2004 - Sicherheit und Frieden (S+F) – Security and Peace
2004 - Sicherheit und Frieden (S+F) – Security and Peace
2004 - Sicherheit und Frieden (S+F) – Security and Peace
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SF<br />
Herausgeber:<br />
Dr. habil. Michael Brzoska<br />
Prof. Dr. Hans J. Giessmann<br />
Dr. Heiner Hänggi<br />
Heinz-Dieter Jopp<br />
Dr. Erwin Müller<br />
Andreas Prüfert<br />
2<br />
<strong>2004</strong><br />
22. Jahrgang<br />
ISSN 0175-274X<br />
Nomos<br />
<strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Frieden</strong><br />
<strong>Security</strong> <strong>and</strong> <strong>Peace</strong><br />
Themenschwerpunkt:<br />
Die Erweiterung von EU <strong>und</strong> NATO<br />
Die Europäische Union nach der Erweiterung<br />
Günther Verheugen<br />
The bigger the better? Konzeptionelle Konsequenzen<br />
der Erweiterung für die EU als internationaler Akteur<br />
Johannes Varwick<br />
Europäische <strong>Sicherheit</strong>spolitik am Scheideweg<br />
Hans J. Giessmann<br />
Nach der Erweiterung: <strong>Sicherheit</strong>spolitische Herausforderungen<br />
für die NATO<br />
Knut Kirste<br />
Weitere Beiträge von ...<br />
Karen Guttieri, Ann M. Fitz-Gerald, Stephen Blackwell,<br />
Patricia Schneider, Kristina Thony <strong>und</strong> Erwin Müller
IMPRESSUM<br />
Schriftleitung :<br />
Prof. Dr. Hans J. Giessmann<br />
Redaktion:<br />
Dr. Erwin Müller (V.i.S.d.P.)<br />
Dr. Patricia Schneider<br />
Dr. Thorsten Stodiek<br />
Redaktionsanschrift:<br />
<strong>S+F</strong><br />
c/o IFSH, Falkenstein 1, D-22587 Hamburg<br />
Tel. 0049-40-86 60 77-0<br />
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Druck <strong>und</strong> Verlag:<br />
Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,<br />
Waldseestr. 3-5, D-76530 Baden-Baden,<br />
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Anzeigen:<br />
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Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthaltenen<br />
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Erscheinungsweise:<br />
vierteljährlich<br />
Bezugspreis <strong>2004</strong>: jährlich 59,– € (inkl. MwSt),<br />
Einzelheft 17,– €, Jahresabonnement für Studenten<br />
49,– € (gegen Nachweis), zuzüglich<br />
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(BLZ 662 500 30).<br />
S +F<br />
ISSN 0175-274X<br />
<strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Frieden</strong><br />
<strong>Security</strong> <strong>and</strong> <strong>Peace</strong><br />
22. Jahrgang, S. 57–108<br />
2/<strong>2004</strong><br />
EDITORIAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II<br />
THEMENSCHWERPUNKT<br />
DIE ERWEITERUNG VON EU UND NATO<br />
Die Europäische Union nach der Erweiterung<br />
Günther Verheugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />
The bigger the better? Konzeptionelle Konsequenzen der<br />
Erweiterung für die EU als internationaler Akteur<br />
Johannes Varwick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />
Europäische <strong>Sicherheit</strong>spolitik am Scheideweg<br />
Hans J. Giessmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />
Nach der Erweiterung: <strong>Sicherheit</strong>spolitische Herausforderungen<br />
für die NATO<br />
Knut Kirste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73<br />
BEITRÄGE AUS SICHERHEITSPOLITIK UND<br />
FRIEDENSFORSCHUNG<br />
Civil-military relations in peacebuilding<br />
Karen Guttieri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />
The civil-military interface with local populations: Impact on<br />
peacebuilding strategies<br />
Ann M. Fitz-Gerald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />
Civil-military relations in Central <strong>and</strong> Eastern Europe <strong>and</strong><br />
integration with NATO <strong>and</strong> the European Union<br />
Stephen Blackwell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />
FORUM<br />
INHALT<br />
Internationale Gerichte im systematischen Vergleich<br />
Patricia Schneider/Kristina Thony/Erwin Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />
DOKUMENTATION . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />
NEUERSCHEINUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104<br />
BESPRECHUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2/<strong>2004</strong> | I
Die historische Bedeutung der Erweiterung von NATO <strong>und</strong> Europäischer<br />
Union wird sich endgültig nur in einem größeren<br />
zeitlichen Abst<strong>and</strong> <strong>und</strong> mit Kenntnis der eingetretenen Folgewirkungen<br />
abschätzen lassen. Insbesondere im EU-Fall kann<br />
aber schon heute integrationspolitische, friedens- <strong>und</strong> sicherheitspolitische<br />
wie wirtschaftspolitische Relevanz konstatiert<br />
werden.<br />
Auch die öffentliche Aufmerksamkeit ist erheblich. Die Debatte<br />
bewegt sich zwischen den Polen Besorgnis <strong>und</strong> Hoffnung.<br />
Weitgehender Konsens scheint aber darüber zu bestehen, dass<br />
es für die alten wie für die neuen Mitgliedstaaten gilt, sich den<br />
Herausforderungen der Zukunft zu stellen, um sie so effektiv<br />
wie möglich bewältigen zu können.<br />
Der Analyse dieses Problemkomplexes widmet sich die vorliegende<br />
Ausgabe von <strong>S+F</strong> im Schwerpunkt.<br />
EU-Kommissar Günther Verheugen zeigt die Zukunftsperspektiven<br />
der Europäischen Union auf politischem <strong>und</strong> wirtschaftlichem<br />
Gebiet auf <strong>und</strong> thematisiert die mit ihrer Erweiterung<br />
verb<strong>und</strong>enen Chancen <strong>und</strong> Probleme.<br />
Johannes Varwicks Beitrag widmet sich den Konsequenzen der<br />
Erweiterung der Europäischen Union für ihre Rolle als Akteur<br />
der internationalen Politik.<br />
Hans J. Giessmann analysiert die Herausforderungen für eine<br />
künftige europäische <strong>Sicherheit</strong>spolitik, die sich auf EU <strong>und</strong> NA-<br />
TO stützt.<br />
II | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
E D I T O R I A L<br />
Der Aufsatz von Knut Kirste fokussiert auf die neuen sicherheitspolitischen<br />
Herausforderungen für die NATO innerhalb wie<br />
außerhalb des euroatlantischen Raumes.<br />
In der Rubrik »Beiträge aus <strong>Sicherheit</strong>spolitik <strong>und</strong> <strong>Frieden</strong>sforschung«<br />
drucken wir drei referierte Aufsätze ab.<br />
Karen Guttieri beschäftigt sich mit den zivil-militärischen Beziehungen<br />
im Rahmen von <strong>Frieden</strong>smissionen, ihren Problemen<br />
<strong>und</strong> ihren Synergieeffekten.<br />
Ann M. Fitz-Gerald betrachtet die Konsequenzen für peacebuilding-Einsätze,<br />
die sich aus dem Wechselspiel zwischen internationalen<br />
<strong>Frieden</strong>skräften <strong>und</strong> der Bevölkerung im Einsatzgebiet<br />
ergeben.<br />
Mit den zivil-militärischen Beziehungen in postkommunistischen<br />
mittel- <strong>und</strong> osteuropäischen Staaten <strong>und</strong> der Frage ihrer<br />
Reform wie der Rolle von NATO <strong>und</strong> Europäischer Union in diesem<br />
Prozess befasst sich der Beitrag von Stephen Blackwell.<br />
Im »Forum« erscheint ein Aufsatz von Patricia Schneider, Kristina<br />
Thony <strong>und</strong> Erwin Müller, der eine systematische, vergleichende<br />
Best<strong>and</strong>saufnahme <strong>und</strong> Analyse der Institutionen der internationalen<br />
(Schieds-)Gerichtsbarkeit unternimmt.<br />
Die nächste Ausgabe von <strong>S+F</strong> wird sich dem Themenschwerpunkt<br />
Demokratie <strong>und</strong> Streitkräfte widmen.
S Ver heugen, Die Europ ä is che Uni on na c h der Erweiterung | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />
+F<br />
1 <strong>2004</strong><br />
22. Jahrgang<br />
S. 57–108<br />
Herausgeber<br />
Dr. habil. Michael Brzoska, Internationales<br />
Konversionszentrum<br />
Bonn (BICC)<br />
Prof. Dr. Hans J. Giessmann, Institut<br />
für <strong>Frieden</strong>sforschung <strong>und</strong><br />
<strong>Sicherheit</strong>spolitik an der Universität<br />
Hamburg<br />
Dr. Heiner Hänggi, Genfer Zentrum<br />
für die demokratische Kontrolle<br />
der Streitkräfte (DCAF),<br />
Genf<br />
Kapitän zur See Heinz-Dieter<br />
Jopp, Führungsakademie der<br />
B<strong>und</strong>eswehr, Hamburg<br />
Dr. Erwin Müller, Chefredakteur<br />
Andreas Prüfert, Europäische<br />
Organisation der Militärverbände<br />
(EUROMIL), Brüssel<br />
T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />
Die Europäische Union nach der Erweiterung<br />
Günther Verheugen*<br />
Abstract: The EU enlargement has eventually brought the long-lasting European division to its end. It can be stated that the<br />
attractiveness of the EU integration model has proven the test. The EU has earned her peace dividend from a continued stabilisation<br />
<strong>and</strong> integration policy. Though the EU faces tough challenges <strong>and</strong> pressures that result from globalisation <strong>and</strong><br />
structural change she will now be in a much better position to h<strong>and</strong>le them properly. Reforms, however, are unavoidable,<br />
<strong>and</strong> the task to implement a strong <strong>and</strong> credible peace <strong>and</strong> security policy of the Union is only one among many others. A<br />
dissonant chorus of opinions will not be taken seriously. But the EU has many instruments to her disposal that can contribute<br />
to turn the World into better if used with self-conscience, efficiently <strong>and</strong> with political consequence.<br />
Key Words: Enlargement EU, Integration, Reform Policy, Turkey<br />
Die Erweiterung der Europäischen Union ist vollzogen<br />
<strong>und</strong> ein großer Teil des europäischen Kontinents<br />
nun vereint. Dass die Teilung Europas nach<br />
mehr als einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert überw<strong>und</strong>en ist, haben<br />
alte <strong>und</strong> neue Mitgliedsländer zu Recht als historisches Ereignis<br />
gewürdigt <strong>und</strong> Millionen Menschen überall in Europa<br />
in Festsälen, an Grenzübergängen, auf Straßen <strong>und</strong> Plätzen,<br />
gefeiert. Unzweifelhaft verändert diese Erweiterung das Gesicht<br />
des europäischen Kontinents tiefgreifend, ist sie doch<br />
Teil einer Entwicklung, die uns, die Europäer, für die Herausforderungen<br />
des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts zukunftsfähig macht. Die<br />
»europäische Idee« ist ihrer Verwirklichung einen großen<br />
Schritt näher gekommen.<br />
Die f<strong>und</strong>amentale Hoffnung, welche die EU mit der Erweiterung<br />
verb<strong>und</strong>en hat, ist schon seit einiger Zeit Wirklichkeit.<br />
* Mitglied der Europäischen Kommission, Brüssel.<br />
<strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Frieden</strong><br />
<strong>Security</strong> <strong>and</strong> <strong>Peace</strong><br />
Schriftleitung<br />
Prof. Dr. Hans J. Giessmann<br />
Redaktion<br />
Dr. Erwin Müller (V.i.S.d.P.)<br />
Dr. Patricia Schneider<br />
Dr. Thorsten Stodiek<br />
Beirat<br />
Dr. Alyson Bailes, Stockholm International<br />
Paece Research Institute<br />
(SIPRI), Stockholm<br />
Dr. Detlef Bald, München<br />
Prof. Dr. Joachim Betz, Universität,<br />
Hamburg<br />
Prof. Dr. Hans-Peter Dürr, Träger<br />
des Alternativen Nobelpreises,<br />
München<br />
Prof. Dr. Pál Dunay, Genfer Zentrum<br />
für <strong>Sicherheit</strong>spolitik, Genf<br />
Prof. Dr. Wolfgang Gessenharter,<br />
Helmut-Schmidt-Universität,<br />
Hamburg<br />
Dr. Sabine Jaberg, Führungsakademie<br />
der B<strong>und</strong>eswehr, Hamburg<br />
Dr. Martin Kutz, Führungsakademie<br />
der B<strong>und</strong>eswehr, Hamburg<br />
Dr. Krzysztof Ruchniewicz, Willy-<br />
Br<strong>and</strong>t-Zentrum für Deutschl<strong>and</strong><strong>und</strong><br />
Europastudien, Wroclaw<br />
Prof. Dr. Susanne Feske, Universität<br />
Münster<br />
Dr. Martina Fischer, Berghof Forschungszentrum<br />
für Konstruktive<br />
Konfliktbearbeitung, Berlin<br />
In den neuen Mitgliedsländern besteht ein hohes Maß an<br />
politischer <strong>und</strong> wirtschaftlicher Stabilität, mehr noch, der<br />
schwerste Teil des Umbruchs ist bereits gelungen. Heute ist<br />
der <strong>Frieden</strong> in einem großen Teil Europas sicherer als vor 14<br />
Jahren. Auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der<br />
heutigen EU <strong>und</strong> ihren neuen Mitgliedern sind bereits eng.<br />
Insofern unterscheidet sich das Europa der EU seit dem<br />
1. Mai <strong>2004</strong> kaum vom Alltag der Kooperation in den Tagen<br />
davor. Und dennoch gibt es eine historische Zäsur. Sie besteht<br />
in der Gewissheit, dass wir alle, die Völker von 25 Staaten,<br />
nunmehr zusammengehören <strong>und</strong> dass dieses Zusammengehören<br />
einem großen gemeinsamen Ziel unterworfen<br />
ist: dem Gedeihen unseres Kontinents in <strong>Frieden</strong>.<br />
Der Weg zur europäischen Einigung war nicht selten von<br />
Skepsis begleitet, ob das strategische Großprojekt gelingen<br />
könne <strong>und</strong> manche meinten sogar, dass die EU durch diese<br />
Erweiterung überfordert werde. Auch die schwierigen Ver-<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 57
T H E M E N S C H W E R P U N K T | Ver heugen, Die Eur opäis c he Uni on na c h der Erweiterung<br />
h<strong>and</strong>lungen über die Europäische Verfassung wurden von<br />
einigen als Indiz für weitere bevorstehende Belastungsproben<br />
genommen. Die Skeptiker <strong>und</strong> Zweifler haben jedoch<br />
nicht Recht behalten <strong>und</strong> der Gewinn der Erweiterung für<br />
alle Beteiligten steht längst außer Frage. Man muss nur die<br />
Situation im Europa von heute mit der vor etwa 15 Jahren<br />
vergleichen, um zu sehen, dass <strong>Frieden</strong>, <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Stabilität<br />
in Europa heute verlässlicher abgesichert sind. Mehr<br />
noch <strong>und</strong> allen Unkenrufen zum Trotz, hat sich die EU als<br />
weltweit geachtetes <strong>und</strong> attraktives Erfolgsmodell behauptet<br />
<strong>und</strong> eine historische Leistung vollbracht, an die wahrscheinlich<br />
nur wir Europäer zutiefst glaubten. Diese Erweiterung<br />
belegt, wie erfolgreich Europa sein kann, wenn wir uns<br />
ein gemeinsames Ziel setzen <strong>und</strong> dann mit vereinten Kräften<br />
an seiner Verwirklichung arbeiten. Deshalb bin ich auch<br />
davon überzeugt, dass die Erweiterung die Anziehungskraft<br />
<strong>und</strong> die Potentiale der europäischen Integration noch verstärken<br />
wird.<br />
1. Erweiterung <strong>und</strong> <strong>Frieden</strong><br />
Auch in der Welt des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts lassen sich in Europa<br />
nachhaltiges Wachstum, wirtschaftlicher <strong>und</strong> sozialer<br />
Wohlst<strong>and</strong> nur auf der Gr<strong>und</strong>lage inneren <strong>und</strong> äußeren<br />
<strong>Frieden</strong>s erzielen. Das breite Interesse an der Mitgliedschaft<br />
in der EU <strong>und</strong> die jahrelangen Anstrengungen der mittel<strong>und</strong><br />
osteuropäischen Staaten, den dafür erforderlichen Voraussetzungen<br />
zu genügen, haben bereits vor dem 1. Mai<br />
<strong>2004</strong> ihre Früchte getragen <strong>und</strong> die Zone der Stabilität, der<br />
<strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> des <strong>Frieden</strong>s in Europa vergrößert.<br />
Mit der Erweiterung werden die universellen Werte, denen<br />
die EU verpflichtet ist, ihre politischen Ziele <strong>und</strong> die in der<br />
EU gemeinsam vereinbarten Spielregeln auf ein breiteres<br />
F<strong>und</strong>ament von inzwischen 25 Mitgliedstaaten gestellt. Damit<br />
weitet sich die <strong>Frieden</strong>sordnung der Union dauerhaft<br />
weit nach der Mitte, dem Osten <strong>und</strong> Süden des Kontinents<br />
aus. Zugleich werden die Fähigkeiten der Union gestärkt,<br />
politische Ziele besser als bisher zu erreichen, sei es bei der<br />
Bekämpfung des Terrorismus <strong>und</strong> der organisierten Kriminalität,<br />
sei es in <strong>and</strong>eren friedens- <strong>und</strong> sicherheitspolitischen<br />
Aufgabenfeldern.<br />
Es lohnt den Blick zurück: Am 1. Mai <strong>2004</strong>, fast auf den Tag<br />
59 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, wurden<br />
die Beschlüsse von Jalta <strong>und</strong> Potsdam, die die Spaltung Europas<br />
zementierten <strong>und</strong> den Kalten Krieg einleiteten, endgültig<br />
ad acta gelegt. Wenn in wenigen Jahren noch Bulgarien<br />
<strong>und</strong> Rumänien zur EU stoßen, wird sich der tiefe<br />
historische Sinn der Erweiterung voll verwirklicht haben.<br />
Die Erweiterung ist deshalb auch mehr als nur eine Etappe<br />
in der Geschichte der europäischen Integration. Sie ist ebenfalls<br />
mehr als das symbolhafte Ende einer besonders schwierigen<br />
europäischen Epoche. Sie ist ein großer B<strong>und</strong> auf Zukunft,<br />
ein B<strong>und</strong> für ein Europa des <strong>Frieden</strong>s, der Stabilität,<br />
der <strong>Sicherheit</strong>, für ein Europa gleicher Lebenschancen, das<br />
stark ist in seinen Werten, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft.<br />
Sie ist ein B<strong>und</strong> für ein Europa lebendiger <strong>und</strong> vielfältiger<br />
Traditionen <strong>und</strong> Kulturen, ein B<strong>und</strong> für ein Europa,<br />
58 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
dass seinen Bewohnern eine sichere Heimat <strong>und</strong> <strong>and</strong>eren<br />
Völkern Beist<strong>and</strong> <strong>und</strong> Hoffnung ist.<br />
In der Gemeinschaft der 25 <strong>und</strong> mehr können wir uns darauf<br />
konzentrieren, die europäische Idee der Gerechtigkeit<br />
zwischen den Menschen <strong>und</strong> Völkern auf einem großen Teil<br />
des europäischen Kontinents zu verwirklichen, eine Idee, die<br />
Europa erst angesichts des ungeheuren menschlichen Leids,<br />
den zwei Weltkriege <strong>und</strong> der Hitlerfaschismus bedeuteten,<br />
zu verwirklichen begann.<br />
2. Integration als <strong>Frieden</strong>sprojekt<br />
Die erweiterte Union wird die künftigen politischen Herausforderungen<br />
besser als bisher bestehen können, denn bei<br />
dieser Erweiterung ging es um weit mehr als um bloße geographische<br />
Ausdehnung <strong>und</strong> zahlenmäßige Vergrößerung.<br />
Mit ihr ist eine neue politische Dynamik in Europa verb<strong>und</strong>en.<br />
Nunmehr gehören Mitgliedstaaten der EU an, die aus<br />
eigenem freiem Willen <strong>und</strong> aus einer festen europäischen<br />
Überzeugung heraus seit langem einschneidende politische<br />
<strong>und</strong> wirtschaftliche Reformen eingeleitet haben. Die neuen<br />
Mitgliedstaaten wollten <strong>und</strong> wollen die Zukunft eines wirtschaftlich<br />
<strong>und</strong> politisch starken Europas solidarisch mitgestalten.<br />
Die Herausforderungen unserer Zeit sind groß <strong>und</strong><br />
mit der Kraft der Nationalstaaten allein nicht zu bewältigen,<br />
<strong>und</strong> die Menschen in der Europäischen Union spüren die<br />
Bedrohungen auch, die in Terrorismus, einer unkontrollierten<br />
Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, in<br />
menschenrechtsverletzenden Systemen, wachsender wirtschaftlicher<br />
<strong>und</strong> sozialer Ungleichheit im globalen Maßstab,<br />
in Menschenh<strong>and</strong>el, in Waffen- <strong>und</strong> Drogenh<strong>and</strong>el oder in<br />
der Bedrohung der Umwelt liegen. Die EU muss auf diese<br />
Bedrohungen eine Antwort finden <strong>und</strong> eine Voraussetzung<br />
dafür ist, dass sie sich weiter reformiert, um ihr politisches<br />
<strong>und</strong> wirtschaftliches Potential so zu entwickeln, dass sie zu<br />
einem ernstzunehmenden globalen Akteur wird. Unter diesem<br />
Blickwinkel betrachtet sind die Entwicklung der europäischen<br />
Außen-, <strong>Sicherheit</strong>s- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik, eine<br />
verstärkte Zusammenarbeit von Justiz, Polizei <strong>und</strong> Zoll <strong>und</strong><br />
das Gelingen der Lissabon-Strategie von entscheidender Bedeutung.<br />
Diese Reformschritte würden die EU befähigen, zu<br />
einem echten Partner in den transatlantischen Beziehungen<br />
zu werden <strong>und</strong> ihre Kräfte <strong>und</strong> spezifischen Erfahrungen in<br />
eine enge Kooperation mit den USA einzubringen. Eine Gemeinsame<br />
Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik, die ihren Namen<br />
verdient, krisenfest ist <strong>und</strong> fähig, destabilisierenden Entwicklungen<br />
entgegen zu wirken, ist deshalb zwingend. Die<br />
Verabschiedung der Verfassung würde uns diesem Erfordernis<br />
einen Schritt näher bringen. Solange die Europäische<br />
Union aber keine wirkungsvolle gemeinsame Außen- <strong>und</strong><br />
<strong>Sicherheit</strong>spolitik hat, sollte sich niem<strong>and</strong> w<strong>und</strong>ern, wenn<br />
sie bei wichtigen politischen Fragen nicht ernst genommen<br />
oder schlichtweg gar nicht gefragt wird. Ein dissonanter<br />
Chor europäischer Stimmen braucht nicht gehört zu werden.<br />
Das sollten Europäer nicht mehr zulassen, zumal wir<br />
einiges anzubieten hätten, was die Welt des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
dringend bräuchte. Wir haben unser <strong>Frieden</strong>smodell,<br />
die Integration. Niem<strong>and</strong> sonst auf dieser Welt hat soviel Er-
Ver heugen, Die Europ ä is che Uni on na c h der Erweiterung | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />
fahrung wie die EU in ziviler Konfliktlösung oder erfolgreicher<br />
Systemtransformation. Niem<strong>and</strong> gibt mehr Geld als wir<br />
für die Entwicklungsländer. Niem<strong>and</strong> außerhalb der EU tut<br />
soviel für die Ärmsten der Armen. Noch reichen die Anstrengungen<br />
gewiss nicht aus, aber gerade weil noch mehr<br />
getan werden müsste, gerade weil die Situation in der Welt<br />
von heute uns mahnt, dass wir unsere Anstrengungen verstärken<br />
müssen, brauchen wir eine gemeinsame Stimme der<br />
Europäer. Wir müssen die Überzeugungskraft unseres Modells<br />
nutzen, um <strong>and</strong>ere zu bewegen, mit uns gemeinsam zu<br />
verhindern, dass sich die Welt endgültig in Globalisierungsgewinner<br />
<strong>und</strong> Globalisierungsverlierer, in Arm <strong>und</strong> Reich<br />
teilt. Das ist eine Aufgabe von langfristiger Bedeutung, auch<br />
<strong>und</strong> gerade aus friedens- <strong>und</strong> sicherheitspolitischen Gründen.<br />
Unsere neuen Mitglieder könnten uns helfen, mit ihren<br />
guten Beziehungen zu den USA, dass die notwendige transatlantische<br />
Verständigung auf eine gemeinsame Kampfansage<br />
an die Risiken des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts auch gelingt.<br />
Zudem wird die Europäische Union nach der gegenwärtigen<br />
Erweiterungsr<strong>und</strong>e eine östliche Grenze haben, die fast vom<br />
Nordkap bis hinunter an das Schwarze Meer reicht. Das setzt<br />
die Frage einer neuen Politik gegenüber unseren Nachbarn<br />
auf die Tagesordnung, denn die Erweiterung kann das <strong>Frieden</strong>s-<br />
<strong>und</strong> Stabilitätsproblem auf dem europäischen Kontinent<br />
nicht endgültig lösen. Dies gilt selbst für den Fall, dass<br />
neben Bulgarien <strong>und</strong> Rumänien der EU auch Kroatien beitreten<br />
würde <strong>und</strong> selbst dann, wenn die übrigen Länder des<br />
westlichen Balkans, die derzeit noch weit von der Erfüllung<br />
der Beitrittsvoraussetzungen entfernt sind, zur EU gehören<br />
werden. Allerdings braucht die EU jetzt eine Zeit der inneren<br />
Konsolidierung, des Zusammenwachsens <strong>und</strong> der Stärkung<br />
nach innen. Wir können deshalb keine neue große Erweiterung<br />
nach Osten ins Auge fassen, ohne die praktische Funktionsfähigkeit<br />
des größer gewordenen Organismus im Alltag<br />
zu sichern. Zudem müssen wir möglicherweise von der Vorstellung<br />
Abschied nehmen, dass eine EU-Mitgliedschaft das<br />
Patentrezept zur Lösung aller denkbaren europäischen Fragen<br />
sei. Dies heißt jedoch nicht, dass wir in Zukunft mit einer<br />
auf sich selbst bezogenen, nach innen gekehrten Politik<br />
der EU rechnen müssen.<br />
Die innere <strong>und</strong> äußere Stabilität Europas verlangt über die<br />
Grenzen der EU hinausgehend Wachstum, Wohlst<strong>and</strong> <strong>und</strong><br />
Demokratie, sowohl im Osten Europas als auch im nahen<br />
Mittelmeerraum. Es dürfen sich keine neuen Trennlinien<br />
entwickeln, die den Kontinent erneut spalten könnten, <strong>und</strong><br />
keine Gräben, die uns von unseren südlichen Nachbarn<br />
trennen. Deshalb hat die EU die europäische Nachbarschaftspolitik<br />
initiiert, weil wir eben nicht zehn bis 20 Jahre<br />
warten können, um zu sehen, wie die Lage dann in unserer<br />
Nachbarschaft sein wird. Die Projektion von Stabilität über<br />
unsere Grenzen hinaus ist eine Aufgabe, die unverzügliches<br />
H<strong>and</strong>eln verlangt. Wir schließen dabei für keinen europäischen<br />
Staat irgendeine Option für die Zukunft aus, denn die<br />
europäische Nachbarschaftspolitik ändert nicht den EU-<br />
Vertrag, der allen europäischen Staaten das Recht einräumt,<br />
sich um eine Mitgliedschaft zu bewerben. Die Qualität der<br />
Nachbarschaftspolitik darf <strong>und</strong> sollte deshalb auch nicht<br />
von der Frage abhängen, wie groß die Chancen oder auch<br />
nur der Wille zur Teilhabe an der Europäischen Union sind.<br />
Die EU wird statt dessen darum bemüht sein, mit jedem einzelnen<br />
unserer Nachbarn eine maßgeschneiderte gemeinsame<br />
Agenda zu vereinbaren, mit Zielen <strong>und</strong> Maßnahmen, auf<br />
die wir uns jeweils zum Zeitpunkt der Vereinbarung einigen<br />
können. Wir sind bereit, sehr weit zu gehen, was die Einbindung<br />
etwa in den Binnenmarkt angeht. Aber wir verlangen<br />
auch etwas dafür – ein Mehr an Demokratie, ein Mehr<br />
an Rechtsstaatlichkeit, eine höhere Qualität von politischer<br />
