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ESUG Sondernewsletter 2013 (PDF) - Buchalik Brömmekamp

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www.buchalik-broemmekamp.deden Weg über vorläufige Eigenverwaltung bzw. das Schutzschirmverfahrenschon fast zwingend vorgeben:Das eine Argument bezieht sich auf einen gesetzlichen Webfehler.Der erst zum 1. Januar 2011 systemwidrig neu eingeführte§ 55 Abs. 4 InsO bestimmt, dass Verbindlichkeiten ausdem Steuerschuldverhältnis, die im Eröffnungsverfahren, alsodem Zeitraum zwischen Antragstellung und Eröffnung begründetworden sind, im eröffneten Verfahren als Masseverbindlichkeitengelten. Gezahlte Steuern wie Umsatzsteuer, Branntweinsteuer,Lohnsteuer etc. können somit nach Eröffnung vomSachwalter gemäß §§ 129 ff. InsO angefochten werden. Beieinem Unternehmen mit 2 Mio. Euro Umsatz/Monat und einermonatlichen Bruttolohnsumme von 500 TEuro kann neue Liquiditätüber die Insolvenz von fast 2 Mio. Euro generiert werden,sodass der Sanierungserfolg wahrscheinlicher wird.Das andere Argument sind die deutlich geringeren Verfahrenskostenbei einem Verfahren in Eigenverwaltung. Berücksichtigtman, dass die Verfahrenskosten in der Regelinsolvenzeines Unternehmens dieser Größenordnung bei geschätzt1,2 Mio. Euro liegen und sich in der Eigenverwaltung auf einDrittel bis ein Viertel reduzieren, lässt sich die Masse um800 TEuro gegenüber der Regelinsolvenz anreichern – Geld,das zur Verteilung an die Gläubiger verfügbar ist und die Quotedeutlich erhöht. Das liegt daran, dass der Sachwalter in derRegel nur 60 Prozent der für den Insolvenzverwalter bestimmtenVergütung erhält. Zudem entfallen die sonst üblichenZuschläge auf die Regelvergütung, da einige Tätigkeiten nunvom eigenverwaltenden Schuldner selbst durchgeführt werden.Dazu zählen die Einleitung der Insolvenzgeldvorfinanzierung,die Insolvenzplanerstellung oder die Verhandlungen mitKunden und Lieferanten. Das Argument, dass diese eingespartenKosten nun auf den Berater entfallen würden, ist nurbedingt nachvollziehbar. Zum einen bedient sich auch derInsolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren externer Berater,die er gesondert aus der Masse vergütet. Zum anderenlässt sich das Honorar des Beraters – anders als die Vergütungdes Insolvenzverwalters – vorher aushandeln und beläuftsich deshalb in der Regel nur auf einen Bruchteil dessen.5. Stärkerer Einfluss der Gläubiger auf das VerfahrenBislang wurde die Insolvenz praktisch zwischen Gericht undInsolvenzverwalter geregelt. Die Gläubiger wurden üblicherweiseerst im eröffneten Verfahren einbezogen, dann waren aber diewesentlichen Weichen bereits gestellt und eine Beeinflussungauf das Verfahren war kaum mehr möglich. Die Einflussnahmeder Gläubiger ist durch das <strong>ESUG</strong> deutlich gestärkt worden.Frühzeitig einbezogen bestimmen nunmehr die Gläubiger, obes zur Anordnung einer Eigenverwaltung kommt, wer als (vorläufiger)Sachwalter vom Gericht bestellt wird, wer die Bewertungsgutachtenund die Kassenprüfung durchführt, genausowie der vorläufige Gläubigerausschuss die Konditionen dieserDienstleister mitbestimmt. Sie kontrollieren neuerdings denSchuldner und den (vorläufigen) Sachwalter und erhalten regelmäßigeInformationen über den Gang des Verfahrens. Letztereswar bei „unwilligen Verwaltern“ in der Vergangenheit eherdie Ausnahme. Noch nicht alle Gläubiger nehmen derzeit dieseneuen Rechte – insbesondere wegen nicht auszuschließendenHaftungsrisiken – wahr. Haftungsrisiken lassen sich aber durchdie Einschaltung eines externen Kassenprüfers und eine Haftpflichtversicherungvollständig eliminieren.6. Erheblich gesteigerte Möglichkeiten zurUnternehmenssanierungLiegt ein belastbares operatives Sanierungskonzept vor undkann auf Dauer die Markt- und Wettbewerbsfähigkeit des Insolvenzschuldnersdurch operative Restrukturierungsmaßnahmenwiederhergestellt werden, bietet die Planinsolvenz in Eigenverwaltungeine Plattform mit unglaublichen Möglichkeiten. Mitdem Insolvenzgeld, der Rückholung von Steuerzahlungen sowiedem Einfrieren von Altverbindlichkeiten wird die Liquidität massivgestärkt, sodass zusätzliche Sanierungskredite meist überflüssigwerden. Damit wird ein wesentliches Hindernis zur nachhaltigenSanierung des Unternehmens aus dem Wege geräumt.Hinzu kommt durch die erhebliche Entschuldung auf der Grundlagevon Verzichten ungesicherter Gläubiger (u. a. Bundesagenturfür Arbeit, ungesicherte Banken und Lieferanten, Pensions-Sicherungs-Verein, Wegfall von Nachranggläubigern) eineSteigerung der Eigenkapitalquote von bis zu 80 Prozent. Dasnoch vor Antragstellung unterkapitalisierte und illiquide Unternehmenweist nun eine beachtliche Eigenkapitalquote auf, diedie nachhaltige Sanierung nicht nur unterstützt, sondern fastschon der Erfolgsgarant für das Gelingen der Sanierung ist.Wesentliches Sanierungshindernis war bislang das Erfordernis,neue Liquidität zur Verlustfinanzierung und Umsetzung derSanierungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Diese konnteim Regelfall nur von den Banken kommen. Mit der Möglichkeit,Liquidität im Verfahren zu generieren, ist eine zusätzlicheBankenfinanzierung meist nicht mehr notwendig.7. Professionelle Verfahrensvorbereitung alsErfolgsfaktorOhne eine professionelle Begleitung ist der Erfolg einer Planinsolvenzin Eigenverwaltung nicht darstellbar. Schon bis zurAntragstellung gibt es mindestens 40 wichtige Punkte abzuar-3


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>beiten, um den Erfolg sicherzustellen. Dazu gehören die Vorbereitungdes Insolvenzantrages selbst, die Einleitung der Insolvenzgeldvorfinanzierung,vorbereitende Gespräche mit denpotenziellen vorläufigen Gläubigerausschussmitgliedern, mitdem vorläufigen Sachwalter und mit dem Gericht, die Vorbereitungeiner Vereinbarung eines „unechten“ Massekredites,die Erstellung eines Insolvenzszenarios und der Liquiditätsplanungfür die Insolvenz, die Einholung von Versicherungsschutzu.v.m. Allein der Insolvenzantrag mit dem Ziel der Eigenverwaltungsetzt die Erstellung von ca. 20 Einzeldokumenten voraus.Beim Schutzschirmverfahren ist der Antrag noch erheblichkomplexer. Nach einer Erhebung des Amtsgerichtes Charlottenburgvom August 2012 waren bislang über 90 Prozent dergestellten Anträge nach neuem Recht unzulässig, weil es aneiner professionellen Vorbereitung fehlte. Ein Insolvenzschuldnerschafft das definitiv nicht alleine. Die erheblichen Chancen,die das neue Recht bietet, wurden in diesen Fällen durch mangelhafteVorbereitung zunichte gemacht.8. Akzeptanz durch die Insolvenzverwalter noch nichtdurchgängigViele Insolvenzverwalter haben mit dem neuen Insolvenzrechtnoch Akzeptanzschwierigkeiten. Das ist nachvollziehbar, wennman die damit verbundenen Einkommenseinbußen und denVerlust an Einfluss berücksichtigt. Die Verwalterszene solltedas neue Recht akzeptieren und sich auf die geänderten Rahmenbedingungeneinstellen. Die Erfahrungen mit dem neuenRecht sind für die Beteiligten insgesamt so positiv, dass nichtdamit zu rechnen ist, dass der Gesetzgeber das Rad wiederzurückdrehen wird. Ein Verwalter, der das neue Insolvenzrechtöffentlich ablehnt, wird kaum erwarten können, dass er vomSchuldner oder den Gläubigern noch für das Amt des vorläufigenSachwalters vorgeschlagen wird. Es ist damit zu rechnen,dass die Zahl der relevanten Insolvenzen mit Sanierungspotenzialin Zukunft deutlich steigen wird. Will ein Verwalteran diesem Markt partizipieren, muss er dafür offen sein.9. Hohe Akzeptanz durch die Gerichte, aber vieleHürden bei der UmsetzungDie Akzeptanz seitens der Gerichte ist überraschend hoch.Nachdem anfänglich bei den meisten Gerichten erheblicheUnsicherheit über den Gang der neuen Verfahren herrschte,positionieren sich die Gerichte nach den ersten Erfahrungenimmer klarer. Allerdings sind die Unterschiede bei den einzelnenGerichten aufgrund fehlender gesetzlicher Vorgaben undfehlender höchstrichterlicher Entscheidungen noch groß. Esliegt am Berater, die bislang aufgetretenen Rechtsproblemedurch Studium der bisherigen Gerichtsbeschlüsse zum <strong>ESUG</strong>zu antizipieren und durch Vorgespräche mit dem zuständigenGericht auszuschließen bzw. zu lösen. Unterschiedliche Auffassungenvertreten die Insolvenzgerichte in Deutschland gegenwärtigetwa in Bezug auf folgende wesentlichen Punkte:die repräsentative Zusammensetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses,die Personenidentität von Berater undBescheiniger nach § 270b InsO, die Schwellenwerte für dieKosten des vorläufigen Gläubigerausschusses, die Befugnis zurEingehung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahrendurch den eigenverwaltenden Schuldner. Schwierigkeitenergeben sich auch daraus, dass die meisten Gerichte – selbstbei einer stattgefundenen intensiven Vorbesprechung desInsolvenzantrages im Vorfeld der eigentlichen Antragstellung– ihre Beschlüsse nicht unverzüglich nach der eigentlichenAntragstellung erlassen. Das liegt daran, dass sie erst einmalnoch genau prüfen wollen, ob z. B. der vorläufige Gläubigerausschuss,der vom Schuldner vorgeschlagen wurde, formal richtigzusammengesetzt wurde, die Eigenverwaltung nicht offensichtlichaussichtslos ist oder Bedenken im Hinblick auf dieBegründung von Masseverbindlichkeiten bestehen. Wenn dasGericht, wie in einem Fall geschehen, für diese Prüfung ersteinen Gutachter einsetzt, wird durch den dadurch eintretendenZeitverlust die weitere Unternehmensfortführung ersteinmal blockiert. Der gestellte Antrag wurde in diesem Stadiummeist auch schon nach außen kommuniziert. Vor der Einreichungdes Gutachtens wird das Gericht aber einen erstenBeschluss in der Regel nicht erlassen. Der Betrieb ist in derZwischenzeit praktisch lahmgelegt und die Mitarbeiter wartenauf ihre Löhne und Gehälter. Nur mit frühzeitigen und intensivenvertrauensbildenden Vorgesprächen mit dem zuständigenGericht und vor allem der Bereitschaft des Gerichtes, schonvor der Antragstellung erste Prüfungen durchzuführen, kanneinem solchen Szenario ausreichend begegnet werden.10. AusblickObwohl die Anfangsschwierigkeiten mit dem neuen Insolvenzrechtin Teilbereichen offenkundig sind, ist das <strong>ESUG</strong>insgesamt als großer Erfolg zu bezeichnen. Der Gesetzgeberhat damit ein neues Sanierungsinstrument geschaffen,das von der Praxis angenommen wird. Der oftmalsvorgebrachte Missbrauch hält sich in Grenzen. Die erstenErfahrungen mit den Gerichten zeigen, dass die Richter ihreTorwächterfunktion ausfüllen und eher zur Überregulierungals zur Deregulierung neigen. Wichtig wird es jetzt imnächsten Schritt sein, das neue Recht den von der Insolvenzbedrohten Unternehmen auch zu kommunizieren, damitdiese von den neuen Sanierungsmöglichkeiten durchInsolvenz Gebrauch machen.4


www.buchalik-broemmekamp.deEinführung in das neue InsolvenzrechtRA Dr. Jasper Stahlschmidt, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, DüsseldorfDas Insolvenzrecht vor Inkrafttreten des <strong>ESUG</strong> verhinderte in vielen Fällen, dass lebensfähige Unternehmen durchein eröffnetes Insolvenzverfahren saniert werden konnten, weil die fehlende Berechenbarkeit eines InsolvenzverfahrensUnternehmen davon abhielt, einen Insolvenzantrag zu stellen. Vielmehr wurde der Weg über die außergerichtlicheSanierung so lange beschritten, bis alle Reserven verbraucht waren und nur noch die Liquidation desUnternehmens möglich war.Mit dem reformierten Insolvenzrecht strebt der Gesetzgebereine frühzeitige Sanierung von Unternehmen an, um dieSpielräume für eine außergerichtliche Sanierung zu erhöhen.Gleichzeitig ist der Weg durch die Insolvenz für den Insolvenzschuldnerbeherrsch- und berechenbarer.Die vorgenommenen Änderungen der Insolvenzordnung sollenauch ihren Beitrag zur Stärkung des WirtschaftsstandortesDeutschland leisten, z. B. diesen interessanter für ausländischeInvestoren machen und dem vereinzelt aufgetreteneninsolvenzrechtlichen „Forum Shopping“ (Unternehmensverlagerungenins Ausland mit dem Ziel, dort Erleichterungen fürdie Sanierung und Erhaltung von Unternehmen in Anspruchzu nehmen) die Grundlage entziehen. Der Schwerpunkt desGesetzes besteht deshalb in der Erleichterung der Sanierungvon Unternehmen durch einen stärkeren Einfluss der Gläubigerauf die Auswahl des Insolvenzverwalters/Sachwalters,einem erleichterten und bereits in das Eröffnungsverfahrenvorverlagerten Zugang zur Eigenverwaltung sowie dem Ausbauund der Straffung des Insolvenzplanverfahrens.Zusammenfassung der wesentlichen Änderungen/Neuerungen:1. Stärkung der GläubigerrechteUm die Gläubigerrechte zu stärken, wird die Möglichkeitgeschaffen, bereits unmittelbar nach dem Eingang einesEröffnungsantrages einen vorläufigen Gläubigerausschusseinzurichten, sofern im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestenszwei der drei folgenden Schwellenwerte erreichtwurden (§ 22a Abs. 1 InsO):– 4,84 Mio. Euro Bilanzsumme nach Abzug eines aufder Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrages i.S.v. § 268Abs. 3 HGB,– 9,68 Mio. Euro Umsatzerlöse sowie– im Jahresdurchschnitt 50 Arbeitnehmer.Auch unterhalb der Schwellenwerte erfolgt die Einrichtungeines vorläufigen Gläubigerausschusses auf Antrag desSchuldners, des vorläufigen Sachwalters oder eines Gläubigers,wenn Personen benannt werden, die als Mitglieder inBetracht kommen und dem Antrag die Einverständniserklärungender benannten Personen beigefügt werden (§ 22aAbs. 2 InsO).Die Befugnisse des vorläufigen Gläubigerausschusses sindsehr weitreichend:– Vor Bestellung des Verwalters ist dem vorläufigen GläubigerausschussGelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungenzu äußern, die an den Verwalter zu stellen sind(§ 56a Abs. 1 InsO).– Sofern sich der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmigfür eine bestimmte Person als Verwalter ausspricht, istdiese Entscheidung für das Gericht bindend, es sei denn,die vorgeschlagene Person ist für die Übernahme desAmtes nicht geeignet (§ 56a Abs. 2 Satz 1 InsO).– Hat das Gericht ohne Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusseseinen Verwalter bestellt, so kann der vorläufigeGläubigerausschuss in seiner ersten Sitzung miteinem einstimmigen Beschluss einen anderen Verwalterwählen (§ 56a Abs. 3 InsO).– Vor der Entscheidung über einen Antrag auf Eigenverwaltungist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheitzur Äußerung zu geben (§ 270 Abs. 3 Satz 1 InsO).– Ein Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung kann vomGericht nur abgelehnt werden, wenn Umstände bekanntsind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilenfür die Gläubiger führen wird (§ 270 Abs. 2 Nr. 2InsO). Wird aber der Antrag von einem einstimmigen Beschlussdes vorläufigen Gläubigerausschusses unterstützt,gilt die Anordnung als nicht nachteilig für die Gläubiger(§ 270 Abs. 3 Satz 2 InsO).2. Stärkung der Eigenverwaltung und neuesSchutzschirmverfahrenDer Gesetzgeber wollte die Eigenverwaltung weiter stärken, umim Idealfall im Einvernehmen mit den Gläubigern die Kennt-5


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>nisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung bestmöglichnutzen zu können und eine zeit- und kostenintensiveEinarbeitungszeit eines Insolvenzverwalters zu vermeiden.Vor der Reform wurde die Eigenverwaltung nur sehr zurückhaltendeingesetzt, vor allem, weil das Verfahren für denInsolvenzschuldner nicht kalkulierbar war. Zwischen Antragstellungund Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde vomInsolvenzgericht immer ein vorläufiger Insolvenzverwaltermit zum Teil sehr weitgehenden Befugnissen eingesetzt.Erst im Beschluss des Gerichtes über die Eröffnung desInsolvenzverfahrens, also nach zwei bis drei Monaten,wurde über die Anordnung der Eigenverwaltung entschieden.Die Nichtanordnung konnte erhebliche negative Auswirkungenwirtschaftlicher Art auf den weiteren Verlauf desInsolvenzverfahrens haben, insbesondere dann, wenn dieEigenverwaltung bereits mit Antragstellung vom Schuldnerangekündigt wurde.Das <strong>ESUG</strong> erleichtert die Voraussetzungen für die Anordnungder Eigenverwaltung. So werden die Gläubiger über denvorläufigen Gläubigerausschuss schon vor der Eröffnung desInsolvenzverfahrens in die Entscheidung über die Eigenverwaltungeinbezogen. Bereits in der Phase zwischen Insolvenzantragstellungund Eröffnung kann die sogenannte vorläufigeEigenverwaltung angeordnet werden (§ 270a InsO).Damit wird vom Gericht eine Vorentscheidung über dieAnordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Verfahrengetroffen. Die Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Anordnungder Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren entfälltfolglich. Sofern der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmigden Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung unterstützt,kann das Gericht diesen Antrag nicht ablehnen, auchdann nicht, wenn das Gericht der Ansicht ist, dass den Gläubigerndurch die Anordnung Nachteile entstehen.Mit dem neuen Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO), daseine weitere Form der vorläufigen Eigenverwaltung ist undderen Wirkungen nochmals verstärkt, wird dem Schuldnerim Zeitraum zwischen Eröffnungsantrag und Verfahrenseröffnungein eigenständiges Sanierungsverfahren zur Verfügunggestellt. Der Schuldner erhält auf einen entsprechendenAntrag und Beschluss des Gerichtes bis zu drei MonateZeit, in einer Art „Schutzschirmverfahren“ unter Aufsichteines vorläufigen Sachwalters frei von Vollstreckungsmaßnahmeneinen Sanierungsplan zu erstellen, der anschließendals Insolvenzplan umgesetzt werden kann.Voraussetzung für die Einleitung eines solchen Schutzschirmverfahrensist nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO, dassder Schuldner mit dem Eröffnungsantrag eine mit Gründenversehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenenSteuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwaltes odereiner Person mit vergleichbarer Qualifikation vorlegt, aus dersich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung,aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und dieangestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.Eine wesentliche Stärkung erfährt das Schutzschirmverfahrendurch die Befugnis des Schuldners, Masseverbindlichkeitenbegründen zu können (§ 270b Abs. 3 InsO). Ererhält damit die Rechtsposition, die bislang nur ein starkervorläufiger Insolvenzverwalter innehatte.Mit der Änderung des § 270 InsO und den neuen Regelungender §§ 270a, 270b InsO wird die Anordnung der Eigenverwaltungfür den sanierungswilligen Insolvenzschuldner berechenbarer.Wenn das Verfahren vom Berater gut vorbereitetist und er die Rückendeckung der wichtigsten Gläubiger erhält,ist die Anordnung der Eigenverwaltung praktisch sicher.Sie kann dann weder vom Insolvenzgericht noch vom vorläufigenSachwalter verhindert werden.3. Ausbau und Straffung des Insolvenzplanverfahrensa) Eingriff in die Rechte der AnteilsinhaberNunmehr ist es nach dem Vorbild des US-amerikanischenChapter-11-Verfahrens möglich, die Rechte der Anteilsinhaberdurch Regelungen im Insolvenzplan zu ändern. DieUmwandlung von Forderungen von Gläubigern in AnteilsoderMitgliedschaftsrechte, der sogenannte Debt-Equity-Swap (§ 225a InsO), eröffnet in der Praxis neue, hochinteressanteGestaltungsmöglichkeiten. Das bisherige Vetorechtder Altgesellschafter ist aufgehoben und Nachschusspflichtendes Erwerbers wegen einer Überbewertung ihrer Forderungensind ausgeschlossen.b) Einschränkung der Möglichkeiten zur Verhinderung desPlanes(1) Früher war es möglich, dass einzelne Gläubiger unter Berufungauf die Regelungen des § 251 InsO das Zustandekommendes Insolvenzplanes verhindern oder zumindestdeutlich durch das Einlegen von Rechtsmitteln hinauszögernkonnten, wenn sie glaubhaft machten, dass siedurch den Plan schlechter gestellt werden (§ 251 Abs. 2InsO a.F.). In der Praxis führte dies insbesondere bei Großverfahrendazu, dass der Schuldner gezwungen war, diesenGläubigern gesetzeswidrig Sondervorteile zu verschaffen,um den Plan zum Abschluss zu bringen. Heute hat derSchuldner die Möglichkeit, im Plan vorzusehen, für dieseGläubiger Mittel für den Fall bereitzustellen, dass sie ihre6


www.buchalik-broemmekamp.deSchlechterstellung nachweisen. Ob die Beteiligten einenAusgleich aus diesen Mitteln erhalten, ist außerhalb desInsolvenzverfahrens zu klären (§ 251 Abs. 3 Satz 2 InsO).Damit verhindern selbst jahrelange Prozesse das zügigeZustandekommen des Planes nicht.(2) In der Vergangenheit konnten Rechtsmittel gegen den Beschluss,durch den der Insolvenzplan bestätigt wurde,ohne Begründung eingelegt werden. Das war selbst dannmöglich, wenn dem Plan durch denjenigen, der dasRechtsmittel eingelegt hatte, zugestimmt worden war.Rechtsmittel sind nach § 253 InsO nur noch zulässig,wenn dem Plan spätestens im Abstimmungsterminschriftlich widersprochen, gegen den Plan gestimmt undglaubhaft gemacht wurde, dass der widersprechendeGläubiger durch den Plan wesentlich schlechter gestelltwird und dass dieser Nachteil nicht durch Zahlung aus denin § 251 Abs. 3 InsO genannten Mitteln ausgeglichen werdenkann.c) Erleichterte Aufhebung des InsolvenzverfahrensIn der Vergangenheit führte die Pflicht zur Berichtigung allerunstreitigen Masseansprüche vor der Aufhebung des Insolvensverfahrenszu erheblichen praktischen Schwierigkeiten,da für zahlreiche bereits begründete Verbindlichkeiten nochkeine Rechnungen vorlagen, aber auch Dauerschuldverhältnissefortgesetzt werden sollten. Nach § 258 Abs. 2 InsO hatder Verwalter vor der Aufhebung des Verfahrens nur nochdie unstreitigen fälligen Masseansprüche zu berichtigen undfür die streitigen oder nicht fälligen Sicherheit zu leisten. Fürdie nicht fälligen Masseansprüche kann jetzt auch einFinanzplan vorgelegt werden, aus dem sich ergibt, dassihre Erfüllung gewährleistet ist.Mit den zahlreichen Änderungen der Insolvenzordnung durchdas <strong>ESUG</strong> ist dem Gesetzgeber ein großer Wurf gelungen.Jedenfalls ist seine Intention, insbesondere der Eigenverwaltungund dem Insolvenzplanverfahren endlich zum Durchbruchzu verhelfen und die Gläubigerrechte deutlich zustärken, an vielen Stellen des Gesetzes Nachdruck verliehenworden. Die praktischen Erfahrungen zeigen, dass dieAkzeptanz des neuen Rechts bei Gerichten, Unternehmenund auch Insolvenzverwaltern ständig zunimmt.BuchVon Robert <strong>Buchalik</strong> und Professor Dr. Hans HaarmeyerSanieren statt LiquidierenNeue Möglichkeiten der Sanierung durch Insolvenz nach dem <strong>ESUG</strong>.Dieses Praxishandbuch nimmt Sie mit in die Echtzeit der Sanierung. Es klärt Sieüber den Umgang mit dem neuen Recht auf und erläutert die Möglichkeiten einerSanierung anhand von Beispielfällen aus der Praxis. Wichtige Instrumente wieEigenverwaltung und Schutzschirmverfahren sowie die Möglichkeiten einer professionellenVorbereitung werden von den Autoren eingehend dargestellt.Weitere Informationen finden Sie unter: www.buchalik-broemmekamp.de2012. Gebunden. 253 Seiten. 39,95 Euro, ISBN 978-3-482-64041-47


