br />

waren aber sehr spezifisch, und sie dienten einem sehr engen Empfängerkreis.<br />

Zum Informationsmittel für viele wurde die elektromagnetische Welle erst<br />

mit <strong>der</strong> Verbreitung <strong>der</strong> Telegraphie in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

Dabei trat zugleich ein weiteres Kennzeichen »mo<strong>der</strong>ner« Kommunikation hervor,<br />

nämlich die netzartige Struktur, die aufgebaut werden musste, um »disperse«

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