<strong>und</strong> wirtschaftlicher governance <strong>und</strong> die Achtung der Menschen-<br />
<strong>und</strong> Minderheitenrechte. Ohne das alles ist eine echte<br />
Stabilität einer Gesellschaft langfristig nicht denkbar. Das<br />
ist im Kern das Europäische Nachbarschaftskonzept. Mit dieser<br />
europäischen Nachbarschaftspolitik, mit diesem »Ring<br />
von Fre<strong>und</strong>en«, den wir um uns schaffen wollen, könnte Europa<br />
mit größerem Vertrauen in die Zukunft blicken. Auch<br />
dabei wird uns die Erweiterung helfen, denn Polen <strong>und</strong> <strong>and</strong>ere<br />
Länder haben in diese Politik sehr viel einzubringen,<br />
nicht zuletzt, weil sie unmittelbar an unsere Nachbarn im<br />
Osten grenzen <strong>und</strong> bereits traditionell über enge bilaterale<br />
Kooperationsbeziehungen mit ihnen verfügen: Russl<strong>and</strong>, die<br />
Ukraine, Moldau <strong>und</strong> auch Belarus.<br />
Westeuropa hat durch die europäische Integration eine lange<br />
<strong>Frieden</strong>speriode erlebt, die manchen längst selbstverständlich<br />
erscheint. Deshalb ist es wichtig, zu erkennen,<br />
dass <strong>Frieden</strong> <strong>und</strong> Stabilität auch sechs Jahrzehnte nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg keine Selbstverständlichkeit sind. Mancher<br />
glaubt, dass Kriege <strong>und</strong> deren Schrecken auf Dauer aus<br />
Europa verbannt seien. Und die Kriege <strong>und</strong> der Hunger auf<br />
der Welt scheinen weit weg. Es bleibt zu hoffen, dass Europa<br />
nicht immer erst der aufrüttelnden Tragödien bedarf, um<br />
sich der eigenen Verantwortung für aktive <strong>Frieden</strong>spolitik<br />
bewusst zu werden. Dabei sind die Mahnungen, wie gefährdet<br />
wir sind, leider ganz unübersehbar: Drei Kriege innerhalb<br />
eines Jahrzehnts auf dem Balkan, die Terrorakte des 11.<br />
September 2001 <strong>und</strong> des 11. März <strong>2004</strong> sprechen eine eindeutige<br />
Sprache. Das führt mich unmittelbar zur Frage der<br />
EU-Türkei-Beziehungen. Die Türkei ist der älteste Beitrittsk<strong>and</strong>idat<br />
der EU. Die heutige Bedeutung der Türkei für die<br />
EU liegt unzweifelhaft nicht mehr nur in ihrer geographischen<br />
Lage. Sie besteht darin, dass die Türkei das erste große<br />
L<strong>and</strong> mit muslimischer Bevölkerung ist, das sich auf die<br />
Verwirklichung von Demokratie, Rechtstaatlichkeit, auf die<br />
Achtung von Menschenrechten <strong>und</strong> den Schutz von Minderheiten<br />
verpflichtet hat. Wenn das der Türkei gelingt, <strong>und</strong><br />
ihre Reformanstrengungen in diese Richtung sind groß,<br />
dann entstünde die erste tragfähige Brücke der Verständigung<br />
zwischen den westlichen Demokratien <strong>und</strong> den Ländern<br />
der islamischen Welt. Dann hätte eine auf Dialog <strong>und</strong><br />
Toleranz gegründete Politik eine Chance. Ende des Jahres<br />
<strong>2004</strong> wird nun geprüft werden, ob die Türkei die Bedingungen<br />
erfüllt, die Voraussetzung für die Aufnahme von Beitrittsverh<strong>and</strong>lungen<br />
sind. Wenn das der Fall sein sollte,<br />
dann werden – so hat es der Europäische Rat 2002 beschlossen<br />
– die Beitrittsverh<strong>and</strong>lungen unverzüglich aufgenommen.<br />
Diese Verh<strong>and</strong>lungen setzen an beide Seiten hohe Ansprüche,<br />
<strong>und</strong> sie werden auch lange dauern. Die eigentliche<br />
Frage lautet deshalb auch für mich: Kann die Türkei den Reformweg<br />
fortsetzen <strong>und</strong> den Fortschritt, also eine demokra-<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 59
T H E M E N S C H W E R P U N K T | Ver heugen, Die Eur opäis c he Uni on na c h der Erweiterung<br />
tische Verfassung, Rechtsstaatlichkeit, die Achtung von<br />
Menschen <strong>und</strong> Minderheitenrechten irreversibel machen?<br />
Das halte ich für möglich, aber für diesen W<strong>and</strong>el braucht<br />
die Türkei die Unterstützung der EU. Niem<strong>and</strong> sollte deshalb<br />
das F<strong>und</strong>ament des türkischen Reformkurses schwächen oder<br />
gar zerstören, <strong>und</strong> dieses F<strong>und</strong>ament heißt, dass die Türkei<br />
darauf vertrauen darf, dass wir eine ehrliche Politik ihr<br />
gegenüber betreiben, dass wir zu unseren Zusagen stehen<br />
<strong>und</strong> sie auch einlösen, wenn die gemeinsam verabredeten<br />
Bedingungen stimmen.<br />
Die europäische Integration ist kein Geschenk, sondern sie<br />
ist Resultat des Bemühens um Verständigung, um Kompromissbereitschaft<br />
<strong>und</strong> Konsensfindung. Sie ist das Resultat<br />
einer geschichtlichen Lehre, die immer wieder in Erinnerung<br />
gerufen <strong>und</strong> immer wieder neu begründet werden<br />
muss, in jeder Generation, nicht zuletzt, weil der Erfolg<br />
manchmal selbstverständlich scheint <strong>und</strong> weil die Europakritiker,<br />
Nationalisten <strong>und</strong> Populisten leider nirgendwo ausgestorben<br />
sind. Im Gegenteil, sie sind unter uns <strong>und</strong> sie haben<br />
den Schuldigen an dem jeweiligen Problem, der<br />
jeweiligen Lage, dem jeweiligen Unmut auch immer gleich<br />
bei der H<strong>and</strong>. Es gibt viele beliebte Schuldige in diesem Zusammenhang.<br />
Das beliebteste Angriffsziel jedoch ist der<br />
Ausländer, der Andere oder der Fremde, das neue Ereignis,<br />
wie etwa die Erweiterung. Die Argumente sind ebenso<br />
ängstlich wie falsch. Sie offenbaren Mutlosigkeit, die Probleme<br />
eigenverantwortlich anzupacken <strong>und</strong> lösen zu können<br />
<strong>und</strong> suchen stattdessen nach Ausflüchten, um tatenlos zu<br />
bleiben. Gerade deshalb sollte sich jeder immer wieder bewusst<br />
in Erinnerung rufen, warum die europäische Integration<br />
unser Schicksal bestimmt. Es geht bei der Integration<br />
nicht nur um die Öffnung von Märkten, nicht um die Festlegung<br />
von St<strong>and</strong>ards zum Schutz der Verbraucher, nicht<br />
um Pflanzen- <strong>und</strong> Tierges<strong>und</strong>heit oder um besseres Trinkwasser<br />
oder um europäische Gelder für L<strong>and</strong>wirte – das alles<br />
ist nicht der Zweck der Integration, sonder das alles sind<br />
Mittel, manche mehr, manche weniger tauglich, die europäischen<br />
Völker so fest anein<strong>and</strong>er zu binden, dass wir immer<br />
zusammen bleiben, auch beim größten Problem, in der<br />
größten Krise, <strong>und</strong> sie dann partnerschaftlich bewältigen.<br />
Dieses Ziel ist erreicht worden, zum ersten Mal in der europäischen<br />
Geschichte, <strong>und</strong> das sollte uns den Mut geben, für<br />
dieses Ziel auch weiterhin gerade zu stehen.<br />
3. Die Europäische Union stärken<br />
Die EU ist kein von wirtschaftlichen <strong>und</strong> finanziellen Interessen<br />
getragener Staatenb<strong>und</strong>. Richtig aber ist, dass der<br />
wirtschaftliche Erfolg der Gemeinschaft eine Gr<strong>und</strong>voraussetzung<br />
für ihre Legitimität <strong>und</strong> für ihren Einfluss in den internationalen<br />
Beziehungen ist. Dies gilt im doppelten Sinne,<br />
zum einen durch das kollektive Potenzial, zum <strong>and</strong>eren<br />
durch die Attraktivität des Modells für <strong>and</strong>ere Staaten <strong>und</strong><br />
Regionen in der Welt. Die Erweiterung der EU ist auch <strong>und</strong><br />
gerade in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung.<br />
Mit Abschluss der Erweiterung, die sich mit der Aufnahme<br />
Bulgariens <strong>und</strong> Rumäniens vollenden wird, wird die Bevöl-<br />
60 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
kerung in der Union um ca. 28 Prozent von gegenwärtig 374<br />
Millionen auf knapp 500 Millionen Menschen zunehmen.<br />
Das ist mehr als die Bevölkerung der Vereinigten Staaten,<br />
Japans, Kanadas <strong>und</strong> Australiens zusammen (450 Millionen).<br />
Damit entsteht der größte Binnenmarkt der Welt. Andererseits<br />
bedeutet die Erweiterung im Verhältnis zum Bruttoinl<strong>and</strong>sprodukt<br />
der Union vor dem 1. Mai <strong>2004</strong> nur eine Zunahme<br />
von ca. fünf Prozent (gemessen in Kaufkraftparitäten<br />
sind es etwa elf Prozent). Volkswirtschaftlich gesehen sind<br />
die Neumitglieder zudem überwiegend »kleine« Länder. Dadurch<br />
relativiert sich der unmittelbare, kurzfristige Einfluss<br />
der Erweiterung auf die gemeinsame Wirtschaft, insbesondere<br />
in Bezug auf Preise <strong>und</strong> Löhne. Umgekehrt allerdings ist<br />
der Einfluss der Union auf die Volkswirtschaften der neuen<br />
Mitglieder ganz erheblich.<br />
Vielleicht liegt es in der Natur der Sache, dass kurzfristige<br />
Anpassungskosten der Erweiterung in der öffentlichen Debatte<br />
meist im Vordergr<strong>und</strong> stehen. Die bereits eingetretenen<br />
<strong>und</strong> auch langfristigen absehbaren positiven Integrationseffekte<br />
öffentlich zu vermitteln, scheint dagegen viel<br />
schwieriger. Dies gilt übrigens nicht nur für die Union, sondern<br />
auch für die neuen Mitglieder. Dort mussten <strong>und</strong> müssen<br />
teilweise sehr schmerzhafte Reformen verkraftet werden.<br />
Auffällig aber ist, dass viele der Sorgen <strong>und</strong> Probleme, die<br />
Menschen mit der Erweiterung verbinden, ursächlich gar<br />
nichts mit der Erweiterung zu tun haben, sondern lediglich<br />
auf sie projiziert werden. Ängste wie etwa die vor illegaler<br />
Beschäftigung, vor mehr Kriminalität, vor zu hohen Folgekosten<br />
sind sehr real. Sie stammen aus dem Erleben der vergangenen<br />
Jahre, seit dem großen Umbruch des Jahres 1989.<br />
Leider ist es bisher noch nicht ausreichend gelungen, etwa<br />
in Deutschl<strong>and</strong> dies auch breit öffentlich zu kommunizieren,<br />
dass die Erweiterung keine staatliche Einheit bedeutet,<br />
wie im Falle der deutschen Einigung. Dass die Erweiterung<br />
nicht Ursache der Probleme ist, die die Grenzöffnung <strong>und</strong><br />
der Aufein<strong>and</strong>erprall zweier Gebiete mit ganz unterschiedlichen<br />
Wohlst<strong>and</strong>sniveaus bedeutete, sondern Teil der Lösung<br />
der Probleme ist, auf die Menschen, nicht zuletzt gerade in<br />
den Grenzregionen, immer wieder zu recht hinweisen.<br />
Einige Probleme sind ebenfalls eine Folge der beschleunigten<br />
Globalisierung, die ebenfalls mit dem Jahr 1989 verb<strong>und</strong>en<br />
ist, der Technisierung der Arbeitswelt <strong>und</strong> ihrer Konsequenzen<br />
für den Arbeitsmarkt. Vor allem infolge der<br />
Globalisierung treten heute aufgebrochene Strukturprobleme<br />
deutlicher <strong>und</strong> früher als bisher zu Tage. Viele Menschen<br />
befürchten zum Beispiel, dass der Aufbau von Produktionsst<strong>and</strong>orten<br />
in Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa unmittelbar die Arbeitsplätze<br />
in der Union bedroht. Tatsächlich führt die Globalisierung<br />
zu Arbeitsplatzverlusten, auch wenn die<br />
Gesamtwirtschaftsbilanz für die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschl<strong>and</strong><br />
positiv ausfällt. Gleiches gilt für die seit zehn Jahren erfolgte<br />
Marktöffnung nach Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa. Auch hier<br />
sind die Fakten eindeutig. Bisher sind über die Hälfte der<br />
ausländischen Direktinvestitionen in Branchen mit nichth<strong>and</strong>elbaren<br />
Gütern bzw. Dienstleistungen geflossen. Dabei<br />
haben nicht nur human- <strong>und</strong> kapitalintensive Zweige der alten<br />
EU-Mitgliedstaaten, sondern auch deren konsumorientierte<br />
Branchen (u.a. die Nahrungsmittelindustrie) Exporte
Ver heugen, Die Europ ä is che Uni on na c h der Erweiterung | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />
nach Osteuropa deutlich erhöht. Zudem sind niedrigere<br />
Lohnkosten nur eines von mehreren Kriterien für Entscheidungen<br />
von Unternehmen über St<strong>and</strong>orte. Viele Ausl<strong>and</strong>sinvestitionen<br />
in den neuen Mitgliedstaaten wurden darüber<br />
hinaus aus binnenmarkt- bzw. absatzorientierten Gründen<br />
getroffen, also um neue Märkte zu erschließen.<br />
Häufig werden auch nicht ganze Betriebe, sondern nur bestimmte<br />
Bereiche ausgelagert. Dadurch sollen die Gesamtproduktivität<br />
gesteigert <strong>und</strong> Arbeitsplätze in Mutterunternehmen<br />
erhalten werden. Zudem gilt, dass Unternehmen<br />
global kalkulieren <strong>und</strong> dass wahrscheinlich die Erweiterung<br />
dazu beigetragen hat, dass Unternehmensst<strong>and</strong>orte in Europa<br />
verblieben, die <strong>and</strong>erenfalls nach <strong>and</strong>eren Kontinenten<br />
abgew<strong>and</strong>ert wären.<br />
Von der Erschließung der neuen Märkte unserer jungen<br />
Mitgliedstaaten sind in der Vergangenheit gr<strong>und</strong>sätzlich positive<br />
Wirkungen auf die Beschäftigung der heutigen Union<br />
ausgegangen. Hinzu kommt, dass anwachsender Technologietransfer<br />
die Produktivität in den Beitrittsländern rasch<br />
fördern wird <strong>und</strong> damit zu einer fortschreitenden Anhebung<br />
des Lohnniveaus <strong>und</strong> der Sozialleistungen beitragen wird.<br />
Dadurch wird nicht zuletzt auch der Migrationsdruck auf die<br />
Mitgliedsländer sinken, denn Menschen werden eine Zukunft<br />
für sich in ihrer Heimat sehen. Eine intensivere Arbeitsteilung<br />
in der erweiterten Union wird schließlich langfristig<br />
nicht nur insgesamt zu höherem Wachstum führen,<br />
sondern auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der<br />
Union fördern.<br />
Das Wirtschaftswachstum im von den acht neuen mittel<strong>und</strong><br />
osteuropäischen Ländern sowie den beiden K<strong>and</strong>idatenländern<br />
Bulgarien <strong>und</strong> Rumänien gebildeten Wirtschaftsraum<br />
lag bei jeweils etwa 3,1 Prozent in 2001 <strong>und</strong> 2002 <strong>und</strong><br />
bei 4,1 Prozent im vergangenen Jahr. Gleichzeitig wurde das<br />
Inflationsniveau, mit unterschiedlichen Ergebnissen in den<br />
Ländern, insgesamt durchschnittlich um ein Drittel, auf unter<br />
sechs Prozent, abgesenkt. Im Vergleich zu derart beeindruckenden<br />
Wachstumsraten in den neuen Mitgliedsländern<br />
betrug das Wirtschaftswachstum in der Eurozone der<br />
EU im Durchschnitt weniger als zwei Prozent. Selbstverständlich<br />
wird der Aufholprozess Zeit brauchen, denn das<br />
Ausgangsniveau ist deutlich geringer als in den alten EU-<br />
Ländern. Gleichwohl gilt, dass die Europäische Union durch<br />
ihre Neumitglieder an Stärke gewinnt. Bereits seit der zweiten<br />
Hälfte der 90er Jahre ist die Union der wichtigste Wirtschaftspartner<br />
der neuen Mitglieder. Sie wickeln inzwischen<br />
bis zu 70 Prozent ihres grenzüberschreitenden H<strong>and</strong>els innerhalb<br />
der EU ab, <strong>und</strong> der Prozentsatz wird weiter zunehmen.<br />
Davon haben auch die alten EU-Mitglieder profitiert.<br />
Beispielsweise ist der H<strong>and</strong>el der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschl<strong>and</strong><br />
mit den Beitrittsländern in den Jahren vor dem Beitritt<br />
jährlich um etwa 20 Prozent gestiegen. Deutschl<strong>and</strong> verzeichnet<br />
seit Jahren H<strong>and</strong>elsbilanzüberschüsse mit den<br />
Beitrittsländern, <strong>und</strong> für einige von ihnen wurde die B<strong>und</strong>esrepublik<br />
zum wichtigsten H<strong>and</strong>elspartner. Die wirtschaftlichen<br />
Beziehungen mit den neuen Partnerstaaten sichern<br />
bereits heute in der B<strong>und</strong>esrepublik etwa 120.000<br />
Arbeitsplätze. Mit der ansteigenden Nachfrage nach Gütern<br />
<strong>und</strong> Dienstleistungen aus Deutschl<strong>and</strong> infolge des EU-<br />
Beitritts ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze auch in<br />
Deutschl<strong>and</strong> realistisch zu erwarten. Deutsche Banken, Versicherungen<br />
<strong>und</strong> Telekommunikationsunternehmen verbessern<br />
durch Investitionen in den künftigen Mitgliedstaaten<br />
ihre Position im internationalen Wettbewerb <strong>und</strong> sichern<br />
dadurch gleichzeitig Arbeitsplätze in Deutschl<strong>and</strong>.<br />
Allgemein gilt, dass sich die Produktionsstrukturen in der<br />
Union <strong>und</strong> in den Beitrittsländern tendenziell gut ergänzen.<br />
Während eher kapitalintensive Produktion in den alten<br />
Ländern stattfindet, erfolgt arbeitsintensivere Produktion<br />
derzeit vergleichsweise stärker in den neuen Ländern. Mittelfristig<br />
werden die strikten EU-Sozial- <strong>und</strong> Umweltst<strong>and</strong>ards<br />
jedoch auch zu höheren Produktionskosten in neuen<br />
Mitgliedstaaten führen. Die Osterweiterung wird deshalb<br />
den Anpassungsdruck auf die alten Länder in jenen Bereichen,<br />
in denen die Beitrittsländer traditionell über komparative<br />
Vorteile verfügen, nicht wesentlich erhöhen.<br />
Insgesamt wird der Zugang zu den östlichen Wachstumsmärkten<br />
durch die Erweiterung einfacher <strong>und</strong> vor allem berechenbarer.<br />
Vom verstärkten H<strong>and</strong>el <strong>und</strong> von den wirtschaftlichen<br />
Reformen in den Beitrittsländern werden vor<br />
allem diejenigen EU-Mitgliedstaaten profitieren, die, wie<br />
Deutschl<strong>and</strong>, mit den Beitrittsländern seit langem intensive<br />
Wirtschaftskontakte pflegen. Deshalb werden die volkswirtschaftlichen<br />
Wachstumseffekte für Deutschl<strong>and</strong> <strong>und</strong> Österreich<br />
je nach Prognose auf 0,5 bis ein Prozent des Bruttoinl<strong>and</strong>sprodukts<br />
geschätzt, während <strong>and</strong>ere EU-Mitgliedstaaten<br />
zunächst weniger direkte wirtschaftliche Vorteile<br />
haben werden.<br />
4. Ausblick<br />
Die EU hat sich mit der so genannten Strategie von Lissabon<br />
das Ziel gesetzt, bis zum Jahre 2010 die wirtschaftlich stärkste,<br />
innovativste <strong>und</strong> wettbewerbsfähigste Region in der Welt<br />
zu werden <strong>und</strong> gleichzeitig die Beschäftigungsfrage zu lösen.<br />
Das ist eine sehr anspruchsvolle Zielsetzung. Aber sie ist lösbar,<br />
wenn auch wahrscheinlich nicht im anvisierten Zeitraum<br />
bis 2010. Die Erweiterung wird hierbei helfen, denn<br />
der EU sind Mitgliedstaaten zugewachsen, die nicht nur über<br />
ges<strong>und</strong>e wirtschaftliche Gr<strong>und</strong>lagen verfügen, sondern<br />
die auch reformerprobte Wachstumsmärkte sind. Die neuen<br />
Mitglieder bringen ihre eigenen Erfahrungen der Anpassung<br />
an die wirtschaftlichen <strong>und</strong> sozialen Zukunftsaufgaben mit,<br />
<strong>und</strong> sie haben vielfach Konzepte entwickelt, an denen sich<br />
die alten EU-Mitglieder in den von ihnen selbst unternommenen<br />
Anstrengungen zur strukturellen Reform orientieren<br />
könnten <strong>und</strong> wahrscheinlich auch werden messen lassen<br />
müssen. Von vielfältigen Erfahrungen lernen <strong>und</strong> das Beste<br />
für sich daraus zu machen, das ist eine Chance, die uns die<br />
erweiterte Union bietet. Es wird deshalb auch künftig mehr<br />
Wettbewerb geben. Wettbewerb ist aber keine Bedrohung,<br />
wenn es um die beste Lösung, um den größten Nutzen für<br />
die in der EU zusammengeschlossenen Völker <strong>und</strong> um Verteidigung<br />
dessen geht, was wir das europäische Lebensmodell<br />
nennen.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 61
T H E M E N S C H W E R P U N K T | Varwick, The big ger the bet ter?<br />
The bigger the better? Konzeptionelle Konsequenzen<br />
der Erweiterung für die EU als internationaler Akteur<br />
Johannes Varwick*<br />
Abstract: Due to enlargement, the European Union has to change itself f<strong>und</strong>amentally. One single model of integration for<br />
all the 25 member states is even more difficult to develop than before. If this is true, the acting of the EU in international<br />
politics will be affected as well. On the one h<strong>and</strong>, the enlargement processes will strengthen the potential weight of the EU.<br />
On the other h<strong>and</strong>, the ability to act will be weakened because of the growing heterogeneity <strong>and</strong> a bigger spread of interests.<br />
The article analyses the consequences of the enlargement of the EU as an international actor <strong>and</strong> discusses the question<br />
which future models of integration are thinkable <strong>and</strong> likely.<br />
Keywords: Enlargement, EU as an international actor, future of European integration<br />
1. Skizzen zur europapolitischen Problemagenda<br />
ie politische L<strong>and</strong>karte Europas hat sich in den vergangenen<br />
Jahren nachhaltig verändert, aber erst mit<br />
einem wohl unvermeidbaren Zeitverzug beginnen<br />
sich die neuen Strukturen mitsamt ihren vielschichtigen<br />
Konsequenzen auch auf der kognitiven L<strong>and</strong>karte der Europäer<br />
einzuprägen. 1 D<br />
Insbesondere hat die Europäische Union<br />
(EU) als zentrale Organisation in Europa darüber zu entscheiden,<br />
ob sie sich von einem kraftvollen ökonomischen<br />
Akteur mit gemeinsamer Währung <strong>und</strong> einem umfassenden<br />
<strong>und</strong> täglich wachsenden gemeinschaftlichen Besitzst<strong>and</strong><br />
(acquis communautaire) zu einem ebenso kraftvollen politischen<br />
<strong>und</strong> sicherheitspolitischen Akteur w<strong>and</strong>eln will <strong>und</strong><br />
kann. Die EU steht damit vor der Entscheidung, ob sie sich<br />
hauptsächlich mit sich selbst beschäftigen will, oder aber ob<br />
sie bereit <strong>und</strong> in der Lage ist, friedenspolitische Stabilisierungsfunktionen<br />
für das internationale System auch über ihr<br />
eigenes Territorium hinaus zu übernehmen <strong>und</strong> mithin eine<br />
aktivere weltpolitische Rolle zu spielen.<br />
All dies vollzieht sich vor dem Hintergr<strong>und</strong> der größten Erweiterung<br />
ihrer Geschichte. Die EU hat damit die Chance,<br />
ihre Erfolgsgeschichte in weiten Teilen Mittel- <strong>und</strong> Osteuropas<br />
fortzuschreiben <strong>und</strong> schrittweise den gesamten Kontinent<br />
zu stabilisieren <strong>und</strong> zu befrieden. Nachdem zum 1. Mai<br />
<strong>2004</strong> zunächst zehn Länder beigetreten sind, ist in den<br />
kommenden Jahren mit weiteren Beitritten zu rechnen –<br />
Bulgarien, Rumänien <strong>und</strong> der Türkei wurde bereits eine<br />
konkrete Beitrittsperspektive zugesagt, <strong>und</strong> auch Bosnien-<br />
Herzegowina, Kroatien, Jugoslawien <strong>und</strong> Albanien werden<br />
sich nicht auf Dauer außen vor halten lassen. Es zeichnet<br />
sich also eine EU mit bis zu 30 Mitgliedstaaten ab. Diese historische<br />
Entscheidung ist alternativlos, hat aber gewichtige<br />
Konsequenzen. So werden die Interessenunterschiede bei<br />
steigender Mitgliederzahl zunehmen, die Diskussionen in<br />
den Gremien langatmiger <strong>und</strong> die Entscheidungsprozesse<br />
* Prof. Dr. Johannes Varwick lehrt Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt<br />
Europäische Integration <strong>und</strong> internationale Organisationen an der<br />
Christian-Albrechts-Universität Kiel.<br />
1 Als Problemaufriss siehe Johannes Varwick/Wilhelm Knelangen (Hrsg.):<br />
Neues Europa – alte EU? Fragen an den europäischen Integrationsprozess,<br />
Opladen <strong>2004</strong>.<br />
62 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
komplexer. Ist politische Integration damit letztlich ein regionalistisches<br />
Konzept, das nur so lange praktikabel ist, wie<br />
ein gewisser Grenzwert eines sich vergrößernden Gebildes<br />
nicht überschritten wird? Funktioniert Integration nach<br />
dem EU-Modell nur so lange, wie es ein mehr oder weniger<br />
klar definiertes Außen <strong>und</strong> Innen gibt? Lässt sich in einer<br />
radikal erweiterten EU die friedensstiftende Funktion der europäischen<br />
Einigung aufrechterhalten oder bedeutet dies<br />
langfristig den Zerfall in eine gehobene Freih<strong>and</strong>elszone?<br />
Wie steht es angesichts dieser Fragen um die außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitische<br />
H<strong>and</strong>lungsfähigkeit der erweiterten EU? 2<br />
Die EU wird sich im Zuge dieses Prozesses f<strong>und</strong>amental ändern<br />
bzw. ändern müssen, <strong>und</strong> ein einheitliches Integrationsmodell<br />
für alle 30 Mitgliedstaaten wird immer schwieriger<br />
zu finden sein. Dieser Bef<strong>und</strong> wird auch das Auftreten<br />
der EU auf der internationalen Bühne verändern. Ebenso<br />
wie die Erweiterung das potentielle Gewicht der EU stärkt,<br />
schwächt die Erweiterung gleichzeitig die H<strong>and</strong>lungsfähigkeit<br />
der EU durch eine zunehmende Heterogenisierung. 3 In<br />
diesem Beitrag werden die Konsequenzen der Erweiterung<br />
für die außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitische H<strong>and</strong>lungsfähigkeit<br />
der Union analysiert <strong>und</strong> mit der Frage verb<strong>und</strong>en, welche<br />
zukünftigen Integrationsmodelle denkbar <strong>und</strong> wahrscheinlich<br />
sind.<br />
2. Implikationen der Erweiterung für die<br />
GASP/ESVP<br />
Im außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitischen Bereich sind zwar in<br />
den vergangenen Jahren enorme Fortschritte erzielt worden<br />
<strong>und</strong> im Vergleich zum Integrationsst<strong>and</strong> von Anfang der<br />
1990er Jahre ist der Status quo trotz aller Differenzen bemerkenswert.<br />
Gleichwohl reichen die Regelungen in den<br />
Verträgen <strong>und</strong> die teilweise blumigen Absichtserklärungen<br />
in den Dokumenten der EU oftmals weiter als der am prakti-<br />
2 Ausführliche Argumentation bei Johannes Varwick: EU-Erweiterung: Stabilitätsexport<br />
oder Instabilitätsimport?, in: Aus Politik <strong>und</strong> Zeitgeschichte<br />
(1-2) 2002, S. 23-30.<br />
3 Vgl. Helga Haftendorn: <strong>Sicherheit</strong>spolitik im strategischen Dreieck »Berlin<br />
– Paris – Washington«, in: Politische Vierteljahresschrift (1) <strong>2004</strong>, S. 1-8,<br />
hier S. 7.