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Der vorläufige Gläubigerausschuss: Stärkung derGläubigermitbestimmungProf. Dr. Hans Haarmeyer, leitender Direktor des DIAI, BonnUnbestritten werden die Weichen für ein Unternehmen in der Insolvenz bereits in den ersten 10–14 Tagen in dierichtige oder in die falsche Richtung gestellt. Vor diesem Hintergrund haben Schuldner wie Gläubiger nach demneuen Recht die Möglichkeit erhalten, schon vom ersten Tag eines Verfahrens diese zentralen Weichenstellungenmit zu beeinflussen.Voraussetzung für eine solche „steuernde Mitwirkung“ istjedoch, dass ein kriselndes Unternehmen zumindest in derletzten Phase der Krise professionell begleitet wird und denDialog mit den wichtigsten Gläubigern aufnimmt und sie davonüberzeugt, einen gemeinsamen Weg hin zu einer Sanierungdes Unternehmens im Schutz des Insolvenzrechtes zugehen. Unternehmen hingegen, die ihre Gläubiger mit einemInsolvenzantrag überraschen, sollen von diesen Möglichkeiteneines gesteuerten Verfahrens zu Recht ausgeschlossenwerden. Zentrales Steuerungsinstrument zur Sicherung derfrühen Gläubigermitbestimmung ist der vorläufige Gläubigerausschuss.Damit will der Gesetzgeber zugleich sicherstellen,dass das Insolvenzgericht vom ersten Tag an auchErkenntnisse der Gläubiger über das Schuldnerunternehmenin seine Entscheidung einbinden kann.AusschussmitgliederDas Insolvenzverfahren ist von heterogenen Gruppeninteressengeprägt. Soll verhindert werden – und dies ist derWille des Gesetzgebers –, dass sich im Insolvenzverfahrendas Recht des Stärkeren gegen die schützenswerten Interessender allgemeinen Insolvenzgläubiger durchsetzt, dannmüssen alle Gruppeninteressen auch in der Repräsentationder Mitglieder eines vorläufigen Gläubigerausschusses zumAusdruck kommen. Die Legitimation für einen steuerndenEinfluss der Gläubiger folgt aus der Repräsentativität derMitglieder. Ein im Eröffnungsverfahren vorgeschlagener vorläufigerGläubigerausschuss sollte daher aus mindestensfünf Mitgliedern bestehen. Diese müssen überschneidungsfreiund eindeutig den Gruppen der Kreditwirtschaft, derSicherungsgläubiger, der institutionellen Gläubiger, der ungesichertenGläubiger sowie den Vertretern von Arbeitnehmerinteressenzuzuordnen sein. Wird mit dem Antrag einesSchuldners von den Gläubigern zugleich ein vorläufiger Gläubigerausschussvorgeschlagen, in dem die fünf Gruppen vonGläubigern eindeutig und repräsentativ vertreten sind, so istdieser als vorläufiger Gläubigerausschuss vom Gericht zubestellen. Damit wird der Schuldner „belohnt“, der sichrechtzeitig an seine Gläubiger wendet und das Verfahrenprofessionell vorbereitet. Gleichzeitig ist damit dann gewährleistet,dass die Gläubiger vom ersten Tag des Verfahrens– ohne dass ein verzögerndes Element eintreten kann – Einflussauf die weitere Gestaltung, Bestimmung des vorläufigenInsolvenzverwalters, die Wahrnehmung von Sanierungsmöglichkeitensowie eine möglichst schnelle Eröffnungnehmen können.Rechte und Aufgaben eines vorläufigenGläubigerausschusses:• Mitwirkung bei allen wichtigen Entscheidungen im Eröffnungsverfahren• Anhörungsrecht vor Bestellung eines (vorläufigen) Verwaltersdurch Benennung eines konkreten Anforderungsprofiles(§ 56a Abs. 1 InsO)• Einstimmiger, bindender Vorschlag eines Verwalters(§ 56a Abs. 2 InsO)• Einstimmige Ersetzung der gerichtlichen Auswahlentscheidungohne Beteiligung des vorläufiger Gläubigerausschusses(§ 56a Abs. 3 InsO)• Antrag auf Aufhebung des Schutzschirmverfahrens vorAblauf der gesetzten Frist (§ 270b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2InsO)• Stellungnahme zum Antrag auf Eigenverwaltung (§ 270Abs. 3 InsO)• Gesetzliche Aufgaben nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsOi.V.m. § 69 InsO sowie• Zustimmung zu allen Maßnahmen nach § 160 InsODer „Kann-Soll-Muss-Ausschuss“Will man sich die neuen Möglichkeiten zur Gläubigermitbestimmungvia vorläufigem Gläubigerausschuss bewusstmachen und die zentrale Bedeutung der richtigen gericht-8


www.buchalik-broemmekamp.delichen Weichenstellung erkennen, dann ist es gut, zunächstzwischen drei unterschiedlichen gesetzlichen Möglichkeitenzu unterscheiden:• dem „Kann-Ausschuss“,• dem „Soll-Ausschuss“ und• dem „Muss-Ausschuss“.Zugleich darf man sich nicht davor verschließen, dass dieVarianz dessen, was tatsächlich bei Gericht vorkommt, sichin unzähligen Varianten unterscheiden wird. Wichtig ist aberzu wissen, dass das Recht zum Vorschlag geeigneter Personenden Gläubigern zusteht und nicht dem Gericht.Der „Kann-Ausschuss“War bisher umstritten, ob es überhaupt gesetzlich zulässigist, schon im Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschusszu bestellen, so ist dies nach § 21 Abs. 2 Satz 1Nr. 1a InsO nunmehr eine vorläufige Maßnahme, keine Sicherungsmaßnahme,und kann daher in jeder Verfahrenslagevon Amts wegen zur Anwendung gebracht werden. Eine Besonderheitist, dass wegen fehlender Betriebsnähe Nichtgläubigeroder sachverständige Dritte in einem vorläufigenGläubigerausschuss nicht vertreten sein dürfen, wohl aberGläubiger, die erst mit Eröffnung Gläubiger werden. Dazugehören nicht nur der Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG)und die Bundesagentur für Arbeit, sondern auch alle Gläubigerunbestrittener oder titulierter Forderungen. Für die Arbeitnehmerdürfte auch die Vertretung von Arbeitnehmerinteressendurch eine im Unternehmen tätige Gewerkschaftzulässig sein.Der „Soll-Ausschuss“Auch wenn Unternehmen die Schwellenwerte eines Muss-Ausschusses (Umsatz ca. 10 Mio. Euro, Bilanzssume ca.5 Mio. Euro, 50 Arbeitnehmer) nicht erreichen, soll dasGericht nach § 22a Abs. 2 InsO einen vorläufigen Gläubigerausschusseinsetzen, wenn dies vom Schuldner, einembeliebigen Gläubiger oder einem bereits bestellten vorläufigenVerwalter beantragt wird. Damit kann faktisch in jederUnternehmensinsolvenz ein vorläufiger Gläubigerausschusseingesetzt werden. Diesem Antrag ist stattzugeben,wenn dem Gericht Personen benannt werden, die als Mitgliederdes vorläufigen Gläubigerausschusses in Betrachtkommen, deren Einverständniserklärungen dem Antragbeigefügt sind und keine Ausschlussgründe (§ 22a Abs. 3InsO) der Einsetzung entgegenstehen. Geht ein solcher Antragdirekt mit dem Antrag ein, dann darf das Gericht schonwegen der möglicherweise eintretenden wirtschaftlichenFolgen nicht zögern, den Ausschuss zu bestellen. Aber auchhier gilt der Grundsatz der Repräsentativität und der Notwendigkeiteines Interessenausgleiches durch einen Fünfer-Ausschuss.Der „Muss-Ausschuss“Erfüllt das Unternehmen die Schwellenwerte nach § 22aAbs. 1 InsO und hat es den Betrieb bei Antragstellung nochnicht eingestellt, so ist das Gericht gesetzlich verpflichtet,einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen undmuss dies tun, wenn mit dem vollständigen Antrag zugleichein ordnungsgemäß besetzter Ausschuss vorgeschlagenwird und die Einverständniserklärungen der Vorgeschlagenenvorliegen. Entscheidend für die Schwellenwerte sinddie Merkmale im vorangegangenen Geschäftsjahr der Antragstellung.Das Gericht hat die Angaben des Schuldnersnur auf Plausibilität zu prüfen, da ansonsten nicht erheblicheVerzögerungen eintreten, die den Sanierungsprozessgefährden könnten. Dem Insolvenzantrag müssen zwingendalle Anlagen nach § 13 InsO beigefügt sein. Fehlen dieseAnlagen oder sind sie unvollständig, dann ist der Antragunzulässig. Die Komplexität der Antragsunterlagen machthier eine professionelle Vorbereitung unerlässlich. Von derEinsetzungspflicht befreien allein die zu erwartenden Belastungenfür die Insolvenzmasse, die aber zu vernachlässigensein dürfte, sowie eine über die Einsetzung erheblichhinausgehende Verzögerung (§ 22a Abs. 3 InsO). Hat dasGericht von der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusseszunächst abgesehen und sofort einen vorläufigenVerwalter bestellt, so muss es die Einsetzung unverzüglichnachholen, damit dieser gegebenenfalls von seiner ErsetzungsbefugnisGebrauch machen kann und in seiner erstenSitzung einstimmig einen anderen Verwalter wählen kann(§ 56a Abs. 3 InsO).9


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Auswirkungen des <strong>ESUG</strong> auf die gerichtliche PraxisLutz Erdmann, Rechtspfleger am Amtsgericht Düsseldorf/Frank Pollmächer, Richter am Amtsgericht – Insolvenzgericht, DüsseldorfDas <strong>ESUG</strong> hat Auswirkungen auf die gerichtliche Praxis gezeigt. Schwierigkeiten bei der Umsetzung sind vornehmlichdadurch entstanden, dass die in Kraft getretenen Vorschriften zum Teil unklar und unscharf gestaltet wordensind. Insoweit ist an den Gesetzgeber zu appellieren, vor weiteren Änderungen der Insolvenzordnung verstärkt aufdie (insolvenzgerichtliche) Praxis zu hören.Die durch das <strong>ESUG</strong> erfolgte Neufassung des § 13 InsO siehtvor, dass ein Schuldner seinem Antrag auf Eröffnung desInsolvenzverfahrens ein Verzeichnis seiner Gläubiger undihrer Forderungen beizufügen hat, wobei bei einem laufendenGeschäftsbetrieb bestimmte Forderungen sowie Angaben zurGröße des Unternehmens besonders kenntlich gemacht werdensollen. Beantragt zudem ein Schuldner die Eigenverwaltungund erreicht die Schwellenwerte des neu eingeführten§ 22a Abs. 1 InsO oder wird die Einsetzung eines vorläufigenGläubigerausschusses im Eröffnungsverfahren beantragt,werden bestimmte Angaben zur Gläubigerstruktur Pflicht.Neuregelungen sind nicht eindeutigDie Neuregelung des § 13 InsO ist bedauerlicherweise unscharfgefasst. So ist es unklar, ob auch die Angaben zumUmfang des Betriebes (Angaben zur Bilanzsumme, Umsatzerlösenund der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer,§ 13 Abs. 1 Satz 5 InsO) immer oder nie zwingend sindoder erst dann zwingend werden, wenn die weiteren Voraussetzungendes § 13 Abs. 1 Satz 6 InsO vorliegen. Da alle dreiAus legungsmöglichkeiten vertretbar sind, führt dies zu Unsicherheitenbei der Antragstellung. Zudem werden Angabenaus dem vorangegangenen Geschäftsjahr abgefragt, sodassdiese bei Antragstellung nicht mehr aktuell sein müssen.Fehlerhafte Angaben des Schuldners bleiben ohne Sanktion.Die Praxis zeigt, dass Schuldner die Neufassung des § 13InsO weitaus überwiegend nicht beachten, insbesonderefehlt am häufigsten die Versicherung des Schuldners, dassdas erstellte Gläubiger- und Forderungsverzeichnis richtigund vollständig ist. Dies ist problematisch, wenn es sich umeinen laufenden Geschäftsbetrieb handelt, bei dem dieAnordnung vorläufiger Maßnahmen dringlich ist.Einsetzung eines vorläufigen GläubigerausschussesIn §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, 22a InsO ist die Einsetzungeines vorläufigen Gläubigerausschusses im Eröffnungsverfahreneingeführt worden. Erfüllt der Schuldner zweider in § 22a Abs. 1 InsO genannten Kriterien, ist dasInsolvenzgericht zur Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschussesverpflichtet. Dieser ist sodann gemäߧ 56a Abs. 1 InsO vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalterszu hören, soweit dies nicht zu einernachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldnersführt. Nicht selten kommen jedoch auch „große“Insolvenzverfahren „auf den letzten Drücker“ und werden(meist auch noch schlecht vorbereitet) am Freitag zuGericht gebracht. Wenn dann zunächst zu ermitteln ist,ob die Parameter zur Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusseserfüllt sind, Personen ermittelt werdenmüssen, die zur Übernahme des Amtes im vorläufigenGläubigerausschuss geeignet und auch bereit sind, diesersich sodann zusammensetzen und sich unter anderem aufeinen vorläufigen Insolvenzverwalter und/oder dessenAnforderungsprofil einigen muss, wird auch bei einemguten Zusammenspiel zwischen Gericht, Schuldner undGläubigerausschuss mindestens eine Woche vergangensein. Dieser Zeitraum dürfte für die meisten laufendenBetriebe unzuträglich sein, da das Unternehmen in diesemZeitraum quasi „führungslos“ ist. Eine erfolgreicheBeteiligung an der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalterswird sich nur dann verwirklichen lassen, wenndem Insolvenzgericht mit dem Insolvenzantrag ein vollständigerGläubigerausschuss benannt wird und sich dieserkurzfristig auf ein Anforderungsprofil einigt oder demGericht nach Möglichkeit mehrere bereits dort gelisteteVerwalter vorgeschlagen werden, da dies dem Insolvenzgerichteine umgehende Auswahl eines geeigneten undunabhängigen Verwalters ermöglicht.Unbestimmte Rechtsbegriffe im SchutzschirmverfahrenEin weiteres Kernstück des <strong>ESUG</strong> sind die Regelungen zur Erleichterungvon Sanierungen im Rahmen des soge nanntenSchutzschirmverfahrens (§ 270b InsO). Diese modifizierennicht nur das Regelungskonzept der Eigenverwaltung, sondernstellen auch eine neue Art des Antragsverfahrens dar.10


www.buchalik-broemmekamp.deHier stellen sich unterschiedliche Fragen rechtlicher undpraktischer Natur. Die mit Gründen zu versehende Bescheinigunggemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO, dass eineZahlungsunfähigkeit und eine offensichtliche Aussichtslosigkeitder Sanierung nicht gegeben ist, ist von den Gerichtenzu prüfen. Bezüglich der Person des Testierendenarbeitet der Gesetzgeber mit dem Begriff des „in Insolvenzverfahrenerfahrenen ...“. Dieser unbestimmte Rechtsbegriffist von den Gerichten auszulegen. Bestehen begründeteZweifel an der Schlüssigkeit des Testates, ist derSchuldner aufzufordern, seinen Vortrag oder die Bescheinigungnachzubessern. Bei verbleibenden ernstlichenZweifeln wird auch die Einschaltung eines Sachverständigenzu erwägen sein. Um Streitigkeiten zu Beginn desVerfahrens zu vermeiden, erscheint eine frühzeitige Einbeziehungdes jeweiligen Insolvenzgerichtes angezeigt,um Einvernehmen hinsichtlich der Person des Testierendenund der Aussagetiefe der Bescheinigung zu erzielen.Vorschlag SachwalterGemäß § 270b Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO kann der Schuldnereine Person als Sachwalter vorschlagen, die personenverschiedenvon dem Aussteller der Bescheinigung nach§ 270b Abs. 1 InsO sein muss. Das Gericht kann von diesemVorschlag nur abweichen, wenn die vorgeschlagenePerson zur Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Esliegt nahe, dass ein solcher vom Schuldner vorgeschlagenerSachwalter bei den Gläubigern Misstrauen an dessenUnabhängigkeit hervorrufen wird, dies gilt insbesonderedann, wenn dieser „mitgebrachte“ Sachwalter auch zuvorden Schuldner beraten hat. Ein Schuldner ist insoweit gutberaten, einen von ihm und dem Bescheiniger vollkommenunabhängigen vorläufigen Sachwalter vorzuschlagen.Begründung von MasseverbindlichkeitenProbleme im Rahmen der Eigenverwaltung entstehen insbesonderebei der Frage, wer im Eröffnungsverfahren zurBegründung von Masseverbindlichkeiten befugt ist. Fürdas sogenannte Schutzschirmverfahren ist geregelt, dassauf Antrag des Schuldners das Insolvenzgericht anzuordnenhat, dass dieser Masseverbindlichkeiten begründendarf (§ 270b Abs. 3 Satz 1 InsO). Eine auch nur ähnlicheFormulierung findet sich allerdings für das normale vorläufigeEigenverwaltungsverfahren gemäß § 270a InsO nicht.Es wundert nicht, dass sich verschiedene Ansichten zurFrage gebildet haben, ob und wer im Rahmen des § 270aInsO Masseverbindlichkeiten begründen darf.Vier Ansichten sind zu verzeichnen. So wird die Auffassungvertreten, dass mangels gesetzlicher Grundlageeine entsprechende Befugnis nicht eingeräumt werdenkann. Andere Meinungen gehen davon aus, dass dereigenverwaltende Schuldner entsprechend dem sogenanntenvorläufigen starken Insolvenzverwalter per seMasseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren erzeugt.Wird der Weg über eine Einzelermächtigung für vertretbargehalten, wird noch danach differenziert, ob diesedem Schuldner oder dem vorläufigen Sachwalter zu erteilenist.Einarbeitung ins PlanverfahrenDie Gestaltungsmöglichkeiten von Insolvenzplänen wurdendurch das <strong>ESUG</strong> erheblich erweitert. So können imInsolvenzplan sämtliche gesellschaftsrechtlich zulässigenRegelungen getroffen werden, wobei die Umwandlung vonFremd- in Eigenkapital (dept to equity swap) besondershervorzuheben ist.Die zum 1. Januar <strong>2013</strong> in Kraft tretende Verlagerung derPlanverfahren aus dem Zuständigkeitsbereich der Rechtspflegerschaftin den Bereich der Richterschaft wird zunächstzu Verzögerungen führen, da nicht nur die entsprechendenpersonellen Kapazitäten fehlen, sondern aucherst eine Einarbeitung in die neue Materie erforderlichist. Die Übergangsregelung, dass eine entsprechende Zuständigkeitdes Richters nur für Planverfahren besteht,wenn das zugrundeliegende Insolvenzverfahren nach dem1. Januar <strong>2013</strong> beantragt worden ist, schwächt diesesProblem nur unerheblich ab.Besondere Anforderung dürften Pläne darstellen, die erstin eröffneten Verfahren vorgelegt werden. Da nach Verfahrenseröffnungdie Zuständigkeit vom Richter auf denRechtspfleger übergeht, wird in diesen Fällen eine erneuteEinarbeitung in das Insolvenzverfahren und anschließendeine Befassung mit dem Plan erforderlich. Vor diesemHintergrund wird die knappe zweiwöchige Frist des§ 231 Abs. 1 Satz 2 InsO schwer einzuhalten sein. EinInsolvenzplan sollte vor diesem Hintergrund möglichst mitAntragstellung als Entwurf eingereicht werden, um denGerichten als auch den weiteren Beteiligten ausreichendGelegenheit zu geben, ohne zeitliche Nöte Problemfelderdes Planes in Ruhe zu erörtern. Dies gilt auch für die Fristgemäß § 232 Abs. 3 Satz 2 InsO, innerhalb derer dieBeteiligten zum Plan Stellung nehmen können.11


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Die richtige Verfahrensvorbereitung und die optimaleAbstimmung mit dem InsolvenzgerichtRA Prof. Dr. Jochen Vogel, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, DüsseldorfDer Erfolg der Einleitung eines vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens nach § 270a InsO oder eines Schutzschirmverfahrensnach § 270b InsO hängt von vielen Faktoren ab. Wesentlich ist die professionelle Abstimmungund Kommunikation zwischen dem Schuldner und dessen Beratern (Sanierungsberater), dem vorläufigenGläubigerausschuss, dem vorläufigen Sachwalter sowie dem Insolvenzgericht. Gerade die Kommunikation mitund zu dem Insolvenzgericht ist ein unverzichtbarer Bestandteil für den Erfolg eines Verfahrens nach § 270aund/oder § 270b InsO.Die Erfahrungen des ersten Jahres <strong>ESUG</strong> zeigen nunmehrsehr deutlich: Ohne eine frühzeitige Abstimmung mit denInsolvenzgerichten drohen erhebliche Verfahrensverzögerungen,die den gesamten Sanierungsprozess gefährdenoder gar unmöglich machen können. Ein Insolvenzgericht,welches sich erstmals am Tage der Antragstellungmit einem Insolvenzantrag nach neuem Recht befasst,wird nur in den seltensten Fällen bereits am selben Tagnoch einen Beschluss über die Anordnung einer vorläufigenEigenverwaltung oder gar eines Schutzschirmverfahrenserlassen. Denn zu Recht nehmen die Insolvenzgerichtefür sich in Anspruch, die eingereichten Unterlagenumfassend zu prüfen. Und ein sorgfältig vorbereitetesVerfahren nach neuem Recht kann schnell einen odermehrere Aktenordner mit Anträgen und weiteren ergänzendenUnterlagen füllen. Alleine die schiere Masse erfordertbereits einen entsprechenden zeitlichen Prüfungsaufwand.Frühzeitige Kommunikation mit dem RichterHinzu kommt, dass der Geschäftserteilungsplan regelmäßigerst mit dem Antrag den zuständigen Richter zuweist. Dennochzeigt die Praxis, dass bei zahlreichen Insolvenzgerichtendie Richter gerade in diesen Fällen auch kollektiv fürVorbesprechungen zur Verfügung stehen. In einer mündlichenVorbesprechung kann eine zügige Darstellung komplizierterSachverhalte erfolgen und so die eigentlichePrüfungsarbeit durch das Insolvenzgericht deutlich effizientergestaltet werden.Allerdings gibt es auch andere Beispiele. Ebenso wie teilweiseVerfahren nach §§ 270a, 270b InsO über Wochen ohne klareKommunikation eingeleitet durch die betreuenden Beraterbegleitet werden, verweigern sich eine Reihe von Insolvenzgerichtenbzw. einzelne Richter kategorisch einer Vorbesprechung.Mit weitreichenden Folgen für das Unternehmen.Zwangsläufig müssen die Sanierungsberater deutlich umfassendereUnterlagen erstellen, um alle Einzelfragen in einerindividuell gewünschten Tiefe beantwortet zu können. Dieswiederum verlängert automatisch den zeitlichen Prüfungsaufwanddes Insolvenzgerichtes.Den Insolvenzgerichten, die Vorgespräche kategorisch ablehnen,scheint häufig nicht bewusst zu sein, welche Komplikationensie damit auslösen, aber auch welche Risiken siedadurch eingehen. Neben einer Gefährdung des Sanierungserfolgesin Teilen oder als Ganzes werden bereitsAmts haftungsansprüche in Fällen diskutiert, in denen dieVerweigerung der Insolvenzgerichte zu einer faktischenHandlungsunfähigkeit des antragstellenden Unternehmensführte.Fehlende ErfahrungDabei beruht die Ablehnung eines Vorgespräches aus unsererErfahrung regelmäßig nicht auf Böswilligkeit, sondern auffehlender Einschätzung und Erfahrung mit dem neuen Rechtund den komplexen Verfahren. Denn das Insolvenzgerichtwird bei einer Antragstellung nach §§ 270a, 270b InsO miteiner ganzen Reihe von juristisch-betriebswirtschaftlichenEinschätzungen und Begründungen konfrontiert, die so – dasspiegeln die Gespräche mit den Richtern wider – eben nichtzu deren Tagesgeschäft gehören.Die Praxis zeigt, dass Gerichte, die bereits Verfahren nach§§ 270a, 270b InsO durchgeführt haben, die Möglichkeiteines Vorgespräches mit dem Sanierungsberater/Sanierungsgeschäftsführerdazu nutzen, um Tage vor der Antragstellungdie nicht unterschriebenen Antragsunterlagen frühzeitigzu besprechen und sich ergebende Problemstellungenvorzudiskutieren. Auch kann so der Sanierungsberater12


www.buchalik-broemmekamp.degerichtsspezifischen Besonderheiten (Anforderungen andie Darstellung oder bestimmte, zusätzlich beizubringendeUnterlagen) frühzeitig Rechnung tragen.Beim Schutzschirm ist Vorgespräch unschädlichEin solches Gespräch sollte im Idealfall mindestens zwei bisdrei Tage vor der Insolvenzantragstellung erfolgen, beimSchutzschirmverfahren auch deutlich früher. Letzteres isthaftungsrechtlich unschädlich, weil der Insolvenzschuldnerfür dieses Verfahren zum Zeitpunkt der Antragstellung nichtzahlungsunfähig sein darf (vgl. § 270b Abs. 1 Sätze 1 und 3InsO). Anders verhält es sich beim Verfahren nach § 270aInsO. Hier ist Vorsicht geboten. In dem Moment, in dem nachaußen dokumentiert wird, dass ein Insolvenzantrag wegenZahlungsunfähigkeit gestellt werden soll, muss sichergestelltsein, dass der Lieferant, der jetzt noch Ware liefert, nichtgeschädigt wird und dass der Waren- oder Dienstleistungsbezugvor Antragstellung bezahlt wird. Das wird in der Praxisnicht einfach zu bewerkstelligen sein.Gegenstand eines Vorgespräches sollte im Idealfall eine Verständigungmit dem zuständigen Insolvenzrichter über diefolgenden Punkte sein:• Einrichtung eines vorläufigen Gläubigerausschusses(§ 22a InsO):Idealerweise bringt der Schuldner zu dem Vorbesprechungsterminmit dem Gericht bereits eine Vorschlagslistemit potenziellen Gläubigerausschussmitgliedernmit. Gegebenenfalls benennt er dem Gericht sogarschon konkrete Personen, die sich bereit erklärt haben,als Mitglieder am vorläufigen Gläubigerausschuss mitzuwirken(belegt durch entsprechende schriftlicheEinverständniserklärungen). Dabei sollte der Insolvenzschuldnerdarauf achten, dass der vorläufigeGläubigerausschuss auch repräsentativ ausgesuchtwird, d. h., den gesetzlichen Vorgaben entsprechendvorgeschlagen wird. Einzelheiten ergeben sich bekanntermaßenaus § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO i.V.m. § 67Abs.2 InsO. Auch hier kann es die Schwierigkeit geben,dass mancher angesprochene und prädestinierte Gläubigernicht im Gläubigerausschuss mitwirken will. Hierspielen häufig zeitliche Gründe (so zeigt die Erfahrung,dass die zuständigen Mitarbeiter von Großbanken erstab gewissen Größenordnungen tätig werden) und möglicheHaftungsrisiken eine Rolle. Eine Mitwirkungsablehnungmuss dem Gericht im Zweifel durch eineentsprechende Erklärung belegt werden und lässt sichim Vorgespräch erörtern.• Person des vorläufigen Sachwalters:Der Schuldner kann dem Gericht bei Beantragung einesSchutzschirmverfahrens einen vorläufigen Sachwalter vorschlagen.Von diesem Vorschlag darf das Gericht nur abweichen,wenn der vorläufige Sachwalter aus Sicht desGerichtes offensichtlich ungeeignet ist (siehe § 270b Abs. 2Satz 2 InsO). Das liegt vor, wenn es ihm an der erforderlichenUnabhängigkeit fehlt. Im Übrigen empfiehlt es sich,mit dem Gericht eine vertrauensvolle Abstimmung imHinblick auf die Person des vorläufigen Sachwalters herbeizuführen.Bei einem vorläufigen Sachwalter, den dasGericht nicht kennt oder anerkennt, wird zunächst einmalSkepsis vorherrschen und das Gericht wird umfangreicheErkundigungen über die Person des Vorgeschlagenendurchführen. Viel sinnvoller ist es, einen Sachwalter vorzuschlagen,der bei diesem Gericht gelistet und regelmäßigdort bestellt wird. Diese Abstimmungsarbeit mitdem Gericht gilt es auch in einem Verfahren nach § 270aInsO zu leisten, wenn ein einstimmiger Vorschlag des vorläufigenGläubigerausschusses zur Person des vorläufigenSachwalters vorliegt (siehe §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274Abs. 1, 56a Abs. 2 InsO).• Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO:Mit dem Eröffnungsantrag ist beim Schutzschirmverfahrennach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO eine mit Gründen verseheneBescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenenBerufsträgers vorzulegen (siehe dazu den Beitrag aufSeite 27). Das Gericht hat insoweit nicht nur in Bezug aufdie Qualifikation des Bescheinigers ein Prüfungsrecht,sondern auch in Bezug auf den Inhalt der Bescheinigung.Möglicherweise wird das Gericht auf dem Standpunktstehen, dass diese Bescheinigung von einem fachkundigenDritten auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu überprüfenist, wenn es selbst nicht über die erforderlichen Fachkenntnisseverfügt. Um hier Zeitverluste zu vermeiden, dieden Erfolg des Schutzschirmverfahrens gefährden könnten,empfiehlt es sich, bereits im Vorfeld mit dem Gerichtzu klären, welche Person oder Stelle diese Bescheinigungprüfen könnte. Bei einer solchen Vorgehensweise kannder Insolvenzrichter noch am Tag der Antragstellung denAuftrag zur Prüfung der Bescheinigung in Auftrag geben.Das wird aber zu Verzögerungen führen. Die Entscheidungdes Gerichtes über die Einleitung eines Schutzschirmverfahrenskann sich dann bis zu einer Woche hinauszögern.In dieser Zeit können möglicherweise dann weder Warenund Dienstleistungen bestellt, noch produziert und überZahlungseingänge verfügt werden.13