schen output zu messende politische Wille zur Kooperation.<br />
Hierfür lassen sich zahlreiche Beispiele anführen, von wichtigen<br />
strategischen Aspekten wie der Uneinigkeit über einen<br />
europäischen Sitz im <strong>Sicherheit</strong>srat der Vereinten Nationen<br />
oder der Frage, in welchem Verhältnis eine militärische europäische<br />
Eingreiftruppe zur NATO stehen soll, bis hin zu<br />
jeweils aktuellen außenpolitischen Streitfragen. So hat insbesondere<br />
der Irak-Krieg 2002/2003 abermals die unterschiedlichen<br />
außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitischen Vorstellungen<br />
der EU-Staaten gezeigt. Der Riss verlief gleichwohl nicht<br />
nur zwischen alten <strong>und</strong> neuen (bzw. zukünftigen) Mitgliedstaaten,<br />
sondern ging mitten durch die EU. 4<br />
Doch damit nicht genug. Es lassen sich auch gr<strong>und</strong>sätzlichere<br />
Fragen an die EU als internationaler Akteur formulieren.<br />
Will die EU internationale Politik strukturprägend gestalten<br />
oder will die EU gestaltet werden? Welches Rollenkonzept<br />
liegt der Gemeinsamen Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik zu<br />
Gr<strong>und</strong>e? 5 Was will die EU mit welchen Mitteln erreichen?<br />
Wird es in Zukunft noch möglich sein, ein »Gemeinsames<br />
Drittes« zu formulieren, das jenseits aller Kontroversen im<br />
Einzelnen die Möglichkeit zur Verständigung bietet? Was ist<br />
die gemeinsame Gr<strong>und</strong>lage, von der aus europäische Politik<br />
formuliert wird? Bleibt Europa nach wie vor Antwort auf<br />
schreckliche Erfahrungen, oder wird es zunehmend zu einer<br />
»Selbstbedienungs-Agentur«, bei der die Mitglieder lediglich<br />
die Vorteile einheimsen, aber bei ernsten Krisen nicht bereit<br />
sind, kurzfristige nationale Interessen zu Gunsten längerfristiger<br />
Gemeinschaftsinteressen (die dann in aller Regel allen<br />
zu Gute kommen) zurückzustellen? Noch deutlicher formuliert:<br />
Setzt sich stärker als bisher eine »Sparkassenmentalität«<br />
durch, bei der die EU als eine Art Kasse gesehen wird, aus<br />
der möglichst viel kurzfristige Rendite zu ziehen ist (Stichworte:<br />
Nettozahlerdebatte oder Agrarbeihilfen), die politisch-strategischen<br />
Vorteile einer stabilen <strong>Frieden</strong>sgemeinschaft<br />
dabei aber nicht mehr ins Gewicht fallen?<br />
2.1 Vertiefung vor Erweiterung?<br />
Eine Vertiefung der EU – das heißt die Entwicklung einer<br />
tragfähigen konstitutionellen Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> die Reform der<br />
Entscheidungsprozesse – galt in Politik <strong>und</strong> Wissenschaft als<br />
Voraussetzung für die Erweiterung. Ein Weitermachen nach<br />
dem bisherigen Integrationsmodell ist erklärtermaßen an die<br />
Grenzen des Machbaren gestoßen. Auf der Agenda der zu<br />
diesem Zweck begonnenen Verfassungsberatungen des dafür<br />
eingesetzten Europäischen Konvents st<strong>and</strong> u.a. eine bessere<br />
Verteilung <strong>und</strong> Abgrenzung der Zuständigkeiten, eine Neuordnung<br />
der bisherigen Verträge, eine Demokratisierung<br />
<strong>und</strong> Effizienzsteigerung der EU sowie die Frage nach den Best<strong>and</strong>teilen<br />
einer künftigen europäischen Verfassung. Im<br />
Kern ging <strong>und</strong> geht es dabei um die Frage, welcher Ebene<br />
künftig die zentralen Kompetenzen für die Gestaltung des<br />
politischen, wirtschaftlichen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Lebens<br />
4 Es sei nur daran erinnert, dass z.B. Frankreich, Deutschl<strong>and</strong> <strong>und</strong> Belgien<br />
vehement gegen das militärische Eingreifen im Irak waren, während etwa<br />
Großbritannien, Spanien <strong>und</strong> Italien die USA unterstützten.<br />
5 Zu dieser zentralen Frage, die in diesem Beitrag allerdings nicht beh<strong>and</strong>elt<br />
werden kann, siehe: Hans-Georg Ehrhart: What model for CFSP, Paris<br />
2002 (Chaillot Paper 55).<br />
Varwick, The big ger the bet ter? | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />
in Europa zukommen sollen. Nach dem vorläufigen Scheitern<br />
der Bemühungen um einen europäischen Verfassungsvertrag<br />
im Dezember 2003 ist die weitere Entwicklung derzeit<br />
noch nicht absehbar. Nach dem spanischen<br />
Regierungswechsel im Frühjahr <strong>2004</strong> ist zwar Bewegung in<br />
die Diskussion gekommen <strong>und</strong> die Staats- <strong>und</strong> Regierungschefs<br />
wollen sich noch unter irischer Präsidentschaft bis<br />
Sommer <strong>2004</strong> auf einen gemeinsamen Vertragstext einigen.<br />
Doch selbst wenn das Paket von den zur Entscheidung befugten<br />
Staats- <strong>und</strong> Regierungschefs als »Herren der Verträge«<br />
nicht wieder aufgeschnürt würde <strong>und</strong> alle dann 25 Mitgliedstaaten<br />
den neuen Text ratifiziert haben, bleibt es umstritten,<br />
ob damit der große Wurf für die zukünftige Gestalt der<br />
EU gef<strong>und</strong>en wäre.<br />
Diese gr<strong>und</strong>sätzliche Debatte lässt die GASP/ESVP nicht unberührt.<br />
So enthielt der Verfassungsentwurf – entgegen der<br />
ursprünglichen Planung – Vorschläge in den Bereichen der<br />
GASP <strong>und</strong> ESVP. 6 Dazu zählen der Posten eines Europäischen<br />
Außenministers (Artikel 27) <strong>und</strong> die Aufnahme einer<br />
kollektiven Verteidigungsklausel (Artikel 40, Absatz 7), die<br />
die Möglichkeit der Errichtung eines verteidigungspolitischen<br />
Kerns in der EU schaffen würde. Bemerkenswert ist<br />
auch die vorgeschlagene Einführung einer strukturierten sicherheits-<br />
<strong>und</strong> verteidigungspolitischen Zusammenarbeit<br />
einer Gruppe von Mitgliedstaaten (Artikel 40, Absatz 6). Auf<br />
diesem Wege soll das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit<br />
auch auf die ESVP ausgeweitet werden, ein<br />
Schritt, der noch in Nizza am britischen Widerst<strong>and</strong> gescheitert<br />
war (Artikel III-213, Absatz 5). Auf absehbare Zeit<br />
wird aber der Vertrag von Nizza die Geschäftsgr<strong>und</strong>lage für<br />
die EU sein. Eine Vertiefung (d.h. die Entwicklung einer<br />
tragfähigen konstitutionellen Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> die Reform der<br />
Entscheidungsprozesse) galt geradezu als Voraussetzung für<br />
die Erweiterung. Nun wird man zunächst ohne eine Verfassung<br />
(aber mit der Rechtsgr<strong>und</strong>lage des Vertrags von Nizza)<br />
<strong>und</strong> ohne die notwendigen Reformen die Erweiterung vollziehen<br />
<strong>und</strong> damit ein Experiment mit ungewissem Ausgang<br />
eingehen müssen. Was dies für die Best<strong>and</strong>sfähigkeit der EU<br />
bedeutet, ob damit ein schleichender Zerfall eingeleitet worden<br />
ist oder ob sich neue Integrationsformen jenseits der bestehenden<br />
Verträge entwickeln werden, muss ebenso abgewartet<br />
werden wie die Frage, was dies für die Möglichkeiten<br />
einer europäischen Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik bedeutet.<br />
2.2 Veränderte Akteursqualität der erweiterten<br />
EU?<br />
Die Erweiterung wird die jungen Demokratien festigen <strong>und</strong><br />
450 Millionen Menschen werden einen gemeinsamen Binnenmarkt<br />
sowie einen gemeinsamen Raum der Freiheit, des<br />
Rechts <strong>und</strong> der <strong>Sicherheit</strong> bilden. Die Bevölkerung der EU<br />
wird um r<strong>und</strong> 20 Prozent zunehmen, die Wirtschaftsleistung<br />
aber zunächst nur um r<strong>und</strong> fünf Prozent steigen. So vergrößert<br />
sich die Bevölkerung der EU zum Mai <strong>2004</strong> von rd.<br />
6 Dazu ausführlich Martin Koopmann: Notwendige Fortschritte, verpasste<br />
Chancen: die GASP/ESVP im Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents,<br />
in: Hans-Georg Ehrhart/Burkard Schmitt (Hrsg.): Die <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />
der EU im Werden. Bedrohungen, Aktivitäten, Fähigkeiten, Baden-Baden<br />
<strong>2004</strong>, S. 78-90.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 63
T H E M E N S C H W E R P U N K T | Varwick, The big ger the bette r?<br />
374,4 Mio. auf 449 Mio., das Bruttoinl<strong>and</strong>sprodukt nimmt<br />
gleichwohl zunächst nur um 437 Mrd. Euro (das entspricht<br />
etwa der Wirtschaftskraft der Niederl<strong>and</strong>e) auf 9598 Mrd. zu.<br />
Allerdings weisen die neuen Mitglieder durchweg höhere<br />
Wachstumsraten als die Altmitglieder auf, sollte dieser Trend<br />
<strong>and</strong>auern, wird das ökonomische Potential der gesamten EU<br />
steigen <strong>und</strong> der Abst<strong>and</strong> der Neumitglieder geringer werden.<br />
Die direkten zusätzlichen ökonomischen Wachstumseffekte<br />
durch die Erweiterung werden für die gesamte EU allerdings<br />
zunächst auf lediglich 0,005 bis 0,2 Prozent pro Jahr geschätzt.<br />
7<br />
Analysen der Haltung der mittelosteuropäischen Neu-EU-<br />
Staaten zu den Inhalten der GASP lassen im längerfristigen<br />
Trend eine erhebliche Angleichung erkennen. So stieg die<br />
Übereinstimmung mit den allgemeinen Stellungnahmen im<br />
Rahmen der GASP von 25,5 Prozent im Jahr 1995 auf 71,8<br />
Prozent im Jahr 2002. Allerdings ergibt die Zustimmung zu<br />
dem formalisierteren Instrument der »Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkte«<br />
im Rahmen der GASP ein differenziertes Bild. Hier<br />
schwankt die Zustimmungsrate erheblich <strong>und</strong> betrug im<br />
Jahr 2002 lediglich 39,2 Prozent, während sie 2001 (55 Prozent)<br />
<strong>und</strong> 2000 (52,9 Prozent) schon höher lag. 8 Eine Vergrößerung<br />
des spread of interests in der EU ist aber dennoch<br />
wahrscheinlich. Dies gilt selbst angesichts der plausiblen<br />
Erwartung, dass die neuen Mitglieder gewissermaßen in den<br />
außenpolitischen common sense der EU – sofern es ihn denn<br />
gibt – hineinsozialisiert werden <strong>und</strong> heftige Positionsunterschiede<br />
wohl nur in Einzelfällen zu erwarten sein werden.<br />
Jenseits dieser konzeptionellen Fragen wird die Erweiterung<br />
aber auch inhaltlich die zukünftige Akteursqualität der EU<br />
verändern. Dies sei an drei Beispielen verdeutlicht:<br />
• Die Mehrzahl der neuen Staaten sind kleine Staaten oder<br />
Kleinststaaten. So kommt Malta auf 300.000 <strong>und</strong> Estl<strong>and</strong><br />
auf 1,4 Millionen Einwohner. Mit Polen (38,6 Millionen)<br />
tritt lediglich ein Staat bei, der hinsichtlich der Bevölkerungsgröße<br />
etwa auf das Gewicht Spaniens kommt. Im<br />
Ergebnis werden die großen Staaten noch stärker als bisher<br />
versucht sein, mit Absprachen unter ein<strong>and</strong>er Führungsfähigkeit<br />
im Sinne einer Art Direktorat wahrzunehmen.<br />
Ebenso sicher werden die kleinen Staaten<br />
darauf jedoch mit Unmut reagieren <strong>und</strong> möglicherweise<br />
Koalitionen auch außerhalb der EU suchen <strong>und</strong> finden.<br />
• Die EU 25 wird einen gemeinsamen Grenzverlauf mit<br />
Russl<strong>and</strong>, Weißrussl<strong>and</strong>, der Ukraine, Mazedonien, Albanien,<br />
Serbien <strong>und</strong> Montenegro sowie Kroatien haben.<br />
Wenn im Jahr 2007 Bulgarien <strong>und</strong> Rumänien EU-<br />
Mitglieder sein werden, käme eine Grenze mit Moldawien<br />
dazu. Im Falle einer Mitgliedschaft der Türkei würde<br />
die EU zusätzlich an Georgien, Armenien, Iran, Irak <strong>und</strong><br />
Syrien grenzen. Bereits nach der Erweiterungsr<strong>und</strong>e im<br />
Mai <strong>2004</strong> wird die GASP sich stärker als bisher mit einer<br />
7 So die Schätzung des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs, vgl. FAZ vom<br />
18.4.<strong>2004</strong>, S. 18.<br />
8 Zahlen nach Mathias Jopp/Barbara Lippert/Elfriede Regelsberger: Europäische<br />
Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik der erweiterten Union – interne<br />
<strong>und</strong> externe Herausforderungen an Politik <strong>und</strong> Institutionen in GASP <strong>und</strong><br />
ESVP, in: Matthias Chardon u.a. (Hrsg.): Regieren unter neuen Herausforderungen:<br />
Deutschl<strong>and</strong> <strong>und</strong> Europa im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert, Baden-Baden<br />
2003, S. 253-265, hier S. 258.<br />
64 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
neuen Nachbarschaftspolitik nach Osteuropa beschäftigen<br />
müssen. 9 Die Neumitglieder bringen einen <strong>and</strong>eren<br />
Blickwinkel sowie <strong>and</strong>ere Netzwerke <strong>und</strong> Perspektiven in<br />
die EU ein <strong>und</strong> dies wird sicherlich Konsequenzen für die<br />
außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitische Agenda haben. Auch<br />
das Verhältnis zu Russl<strong>and</strong> wird vor neuen Herausforderungen<br />
stehen – so ist Kaliningrad nunmehr eine russische<br />
Exklave inmitten der EU <strong>und</strong> die möglichen<br />
ökonomischen Nachteile Russl<strong>and</strong>s durch die EU-<br />
Mitgliedschaft wichtiger H<strong>and</strong>elspartner verlangen ein<br />
intensiveres Eingehen auf russische Interessen. Probleme<br />
ergeben sich auch an den zukünftigen »Schengen-<br />
Grenzen«, die zwar seitens der EU nicht als <strong>und</strong>urchlässige<br />
Blockgrenze definiert werden, aber dennoch von den<br />
nicht der EU angehörenden Staaten als solche gesehen<br />
<strong>und</strong> erlebt werden könnten.<br />
• Insbesondere aber stützt die Erweiterung eine transatlantische<br />
Orientierung der EU. Dies zeigte sich unter <strong>and</strong>erem<br />
an der Haltung zum Irak-Krieg 2002/2003, bei der<br />
alle acht mittelosteuropäischen Beitrittsk<strong>and</strong>idaten fest<br />
an der Seite der USA st<strong>and</strong>en. Bei den wichtigen Akteuren<br />
der transatlantischen <strong>Sicherheit</strong>sbeziehungen bestehen<br />
aber ganz offensichtlich auch unterschiedliche Vorstellungen<br />
hinsichtlich des zukünftigen Verhältnisses von<br />
NATO <strong>und</strong> EU. Während Großbritannien traditionell eine<br />
enge Anlehnung an die USA – für die die NATO allein<br />
als vetoberechtigter Pfeiler einer Zwei-Pfeiler-Allianz akzeptabel<br />
scheint – bevorzugt <strong>und</strong> mit einem »b<strong>and</strong>wagoning«<br />
versucht, Einfluss auszuüben, ist es traditionelle<br />
französische Politik, eher im Sinne eines »balancing« eine<br />
Gegenmacht zu den USA aufzubauen. Polen tendiert eindeutig<br />
<strong>und</strong> unmissverständlich zur britischen Position<br />
<strong>und</strong> wird darin von allen neuen EU-Staaten unterstützt. 10<br />
Nach der Erweiterung der NATO auf 26 Mitgliedstaaten<br />
ist eine weitgehende Mitgliederkongruenz zwischen EU<br />
<strong>und</strong> NATO gegeben. Lediglich sechs Staaten (Finnl<strong>and</strong>,<br />
Irl<strong>and</strong>, Malta, Österreich, Schweden <strong>und</strong> Zypern) sind<br />
Mitglied in der EU, aber nicht in der NATO, während<br />
fünf Staaten (Isl<strong>and</strong>, Norwegen, Kanada, die USA <strong>und</strong> die<br />
Türkei) NATO-Mitglieder sind, die nicht der EU angehören.<br />
3. Flexibilisierung <strong>und</strong> Finalitätsdebatte:<br />
Konsequenzen für die EU-Außenpolitik<br />
Eine mögliche Antwort auf die zunehmende Heterogenität<br />
<strong>und</strong> die Herausforderung der H<strong>and</strong>lungsfähigkeit einer<br />
erweiterten EU ist das Prinzip der »Verstärkten Zusammenarbeit«,<br />
das in Wissenschaft <strong>und</strong> Politik unter ganz verschiedenen<br />
Bezeichnungen (u.a. flexible, abgestufte, differenzierte<br />
Integration) als ein wichtiges Strukturprinzip der Zukunft<br />
diskutiert wird. Damit steht ein Integrationsszenario auf der<br />
politischen Agenda, das die EU nachhaltig verändern wird.<br />
Bereits in der so genannten Flexibilitätsklausel des Nizza-<br />
9 Siehe dazu: Martin Kahl: Welche Grenzen für Europa?, in: Varwick/ Knelangen<br />
(Anm. 1), S. 133-148.<br />
10 Siehe dazu Johannes Varwick: Die Zukunft der transatlantischen <strong>Sicherheit</strong>sbeziehungen.<br />
Vom Partner zum Rivalen?, in: Österreichische Militärische<br />
Zeitschrift (2) <strong>2004</strong>, S. 141-148.