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Die Durchsetzung der vorläufigen Eigenverwaltungin der PraxisRA Dr. Jasper Stahlschmidt, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, DüsseldorfFür eine erfolgreiche Durchführung eines vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens (§ 270a InsO) ist es im Hinblickauf die Außenwirkung gegenüber den Vertragspartnern immens wichtig, dass das schuldnerische Unternehmen– und nicht etwa der vorläufige Sachwalter – im Eröffnungsverfahren ermächtigt wird, Masseverbindlichkeiten zubegründen. Weiterhin ist das Insolvenzgericht an einen einstimmigen die Eigenverwaltung unterstützenden Beschlussund einen einstimmigen Vorschlag über die Person des vorläufigen Sachwalters durch den vorläufigenGläubigerausschuss gebunden. Die vorliegenden zwei Verfahren, bei denen <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp beratend tätigwar, zeigen auf, dass sich einige Insolvenzrichter mit diesen <strong>ESUG</strong>-spezifischen Neuerungen (noch) schwertun.Nur bei professioneller Beratung mit entsprechender konsequenter Herangehensweise können diese wichtigenAspekte auch durchgesetzt werden.1. <strong>ESUG</strong>-Verfahren beim AG Duisburg<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp hat im Oktober 2012 für ein Bauunternehmenbeim Insolvenzgericht Duisburg einen Insolvenzantragzur Einleitung eines vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrensgemäß § 270a InsO gestellt. Verbundendamit war ein Antrag auf Ermächtigung zur Begründung vonMasseverbindlichkeiten. Hierfür wurde eine umfangreicheEinzelaufstellung von künftigen Masseverbindlichkeiten unterAngabe des möglichen Eurobetrages eingereicht.Obwohl ein vorab gerichtlich eingesetzter Sachverständigerdie Begründung der angegebenen Masseverbindlichkeitenbefürwortet hat, hat das Insolvenzgericht nicht etwa dasschuldnerische Unternehmen – so wie beantragt –, sondernden eingesetzten vorläufigen Sachwalter ermächtigt, dieseMasseverbindlichkeiten zu begründen. Dies führte in derpraktischen Umsetzung zu erheblichen Problemen. Der vorläufigeSachwalter sah sich in der schwierigen Situation,dass er nunmehr für die Masseverbindlichkeiten haftete, aberauf der anderen Seite nicht dazu ermächtigt war, Forderungeneinzuziehen. Im Außenverhältnis musste das Unternehmennunmehr gegenüber den Neugläubigern jedes neueVertragsverhältnis vom vorläufigen Sachwalter unterzeichnenlassen. Das widerspricht der Idee des Gesetzgebers, beider Eigenverwaltung die Geschäftsführungsbefugnisse beimUnternehmen zu belassen und nicht etwa auf den vorläufigenSachwalter zu übertragen. Dementsprechend wurde innerhalbeiner Woche beim AG Duisburg sofortige Beschwerdeeingereicht, der nicht abgeholfen wurde. Dagegen hat danndas Landgericht Duisburg auf die sofortige Beschwerdeden Beschluss des Insolvenzgerichtes antragsgemäß abgeändertund das schuldnerische Unternehmen ermächtigt,Masseverbindlichkeiten zu begründen. In der Entscheidunghat das Landgericht in deutlichen Worten zum Ausdruck gebracht,dass nur dies der Gesetzessystematik und dem Sinnund Zweck der Eigenverwaltung entspreche (siehe hierzuauch den Beitrag auf S. 36).2. <strong>ESUG</strong>-Verfahren beim AG KleveBei anderen <strong>ESUG</strong>-Verfahren, die <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp fürzwei Unternehmen beim Amtsgericht Kleve beantragte, weigertensich die Insolvenzrichter, bereits im Vorfeld derAntragstellung ein Vorgespräch mit den Beratern zu führen.In diesem Gespräch sollten die Richter vorab über die Insolvenzanträgeund deren Inhalt informiert werden, um einenach Antragsstellung kurzfristige Anordnung der vorläufigenEigenverwaltung gemäß § 270a InsO zu ermöglichen. Einsolches Vorgespräch war jedoch beim dortigen Gericht wedertelefonisch noch nach persönlicher Anwesenheit vor Ortmöglich. So verwiesen die Richter darauf, dass sich die gerichtsinterneZuständigkeit nach den Eingangsendziffernrichte und somit in dem vorliegenden Fall noch nicht klarsei, welcher Richter überhaupt am Tag der eigentlichen Antragstellungzuständig sei. Der Vorschlag, dann mit den dreiin Betracht kommenden Insolvenzrichtern zusammen einGespräch zu führen, wurde abgelehnt. Der nachhaltige Hinweis,dass lediglich mögliche Vorfragen durch Besprechungder umfangreichen Antragsentwürfe geklärt werden sollten,half nicht. Am 30.11.2012, einem Freitag, war dann erst mitEinreichung der Insolvenzanträge ein persönliches Gesprächmit den beiden zuständigen Insolvenzrichtern möglich.Die Insolvenzanträge beinhalteten neben dem Antragauf Anordnung der Eigenverwaltung und dem Antrag aufErmächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeitenauch das Protokoll der Sitzung eines eingesetzten präsum-14


www.buchalik-broemmekamp.detiven vorläufigen Gläubigerausschusses. In dieser Sitzungwurde einstimmig die (vorläufige) Eigenverwaltung befürwortetund einstimmig eine Person als (vorläufiger) Sachwaltervorgeschlagen, die beim Insolvenzgericht in Kleveauch auf der Vorauswahlliste gelistet war. Insgesamt umfasstendie beiden Insolvenzanträge jeweils mehrere hundertSeiten. Es kam dann zu Ereignissen, die durch ein vorherigesGespräch mit dem Gericht hätten vermieden werdenkönnen. Angesichts der insoweit unvorbereiteten Insolvenzrichterist es erst am Donnerstag der darauffolgendenWoche, dem 06.12.2012, zur Beschlussfassung gekommen,nachdem vorher ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetztworden war. Hierdurch verzögerte sich die bereitsorganisierte Auszahlung des vorfinanzierten Insolvenzgeldesan die Arbeitnehmer, die deswegen schon angesichtsder fehlenden Gehaltsauszahlung vor dem Insolvenzgerichtdemonstrieren wollten. Von einem Eilverfahren, wie es derGesetzgeber beim Insolvenzantragsverfahren vorsieht,konnte hier nicht mehr gesprochen werden.Es kam jedoch nicht nur zu einer zeitlichen Verzögerung.Die Richter ordneten auch entgegen der beantragten (vorläufigen)Eigenverwaltung die vorläufige Insolvenz -ver waltung an und bestellten eine andere Person als denvorgeschlagenen vorläufigen Sachwalter zum vorläufigenInsolvenzverwalter. Die Geschäftsführung ist damit faktischentmachtet worden. Hierzu kam es, weil ein vorher vomGericht bestellter Sachverständiger in seinem sogenannten„Erstbericht“ indizielle und wertende Aussagen gegen eine(vorläufige) Eigenverwaltung aufführte. Die auf den Tag derBeschlussfassung vorbereitete konstituierende Sitzung desvorläufigen Gläubigerausschusses ist daraufhin angesichtsder insoweit veränderten Sachlage auf den folgenden Tagverschoben worden. Innerhalb dieses Tages ist dann für diefolgende Sitzung eine umfangreiche Stellungnahme zumsogenannten „Erstbericht“ des Gutachters und bestelltenvorläufigen Insolvenzverwalters für den vorläufigen Gläubigerausschussvorbereitet worden. In der mehrstündigenSitzung ist dann mit den anwesenden Beratern des Unternehmensund dem vorläufigen Insolvenzverwalter dieSachlage diskutiert worden. In der hat der vorläufige Gläubigerausschusseinstimmig nochmals die (vorläufige) Eigenverwaltungbeschlossen und statt den vom Gericht eingesetztenvorläufigen Insolvenzverwalter den ursprünglichvorgeschlagenen (vorläufigen) Sachwalter gewählt. Erstdaraufhin erfolgte die antragsgemäße Beschlussfassungdurch das Insolvenzgericht, also die Anordnung der vorläufigenEigenverwaltung und die Bestellung des vomvorläufigen Gläubigerausschuss vorgesehenen vorläufigenSachwalters. Der vom Gericht bestellte vorläufige Insolvenzverwalterwurde abberufen.3. Professionelle Beratung ist wichtigWenn sich ein Unternehmen entschließt, das Insolvenzverfahrenunter (vorläufiger) Eigenverwaltung zu beantragen,ist hierfür eine professionelle Beratung erforderlich. Ausobigen Erfahrungen lassen sich drei Schlussfolgerungenziehen:• Nur Spezialisten im Insolvenzrecht sind in der Lage, nebender umfangreichen Erstellung des Insolvenzantrages unddem Antrag auf Anordnung der (vorläufigen) Eigenverwaltungauch nach Einleitung des Verfahrens, die spezifischenBesonderheiten der Eigenverwaltung gegenüberdem Insolvenzgericht durchzusetzen.• Es ist eine entsprechende personelle Kapazität seitensder Berater erforderlich, denn die erforderlichen Rechtsmittelund Schriftsätze gegen Beschlüsse des Insolvenzgerichtes,die der Eigenverwaltung widersprechen, müssengerade im Hinblick auf die Außenwirkung für dasUnternehmen schnell eingereicht werden. Der zeitlicheFaktor ist nicht zu unterschätzen.• Die juristischen Berater, die ein Unternehmen bei der Insolvenzin (vorläufiger) Eigenverwaltung begleiten, müssenvom Insolvenzgericht unabhängig sein. Rechtsanwälte,die auch vom selben Insolvenzgericht zumInsolvenzverwalter bestellt werden, stehen in einemInteressenkonflikt und werden im Hinblick auf künftigeBestellungen durch das Insolvenzgericht nicht mit dernotwendigen Konsequenz gegen antragswidrige Beschlüsseder Insolvenzrichter vorgehen.15


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Der Ablauf des SchutzschirmverfahrensRA Robert <strong>Buchalik</strong>, Partner der <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, Düsseldorf/FrankfurtDas Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO eröffnet neben der vorläufigen Eigenverwaltung nach § 270aInsO neue Sanierungsmöglichkeiten. Es birgt aber für alle Beteiligten erhebliche Gefahren, wenn zu leicht fertigdamit umgegangen wird. Den Gerichten kommt daher eine Schlüsselfunktion zu, um die Spreu vom Weizen zutrennen. Das Verfahren selbst ist aufwendiger und kostenintensiver als eine vorläufige Eigenverwaltung undkann deutlich einfacher scheitern als ein Verfahren nach § 270a InsO.Ist das Unternehmen bereits zahlungsunfähig, scheidetdas Schutzschirmverfahren von vornherein aus. Nach§ 270b Abs. 1 Satz 1 InsO kann das Schutzschirmverfahrennur bei Vorliegen von drohender Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung durchgeführt werden (vgl. ÜbersichtPunkte 1. und 2. in Abbildung auf S. 18).Der Erfolg des Schutzschirmverfahrens hängt vor allemvon der professionellen Vorbereitung ab. Dazu ist auch dieErarbeitung eines operativen Restrukturierungskonzepteserforderlich (vgl. Übersicht Punkt 3. und den Beitrag aufS. 34). Nur wenn die Markt- und Wettbewerbsfähigkeitwiederhergestellt werden kann, macht ein Schutzschirmverfahrenauch Sinn. Antragsvoraussetzung für ein Schutzschirmverfahrenist die Vorlage einer mit Gründen versehenenBescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenenSteuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwaltes,die dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beizufügenist. Aus dieser Bescheinigung muss sich ergeben,dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung,nicht aber Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebteSanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. In diesemZusammenhang sind eine Vielzahl von Fragen ungeklärt,z. B. ob es zulässig ist, ob Sanierungsberater undBescheiniger personenidentisch sein dürfen, welche inhaltlichenAnforderungen an die Bescheinigung zu stellensind und ob beispielsweise anstelle der genanntenBerufsträger auch andere Personen vergleichbarer Qualifikationals Bescheiniger in Betracht kommen. Die Gerichtehaben diese Fragen bislang sehr unterschiedlich beantwortet.Die falsche Entscheidung seitens des Beraterskann zum Scheitern des ganzen Verfahrens führen. Einerseitsist deshalb erforderlich, die sicherste Variante zuwählen, andererseits ist eine frühzeitige Abstimmung mitdem Insolvenzgericht im Hinblick auf die o. g. Fragen unerlässlich,um ein Scheitern oder auch eine erheblicheVerzögerung des Verfahrens zu verhindern. Im Übrigendarf nicht übersehen werden, dass mit der Bescheinigungerhebliche zusätzliche Kosten ausgelöst werden und einzeitlicher Zusatzaufwand notwendig wird. Geht man densicheren Weg und lässt die Bescheinigung von einemDritten und nicht dem Sanierungsberater er stellen, fallenzusätzliche Kosten und wahrscheinlich mindestens eineWoche zusätzlicher zeitlicher Aufwand an, denn der Drittemuss sich ja in das Thema einarbeiten.Liegt ein Sanierungskonzept vor und ist es trotz allerSchwierigkeiten gelungen, die Bescheinigung in Abstimmungmit dem Insolvenzgericht inhaltlich richtig und auchdurch den richtigen Bescheiniger zu erstellen, müssen fürdie Einleitung des Schutzschirmverfahrens nach § 270bAbs. 1 InsO dem Gericht zumindest folgende drei Anträgevorgelegt werden:1. Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegendrohender Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung(vgl. Übersicht Punkt 4.),2. Antrag auf Eigenverwaltung (vgl. Übersicht Punkt 5.)und3. Antrag auf Bestimmung einer Frist zur Vorlage einesInsolvenzplans (vgl. Übersicht Punkt 7.).Mit dem Eröffnungsantrag legt der Insolvenzschuldner diezuvor angesprochene Bescheinigung gemäß § 270b Abs. 1Satz 3 InsO vor, die das Gericht auch im Falle der Vorabstimmungformell und materiell zu prüfen hat (vgl. ÜbersichtPunkt 6.). Im Hinblick auf die Prüfungspflicht desGerichtes geht keine wertvolle Zeit verloren, wenn es imVorfeld schon zu einem ausreichenden Abstimmungsprozesszwischen Gericht und Berater gekommen ist. Dabeisollte festgelegt werden, ob das Gericht die Bescheinigungselbst prüft oder von einem Dritten prüfen lässt.Letzteres kann auch schon vor Antragstellung erfolgen,wenn das Gericht mitzieht, was aber nicht unbedingt einfachsein wird. Wahrscheinlich wird es auf eine zusätzlichePrüfung seitens eines Dritten verzichten, wenn Sanierungsberaterund Bescheiniger nicht identisch sind. Aberauch das gilt es, vorher zu erfragen.16


www.buchalik-broemmekamp.deMit dem Eröffnungsantrag kann ein Antrag und/oder dieAnregung auf Anordnung vorläufiger Sicherungsmaß nahmennach §§ 270b Abs. 2 Satz 3, 21 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1a, 3bis 5 InsO verbunden sein (vgl. Übersicht Punkt 8.). Auf dieseWeise kann u. a. sichergestellt werden, dass die Fortführungdes Unternehmens unter dem Schutzschirm nichtdurch Verwertungs- und Zwangsvoll streckungsmaßnahmenseitens einzelner Gläubiger gefährdet wird.Im Schutzschirmverfahren ist der Schuldner berechtigt,einen eigenen Vorschlag zur Person des (vorläufigen)Sachwalters zu unterbreiten (vgl. Übersicht Punkt 9.). Zwardarf das Gericht von diesem Vorschlag des Schuldners nurabweichen, wenn der vorläufige Sachwalter aus Sicht desGerichtes offensichtlich ungeeignet ist. Nichteignung liegtvor, wenn es an der notwendigen Unabhängigkeit fehlt.Eine abweichende Entscheidung durch das Gericht ist einenicht justiziable Ermessensentscheidung, die lediglich zubegründen ist (vgl. § 270b Abs. 2 Satz 2 InsO). Eine vorAntragstellung mit dem Gericht erfolgte Abstimmung verhindert,dass es über diese Fragestellung überhaupt zueiner Diskussion kommt.Gegebenenfalls wird der Schuldner mit seinem Eröffnungsantragauch einen Antrag auf Einsetzung eines vorläufigenGläubigerausschusses gemäß § 22a Abs. 2 InsOstellen (vgl. Übersicht Punkt 10.). Diesem Antrag nach§ 22a Abs. 2 InsO soll das Gericht stattgeben, wenn demGericht Personen benannt werden, die als Mitglieder desvorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommenund deren Einverständniserklärungen dem Antrag beigefügtsind. Empfehlenswert ist es, dass sich schon vor Antragstellungein vorläufiger Gläubigerausschuss gebildethat. Der Insolvenzschuldner sollte dem Gericht die Personendieses Gremiums vorstellen (vgl. hierzu auch denBeitrag auf S. 8).Sofern die Voraussetzungen des § 270b Abs. 1 und 2 InsOvorliegen (vgl. Übersicht Punkte 11., 12., 13.), erlässt dasGericht im Insolvenzeröffnungsverfahren einen Beschlussmit folgenden Anordnungen:• Bestellung eines vorläufigen Sachwalters, § 270b Abs. 2Satz 1 i.V.m. § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO (vgl. ÜbersichtPunkte 9. und 13.),• Bestimmung einer Frist zur Vorlage des Insolvenzplanes,§ 270b Abs. 1 Sätze 1 und 2 InsO (vgl. Übersicht Punkte7. und 13.),• ggf. Anordnung von vorläufigen Maßnahmen, § 270bAbs. 2 Satz 3 InsO (vgl. Übersicht Punkte 8. und 13.) und• ggf. Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses(vgl. Übersicht Punkte 10. und 13.).Vom Gesetzgeber offengelassen wurde, ob dieser Beschlusszu veröffentlichen ist. Derzeit geht die Praxis davonaus, dass es nicht zu einer Veröffentlichung kommt,was insbesondere dann, wenn das Schutzschirmverfahrenzur Disziplinierung von Gläubigern eingesetzt wird, vongroßem Vorteil ist.Da der Schuldner verwaltungs- und verfügungsbefugtbleibt, beschränkt sich die Rolle des vorläufigen Sachwaltersdarauf, vorrangig die wirtschaftliche Lage des Schuldnerszu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgabenfür die Lebensführung des Schuldners zu überwachen,vgl. § 270b Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274Abs. 2 InsO (vgl. Übersicht Punkt 18.).Der vorläufige Sachwalter wird zudem vom Gericht in derRegel zusätzlich als Sachverständiger beauftragt zu prüfen,ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrensdecken wird (vgl. Übersicht Punkt 19.).Eine wesentliche Stärkung erfährt das Schutzschirmverfahrendurch die Befugnis des Schuldners, Masseverbindlichkeitenbegründen zu können. Das Insolvenzgericht hat nach§ 270b Abs. 3 InsO ohne jede Prüfungsbefugnis demSchuldner eine unbeschränkte Masseverbindlich keiten-Begründungskompetenz auf dessen Antrag hin einzuräumen.Der Gesetzgeber begründet diesen Schritt damit, dasses gerade in der kritischen Phase des Eröffnungsverfahrensgeboten wäre, das Vertrauen der Stakeholder zu gewinnen,da deren Mitwirkung für die Betriebsfortführung unerlässlichsei (vgl. Übersicht Punkt 16.a). Allerdings sollte in derPraxis darauf geachtet werden, dass von dieser Kompetenznicht uneingeschränkt Gebrauch gemacht wird, denn essollen ja nicht unbedingt alle Neuverbindlichkeiten auchMasseverbindlichkeiten sein. So wird zwar die Umsatzsteuerzwischen Antragstellung und Eröffnung gezahlt, nachEröffnung aber im Wege der Anfechtung vom Finanzamtwieder zurückgeholt. Das ist nicht möglich, wenn sich derSchuldner uneingeschränkte Kompetenz zur Eingehung vonMasseverbindlichkeiten hat einräumen lassen, denn dannsind alle von ihm eingegangenen Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten.Aus diesem Grunde muss er sich jeweils Einzelermächtigungenvom Gericht zur Eingehung ganz bestimmter Masseverbindlichkeitengeben lassen. Diese Einzelermächtigung wirder auch erhalten, weil sie ein Minus zur Generalermächtigungdarstellt. Das Verfahren ist zwar deutlich aufwendiger,dem Unternehmen steht jedoch am Ende des Verfahrensdeutlich mehr Liquidität zur Verfügung. Damit steigen dieSanierungsaussichten erheblich.17