Vertrags wurde festgelegt, denjenigen Mitgliedstaaten, die<br />
mit der Integration in bestimmten Politikfeldern weiter voranschreiten<br />
wollen als <strong>and</strong>ere, dies unter Inanspruchnahme<br />
der gemeinschaftlichen Organe, Verfahren <strong>und</strong> Mechanismen<br />
zu gestatten. Es wird mithin stärker über eine zeitliche,<br />
sektorale, funktionale oder geografische Flexibilisierung der<br />
Integration nachgedacht. Damit verabschieden sich denkbare<br />
<strong>und</strong> praktikable Ordnungsmodelle aber von der Vorstellung<br />
einer einheitlichen <strong>und</strong> gleichzeitigen Integration aller<br />
betroffenen Nationalstaaten.<br />
Unterschiedlichste Modelle dieser Differenzierung werden<br />
derzeit diskutiert, von der Aufbauflexibilisierung (die nur für<br />
neue Projekte – wie z.B. eine Verteidigungsunion – gelten<br />
soll) bis zur Best<strong>and</strong>sflexibilisierung (die sich auf bereits vergemeinschaftete<br />
Politikfelder – wie etwa Teilbereiche der<br />
GASP – bezieht). Im Gr<strong>und</strong>satz sind drei flexible Integrationsformen<br />
zu unterscheiden, die vor allem hinsichtlich der<br />
Punkte Kriterium, Entscheidung, Motiv <strong>und</strong> Methode differieren.<br />
Jedes der drei Modelle birgt Risiken in sich. Während<br />
bei dem Modell der Abgestuften Integration die Gefahr einer<br />
dauerhaften Spaltung der Union zwar gegeben ist, aber versucht<br />
wird, durch ein gemeinsames Ziel einen gemeinsamen<br />
Rahmen zu erhalten, wird bei den Modellen der Variablen<br />
Geometrie <strong>und</strong> der À la Carte-Konzeption dieses gemeinsame<br />
Integrationsziel aufgegeben <strong>und</strong> stärker nach dem spezifischen<br />
Integrationswillen entschieden. Die Risiken liegen<br />
auch da auf der H<strong>and</strong>. Bei dem Modell der Variablen Geometrie<br />
ist der Zusammenhalt der Union gefährdet <strong>und</strong> zudem<br />
drohen überkomplexe Entscheidungsstrukturen. Bei einem<br />
Europa à la Carte droht ein Zerfall in verschiedene<br />
Gemeinschaften, die dann kein Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
mehr entwickeln können. Nachdem auf Gr<strong>und</strong> der Erfahrungen<br />
mit dem Amsterdamer Vertrag Einigkeit best<strong>and</strong>,<br />
dass die bisherigen vertraglichen Regelungen ungeeignet<br />
waren, hat der Vertrag von Nizza neue rechtliche Rahmenbedingungen<br />
geschaffen, von denen aber noch nicht zu<br />
prognostizieren ist, ob sie tatsächlich leichter zu h<strong>and</strong>haben<br />
sind. Die Regelungen – die auch im Verfassungsvertragsentwurf<br />
in diesem Sinne enthalten sind – orientieren sich tendenziell<br />
am Modell der Abgestuften Integration. Für die Zulässigkeit<br />
einer verstärkten Zusammenarbeit sind gemäß Art<br />
40 - 44a EUV vier Rahmenbedingungen vorgesehen: Sie darf<br />
nur als letztes Mittel angewendet werden, muss prinzipiell<br />
allen Mitgliedern offen stehen, in den institutionellen EU-<br />
Rahmen eingeb<strong>und</strong>en sein <strong>und</strong> schließlich eine Mindestteilnehmerzahl<br />
von acht Staaten umfassen. Die Auslösung<br />
der verstärkten Zusammenarbeit kann im Rat mit qualifizierter<br />
Mehrheit gefasst werden. Damit sollen die Risiken der<br />
verstärkten Zusammenarbeit abgemildert, zugleich aber die<br />
H<strong>and</strong>lungsfähigkeit der Europäischen Union beibehalten<br />
werden. 11<br />
11 Ausführliche Argumentation bei: Johannes Varwick: Flexibilisierung oder<br />
Zerfall. Hat die EU Best<strong>and</strong>?, in: Varwick/Knelangen (Anm. 1), S. 59-77.<br />
Varwick, The big ger the bet ter? | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />
Ob sich der Bereich Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik für eine<br />
Flexibilisierung eignet, wird kontrovers diskutiert. 12 Während<br />
einerseits zu Recht darauf hingewiesen wird, dass dies<br />
der wohl einzige Weg sein wird, eine erweiterte EU im sicherheitspolitischen<br />
Bereich h<strong>and</strong>lungsfähig zu halten, wird<br />
<strong>and</strong>ererseits mit nicht weniger Recht auf die Risiken einer<br />
solchen Entwicklung hingewiesen. Auch der deutsche Außenminister<br />
Fischer fordert seit einiger Zeit – im Übrigen in<br />
Abkehr von seinen bisherigen europapolitischen Vorstellungen<br />
– die »strategische Dimension der europäischen Einigung«<br />
mehr in den Vordergr<strong>und</strong> zu rücken. Diese müsse angesichts<br />
der neuen weltpolitischen Realitäten Vorrang vor<br />
einer »kerneuropäischen Perspektive« haben, bei der eine<br />
kleine Gruppe von integrationsbereiten Staaten mit einer<br />
Vertiefung voranschreitet. 13 Man hat den Eindruck, Fischer<br />
hat sich damit abgef<strong>und</strong>en, dass eine radikal erweiterte Union<br />
Abschied von einer föderalen Entwicklung (d.h. einer ebenso<br />
radikalen Vertiefung) nehmen muss. Vielmehr gehe es<br />
heute um die geostrategische Stabilisierung Europas <strong>und</strong><br />
seiner weiteren Peripherie sowie um den Umgang mit neuen<br />
sicherheitspolitischen Herausforderungen, die sich nicht mit<br />
kleineuropäischen Lösungsansätzen bestehen ließen.<br />
3.1 Die Frage nach dem Endzust<strong>and</strong> der Integration:<br />
Prognosen <strong>und</strong> Szenarien<br />
Es gehörte zu den Erfolgsgeheimnissen der europäischen Integration,<br />
dass die Mitgliedstaaten seit der Initialzündung der<br />
Montanunion im Jahr 1951 der Gr<strong>und</strong>satzfrage nach der Finalität<br />
des europäischen Integrationsprozesses auswichen.<br />
Denn mit der Entscheidung für die Methode der sektoralen<br />
Teilintegration, die bei der Schaffung der Europäischen Gemeinschaft<br />
für Kohle <strong>und</strong> Stahl Pate st<strong>and</strong>, erklärten sie sich<br />
zwar zur Übertragung nationaler Kompetenzen in einem zunächst<br />
eng umgrenzten Bereich bereit, ließen aber die Frage<br />
der Zielperspektive der Integration bewusst offen. Auch in der<br />
Folge konzentrierten sich die Verträge stattdessen darauf, im<br />
Einzelnen anzugeben, für welche Bereiche die europäische<br />
Ebene eine Befugnis besitzt <strong>und</strong> nach welchen institutionellen<br />
Regeln Entscheidungen getroffen werden. Wenn dieser<br />
Frage nun nach Auffassung der Staats- <strong>und</strong> Regierungschefs<br />
nicht mehr ausgewichen werden kann <strong>und</strong> soll, dann bedeutet<br />
dies tatsächlich die Chance, EU-Europa zu vollenden. Damit<br />
wird aber auch ein enormes Konfliktpotenzial sichtbar,<br />
das neben der gr<strong>und</strong>sätzlichen Frage nach der maximal verkraftbaren<br />
Zahl an Mitgliedstaaten <strong>und</strong> unterschiedlichen Interessen<br />
auch daraus resultiert, dass sich die Mitglieder über<br />
die gr<strong>und</strong>sätzliche Richtung der Integration nicht einig sind.<br />
Hinzu kommt ein sich verschärfender Konflikt zwischen großen<br />
<strong>und</strong> kleinen Mitgliedern.<br />
12 Vgl. als Befürworter einer Avantgarde der Integrationswilligen in der<br />
GASP: Hans-Georg Ehrhart: Abschied vom Leitbild »Zivilmacht«.<br />
Konzepte zur EU-<strong>Sicherheit</strong>spolitik nach dem Irak-Krieg, in: Varwick/Knelangen<br />
(Anm. 1), S. 149-163, <strong>und</strong> als Skeptiker: Peter Schmidt:<br />
Kerneuropa in der <strong>Sicherheit</strong>spolitik. Integration oder Spaltung der EU?,<br />
in: Erich Reiter (Hrsg.): Jahrbuch für internationale <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />
2003, Hamburg 2003, S. 241-256.<br />
13 So Fischer etwa im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung<br />
vom 6.3.<strong>2004</strong>, S. 9.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 65
T H E M E N S C H W E R P U N K T | Varwick, The big ger the bette r?<br />
Zwar können Prognosen <strong>und</strong> Szenarien für verschiedene<br />
Entwicklungen skizziert werden, letztlich sind jedoch sowohl<br />
die externen politischen Herausforderungen als auch<br />
die internen Entwicklungen der EU nur begrenzt vorhersehbar.<br />
So ist an dieser Stelle auch keine Vorhersage über die<br />
Zukunft beabsichtigt. Vielmehr sollen die Szenarien aufzeigen,<br />
welche Entwicklungen künftig möglich sein könnten,<br />
unter welchen Voraussetzungen sie eintreffen <strong>und</strong> welche<br />
Implikationen sich daraus ergeben. Mit dieser wichtigen<br />
Einschränkung vorangestellt, lassen sich in idealtypischer<br />
Weise drei Szenarien für die künftige Entwicklung der Europäischen<br />
Union entwerfen: 14<br />
• Das Staatswerdungsszenario erwartet <strong>und</strong> fordert den »großen<br />
Sprung« nach vorne, ist allerdings äußert voraussetzungsreich.<br />
Denn ohne die Bereitschaft zur weiteren Abgabe<br />
staatlicher Souveränität ist eine solche Entwicklung<br />
nicht denkbar. Wenn die EU zum größten Erweiterungsschritt<br />
ihrer Geschichte antritt, dann wird es in dieser<br />
Perspektive entscheidend darauf ankommen, dass die<br />
beiden Säulen Erweiterung <strong>und</strong> Vertiefung ihre Balance<br />
behalten. Allein als gehobener Binnenmarkt würde eine<br />
erweiterte EU kaum funktionieren. So müsste von der<br />
Erweiterung früher oder später ein starker Druck in Richtung<br />
auf weitere Vertiefung ausgehen. Die EU entwickelt<br />
sich in dieser Perspektive mittelfristig zu einer »supranationalen<br />
Föderation« 15 mit einer Verfassung, starken Gemeinschaftsorganen,<br />
klarem Kompetenzkatalog sowie<br />
demokratischen Kontroll- <strong>und</strong> Legitimationsverfahren.<br />
Die Problemlösungsfähigkeit einer solchen Union wäre –<br />
wenn sie denn zu St<strong>and</strong>e käme – vergleichsweise hoch<br />
<strong>und</strong> Europa hätte als Zone des <strong>Frieden</strong>s <strong>und</strong> der Stabilität<br />
auch erhebliche Gestaltungskraft nach außen. Die Frage<br />
nach der künftigen Gestalt der EU ist damit aber noch<br />
nicht beantwortet. Denn bei diesem Szenario bleiben zunächst<br />
mehr Fragen als Antworten. Ist der Grad an gemeinsamer<br />
politisch-kultureller Identität gegeben, der<br />
Voraussetzung für eine solche Entwicklung ist? Welche<br />
Rolle spielen die Mitgliedstaaten <strong>und</strong> welche Kompetenzen<br />
werden sie behalten? Begibt sich die EU eher auf den<br />
präsidentiellen oder auf den parlamentarischen Entwicklungspfad?<br />
Mit wie vielen Staaten lässt sich eine solche<br />
Entwicklung praktikabel gestalten? Was passiert mit<br />
den Staaten, die nicht bereit sind, bei diesem Konzept<br />
mitzumachen?<br />
• Das Erosionsszenario nimmt hingegen an, dass die EU<br />
unter der Last der Erweiterung <strong>und</strong> den wachsenden Interessenunterschieden<br />
ihrer Mitgliedstaaten zusammenbricht<br />
oder schleichend erodiert. Die mit dem Ende des<br />
Ost-West-Konflikts veränderte politische L<strong>and</strong>schaft<br />
schlägt nunmehr – mehr als ein Jahrzehnt nach diesen<br />
tektonischen weltpolitischen Verschiebungen – voll auf<br />
den europäischen Integrationsprozess durch. So gibt es in<br />
dieser Perspektive Anzeichen dafür, dass jene Rivalitäten<br />
innerhalb Europas wieder auftauchen, die für ausgeräumt<br />
gehalten worden waren. Die Gemeinschaftsinstitutionen<br />
14 Siehe dazu Franco Algieri/Janis A. Emmanouilidis/Roman Maruhn: Europas<br />
Zukunft. Fünf EU-Szenarien, München 2003.<br />
15 Armin von Bogd<strong>and</strong>y: Die Europäische Union als supranationale Föderation,<br />
in: Integration (2) 1999, S. 95-112.<br />
66 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
sind in dieser Perspektive zu schwach, um als ausgleichendes<br />
Element zu wirken. Unter der Prämisse, dass die<br />
nationalstaatliche Ebene in einer wachsenden Zahl von<br />
Politikfeldern für die Lösung der zahlreichen Probleme<br />
nicht mehr der geeignete Ort ist, hat dieses Szenario für<br />
die Problemlösungsfähigkeit der Politik äußerst negative<br />
Auswirkungen. Denn wenn die europäische Ebene erodiert<br />
<strong>und</strong> kein angemessener Ersatz zur Verfügung steht,<br />
werden die Nationalstaaten auf Alleingänge setzen <strong>und</strong><br />
früher oder später in einen konfliktträchtigen Wettbewerb<br />
unterein<strong>and</strong>er geraten. Europa würde zum Raum<br />
der Instabilität werden <strong>und</strong> dementsprechend auch keinen<br />
Beitrag zur Lösung der außereuropäischen <strong>Sicherheit</strong>sprobleme<br />
leisten können.<br />
• Das Muddling-Through-Szenario geht davon aus, dass die<br />
Europäische Union im Großen <strong>und</strong> Ganzen das bleibt,<br />
was sie nach dem Integrationsst<strong>and</strong> zwischen Nizza-<br />
Vertrag <strong>und</strong> Verfassungskonvent ist: ein unvollkommenes,<br />
reformbedürftiges, kompliziertes politisches Gebilde<br />
sui generis, das dennoch für seine Mitgliedstaaten <strong>und</strong><br />
seine Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger wie auch für die Stabilität<br />
des Kontinents unverzichtbar ist. Die europäische Ebene<br />
hat staatsähnliche Kompetenzen <strong>und</strong> gleichzeitig wird<br />
ihr von den Mitgliedstaaten die Staatsqualität abgesprochen.<br />
Die Kraft zu einem den Erfordernissen angemessenen<br />
Reformschritt bringen die Mitgliedstaaten in dieser<br />
Perspektive gleichwohl nicht auf, es wird aber im Gr<strong>und</strong>satz<br />
allseits akzeptiert, dass ohne die EU in nahezu allen<br />
Politikfeldern kein effektives <strong>und</strong> effizientes Regieren<br />
mehr möglich ist. Innerhalb dieses Szenarios bleibt offen,<br />
ob das integrationspolitische Pendel zu mehr gemeinschaftlichen<br />
Lösungen oder zu einer Abkehr von der Integration<br />
ausschlagen wird. So wäre eine gewisse Rückverlagerung<br />
von Kompetenzen auf die Mitgliedstaaten<br />
ebenso denkbar wie die engere Zusammenarbeit einzelner<br />
Mitgliedstaaten diesseits oder jenseits des EU-Vertrags.<br />
Das Auftreten der EU auf internationaler Bühne bleibt so<br />
wie bisher: unvollkommen, widersprüchlich, aber letztlich<br />
doch für die Mitgliedstaaten unverzichtbar.<br />
Von allen drei Szenarien ist die Eintreffwahrscheinlichkeit<br />
des Muddling-Through-Szenarios als am höchsten einzuschätzen.<br />
In welcher Variante es sich durchsetzen wird, dürfte<br />
sehr stark von der Haltung wichtiger Mitgliedstaaten wie<br />
auch von den externen Faktoren – die sich aus den Unwägbarkeiten<br />
der internationalen Politik ergeben – abhängen.<br />
3.2 Bilanz: Die Grenzen der Integration<br />
Was folgt aus dieser Einschätzung für die Ausgangsüberlegung<br />
dieses Beitrags nach den Konsequenzen für die Bemühungen<br />
um eine effektive GASP/ESVP? Angesichts des erreichten<br />
Integrationsst<strong>and</strong>es in <strong>and</strong>eren Politikbereichen,<br />
der Schicksalsgemeinschaft einer gemeinsamen Währung<br />
<strong>und</strong> der anspruchsvollen Problembereiche in der internationalen<br />
Politik würde ein Scheitern der Bemühungen um europäische<br />
Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik das gesamte Projekt
Europäische Union gefährden. 16 Die gemeinsame außenpolitische<br />
Stimme Europas muss also nicht nur gesucht <strong>und</strong> in<br />
Sonntagsreden beschworen, sondern endlich auch gef<strong>und</strong>en<br />
werden. Was notwendig wäre, ist jedoch noch nicht mehrheitsfähig:<br />
die radikale Verlagerung sicherheitspolitischer<br />
Souveränität <strong>und</strong> Loyalität weg von den Hauptstädten bzw.<br />
die Einführung von Mehrheitsentscheidungen auch im Bereich<br />
der GASP/ESVP. Dennoch bleibt der ambivalente Charakter<br />
der GASP/ESVP zwischen Integration <strong>und</strong> nationaler<br />
Souveränitätswahrung erhalten. Der Weg ist also weiterhin<br />
steinig, aber er dürfte inzwischen unumkehrbar sein. EU-<br />
Europa wird mehr für seine eigene <strong>Sicherheit</strong> verantwortlich<br />
sein als jemals zuvor <strong>und</strong> die europäische Politik muss die<br />
Voraussetzungen dafür verbessern, diese Rolle auch auszufüllen.<br />
Die Europäische Union wird ein »Staatenverein in einer<br />
Welt von Staaten bleiben. Das Zeug zur Utopie hat sie<br />
nicht, aber es ist noch nicht lange her, da hätte sie niem<strong>and</strong><br />
zu träumen gewagt.« 17 Doch heute geht es weniger um die<br />
16 Zu diesem Zusammenhang siehe Johannes Varwick: Die ESVP: eine folgerichtige<br />
Weiterentwicklung der GASP?, in: Werner Hoyer/Gerd<br />
Kaldrack (Hrsg.): Europäische <strong>Sicherheit</strong>s- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik. Der<br />
Weg zu integrierten europäischen Streitkräften?, Baden-Baden 2002, S.<br />
96-107.<br />
17 Joscha Schmierer: Mein Name sei Europa. Einigung ohne Mythos <strong>und</strong><br />
Utopie, Frankfurt/M. 1996, S.207.<br />
Varwick, The big ger the bet ter? | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />
Verwirklichung der Utopie eines befriedeten <strong>und</strong> friedlichen<br />
Kontinents Europa (obgleich dieser Gedanke nichts an Aktualität<br />
verloren hat), sondern auch um die Gestaltungskraft<br />
der EU in der Welt des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts. Und um diese Gestaltungskraft<br />
sieht es aller Wahrscheinlichkeit unter den<br />
gegebenen Vorraussetzungen europäischer Politik eher bescheiden<br />
aus.<br />
Denn ein schleichender Zerfall der EU ist ebenso wenig auszuschließen<br />
wie die Entwicklung einer völlig neuen Integrationsform<br />
jenseits der bestehenden Verträge. Obgleich sich<br />
der Bereich Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik wie kaum ein <strong>and</strong>eres<br />
Politikfeld für gemeinschaftliche Lösungen geradezu<br />
aufdrängen würde, steht nicht zu erwarten, dass mit 25 oder<br />
gar 30 Mitgliedstaten das gelingen könnte, was schon mit 15<br />
Staaten nicht erreicht werden konnte: die wirksame Einbringung<br />
einer gemeinsamen europäischen Stimme in die<br />
internationale Politik. Dabei wird den Europäern, die im Übrigen<br />
von außen schon sehr viel mehr als ein gemeinsamer<br />
Akteur wahrgenommen <strong>und</strong> nachgefragt werden, als dies<br />
von innen erkennbar wäre, schon lange nicht mehr gestattet,<br />
sich auf interne Nabelschau <strong>und</strong> innere Streitereien zu<br />
beschränken. Die schwierigen Debatten über die Zukunft der<br />
Integration wie auch der europäischen Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />
stehen der EU erst noch bevor.<br />
Europäische <strong>Sicherheit</strong>spolitik am Scheideweg<br />
Hans J. Giessmann*<br />
Abstract: The accession of seven East <strong>and</strong> Central European states to NATO, <strong>and</strong> the entry of ten states to the EU, represent<br />
an unprecedented peaceful transformation of the continent’s security l<strong>and</strong>scape. Yet ironically, the euphoria that came with<br />
the end of the Cold War has run its course. It has been replaced by cool calculation, shifting coalitions based on selfinterest,<br />
<strong>and</strong> the politics of the lowest common denominator. As the differences of opinion over the War in Iraq <strong>and</strong> the<br />
draft European constitution have made clear, Europe is by no means simply split into an »old« <strong>and</strong> a »new« camp. There is<br />
room for scepticism whether enlargement of EU <strong>and</strong> NATO will make it any easier to both to achieve internal consensus over<br />
goals <strong>and</strong> to resolve long-st<strong>and</strong>ing conflicts of interest between members.<br />
Key Words: Enlargement EU/NATO, Euro-Atlantic <strong>Security</strong>, Eastern Europe<br />
Wie auch immer die Erweiterung der Nordatlantischen<br />
Allianz <strong>und</strong> der Europäischen Union<br />
einst rückblickend beurteilt wird, eines steht<br />
heute bereits fest: Das Jahr <strong>2004</strong> markiert eine Zäsur in<br />
der wechselvollen Geschichte Europas. Mit der weitreichenden<br />
Veränderung seiner sicherheitspolitischen Geographie<br />
wurde der durch den Zweiten Weltkrieg entst<strong>and</strong>ene<br />
Riss zwischen Ost <strong>und</strong> West beseitigt. Ob die<br />
Erweiterung wirklich ein historischer Schritt zur Vereinigung<br />
Europas war, oder an <strong>and</strong>erer Stelle möglicherweise<br />
neue Bruchlinien von Dauer entstehen, bleibt künftiger<br />
* Prof. Dr. Dr. Hans J. Giessmann ist stellvertretender Wiss. Direktor am<br />
Institut für <strong>Frieden</strong>sforschung <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik an der Universität<br />
Hamburg.<br />
Bewertung vorbehalten. Skepsis ist nicht unbegründet. Sie<br />
stützt sich auf die Beobachtung einer in den zurückliegenden<br />
fünf Jahren auffällig disproportionalen politischen<br />
<strong>und</strong> institutionellen Dynamik im euroatlantischen<br />
Binnenverhältnis. Von der Euphorie jener Gipfeltreffen,<br />
auf denen einst die Weichen für die Erweiterung gestellt<br />
wurden, ist hinter der zur Schau getragenen Fassade ungetrübter<br />
Feierstimmung nicht mehr viel zu spüren. Statt<br />
dessen dominieren nüchterne Interessenkalküle, wechselnde<br />
Koalitionen, Politikansätze des kleinsten gemeinsamen<br />
Nenners. Europa befindet sich zum wiederholten<br />
Male an einem Scheideweg. Die jüngsten Erfahrungen<br />
bieten Anlass zur Sorge, dass sich die verantwortlich<br />
H<strong>and</strong>elnden dessen nur ungenügend bewusst sind <strong>und</strong><br />
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sie deshalb die gegebenen Chancen wiederum nicht nutzen<br />
könnten.<br />
1. Erweiterung: Integrationsmotor oder<br />
Spaltpilz?<br />
Die divergierenden Haltungen der europäischen Staaten<br />
zum Irakkrieg waren nur die Spitze des Eisbergs erkennbarer<br />
Interessenkonflikte zwischen den bisherigen Mitgliedern<br />
der EU <strong>und</strong> der NATO einerseits sowie den »neuen«<br />
<strong>und</strong> den »alten« EU- <strong>und</strong> NATO-Staaten <strong>and</strong>ererseits. In<br />
der Einstellung zum Krieg best<strong>and</strong> angesichts der harten<br />
Position der Bush-Regierung für die Europäer kein Spielraum<br />
für Kompromisse. So war durch mangelnde Übereinstimmung<br />
der Positionen der Europäer unterein<strong>and</strong>er<br />
offener Streit vorprogrammiert. Der Dissens war <strong>und</strong> blieb<br />
jedoch nicht auf die Haltung zum Irakkrieg beschränkt.<br />
Dass zum Beispiel im Winter 2003 Spanien <strong>und</strong> Polen für<br />
die Durchsetzung ihrer Interessen bereit schienen, das<br />
Projekt der Europäischen Verfassung zu Fall zu bringen,<br />
zeigte zum einen, wie weit die Idee europäischer Einheit<br />
noch von ihrer Verwirklichung entfernt ist, zum <strong>and</strong>eren,<br />
dass einzelne Staaten imst<strong>and</strong>e sind, die Europäische Einigung<br />
auch als Ganzes zu gefährden.<br />
Die aufgebrochenen Streitlinien verliefen nicht entlang<br />
der neuen <strong>und</strong> der alten Mitglieder. Insofern sind u.U.<br />
auch durch die Erweiterung von NATO <strong>und</strong> EU neue<br />
Kräftebalancen zu erwarten, die aus der Komposition partikularer<br />
Interessen der Staaten bzw. jeweils interessierter<br />
Staatengruppen erwachsen. Dass die Einigung über gemeinschaftliche<br />
Ziele <strong>und</strong> eine Konsensbildung in der<br />
Tagespolitik unter diesen Voraussetzungen in den erweiterten<br />
Organisationen besser gelingt als bisher, dürfte lediglich<br />
von unerschütterlichen Optimisten für möglich<br />
gehalten werden.<br />
Wie auch immer die Dinge sich wenden, jegliches Klagen<br />
<strong>und</strong> Jammern käme zu spät. Es gibt kein Zurück <strong>und</strong><br />
niem<strong>and</strong> sollte angesichts der gegenwärtigen <strong>und</strong> künftigen<br />
Probleme im Umgang mitein<strong>and</strong>er ernsthaft den<br />
Verlust der europäischen Teilung bedauern. Ihre Überwindung<br />
birgt unendlich mehr Chancen als Risiken. Ungeachtet<br />
abweichender Auffassungen <strong>und</strong> Interessen bietet<br />
der gemeinsame Wertekanon der neuen <strong>und</strong> der alten<br />
Mitglieder, der durch demokratischen Pluralismus <strong>und</strong><br />
marktwirtschaftliche Liberalität, durch die Anerkennung<br />
der Universalität von Menschenrechten <strong>und</strong> durch<br />
Rechtsstaatlichkeit gekennzeichnet ist, ein solides F<strong>und</strong>ament<br />
für gemeinschaftliches H<strong>and</strong>eln. Dieses nicht zu<br />
nutzen, würde nicht nur die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit<br />
<strong>und</strong> das soziale Lebensniveau im globalen Wettbewerb<br />
schmälern, sondern auch das politische Gewicht<br />
<strong>und</strong> den Einfluss Europas auf die Geschicke der Weltpolitik<br />
verringern. Schließlich stünde auch innenpolitisch<br />
viel auf dem Spiel. Die Anerkennung beider Organisationen<br />
als Hüterinnen demokratischer Werte <strong>und</strong>, ihrem<br />
eigenen Selbstverständnis entsprechend, auch als institutionelle<br />
Anker gemeinsamer <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Zusammen-<br />
68 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
arbeit im euroatlantischen Raum ist <strong>und</strong> bleibt für die<br />
Unterstützung der EU <strong>und</strong> NATO, für die Bereitstellung<br />
ausreichender Ressourcen durch die Parlamente sowie die<br />
äußere <strong>und</strong> Binnenwirkung der europäischen Idee unverzichtbar.<br />
Gleichwohl sich die Erweiterungen von NATO zum 1. April<br />
<strong>2004</strong> <strong>und</strong> der EU zum 1. Mai <strong>2004</strong> nahezu zeitgleich<br />
vollzogen haben <strong>und</strong> mit Ausnahme Maltas <strong>und</strong> Zyperns<br />
der Kreis der Neumitglieder ausschließlich Staaten Mittel<strong>und</strong><br />
Osteuropas umfasst, 1 sind deren Ziele <strong>und</strong> deren Folgen<br />
sehr unterschiedlich zu beurteilen.<br />
Die Europäische Union ist eine <strong>Frieden</strong>sgemeinschaft sui<br />
generis, deren Wesen, gestützt auf rechtsgemeinschaftliche<br />
Prinzipien, in einer engen strukturellen Integration der<br />
Partnerstaaten <strong>und</strong> ihrer Gesellschaften besteht. Diese<br />
schließt die Bereitschaft zum freiwilligen Transfer partieller<br />
nationalstaatlicher Souveränität in die Obhut der<br />
Rechtsgemeinschaft zu wechselseitigem Vorteil ein. Der<br />
erreichte Grad der Verflechtung innerhalb der Europäischen<br />
Union verw<strong>and</strong>elt einstige nationalstaatliche Grenzen<br />
im Binnenverhältnis der EU sukzessiv in residuale<br />
Demarkationslinien einzelstaatlicher Verwaltung <strong>und</strong> hat<br />
faktisch im Zuge dessen insbesondere die Bedeutung von<br />
nationalen Streitkräften für die Wahrung <strong>und</strong> den Ausgleich<br />
von Interessen der Mitgliedstaaten unterein<strong>and</strong>er<br />
aufgehoben. Die neuen Mitglieder profitieren von einer<br />
in 50 Jahren gewachsenen strukturellen <strong>Frieden</strong>sordnung,<br />
sie mussten aber auch in weit höherem Maße als frühere<br />
Beitrittsländer eigene Anstrengungen unternehmen, dem<br />
inzwischen qualifizierten Normen- <strong>und</strong> Rechtsgefüge der<br />
Europäischen Union Rechnung zu tragen. Während seinerzeit<br />
beispielsweise Spanien noch etwa 8.000 Rechtsakte<br />
im Rahmen des ‚acquis communautaire’ zu berücksichtigen<br />
hatte, waren es für die neuen Mitglieder der EU in<br />
den zurückliegenden Jahren der Beitrittsvorbereitung annähernd<br />
30.000. Die stabilisierende Wirkung der Europäischen<br />
Union nach außen wurde – <strong>und</strong> wird größtenteils<br />
bis in die Gegenwart hinein – vor allem durch ihren Erfolg<br />
als normengeleitete <strong>Frieden</strong>sgemeinschaft im Innern<br />
<strong>und</strong> durch ihren zivilen, vornehmlich wirtschaftlichen<br />
<strong>und</strong> finanziellen Beitrag zur Linderung <strong>und</strong> Beilegung<br />
von Konflikten jenseits ihrer Außengrenzen begründet.<br />
Die militärische Komponente der Union spielte demgegenüber<br />
bisher eine nachrangige Rolle. Ihre Funktion zu<br />
präzisieren <strong>und</strong> in den Gesamtkontext der Gemeinsamen<br />
Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik einzubetten, ist eine der<br />
wichtigsten Herausforderungen der kommenden Jahre,<br />
die von allen Mitgliedern – den alten wie den neuen –<br />
jetzt als gemeinsame Aufgabe zu bewältigen ist.<br />
Die NATO hingegen ist in erster Linie eine <strong>Sicherheit</strong>sgemeinschaft<br />
von Staaten, deren Kern trotz aller Anpassungen<br />
an neue Aufgaben weiterhin in der in Artikel 5 des<br />
Washingtoner Vertrages verankerten Beist<strong>and</strong>sgarantie<br />
der Mitglieder unterein<strong>and</strong>er gegen von außen auf das<br />
Bündnisgebiet gerichtete bewaffnete Angriffe oder An-<br />
1 Vgl. Europäische Union, Liste der Beitrittsk<strong>and</strong>idaten, unter:<br />
http://europa.eu.int/comm/enlargement/c<strong>and</strong>idate_de.htm.