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Auch die Regelungen der §§ 183 ff. SGB III zum Insolvenzgeldfinden auf das Schutzschirmverfahren Anwendung,weil es ein Insolvenzeröffnungsverfahren ist (vgl. ÜbersichtPunkt 16.b). Durch das Insolvenzgeld (§§ 183 ff.SGB III) hat der Gesetzgeber ein wirksames Mittel zurLiquiditätsschöpfung geschaffen, welches die Betriebsfortführungim Eröffnungsverfahren sichert. In der Praxisist die Insolvenzgeldvorfinanzierung üblich.Aus § 55 Abs. 3 InsO wird ersichtlich, dass die Ansprücheder Bundesagentur für Arbeit wegen der Zahlung von Insolvenzgeldimmer Insolvenzforderungen sind, insbesondere,wenn ein starker vorläufiger Verwalter die Arbeitsleistungin Anspruch genommen hat. Nichts anderes kannim Schutzschirmverfahren gelten, zumal auch hier – wieim Regelinsolvenzverfahren – der Sinn und Zweck die Betriebsfortführungin der Insolvenz ist. Eine verbindlicheStellungnahme der Bundesagentur für Arbeit zu dieserThematik liegt zwischenzeitlich vor. Darin wird in Abstimmungmit dem Bundesministerium der Justiz bestätigt,dass der § 55 Abs. 3 InsO auch im SchutzschirmverfahrenAnwendung findet.Tritt während des laufenden Schutzschirmverfahrens Zahlungsunfähigkeitein, ist dies nach der gesetzlichen Regelungkein Grund mehr, das Schutzschirmverfahren vorzeitigaufzuheben. Maßgeblich ist nur, dass zum Zeitpunkt derStellung des Eröffnungsantrages noch keine Zahlungsunfähigkeitvorliegt, vgl. § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO. Allerdingsist die Zahlungsfähigkeit während des Schutzschirmverfahrensmindestens alle zwei Wochen zu prüfen und beiEintritt dem Gericht anzuzeigen, ohne dass dies unmittelbarenEinfluss auf das Verfahren hat. Jedoch ist nicht zuverkennen, dass dies ein Negativaspekt ist, der auch anden vorläufigen Gläubigerausschuss zu kommunizieren ist.Ob dadurch das Verfahren u. U. gefährdet wird, muss diePraxis zeigen.Unter der Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters, den erselbst vorgeschlagen hat, und frei von Vollstreckungsmaßnahmenhat der Schuldner nun die Möglichkeit, innerhalbder gesetzten Frist einen Sanierungsplan auszuarbeiten,der ab Eröffnung als Insolvenzplan umgesetzt werden kann(vgl. Übersicht Punkte 15., 16.c, 17.).Ablauf des Schutzschirmverfahrens(Aufgabenteilung zwischen Schuldner – Gericht – vorläufigem Sachwalter)Voraussetzungen(Schuldner)Vorbereitung(Schuldner)Schutzschirmverfahren/Eröffnungsverfahren(Gericht – vorläufiger Sachwalter)Schuldner Gericht Schuldner1. Drohende Zahlungsunfähigkeitund/oder2. Überschuldung (kein Schutzschirmbei Zahlungsunfähigkeit vorAntragstellung)3. Erarbeitung eines operativenRestruktu rierungskonzeptes4. Antrag auf Eröffnung desInsolvenzverfahrens5. Antrag auf Eigenverwaltung6. Bescheinigung nach § 270b I 37. Antrag auf Frist zur Vorlagedes Insolvenzplanes (max. 3 Monate)8. Ggf. Antrag/Anregung vorläufigerMaßnahmen nach § 21 I, II9. Vorschlag für die Person einesvorläufigen Sach walters10. Ggf. Antrag auf Einsetzung einesvorläufigen Gläubigerausschusses,§ 22a II11. Prüfung der Insolvenzgründe,insbesondere Nichtvorliegen vonZahlungsunfähigkeit12. Prüfung der Bescheinigung nach§ 270b I 3 InsO13. Prüfung der Anträgeund ggf. Beschluss zu denPunkten 4., 5., 7., 8., 9. und 10.14. Veröffentlichung (Punkte zu 13.)15. Ausarbeitung desInsolvenzplans16. Operative Betriebs fortführung,insbeson derea) Vereinbarungen mit allenStakeholdernb) Koordination Insolvenzgeld bzw.Insolvenzgeld vorfinanzierungc) Umsetzung des operativenRestrukturierungs konzeptes17. Fristgerechte Vorlage desInsolvenzplansSachwalter18. Überwachung desSchuldners durch vorläufigenSachwalter19. Vorlage des Gutachtens durchvorläufigen Sachwalter,insb. zur Frage der Deckung derKosten des Verfahrens18


www.buchalik-broemmekamp.deSchutzschirmverfahren versus vorläufigeEigenverwaltung oder „Wie erkläre ich es meinenGläubigern?“RA Robert <strong>Buchalik</strong>, Partner der <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, Düsseldorf/FrankfurtVonseiten der Schuldner wird regelmäßig die Einleitung eines Schutzschirmverfahrens gewünscht, was daraufzurückzuführen ist, dass das <strong>ESUG</strong> in der Wirtschaft unmittelbar mit diesem Begriff identifiziert wird. Das vorläufigeEigenverwaltungsverfahren nach § 270a InsO ist dagegen kaum bekannt. Hintergrund des Wunsches nacheinem Schutzschirmverfahren ist die Begrifflichkeit, denn damit wird dem öffentlichen Rechtsverkehr nach außensuggeriert, dass sich das Unternehmen nicht in einem Insolvenzverfahren befinde, sondern in einem speziellenSanierungsverfahren. Dabei sind die Vorteile des Schutzschirmverfahrens gegenüber einem Verfahren nach § 270aInsO begrenzt, die Nachteile aber nicht zu vernachlässigen.Schutzschirm nach § 270b InsO oder vorläufigeEigenverwaltung nach § 270a InsO?Das Schutzschirmverfahren ist in erster Linie ein eigenständigesSanierungsverfahren unter Insolvenzschutz.Gleichzeitig ist es auch ein Insolvenzeröffnungsverfahren imklassischen Sinne, da ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrensgestellt wird. Das ist zwingend notwendig,da ansonsten der angestrebte Schutz des gerichtlichen Verfahrensnicht erreicht werden kann. Mit dem Schutzschirmverfahrennach § 270b InsO wird Personen und Unternehmenerstmals ein Verfahren zur Verfügung gestellt, bei demder Schuldner frei von Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltungeinen Sanierungsplan ausarbeiten kann.Ziel und Wege des SchutzschirmverfahrensEin Schutzschirmverfahren macht insbesondere dann Sinn,wenn es unter dem Schutzschirm gelingen sollte, sich mitden Gläubigern auf ein Sanierungskonzept zu einigen unddas Insolvenzgeld keine so große Rolle spielt. Hintergrundfür ein Schutzschirmverfahren kann auch die Disziplinierungvon Gläubigern, insbesondere von Nachranggläubigern, sein.Auch beim Schutzschirmverfahren handelt es sich faktischum eine vorläufige Eigenverwaltung, das allerdings nur untererhöhten Anforderungen angeordnet wird, dafür aber demInsolvenzschuldner weitergehende Rechte einräumt. Gemeinsamkeitenbeider Verfahren sind die Bestellung einesvorläufigen Sachwalters und das Verbleiben der Verwaltungs-und Verfügungsbefugnis beim Insolvenzschuldner.Beim Schutzschirmverfahren muss das Gericht dem Schuldnerauf Antrag die Befugnis zur Eingehung von Masseverbindlichkeitenin unbegrenztem Umfang einräumen (siehe§ 270b Abs. 3 Satz 1 InsO). Beim Verfahren nach § 270a InsOist das nur bei Einholung entsprechender Einzelermächtigungenim Voraus durch das Gericht zulässig, die Praxis behilftsich insoweit mit vom Gericht zu erteilenden Gruppen- bzw.Projektermächtigungen, innerhalb derer das Eingehen vonMasseverbindlichkeiten zulässig ist. Während beim Schutzschirmverfahrendem Schuldner auf Antrag Vollstreckungsschutzzu gewähren ist (vgl. § 270b Abs. 2 Satz 3 InsO), wirddas Gericht einem solchen Ansinnen im §‐270a-Verfahrenim Regelfall (jedenfalls bei schlüssiger Begründung) folgen,muss dies aber nicht. Beim Schutzschirmverfahren hat derInsolvenzschuldner ein eigenes Vorschlagsrecht im Hinblickauf die Person des vorläufigen Sachwalters (vgl. § 270b Abs.2 Satz 2 InsO), nicht so beim Verfahren nach § 270a InsO.Allerdings kann er bei Vorlage eines einstimmigen Beschlussesdes vorläufigen Gläubigerausschusses das Gericht ingleicher Weise dazu „verpflichten“, den vom vorläufigenGläubigerausschuss und damit im Regelfall von ihm selbstgewollten vorläufigen Sachwalter zu bestellen (vgl. §§ 270aAbs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1, 56a Abs. 2 Satz 1 InsO). DerSchuldner sollte das Verfahren so vorbereiten, dass er denvorläufigen Sachwalter mit aussucht, mit diesem Vorgesprächeführt und diesen dem vorläufigen Gläubigerausschussvorschlägt. Bei guter Argumentation ist die Zustimmung desAusschusses sehr wahrscheinlich.Hohe Anforderungen an ein SchutzschirmverfahrenDie weitergehenden Rechte des Insolvenzschuldners imSchutzschirmverfahren führen zu deutlich höheren Anforderungenan die Anordnung durch das Insolvenzgericht. Sohängt die Anordnung insbesondere von der Vorlage einer mitGründen versehenen Bescheinigung eines in Insolvenz-19


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>sachen erfahrenen Berufsträgers ab. Aus der Bescheinigungmuss sich ergeben, dass zwar drohende Zahlungsunfähigkeitoder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegtund die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslosist (siehe dazu auch die Beiträge auf S. 16 undS. 27). Diese Bescheinigung kann im Einzelfall eine (zu) hoheHürde sein, die bei einigen Verfahren schon zur Ablehnungder Anordnung eines Schutzschirmverfahrens durch das Insolvenzgerichtgeführt hat. Darüber hinaus kann die Verpflichtungzur Vorlage der Bescheinigung zu erheblichenVerfahrensver zögerungen führen. So hat das AmtsgerichtMünchen per Beschluss vom 29.03.2012 (Az.:1507 IN1125/12) die An ordnung des Schutzschirmverfahrens abgelehnt,weil Sanierungsberater und Bescheiniger personenidentischwaren. In gleicher Weise ist nicht auszuschließen,dass in Einzelfällen die Gerichte die Bescheinigung bei Insolvenzantragstellungvon dritter Seite prüfen lassen. Diese Prüfungkann sich lange hinziehen. Bis dahin kommt es nicht zueiner gerichtlichen Beschlussfassung und damit zu erheblichenStörungen im geplanten Ablauf. Einfacher ist es daher,den Weg über den § 270a InsO zu wählen, der letztendlich– aber rechtssicherer – zum gleichen Ziel führt.Sanierung durch Schutzschirmverfahren beiProblemen mit der Einzelermächtigung im Verfahrennach § 270a InsODie meisten Gerichte erteilen mittlerweile auch beim Verfahrennach § 270a InsO dem Insolvenzschuldner die Befugniszur Eingehung von Masseverbindlichkeiten (siehe dazu auchden Beitrag auf S. 36). Auch wenn es mit dem Gesetz unddem Willen des Gesetzgebers kaum vereinbar ist, weicheneinzelne Gerichte (z. B. AG Fulda, AG Hamburg) hiervon dennochab und erteilen überhaupt keine Einzelermäch tigungoder erteilen sie nur dem vorläufigen Sachwalter. Zeichnetsich diese Konstellation ab, kann man im Einzelfall eineMasseverbindlichkeitenkompetenz des Schuldners dadurcherreichen, indem man – sofern die Voraus setzungen vorliegensollten – auf die Beantragung eines Schutzschirmverfahrensausweicht.sog. Insolvenzereignisse im Sinne des § 165 Abs. 1 SGB III.Treten sie verspätet ein, läuft der Vorfinanzierer Gefahr, miteiner Rate oder mehreren vorfinanzierten Raten auszufallen.Möglicherweise wird er deshalb im Schutzschirmverfahrennur einen Teil des Insolvenzgeldes vorfinanzieren. Damitkann dem Unternehmen dringend benötigte Liquidität fehlen.Ergebnis und EmpfehlungIm Ergebnis kann festgehalten werden, dass der Weg über§ 270a InsO das einfachere und zwischenzeitlich rechtssichereVerfahren ist. Deswegen sollten die Argumente genauabgewogen werden. Das angestrebte Ziel einer Sanierungdurch Insolvenz in Eigenverwaltung wird auch im Verfahrennach § 270a InsO erreicht. Ein Schutzschirmverfahren solltevor allem dann angestrebt werden, wenn das vorrangige Zieldie Sanierung und nicht die Eröffnung und Gewährung vonInsolvenzgeld ist. Wird die Eröffnung angestrebt, so machtdie Einleitung eines Schutzschirmverfahrens nur eingeschränktSinn, denn spätestens mit der Eröffnung ist dasnicht gewollte Wort „Insolvenz“ ohnehin zu verwenden. Soleiten die Vorlagen der Justizverwaltung beim Schutzschirmverfahrenden gerichtlichen Beschluss mit den Worten „Indem Insolvenzeröffnungsverfahren“ ein. Auch lassen sich dieLieferantengläubiger vom Begriff „Schutzschirmverfahren“nicht beeindrucken. Sollte sich das Gericht allerdings nichtbereit erklären, dem Insolvenzschuldner Einzelermächtigungenim Rahmen eines Verfahrens nach § 270a InsO zuerteilen, sollte nach Möglichkeit auf das Schutzschirmverfahrenausgewichen werden. Hier ist das Gericht verpflichtet,die Einzelermächtigung zu erteilen, weil es sogar eine Generalermächtigungzur Eingehung von Masseverbindlichkeitenerteilen muss (siehe § 270b Abs. 3 S. 1 InsO).Schwierigere Vorfinanzierung von InsolvenzgeldMit dem Schutzschirmverfahren können weitere Schwierigkeitenverbunden sein, wie z. B. eine erschwerte Insolvenzgeldvorfinanzierung.So steht bei vorzeitiger Beendigungdurch den vorläufigen Gläubigerausschuss nicht fest, wanndas Insolvenzverfahren eröffnet wird oder ob es zu einerNichteröffnung mangels Masse kommt. Beides sind jedoch20


www.buchalik-broemmekamp.deEisengießerei Karlshütte hatte Mut zur InsolvenzRA Prof. Dr. Jochen Vogel, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, DüsseldorfDie Auswirkungen der Wirtschaftskrise und Kundenaufträge, die sich über Jahre von profitablen zu unprofitablenentwickelt hatten, brachten die Eisengießerei Karlshütte in eine wirtschaftliche Schieflage. Im April 2012 entschiedsich der geschäftsführende Gesellschafter des Traditionsunternehmens, Karl-Heinrich Thiele, für denWeg über ein Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung. Sechs Monate später konnte das Insolvenzverfahrenwieder aufgehoben werden. Dr. Jochen Vogel beschreibt die Tage eines Chief Restructuring Officer (CRO) vorder Antragstellung.Bereits im ersten Telefonat mit Karl-Heinrich Thiele wurdedeutlich: Die Eisengießerei Karlshütte war im März 2012 aneinen kritischen und existenzbedrohenden Punkt angekommen.Das Unternehmen befand sich in einer angespanntenLiquiditätssituation, die sofortiges Handeln erforderte,wenn das Unternehmen die nächsten Wochen überstehensollte. Unternehmenslenker Thiele hatte von einem Beraterden Hinweis bekommen, dass das Beratungsunternehmen<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp sich auf solche Krisenszenarienspezialisiert hat, und erwartete nun erste Handlungsalternativen.Analyse der UnternehmensdatenDas eiligst zusammengestellte Projektteam analysiertedie ersten Unterlagen der Karlshütte, die die wirtschaftlicheGesamtsituation darstellten, und bezifferte grobden er forderlichen Liquiditätsbedarf der nächstenWochen. Um einen umfassenden Einblick zu erhalten,wurde ein Tag später ein Restrukturierungs-Workshopmit dem geschäftsführenden Gesellschafter, seinenwichtigsten Mitarbeitern und einem Teil des Projektteamsdurchgeführt. In dem ganztägigen Workshopwurde nunmehr ein mehrseitiger Fragenkatalog intensivdurchgearbeitet.Kernelemente des Workshops waren:• Erhebung der Ist-Situation in den einzelnen Unternehmensbereichen(Einkauf, Produktion, Vertrieb, Logistiketc.) durch eine SWOT-Analyse (Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse) und Schaffung von Transparenzüber die relevanten Parameter,• Abfrage des Eigenbildes aus den Blickwinkeln der verschiedenenTeilnehmer,• Erörterung von Perspektiven, Strategien und Zielen,• Bestimmung von möglichen Sanierungspotenzialen undVerbesserungen,• Diskussion von Gestaltungsalternativen und tendenziellenLösungsansätzen sowie• Definition sowie Priorisierung von Handlungsfeldern undweiteren Schritten.Diese Vorgehensweise dient dazu, in möglichst kurzer Zeiteine Vielzahl von Schwachstellen, aber auch Verbesserungspotenzialeninnerhalb des betroffenen Unternehmenszu identifizieren. Am Ende des Workshop-Tages konnte dasProjektteam auf zahlreiche Informationen zugreifen.Produktionsexperte suchte nach SanierungspotenzialenDie nächsten Tage dienten nunmehr dem Projektteam dazu,die gewonnenen qualitativen und quantitativen Informationenauszuwerten. Weitere rechtliche, betriebswirtschaftlicheund operative Fragestellungen wurden erörtert undgelöst. Zur weiteren Analyse möglicher operativer Sanierungspotenzialewurde darüber hinaus ein Produktionsexperteder <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Unternehmensberatungbeauftragt, sich einen ersten Überblick über die entsprechendenProduktionsanlagen und innerbetrieblichen Abläufezu verschaffen. Hierfür wurden aufgrund der Kürze der Zeitnur zwei Tage angesetzt.Nur zwölf Tage nach dem ersten Kontakt durch den geschäftsführendenGesellschafter waren die Unternehmensunterlagensoweit aufbereitet, dass verschiedene Szenarieneinander gegenübergestellt werden konnten. Dabei handeltes sich um ein Going-Concern-Szenario, ein Liquidationsszenariosowie das Insolvenzplanszenario.Liquide Mittel fehltenEinen Tag später stellten Geschäftsführer Karl-HeinrichThiele und Dr. Jochen Vogel der finanzierenden Hausbankdie verschiedenen Handlungsalternativen vor. Schon in die-21


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>sem Gespräch machte das Kreditinstitut deutlich, dass eskeine weiteren liquiden Mittel bereitstellen würde. Andererseitslies die Bank erkennen, dass sie einem möglichenSanierungsweg über eine (vorläufige) Eigenverwaltungpositiv aufgeschlossen gegenüberstehen würde. Ebensokonnten auch die weiteren Gesellschafter kein weiteresGeld dem Unternehmen zur Verfügung stellen.Geschäftsführung und Gesellschafter verständigten sichdarauf, nun unverzüglich einen Insolvenzantrag auf (vorläufige)Eigenverwaltung beim Amtsgericht Bielefeld zu stellen.Im Hintergrund hatten die Mitarbeiter des Projektteamsdie für die verschiedenen Handlungsalternativennotwendigen betriebswirtschaftlichen, juristischen undkommunikativen Unterlagen vorbereitet, darunter auch denInsolvenzantrag.Parallel waren weitere, ganz wesentliche Maßnahmen erfolgt,so• ein Vorgespräch mit dem zuständigen Gericht,• die Koordination und Einberufung eines präsumtiven vorläufigenGläubigerausschusses,• die Durchführung einer Sitzung mit dem präsumtivenkonstituierenden vorläufigen Gläubigerausschuss,• die Fertigstellung der entsprechenden Kommunikationsmaßnahmenfür die relevanten Stakeholder-Gruppen,• Auswahl des vorläufigen Sachwalters durch den vorläufigenGläubigerausschuss sowie• die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers alsSanierungsgeschäftsführer (CRO).Problemlose Antragstellung16 Tage nach dem ersten Telefonat mit GeschäftsführerThiele konnte der Antrag beim Amtsgericht eingereichtwerden. Aufgrund der Vorgespräche mit der zuständigenRichterin, in dem der Sanierungsplan vorab erklärt wurde,erhielt die Karlshütte noch am selben Tag die Beschlüsse.In einer Mitarbeiterversammlung unter Teilnahme der örtlichenGewerkschaft wurden die Sanierungsmaßnahmenund das weitere Vorgehen dargestellt.Zu dieser Veranstaltung konnten bereits die erforderlichenErklärungen für die Insolvenzgeldvorfinanzierung unterzeichnetwerden, sodass die fristgerechte Lohnzahlung fürdie nächsten drei Monate sichergestellt war. Besonderspositiv wurde von den Mitarbeitern aufgenommen, dasssich die Unternehmensleitung zum Ziel gesetzt hatte, dieRestrukturierung weitestgehend ohne Entlassung durchzuführen.Allerdings sollten die innerbetrieblichen Abläufeneu gestaltet und gestrafft werden.Anforderungen nach AntragstellungNach der reibungslosen Antragstellung begann die eigentlicheArbeit von CRO Vogel. Hierzu zählten u. a.:• die Abstimmung mit dem vorläufigen Sachwalter zu Aufgabenund Abläufen (z. B. Buchungsbelege),• das Aufsetzen interner Prozesse für Insolvenzbuchhaltung,Tagesreporting, Zentralisierung von Einkaufsprozessen,• Verarbeitung der zur Antragstellung ermittelten Inventurergebnisse,• Erarbeitung einer Sitzungsroutine für den vorläufigenGläubigerausschuss,• Umsetzung der operativen Restrukturierungsmaßnahmensowie• Beginn der Verhandlungen mit Banken und Lieferanten.Besonders zeitaufwendig gestalteten sich die persönlichenBesuche der wichtigsten Kunden und Lieferanten, um überden weiteren Ablauf zu informieren und um das Vertrauenin die Fortführung des Unternehmens zu werben.Gläubigerzustimmung bei 100 ProzentDer Erfolg der umfangreichen Restrukturierungsmaßnahmenzeigte sich bereits sechs Monate nach der Antragstellung,obwohl den meisten Beteiligten (Lieferanten, Kunden,Banken und Richter) die neuen Möglichkeiten der Insolvenzordnungvöllig unbekannt waren. Dennoch hatten dieGläubiger dem Insolvenzplan Anfang September zu 100Prozent zugestimmt. Sie erhalten nun eine Quote von zehnProzent und damit fast doppelt so viel, wie bei einer Regelinsolvenzüblich ist. Zur Beschleunigung trug vor allem dieMöglichkeit der Eigenverwaltung bei. Das AmtsgerichtBielefeld hob das Insolvenzverfahren im Oktober auf. Damitist dieses Verfahren eines der kürzesten Planverfahren inDeutschland, welches nach neuem Recht durchgeführtwurde. Chief Restructuring Officer Dr. Jochen Vogel verließdie Geschäftsführung der Eisengießerei Karlshütte mit derAufhebung des Verfahrens. An seine Stelle trat der KaufmannVolker Ahring, der die noch ausstehenden langfristigenSanierungsmaßnahmen nun zu Ende führen wird.22


www.buchalik-broemmekamp.deIch und der Schutzschirm – aus der Sicht einesSanierungsgeschäftsführersHeinz-Peter Derrix-Belau, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Unternehmensberatung, DüsseldorfDie Praxis zeigt, dass seit dem Inkrafttreten des <strong>ESUG</strong> noch viele Lücken zu füllen sind. Heinz-Peter Derrix-Belauvon der <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Unternehmensberatung begleitete von Mai bis Oktober 2012 ein Handelsunternehmenmit knapp 100 Filialen als Chief Restructuring Officer (CRO) durch ein Schutzschirmverfahren.Nachstehend sein Erfahrungsbericht:Das Einzelhandelsunternehmen aus NRW war an <strong>Buchalik</strong>Brömmekamp herangetreten mit der Bitte um Erstellungund Umsetzung eines Sanierungskonzeptes. Alternativ solltenverschiedene Insolvenzszenarien gerechnet werden.Das Unternehmen befand sich zwar in einer Krise, hatteaber ausreichende Substanz, um eine Sanierung ohneInsolvenz möglich zu machen. Jedoch konnten die damitverbundenen Kosten weder durch den Gesellschafter aufgebrachtwerden, noch haben sich Banken zu einer weiterenFinanzierung bereit erklärt. Ein Insolvenzplanverfahrenin Eigenverwaltung unter einem Schutzschirm musstedeshalb in die Tat umgesetzt werden.Die BescheinigungVoraussetzung für die Teilnahme am Schutzschirmverfahrenwar das Vorliegen einer bloß drohenden Zahlungsunfähigkeit,was gemäß § 270b InsO Abs. 1 S. 3 InsO von einer inInsolvenzsachen erfahrenen Person zu bescheinigen war.Gleichzeitig musste in der Bescheinigung ausgeführt werden,dass die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslosist. Es stellte sich hierbei die Frage, ob der mandatierteBerater diese Bescheinigung selbst ausstellen konnte oderaber, ob dies durch einen Dritten zu erfolgen hat. Die neueInsolvenzordnung legt sich hierzu nicht fest. Der Bescheinigerhat lediglich gemäß § 270b Abs. 2 S. 1 InsO personenverschiedenvom vorgeschlagenen vorläufigen Sachwalterzu sein. Eine frühzeitige informelle Anfrage beim örtlichzuständigen Insolvenzgericht ohne Nennung des betroffenenUnternehmens mündete in der Empfehlung des Gerichtes,die Bescheinigung durch einen unabhängigen Drittenausstellen zu lassen, um eigene zeitraubende Überprüfungendes Gerichtes in Bezug auf die Ordnungsgemäßheit derBescheinigung zu vermeiden. Das Sanierungskonzept wurdedeshalb einem Fachanwalt für Insolvenzrecht aus der Regionzur Verfügung gestellt, das dieser überprüfte und zusammenmit Betriebswirten aus seiner Kanzlei dezidiert hinterfragte.Der Fachanwalt für Insolvenzrecht stellte auf dieser Grundlagedie für das Schutzschirmverfahren erforderliche Bescheinigungim Sinne des § 270b Abs. 1 S. 3 InsO aus.Der vorläufige GläubigerausschussGemäß § 22a Abs. 1 InsO ist bei nicht eingestelltem Geschäftsbetriebein vorläufiger Gläubigerausschuss zu bilden, wenn dieBilanzsumme 4,84 Mio. Euro erreicht, der Umsatz jenseits von9,68 Mio. Euro liegt und die Belegschaft aus mehr als 50 Arbeitnehmernbesteht (es müssen mindestens zwei der dreiKriterien erfüllt sein). Im vorliegenden Fall waren sämtlicheMerkmale erfüllt. Es wurde deshalb ein vorläufiger Gläubigerausschussmit fünf Mitgliedern entsprechend der Vorgabender §§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a, 67 Abs. 2 InsO gebildet. Wir konnteneinen Lieferanten (absonderungsberechtigter Gläubiger),einen Kredit geber (Gläubiger mit der höchsten Forderung),einen Kleingläubiger und einen Arbeitnehmervertreter für dieseAufgabe gewinnen. Bedingt durch die vielen angemietetenFilialen wurde zusätzlich ein Vertreter für die Vermieter in denAusschuss aufgenommen, was zu einer ungeraden Zahl vonMitgliedern führte und so Pattabstimmungen ausschloss.Die erste Sitzung des präsumtiven vorläufigen Gläubigerausschussesfand zwei Tage vor der Antragstellung statt. Fürausreichenden Versicherungsschutz der vorläufigen Gläubigerausschussmitgliederwurde gesorgt. Belehrungsunterlagenüber Rechte und Pflichten eines Gläubigerausschussmitgliedswurden ausgeteilt, eine Satzung wurde einstimmigverabschiedet. Gleichzeitig nahmen die Teilnehmer ihre Mitgliedschaftin diesem Gremium durch Unterzeichnung einerentsprechenden Einverständniserklärung an. Sie erklärtenferner einstimmig, dass sie eine Eigenverwaltung unter einemSchutzschirm unterstützen. Außerdem machten die Gläubigerausschussmitgliedereinstimmig einen Vorschlag zurPerson des vorläufigen Sachwalters. Ausschlaggebend wardabei dessen Erfahrung mit Einzelhandelsinsolvenzen unddass der vorgeschlagene vorläufige Sachwalter regelmäßigvom örtlich zuständigen Insolvenzgericht bestellt wird.23