Gie s s ma nn , Eur opäis c he Sic herheits p olitik a m Scheidewe g | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />
griffsdrohungen besteht. 2 Verflechtungen innerhalb der<br />
Allianz beschränken sich auf strukturelles Zusammenwirken<br />
der Streitkräfte, wobei die Autonomie einzelstaatlicher<br />
Entscheidungsbefugnis nicht berührt wird, d.h. alle<br />
wichtigen Entscheidungen des Bündnisses werden weiterhin<br />
ausschließlich im Konsens getroffen. Das Bündnis<br />
kollektiver Verteidigung regelt das koordinierte Verhalten<br />
gegenüber Außenstehenden, für sicherheitspolitische<br />
Streitfragen der Mitglieder unterein<strong>and</strong>er hält es allenfalls<br />
jene Instrumente der politischen Vermittlung vor, die<br />
den Staaten durch Diplomatie ohnehin zur Verfügung<br />
stehen.<br />
Beide – die Europäische Union wie die NATO – haben begonnen,<br />
ihre Funktionen unter dem Anpassungsdruck an<br />
veränderte Herausforderungen nach dem Ende des Kalten<br />
Krieges neu zu interpretieren <strong>und</strong> neue Aufgaben zu<br />
bestimmen. Die Erweiterung beider Organisationen ist<br />
dabei zugleich Teil <strong>und</strong> Ergebnis dieser neuen Interpretation.<br />
Am Beginn der 1990er Jahre st<strong>and</strong> die gemeinsame<br />
Überzeugung der Mitglieder, dass Vertiefung <strong>und</strong> Erweiterung<br />
als Einheit beh<strong>and</strong>elt werden müssten. Die Bereitschaft<br />
zur Erweiterung wurde mit der Forderung an die<br />
Erfüllung von Beitrittskriterien durch die K<strong>and</strong>idatenstaaten<br />
verknüpft. Für den Beitritt zur EU galten die sogenannten<br />
Kopenhagener Kriterien als Maßstab, für die<br />
NATO die im September 1995 formulierten Beitrittskriterien.<br />
Der Zeitraum bis zur Erweiterung sollte für die Anpassung<br />
beider Organisationen an neue Funktionen <strong>und</strong><br />
Aufgaben genutzt werden. Die Terroranschläge vom 11.<br />
September 2001 <strong>und</strong> ihre Folgen brachten jedoch diesen<br />
Ablaufplan durchein<strong>and</strong>er. Einerseits bestärkten sie zwar<br />
die kollektive Einsicht in das Erfordernis einer starken<br />
<strong>und</strong> erweiterten Gemeinschaft. Andererseits wurde<br />
schlagartig klar, dass die Anpassungen der EU <strong>und</strong> NATO<br />
an die neuen Herausforderungen zur <strong>Sicherheit</strong> sehr viel<br />
gr<strong>und</strong>sätzlicher ausfallen mussten, als noch vor wenigen<br />
Jahren erwartet. Diese Aufgabe gilt es nun unter schwierigeren<br />
äußeren Voraussetzungen zu meistern <strong>und</strong> dabei<br />
gleichzeitig die unterschiedlichen Interessen der Akteure<br />
unter einen Hut zu bekommen. Ob die Erweiterung angesichts<br />
neuer Rahmenbedingungen als Integrationsmotor<br />
wirken kann oder zum Spaltpilz wird, hängt vom Willen<br />
aller Beteiligten ab, gemeinschaftlichen Nutzen vor Einzel-<br />
oder Gruppeninteressen zu stellen.<br />
2. Von der »neuen alten« NATO zur »neuen«<br />
NATO?<br />
Die »neue« NATO wurde rhetorisch bereits vor zehn Jahren<br />
aus der Taufe gehoben. Die vergangenen Jahre, insbesondere<br />
der Streit um die Rolle des Bündnisses im Kampf<br />
gegen den Terror, aber auch um seine Rolle im Vorgehen<br />
der USA gegen den Irak, machten allerdings deutlich, dass<br />
die Rollenbestimmung für die NATO bis heute nicht<br />
zufriedenstellend gelöst worden ist. Zum einen bestimmte<br />
2 Vgl. NATO, The North Atlantic Treaty, Washington D.C.- 4. April<br />
1949, unter: http://nato.int/docu/basictxt/treaty.htm.<br />
die Ausgangslage des Ost-West-Konflikts nach dessen Ende<br />
auch weiterhin das strategische Kalkül in der Allianz in<br />
den 1990er Jahren. Im Unterschied zur kooperativen politischen<br />
Rhetorik wurde dieses Kalkül durch Sorgen hinsichtlich<br />
langfristiger Stabilitätsrisiken in Russl<strong>and</strong> <strong>und</strong><br />
hierauf gestützte Überlegungen zur strategischen Dominanz<br />
des Bündnisses in Europa geleitet. Zum <strong>and</strong>eren<br />
blieb der politische Dissens zwischen den Ansprüchen der<br />
Führungsmacht <strong>und</strong> den Ambitionen der europäischen<br />
Partner unaufgelöst. Die USA betrachteten die künftige<br />
Rolle der NATO vor allem durch das Prisma ihrer nationalen<br />
Interessen <strong>und</strong> ihres Beitrages zu deren Durchsetzung.<br />
Die großen europäischen Staaten sahen die künftigen<br />
Aufgaben der NATO auch weiterhin auf den<br />
euroatlantischen Raum, erweitert um seine östliche <strong>und</strong><br />
südöstliche Peripherie, beschränkt. Die euroatlantische<br />
Klammerfunktion, die <strong>Sicherheit</strong>sgarantie gegenüber<br />
Russl<strong>and</strong> <strong>und</strong> ein erweitertes gemeinsames Krisenmanagement<br />
unter dem Dach der Vereinten Nationen bildeten<br />
aus ihrer Sicht weitere Kernfunktionen der Allianz. Insofern<br />
wäre es falsch, die »Abstimmungsprobleme« in der<br />
NATO einer übereilten Erweiterungspolitik anzulasten.<br />
Allerdings könnte die Erweiterung der NATO um zehn<br />
neue Mitglieder, einschließlich der bereits 1999 in Kraft<br />
getretenen Mitgliedschaften Polens, Tschechiens <strong>und</strong> Ungarns,<br />
die Kräfteverhältnisse für die Auflösung dieses Dissens<br />
von Bedeutung sein, insbesondere wenn die Schwierigkeiten<br />
der Europäer, gemeinschaftliche Positionen zu<br />
erarbeiten noch zunehmen sollten. Sollte der Dissens aber<br />
nicht gelöst werden, stünde das Schicksal der NATO als<br />
starkes <strong>und</strong> h<strong>and</strong>lungsfähiges Bündnis früher oder später<br />
auf dem Spiel.<br />
Bereits der Prager Erweiterungsgipfel im November 2002<br />
machte das Ausmaß der schwelenden Krise deutlich. Dem<br />
Pathos der Gipfelsprache, die NATO als ein »Bündnis für<br />
<strong>Frieden</strong>, Demokratie <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>« 3 auszugestalten, entsprach<br />
so gar nicht das zeitgleich erbärmliche Bild, das<br />
die Mitglieder des Bündnisses im <strong>Sicherheit</strong>srat der Vereinten<br />
Nationen hinsichtlich des Vorgehens gegen den<br />
Irak an den Tag legten. Der Beschluss zur Einrichtung einer<br />
Reaktionsstreitmacht (NATO Response Force), von<br />
den Gipfelteilnehmern als großer Erfolg gewürdigt, war in<br />
Wahrheit Zugeständnis jener Europäer an die Adresse<br />
Washingtons, die sich am Krieg nicht beteiligen, jedoch<br />
auch nicht die <strong>Sicherheit</strong>sgemeinschaft mit den USA gefährden<br />
mochten. In der Sache sahen sie zwar die NRF als<br />
den Versuch der USA an, die Bedeutung der bereits beschlossenen<br />
Krisenreaktionskräfte unter dem Komm<strong>and</strong>o<br />
der EU zu relativieren <strong>und</strong> dadurch amerikanischen Einfluss<br />
auf die europäische <strong>Sicherheit</strong>spolitik auf Dauer zu<br />
behaupten. Deutschl<strong>and</strong>, Frankreich <strong>und</strong> <strong>and</strong>ere europäische<br />
Regierungen machten jedoch letztlich aus wohlverst<strong>and</strong>enem<br />
Eigeninteresse gute Miene zu diesem Spiel,<br />
trotz der keineswegs freiwilligen Übernahme zusätzlicher<br />
Pflichten. Ihr Verhalten bestätigte einmal mehr die Erfah-<br />
3 NATO, Prager Gipfelerklärung der Staats- <strong>und</strong> Regierungschefs auf<br />
dem Treffen des Nordatlantikrats in Prag, am 21. November 2002,<br />
NATO Press Release (2002) 127, 22.11.2002, unter:<br />
http://nato.int/docu/other/de/2002/p02-127d.htm.<br />
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T H E M E N S C H W E R P U N K T | Gie s s ma nn , Eur opäis c he Sic herheits poli tik a m Scheidewe g<br />
rungen aus der Vergangenheit, dass die Bündnispartner,<br />
vor allem in Europa, in zugespitzten Entscheidungssituationen<br />
stets um des Erhalts der Allianz willen zu größeren<br />
Kompromissen gegenüber den USA bereit sind. Es sind<br />
dabei die unbestreitbaren <strong>Sicherheit</strong>svorteile, die das<br />
Bündnis bietet, welche die Mitglieder vor existenzbedrohenden<br />
Schritten zurückschrecken lassen. So lange diese<br />
Vorteile für die Mitglieder erkennbar bleiben, so lange<br />
wird der Best<strong>and</strong> der NATO nicht gr<strong>und</strong>sätzlich gefährdet<br />
sein. Gleichwohl bleibt dadurch die Frage unbeantwortet,<br />
ob dies auf lange Sicht ausreichen wird, wenn nicht etwa<br />
Verteidigung von Territorium sondern von veränderlichen<br />
Interessen der Mitglieder zur Kernaufgabe der NATO<br />
wird.<br />
Die wichtigsten Erfolge der NATO sind Vergangenheit: ihr<br />
Beitrag zum Ende des Ost-West-Konflikts, zur militärischpolitischen<br />
Stabilität in Europa, zur Reform des <strong>Sicherheit</strong>ssektors<br />
in den ehemaligen sozialistischen Ländern,<br />
zur militärischen Vertrauensbildung <strong>und</strong> zur Beendigung<br />
des Krieges auf dem Balkan. 4 In Afghanistan blieb die<br />
NATO zunächst ungefragt, die Erfolgsaussichten ihrer<br />
später übernommenen ISAF-Mission sind ungewiss. Eine<br />
von den USA ins Spiel gebrachte Rolle der NATO für den<br />
Irak ab 2005 scheint vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Entwicklungen<br />
des vergangenen Jahres, darunter auch dem Truppenabzug<br />
durch Spanien, unrealistisch, jedenfalls für den<br />
Zusammenhalt der Allianz hochproblematisch. Die Art<br />
<strong>und</strong> Weise, wie die USA den »Krieg gegen den Terror«<br />
führen, hat die Interessenkonflikte zwischen den Bündnispartnern<br />
offen ausbrechen lassen <strong>und</strong> nicht zuletzt<br />
dadurch der NATO einen beispiellosen Bedeutungsverlust<br />
beschert.<br />
Hinzu kommen unterschiedliche Erwartungen an das<br />
Bündnis durch die Mitglieder, die umso gravierender wirken,<br />
wie ein übergeordnetes Interesse zur Abwehr eines<br />
klar bestimmbaren militärischen Gegners nicht mehr auszumachen<br />
ist. Unter den neuen Mitgliedern dominiert<br />
der Wunsch nach einer starken <strong>Sicherheit</strong>sgarantie durch<br />
die USA (gegenüber Russl<strong>and</strong>). Sie sehen die NATO als<br />
Klammer für die dauerhafte Bindung der USA an diese<br />
Garantie. Einige Staaten befürworten eine besser abgestimmte<br />
Arbeitsteilung zwischen EU <strong>und</strong> NATO auf Augenhöhe,<br />
<strong>and</strong>ere plädieren für eine Führungsrolle der<br />
NATO auch in der europäischen <strong>Sicherheit</strong>s- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik.<br />
Vor allem die kleinen Allianzpartner erwarten<br />
von der NATO politische Rückenstärkung für die<br />
Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber den größeren<br />
europäischen Mächten. Schließlich wird auch der Umfang<br />
der Lastenverteilung <strong>und</strong> der Verantwortung innerhalb<br />
des Bündnisses unterschiedlich beurteilt. Indem die<br />
NATO zur Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder als ein<br />
zwar weiterhin wichtiges, aber nicht mehr durch äußeren<br />
Druck aufgezwungenes Instrument gemeinsamer <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />
gilt, hat sich ihre Geschäftsgr<strong>und</strong>lage wesentlich<br />
geändert. Existiert keine gemeinsame Bedrohung, die<br />
ein geeintes H<strong>and</strong>eln zwingend macht, besteht theore-<br />
4 Vgl. hierzu die Länderkapitel in: Hans J. Giessmann/Gustav E. Gustenau,<br />
<strong>Security</strong> H<strong>and</strong>book 2001, Baden-Baden: Nomos, 2001.<br />
70 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
tisch auch kein Zwang mehr zur Konsensfindung in strittigen<br />
Fragen.<br />
So paradox es klingt, der Erfolg der NATO bei der Überwindung<br />
jener Bedrohung, die einst zu ihrer Gründung<br />
führte, stellt nunmehr ihre künftige Leistungsfähigkeit<br />
auf den Prüfst<strong>and</strong>. Wenn nämlich Interessenkonflikte<br />
zwischen den Mitgliedern nicht mehr ausgest<strong>and</strong>en werden,<br />
sondern diese dazu führen, dass das Bündnis nur<br />
noch für jene Fälle aktiviert wird, in denen von vornherein<br />
Konsens zu erwarten ist, besteht die Gefahr, dass einzelne<br />
Mitglieder die Fähigkeiten der NATO vornehmlich<br />
nur noch als Ressourcenpool zur Durchsetzung von Interessen<br />
außerhalb der Bündnisstrukturen erachten. Dies<br />
würde ihre Existenz zwar nicht zwingend gefährden, ihre<br />
Rolle jedoch weiter marginalisieren. Ein Indiz hierfür war<br />
der Umgang der USA mit der NATO, nachdem diese erstmals<br />
in ihrer Geschichte den Bündnisfall erklärt hatte.<br />
Dass sich die USA im Vorgehen gegen Afghanistan aus<br />
Gründen uneingeschränkter H<strong>and</strong>lungsfreiheit nicht auf<br />
die Allianz sondern auf »Koalitionen der Willigen« verließen,<br />
machte die NATO in den Augen mancher Beobachter<br />
zum »prominentesten Opfer der Terrorakte des 11.<br />
September.« 5 Donald Rumsfelds Diktum, »die Mission<br />
entscheidet über die Koalition« 6 verwies die NATO nicht<br />
nur rhetorisch in die zweite Reihe. Es drückte aus, dass<br />
sich die USA in der Verfolgung ihrer Interessen nicht von<br />
<strong>and</strong>eren Staaten – auch nicht von den Bündnispartnern –<br />
fesseln lassen würden. Die Worte mögen zwar weniger<br />
scharf gewesen sein, doch auch manche Überlegungen<br />
zur ESVP waren zweifellos ähnlich davon geleitet, europäische<br />
Interessen außerhalb der NATO <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />
ohne Mitsprache der USA durchsetzen zu können.<br />
Die Probleme der NATO liegen also nicht in der militärischen<br />
Effizienz des Bündnisses, sondern in der Schwierigkeit,<br />
das geänderte Rollenverständnis der Allianz als der<br />
eines globalen <strong>Security</strong> Providers anstelle eines Systems<br />
kollektiver Verteidigung mit dem divergierenden Interessenspektrum<br />
aller Mitglieder in Übereinstimmung zu<br />
bringen. Ihre Lösung liegt insofern auch nicht in der gegenwärtig<br />
vieldiskutierten Aufhebung asymmetrischer<br />
militärischer Fähigkeiten diesseits <strong>und</strong> jenseits des Atlantiks.<br />
Die sogenannte »Fähigkeitslücke« der Europäer im<br />
Rüstungswettlauf mit sich selbst zu beseitigen, wäre sowohl<br />
aus politischen wie aus finanziellen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />
Gründen ein Irrweg. Die Stärken Europas <strong>und</strong> Amerikas<br />
sind <strong>und</strong> bleiben auch künftig ungleich verteilt.<br />
Wichtigstes produktives Kapital der NATO ist Synergiefähigkeit.<br />
Eine vernünftige Arbeitsteilung ließe strukturelle<br />
Ungleichgewichte zwischen Europa <strong>und</strong> den USA auch<br />
auf Dauer zu <strong>und</strong> selbst eine militärische Hegemonie der<br />
USA im Bündnis wäre kein Problem, sofern die militärische<br />
Komponente Teil eines auf Kollektivität gestützten,<br />
schlüssigen <strong>und</strong> rechtskonformen <strong>Sicherheit</strong>skonzepts der<br />
Allianz wäre, in dessen Rahmen europäische Stärken ge-<br />
5 Helga Haftendorn, Das Ende der alten NATO, in: Internationale<br />
Politik, Jg. 57 Nr. 4/2002, S. 49.<br />
6 Interview mit Donald Rumsfeld, CBS »Face the Nation«, 23.9.2001,<br />
unter: http://nato.usmission.gov/dod/s20010923a.html.
Gie s s ma nn , Eur opäis c he Sic herheits p olitik a m Scheidewe g | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />
nau so ernst genommen werden wie amerikanische<br />
Schwächen <strong>und</strong> umgekehrt.<br />
Das Zukunftsproblem der NATO ist vorwiegend politischer,<br />
nicht militärisch-operativer, Natur. Die unterschiedlichen<br />
politischen Interessen auszubalancieren, ist<br />
eine schwierige Herausforderung für alle Beteiligten. Die<br />
neuen Mitglieder scheinen eine Kursbestimmung für die<br />
NATO zu unterstützen, die sich auf die Hegemonie der<br />
USA, auf eine Präferenz der militärischen Funktionen der<br />
NATO, auf eine vergleichsweise schwache Rolle für die<br />
ESVP <strong>und</strong> auf ihren bevorzugten Status in den rüstungswirtschaftlichen<br />
Bindungen an die USA rückführen lassen.<br />
Die Erweiterung wird es deshalb nicht einfacher machen,<br />
Antworten auf die politischen Kernfragen der<br />
»neuen« NATO zu geben. Sie ist umgekehrt aber auch<br />
nicht haftbar zu machen, dass zufriedenstellende Antworten<br />
bisher ausgeblieben sind.<br />
3. Die Europäische Union auf dem Weg zur<br />
Europäischen Allianz?<br />
Bis 1998 war die sicherheitspolitische Komponente der<br />
Europäischen Union nur schwach ausgeprägt, von der<br />
Schaffung eines verteidigungspolitischen Arms ganz zu<br />
schweigen. Vor allem die doppelte europäische Lehre des<br />
Kosovo-Krieges, bei der Gewaltprävention versagt zu haben<br />
<strong>und</strong> im militärischen Krisenmanagement von den<br />
USA abhängig gewesen zu sein, führte zu einem Umdenken<br />
vor allem in den großen EU-Staaten mit unerwartet<br />
raschen praktischen Folgen. Es schien, als hätten die<br />
Partner endlich das Erfordernis eines engeren sicherheitspolitischen<br />
Zusammenschlusses erkannt <strong>und</strong> die notwendigen<br />
Schlussfolgerungen aus dem gescheiterten<br />
Krisenmanagement gezogen. Das 1999 in Helsinki verabschiedete<br />
Headline Goal der EU sah die Bereitstellung einer<br />
operativen militärischen Komponente in einer Größenordnung<br />
von 50. bis 60.000 Soldaten zur Umsetzung der<br />
sogenannten Petersberg-Missionen vor. 7 Die anschließende<br />
Capabilities Commitments Conference im November<br />
2000 legte als vorläufige Planungsgrößen zur Absicherung<br />
des Headline Goal die Bereitstellung von 100.000 Soldaten,<br />
400 Kampfflugzeugen <strong>und</strong> 100 Marineschiffen fest. 8<br />
Im Verlauf der anschließenden Ausformung der ESVP bis<br />
zum Europäischen Rat von Laeken im Dezember 2001<br />
wurde allerdings sukzessiv von den ursprünglich sehr<br />
ambitionierten <strong>und</strong> umfassenden Aufgaben im Rahmen<br />
des Petersberg-Spektrums abgerückt, eine Konsequenz unter<br />
<strong>and</strong>erem des sehr schwierigen Abstimmungsprozesses<br />
über die Arbeitsteilung zwischen der NATO <strong>und</strong> der EU.<br />
Hinzu kam der infolge der Terroranschläge vom 11. Sep-<br />
7 Vgl. Manfred Baumgartner, Eine Streitmacht für mancherlei Zwecke –<br />
Können die Europäer das Headline Goal erfüllen? In: Erich Reiter/Reinhardt<br />
Rummel/Peter Schmidt (Hg.): Europas ferne Streitmacht.<br />
Chancen <strong>und</strong> Schwierigkeiten der Europäischen Union beim<br />
Aufbau der ESVP, Forschungen zur <strong>Sicherheit</strong>spolitik: Bd. 6, Hamburg<br />
2002, S. 13f.<br />
8 Vgl. Europäische Union, EU Military Structures. Military Capabilities<br />
Commitment Declaration, unter:<br />
http://ue.eu.int/pesc/military/en/CCC.htm.<br />
tember 2001 gew<strong>and</strong>elte strategische Kontext. Der Europäische<br />
Rat von Sevilla im Juni 2002 stellte zwar das Erfordernis<br />
einer integrativen Perspektive auf die künftigen<br />
Aufgaben der <strong>Sicherheit</strong>s- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik fest.<br />
Angesichts des von der NATO erklärten Bündnisfalls war<br />
jedoch die Option einer kollektiven Verteidigungsunion,<br />
einschließlich der Schaffung einer gemeinsamen Armee,<br />
zunächst wieder vom Tisch. Die Dynamik der ESVP aus<br />
den Jahren 1999 bis 2001 schwächte sich in der Folgezeit<br />
deutlich ab. Dennoch blieben Fortschritte nicht aus, zum<br />
Teil als Ergebnis der amerikanischen Forderungen nach<br />
stärkerer Lastenteilung <strong>und</strong> nach Übernahme größerer Eigenverantwortung<br />
für das Krisenmanagement vor allem<br />
in Europa. Zu diesen Fortschritten zählen neben der Vervollkommnung<br />
der institutionellen Strukturen der ESDP<br />
die Verabschiedung des European Capability Action Plan<br />
(ECAP) im November 2001, die im Dezember 2002 erreichte<br />
Einigung über die Verwendung gemeinsamer<br />
Strukturen <strong>und</strong> Kapazitäten zwischen der Europäischen<br />
Union <strong>und</strong> der NATO (Berlin-plus) <strong>und</strong> die im Juni 2003<br />
erfolgte Verabschiedung eines Gemeinsamen Aktionsplanes<br />
zur Bekämpfung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen.<br />
Mit der Übernahme der Mazedonien-Mission<br />
von der NATO stellte sich die EU erstmals in<br />
eigener Verantwortung der Aufgabe militärischen <strong>Peace</strong>keepings.<br />
Die Mission entsprach dabei im Gr<strong>und</strong>satz der Idee<br />
eines integrativen <strong>Sicherheit</strong>skonzepts, wie durch den<br />
Rat von Sevilla vorgesehen. Im Januar 2003 begann zunächst<br />
die von der EU geführte zivile Polizeimission in<br />
Sarajevo (EUPM) mit 500 Polizeioffizieren aus über 30<br />
Ländern. 9 Die NATO-Mission Allied Harmony wurde von<br />
der EU am 31. März des gleichen Jahres übernommen<br />
<strong>und</strong> unter Zugriff auf Fähigkeiten <strong>und</strong> Strukturen der<br />
NATO als Operation Concordia mit 300 Mann Personal<br />
aus 27 Ländern mit dem Ziel durchgeführt, die weitere<br />
Implementierung des Rahmenabkommens von Ohrid<br />
(2001) zu unterstützen. 10 Die Mission wurde im Dezember<br />
2003 beendet. Gleichzeitig wird das Engagement in Form<br />
der zivilen Polizeimission Proxima mit einem M<strong>and</strong>at zunächst<br />
bis Ende <strong>2004</strong> fortgeführt.<br />
Unter französischer Rahmenführung <strong>und</strong> auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />
eines M<strong>and</strong>ats der Vereinten Nationen wurde in<br />
2003 eine weitere ESVP-Mission der EU durchgeführt, die<br />
Operation Artemis in der Demokratischen Republik Kongo.<br />
Die Mission zielte auf die Gewährleistung von <strong>Sicherheit</strong><br />
<strong>und</strong> Ordnung als Voraussetzung für eine Verbesserung<br />
der humanitären Lage in der Region Bunia <strong>und</strong> auf<br />
die Wiedereinrichtung einer UN-Mission. Die Operation<br />
wurde am 1. September 2003 beendet. 11 Vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
der insgesamt positiven Erfahrungen mit den bei-<br />
9 Vgl. Javier Solana, Remarks by Javier Solana, EU High Representative<br />
for the Common Foreign <strong>and</strong> <strong>Security</strong> Policy at the opening ceremony<br />
of the EU Police Mission in Bosnia <strong>and</strong> Herzegovina (EUPM), Sarajevo,<br />
15. Januar 2003, unter: http://ue.eu.int/pressdata/EN/discours/<br />
74122.pdf.<br />
10 Vgl. Europäische Union, Militärische Operation der EU in der ehemaligen<br />
jugoslawischen Republik Mazedonien – Operation Concordia,<br />
unter: http://ue.eu.int/arym/index.asp?lang=DE.<br />
11 Vgl. Europäische Union, Militärische Operation der EU in der Demokratischen<br />
Republik Kongo – Operation Artemis, unter: http://ue.eu.int/<br />
pesd/congo/index.asp?lang=DE.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 71
T H E M E N S C H W E R P U N K T | Gie s s ma nn , Eur opäis c he Sic herheits poli tik a m Scheidewe g<br />
den Operationen Concordia <strong>und</strong> Artemis erklärte die EU<br />
ihre Bereitschaft zur Übernahme der ungleich schwierigeren<br />
SFOR-Mission von der NATO ab <strong>2004</strong>.<br />
Die auf den ersten Blick erfreuliche Bilanz kann jedoch<br />
nicht über gravierende politische Spannungen hinsichtlich<br />
der weiteren Ausformung der europäischen <strong>Sicherheit</strong>s-<br />
<strong>und</strong> Verteidigungspolitik im Kontext des euroatlantischen<br />
Verhältnisses hinwegtäuschen. Mit dem<br />
offenen Streit in der Irak-Frage, der die EU-Mitglieder <strong>und</strong><br />
die damaligen Beitrittsk<strong>and</strong>idaten in unterschiedliche<br />
Fraktionen spaltete, stellen sich wesentliche Fragen zur<br />
Zukunft der ESVP neu. Dass sich in einer so gravierenden<br />
Entscheidungssituation die Staaten gegenein<strong>and</strong>er in<br />
Stellung brachten, anstatt einen gemeinsamen Ausweg<br />
aus der Krise zu suchen, machte das Fehlen einer kollektiven<br />
strategischen Plattform zum schwerwiegenden Problem.<br />
Hierin wurzelte der Auftrag des Rates an den Generalsekretär<br />
<strong>und</strong> Hohen Vertreter für die Gemeinsame<br />
Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik der EU, Javier Solana, ein<br />
entsprechendes Dokument zu erarbeiten, das als Europäische<br />
<strong>Sicherheit</strong>sstrategie: »A secure Europe in a better<br />
World« (ESS) am 12. Dezember 2003 durch den Europäischen<br />
Rat in Brüssel angenommen wurde. Die ESS gründet<br />
auf drei Säulen, erstens auf der Stabilisierung der <strong>Sicherheit</strong>slage<br />
im Umfeld der erweiterten Union in<br />
Osteuropa <strong>und</strong> im Mittelmeerraum, unter Einschluss einer<br />
anzustrebenden Lösung des Nahostkonflikts; zweitens<br />
auf dem Prinzip multilateralen H<strong>and</strong>elns in Übereinstimmung<br />
mit den Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>und</strong> Beschlüssen der<br />
Vereinten Nationen; sowie drittens auf entschlossenes<br />
<strong>und</strong> proaktives H<strong>and</strong>eln zur Eindämmung von <strong>Sicherheit</strong>srisiken<br />
<strong>und</strong> Eindämmung potenzieller Krisen bereits<br />
in der Entstehungsphase. 12<br />
Die ESS verst<strong>and</strong> sich als Antwort Europas auf die Nationale<br />
<strong>Sicherheit</strong>sstrategie der USA (NSS). Wie viel die Einigung<br />
auf eine gemeinsame Plattform am Ende des Tages<br />
wert ist, wird sich aber erst in künftigen Krisensituationen<br />
erweisen müssen. Auch die ESS schließt den Einsatz bewaffneter<br />
Gewalt nicht aus, knüpft diesen jedoch deutlicher<br />
als die NSS an eine klare völkerrechtliche Legitimation.<br />
Ob diese Position Best<strong>and</strong> hat, wenn sich die USA im<br />
Konfliktfall erneut nach Verbündeten umsehen, ist ungewiss.<br />
Die stille Hoffnung der EU liegt wohl vorläufig<br />
darin, dass durch die Übernahme von Lasten <strong>und</strong> Führungsverantwortung<br />
auf dem Balkan <strong>und</strong> im Rahmen der<br />
NATO-geführten ISAF-Mission in Afghanistan der Druck<br />
auf eine Beteiligung an weiteren kritischen militärischen<br />
Operationen verringert wird. Um eine erneute Zuspitzung<br />
von Spannungen innerhalb der EU <strong>und</strong> zwischen<br />
EU-Mitgliedern <strong>und</strong> den USA von vornherein zu vermeiden,<br />
wäre ein fortgesetztes Bemühen aller Beteiligten um<br />
Interessenabgleich in der Europäischen Union sehr von<br />
Vorteil. Die höchst problematischen Fraktionsbildungen<br />
im Vorfeld des Beitritts, übergreifend zwischen NATO-<br />
Ländern, EU-Staaten, Beitrittsk<strong>and</strong>idaten <strong>und</strong> dritten<br />
12 Vgl. Javier Solana, Ein sicheres Europa in einer besseren Welt. Europäische<br />
<strong>Sicherheit</strong>sstrategie, Brüssel 12. Dezember 2003, unter:<br />
http://ue.eu.int/solana/docs/031208ESSIIDE.pdf.<br />
72 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
Ländern, legen den Schluss nahe, dass eine nach außen<br />
berechenbare <strong>und</strong> nach innen legitimierte Position der<br />
Union nur durch die Einigung auf krisenfeste Gr<strong>und</strong>sätze<br />
zu entwickeln ist. Die Entscheidung des Europäischen Rates<br />
von Sevilla, dritten Staaten den Zugang zu EUgeführten<br />
Operationen zu ermöglichen, darf in diesem<br />
Zusammenhang als ein weises Signal nach außen aufgefasst<br />
werden, dass sich die EU auch künftig nicht als<br />
Machtkartell verstehen will.<br />
Inwieweit die nunmehr vollzogene EU-Erweiterung die<br />
Richtung <strong>und</strong> den Inhalt der fälligen Gr<strong>und</strong>satzdiskussion<br />
beeinflussen wird, ist offen. <strong>Sicherheit</strong>spolitisch betrachtet,<br />
hatte das Ziel der Mitgliedschaft in der Europäischen<br />
Union für die Beitrittsländer von Anbeginn<br />
eine vergleichsweise geringere Priorität als die NATO-<br />
Zugehörigkeit. Dies war zum einen Folge der vormals<br />
schwach ausgeprägten Verteidigungskomponente der<br />
Gemeinschaft, vor allem aber Resultat der in den Krisensituationen<br />
Europas in den 1990er Jahren zutage getretenen<br />
mangelnden politischen Entschlusskraft der EU-<br />
Mitglieder zu gemeinsamem H<strong>and</strong>eln. Zum <strong>and</strong>eren wird<br />
durch die mittel- <strong>und</strong> osteuropäischen Staaten eine<br />
Schutzgarantie durch die USA gegen äußere Bedrohungen<br />
sicherheits- <strong>und</strong> verteidigungspolitisch deutlich höherwertig<br />
beurteilt, als die bisher vor allem für im Binnenverhältnis<br />
der europäischen Staaten wirkende <strong>Frieden</strong>sordnung<br />
der EU. Letzteres begründet hauptsächlich auch<br />
die Skepsis der meisten Neumitglieder hinsichtlich einer<br />
größeren sicherheitspolitischen Eigenständigkeit <strong>und</strong> Eigenverantwortung<br />
der EU, weil jeder Alleingang der EU<br />
aus ihrer Sicht die Schutzgarantie durch die USA im Rahmen<br />
der NATO relativieren könnte. Die Konsensbildung<br />
in der Union wird durch das unterschiedliche Interessenspektrum<br />
nicht erleichtert. Prinzipiell gilt, dass mit der<br />
Entscheidung über die Aufnahme der mittel- <strong>und</strong> osteuropäischen<br />
Staaten in die NATO kritischere Auffassungen<br />
über die künftigen Aufgaben einer erweiterten Union sowie<br />
über Für <strong>und</strong> Wider einer Mitgliedschaft größeres<br />
Gewicht erhalten dürften. Die im ersten Anlauf gescheiterten<br />
Verh<strong>and</strong>lungen über den Verfassungsentwurf der<br />
Europäischen Union im Rahmen der Regierungskonferenz<br />
Ende des vergangenen Jahres haben überdies gezeigt,<br />
dass nationales Interessenkalkül gerade auch auf Seiten<br />
von Neumitgliedern wie Polen künftig über die Chancen<br />
einer weiteren Vertiefung der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit<br />
mitentscheidet. Dies betrifft aus den bereits<br />
genannten Gründen auch <strong>und</strong> vor allem den Bereich<br />
der Außen-, <strong>Sicherheit</strong>s- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik. Allerdings:<br />
An den <strong>Peace</strong>keeping-Missionen waren einige Beitrittsländer<br />
bereits beteiligt. Dies gilt auch für die bisher<br />
von der NATO geführte SFOR-Mission. An der Operation<br />
Concordia nahmen insgesamt 27 Soldaten aus den baltischen<br />
Staaten, Polen, Slowakei, Slowenien <strong>und</strong> der Tschechischen<br />
Republik teil. Ungarn stellte zusätzlich eigenes<br />
Personal für das Führungskomm<strong>and</strong>o der Artemis-Mission<br />
in Paris ab. So gesehen waren die bisherigen Missionen<br />
durchaus auch ein erfolgreicher Testlauf für das Zusammenwirken<br />
der Staaten <strong>und</strong> ihres Personals nach Vollzug<br />
der Erweiterung.
4. Ausblick<br />
Gie s s ma nn , Eur opäis c he Sic herheits p olitik a m Scheidewe g | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />
Die jüngsten Entwicklungen lehren: Weder Fraktionsbildung<br />
im Innern noch Abschottungs- oder Gegenmachtsmodelle<br />
nach außen sind einer größeren Einflussnahme<br />
der EU auf globale Geschicke dienlich. Wird diese Erkenntnis<br />
durch die »alten« <strong>und</strong> die »neuen« Mitglieder<br />
der EU als h<strong>and</strong>lungsleitendes Axiom konsequent beherzigt,<br />
wird die erweiterte EU den in sie gesetzten Erwartungen<br />
gerecht werden können. Alle Mitglieder täten gut<br />
daran, dies in der alltäglichen Politik zu berücksichtigen.<br />
Die Einigung über eine gemeinsame europäische Verfassung<br />
wäre der wichtigste Schritt in diese Richtung, das<br />
Festhalten an einer rechtskonformen Umsetzung der Europäischen<br />
<strong>Sicherheit</strong>sstrategie ein weiterer. Die europäischen<br />
Staaten sehen sich vor die Frage gestellt, wie sie in<br />
den kommenden Jahren die Außenwirkung der Gemeinschaft<br />
verstärken wollen. Besitzst<strong>and</strong>verteidigung nationaler<br />
Interessen unterein<strong>and</strong>er ist dabei die schlechteste<br />
aller Alternativen. Die Vertiefung der Zusammenarbeit<br />
mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, wie sie vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> der jüngsten Erfahrungen diskutiert<br />
<strong>und</strong> partiell umgesetzt worden ist, wird sich für die Gemeinschaft<br />
nur dann positiv auswirken können, wenn die<br />
Protagonisten engeren Zusammenschlusses nicht in die<br />
Richtung einer »Mehrklassenunion« marschieren, sondern<br />
die Vorteile der Integration im Interesse der Stärkung<br />
der EU <strong>und</strong> der euroatlantischen Partnerschaft als<br />
Ganze einsetzen. Dies setzt allerdings voraus, dass jene<br />
Staaten, die eine engere sicherheits- <strong>und</strong> verteidigungspolitische<br />
Zusammenarbeit zunächst noch ablehnen, ihr<br />
»Opting out« nicht als Instrument zur Schwächung der<br />
Gestaltungsfähigkeit der EU erachten.<br />
Die Zwillingserweiterung von EU <strong>und</strong> NATO ist eine einzigartige<br />
Chance für Europa. Mit ihr verantwortungsvoll<br />
umzugehen, ist eine Herausforderung nicht nur für die<br />
beiden Organisationen sondern für jeden einzelnen ihrer<br />
Mitgliedstaaten.<br />
Nach der Erweiterung: <strong>Sicherheit</strong>spolitische<br />
Herausforderungen für die NATO<br />
Knut Kirste*<br />
Abstract: The article addresses major challenges for NATO’s transformation after the recent enlargement of the organization,<br />
particularly the Alliance’s more active contribution to the security <strong>and</strong> stability of the Euro-Atlantic area <strong>and</strong> beyond,<br />
the improvement of its instruments <strong>and</strong> capabilities (i.a. concerning the fight against terrorism <strong>and</strong> the NATO Response<br />
Force), <strong>and</strong> the state of its partnerships, including to Russia <strong>and</strong> the Ukraine. Finally the author analyses the future of the<br />
Alliance <strong>and</strong> its role in the context of an international security system. An important condition for the success of NATO’s<br />
political strategy is its ability to cope effectively with the new security challenges of the future.<br />
Keywords: NATO, NATO-englargement, Euroatlantic relations, international security<br />
Mit der Hinterlegung ihrer Beitrittsurk<strong>und</strong>en durch<br />
die Regierungschefs von Estl<strong>and</strong>, Lettl<strong>and</strong>, Litauen,<br />
der Slowakei, Slowenien, Bulgarien <strong>und</strong> Rumänien<br />
in Washington Ende März <strong>2004</strong> hat die Allianz ihre<br />
bislang größte Erweiterungsr<strong>und</strong>e vollzogen. Seither gehören<br />
mehr als 45 Millionen zusätzliche Bürger dem euroatlantischen<br />
Bündnis an. Heute sind bereits 40 Prozent der<br />
NATO-Mitgliedsländer ehemals sozialistische oder kommunistische<br />
Staaten. Diese Tatsache ist historisch bedeutsam,<br />
weil man durch die zweite NATO-Erweiterung seit dem Ende<br />
des Kalten Krieges der Vision eines sicherheitspolitisch geeinten<br />
Europas deutlich näher gekommen ist. Gleichzeitig<br />
wirkt die jüngste Erweiterungsr<strong>und</strong>e relativ <strong>und</strong>ramatisch:<br />
Erstens bleibt es erklärte Politik des Bündnisses, weiterhin<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich für neue Mitglieder offen zu sein. Die Teilnahme<br />
der Regierungschefs Albaniens, Kroatiens <strong>und</strong> der e-<br />
* Dr. Knut Kirste, Public Diplomacy Division, NATO, Brüssel. Dieser Artikel<br />
gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wieder.<br />
hemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien an der Zeremonie<br />
in Washington auf Einladung der NATO dokumentierte<br />
diese Bereitschaft. Zweitens wird die Allianz sich <strong>und</strong><br />
ihren neuen Mitgliedern nur wenig Zeit zum Feiern einräumen<br />
<strong>und</strong> sehr schnell zu den gewaltigen sicherheitspolitischen<br />
Herausforderungen zurückkehren, die vor dem erweiterten<br />
Bündnis liegen.<br />
1. Beitrag zu <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Stabilität des Euro-<br />
Atlantischen Raumes <strong>und</strong> darüber hinaus<br />
Auch weiterhin gehört es zu den Hauptaufgaben der Allianz,<br />
die kollektive Verteidigung der NATO-Staaten zu gewährleisten<br />
<strong>und</strong> gemeinsame sicherheitspolitische Interessen ihrer<br />
Mitglieder zu schützen. Mit der Erweiterung sind hier neue<br />
Aufgaben hinzugekommen, insbesondere was die Luftverteidigung<br />
der baltischen Staaten <strong>und</strong> Sloweniens anbelangt.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 73
T H E M E N S C H W E R P U N K T | Kir s te, Sic herheits poli tis che Her a usfor derung en für die NATO<br />
In dieser Frage wurde noch vor dem eigentlichen Betritt der<br />
neuen Mitglieder eine Übergangslösung gef<strong>und</strong>en, um den<br />
betroffenen Ländern, die nicht in der Lage sind, ihren eigenen<br />
Luftraum zu schützen, kollektiv beizustehen. Im Rahmen<br />
ihrer Möglichkeiten werden diese neuen Staaten allerdings<br />
auch zu Produzenten von <strong>Sicherheit</strong>, wenn auch<br />
zunächst nur in einzelnen Nischenbereichen. Das neue sicherheitspolitische<br />
Selbstverständnis der Allianz hat der<br />
amerikanische NATO-Botschafter Nicholas Burns in einer<br />
Senatsanhörung treffend formuliert: Es gehe heute nicht<br />
mehr so sehr darum, wie viele Staaten die NATO zu verteidigen<br />
habe, sondern wie viele Staaten als potentielle Verbündete<br />
auftreten, wenn es hart auf hart komme. 1<br />
1.1 Afghanistan<br />
Immer deutlicher kristallisiert sich als künftige Hauptaufgabe<br />
<strong>und</strong> eigentlicher Test für die neue NATO heraus, einen effektiven<br />
militärischen Beitrag zur <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Stabilität<br />
über den Euro-Atlantischen Raum hinaus zu leisten. Hier hat<br />
die Allianz mit der Übernahme der ISAF-Mission in Afghanistan<br />
im August 2003 ein deutliches Zeichen gesetzt <strong>und</strong> ist<br />
gleichzeitig eine gewaltige <strong>und</strong> langfristige Verpflichtung<br />
eingegangen. Dabei birgt die Mission in Afghanistan sowohl<br />
eine große Chance als auch eine ernst zu nehmende Herausforderung<br />
für das Bündnis: Die zukünftige Glaubwürdigkeit<br />
der NATO als globale <strong>Sicherheit</strong>sorganisation hängt ganz<br />
wesentlich davon ab, wie gut es den 26 Staaten <strong>und</strong> ihren<br />
Partnern gelingen wird, die notwendigen militärischen Mittel<br />
<strong>und</strong> Fähigkeiten zu mobilisieren, um die bislang geographisch<br />
noch auf Kabul <strong>und</strong> K<strong>und</strong>uz begrenzte <strong>Frieden</strong>smission<br />
auf weitere L<strong>and</strong>esteile auszudehnen, ein sicheres<br />
Umfeld für die im September anstehenden Wahlen zu schaffen<br />
<strong>und</strong> ganz allgemein die Zentralgewalt der Karzai-<br />
Regierung gegen Warlords <strong>und</strong> Störversuche zu stärken.<br />
Dabei haben die bisher etwa 6.500 NATO Soldaten aus 34<br />
Entsendenationen laut M<strong>and</strong>at eher eine <strong>Sicherheit</strong> unterstützende,<br />
aber keine friedenssichernde Aufgabe, wie beispielsweise<br />
im Kosovo. Als mittelfristiges Ziel bis zum NATO-<br />
Gipfel im Juni <strong>2004</strong> sollen fünf weitere regionale Wiederaufbauteams<br />
(PRTs) im Norden <strong>und</strong> Westen des L<strong>and</strong>es installiert<br />
werden. Das Bündnis hat bewusst eine vorsichtige,<br />
bedachte <strong>und</strong> Ressourcen sparende Strategie gewählt, um die<br />
Operation langfristig auf ganz Afghanistan auszuweiten –<br />
<strong>und</strong> wird dafür oft kritisiert. Letztlich kann die Allianz als<br />
intergouvernementale Organisation allerdings nur dem<br />
Tempo folgen, das die Mitgliedstaaten vorgeben. Hier spielen<br />
die neuen Mitglieder übrigens bereits heute eine überaus<br />
positive Rolle <strong>und</strong> alle leisten im Rahmen ihrer Möglichkeiten<br />
einen militärischen Beitrag zu den Operationen der Allianz,<br />
inklusive den NATO-Missionen in Bosnien, Kosovo <strong>und</strong><br />
Afghanistan. 2<br />
1 Vgl. Botschafter Nicholas Burns, so zitiert in: B<strong>und</strong>esgenossen kann es<br />
nicht genug geben, Süddeutsche Zeitung, 29. März <strong>2004</strong>. Ähnlich auch<br />
Nicholas Burns, Exp<strong>and</strong>ing the Alliance of Democracies, The Wall Street<br />
Journal, 29. März <strong>2004</strong>.<br />
2 Vgl. NATO vollzieht Erweiterung, FAZ, 29. März <strong>2004</strong>. Im April hatten<br />
auch sechs der sieben neuen NATO-Mitglieder eigene Truppen im Rahmen<br />
der von Polen geführten multinationalen Brigade im Irak.<br />
74 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
1.2 Balkan<br />
In Afghanistan wird sich erneut zeigen, was auf dem Balkan<br />
bereits als bewiesen gilt: Die heute anstehenden <strong>Frieden</strong>smissionen<br />
erfordern ein langfristiges politisches <strong>und</strong> militärisches<br />
Engagement der Staatengemeinschaft <strong>und</strong> jede Hoffnung<br />
auf schnelle Erfolge wird sich in Kabul, ähnlich wie in<br />
Pristina oder Sarajevo, als Trugschluss erweisen. Gerade die<br />
im März wieder aufgeflammten ethnischen Konflikte im Kosovo<br />
machen deutlich, wie sehr das Zusammenspiel politischer,<br />
wirtschaftlicher <strong>und</strong> militärischer Instrumente letztlich<br />
für den Erfolg nahezu aller heute denkbaren<br />
friedenssichernden Operationen ausschlaggebend ist. Die<br />
NATO hat schnell – innerhalb von St<strong>und</strong>en – <strong>und</strong> sehr bestimmt<br />
auf den jüngsten Ausbruch von Gewalt im Kosovo<br />
mit der Entsendung zusätzlicher Truppenkontingente reagiert<br />
<strong>und</strong> den erhofften Abzug militärischer Kräfte aus der<br />
Provinz aufgeschoben. Der NATO-Rat hat auch über mögliche<br />
Anpassungen innerhalb der KFOR beraten, beispielsweise<br />
um mit gewaltbereiten Demonstranten künftig besser<br />
umgehen zu können. Nun müssen auch <strong>and</strong>ere Organisationen,<br />
insbesondere UN, EU <strong>und</strong> die Kontaktgruppe, ihre<br />
spezifischen Instrumente verstärkt zum Einsatz bringen. Die<br />
internationale Gemeinschaft sollte an ihrer Politik ‚St<strong>and</strong>ards<br />
vor Status‘ festhalten, gleichzeitig aber die Ursachen<br />
für die Frustration der Menschen im Kosovo angehen. Insbesondere<br />
gilt es für die Provinz eine wirtschaftliche Perspektive<br />
zu schaffen, die Statusfrage nicht länger als nötig aufzuschieben,<br />
3 den Dialog Belgrad-Pristina wiederzubeleben <strong>und</strong><br />
den neuen Institutionen wirkliche Verantwortung zu übertragen.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erscheint die geplante Übergabe der<br />
gegenwärtigen NATO-Mission in Bosnien an die EU in der<br />
zweiten Jahreshälfte als vielversprechende Chance, eine militärisch<br />
erfolgreiche Mission aus Sicht der NATO zu beenden.<br />
Wichtig ist, dass diese Übergabe auf der Gr<strong>und</strong>lage des<br />
im März 2003 vereinbarten Berlin-Plus-Abkommens 4 erfolgt.<br />
NATO <strong>und</strong> EU müssen auch auf operativer Ebene demonstrieren,<br />
dass sie zu einer echten strategischen Partnerschaft<br />
willens <strong>und</strong> fähig sind. Dazu gehört u.a., dass man die<br />
Verantwortungsbereiche beider Organisationen <strong>und</strong> die verbleibenden<br />
Aufgaben der NATO in Bosnien im Sinne einer<br />
vernünftigen Arbeitsteilung definiert. Hier müssen Pragmatismus<br />
<strong>und</strong> Vertrauen, nicht Rivalität <strong>und</strong> Misstrauen das<br />
H<strong>and</strong>eln auf beiden Seiten des Atlantiks bestimmen. Letztlich<br />
hat die Verhinderung eines offenen Konfliktes in der<br />
ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien im Sommer<br />
2001 bewiesen, wie erfolgreich beide Organisationen im<br />
engen Zusammenspiel sein können. Über den Balkan hinaus<br />
wäre es dringlich, diese strategische Partnerschaft auf weitere<br />
Bereiche internationaler <strong>Sicherheit</strong> – beispielsweise Terro-<br />
3 Vgl. James Dobbins, Kosovo: Delaying is the least-best option, IHT, 2.<br />
April <strong>2004</strong>, für eine der zahlreichen Stimmen, die nach der jüngsten Gewaltwelle<br />
eine pragmatischere Sicht auf die Statusfrage, möglicher Teilungspläne<br />
fordern.<br />
4 Das am 17. März 2003 verabschiedete Berlin-Plus-Paket regelt in einer<br />
Reihe von Einzelabkommen die Kooperation zwischen NATO <strong>und</strong> EU im<br />
Kontext internationalen Krisenmanagements. Insbesondere werden<br />
Mechanismen für den Rückgriff durch die EU auf NATO-Mittel <strong>und</strong><br />
-Fähigkeiten, einschließlich Planungskapazitäten <strong>und</strong> Komm<strong>and</strong>ooptionen,<br />
etabliert.