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Der AntragIm Vorfeld des eigentlichen Antrages wurde mit dem zuständigenInsolvenzgericht ein Vorgespräch geführt. Das Gerichterklärte sich hierzu bereit, obwohl die Zuständigkeitsfrage –wie bei vielen Gerichten üblich – erst am Tage der Antragstellunggeklärt werden kann. Wir händigten insoweit dem Gerichtsämtliche Unterlagen zur Antragstellung als Entwurfsfassungaus und besprachen sie mit einem anwesenden Richter. Alleverfügbaren Richter und Rechtspfleger hatten sich daraufhinzusammengesetzt, um den Antrag vorher zu überprüfen und zudiskutieren. Die vom Gericht noch am gleichen Tag geäußertenÄnderungs- und Ergänzungswünsche konnten wir problemlosnoch in den finalen Antrag einbauen bzw. berücksichtigen. Sowar die eigentliche Antragstellung nur noch Formsache.Gemäß § 270b Abs. 3 InsO hat das Gericht auf Antrag desSchuldners anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeitenbegründet. Dieser Antrag des Schuldners kann insoweitals Pauschalermächtigung oder als Einzelermächtigung gestelltwerden. Letzteres hat den Vorteil, dass der Insolvenzschuldnerauf diese Weise nur einzelne privilegiert zu bedienende Verbindlichkeiten(Masseverbindlichkeiten) generieren kann.§ 55 Abs. 3 InsO regelt im Ergebnis, das die Forderungen derBundesagentur für Arbeit im Rahmen der Insolvenzgeldvorfinanzierungkeine Masseverbindlichkeiten sind und somit im eröffnetenVerfahren nicht vom Insolvenzschuldner zu bedienen sind.Zum Zeitpunkt der Antragstellung war nicht klar, ob diese Regelungauch im Schutzschirmverfahren Anwendung findet, zumal§ 270b Abs. 3 S. 2 InsO nur auf die entsprechende Geltung des§ 55 Abs. 2 InsO verweist. Rein vorsorglich wurde von derSchuldnerin keine an sich nach § 270b Abs. 3 S. 1 InsO zulässigeGeneralermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeitenbeantragt, sondern nur im Voraus bestimmte Einzelermächtigungeneingeholt, nicht aber für die Ansprüche aufArbeitsentgelt, die im Zusammenhang mit der Insolvenzgeldvorfinanzierungstehen. Heute steht fest, dass § 55 Abs. 3 InsOauch im Schutzschirmverfahren direkt anwendbar ist (siehe dazuauch den Beitrag auf Seite 36).Der vorläufige SachwalterIm Schutzschirmverfahren ist das Gericht verpflichtet, dem Vorschlagdes Insolvenzschuldners im Hinblick auf die Person desvorläufigen Sachwalters nachzukommen (vgl. § 270b Abs. 2S. 2 InsO), es sei denn, die vorgeschlagene Person ist für dasAmt offensichtlich ungeeignet. Insoweit bestand im Fall mitdem Filialisten zu keiner Zeit ein Problem, da der vorgeschlagenevorläufige Sachwalter regelmäßig vom örtlichen Insolvenzgerichtbestellt wird und dieser im Vorfeld der Antragstellung dem Gerichtdurch Aushändigung eines ausgefüllten Unabhängigkeitsfragebogensversichert hatte, dass er im vorliegenden Fall unabhängigist, insbesondere er den Schuldner noch nie beraten hat.Der BeschlussDer Antrag wurde am 25.05.2012 beim örtlich zuständigenAmtsgericht, Insolvenzgericht, eingereicht. Aufgrund derguten Vorbereitung des Insolvenzantrages und der im Vorfelderfolgten Vorbesprechung mit dem Gericht erhielt dasUnternehmen noch am selben Tag den Beschluss zur Anordnungeines Insolvenzeröffnungsverfahrens nach § 270b InsO(Schutzschirmverfahren).Die BetriebsversammlungenGleich nach dem ergangenen Beschluss wurden die Mitarbeiterder nahe gelegenen Filialen in einer Betriebsversammlunghierüber informiert. Weitere Versammlungenfolgten zeitgleich in verschiedenen Filialen, sodass sämt licheMitarbeiter umgehend erreicht wurden. Es war sowohl fürden vorläufigen Sachwalter als auch für mich als Sanierungsgeschäftsführersehr ungewohnt, Worte wie Insolvenz, Insolvenzverwalteroder Verwertung zu vermeiden und stattdessenvon einem speziellen Sanierungsverfahren, von einemvorläufigen Sachwalter und von Schutzschirm zu sprechen.Dennoch gelang es durch das Vorstellen des neuen Verfahrens,bei den Mitarbeitern die Hoffnung zu wecken, dass dasUnternehmen erhalten und weiter bestehen würde.Das InsolvenzgeldDas Insolvenzgeld ist einer der wesentlichen Sanierungsbeiträge,da durch den dreimonatigen Wegfall der Lohnzahlungen die Liquiditätssituationerheblich verbessert werden kann. Die für dieInsolvenzgeldvorfinanzierung benötigte Zustimmung der Agenturfür Arbeit gemäß § 170 Abs. 4 SGB III wurde problemlos erteilt,was auch daran lag, dass man hier sehr intensiv mit einem Dienstleisterund der vorfinanzierenden Bank zusammengearbeitet hat.Das AnderkontoDie Kassenführung lag beim eigenverwaltenden Schuldner,da der vorläufige Sachwalter von seinem Recht nach § 275Abs. 2 InsO keinen Gebrauch machte, die Kassenführung ansich zu ziehen.24


www.buchalik-broemmekamp.deDie Kontoführung der Insolvenzschuldnerin erfolgte weiterhinbei deren Hausbank. Dazu wurde zunächst der bei Insolvenzantragstellungbestehende Saldo auf ein Unterkontoumgebucht. Künftige Einzahlungen erfolgten auf das bisherigeKonto bei der Hausbank unter der bisherigen Stammnummer.Der vorläufige Gläubigerausschuss stimmte dieserVorgehensweise einstimmig zu.Die BuchhaltungDie Buchhaltung war mit dem ergangenen Gerichtsbeschlussvöllig neu aufzusetzen. Der laufende Monat Mai 2012 war mitdem ergangenen Beschluss am 25.05.2012 automatisch beendet,buchhalterisch begann am 25.05.2012 bereits derMonat Juni 2012.Den Aufwand, neue Rechnungen von alten zu trennen auchin Bezug auf Rechnung aus Dauerschuldverhältnissen (Leasing,Telefon etc.) kennt man aus Regelinsolvenzen. Insoweitgalt hier nichts anderes. Anzuraten sind hier zur Arbeitserleichterungeinfache Stempel mit dem Aufdruck „alteRechnung“ oder „neue Rechnung“. Ähnlich verhält es sichmit erfolgten Abbuchungen im Lastschriftverfahren undderen Widerruf.Prüfung der ZahlungsunfähigkeitDas Schutzschirmverfahren kann nur von solchen Schuldnerngenutzt werden, die zum Zeitpunkt der Antragstellunglediglich drohend zahlungsunfähig sind. Wenn im Verlauf desVerfahrens die Zahlungsunfähigkeit tatsächlich eintretensollte, ist dies nach § 270b Abs. 4 S. 2 InsO vom Schuldneroder auch vom vorläufigen Sachwalter dem Gericht unverzüglichanzuzeigen. Diese zeitintensive Prüfung wurde inkurzen Abständen vom Unternehmen regelmäßig durchgeführtund mit dem vorläufigen Sachwalter besprochen.Das Unternehmen hatte es geschafft, dass das Insolvenzverfahrenspäter auch wegen drohender Zahlungsunfähigkeiteröffnet wurde. Dies konnte nur deshalb gelingen, weil dieinvolvierten Banken davon überzeugt wurden, ihre Liniennicht zu kündigen. Viele Geschäftspartner zeigten so deutlichmehr Vertrauen in das Unternehmen als sie es bei tatsächlichereingetretener Illiquidität getan hätten.Die Steuern und die SV-BeiträgeFür die Abführung der Steuern und der Sozialversicherungsbeiträgeist der Geschäftsführer verantwortlich. Ein Zuwiderhandelnbringt dessen persönliche Haftung und ggfs. einestrafrechtliche Verfolgung mit sich. Der eigenverwaltendeSchuldner im Insolvenzeröffnungsverfahren nach § 270bInsO hat die Masse zu sichern und zu erhalten und darf Verbindlichkeiten,die vor Antragstellung begründet wurden,nicht mehr begleichen. Da Geschäftsführer und eigenverwaltenderSchuldner personenidentisch sind, ist eine Interessenkollisionautomatisch gegeben: Soll die handelnde Personnunmehr ihrer Verpflichtung auf Steuerzahlung und Abführungder Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nachkommenoder aber mit Blick auf Massesicherungspflichtdiese eben nicht mehr abführen? Aufgrund der recht komfortablenLiquiditätssituation (nur drohende Zahlungsunfähigkeit)wurden hier die Leistungen als sicherster Wegabgeführt, nachdem die jeweiligen Empfänger über die vorliegendeInsolvenzsituation unterrichtet wurden. Durch diese„Bösgläubigmachung“ wurde der Sachwalter in die Lageversetzt, nach Verfahrenseröffnung die abgeführten Zahlungenim Wege der Insolvenzanfechtung wieder zurückzuholen.Das hat dieser auch gemacht und auf diese Weise dem Unternehmenschnell wieder weitere Liquidität zugeführt.Die Akzeptanz seitens der LieferantenBedingt durch das neue und zu diesem Zeitpunkt weitestgehendnoch unbekannte Verfahren hatte das Unternehmenspeziell auf der Lieferantenseite mit erheblichen Vorbehaltenzu kämpfen. Da Lieferanten nur mit Regelinsolvenzverfahrenvertraut waren, wurde immer wieder die Unterschrift desvorläufigen Sachwalters unter die Bestellungen gefordert.Denen, die „den Karren in den Dreck gefahren hatten“, vertrautendie Lieferanten dagegen eher weniger. Erst durcherhebliche Aufklärungsarbeit und dem tatsächlichen Nachweisder Qualität des Managements (Altgeschäftsführernebst Sanierungsgeschäftsführer und Sanierungsberater)wurden diese Ressentiments sukzessive abgebaut.Auf Kundenseite dagegen traten keine Probleme auf. DieKunden haben von dem Verfahren nahezu nichts gemerkt,zumal das Schutzschirmverfahren auch nicht öffentlichbekannt gemacht wurde.Die Eröffnung des Verfahrens in EigenverwaltungNachdem das Schutzschirmverfahren nicht zuletzt durch dieFrist zur Planvorlage und den Ablauf des Insolvenzgeldzeitraumesweitestgehend beendet war, erfolgte nach Vorlagedes durch den vorläufigen Sachwalter erstellten Sachverständigengutachtensam 30.07.2012 die Eröffnung des In-25


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>solvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Der Berichts- undPrüfungstermin sowie der Erörterungs- und Abstimmungsterminwurden am 12.10.2012 durchgeführt und das Verfahrenanschließend am 31.10.2012 aufgehoben. Das eröffneteVerfahren in Eigenverwaltung unterschied sich nicht vonanderen, schon vor der Zeit der neuen Insolvenzordnungdurchgeführten Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung.Nach knapp fünf Monaten war das Unternehmen bilanziellsaniert. Zum Jahresende 2012 standen die ersten Planzahlungenan.Schutzschirm in der ÖffentlichkeitBedingt durch die Neuartigkeit des Verfahrens hatte dasUnternehmen gerade zu Beginn erhebliche Schwierigkeitenin der Außendarstellung. Die Akzeptanz des Schutzschirmverfahrensdurch die Geschäftspartner wird sich sukzessivedurch die vermehrte Bekanntheit dieses Verfahrens in derPraxis verbessern.Auch werden die meisten noch offenen Rechtsfragen mittelfristigbeantwortet sein, sodass die Durchführung einesSchutzschirmverfahrens zukünftig einfacher, noch planungssichererund auch für die Akteure risikoärmer sein wird.Der Schutzschirm ist als spezielles Sanierungsverfahren gedacht.Gleichwohl stellt er einen Teil des Insolvenzrechtesdar und wird speziell in der Diktion als Insolvenzeröffnungsverfahrenweiter fortgeführt. Die Bezeichnung „Insolvenzeröffnungsverfahren“schreckt generell Unternehmen undGläubiger ab. Allein durch das Weglassen des Wortes „Insolvenz“würde sich die Akzeptanz dieses Verfahrens sicherlichnoch erheblich steigern lassen.Die Nichtveröffentlichung des gerichtlichen Beschlussesmacht im Hinblick auf die Kundenbeziehungen Sinn. In Bezugauf das Eingehen von Masseverbindlichkeiten ist das Unternehmenallerdings gezwungen, den Lieferanten den diesbezüglichenBeschluss zur Verfügung zu stellen.Der Schutzschirm wird durch die Eröffnung des Verfahrenszu abrupt beendet. Mit dem Eröffnungsbeschluss beginnt einInsolvenzverfahren in Eigenverwaltung, wie es schon vordem 01.03.2012 stattgefunden hat. Spätestens jetzt erfolgtvon Amts wegen die Veröffentlichung des Verfahrens im Internetund die Gläubiger werden aufgefordert, ihre Forderungenbeim Sachwalter anzumelden. Aus dem bisherigenSchutzschirm wird eine normale Planinsolvenz in Eigenverwaltung.Die Gläubigerseite merkte mehrfach zutreffend an,dass der Schutzschirm quasi nur ein „Vorgeplänkel“ zurNormalin solvenz sei. Der Sanierungsgedanke sollte daherdeutlicher mit in das eröffnete Verfahren genommen werden,um zu betonen, dass es sich gerade nicht um eineRegelinsolvenz handelt.Aspekte wie „Vertrauensbasis“ und „Netzwerke“ genießenim Schutzschirmverfahren einen besonderen Stellenwert.Wenngleich die Akteure, die für die Notwendigkeit des Verfahrensverantwortlich sind, nicht bei allen Gläubigern weitervolles Vertrauen genießen, so gibt es doch in der Regel auchgewachsene Verbindungen, Kooperationen und Freundschaften,die durch einen gewöhnlichen (vorläufigen) Insolvenzverwalternicht so ohne Weiteres fortgesetzt werden können.Stellt z. B. ein Lieferant die Lieferungen ein, können sie nurüber solche Netzwerke, Kooperationen und Freundschaftenüberbrückt werden. Ein Insolvenzverwalter tut sich hier sehrschwer. Auch sind Spezialkenntnisse aus Branche undHistorie nur dem eigenverwaltenden Schuldner bekannt. Bissich ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter dieses Wissen angeeignethat, kann zu viel Zeit vergangen sein.FazitDas Schutzschirmverfahren ist eine sehr sinnvolle Lösungzur Firmenrettung sanierungswürdiger Unternehmen. Speziellim zuvor beschriebenen Fall hat sich das Verfahrenschon alleine dadurch bewährt, da die Kundschaft nur in denwenigsten Fällen von dem gesamten Insolvenzverfahrenüberhaupt Kenntnis erhalten hat. Das ansonsten in Regelinsolvenzenaufkommende Problem der Gewährleistungblieb völlig außen vor. Kein Kunde zweifelte daran, eventuellseine Gewährleistungsansprüche bei Neukauf nicht durchgesetztzu bekommen.Optimierungsbedarf26


www.buchalik-broemmekamp.deAnforderungen an die Bescheinigung für dasSchutzschirmverfahrenBozidar Radner, Geschäftsführer der <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Unternehmensberatung, DüsseldorfRA Alfred Kraus, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, DüsseldorfDie Anforderungen für den Antrag auf Anordnung eines Schutzschirmverfahrens sind erheblich. Insbesonderehat der Schuldner mit dem Insolvenzantrag eine Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO vorzulegen. DerGesetzgeber hat im Hinblick auf die Ausgestaltung und den Inhalt dieser Bescheinigung auf konkrete Formulierungenverzichtet und anstelle dessen unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet. Die Auslegung dieser unbestimmtenRechtsbegriffe muss sich in der Insolvenzpraxis entwickeln. Mit dem IDW ES 9 „Bescheinigung nach§ 270b InsO“ hat das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) einen Entwurf eines Standardsfür die Anforderungen an die Bescheinigung vorgelegt. Dieser Standard genügt nicht den umfangreichenrechtlichen sowie betriebswirtschaftlichen Anforderungen an die Bescheinigung, sodass Nachbesserungenerforderlich sind.Anforderungsmerkmale an die Bescheinigung nach § 270bAbs. 1 Satz 3 InsO:1. Anforderungen an die Person des BescheinigersDie Bescheinigung muss von einem in Insolvenzsachen erfahrenenSteuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwaltoder einer Person mit vergleichbarer Qualifikationausgestellt sein, § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO. Infolgedessenkann als Bescheiniger nur ein Berufsträger infrage kommen,somit nur eine natürliche Person.Des Weiteren soll der Berufsträger in „Insolvenzsachenerfahren“ sein. Hierüber kann es sicherlich unterschiedlicheAuffassungen geben. Das IDW sieht dieses Merkmalals eher nachrangig an. Allerdings rückt schon alleine derSinn und Zweck der Bescheinigung (Sanierung in der Insolvenzunter einem Schutzschirm) dieses Tatbestandsmerkmalin den Vordergrund. Sanieren ist das Stichwort.Somit ist ein krisenerfahrener Bescheiniger im Sinne einesneutralen Gutachters unabdingbar. Den das Unternehmenberatenden Rechtsanwalt oder Steuerberatergenerell als „befangen“ zu qualifizieren (so das AG München,Beschl. v. 29.03.2012, Az. 1507 IN 1125/12), gehtim Ergebnis zu weit.2. Anforderungen an den Inhalt der BescheinigungDie Gerichte müssen sich anhand des Inhaltes der Bescheinigungein Urteil über die Chancen des Unternehmens,nach erfolgter Sanierung am Markt zu bestehen, bilden.Der Gesetzgeber verlangt nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsOneben dem Vorliegen von drohender Zahl ungs unfähigkeitoder Überschuldung lediglich die Feststellung, dass „dieangestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtlosist“.a) Drohende Zahlungsunfähigkeit, ÜberschuldungAus der Bescheinigung muss sich zunächst ergeben, dasszum Zeitpunkt der Antragstellung nur eine drohende Zahlungsunfähigkeitoder Überschuldung vorliegt und nichtbereits die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens eingetretenist. Bei den Insolvenzanträgen, die bisher in diesemStadium gestellt wurden, lag regelmäßig schon die Zahlungsunfähigkeitvor. Daher muss die Bescheinigung diedrohende Zahlungsunfähigkeit sehr substanziiert darlegen.Im IDW PS 800 wird dezidiert erläutert, wie diesePrüfung durchzuführen ist.Aus betriebswirtschaftlicher Sicht lassen sich im Rahmeneines Liquiditätsstatus/-planes relativ exakte Werte ermitteln.Daher ist die Frage nach der drohenden Zahlungsunfähigkeitein handwerk liches bzw. definitorischesProblem.Am 09.11.2012 hat der Deutsche Bundestag – verstecktim „Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrungim Zivilprozess“ – in zweiter und dritter Lesung die Entfristungdes insolvenzrechtlichen Überschuldungsbegriffes(§ 19 Abs. 2 InsO) beschlossen. Danach liegt auchüber das Jahresende <strong>2013</strong> hinaus eine Überschuldung(nur) vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehendenVerbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn,die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständenüberwiegend wahrscheinlich.27


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>b) Nicht offensichtliche Aussichtslosigkeit derSanierungDie komplexere und bedeutendere Fragestellung ist jedochdie nach der nicht offensichtlichen Aussichtslosigkeitder Sanierung im Sinne des § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO.Dieses Tatbestandsmerkmal erfordert ein fundiertesbetriebswirtschaftliches Sanierungskonzept, welchesdie Erfolgschancen der Sanierung herausarbeitet. DieBescheinigung sollte – wie in der verabschiedeten Neufassungdes IDW S 6 (Stand: 20.08.2012) gefordert – eineWahrscheinlichkeitsaussage zur Sanierungs- bzw. Fortführungsfähigkeit(insbesondere zur Wettbewerbs- undRenditefähigkeit) enthalten.Da eine Sanierung ohne die Mitwirkung der Stakeholderausgeschlossen ist, sind auch dahingehende Prüfungsarbeitenzu leisten. Das IDW scheint die Tragweite diesesSachverhaltes nicht erkannt zu haben, da es in IDW ES 9sogar ausführt, dass eine Befragung der Gläubiger, diewohl die wichtigste Interessengruppe darstellen dürfte,per se nicht notwendig sei. Ein Gespräch mit den wesentlichenGläubigern wird insbesondere dann notwendigsein, wenn bereits vor Ausstellung der Bescheinigung zuerkennen ist, dass die wichtigsten Stakeholder ein wieauch immer geartetes Sanierungskonzept prinzipiell nichtmittragen wollen.Wie kann die Bescheinigung die nicht offensichtlicheAussichtslosigkeit der Sanierung belegen? Ein IDW S 6-Gutachten scheint hierfür ein probates Mittel zu sein. Inder Regel dürften dafür weder die Zeit noch die finanziellenMittel zur Verfügung stehen. IDW ES 9 fordert lediglichein deutlich abgeschwächtes Grobkonzept als Grundlagefür die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit. Ein derartiges„grobes“ Konzept wird jedoch nicht der „Gatekeeper-Funktion“ der Bescheinigung gerecht, die einen leichtfertigenMissbrauch des „Schutzschirmes“ zum Schutzeder Gläubiger verhindern soll.In diesem Zusammenhang ist zumindest ein Konzept inAnlehnung an bestimmte Punkte des IDW S 6 erforderlich,um das nötige Vertrauen der Gerichte sowie der sonstigenStakeholder zu gewinnen und die Erfolgschancen für einenachhaltige Sanierung zu erhöhen. Ähnliche Stimmenwerden in den abgegebenen Stellungnahmen zum IDWES 9 laut. So spricht sich u. a. der Arbeitskreis Rechnungslegungdes Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. dafüraus, dass zur Beurteilung des Sanierungserfolges bzw. derAussichtslosigkeit der Sanierung ein Grobkonzept undeine ergänzende Befragung der gesetzlichen Vertreternicht ausreichend seien.Weiterhin ist die Frage nach einer integrierten Sanierungs-/Businessplanungfür das laufende Geschäftsjahrund zwei Folgejahre als Bestandteil der Bescheinigungteilweise umstritten. So hält etwa die WirtschaftsTreuhandGmbH diese Forderung für zu weitreichend, sie begründetaber ihre Auffassung nicht. Jedoch können dieGerichte nur bei einer längerfristigen Planung die Sanierungsfähigkeitnachvollziehen und beurteilen. Für dasbetreffende Unternehmen entsteht hierdurch nur einscheinbarer Mehraufwand, da eine derartige Planung füreine lautere Geschäftsführung gerade in der Krise Voraussetzungsein dürfte.Die Bescheinigung ist die „Eintrittskarte“ für das Schutzschirmverfahren.Zu beachten gilt es einerseits, dass eineBescheinigung, die sich ausschließlich an den gesetzlichenMindestanforderungen orientiert, für das Unternehmenin der Krise einen nicht zu unterschätzendenRisikofaktor darstellt, weil das Gericht die Bescheinigungals nicht ausreichend anerkennen könnte. Ein detailliertesneutrales Gutachten kann dagegen als Grundlage für weiterreichendeSanierungsplanungen dienen. Dies erhöhtletztendlich den zeitlichen und finanziellen Handlungsspielraum.FazitDem Institut der Wirtschaftsprüfer ist mit dem am 21.02.2012vorgelegten Entwurf des Standards IDW ES 9 sicherlich einSchritt in die richtige Richtung gelungen. Um richtungsweisendzu sein, hätte dieser aber detaillierter und umfangreicherausfallen müssen. Es bleiben wichtige Punkte offen,die der Nachbesserung bedürfen. Allerdings besteht dieHoffnung, dass die Unzulänglichkeiten in der endgültigenFassung beseitigt werden.Eine Bescheinigung, die sich ausschließlich am Gesetz unddem IDW ES 9 orientiert, wird in der Regel nicht den umfangreichenrechtlichen sowie betriebswirtschaftlichen Anforderungenan die Bescheinigung genügen.28