Kir s te, S icherh eits po litis c he Her a usfor derung en für die NAT O | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />
rismusbekämpfung, Schutz vor Massenvernichtungswaffen<br />
<strong>und</strong> Zivilschutz – auszudehnen. Hier können die neuen Mitglieder<br />
einen durchaus positiven Impuls <strong>und</strong> Anstoß geben,<br />
weil sie dem NATO-EU-Verhältnis eher pragmatisch als<br />
ideologisch gegenüber stehen <strong>und</strong> eine völlige Abkoppelung<br />
der europäischen <strong>Sicherheit</strong>s- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik vom<br />
transatlantischen Bündnis mehrheitlich ablehnen.<br />
1.3 Neue Operationen?<br />
Mitte des Jahres wird sich das Bündnis auch mit der Frage<br />
einer erweiterten Rolle der NATO im Irak ausein<strong>and</strong>er setzen<br />
müssen. 5 Auch hier wird die Diskussion trotz aller politischen<br />
Belastung der Thematik letztlich pragmatisch geführt<br />
werden: Was kann das Bündnis, bei Vorliegen der mehrfach<br />
genannten legitimatorischen Voraussetzungen durch UN<br />
<strong>und</strong> eine demokratisch legitimierte Übergangsregierung in<br />
sinnvoller Weise beitragen, um die Stabilität im Irak zu<br />
verbessern? Hier sind neben politisch motivierten auch militärische<br />
Grenzen für eine wirklich bedeutende Rolle des<br />
Bündnisses in naher Zukunft eher wahrscheinlich: Der erweiterte<br />
Einsatz in Afghanistan, die fortlaufenden Operationen<br />
auf dem Balkan <strong>und</strong> zahlreiche <strong>and</strong>ere <strong>Frieden</strong>smissionen<br />
einzelner Alliierter begrenzen die Bereitschaft der<br />
Nationen, umfangreiche zusätzliche Truppen für eine weitere<br />
große NATO-Operation zur Verfügung zu stellen. Allerdings<br />
sollte die symbolische <strong>und</strong> legitimatorische Wirkung<br />
eines koordinierenden Einsatzes der NATO im Irak, beispielsweise<br />
durch die Übernahme der Komm<strong>and</strong>ofunktion,<br />
bei gleichzeitigem Verbleib der Koalitionstruppen nicht unterschätzt<br />
werden. Auch hier gilt: Militärische Optionen<br />
müssen an glaubwürdige politische Lösungsstrategien für<br />
das L<strong>and</strong> gekoppelt sein.<br />
Langfristig scheint sich also ein Muster des Zusammenspiels<br />
zwischen UN <strong>und</strong> NATO für viele denkbare Szenarien herauszukristallisieren:<br />
Während die UN politische Legitimation<br />
beisteuern <strong>und</strong> den Wiederaufbau koordinieren, übernimmt<br />
die NATO als multinationale Allianz die militärischen<br />
<strong>und</strong> sicherheitsrelevanten Aspekte des Krisenmanagements.<br />
Sie kann hier besonders erfolgreich multilaterales<br />
H<strong>and</strong>eln <strong>und</strong> militärische Effektivität mitein<strong>and</strong>er verbinden:<br />
Zum einen umfaßt der NATO-Verb<strong>und</strong> heute nicht<br />
nur die 26 Mitgliedstaaten. Die Allianz ist auch zu einem<br />
recht flexiblen Organisationsrahmen geworden, in den sich<br />
insgesamt über 50 NATO- <strong>und</strong> Partnerstaaten sicherheitspolitisch<br />
<strong>und</strong> militärisch einbinden lassen. Diese Partnerstaaten,<br />
von denen einige bereits an gemeinsamen militärischen<br />
Operationen im NATO-Rahmen teilnehmen, repräsentieren<br />
heute übrigens deutlich mehr als nur die USA <strong>und</strong> den ‚Westen‘.<br />
Diese Tatsache hat auch positive Auswirkungen auf die<br />
Legitimität <strong>und</strong> Akzeptanzfähigkeit von NATO-Operationen<br />
in der Zukunft. Außerdem gelingt es der NATO nach wie<br />
vor, die Vereinigten Staaten in multilaterales sicherheitspolitisches<br />
H<strong>and</strong>eln einzubinden. Zum <strong>and</strong>eren kann die Allianz,<br />
wenn der politische Wille der Mitgliedstaaten vorhan-<br />
5 Lothar Rühl, Die Nato vor der mittelöstlichen Doppelfalle, NZZ, 14. April<br />
<strong>2004</strong>, hat die damit verb<strong>und</strong>enen Implikationen für die Allianz herausgearbeitet.<br />
den ist <strong>und</strong> die militärische Modernisierung des Bündnisses<br />
konsequent weiter verfolgt wird, militärisch sehr effektiv<br />
h<strong>and</strong>eln. Diese beiden Vorteile, Multilateralismus <strong>und</strong> Effektivität<br />
können in Zukunft entscheidende Vorteile der Organisation<br />
sein. 6<br />
2. Förderung <strong>und</strong> Ausbau der militärischen Mittel<br />
<strong>und</strong> Fähigkeiten der NATO<br />
Militärische Effektivität <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit sind also<br />
wichtige Voraussetzungen für den Erfolg einer erweiterten<br />
Allianz. Die zweite große Herausforderung der NATO besteht<br />
daher in einer weiteren Modernisierung der NATO-Mittel<br />
<strong>und</strong> Fähigkeiten als Anpassung auf neue Bedrohungen wie<br />
Terrorismus, Massenvernichtungswaffen <strong>und</strong> zerfallende<br />
Staaten <strong>und</strong> die politisch-militärische Neuausrichtung auf<br />
eine globale <strong>Sicherheit</strong>sorganisation. 7<br />
2.1 Militärische Mittel <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />
Dabei wurden seit der ersten, in Washington 1999 gestarteten<br />
Initiative (DCI), über die Präzisierung <strong>und</strong> Verschlankung<br />
des Anforderungskataloges auf dem Prager Gipfel 2002<br />
(PCC) bis heute echte Fortschritte bei der Modernisierung<br />
erreicht. Natürlich können Militärplaner nie ganz mit den<br />
Anstrengungen der Staaten zufrieden sein. Wichtige Fortschritte<br />
wurden dennoch erzielt, weil man sowohl in zentralen<br />
Bereichen wie dem strategischem Luft- <strong>und</strong> Seetransport,<br />
Luftbetankung <strong>und</strong> Präzisionsmunition gegenwärtig<br />
über multinationale Arbeitsgruppen gemeinsame Lösungen<br />
umsetzt. Insbesondere ist die NATO heute aber auch realistischer<br />
in ihren Erwartungen geworden <strong>und</strong> alle Mitglieder<br />
anerkennen uneingeschränkt die Notwendigkeit einer<br />
nachhaltigen Modernisierung <strong>und</strong> Umgestaltung ihrer<br />
Streitkräfte.<br />
2.2 Einsatz- <strong>und</strong> Verwendungsfähigkeit<br />
Die wesentliche Herausforderung für die erweiterte Allianz<br />
liegt in den nächsten Jahren dabei vielleicht weniger im<br />
technologischen Bereich der Modernisierung, sondern darin,<br />
die Einsatz- <strong>und</strong> Verwendungsfähigkeit sowie die Verlegefähigkeit<br />
der etwa 1,4 Millionen nicht-amerikanischen NATO-<br />
Truppen angesichts wachsender Verpflichtungen im Bereich<br />
der personalaufwendigen <strong>Frieden</strong>smissionen zu steigern. Der<br />
Istanbuler NATO-Gipfel im Juni <strong>2004</strong> könnte dazu auch<br />
quantitative Zielgrößen vorgeben. Weiterhin gilt es vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> der gesteigerten operativen Rolle der NATO das<br />
Zusammenspiel von Streitkräfteplanung <strong>und</strong> dem oft langwierigen<br />
Prozess zur Generierung von Streitkräften für konkrete<br />
Operationen zu optimieren. Hierbei haben die Erfah-<br />
6 In den Worten Botschafter Burns hat die NATO die Chance: »to answer<br />
President Bush’s call for effective multilateralisms«, in: Exp<strong>and</strong>ing the Alliance<br />
of Democracies, The Wall Street Journal, 29. März <strong>2004</strong>.<br />
7 Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf militärische Mittel<br />
<strong>und</strong> Fähigkeiten. Zu fragen wäre aber auch, inwieweit die NATO über<br />
diese klassischen Instrumente der <strong>Sicherheit</strong>spolitik hinaus moderne <strong>und</strong><br />
‚unkonventionelle’ Instrumente brauchen wird, um eine wirklich umfassende<br />
<strong>Sicherheit</strong>sorganisation des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts werden zu können.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 75
T H E M E N S C H W E R P U N K T | Kir s te, Sic herheits poli tis che Her a usfor derung en für die NATO<br />
rungen der Afghanistan Mission bereits zu ersten Anpassungen<br />
im traditionellen Zusammenspiel zwischen militärischer<br />
Einsatzplanung <strong>und</strong> Streitkräftegenerierung geführt. Mit Hilfe<br />
des neuen Strategischen Komm<strong>and</strong>os Transformation<br />
(ACT) in Norfolk, Virginia, an dem sich auch Frankreich beteiligt,<br />
soll die weitere Modernisierung der militärischen<br />
Mittel <strong>und</strong> Fähigkeiten der Allianz, durch Forschung <strong>und</strong><br />
Entwicklung, auch im Bereich der Militärdoktrin, vorangetrieben<br />
werden.<br />
2.3 NRF<br />
Die NATO Response Force (NRF) ist natürlich ein wichtiger<br />
<strong>und</strong> sicherlich der prominenteste Teil dieser umfassenden<br />
Modernisierung der militärischen Mittel <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />
des Bündnisses. Auch hier wurden beachtliche Fortschritte<br />
in der operativen Umsetzung erzielt <strong>und</strong> die neue Truppe<br />
hat im Oktober 2003, deutlich eher als geplant, ihre erste<br />
Stufe der Einsatzbereitschaft erreicht. Bis Oktober 2006 wird<br />
das Konzept wohl in voller Truppenstärke implementiert<br />
sein. Langfristig muss daran gedacht werden, inwieweit<br />
Partnernationen sinnvoll in das Konzept eingeb<strong>und</strong>en werden<br />
können. Auch wäre denkbar, Mechanismen zu finden,<br />
wie die NRF den EU-Staaten, die nicht Mitglied der NATO<br />
sind, zugänglich gemacht werden kann. Als Vision könnten<br />
einst die NRF <strong>und</strong> die von der EU geplante Europäische<br />
Schnelle Eingreiftruppe, die ja <strong>and</strong>ere Aufgaben <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />
besitzt, der jeweils federführenden Organisation für<br />
unterschiedliche Szenarien zur Verfügung gestellt werden.<br />
Innerhalb der NATO wird es wichtig sein, das langfristige<br />
Interesse <strong>und</strong> Engagement der Nationen über viele Rotationszyklen<br />
hinweg sicherzustellen <strong>und</strong> eine angemessene<br />
Verbindlichkeit zu etablieren, nachdem nationale Truppenkontingente<br />
einem Einsatzzyklus zugesprochen worden<br />
sind. Die neuen Länder wirken dabei eher unproblematisch<br />
im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Angesichts der kurzen Entscheidungszeiten<br />
über den Einsatz der NRF könnten die<br />
Parlamentsvorbehalte in einigen der traditionellen NATO-<br />
Länder schon eher zum Problem werden. 8 Letztlich kann<br />
ein Instrument wie die NRF aber nur erfolgreich sein, wenn<br />
sich die Staaten politisch einig sind über die Einsatzszenarien<br />
für die Truppe. Natürlich gibt es hier noch unterschiedliche<br />
Positionen. Die vielbeschworene Uneinigkeit im<br />
Bündnis über die ‚großen Fragen‘ wie Terrorismusbekämpfung,<br />
Prävention <strong>und</strong> Präemption wirken auf der Arbeitsebene<br />
aber viel <strong>und</strong>ramatischer <strong>und</strong> beide Seiten des Atlantiks<br />
bewegen sich in diesen Fragen heute mehr <strong>und</strong> mehr<br />
aufein<strong>and</strong>er zu.<br />
2.4 Schutz gegen den Terrorismus<br />
Der Stärkung der Fähigkeiten der NATO im Kampf gegen<br />
den Terrorismus <strong>und</strong> die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen<br />
kommt ein besonderer Stellenwert im Modernisierungskonzept<br />
der Allianz zu. Wichtig ist hierbei, die Ge-<br />
8 Vgl. in diesem Zusammenhang die SWP-Studie von Norbert Eitelhuber:<br />
Implikationen der NATO Response Force für die Parlamentsbeteiligung,<br />
Berlin, April <strong>2004</strong>.<br />
76 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
samtheit der Mittel <strong>und</strong> Fähigkeiten im Kampf gegen den<br />
internationalen Terrorismus im Auge zu behalten <strong>und</strong> sich<br />
auf die Nischenfunktion der NATO zu konzentrieren. Neben<br />
Abwehrmaßnahmen, die eine verstärkte Zusammenarbeit<br />
bei der Aufklärung notwendig machen; offensiven Strategien,<br />
die eine Zerschlagung terroristischer Ausbildungslager<br />
beinhalten könnten; der Verbesserung nationaler Zivilschutzmaßnahmen<br />
als Antwort auf verheerende Konsequenzen<br />
eines terroristischen Angriffs, gilt es insbesondere<br />
auch, die bereits begonnene Zusammenarbeit mit <strong>and</strong>eren<br />
Internationalen Organisationen, wie der UN, der OSZE, der<br />
EU oder <strong>and</strong>eren spezialisierten Institutionen, weiter operativ<br />
zu verstärken. Wie erfolgreich die NATO als aktiver ‚Terroristenjäger‘<br />
sein kann, bleibt abzuwarten. Ihre verstärkten<br />
Anstrengungen, ein halbwegs sicheres Umfeld in zentralen<br />
Krisenregionen der Welt zu fördern, tragen in jedem Falle<br />
aktiv zur Eindämmung des Nährbodens für Terrorismus bei.<br />
Auf ihrem informellen Arbeitstreffen in Brüssel im April<br />
<strong>2004</strong>, haben die NATO-Außenminister zusätzlich einen verstärkten<br />
Maßnahmenkatalog zur Unterstützung im Kampf<br />
gegen den Terrorismus zur Verabschiedung auf dem Istanbuler<br />
Gipfel im Juni <strong>2004</strong> in Auftrag gegeben. 9<br />
3. Kooperative Partnerschaftsbeziehungen<br />
Die Aufnahme sieben weiterer Staaten aus Ost-Mitteleuropa<br />
im März <strong>2004</strong> hat eindrucksvoll den Prozess der Transformation<br />
der Allianz von einem selbstbezogenen Verteidigungsbündnis<br />
des Kalten Krieges in eine gr<strong>und</strong>sätzlich offene,<br />
partnerschaftlich <strong>und</strong> auf Kooperation ausgerichtete <strong>Sicherheit</strong>sorganisation<br />
vervollständigt. Der Ausbau ihrer vielfältigen<br />
Partnerschaftsbeziehungen sowohl zu individuellen<br />
Staaten als auch zu wichtigen internationalen Organisationen<br />
wie UN, EU <strong>und</strong> OSZE, wird auch weiterhin eine der<br />
Prioritäten der Agenda der NATO bleiben.<br />
3.1 Individuelle Partnerschaften<br />
Interessanterweise wird die Aufnahme von sieben Partnerländern<br />
als Vollmitglieder diesen Prozess noch beschleunigen.<br />
Zum einen wird die Gruppe der verbleibenden Partner<br />
heterogener <strong>und</strong> verlangt nach einer stärkeren Differenzierung<br />
<strong>und</strong> Individualisierung des Partnerschaftsprogramms:<br />
Staaten, die so unterschiedlich sind wie Schweden oder Kasachstan,<br />
erwarten zu Recht ein Kooperationsangebot, das<br />
auf ihre jeweils unterschiedlichen <strong>Sicherheit</strong>sinteressen ausgerichtet<br />
ist. Georgien hat als erstes Partnerl<strong>and</strong> Anfang April<br />
<strong>2004</strong> einen ‚Individual Partnership Action Plan‘ (IPAP)<br />
eingereicht, der Beginn eines wirklich maßgeschneiderten<br />
Partnerschafts-Konzeptes. Auch wird es darum gehen, das<br />
9 Vgl. Declaration on Terrorism, NATO Press Release PR/CP(<strong>2004</strong>)0057, issued<br />
at the meeting of the North Atlantic Council in Foreign Ministers<br />
Session held in Brussels on 2 April <strong>2004</strong>. Die darin enthaltenen zehn<br />
konkreten Elemente sehen u.a. ein Terrorist Threat Intelligence Unit im<br />
NATO Hauptquartier in Brüssel, verstärkte Zivilschutzmaßnahmen, NATO<br />
<strong>Sicherheit</strong>sunterstützung für einzelne Großveranstaltungen wie die<br />
Olympischen Spiele <strong>und</strong> verstärkte Anstrengungen im Zusammenhang<br />
mit einem Luftsicherheitskonzept für zivile Luftfahrt vor.
Kir s te, S icherh eits po litis c he Her a usfor derung en für die NAT O | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />
Programm der »Partnerschaft für den <strong>Frieden</strong>« (PfP) 10 auf<br />
operativer Ebene noch stärker mit Leben zu füllen, beispielsweise<br />
durch eine verstärkte Einbeziehung der Partner,<br />
insbesondere aus dem Kaukasus <strong>und</strong> Zentralasien, in die Anstrengungen<br />
der NATO im Kampf gegen den internationalen<br />
Terrorismus. In diesem Zusammenhang dürfte auch eine Intensivierung<br />
des von der NATO seit 1994 durchgeführten<br />
Mittelmeerdialogs mit sieben Staaten des nordafrikanischen<br />
Raumes <strong>und</strong> des Nahen Ostens zu erwarten sein. Auch hier<br />
gilt es, über den Dialog hinaus, zunächst konkretere sicherheitspolitische<br />
Zusammenarbeit zu realisieren, beispielsweise<br />
Ausbildung, Training <strong>und</strong> die Reform des <strong>Sicherheit</strong>ssektors.<br />
Aber es gibt keinen Gr<strong>und</strong>, warum man im Rahmen eines<br />
erweiterten NATO-Mittelmeerdialoges langfristig nicht viel<br />
ambitionierter denken sollte. Schließlich sind Staaten wie<br />
Jordanien <strong>und</strong> die Vereinigten Arabischen Emirate bereits in<br />
die <strong>Frieden</strong>smission im Kosovo integriert worden.<br />
3.2 The Greater Middle East?<br />
Angesichts der im Frühjahr <strong>2004</strong> zunächst von den Vereinigten<br />
Staaten angeregten, später aber auch von zahlreichen<br />
europäischen Staaten aufgegriffenen Initiative zum Dialog<br />
mit dem Nahen <strong>und</strong> Mittleren Osten, 11 überlegt auch die<br />
NATO, welchen Beitrag sie zu einer solchen umfassenden<br />
Initiative zu leisten vermag. Sicherlich geht es bei einer<br />
möglichen – bislang ja durchaus kontrovers diskutierten –<br />
Kooperationsinitiative insbesondere um Aktivitäten zur<br />
Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung wie sie am<br />
ehesten im Rahmen der G-8, der Weltbank oder der EU initiierbar<br />
sind. Die NATO kann jedoch eine wichtige Unterstützungsfunktion<br />
im sicherheitspolitischen Bereich spielen.<br />
Was die institutionellen Arrangements einer solchen Initiative<br />
anbelangt, ist Sensibilität <strong>und</strong> größtmögliche Flexibilität<br />
angezeigt, um die Akzeptanz durch die Staaten der Region<br />
sicherzustellen.<br />
3.3 Russl<strong>and</strong> <strong>und</strong> die Ukraine<br />
Diese neuen Initiativen bedeuten natürlich nicht, dass den<br />
bestehenden Partnerbeziehungen, insbesondere zu Russl<strong>and</strong>,<br />
weniger Aufmerksamkeit geschenkt werden darf. Im Gegenteil,<br />
die Beziehungen im Rahmen des bislang erfolgreichen<br />
NATO-Russl<strong>and</strong>-Rates werden durch die Erweiterung natürlich<br />
auf eine harte Probe gestellt <strong>und</strong> bedürfen in nächster<br />
Zeit besonderer Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Fingerspitzengefühl.<br />
Die Tatsache, dass die NATO im Rahmen ihrer kollektiven<br />
Verpflichtungen zum Schutz des baltischen Luftraumes vier<br />
belgische Abfangjäger in Litauen stationiert hat, trifft in<br />
Moskau auf heftige Kritik. 12 Ebenso bestehen weiterhin Dif-<br />
10 Partnerschaft für den <strong>Frieden</strong> (PfP) wurde 1994 auf dem Brüsseler NATO<br />
Gipfel ins Leben gerufen <strong>und</strong> beinhaltet eine Fülle von praktischen militärischen<br />
<strong>und</strong> sicherheitspolitischen Kooperationsprogrammen für die<br />
NATO Partner, bis hin zur Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung gemeinsamer<br />
<strong>Frieden</strong>smissionen, wie dies bereits auf dem Balkan <strong>und</strong> in Afghanistan<br />
im Rahmen der dortigen NATO-Operationen geschieht.<br />
11 Greater Middle East (GME) wurde ein regelrechtes Schlagwort seither. Vgl.<br />
für einen deutschen Beitrag die Rede des B<strong>und</strong>esaußenminister Fischer auf<br />
der Münchner <strong>Sicherheit</strong>skonferenz am 7. Februar <strong>2004</strong>.<br />
12 Vgl. NATO’s Lithuania l<strong>and</strong>ing revives Russian fears, The Times, 13. April<br />
<strong>2004</strong>.<br />
ferenzen, was die Umsetzung der von Russl<strong>and</strong> auf dem Istanbuler<br />
OSZE-Gipfel 1999 eingegangenen Vereinbarungen<br />
zum Abzug russischer Streitkräfte aus Georgien <strong>und</strong> Moldawien<br />
anbelangt. Die russische Seite drängt zusätzlich auf einen<br />
raschen Beitritt der baltischen Staaten <strong>und</strong> Sloweniens<br />
zum adaptierten KSE-Vertrag, der Obergrenzen für konventionelle<br />
Streitkräfte in Europa festgesetzt hat. Die betroffenen<br />
NATO-Beitrittsländer argumentieren, dass sie dem Vertrag<br />
erst beitreten können, wenn er in Kraft getreten ist.<br />
Dazu müsste er allerdings zunächst einmal von russischer<br />
Seite ratifiziert werden.<br />
Die NATO-Ukraine Beziehungen haben mit dem auf dem<br />
Prager Gipfel 2002 erreichten ambitionierten Partnerschaftsplan<br />
einen wichtigen Impuls bekommen. Hier geht es<br />
vor allem um eine Reform des Verteidigungs- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>ssektors<br />
bei gleichzeitiger Förderung der demokratischen<br />
Kultur in der Ukraine.<br />
Schließlich gilt es, den Weg der Öffnung für ‚exotische‘<br />
Partner weiter fortzusetzen. Mit zahlreichen Staaten (Australien,<br />
Neuseel<strong>and</strong>, Japan <strong>und</strong> jüngst auch China) bestehen<br />
<strong>Sicherheit</strong>sdialoge unterschiedlicher Intensität. Hier geht es<br />
natürlich nicht um eine eventuelle Mitgliedschaft, sondern<br />
um pragmatische Formen der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit<br />
<strong>und</strong> die Chance auf Einbindung der genannten<br />
Staaten in künftige NATO-Operationen.<br />
3.4 Ein Netz von Institutionen<br />
Angesichts der komplexen Zusammenhänge, die moderne<br />
<strong>Sicherheit</strong>sbedrohungen umgeben, wird die enge Kooperation<br />
mit <strong>and</strong>eren spezialisierten Organisationen <strong>und</strong> Institutionen<br />
immer bedeutender. Heute gibt es weder für die UN<br />
noch für EU, OSZE oder NATO ein Recht auf Vorrang <strong>und</strong><br />
die meisten Staaten sehen die operativen Rollen einzelner<br />
Organisationen zunehmend pragmatisch. Welche Organisation<br />
zum Zuge kommen wird, hängt von ihrer Problemlösungskapazität,<br />
also Effizienz im Einzelfall ab <strong>und</strong> im weiteren<br />
von ihrer Fähigkeit, in einem sinnvollen Zusammenspiel<br />
mit <strong>and</strong>eren Organisationen (übrigens mehr <strong>und</strong> mehr auch<br />
mit NGOs!) zu kooperieren. In einer solchen Welt ist für institutionelle<br />
Rivalitäten oder Dogmatismus kein Platz mehr.<br />
Mit der EU besteht durch die Berlin-Plus-Vereinbarungen<br />
seit März 2003 eine geregelte Zusammenarbeit. Die NATO<br />
hat im Frühjahr eine interne Überprüfung ihrer Beziehungen<br />
auch zu <strong>and</strong>eren Organisationen, insbesondere OSZE<br />
<strong>und</strong> UN unternommen <strong>und</strong> Arbeitspapiere verabschiedet,<br />
die darauf abzielen, effektive Strukturen <strong>und</strong> Mechanismen<br />
zu etablieren, um die anstehenden Herausforderungen internationaler<br />
<strong>Sicherheit</strong> gemeinsam <strong>und</strong> in enger Kooperation<br />
angehen zu können. Dazu gehört im Übrigen auch die<br />
konsequente Fortführung der bereits begonnenen internen<br />
Reform der Allianz, die Verschlankung der Entscheidungsprozesse<br />
<strong>und</strong> die Revitalisierung der NATO als zentralen<br />
Konsultationsmechanismus für alle – durchaus auch kontroverse<br />
– sicherheitspolitische Themen, die für die transatlantischen<br />
Beziehungen Relevanz besitzen. Auch Berührungsängste<br />
zwischen der NATO <strong>und</strong> zivilen NGOs müssen auf<br />
beiden Seiten stärker abgebaut werden. Das Konzept der Re-<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 77
T H E M E N S C H W E R P U N K T | Kir s te, Sic herheits poli tis che Her a usfor derung en für die NATO<br />
gionalen Wiederaufbauteams in Afghanistan (PRTs) könnte<br />
dies beschleunigen.<br />
4. Die erweiterte Allianz der Zukunft<br />
Die NATO hat seit 1990 <strong>und</strong> verstärkt seit dem Prager Gipfel<br />
von 2002 einen gewaltigen Transformationsprozess unternommen,<br />
der die Allianz nachhaltig verändert hat. Natürlich<br />
haben zu diesem veränderten Erscheinungsbild auch die<br />
zehn neuen Staaten beigetragen, die seit dem Ende des Kalten<br />
Krieges neue Mitglieder des transatlantischen Bündnisses<br />
geworden sind. Aber es sind doch eher die veränderten internationalen<br />
Rahmenbedingungen <strong>und</strong> die neuen sicherheitspolitischen<br />
Herausforderungen, die der NATO ein neues<br />
Gesicht gegeben haben. Diese Transformation ist dabei<br />
noch nicht abgeschlossen. Wo wird sie enden? Vieles spricht<br />
dafür, dass es heute für Organisationen, die effektive Instrumente<br />
in den Händen ihrer Mitglieder bleiben wollen,<br />
kein Ankommen, kein Endstadium gibt, auf das man hinarbeiten<br />
kann. Vielmehr wird die Transformation ein kontinuierlicher<br />
Prozess der Anpassung an immer neue Rahmenbedingungen<br />
sein.<br />
Die traditionelle Allianz im Sinne ihres Gründungsverständnisses<br />
als territorial beschränkter Militärpakt mit der Hauptaufgabe<br />
kollektiver Verteidigung gemäß Art. 5 Washingtoner<br />
Vertrag <strong>und</strong> dem Ziel, den Kalten Krieg zu beenden <strong>und</strong> Europa<br />
durch Partnerschaft <strong>und</strong> Erweiterung zu konsolidieren,<br />
ist tot, überholt von den Entwicklungen der letzten Jahre.<br />
Eine solche Allianz wäre auch nicht mehr überlebensfähig,<br />
unrealistisch angesichts der gewaltigen Herausforderungen<br />
<strong>und</strong> zu unattraktiv für ihre Mitglieder.<br />
Die NATO als reine ‚Toolbox‘, als Werkzeugkasten für wechselnde<br />
Koalitionen der Willigen (<strong>und</strong> Fähigen), die sich lediglich<br />
einzelner NATO-Strukturen, wie Streitkräfte- <strong>und</strong> Operationsplanung<br />
bedienen wollten, um militärisch zu<br />
stabilisieren, nachdem <strong>and</strong>ere Staaten (Koalitionen) bereits<br />
interveniert hätten, wäre ebenso problematisch. Sollte der<br />
Toolbox-Ansatz gewählt werden, um dauerhaft eine schwierige<br />
Konsensbildung durch opting-out zu umgehen, 13 würde<br />
die Glaubwürdigkeit der Allianz nachhaltig leiden <strong>und</strong><br />
Bündnissolidarität wäre langfristig nicht mehr sicherzustellen.<br />
Aber der Toolbox-Ansatz muss differenzierter gesehen<br />
werden, denn strenggenommen sind die militärische Einbeziehung<br />
unterschiedlicher Partner in verschiedene NATO-<br />
Operationen, die selektive militärische Zusammenarbeit mit<br />
Russl<strong>and</strong> oder die ISAF-Mission Beispiele für durchaus wünschenswerte<br />
<strong>und</strong> erfolgversprechende Koalitionen der Willigen.<br />
14 Flexibilität im Rahmen der um die Partner erweiterten<br />
NATO-Staatengruppe ist also nicht generell negativ zu sehen.<br />
Eine hoffnungsvollere <strong>und</strong> angesichts der jüngsten transatlantischen<br />
Annäherung wahrscheinlicher gewordene Vari-<br />
13 Die B<strong>und</strong>esregierung hat mehrfach deutlich gemacht, dass sie einen<br />
NATO-Beschluss zum Irak nicht blockieren will, aber an einer möglichen<br />
militärischen Rolle der Allianz im Irak nicht teilnehmen wird.<br />
14 Auch Art. 5 des Washingtoner Vertrages hat den Staaten immer offen<br />
gelassen, welchen individuellen Beitrag sie im Bündnisfall leisten wollen.<br />
78 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
ante ist eine NATO, die zur treibenden Kraft eines internationalen<br />
<strong>Sicherheit</strong>ssystem geworden ist. Diese Allianz wird<br />
das zentrale aber flexible sicherheitspolitische Bindeglied<br />
zwischen den USA, Europa, Russl<strong>and</strong> <strong>und</strong> den Partnern sein,<br />
die gemeinsam – je nach Mission allerdings nicht immer alle<br />
zusammen – an den großen sicherheitspolitischen Herausforderungen<br />
(internationaler Terrorismus, Massenvernichtungswaffen,<br />
zerfallende Staaten) arbeiten. Einer solchen<br />
NATO gelingt es auch, die Peripherien dieses Raumes mit<br />
einzubeziehen, beispielsweise durch einen erweiterten Mittelmeerdialog<br />
oder eine Kooperationsinitiative mit dem Nahen<br />
<strong>und</strong> Mittleren Osten. Im Zusammenspiel mit <strong>and</strong>eren<br />
Organisationen <strong>und</strong> Institutionen, insbesondere der EU <strong>und</strong><br />
der UN, unterstützt dieses Bündnis die Staatengemeinschaft<br />
aktiv bei der militärischen Stabilisierung von Krisenzonen<br />
<strong>und</strong> hilft den Vereinten Nationen bei der Durchsetzung<br />
halbwegs akzeptabler Regeln staatlichen Verhaltens. 15<br />
Vieles davon ist bereits heute Realität <strong>und</strong> kann vollends<br />
verwirklicht werden, wenn es der NATO <strong>und</strong> ihren Mitgliedstaaten<br />
gelingt, die oben aufgezeigten Herausforderungen erfolgreich<br />
zu meistern.<br />
15 Natürlich ist diese Rolle der NATO nicht unumstritten: Vgl. zur Unterstützung<br />
dieser Argumentation Friederike Bauer, Die NATO als Vortrupp<br />
in Afrika? Gedankenspiele Kofi Annans über die Arbeitsteilung mit den<br />
Vereinten Nationen, in FAZ, 2. April <strong>2004</strong>. Dagegen sprechen sich James<br />
Goodby <strong>und</strong> Kenneth Weisbrode aus: NATO Can’t Be Globocop, in The<br />
Wall Street Journal, 1. April <strong>2004</strong>.