www.buchalik-broemmekamp.deDebt-Equity-Swap: vom Gläubiger zum GesellschafterwerdenRA Dr. Eike Knolle, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, FrankfurtDer „Debt-Equity-Swap“, also die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital, ist ein verlockendes Sanierungsinstrument.Aus Sicht des betroffenen Unternehmens wird dadurch das Eigenkapital gestärkt, die Profitabilität durchgeringere Zinsaufwendungen gesteigert und die Liquiditätssituation verbessert. Aus Sicht der Gläubiger kann esinteressant sein, an den künftigen Chancen des Unternehmens als Mitgesellschafter zu partizipieren.In der Praxis waren Debt-Equity-Swaps in Sanierungssituationendennoch kaum anzutreffen. Dies lag zum einen am Vetorechtder Altgesellschafter und zum anderen an erheblichenBewertungsrisiken, die dazu führen konnten, dass Neugesellschafterwegen Überbewertung ihrer Forderungen eine Nachschusspflichttraf. Beide Hürden hat das <strong>ESUG</strong> abgebaut, soweitdie Sanierung im Rahmen eines Insolvenzplanes stattfindet.Forderungen zu swappen bereit sind. Die Möglichkeit zurechtssicheren Debt-Equity-Swaps könnte auch zu einerWiederbelebung des Marktes für den Kauf notleidenderForderungen (auch „NPL“ oder „non performing loans“ genannt)beitragen. Gerade für Käufer solcher Forderungenist es häufig interessant, über den Forderungskauf Einflussauf das Schuldnerunternehmen zu gewinnen.Die GläubigersichtViele Gläubiger standen Insolvenzplänen bisher skeptisch gegenüber,weil sie zu Recht befürchteten, dass sie in Form von(Teil-)Verzichten die größten Sanierungsbeiträge erbringensollten, während die größten Chancen bei den Gesellschafternverblieben. Gemäß § 225a Abs. 2 InsO können Insolvenzplänenun vorsehen, dass Forderungen von Gläubigern in Anteilsrechteam Schuldnerunternehmen umgewandelt werden.Außerdem können Insolvenzpläne alle denkbaren Kapitalmaßnahmen,wie z. B. eine Kapitalerhöhung und/oder eineKapitalherabsetzung, regeln. Diese Maßnahmen können auchgegen den Willen der Altgesellschafter beschlossen werden.Kein Gläubiger kann zu einem Swap gezwungen werden. Umgekehrthat der einzelne Gläubiger keinen Anspruch darauf,dass ein Insolvenzplan einen Debt-Equity-Swap vorsieht. Sollteder Planersteller (meist ein Unternehmensberater im Auftragdes Schuldnerunternehmens) nicht von sich aus einen Debt-Equity-Swap in den Plan aufnehmen, können Gläubiger dadurchDruck aufbauen, dass sie ihre Zustimmung zum Insolvenzplanvon der Aufnahme eines Debt-Equity-Swaps abhängig machen.Wenn ein Insolvenzplan mit Debt-Equity-Swap rechtskräftigangenommen ist, müssen die „swappenden“ Gläubiger keineNachschusspflicht wegen einer Überbewertung ihrer eingebrachtenForderungen mehr fürchten. § 254 Abs. 4 InsObestimmt, dass entsprechende Ansprüche des Schuldnerunternehmensausgeschlossen sind. Die Gläubiger müsseninsofern nur entscheiden, zu welchem „Wechselkurs“ sie ihreDie Sicht des SchuldnerunternehmensDurch einen Debt-Equity-Swap verbessern sich Bilanzstruktur,Profitabilität und Liquidität des Schuldnerunternehmens.Vorteilhaft für das Schuldnerunternehmen ist auch, dassvertragliche Regelungen, die Vertragspartner bei Änderungenim Gesellschafterkreis zur Beendigung der Vertragsbeziehungberechtigen (sog. „Change-of-Control“-Klauseln),gemäß § 225a Abs. 4 InsO unwirksam sind.Andererseits kann man sich bei Familienunternehmen, Alleingesellschafternund sonstigen homogenen Gesellschafterstrukturenleicht ausmalen, dass eine neue, heterogeneGesellschafterstruktur das Schuldnerunternehmen lähmenkann. Hier haben der Planersteller und die Gläubiger abzuwägen,ob die Vorteile eines DES überwiegen.Bisherige ErfahrungenEntgegen der hohen Erwartungen, die mit Inkrafttreten des<strong>ESUG</strong> verbunden waren, sind Debt-Equity-Swaps in den bisherbekannt gewordenen Verfahren kaum eingesetzt worden.Grund hierfür dürfte in erster Linie das Unbehagen derbeteiligten Banken sein, von der Fremdkapital- auf die Eigenkapitalseitezu wechseln. Außerdem bringt ein Debt-Equity-Swap zusätzlich Komplexität in das Insolvenzplanverfahren,das die Planersteller gerne so einfach wie möglich gestaltenmöchten. Es wird spannend sein zu beobachten, ob sichhieran auf Druck der Gläubiger künftig etwas ändern wird.29


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Die Verbesserung der Risikoposition der Bank durchInsolvenzplan und EigenverwaltungRA Robert <strong>Buchalik</strong>, Partner der <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, Düsseldorf/FrankfurtNeben der Stärkung der Eigenverwaltung war eines der wichtigsten gesetzgeberischen Ziele des <strong>ESUG</strong> die Rolleder Gläubiger zu stärken, die bei richtiger und professioneller Steuerung und entsprechender Einigung nun denAblauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Ausgang weitgehend beeinflussen, ja sogar bestimmen können. ZurStärkung der Gläubigerrechte hat der Gesetzgeber das Gremium des vorläufigen Gläubigerausschusses neu geschaffen(siehe dazu auch den Beitrag auf S. 8). Die Einflussmöglichkeiten des vorläufigen Gläubigerausschussessind gewaltig und übersteigen die des Gerichtes und auch die des (vorläufigen) Sachwalters.Bei einstimmigen Beschlüssen des vorläufigen Gläubigerausschussesist nunmehr vom Gericht die (vorläufige) Eigenverwaltunganzuordnen und auch der von diesem Gremiumvorgeschlagene (vorläufige) Sachwalter zu bestellen. DieBank hat in diesem Gremium, das sich in der Regel aus fünfrepräsentativen Gläubigern (siehe dazu §§ 21 Abs. 2 Satz 1Nr. 1a, 67 Abs. 2 InsO) zusammensetzt, meist nur einen Sitz.Ihre Stimme hat nicht mehr Gewicht wie die des Kleingläubigersoder des Arbeitnehmers. Gleichwohl kann eine Bank,wenn sie ihre Kompetenz richtig einsetzt, den Verfahrensgangin der Insolvenz im Wesentlichen bestimmen, vor allemaber ihre Risikoposition deutlich reduzieren. Die Insolvenzwird zur Chance, nicht nur für den Schuldner, sondern auchfür die Bank.Die Sanierung über einen Insolvenzplan in Eigenverwaltunghat für einen Investor deutliche Vorteile gegenüber einerübertragenden Sanierung:– Der Liquiditätsbedarf ist wesentlich geringer, weil dieAktiva nicht erworben werden müssen,– Forderungen und Vorräte sind nicht vorzufinanzieren und– bestehende Vertragsverhältnisse sind nicht neu einzugehen,was insbesondere bei aus Unternehmenssichtattraktiven Dauerschuldverhältnissen eine bedeutendeRolle spielt.Eine übertragende Sanierung ist häufig mit einem Haircut fürdie Banken verbunden, selbst wenn diese vermeintlich gutbesichert sind. Der Investor, der die notwendigen Mittel zurÜbernahme der Aktiva mitbringt und damit das Unternehmengleichzeitig entschulden soll, wird nur dann einsteigen, wenner eine maximale Entschuldung erreicht. Die Mittel hierfürsind meist begrenzt, denn der Investor muss sie – soweit sienicht aus dem Eigenkapital entspringen – finanzieren.Auch der Unternehmer, der seine Gesellschaft plansaniert,hätte ein Finanzierungsproblem, wenn er insbesondere dieBanken ablösen müsste. In der Praxis bieten sich anderemachbare und mit wesentlich geringerem finanziellem Aufwandverbundene Lösungen an.Zunächst führt eine Insolvenzplanlösung meist zu einer deutlichenVerbesserung der Bilanzrelationen. Die Aktivseitebleibt regelmäßig vollständig erhalten, es sei denn, man musssich ausnahmsweise unter Buchwerten von Anlagevermögentrennen. Die Passivseite wird dagegen wesentlich gekürzt.Auf die ausgewiesenen Rückstellungen entfällt nur die Insolvenzquote.Gründe für Rückstellungen können vielfältig seinund somit die Passivseite der Bilanz maßgeblich belasten,z. B. Steuer- und Pensionsrückstellungen oder drohende Prozessrisiken.Nachranggläubiger, die im Insolvenzplan nichtausdrücklich erwähnt werden, fallen vollständig aus underhalten nicht einmal eine Quote.Die Bundesagentur für Arbeit tritt regelmäßig als neuer, ungesicherterGläubiger aus der Insolvenzgeldfinanzierung aufund erhält auf ihre erst im Insolvenzverfahren begründeteForderung lediglich eine Quote. Alle Entschuldungsmaßnahmenzusammen führen oft zu einer Verbesserung der Eigenkapitalquotevon bis zu 70 Prozent. Das funktioniert aber nur,wenn die Quoten auch bedient werden können und die besichertenGläubiger nicht abgelöst werden müssen.BeispielsfallWenn ein Unternehmen mit 20 Mio. Euro Umsatz/Jahr sichauf diese Weise um 10. Mio. Euro entschuldet und für 300Mitarbeiter ca. 2 Mio. Euro Insolvenzgeld generiert, so kannes eine Planquote von 15 Prozent wahrscheinlich problemlos– auch unter Berücksichtigung des Restrukturierungsaufwandesund der bei der Eigenverwaltung deutlich geringerenVerfahrenskosten – bedienen. Allein die Liquiditätszuflüsseaus dem Insolvenzgeld, die Nichtzahlung von30


www.buchalik-broemmekamp.deUmsatzsteuer im Eröffnungsverfahren und natürlich dieNichtzahlung von Altverbindlichkeiten ermöglichen das.Problematisch wird es, wenn die gesicherten Gläubiger,insbesondere die Banken, die am Anlage- und Umlaufvermögengesichert sind, zurückgeführt werden wollen unddas Unternehmen meistens nicht über die hierzu notwendigeLiquidität verfügt. Der Plan scheitert und es verbleibt– wenn überhaupt – eine übertragende Sanierung, vorausgesetzt,es findet sich ein Investor. Der Investor wird aber,selbst bei vermeintlich guter Besicherung der Bank, denerwähnten Haircut verlangen. Diesem wird die Bank, auchwenn sie besichert ist, meist zustimmen, weil sie Dauer undRisiken einer Liquidation und auch ein immer immanentesAnfechtungsrisiko scheut.Für die Bank bietet sich aber eine andere Lösung an: Siefinanziert das plansanierte Unternehmen weiter gegen diebisherigen Sicherheiten. Als Sanierungsbeitrag der Bankbietet sich u. a. der Verzicht auf Zinsen zwischen Antragstellungund Planbestätigung und eine Umwandlung derkurzfristigen Kredite in langfristige zu marktüblichen Konditionenan. Sie finanziert dann ein Unternehmen, dessenEigenkapitalquote durch die Bereinigung der Passivseitedeutlich positiv ist, und das wieder Geld verdient, weil dieSanierungsmaßnahmen (z. B. ein erforderlicher Personalabbauoder die Trennung von Alt lasten wie unprofitableMiet- oder Leasingverträge) in der Insolvenz zu Kosten umgesetztwurden, die weit unter denen einer Going-Concern-Lösung liegen.Die Finanzierung eines solchen Unternehmens ist für dieBank wieder attraktiv. Auch ein Investoreneinstieg imWege einer Kapitalerhöhung ist unter diesen Bedingungenwesentlich interessanter. Denn die Mittel fließen in dasUnternehmen und können teilweise auch in die Entschuldungder Kreditgeber eingesetzt werden, aber finanzierennicht ein teures Verfahren. Auch die Eigenkapitalunterlegungbei der Finanzierung eines solchen Unternehmensreduziert sich für die Bank deutlich, weil die Eigenkapitalquotehoch, die Gewinnaussichten gut und damit dasKreditrisiko gering ist.Die Bank sollte deshalb bei einer Insolvenzplanlösung dieseVariante anstreben. Ihre Rückführung erfolgt aus einemTilgungsplan, der nach Bedienung der Plangläubiger inGang gesetzt werden sollte. Die Lösung kann mit Einschränkungenauch funktionieren, wenn die Bank nichtoder nur unzureichend besichert ist. Sollten sehr vielefreie Aktiva bestehen, weil es wenige Sicherungsverträgegibt, muss im Insolvenzplan eine entsprechend hohe Quotean die ungesicherten Gläubiger bezahlt werden, denndiese dürfen mit dem Plan nicht schlechter gestellt werdenals ohne den Plan. Diese Quote entfällt auch teilweise aufdie ungesicherten Banken, die diese und den Rest durcheine entsprechende Umwandlung in Kredite finanzierenkönnten. Dem werden sie jedoch nicht zustimmen, wennsie gleichzeitig einen Ausfall erleiden.In einem Insolvenzplan sind der Kreativität keine Grenzengesetzt, so denn der Plan mit den notwendigen Mehrheitender Gläubiger angenommen wird. Die Bank kann deshalbden Plan unter Beibehaltung ihrer kompletten Altforderungenzuzüglich der neuen Forderungen finanzieren. Sie erhältdafür alle freien Aktiva anfechtungsfrei als Sicherheitund könnte somit sogar für den Fall einer späteren Folgeinsolvenzihre wirtschaftliche Position deutlich verbessern.Die ungesicherten Gläubiger werden mit der im Endeffektvollständigen Befriedigung der nur teilweise gesichertenBank kein Problem haben, denn nur auf diesem Wege istdie Erfüllung ihrer Forderungen sichergestellt (eine übertragendeSanierung bietet sich nicht immer an und eineLiquidation führt oft zu noch höheren Ausfällen und dauerthäufig mehrere Jahre). Die Planquoten werden zudemmeist zügig gezahlt und sind außerdem für die Gläubigerwesentlich attraktiver. Aber auch die Lieferanten, die vornehmlichan der Aufrechterhaltung der Kundenverbindunginteressiert sind, und die Agentur für Arbeit, der es um dieErhaltung der Arbeitsplätze geht, werden bei derartigenLösungen immer mitwirken.FazitEine Sanierung in der Insolvenz funktioniert mit der Bank fastimmer, ohne sie beinahe nie.Der Weg der Sanierung durch Insolvenz bietet der Bank dieChance, ihre Risikoposition zu verbessern.31


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Steuern in der vorläufigen EigenverwaltungRA Phillip-Boie Harder, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, DüsseldorfSowohl das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren (§ 270a InsO) als auch das Schutzschirmverfahren (§ 270bInsO) haben viele Vorteile für das Unternehmen zu bieten, u. a. eine finanzielle Entlastung durch das soge nannteInsolvenzgeld (vgl. hierzu den Beitrag auf S. 40). Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus steuerlichen Aspekten.Durch eine Regelungslücke des Gesetzgebers in der Insolvenzordnung sind Steuerverbindlichkeiten in den Verfahrennach §§ 270a, 270b InsO weiterhin einfache Insolvenzforderungen. Dennoch erfolgte Steuerzahlungenmussten in vielen Verfahren vom Finanzamt im Wege der Insolvenzanfechtung wieder an das Unternehmenzurückgezahlt werden.Steuerverbindlichkeiten sind grundsätzlich wie jede andereVerbindlichkeit des Unternehmens in Insolvenzforderungenund Masseverbindlichkeiten zu unterteilen. Entscheidendfür die Abgrenzung ist die (endgültige) Eröffnung des Insolvenzverfahrens.Steuerzahlungspflicht im Eröffnungsverfahren nach§§ 270a, 270b InsOOb im regulären Insolvenzeröffnungsverfahren entstandeneSteuerverbindlichkeiten Masseverbindlichkeitendarstellen, richtete sich nach der bis zum 31.12.2010geltenden Rechtslage allein danach, ob die Steuerverbindlichkeitenvon einem vorläufigen Insolvenzverwalterbegründet worden waren, auf den die Verfügungsbefugnisüber das Vermögen des Schuldners übergegangenwar (starker vorläufiger Insolvenzverwalter). Für diesenFall enthielt § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO eine Sonderregelung.Danach gelten derart begründete Verbindlichkeiten nachder (endgültigen) Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten.In der Praxis wurden jedoch regelmäßig vorläufige Insolvenzverwalterbestellt, ohne dass ihnen die Verfügungsbefugnisüber das Vermögen des Schuldners übertragenwurde (sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter).Hier findet § 55 Abs. 2 InsO keine Anwendung.Dementsprechend stellten Steuerverbindlichkeiten keineMasseverbindlichkeiten dar, sondern blieben, da vor endgültigerEröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, Insolvenzforderungund wurden nur mit der im Rahmen desInsolvenzverfahrens ermittelten Quote befriedigt. Der Fiskushatte also aufgrund der gerichtlichen Praxis, schwacheInsolvenzverwalter zu bestellen, hohe Ausfälle im Rahmenvon Insolvenzverfahren zu verzeichnen.Gesetzgeberische ReaktionAuf Druck der Finanzverwaltung hat der Gesetzgeber dieseRegelungslücke erkannt und durch Art. 3 des Haushaltsbegleitgesetzes2011 vom 09.12.2010 die Regelung des § 55Abs. 4 InsO eingefügt. Dieser gilt für alle nach dem31.12.2010 beantragten Unternehmensinsolvenzverfahren.Gemäß § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldnersaus dem Steuerschuldverhältnis, die voneinem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldnermit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwaltersbegründet worden sind, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrensals Masseverbindlichkeit.Mit dieser neuen Regelung hat der Gesetzgeber auf dieRechtspraxis, konkret auf die Bestellung eines sogenanntenschwachen vorläufigen Insolvenzverwalters, reagiertund eine Art Fiskusprivileg geschaffen, da der Fiskus – andersals andere Gläubigergruppen – sich seine Schuldnernicht aus suchen könne und damit als „Zwangsgläubiger“regelmäßig auch nicht in der Lage sei, seine Ansprüche imInsolvenzvorfeld ausreichend zu sichern. Im Ergebnis sindnach § 55 Abs. 4 InsO nun sämtliche Steuerverbindlichkeiten,die während einer vorläufigen Insolvenzverwaltungbegründet werden, im eröffneten Verfahren als Masse verbindlichkeiten anzusehen.In den Eröffnungsverfahren nach §§ 270a, 270b InsObleiben Steuerfragen offenWährend der Gesetzgeber in der vorläufigen Regelinsolvenzbei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters diefrühere Regelungslücke geschlossen hat, bleiben bei dermit dem <strong>ESUG</strong> eingeführten Verfahren nach §§ 270a, 270bInsO, die mit der Bestellung eines vorläufigen Sachwaltersverbunden sind, viele Fragen offen.32


www.buchalik-broemmekamp.deEine Änderung bzw. Ergänzung des § 55 Abs. 4 InsO erfolgteim Rahmen des <strong>ESUG</strong> – trotz entsprechender Vorlage desBundesrates – nicht. Nach dem (unveränderten) Wortlautdes § 55 Abs. 4 InsO ist ein vorläufiger Sachwalter nicht vonder Vorschrift erfasst, sodass die Steuerverbindlichkeitennicht zu Masseverbindlichkeiten werden. Die Vorschriftender §§ 270a, 270b InsO enthalten keinen Verweis auf § 55Abs. 4 InsO. Lediglich in § 270b Abs. 3 InsO wird auf dieSonderregelung des § 55 Abs. 2 InsO verwiesen. Aufgrundder unterschiedlichen rechtlichen Befugnisse und Rechtsstellungvon vorläufigem Sach- und Insolvenzverwalter lässtsich die Regelung des § 55 Abs. 4 InsO auch nicht ohneausdrücklichen Verweis entsprechend anwenden, auch imHinblick auf das steuerrechtliche Analogieverbot. Insofernist festzustellen, dass aufgrund einer gesetzgeberischenRegelungslücke Steuerverbindlichkeiten, die im Rahmen derVerfahren nach §§ 270a, 270b InsO begründet werden, nureinfache Insolvenzforderungen darstellen.Sofern das Finanzamt von der Antragstellung in Kenntnisgesetzt wird und die insolvenzrechtliche Anfechtung(§§ 129 ff. InsO) anwendbar ist, müssen im Eröffnungsverfahrennach §§ 270a, 270b InsO geleistete Steuerzahlungenim Wege der Insolvenzanfechtung an das Unternehmen zurückgezahltwerden.Steuerzahlungspflicht im Eröffnungsverfahren nach§§ 270a, 270b InsOIm Eröffnungsverfahren nach §§ 270a, 270b InsO stellensich zwei Fragen: zum einen, wen die Steuerzahlungspflichttrifft, zum anderen, ob Steuerzahlungen geleistet werdendürfen.Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögenverbleibt dabei vielmehr beim schuldnerischen Unternehmenbzw. dessen Geschäftsleitung. Der vorläufigeSachwalter hingegen hat nach den gesetzlichen Regelungenkeine ausreichenden Befugnisse, die einen Übergang derSteuerzahlungspflichten auf ihn begründen könnten. DieSteuerzahlungspflicht verbleibt somit beim Unternehmen.von Vermögen aus der zu sichernden Masse. Hier ergibtsich für die handelnden Organe ein Spannungsfeld zwischeninsolvenzrechtlichen, steuerrechtlichen und letztlichauch strafrechtlichen Pflichten bzw. Haftungsfragen derGeschäftsführung des Unternehmens. Einerseits dürfenZahlungen auf Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) nicht geleistetwerden, da eine strafbare Gläubigerbegünstigung(§ 283c StGB) vorliegen könnte, andererseits sind jedochgrundsätzlich Steuern zu zahlen, sodass u. a. eine Haftungnach §§ 69, 34 AO droht. Eine Auflösung des Konfliktesdieser gegenläufigen Pflichten könnte sich ergeben, wennSteuerverbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten anzusehensind. Eine entsprechende eindeutige Regelung hatder Gesetzgeber jedoch in § 55 Abs. 4 InsO (oder den§§ 270 ff. InsO) nicht aufgenommen.Derzeit kann aufgrund der ungeklärten Rechtslage nur empfohlenwerden, Steuern unter ausdrücklichem Hinweis aufdie erfolgte Antragstellung bzw. den Beschluss über die vorläufigeEröffnung des Insolvenzverfahrens (in Eigenverwaltung)zu zahlen und die Zahlungen nachträglich im Wege derAnfechtung „zurückzuholen“.FazitZusammenfassend kann man für die Steuerverbindlichkeitensowohl in der vorläufigen Eigenverwaltung (§ 270a InsO) alsauch im Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) von einerRegelungslücke des Gesetzgebers sprechen. Derzeit sindin diesem Zeitraum erfolgte Steuerzahlungen ab Eröffnungdes Verfahrens an die Insolvenzmasse zurückzugewähren.Dies wurde in der Praxis bereits in mehreren von <strong>Buchalik</strong>Brömmekamp begleiteten Verfahren erfolgreich gegenüberdem Fiskus geltend gemacht.Fraglich ist nun noch, ob Steuerzahlungen geleistet werdenmüssen bzw. dürfen. Während der vorläufigen Eigenverwaltungoder im Schutzschirmverfahren hat das Unternehmenbzw. dessen Geschäftsleitung die Aufgabe derordnungsgemäßen Unternehmensführung, aber auch besondereinsolvenzrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen.Dazu gehört insbesondere die Massesicherung und Masseerhaltung.Jede Steuerzahlung führt zu einem Abfluss33


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Optimale Vorbereitung für einen erfolgreichenInsolvenzplan in EigenverwaltungOliver Maaß, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Unternehmensberatung, DüsseldorfHartmut Ibershoff, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Unternehmensberatung, DüsseldorfIn einem Insolvenzplan ist neben den rechtlichen Spezifikationen aufzuzeigen, wie das Unternehmen wiedernachhaltig überlebensfähig aufgestellt werden kann und die Planverbindlichkeiten befriedigt werden können.Neben der bilanziellen Sanierung (Bereinigung der Passivseite der Bilanz) durch die Insolvenz ist im Regelfall eineumfangreiche operative Sanierung des Unternehmens durchzuführen.Neuausrichtung des Unternehmens inklusiveMaßnahmenmanagementUm ein Verständnis für die Entwicklung und Situation desUnternehmens zu gewinnen und für Dritte aufzuzeigen, isteine Analyse der Unternehmensstruktur und der wirtschaftlichenEntwicklung des Unternehmens vorzunehmen. Zudemsind Markt und Wettbewerb, in dem das Unternehmenagiert, zu untersuchen und die Ursachen zu identifizieren,die das Unternehmen in die Krise geführt haben. Danachsollte in Anlehnung an IDW S 6 ein Leitbild des „sanierten“Unternehmens entwickelt werden, das die Konturen eineswettbewerbs- und renditefähigen Unternehmens mit Darstellungder operativen Geschäftsfelder, der angestrebtenWettbewerbsposition bzw. -vorteile, der erforderlichen Ressourcen/Fähigkeiten,der langfristigen Zielvorstellungenund Grundstrategien des Unternehmens sowie der Unternehmenskulturenthält. Das Leitbild dient als verlässlicheOrientierung für das Handeln der Sanierungsbeteiligten.Um das Unternehmen entsprechend dem definierten Leitbilderfolgreich neu auszurichten, müssen Sanierungsansätzeund Maßnahmen zur Beseitigung der Krisenursachenidentifiziert werden und es muss aufgezeigt werden, wiedie Umsetzung dieser Maßnahmen erfolgen soll. Hierzusollte ein professionelles Maßnahmenmanagement aufgesetztwerden, in dem die Umsetzung der operativenRestrukturierung und der insolvenzspezifischen Maßnahmenenthalten ist.Integrierte GuV-, Bilanz- und FinanzplanungSowohl für ein Verfahren nach § 270a InsO (vorläufige Eigenverwaltung)oder § 270b InsO (Schutzschirmver fahren) mitanschließender Eigenverwaltung als auch für eine Fortführungslösungin einer Regelinsolvenz dient die integrierte Planrechnungals Basis für die Herleitung der benötigten Vergleichsrechnungen(Liquidation, Asset Deal und Insolvenzplan).Um die beteiligten Gläubiger für den Insolvenzplan zu gewinnen(Zustimmung der Gläubiger zum Insolvenzplan im Erörterungs-und Abstimmungstermin), müssen die Auswirkungenvon Liquidation, Asset Deal und Insolvenzplan unter Berücksichtigungvon (Aus-/Absonderungs-)Rechten der Gläubigeranalysiert und aufgezeigt werden. Sollte trotz Vorteilhaftigkeitund einer angemessenen Beteiligung am wirtschaftlichen Wertdie erforderliche Mehrheit zur Zustimmung (u. a. aus strategischenÜberlegungen von Gläubigern) bei einer Gruppe nichtzustande kommen, gilt nach § 245 InsO (Obstruktionsverbot)die Zustimmung für den Insolvenzplan trotz dessen als erteilt,wenn die Angehörigen dieser Gruppe durch den Insolvenzplanvoraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohnePlan stünden und die Mehrheit der abstimmenden Gruppendem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat.Für alle Szenarien müssen im Vorfeld zeitliche Planprämissenfestgelegt werden. Eine frühzeitige Szenarienrechnungbietet die Möglichkeit für eine strategisch sinnvolle Bestimmungder zeitlichen Prämissen. Daraus ergibt sich u. a. einePlanbilanz zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens,welche die Grundlage für die weiteren Szenarien(Liquidations-, Insolvenzplanrechnung und übertragendeSanierung) bildet.Im Insolvenzplanverfahren wird mit der integrierten, monatsbasiertenGuV-, Bilanz- und Finanzplanung für das laufendeund mindestens zwei Folgejahre die Umsetzbarkeit und Tragfähigkeitdes Insolvenzplanes geprüft und nachgewiesen(„Planverprobungsrechnung“). Die Effekte aus der Umsetzungder Maßnahmen sind entsprechend ihrer Wirkungensukzessive zu berücksichtigen. Für den Insolvenzplan enthältdie integrierte GuV-, Bilanz- und Finanzplanung auch insolvenzspezifischeBesonderheiten (Insolvenzgeld und dessenVorfinanzierung, Effekte aus Anfechtungstatbeständen, Verfahrenskostenund Planverbindlichkeiten). Es wird aufgezeigt,wie das plansanierte Unternehmen nach Aufhebungdes Insolvenzverfahrens neu aufgestellt sein wird.34


www.buchalik-broemmekamp.deBei Anwendung einer Monte-Carlo-Simulation können zudemdie Erfolgswahrscheinlichkeit und kritische Punkte des Insolvenzplanesermittelt und den Entscheidungsträgern aufgezeigtwerden. So wurde z. B. in einem Fall aufgezeigt, dassaus saisonalen Gründen und der zunächst vorgesehenenRückführung der Planverbindlichkeiten das Risiko nach13–15 Monaten am höchsten war und dann deutlich gesunkenist. Durch Anpassung der Zahlungsstruktur bei den Planverbindlichkeitenkonnte das Ausfallrisiko deutlich reduziertund so die Zustimmung der Beteiligten gewonnen werden.Bedeutung des Prepackaged-Planes für den Erfolg desInsolvenzplanesEs ist für den Erfolg eines Insolvenzplanes entscheidend,dass möglichst zeitnah ein Sanierungskonzept vorliegt, welchesdie betriebswirtschaftlichen Potenziale und Maßnahmendes betroffenen Unternehmens aufzeigt. Hieraus lassensich mithilfe eines integrierten Planungstools die notwendigenSzenarien im Rahmen einer Insolvenz ableiten. ImIdealfall wird – auch wenn mit dem <strong>ESUG</strong> dem UnternehmenZeit für die operative und strategische Neuausrichtunggegeben werden soll – bereits mit Antragstellung ein vorläufigerInsolvenzplan (Prepackaged-Plan) mit dem Sanierungskonzepteingereicht. Diese Unterlagen werden u. a. verwendet,um den Verfahrensbeteiligten eine erste Vor stellungvom Sanierungsverlauf zu geben und diese von der Fortführungdes Unternehmens zu überzeugen. Es gibt eineVielzahl von Beteiligten:(und Vertrieb und Einkauf), die mit Antragstellung not wendige Überzeugungsarbeit bei den zuvor genannten Stakeholdernzu leisten, deren weitere Geschäftsbeziehung zumUnternehmen überlebenswichtig ist.Voraussetzung für die Einleitung eines Schutzschirmverfahrens(§ 270b InsO) ist die Vorlage einer Bescheinigung, dieaufzeigen muss, dass keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt undeine Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist (siehedazu den Beitrag auf S. 27). Mit der Vorlage eines der o. g.Struktur entsprechenden, qualifiziert erstellten Sanierungsgutachtens(in Anlehnung an IDW S 6) kann dieser Nachweiserfolgen. Es sollte deutlich über die in IDW ES 9 aufgestelltenAnforderungen eines lediglich plausibilisierten Grobkonzepteshinausgehen.Erfolgsfaktor VorbereitungNur mit einer optimalen Vorbereitung können frühzeitig dierichtigen Maßnahmen identifiziert und teilweise bereits vorAntragstellung eingeleitet werden. Mit einer integrierten,monatsbasierten GuV-, Bilanz- und Finanzplanung wird dieUmsetzbarkeit und Tragfähigkeit des Insolvenzplanes geprüftund nachgewiesen. Die am Verfahren Beteiligten sind frühzeitig(mit Antragstellung) über den vorgesehenen Verlaufder Sanierung zu informieren und mit einem Sanierungskonzept,das die Besonderheiten der Insolvenz berücksichtigt,zu überzeugen.– Gesellschafter, Geschäftsführung– Gericht, (vorläufiger) Sachwalter– Gläubiger, (vorläufiger) Gläubigerausschuss– Finanzierer, Factoringgesellschaft, Kreditinstitute– Kunden, Lieferanten– Arbeitnehmer– Agentur für Arbeit, Pensions-Sicherungs-Verein, Finanzamt,Kommune und ÖffentlichkeitEinerseits hängt der Erfolg der Sanierung von deren Mitwirkung(zumindest aber positiver Begleitung) ab, andererseitsverfolgen sie teilweise unterschiedliche oder konträre Interessen.Mit dieser Vorgehensweise wird verdeutlicht, dass sich die– idealerweise um einen insolvenzerfahrenen CRO (ChiefRestructuring Officer) ergänzte – Geschäftsführung frühzeitigund ernsthaft mit der Plansanierung des Unter nehmensbeschäftigt hat. Veränderungsbereitschaft und -wille werdendokumentiert. Es erleichtert zudem der Geschäftsleitung35


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Endlich Klarheit – nur der Schuldner darf Masseverbindlichkeitenbegründen!RA Alfred Kraus, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, DüsseldorfDie Frage, ob der eigenverwaltende Schuldner im Verfahren nach § 270a InsO vom Gericht ermächtigt werden kann,einzelne im Voraus festgelegte Masseverbindlichkeiten zulasten der späteren Insolvenzmasse zu begründen, warbislang umstritten. Für Klarheit sorgt nun der Beschluss des Landgerichtes Duisburg vom 29.11.2012 (Az.7 T 185/12).1. Bisherige Standpunkte der RechtsprechungDas Amtsgericht Fulda (Beschl. v. 28.03.2012 – 91 IN 9/12)hat schon sehr frühzeitig nach Inkrafttreten des <strong>ESUG</strong> entschieden,dass es im Verfahren nach § 270a InsO keineRechtsgrundlage gebe, den Schuldner mit der Rechtsmachtauszustatten, Masseverbindlichkeiten zu begründen. DieseEntscheidung verkennt, dass ohne die Kompetenz der Begründungvon Masseverbindlichkeiten jede Betriebsfortführungim Insolvenzeröffnungsverfahren faktisch unmöglich ist.Schwieriger dagegen ist die Frage zu beantworten, wer alsAdressat einer entsprechenden erforderlichen Einzelermächtigungim Verfahren nach § 270a InsO anzusehen ist. Währenddie überwiegende Zahl der bislang ergangenen erstinstanzlichenEntscheidungen eine solche Ermächtigung des Schuldnersbejaht (AG Köln, Beschl. v. 26.03.2012 – 73 IN 125/12;AG München, Beschl. v. 27.06.2012 – 1506 IN 1851/12), versagtdas Amtsgericht Hamburg (Beschl. v. 04.04.2012 – 67gIN 74/12) diese. In der Praxis ist festzustellen, dass dieseEntscheidung des Amtsgerichtes Hamburg, wonach im Verfahrennach § 270a InsO nur eine Ermächtigung des vorläufigenSachwalters zur Begründung von Masseverbindlichenzulässig sei, bis vor Kurzem nicht nur bei den beteiligten(vermeint lichen) Massegläubigern zu erheblicher Rechtsunsicherheitbeigetragen hat. Auch Insolvenzrichter taten sichregelmäßig schwer, wie sie die Entscheidung des AmtsgerichtesHamburg einordnen sollten. Da es sich bei den aufgeführtenEntscheidungen allesamt nur um erstinstanzliche Entscheidungenhandelt, konnte bislang nicht ausgeschlossenwerden, dass sich ein Insolvenzrichter der Rechtsmeinung desAmtsgerichtes Hamburg anschloss. So geschah es in einemFall im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichtes Duisburg.2. Zugrunde liegender Sachverhalt und Positiondes Amtsgerichtes DuisburgDie Schuldnerin, ein Unternehmen aus dem Baugewerbe mitderzeit 90 Mitarbeitern, beantragte am 31.10.2012 vor demAmtsgericht Duisburg u. a. die Eröffnung des Insolvenzverfahrensüber ihr Vermögen wegen drohender Zahlungsunfähigkeitund gleichzeitig die Anordnung der Eigenverwaltung.Weiterhin stellte die Schuldnerin den Antrag, dass dieSchuldnerin bis zur Eröffnungsentscheidung vom Gerichtermächtigt wird, Masseverbindlichkeiten aus im Antragbeschriebenen Bereichen zulasten der späteren Insolvenzmassezu begründen. Hierzu hatte die Schuldnerin demInsolvenzantrag eine konkrete Auflistung der einzugehendenMasseverbindlichkeiten (aufgeschlüsselt nach Lieferanten,Vertragsgegenstand und monatlicher Ausgabenhöhe) beigefügt.Außerdem wurde von der Schuldnerin dargelegt,weshalb die Eingehung dieser Verbindlichkeiten zur Sicherungder Betriebsfortführung erforderlich sei.Das Amtsgericht Duisburg bestimmte mit Beschluss vom06.11.2012 (Az. 62 IN 178/12), dass nicht – wie beantragt– der Schuldnerin, sondern dem vorläufigen Sachwalterfür die Eingehung der beantragten Verbindlichkeiten dieentsprechende Massebegründungskompetenz eingeräumtwerde.Gegen diese Entscheidung legte die Schuldnerin form- undfristgerecht die sofortige Beschwerde gemäß §§ 6 Abs. 1S. 1, 21 Abs. 1 S. 2 InsO ein. Nachdem der sofortigen Beschwerdenicht abgeholfen wurde, wurde die Akte dem LandgerichtDuisburg zur Entscheidung vorgelegt.3. Die neue Entscheidung des Landgerichtes Duisburgvom 29.11.2012 (Az. 7 T 185/12)Erfreulicherweise fällte das Landgericht Duisburg als Beschwerdegerichtsehr schnell am 29.11.2012 eine Entscheidungin dieser Angelegenheit, und der sofortigen Beschwerdeder Schuldnerin wurde kurzerhand vollumfänglich stattgegeben,indem es den ergangenen Beschluss des AmtsgerichtesDuisburg dahingehend abänderte, dass die eigenverwaltendeSchuldnerin ab sofort ermächtigt wird, nun in persona diebeantragten Einzelermächtigungen zu begründen. Als maß-36


www.buchalik-broemmekamp.degeblichen Grund hierfür führt das Landgericht Duisburg an,dass diese Lösung sowohl der gesetzlichen Systematik alsauch dem Sinn und Zweck der durch das <strong>ESUG</strong> reformiertenVorschriften über die Eigenverwaltung entspreche.Zugleich stellte das Landgericht Duisburg in dieser für diePraxis sehr bedeutsamen Entscheidung klar, dass ein Erforderniszur Begründung einzelner, im Voraus festgelegter Verbindlichkeitenzulasten der späteren Insolvenzmasse – entgegendem Amtsgericht Fulda – auch dann anzuerkennensei, wenn in einem Eröffnungsverfahren gemäß § 270a Abs. 1InsO anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters ein vorläufigerSachwalter bestellt wird. Denn das Erfordernis zurBegründung von Masseverbindlichkeiten in einem Eröffnungsverfahrennach § 270a InsO sei zur Fortführung einesGeschäftsbetriebes unabweisbar. Ansonsten bestünde dieGefahr, dass das Vertrauen der Geschäftspartner in die Geschäftsleitungdes Schuldners und deren Sanierungskonzeptbeeinträchtigt und damit faktisch eine Vorentscheidunggegen die Anordnung der Eigenverwaltung im eröffnetenVerfahren getroffen wird.4. Bewertung und praktische KonsequenzenDie Ausgangsentscheidung des Amtsgerichtes Duisburgführte dazu, dass die Schuldnerin nicht mehr als selbstständighandelndes Unternehmen am Markt auftreten konnte.Dadurch entstand bei den Kunden und Lieferanten derSchuldnerin außerdem der Eindruck, sie könne die momentaneKrise aus eigener Kraft nicht überwinden. Die Sanierungsaussichtenwurden dadurch erheblich beeinträchtigt.Mit der nun vorliegenden obergerichtlichen Entscheidungdes Landgerichtes Duisburg gehören solche Fälle hoffentlichder Vergangenheit an. Nur aufgrund der schnellen, innerhalbvon wenigen Tagen erfolgten Entscheidung des Beschwerdegerichteswar es der Schuldnerin in dem geschilderten Fallnoch mehrere Wochen bis zur Verfahrenseröffnung möglich,die ihr vom Gesetzgeber im Verfahren nach § 270a InsOzugewiesene alleinige rechtliche Verfügungsbefugnis überihr Vermögen wieder alleine auszuüben.Der Entscheidung des Landgerichtes Duisburg ist vollumfänglichzuzustimmen:Denn ohne eine Möglichkeit, Verpflichtungen zulasten derspäteren Insolvenzmasse einzugehen, können Lieferbeziehungenund sonstige Vertragsverhältnisse, die für eine Sanierungdes Unternehmens zwingend notwendig sind, nichtbegründet oder aufrechterhalten werden. AusreichendeMittel, alle Lieferungen gegen Vorkasse zu zahlen, dürftenbei einem zahlungsunfähigen Unternehmen kaum vorhandensein. Damit einhergehende Lieferstopps seitens der Lieferantenund Produktionsverzögerungen aufseiten des Insolvenzschuldnerswären unvermeidbar. Demzufolge ist dieBegründung von Masseverbindlichkeiten im vorläufigenEigenverwaltungsverfahren gemäß § 270a InsO elementar.Diesen Punkt hat das Landgericht Duisburg ausdrücklichbestätigt.Wenn eine vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a InsObejaht wird, dann steht die gleichzeitige Verlagerung der Begründungvon Masseverbindlichkeiten auf einen Dritten dazuin einem unauflösbaren Widerspruch. Dies hat das LG Duisburgnun abschließend klargestellt.FazitDie Entscheidung des Landgerichtes Duisburg vom 29.11.2012bringt enorme Rechtssicherheit im Hinblick auf die Begründungvon Masseverbindlichkeiten durch den eigenverwaltendenSchuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrengemäß § 270a InsO.Sie gewährleistet, dass der eigenverwaltende Schuldnervom ersten Tag der Insolvenzantragstellung an die im Verfahrennach § 270a InsO notwendigen Masseverbindlichkeitenbegründen kann. Insoweit ist die Entscheidung desLand gerichtes Duisburg als Meilenstein hin zu einer neuenSa nierungskultur und zur Herstellung des Vertrauens imGeschäftsverkehr anzusehen.Strebt der Schuldner ein Insolvenzeröffnungsverfahren nach§ 270a InsO an, dann sollte er bereits im Rahmen der Insolvenzantragstellungeinen weiteren Antrag zur Begründungeinzelner, im Voraus festgelegter Verbindlichkeiten zulastender späteren Insolvenzmasse stellen, um eine nahtlose Betriebsfortführungim Insolvenzeröffnungsverfahren sicherzustellen.Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH giltes, dabei zwingend folgende Punkte zu beachten, die demGericht vorzutragen sind: Namen der benötigten Lieferantenund Dienstleister, Kurzbeschreibung des jeweiligen Vertragsgegenstandes(z. B. Lieferung von Gas), prognostiziertemonatliche Ausgabenhöhe sowie Darlegung zur Deckungder zu begründenden Verbindlichkeiten bei Fälligkeit (z. B.Bei fügung eines Liquiditätsplanes).37


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Der „unechte“ Massekredit nach <strong>ESUG</strong>RA Daniel Trowski, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, DüsseldorfRA Ralf Schreiber, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, DüsseldorfDas <strong>ESUG</strong> hat durch die mit seiner Einführung nunmehr vermehrt vorkommenden Fälle der (vorläufigen) Eigenverwaltungund des Schutzschirmverfahrens einen direkten Einfluss auf die Art und Häufigkeit der Vergabe vonMassekrediten. War in der Vergangenheit in den meisten Fällen der (vorläufige) Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnisüber das Vermögen des Insolvenzschuldners Partei der Massekreditvereinbarung, so ist es nach derEinführung des <strong>ESUG</strong> der Schuldner selbst, unter Umständen unter Mitwirkung des (vorläufigen) Sachwalters.Im Folgenden soll erörtert werden, was• einen „unechten“ Massekredit im Unterschied zu einem„echten“ Massekredit ausmacht,• wie sich der Umstand, dass nunmehr der Schuldner selbstund nicht mehr der (vorläufige) Insolvenzverwalter handelt,auf die Gestaltung von Massekreditvereinbarungenauswirkt und• welche Vorteile sich aus der Vergabe eines „unechten“Massekredites, insbesondere in Abgrenzung zum „echten“Massekredit, für die Banken ergeben.1. AusgangssituationDurch die Zielsetzung des <strong>ESUG</strong>, grundsätzlich eine Sanierungdes in der Krise befindlichen Unternehmens herbeizuführen,benötigt dieses Unternehmen im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrensfür den schwierigen Weg derwirtschaftlichen Gesundung und zur Aufrechterhaltung desGeschäftsbetriebes Liquidität. Da aber spätestens bei Eröffnungdes Insolvenzverfahrens die (absonderungsberechtigten)Gläubiger – sei es durch Kündigung offener Betriebsmittellinienund/oder durch Widerruf der im Sicherheitenvertraggeregelten Einziehungsbefugnis der als Sicherheit dienendenForderungsabtretungen gegenüber Dritten (Globalzessionsverträge)– das Unternehmen von der Liquiditätszufuhrabschneiden, muss zusammen mit den Banken ein Weggefunden werden, frische Liquidität für die Fortführung desBetriebes zu generieren.In Abgrenzung zum Massekostenvorschuss der Gläubiger,welcher der Finanzierung des Insolvenzverfahrens dient, istder Massekredit dazu bestimmt, den Insolvenzschuldner imInsolvenzeröffnungsverfahren zu finanzieren.2. Abgrenzung zwischen dem „echten“ und dem„unechten“ MassekreditMassekredite kommen in der Praxis als „echte“ und „unechte“Massekredite vor, die sich trotz der Namensähnlichkeitsowohl in ihrer rechtlichen Ausgestaltung als auch ihrer Risikoeinwertungaus Bankensicht wesentlich unterscheiden.2.1 „Echter“ MassekreditBei diesem handelt es sich letztlich um ein übliches Gelddarlehengemäß §§ 488 ff. BGB, welches in Form neuer Liquidität– bspw. in Form eines Kontokorrentkredites unter Einräumungeines befristeten Kreditlimits – von der Bank obligo- undrisikoerhöhend vergeben wird. Eine werthaltige Besicherungscheidet in den meisten Fällen deshalb aus, da im Vorfeld derKrise diese schon von den Banken zur Besicherung ausstehenderDarlehen belastet wurden. Mithin ist der „echte“ Massekreditin der Praxis selten und beschränkt auf die Fälle, indenen entweder die Sicherheiten unter den Banken gepooltwurden und der „echte“ Massekredit als Konsortialdarlehenunter Beteiligung aller Banken gewährt wird oder eine Bankder wesentliche Finanzier des Insolvenzschuldners ist und diewerthaltigen Sicherheiten im Wesentlichen bei ihr liegen.2.2 „Unechter“ MassekreditBei dem „unechten“ Massekredit wird es dem Insolvenzschuldnerunter zustimmender Kenntnisnahme des vorläufigenSachwalters gestattet, bereits im Insolvenzeröffnungsverfahrenfällige Erlöse aus Sicherheiten – z. B. aus einer Globalzessionzugunsten der Bank – vorläufig als Betriebsmittel für dieUnternehmens fortführung zu verwenden. Zur Einziehung derForderungen ist der Insolvenzschuldner meist durch die Ermächtigungdes Insolvenzgerichtes bei der Beschlussfassungüber die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gem. § 21Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO berechtigt, d. h., der Schuldner kann mitzustimmender Kenntnis des vorläufigen Sachwalters die denGlobalzessionsverträgen der Bank unterfallenden Forderungenzunächst selbst einziehen und zur Fortführung des Unternehmenseinsetzen. Jedoch haben bei einer Anordnung gemäß § 21Abs. 2, Satz 1, Nr. 5 InsO der Schuldner und der vorläufige Sachwalterweiterhin die Zession des jeweiligen Gläubigers zu respektierenund sie sollten wegen der eingezogenen Forderungen undderen Verwendung eine Vereinbarung mit dem Gläubiger treffen(Vereinbarung „unechter“ Massekredit oder Vereinbarung überdie Kreditierung der bereits eingezogenen Sicherheitenerlöse).Bei einem „unechten“ Massekredit wird also nicht „neues Geld“von der Bank zur Verfügung gestellt, sondern es wird – bspw.38


www.buchalik-broemmekamp.deaus der Global zession – eine neue Einziehungsberech tigung(die bestehende wurde meist durch die Banken widerrufen)begründet oder im eröffneten Verfahren die Auskehrung desSicherheitenerlöses kreditiert. Die Höhe des „unechten“ Massekreditesergibt sich aus der tatsächlichen Realisierungsquoteder als Sicherheiten dienenden Forderungen, kann abernach oben hin auf einen maximalen Betrag begrenzt werden.3. Begründung von MasseverbindlichkeitenBei der Vereinbarung eines „unechten“ Massekredites ist es für diekreditierende Bank wesentlich, dass Masseverbindlichkeiten gemäߧ 55 InsO begründet werden. Kann eine Masseverbindlichkeitnicht begründet werden, besteht die Möglichkeit, dass die beteiligtenParteien des „unechten“ Massekredites unter Zustimmungdes vorläufigen Sachwalters vereinbaren, dass durch die im Rahmender weiterhin bestehenden Globalzession abgetretenen „Neuforderungen“,die im Rahmen des fortgeführten Geschäftsbetriebesentstehen, auch weiterhin zur Absicherung der Kreditierungder Sicherheitenerlöse im Rahmen des „unechten“ Massekreditesdienen. Bei dieser Konstellation ist darauf zu achten, dass der(vorläufige) Sachwalter bereits im eröffneten Verfahren auf eineeventuelle Anfechtung der entstandenen Neuforderungen verzichtet.Ob überhaupt Masseverbindlichkeiten begründet werden können,ist maßgeblich davon abhängig, ob sich die Parteien im Verfahrenvor oder nach Insolvenzeröffnung befinden und mit welchenBefugnissen der Insolvenzschuldner als Kreditnehmer bzw. der(vorläufige) Sachwalter ausgestattet ist.3.1 InsolvenzeröffnungsverfahrenIm Insolvenzeröffnungsverfahren ergibt sich die Berechtigungzur Begründung von Masseverbindlichkeiten aus § 55 Abs. 2Satz 1 InsO. Berechtigt zur Begründung von Masseverbindlichkeitenist somit der vorläufige (starke) Insolvenzverwalter.Der (schwache) vorläufige Insolvenzverwalter kann nur dannMasseverbindlichkeiten begründen, soweit er durch einenentsprechenden Beschluss des Insolvenzgerichtes zum Abschlussvon Darlehensverträgen und der Bestellung von Sicherheitenkonkret ermächtigt wurde. Im Falle der Bestellungeines vorläufigen Sachwalters ergibt sich die Kompetenz zurBegründung von Masseverbindlichkeiten des Schuldnersbeim Schutzschirmverfahren direkt aus § 270b Abs. 3 InsO.Im Rahmen des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens gemäߧ 270a InsO sorgt zwischenzeitlich der Beschluss desLandgerichtes Duisburg vom 29.11.2012 (vgl. hierzu den Beitragauf S. 14) für Klarheit, wonach der eigenverwaltendeSchuldner einzelne im Voraus festgelegte Verbindlichkeitenzulasten der späteren Insolvenzmasse begründen darf.3.2 Nach Eröffnung des InsolvenzverfahrensIm eröffneten Insolvenzverfahren regelt § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsOdie Ermächtigung zur Eingehung von Masseverbindlichkeitenfür den Insolvenzverwalter. Für den Schuldner in der Eigenverwaltungkommt diese Norm über § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO entsprechendzur Anwendung. In diesem Zusammenhang ist imRahmen der Beschlüsse des Gerichtes zu überprüfen, ob dieNorm des § 277 InsO („Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit“)Anwendung findet, da diese anders als § 275 InsO direkteAuswirkung auf die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften hat,die ohne Zustimmung des Sachwalters abgeschlossen wurden.4. Vorteile des „unechten“ Massekredites aus Sicht derBankenFür die Banken hat der „unechte“ Massekredit, insbesonderein Abgrenzung zum „echten“ Massekredit, entscheidendeVorteile:• Es kommt aufseiten der Bank, anders als bei einer Neukreditgewährung,zu keiner Erhöhung des Obligos.• Da das bestehende Obligo nicht erhöht wird, vielmehr alleinüber Sicherheiten und deren Erlöse verfügt wird, istaus Risikosicht der Bank die Entscheidung für diese Maßnahmeeinfacher zu vertreten, als wenn neue Liquiditätzur Verfügung gestellt würde.• Bei dem Rückzahlungsanspruch handelt es sich um eineMasseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO.• Soweit keine Masseverbindlichkeit begründet wird, erfolgteine Absicherung des „unechten“ Massekredites durch dieEinbeziehung der entstehenden Neuforderungen unter denbereits abgeschlossenen Globalzessionsvertrag mit Zustimmungdes Sachwalters oder durch entsprechende Regelungenin einem zu erstellenden Insolvenzplan, in der der „unechte“Massekredit dann in der Gruppe der besicherten Gläubiger miteiner 100 %igen Befriedigungsregelung aufgenommen wird.• Geringe Veränderung der Risikoposition, die darin besteht,dass entweder die Masse nicht ausreicht, um dieMasseverbindlichkeit zu decken und neu abgetretene Forderungen,auf deren Anfechtung der Insolvenzverwalter/Sachwalter verzichtet hat, den offenen Restbetrag nichtabdecken.• Die Liquidität führt zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes.• Die zeitraubende Diskussion über Wirksamkeit, Umfangund Werthaltigkeit der Sicherheiten wird zu diesem Zeitpunktvermieden.Es lässt sich festhalten, dass der „unechte“ Massekredit in denFällen, in denen ein „echter“ Massekredit z. B. mangels werthaltigerSicherstellung nicht darstellbar ist, ein aus Risikosichtder Banken vertretbarer Beitrag für die Fortführung eines Unternehmensdarstellt, bei welchem im Rahmen seiner rechtlichenAusgestaltung die wesentlichen Belange der Banken berücksichtigtwerden können und der mithin einen wesentlichenBeitrag zur Sanierung des betroffenen Unternehmens bildet.39


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Insolvenzgeld und dessen VorfinanzierungRA Alfred Kraus, <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, DüsseldorfDas Insolvenzgeld (§§ 165 ff. SGB III) sichert den Arbeitsentgeltanspruch der Arbeitnehmer für die letzten demInsolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Die Bundesagentur für Arbeit hatzwischenzeitlich in ihren aktualisierten Durchführungsanweisungen klargestellt, dass auch im Schutzschirmverfahren(§ 270b InsO) die Gewährung von Insolvenzgeld bzw. dessen Vorfinanzierung möglich ist. Die in derInsolvenzpraxis aufgekommene Frage, ob § 55 Abs. 3 InsO im Schutzschirmverfahren anwendbar sei, hat sichvor Kurzem geklärt.InsolvenzereignisDas Vorliegen eines Insolvenzereignisses ist die Voraussetzungfür den Anspruch auf Insolvenzgeld. Als Insolvenzereignisgilt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 165 Abs. 1Satz 2 Nr. 1 SGB III) oder die Abweisung des Antrages aufEröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (§ 165Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III).InsolvenzgeldvorfinanzierungDa das Insolvenzgeld erst nach dem Insolvenzereignis fürden geschützten Zeitraum (vor Eröffnung) ausgezahlt wird,ist es erforderlich, diese Phase zu überbrücken. Hier setztdie Insolvenzgeldvorfinanzierung an. Sie schließt die Zeitspannezwischen tatsächlicher Arbeitsleistung im Eröffnungsverfahrenund der Auszahlung des Insolvenzgeldesdurch die Agentur für Arbeit. Die Insolvenzgeldvorfinanzierungist damit ein wichtiges Instrument für die Betriebsfortführung.Die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes kann in der Weiseerfolgen, dass eine Bank dem vorläufigen Insolvenzverwalterein Massedarlehen zur Bezahlung der Nettovergütungen allerArbeitnehmer gewährt (kollektive Vorfinanzierung) und dieArbeitnehmer im Gegenzug ihre Insolvenzgeldansprüche andie Bank zur Rückführung des Darlehens abtreten. Alternativund sicherer wird mit Forderungsverkäufen gearbeitet. DieArbeitnehmer verkaufen hierbei ihre Insolvenzgeldforderungenzum Preis ihrer Nettolöhne an eine Bank.Die kollektive Abtretung der Insolvenzgeldansprüche bedarfgemäß § 170 Abs. 4 SGB III der Zustimmung der Agentur fürArbeit. Die Agentur für Arbeit erteilt die Zustimmung, wennmit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein erheblicher Teilder Arbeitsplätze dauerhaft erhalten bleibt. Nach den Durchführungsanweisungenorientiert sich die Agentur für Arbeitbei ihrer Beurteilung einerseits an den Zahlen des § 112aBetrVG. Andererseits muss sich aus einer Prognose dieErhaltung der Arbeitsplätze ergeben.Insolvenzgeldvorfinanzierung im SchutzschirmverfahrenDie Vorteile des Schutzschirmverfahrens wären stark eingeschränkt,wenn in diesem Verfahren kein Insolvenzgeldzur Verfügung stünde. Diesbezüglich hat die Bundesagenturfür Arbeit sehr frühzeitig für Klarheit gesorgt und zum April2012 ihre Durchführungsanweisungen zum Insolvenzgeld zuZiff. 3.2 Abs. 2 zu § 170 SGB III wie folgt ergänzt:„Die Vorfinanzierung von Arbeitsentgeltansprüchen nach§ 170 Abs. 4 SGB III ist grundsätzlich auch während einesSchutzschirmverfahrens (§ 270b InsO) möglich, sobald dasGericht eine entsprechende Anordnung nach § 270b Abs. 1InsO getroffen hat. Die Gewährung von Insolvenzgeld hängtauch in diesem Fall vom Eintritt eines Insolvenzereignissesab (vgl. § 270b Abs. 4 InsO). Kommt es daher zu einerSanierung des Unternehmens, ohne dass das Gericht dieEröffnung des Insolvenzverfahrens anordnet oder den Antragauf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masseablehnt, scheidet die Gewährung von Insolvenzgeld aus.“Anwendbarkeit des § 55 Abs. 3 InsO imSchutzschirmverfahren?Da § 270b Abs. 3 Satz 2 InsO explizit nur auf die entsprechendeGeltung des § 55 Abs. 2 InsO verweist, ist in derInsolvenzpraxis – insbesondere bei den das Insolvenzgeldvorfinanzierenden Banken – die Frage aufgekommen, obdie Norm des § 55 Abs. 3 InsO im Schutzschirmverfahrenanwendbar sei.Aus § 55 Abs. 3 InsO geht hervor, dass Ansprüche derBundesagentur für Arbeit wegen der Zahlung von Insol-40


www.buchalik-broemmekamp.devenzgeld immer Insolvenzforderungen sind, insbesonderealso auch, wenn ein starker vorläufiger Verwalter dieArbeitsleistung in Anspruch genommen hat. Nichts andereskann für das Schutzschirmverfahren gelten (Erst-Recht-Schluss).Da § 55 Abs. 3 InsO bei den allgemeinen Vorschriften steht,findet er immer Anwendung, wenn er nicht ausdrücklichausgeschlossen wird. Einen dogmatischen Streit über dieAnwendbarkeit des § 55 Abs. 3 InsO im Schutzschirmverfahrenkann es damit eigentlich nicht geben.Nichtsdestotrotz verlangen einige kreditierende Bankenin ihren Rahmenvereinbarungen zur Insolvenzgeldvorfinanzierung,dass „es sich bei den angekauften Nettoarbeitsentgeltenum Masseforderungen handeln muss unddie Insolvenzschuldnerin vor Durchführung der Ankäufedaher einen Beschluss des zuständigen Amtsgerichtesvorzulegen hat, nach dem die zum Ankauf vorgesehenenNettoarbeitsentgelte Masseforderungen sind“. Bei einersolchen Handhabung wäre das als Sanierungsinstrumentso hervorragend geeignete Schutzschirmverfahren faktisch„tot“ – mit enormen haftungsrechtlichen Risiken füralle Beteiligten.In Einzelfällen versucht man sich in der Praxis damit zu behelfen,dass man in die Rahmenvereinbarung zur Insolvenzgeldvorfinanzierungeine dahingehende Regelung aufnimmt,„dass § 55 Abs. 3 InsO zur Anwendung kommt“.„Nach § 270b Abs. 3 Satz 2 InsO gelten vom eigenverwaltendenSchuldner im Schutzschirmverfahren eingegangeneVerbindlichkeiten als nach § 55 Abs. 2 InsO begründeteVerbindlichkeiten. Dies führt zu einer direkten Anwendbarkeitdes § 55 Abs. 3 InsO auf diese Fallgestaltung. Die Bundesagenturkann – unabhängig davon, ob ein eigenverwaltenderSchuldner während des Schutzschirmverfahrensoder ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Arbeitsleistungder Beschäftigten in Anspruch nimmt – gem. § 169 SGB IIIübergegangene Arbeitsentgeltansprüche nur als Insolvenzforderungengeltend machen. Ihren Hinweis, in der Insolvenzpraxisbestehe Unsicherheit hinsichtlich einer Anwendbarkeitdes § 55 Abs. 3 InsO im Schutzschirmverfahren,haben wir zum Anlass genommen, unsere Position mit denzuständigen Bundesministerien abzustimmen (…). Sowohldas BMAS als auch das BMJ teilen die o. g. Position derBundesagentur für Arbeit.“FazitDurch das Insolvenzgeld bzw. dessen Vorfinanzierung hatder Gesetzgeber ein wirksames Mittel zur Liquiditätsschöpfunggeschaffen, dessen Sinn und Zweck die Absicherungder Betriebsfortführung in der Insolvenz ist.Diese Mittel stehen auch im Schutzschirmverfahren zur Verfügung,ohne dass dabei Masseverbindlichkeiten ausgelöstwerden. Der § 55 Abs. 3 InsO ist dort direkt anwendbar.Um keine Haftungsrisiken einzugehen, stellen einige vorfinanzierendeKreditinstitute in ihren Rahmenvereinbarungenrein vorsorglich klar, „dass bei Zahlung des Insolvenzgeldesdurch die Bundesagentur für Arbeit die von der Bank angekauftenNettoarbeitsentgelte inkl. der für diese Ansprüchegestellten Sicherheiten auf die Bundesagentur übergehen.Angesichts dessen, dass § 270b Abs. 3 InsO nicht auf § 55Abs. 3 InsO verweist möglicherweise auch als Masseforderung.Die Bank haftet nicht für die damit einhergehende Belastungder Insolvenzmasse“.Die Bundesagentur für Arbeit hat am 16.07.2012 auf einevon <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte Steuerberaterveranlasste Anfrage zu der aufgekommenen Diskussionbzgl. der Anwendbarkeit des § 55 Abs. 3 InsO im Schutzschirmverfahrenmitgeteilt, dass sie unter Berücksichtigungder Zielrichtung des Schutzschirmverfahrens(BT-Drucks. 17/5712, S. 40 f.) sowie der Begründung derBeschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom26.10.2011 (BT-Drucks. 17/7511, S. 50) folgende Positionvertritt:41


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>Die Haftung des Sanierungsgeschäftsführersim SchutzschirmverfahrenRA Dr. Utz Brömmekamp, Partner der <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, Düsseldorf/FrankfurtRAin Katrin Schröder <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater, DüsseldorfKommt ein Schuldnerunternehmen in eine eher durch Markteinflüsse verschuldete Krise, werden Gläubiger wieGesellschafter, wenn bereits ein nicht offensichtlich aussichtsloses Sanierungskonzept vorliegt, eine Betriebsfortführungdurch die bisherige Geschäftsführung im Rahmen eines sog. Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsOzum Zweck der Erstellung eines Insolvenzplanes befürworten. Was für den Geschäftsführer und den ihn unterstützendenSanierungsberater zunächst als Ausdruck großen Vertrauens gewertet werden kann und muss, birgterhebliche Haftungsrisiken im Hinblick auf liquiditätsverzehrende Maßnahmen.1. Zentrale gesellschaftsrechtliche HaftungsnormenEine Haftung nach den insolvenzrechtlichen Tatbeständen scheidetzwar aus. Diese richten sich gegen die Schuldnerin, nichtgegen den Geschäftsführer als deren gesetzlichen Vertreter. DenGläubigern gegenüber ist die Schuldnerin – in der Terminologieder „Amtstheorie“ gesprochen – als Eigenverwalter verantwortlich.Der Geschäftsführer haftet jedoch der Schuldnerin im Innenverhältnisfür ein etwaiges Fehlverhalten auf Schadensersatznach den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen,welche mangels anderweitiger Regelung auch im Schutzschirmverfahrengrundsätzlich weiter Anwendung finden.Zentrale gesellschaftsrechtliche Haftungsnormen sind für Zahlungen,die unmittelbar zu einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerinführen, § 64 S. 1 GmbHG (bei der AG: § 92 Abs. 2 AktG),und für sonstige Maßnahmen, die das Schuldnerunternehmenkurzfristig weiter in die Verlustzone bringen werden, § 43 Abs. 2GmbHG (bei einer AG: § 93 AktG). Da die aktienrechtlichen Regelungennahezu wortgleich mit den Regelungen im GmbHG sind,werden nachfolgend zur Vereinfachung nur Ausführungen zu denmaßgeblichen Haftungsnomen im GmbHG gemacht und, nur soweiterforderlich, auf Besonderheiten im AktG hingewiesen.2. Anwendbarkeit von § 64 S. 1 GmbHG imSchutzschirmverfahrenGemäß § 64 S. 1 GmbHG ist es einem Geschäftsführer ab Eintrittder Zahlungsunfähigkeit bzw. Feststellung der Überschuldunguntersagt, Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen zu erbringen.Verletzt er diese Pflicht, so haftet er der Schuldnerin persönlichund unbeschränkt auf Ersatz der vorgenommenen Zahlungen,es sei denn, die betreffende Zahlung war mit der Sorgfalteines ordentlichen Kaufmannes vereinbar. Eine gleichlautendeRegelung enthält § 92 Abs. 2 AktG für den Vorstand einer AG.a) MeinungsstreitFraglich ist, ob diese lex specialis zu § 43 GmbHG auf Zahlungenim Schutzschirmverfahren Anwendung findet. DerGesetzgeber erklärt sich hierzu leider weder in der InsO nochin den Gesetzesmaterialien. Da mit dem Antrag auf Eröffnungeines Schutzschirmverfahrens zwingend auch der Antragauf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verbunden seinmuss, kann man hier argumentieren, dass der Schutzzweckdes § 64 S. 1 GmbHG, das Anhalten der Geschäftsführung,möglichst frühzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen, bereitserreicht und damit der Anwendungsbereich dieser Normteleologisch zu reduzieren ist. Genausogut kann man aberauch sagen, dass ohne Anwendung des § 64 S. 1 GmbHG imSchutzschirmverfahren eine Verletzung der Anzeigepflichtnach § 270b Abs. 4 S. 2 InsO ohne Sanktion bliebe und damitdie zum Gläubigerschutz eingeführte Anzeigepflicht gegenüberdem Gericht bei Eintritt der Zahlungsfähigkeit imSchutzschirmverfahren leerläuft. Der Schuldner kann ungehindert„weiterwirtschaften“ und das letzte Sanierungspotenzialder Gesellschaft „verbrennen“.b) Handlungsempfehlung für den betroffenenGeschäftsführerBis zu einer höchstrichterlichen Klärung ergibt sich damit eineerhebliche Rechtsunsicherheit für den Sanierungsgeschäftsführer.Aus Vorsichtsgründen kann man ihm nur empfehlen, beiZahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen unter Berücksichtigungder bisher ergangenen Rechtsprechung zu § 64 S. 1GmbHG Folgendes auch im Schutzschirmverfahren zu beachten:Zur Vermeidung einer persönlichen Haftung muss der Geschäftsführer– wie bereits im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeitvon ihm verlangt – einen Liquiditätsstatusfür die Gesellschaft aufstellen und regelmäßig, d. h. je nachLiquiditätssituation der Gesellschaft, täglich oder wöchentlich,aktualisieren.42


www.buchalik-broemmekamp.deDarüber hinaus benötigt der Geschäftsführer einen Liquiditätsplan,der mindestens die Dauer des Schutzschirmverfahrensabdeckt und auf die Geschäftsplanung im weiten Sinneabgestimmt ist. Hierdurch lässt sich bereits frühzeitig eineLiquiditätslücke erkennen. Auch kann der Geschäftsführerdort darlegen, wie er sich abzeichnende Liquiditätsengpässezu vermeiden gedenkt. Dies ist besonders wichtig vor demHintergrund, dass im Schutzschirmverfahren grundsätzlichalle Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit als nichtmit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbarbetrachtet werden und der Geschäftsführer die Beweislastdafür trägt, dass etwaige Zahlungen mit der Sorgfalteines ordentlichen Kaufmannes vereinbar waren (§ 64 S. 2GmbHG).Aus dem Businessplan muss zudem hervorgehen, dass dieim Schutzschirmverfahren vorzunehmenden Maßnahmendem Wohl des Unternehmens dienen. Unternehmenswohl istdabei mit dem Interesse der Gläubiger an einer bestmöglichenBefriedigung durch Sanierung gleichzusetzen (vgl. § 1InsO). Gesellschafterinteressen haben dabei nur nocheine untergeordnete Bedeutung. Mit anderen Worten: ImBusinessplan muss dargelegt werden, dass die Verluste, diezwangsläufig durch anfallenden Restrukturierungsaufwandund insolvenzbedingt rückläufige Umsätze anfallen, durchSanierungsgewinne bei Bestätigung des Insolvenzplaneskompensiert werden.Aus den vorgelegten Planrechnungen muss sich ferner mithinreichender Nachvollziehbarkeit ergeben, dass nach Aufhebungdes Verfahrens operativ wieder Gewinne erwirtschaftetwerden, sobald die Restrukturierungsmaßnahmenplangemäß greifen. Wegen der Planungsrisiken sollte zumindestnach Verrechnung der aufgelaufenen Verluste mit demplangemäß anfallenden Sanierungsgewinn eine angemesseneEigenkapitalstärkung von mindestens 20 Prozent verbleibenund die operative Gewinnzone mit überwiegender Wahrscheinlichkeiterreicht werden.Den Businessplan (einschließlich Liquiditätsstatus und Liquiditätsplanung)sollte der Geschäftsführer dem vorläufigenGläubigerausschuss zur Stellungnahme und Genehmigungvorlegen. Denn aus dem Gesellschaftsrecht ist bekannt,dass eine von der Gesellschafterversammlung vorgenehmigteMaßnahme für den Geschäftsführer nicht haftungsbegründendwirkt. Aus § 270 Abs. 3 S. 2 InsO kann man folgern,dass dieser Rechtsgedanke auch in der EigenverwaltungAnwendung finden soll. Danach gilt eine Eigenverwaltung alsnicht nachteilig, wenn vor der Entscheidung über den Antragüber die Eigenverwaltung dem vorläufigen GläubigerausschussGelegenheit zur Äußerung gegeben wurde und dervorläufige Gläubigerausschuss daraufhin umfassend informiertden Antrag einstimmig unterstützt. Auf das Schutzschirmverfahrenangewendet, bedeutet dies, dass der Geschäftsführernicht mehr ohne Weiteres im Nachhinein durchdie Gläubiger haftbar gemacht werden kann, wenn er dievom vorläufigen Gläubigerausschuss genehmigten Maßnahmenplangemäß umgesetzt hat.Bei der Umsetzung des Businessplanes wird man dem Sanierungsgeschäftsführerdann – wie einem Insolvenzverwalterbei unternehmerischen Entscheidungen im Verfahren – einengewissen Entscheidungsspielraum zugestehen müssen, daandernfalls ein Wertungswiderspruch zu § 61 InsO („erkennenkonnte“) entstünde. Über die Einhaltung des Businessplanessollte er den vor läufigen Gläubigerausschuss dennochnicht nur der guten Ordnung halber im Rahmen eines nachvollziehbarenmonatlichen oder bei Bedarf sogar wöchentlichenReportings informieren, damit der Ausschuss seineeigene Entscheidung für eine Betriebsfortführung stets aufden Prüfstand stellen kann.Kommt es im weiteren Verlauf zu erheblichen negativen Abweichungenvom genehmigten Businessplan, welche sichdurch Maßnahmen der Geschäftsführung nicht kompensierenlassen, ist dem Geschäftsführer dringend zu empfehlen,dies dem vorläufigen Gläubigerausschuss und dem Gerichtunverzüglich anzuzeigen. Das Gericht entscheidet dann nachAnhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses, ob dasSchutzschirmverfahren beendet und das Unternehmen indas Regel insolvenzverfahren überführt werden soll.3. Haftung des Geschäftsführers nach§ 43 Abs. 2 GmbHGDie letztlich gleichen Empfehlungen kann man einemGeschäftsführer bei unternehmerischen Entscheidungengeben, die das Schuldnerunternehmen kurzfristig weiter indie Verlustzone bringen, langfristig jedoch für das Gelingendes Sanierungsplanes von großer Bedeutung sind. Dieseführen, wenn der unmittelbare Zusammenhang mit der Zahlungsunfähigkeitnicht hergestellt werden kann, nicht zurAnwendung von § 64 S. 1 GmbHG, sind aber am Sorgfaltsmaßdes § 43 Abs. 1 GmbHG zu messen. Danach hat einGeschäftsführer in allen Angelegenheiten der Gesellschaftdie Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu beachten.Ansonsten haftet er der Gesellschaft gemäß § 43 Abs. 2GmbHG auf Schadensersatz. Mit dem oben geführtenRechtsgedanken zur haftungsausschließenden Wirkung derZustimmung des Gläubigerausschusses kann man hiereventuellen Problemen ebenfalls gut begegnen.43


sonderausgabe newsletter <strong>2013</strong>AutorenDr. Utz Brömmekamp, RechtsanwaltPartner der <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater undGeschäftsführer der <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp UnternehmensberatungSchwerpunkte: allgemeines Zivilrecht, Insolvenzrecht, Handels- und Gesellschaftsrechtsowie Bankenrechtutz.broemmekamp@buchalik-broemmekamp.deRobert <strong>Buchalik</strong>, RechtsanwaltPartner der <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | Steuerberater undGeschäftsführer der <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp UnternehmensberatungSchwerpunkte: Erstellung betriebswirtschaftlicher Sanierungskonzepte,Sanierung durch Insolvenz, insbesondere im Rahmen von Insolvenzplänen undEigenverwaltungen, Insolvenzrecht, Bankrecht, der Moderation von Bankenpools,Lieferantenpools und der aktiven Durchführung von Treuhandschaftenrobert.buchalik@buchalik-broemmekamp.deHeinz-Peter Derrix-Belau<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp UnternehmensberatungSchwerpunkte: Interimsmanagement, Insolvenzbegleitung undBankenkoordinationheinz-peter.derrix-belau@buchalik-broemmekamp.deLutz ErdmannRechtspfleger am Amtsgericht DüsseldorfProf. Dr. Hans Haarmeyer, RechtsanwaltLeitender Direktor des DIAISchwerpunkte: Insolvenzrecht, Gläubigerschutzhans.haarmeyer@t-online.dePhillip-Boie Harder, Rechtsanwalt<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | SteuerberaterSchwerpunkte: Insolvenz-, Steuer- und Gesellschaftsrechtphillip-boie.harder@buchalik-broemmekamp.deHartmut Ibershoff<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp UnternehmensberatungSchwerpunkte: Businessplanung, Erstellung und Umsetzung von Sanierungskonzeptensowie Controllinghartmut.ibershoff@buchalik-broemmekamp.deDr. Eike Knolle, Rechtsanwalt<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | SteuerberaterSchwerpunkte: Gesellschafts- und Insolvenzrecht, Finanzierungsfragen undUnternehmenskäufeeike.knolle@buchalik-broemmekamp.deAlfred Kraus, Rechtsanwalt<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | SteuerberaterSchwerpunkte: Insolvenzrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Sanierungund Restrukturierungalfred.kraus@buchalik-broemmekamp.deOliver Maaß<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp UnternehmensberatungSchwerpunkte: Liquiditätsplanung und Controllingoliver.maass@buchalik-broemmekamp.deFrank PollmächerRichter am Amtsgericht – Insolvenzgericht, DüsseldorfBozidar RadnerGeschäftsführer der <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Unter nehmensberatungSchwerpunkte: Restrukturierung, Strategieberatung und Einkaufsoptimierungbozidar.radner@buchalik-broemmekamp.deRalf Schreiber, Rechtsanwalt<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | SteuerberaterSchwerpunkte: Bankrecht, Insolvenzrecht und Sanierung sowie HandelsundGesellschaftsrechtralf.schreiber@buchalik-broemmekamp.deKatrin Schröder, Rechtsanwältin<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | SteuerberaterSchwerpunkte: Insolvenz- und Gesellschaftsrecht sowie Sanierung undRestrukturierungkatrin.schroeder@buchalik-broemmekamp.deDr. Jasper Stahlschmidt, Rechtsanwalt<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechts anwälte | SteuerberaterSchwerpunkte: Insolvenzrecht, Sanierung und Restrukturierungjasper.stahlschmidt@buchalik-broemmekamp.deDaniel Trowski, Rechtsanwalt<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechtsanwälte | SteuerberaterSchwerpunkte: Bank-, Kredit- und Kreditsicherungsrechtdaniel.trowski@buchalik-broemmekamp.deProf. Dr. Jochen Vogel, Rechtsanwalt<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp Rechts anwälte | Steuerberater und Geschäftsführerder <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp UnternehmensberatungSchwerpunkte: Interimsmanagement, Restrukturierungsberatung undChange Managementjochen.vogel@buchalik-broemmekamp.deImpressum<strong>Buchalik</strong> BrömmekampRechtsanwälte | SteuerberaterPrinzenallee 1540549 DüsseldorfTel. 0211 – 82 89 77 200www.buchalik-broemmekamp.deWestendstraße 16–2260325 Frankfurt/MainTel. 069 – 24 75 215 0HaftungsausschlussDie Beiträge wurden mit Sorgfalt recherchiert.Gleichwohl wird keine Haftung für die Richtigkeitund Vollständigkeit der Inhalte übernommen.Der Newsletter stellt keine abschließenden Informationenbereit und ersetzt nicht eine Beratung im Einzelfall.Hierfür steht Ihnen auf Wunsch die Kanzlei<strong>Buchalik</strong> Brömmekamp gern zur Verfügung.RedaktionMarkus HaaseBettina Fey

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