Gut tieri, Civ il-mil ita ry relations in pea cebuil ding | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />
F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
Civil-military relations in peacebuilding<br />
Karen Guttieri*<br />
Abstract: Civil-military relations are vital to the coherence <strong>and</strong> effectiveness of post-conflict peacebuilding, but have often<br />
been problematic. This article argues that civil-military issues vary systematically in relation to the particular civil <strong>and</strong> military<br />
actors in peacebuilding, <strong>and</strong> that the coercive content of the external military’s mission creates special challenges in<br />
each of these sets of relationships. Given the significance of the military footprint, the article presents trade-offs for policymakers<br />
intending to use military forces to make peace.<br />
Key words: peacebuilding, peacekeeping, civil-military relations, coalitions, United Nations, conflict resolution<br />
n traditional UN peacekeeping missions deployed during<br />
the Cold War, military forces supervised <strong>and</strong> monitored<br />
cease fires between states, usually in the wake of a peace<br />
agreement <strong>and</strong> authorized <strong>und</strong>er Chapter VI of the UN charter.<br />
At about the same time that the Cold War ended <strong>and</strong><br />
great powers were more inclined to work together in the <strong>Security</strong><br />
Council, the UN shifted focus to respond to the<br />
pressing need for a more comprehensive <strong>and</strong> sometimes coercive<br />
response to internal conflict. <strong>Peace</strong>building, introduced<br />
in 1992 by UN Secretary-General Boutros Boutros-Ghali,<br />
sought not merely to keep apart conflicting factions but to<br />
build structures that would sustain peace. 1 As compared to<br />
previous peacekeeping efforts, peacebuilding would require<br />
greater synergy across spheres of assistance – social, economic,<br />
humanitarian, security, <strong>and</strong> political-administrative<br />
– <strong>and</strong> among an increasing variety of agencies <strong>and</strong> actors facilitating<br />
transitions to peace. At the turn of the century, an<br />
emergent international consensus on coherence – the coordination<br />
of intervention <strong>and</strong> humanitarian actions – matured.<br />
2 I<br />
At this same moment, military interventions by the<br />
North Atlantic Treaty Organization (NATO) in Kosovo, USled<br />
coalition forces in Afghanistan, <strong>and</strong> a US- <strong>and</strong> British-led<br />
coalition in Iraq, created deep divisions about the rightfulness<br />
of intervention, the balance between civilian <strong>and</strong> military<br />
components within it, <strong>and</strong> the governance of what<br />
would follow.<br />
Civil-military synergy is particularly vital to managing postconflict<br />
transitions, but has too often been problematic. 3<br />
Civil <strong>and</strong> military actors, both within various troop-<br />
* Karen Guttieri is an Assistant Professor at the Naval Postgraduate School,<br />
Monterey, California, affiliated with the Center for International <strong>Security</strong><br />
<strong>and</strong> Cooperation, Stanford University. She holds a PhD in Political Science<br />
from the University of British Columbia, Canada.<br />
This article was prepared for the United Nations University-IFSH project<br />
»The Role of the Military in Post-Conflict <strong>Peace</strong>building.« The author acknowledges<br />
the project directors Hans-Georg Ehrhart (IFSH) <strong>and</strong> Albrecht<br />
Schnabel (swisspeace), the members of the project team as well as two<br />
anonymous peer reviewers for their input in the preparation of this article.<br />
1 Boutros-Ghali described peacebuilding as »action to identify <strong>and</strong> support<br />
structures which will tend to strengthen <strong>and</strong> solidify peace in order to<br />
avoid a relapse into conflict.« United Nations, Secretariat, An Agenda for<br />
<strong>Peace</strong>: Preventive diplomacy, peacemaking <strong>and</strong> peace-keeping, Report of the Secretary-General<br />
pursuant to the statement adopted by the Summit Meeting of the<br />
<strong>Security</strong> Council on 31 January 1992 (A/47/277 – S/24111), 17 June 1992.<br />
See also Elizabeth M. Cousens, »Introduction«, in Elizabeth Cousens <strong>and</strong><br />
Chetan Kumar, with Karin Wermester, eds., <strong>Peace</strong>building as Politics, Boulder:<br />
Lynne Rienner, 2001, pp. 1-20.<br />
2 See the discussion in Antonio Donini, Norah Nil<strong>and</strong> <strong>and</strong> Karin<br />
Wermester, eds., Nation-building Unraveled? Aid, <strong>Peace</strong> <strong>and</strong> Justice in Afghanistan,<br />
Bloomfield, CT: Kumarian Press, <strong>2004</strong>, pp. 1-8.<br />
3 Richard P. Cousens, »Providing Military <strong>Security</strong> in <strong>Peace</strong>-Maintenance«,<br />
in Jarat Chopra, ed., The Politics of <strong>Peace</strong> Maintenance, Boulder: Lynne Rienner,<br />
1998, p. 102.<br />
contributing states <strong>and</strong> in the multilateral arena, have<br />
waged f<strong>und</strong>amental contests over the determination of military<br />
m<strong>and</strong>ates, specific military roles, training requirements,<br />
troop discipline, resource allocations, <strong>and</strong> multilateral<br />
comm<strong>and</strong> <strong>and</strong> control structures. What makes civil-military<br />
tensions more likely, <strong>and</strong> more harmful? First, tensions <strong>and</strong><br />
rivalries differ systematically in relation to the particular<br />
civil <strong>and</strong> military actors in peacebuilding – in some measure<br />
a function of the division of roles among civil <strong>and</strong> military<br />
actors. Second, civil-military tensions are affected by the<br />
level/potential for violence in the post-conflict environment,<br />
particularly in relation to the coercive content of the<br />
external military’s mission.<br />
The first section of this article describes those military roles<br />
in peacebuilding, which make civil-military relations so vital<br />
to success. The second section discusses specific issues in<br />
military relations with three sets of civilians: comm<strong>and</strong><br />
authorities, civilian agencies, <strong>and</strong> civilian populations. Military<br />
relationships with these three civilian groups arise in<br />
the context of the military footprint – the scope of military<br />
involvement in implementation. Military m<strong>and</strong>ates that involve<br />
providing public security, disarmament <strong>and</strong> seizure of<br />
persons indicted for war crimes are more dangerous <strong>and</strong> imply<br />
larger military presence <strong>and</strong> intrusiveness in the wartorn<br />
society. The final section of this article illuminates<br />
trade-offs in policy decisions about the military footprint in<br />
peacebuilding.<br />
1. Military roles in peacebuilding<br />
The remark, attributed to former United Nations Secretary-<br />
General Dag Hammarskjöld, that »peacekeeping is not a job<br />
for soldiers, but only soldiers can do it,« depicts the military<br />
role as a necessary evil. 4 Soldiers might agree, particularly if<br />
peacekeeping breaks with their long-st<strong>and</strong>ing conceptions of<br />
military purpose. Although the rules have changed, there is<br />
at least one consistent norm in United Nations peacekeeping:<br />
the use of force to defeat a belligerent is prohibited. 5 For<br />
4 Quoted in Margaret Daly Hayes, »Political-Military Relations Within International<br />
Organizations«, report of the symposium at the Inter-<br />
American Defense College, 28 September 1995, Fort McNair, Washington,<br />
D.C., 1995, p. 7.<br />
5 John Gerard Ruggie, »The UN <strong>and</strong> the Collective Use of Force: Whither or<br />
Whether?« in Michael Pugh, ed., The UN, <strong>Peace</strong> <strong>and</strong> Force, London: Frank<br />
Cass, 1997, p. 11.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 79
S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D | Gut tieri, Civ il-mil ita ry relations in peaceb uildin g<br />
F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
military forces, this means that in peacebuilding the center<br />
of gravity is commonly located in the civilian domain.<br />
Barred from war making, peacekeeping forces are all the<br />
more servants of civilian implementers engaged in peacebuilding.<br />
<strong>Peace</strong>keeping traditionally required impartial, lightly armed<br />
military personnel to monitor <strong>and</strong> observe the implementation<br />
of peace agreements between conflicting states. The<br />
military personnel who donned the blue berets of United<br />
Nations peacekeepers were generally from developed nations,<br />
but not major powers. As the Cold War ended in<br />
1989-92, great powers got into the game, multilateral arrangements<br />
became more complex, missions became more<br />
coercive, <strong>and</strong> occurred within states.<br />
Military arrangements became more diffuse. In Bosnia, great<br />
<strong>and</strong> major powers such as the United States, Britain, France<br />
<strong>and</strong> Germany acted through NATO <strong>and</strong> with UN preauthorization,<br />
<strong>and</strong> in Kosovo with UN post-facto legitimization.<br />
NATO Secretary-General Jaap de Hoop Scheffer has<br />
also mentioned the possibility of a peacekeeping role in the<br />
Israeli-Palestinian conflict. 6 In Afghanistan <strong>and</strong> Iraq, the US<br />
formed its own coalitions <strong>and</strong> the UN wrestled with the<br />
challenges of coherence. Meanwhile, frustrated by great<br />
power reluctance to engage national or UN forces in Africa,<br />
West African nations have established their own missions<br />
<strong>und</strong>er regional frameworks, including most recently a 2003<br />
resolution by the African Union (AU) to approve the African<br />
Mission in Bur<strong>und</strong>i. 7 Similarly, Indonesia recently proposed<br />
the establishment of an Association of Southeast Asian Nations<br />
(ASEAN) <strong>Peace</strong>keeping Force by 2012. 8<br />
The roles for external military personnel vary widely. Foreign<br />
military leaders sometimes participate in negotiating cease<br />
fires or even peace settlements of civil wars, as was done in<br />
Mozambique, Angola <strong>and</strong> Bosnia. 9 Military contributors perform<br />
or monitor military-oriented tasks such as demobilization,<br />
encampment <strong>and</strong> disarmament of parties. Enforcement<br />
of no-fly zones or cease-fires, for example, exercises external<br />
coercion. However, it might be sufficient to simply promote<br />
transparency among warring parties. In that event, external<br />
forces monitor cease-fires, disarmament, <strong>and</strong> demobilization.<br />
Securing relief convoys, as in Somalia, or ballot booths, as in<br />
Cambodia, requires passive coercion. External militaries<br />
might also play very non-coercive roles in support of civilian<br />
agencies, by lending craft to transport relief supplies, establishing<br />
camps for displaced people, <strong>and</strong> providing engineering<br />
<strong>and</strong> other expertise for reconstruction.<br />
6 Jaap van Wesel, »NATO Chief Sees His Troops in West Bank <strong>and</strong> Gaza<br />
<strong>Peace</strong>keeping Role«, The Jerusalem Report, 3 November 2003.<br />
7 Africa Recovery, »Pan-Africa: Africa Builds Its Own <strong>Peace</strong> Forces«, Africa<br />
News, 23 October 2003. African peacekeeping was conducted <strong>und</strong>er the<br />
framework of the Economic Community of West African States<br />
(ECOWAS) in Sierra Leone, Guinea-Bissau <strong>and</strong> Cote d’Ivoire; <strong>und</strong>er the<br />
auspices of the Economic <strong>and</strong> Monetary Community of Central African<br />
States (CEMAC) in the Central African Republic; <strong>and</strong> the Southern African<br />
Development Community (SADC) in Lesotho <strong>and</strong> (rather more problematic)<br />
the Democratic Republic of the Congo. The Intergovernmental<br />
Authority on Development (IGAD) in East Africa was meanwhile engaged<br />
in mediation among factions in Sudan <strong>and</strong> Somalia.<br />
8 »UN Terms ASEAN <strong>Peace</strong>keeping Force Idea ‘Very Exciting’«, Japan Economic<br />
Newswire, 24 February <strong>2004</strong>.<br />
9 Anthony D. Marley, »Responsibilities of a Military Negotiator During<br />
<strong>Peace</strong> Talks«, Parameters, Summer 1996, pp. 67- 78.<br />
80 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
Given exp<strong>and</strong>ed roles in modern peacekeeping, military<br />
contributors can expect to deal with more complexity in<br />
their relationships. Multiple levels of civilian authority, active<br />
civilian management of peace processes, large numbers<br />
of civilian agencies active in theater, <strong>and</strong> scrutiny over<br />
compliance with norms of civilian protection increase the<br />
number <strong>and</strong> character of relationships. In short, this use of<br />
force makes for interesting <strong>and</strong> controversial civil-military<br />
relations.<br />
2. Civil-military relationships<br />
Civilian control of military force <strong>and</strong> military control of operations<br />
are f<strong>und</strong>amental issues in civil-military relations.<br />
Numerous sub-issues arise during attempts to improve civilian<br />
control <strong>and</strong> military effectiveness, including military<br />
professionalism, separation of military <strong>and</strong> civilian spheres,<br />
determination of roles <strong>and</strong> missions, contests over resources,<br />
<strong>and</strong> the mobilization of interest groups. These issues, long<br />
recognized as significant in domestic civil-military relations,<br />
also play out in the international context of peace implementation.<br />
When discussing civil-military relations in international<br />
peacebuilding, it is critical to ask which civil-military relations<br />
one is considering. As the following table shows, these<br />
issues are relevant in military relations with different sets of<br />
civilians. In addition to comm<strong>and</strong> relationships, two other<br />
sets of civil-military relations are at play in peacebuilding:<br />
external military relations with civilian agencies <strong>and</strong> their<br />
relations with civilian populations.<br />
2.1 Civil-military issues by categories of civilians<br />
Category of<br />
Civilian:<br />
Nature of<br />
Relationship:<br />
Primary<br />
Level of<br />
Analysis:<br />
Potential<br />
CivilmilitaryIssues:<br />
Political Leadership<br />
Participating Civilian<br />
Agencies<br />
Civilian Population<br />
Authoritative Coordinative Subordinate<br />
Strategic Operational Tactical<br />
Civilian control<br />
– or institutional<br />
equilibrium in<br />
calling the shots<br />
or getting involved<br />
Cultural differences<br />
– or ability<br />
to get along<br />
with civilian<br />
agencies<br />
Military professionalism<br />
– or<br />
good conduct<br />
2.2 Relations with civilian comm<strong>and</strong> authorities<br />
Military relations with their comm<strong>and</strong> authorities are intentionally<br />
hierarchical. Domestic civil-military relations are<br />
significant, even in multinational missions, which have two<br />
tiers of authority. Comm<strong>and</strong>, as generally <strong>und</strong>erstood, includes<br />
not simply authority over personnel matters like
Gut tieri, Civ il-mil ita ry relations in pea cebuil ding | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />
F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
promotions, but also the ability to change missions. 10 National<br />
governments retain comm<strong>and</strong> authority over military<br />
forces, even if operational authority is transferred, for example,<br />
to the United Nations.<br />
The UN does not have the ability to exercise full comm<strong>and</strong>.<br />
The United Nations term »operational authority« is to a certain<br />
degree a combination of the elements of NATO’s operational<br />
comm<strong>and</strong> <strong>and</strong> operational control:<br />
»United Nations operational authority entails the exclusive<br />
authority to issue operational directives within the limits of<br />
1) a specific m<strong>and</strong>ate of the <strong>Security</strong> Council, 2) a specific<br />
geographic area (the mission area as a whole), <strong>and</strong> 3) an<br />
agreed period of time. Operational authority includes the<br />
authority to assign separate tasks to sub-units of a contingent<br />
<strong>and</strong> general responsibility for logistic support.« 11<br />
The degree of operational authority granted to the UN by<br />
troop contributing states is a political decision to be determined<br />
by the national authorities.<br />
Political control, if not civilian control, is needed to commit<br />
troops to peacekeeping. However, although peacebuilding<br />
generally promotes the norm of civilian control, in the past<br />
Nigerian peacekeepers were not, <strong>and</strong> today Pakistani peacekeepers<br />
are not, governed by civilians. Moreover, today’s<br />
United Nations peacekeeping missions are manned primarily<br />
by developing nations. 12 Militaries that acquire muchneeded<br />
f<strong>und</strong>ing, training, <strong>and</strong> equipment from participation<br />
in UN peacekeeping, would seem less likely to balk at deployments<br />
than wealthier armed forces that see peacekeeping<br />
as »auxiliary.«<br />
It is no coincidence that United States military leaders, who<br />
generally do not see peacebuilding as a primary mission,<br />
have challenged civilian leadership before <strong>and</strong> during missions.<br />
American civilian <strong>and</strong> military leaders were bitterly<br />
divided over the Bosnia strategy. Diplomat Richard Holbrooke,<br />
who negotiated a peace accord for the warring Bosnian<br />
factions at Dayton, Ohio, <strong>and</strong> Leighton Smith, the<br />
military man implementing the agreement, argued with<br />
each other publicly, including public complaints by Holbrooke<br />
about the poor quality of military advice. 13 The level<br />
of civilian expertise <strong>and</strong> the role of military advice affect the<br />
authoritative relationship of civilian comm<strong>and</strong> over soldiers<br />
in peace operations.<br />
A more challenging issue of comm<strong>and</strong> <strong>and</strong> control arises<br />
from the nature of the use of force in peacebuilding. In war,<br />
10 To add to the confusion, NATO doctrine, for example, distinguishes between<br />
operational control <strong>and</strong> operational comm<strong>and</strong>. See Joint Publication<br />
1-02, »DOD Dictionary of Military <strong>and</strong> Associated Terms. As<br />
amended through 09 January 2003.« Available online at http://www.dtic.<br />
mil/doctrine/jel/doddict/natoterm/o/<br />
11 United Nations, Department of <strong>Peace</strong>keeping Operations, General Guidelines<br />
for <strong>Peace</strong>-keeping Operations, UN/210/TC/GG95, New York, October<br />
1995, p. 36.<br />
12 In February <strong>2004</strong> the top ten ranking contributors were Pakistan, Bangladesh<br />
(over 6,000 troops), Nigeria (more than 3,500), India, Nepal, <strong>and</strong><br />
Ghana (over 2,000), Uruguay, Jordan, Kenya <strong>and</strong> South Africa (over<br />
1,400). United Nations Department of <strong>Peace</strong>keeping Operations,<br />
»Monthly Summary of Military <strong>and</strong> Civilian Police Contributions to UN<br />
Operations«, 29 February <strong>2004</strong>. Available online at http://www.un.org/<br />
Depts/dpko/contributors/index.htm.<br />
13 Michael Kirk <strong>and</strong> Rick Young (producers <strong>and</strong> writers), Peter J. Boyer (correspondent),<br />
»Give War a Chance,« Frontline Program #1715. Aired on<br />
PBS 11 May 1999. Holbrooke was also doubtful that the US military<br />
would make a sincere effort to capture indicted war criminals in Bosnia.<br />
military comm<strong>and</strong>ers tend to prefer freedom of action, or<br />
operational control. 14 <strong>Peace</strong> operations lend themselves to<br />
civilian micro-management of the use of force. One attempted<br />
solution is to distinguish carefully between civilian<br />
<strong>and</strong> military m<strong>and</strong>ates. US military leaders lobbied for <strong>and</strong><br />
got a firewall between military <strong>and</strong> civilian tasks into the<br />
Dayton Accord for Bosnia. Thanks to this compartmentalization,<br />
some perversely portray the implementation of the<br />
Dayton Accord as a military success <strong>and</strong> civilian failure. 15<br />
Multilateral operations add complexity. NATO itself was divided<br />
over Bosnia during the UNPROFOR era. European nations,<br />
with large numbers of troops on the gro<strong>und</strong> <strong>und</strong>er<br />
UNPROFOR, were wary of the American Congress’s proposal<br />
to lift an arms embargo against the Bosnian Muslims (or<br />
Bosniaks), <strong>and</strong> to strike at Serbia – dubbed »lift <strong>and</strong> strike.«<br />
Furthermore, the two major intergovernmental organizations<br />
(IGOs) engaged, the UN <strong>and</strong> NATO, were »deeply <strong>and</strong><br />
publicly at odds« over the proper military response to the<br />
situation in Bosnia in 1994. 16 A »dual key« arrangement<br />
provided for UN approval of military action by NATO. This<br />
comm<strong>and</strong> system was an issue during a May 1995 crisis in<br />
which the UN Bosnia Force Comm<strong>and</strong>er, British General<br />
Rupert Smith, called for air strikes against the Serbs, who<br />
were shelling civilians in designated »safe areas.« The request<br />
went all the way to the Secretary-General, who turned<br />
it down. From a military perspective, the comm<strong>and</strong> arrangements<br />
were not only untidy, they were unsafe. Not<br />
surprisingly, the dual key arrangement was changed in July,<br />
in the wake of the massacre of an estimated 7,414 Muslims<br />
at Srebrenica. 17 Interestingly, after this change, the »keys«<br />
for air strike launch were held by all military men: General<br />
Bernard Janvier, overall comm<strong>and</strong>er of UN forces (rather<br />
than with the UN Special Representative Yasushi Akashi),<br />
<strong>and</strong> Admiral Leighton Smith, NATO’s Southern Region<br />
comm<strong>and</strong>er. External involvement afterward entered a new<br />
phase marked by the creation of a larger force <strong>and</strong> authorization<br />
of massive air attacks.<br />
The comm<strong>and</strong>er of the Kosovo Force (KFOR) complained<br />
that he had »nothing to comm<strong>and</strong>.« 18 Many of his proposals<br />
to military leaders of the national military contingents were<br />
referred back to governments for approval. Major power<br />
14 Max Manwaring takes the notion from Clausewitz that the goal of policy<br />
is the »[d]estruction of an opponent’s military forces or the means for<br />
waging war«, to mean that »it is the military that dominates to create<br />
conditions that other means could not make.« Max G. Manwaring, »Limited<br />
War <strong>and</strong> Conflict Control,« in Stephen J. Cimbala <strong>and</strong> Keith A.<br />
Dunn, eds., Conflict Termination <strong>and</strong> Military Strategy: Coercion, Persuasion,<br />
<strong>and</strong> War, Boulder <strong>and</strong> London: Westview Press, 1987, p. 60. Italics added.<br />
15 George A. Joulwan <strong>and</strong> Christopher C. Shoemaker, Civilian-Military Cooperation<br />
in the Prevention of Deadly Conflict: Implementing Agreements in Bosnia<br />
<strong>and</strong> Beyond, New York: Carnegie Corporation, December 1998. The<br />
authors commend the US military mission in Rw<strong>and</strong>a as a success, although<br />
the US military did not intervene to stop the genocide, because<br />
US comm<strong>and</strong>ers avoided »mission creep«.<br />
16 William H. Lewis <strong>and</strong> Edward Marks, »Searching for Partners: Regional<br />
Organizations <strong>and</strong> <strong>Peace</strong> Operations«, McNair Paper 58, Washington, DC:<br />
INSS-NDU, June 1998.<br />
17 William Shawcross, Deliver Us From Evil, New York: Simon <strong>and</strong> Schuster,<br />
2000, pp. 146-192.<br />
18 Independent International Commission on Kosovo, Kosovo Report, New<br />
York: Oxford University Press, 2000, p. 107. See also James Fergusson, A<br />
Mile Wide <strong>and</strong> an Inch Deep: Multilateralism <strong>and</strong> the Comm<strong>and</strong> <strong>and</strong> Control<br />
of Multinational Military Forces in <strong>Peace</strong> Operations. York University Centre<br />
for International <strong>and</strong> <strong>Security</strong> Studies Working Paper No. 8, June 1998, p.<br />
2.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 81
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F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
militaries, as in Bosnia <strong>and</strong> Somalia for example, generally<br />
took orders from their own governments.<br />
Meanwhile, national preferences also translate into lobbying<br />
for appointments of military leaders to international<br />
peacekeeping missions. France lobbied for a French force<br />
comm<strong>and</strong>er of UNPROFOR in Bosnia in 1993, <strong>and</strong> the<br />
Swedish comm<strong>and</strong>er was changed for a French general. Undiplomatically,<br />
the French defense minister announced the<br />
change on French television before UN Secretary-General<br />
Boutros Boutros-Ghali notified the Swedish government. 19<br />
Coalitions require consent <strong>and</strong> compromise, principles that<br />
seemingly conflict with requirements for military effectiveness.<br />
20 Lt. General Michael Short, the American who directed<br />
the NATO bombing campaign during the 78-day war<br />
against Serbia over Kosovo, alleged that coalition politics<br />
caused strategy to suffer <strong>and</strong> pilots to be at risk. The American<br />
contribution to the air campaign was by far the largest,<br />
but the decision-making was multinational <strong>and</strong> even micromanagerial:<br />
»Targeting was a problem to us,« Short said, »...<br />
<strong>and</strong> as you know, the red card was played by France in particular<br />
[to veto selected targets].« 21<br />
In sum, coercive peacekeeping stresses the relationship between<br />
military leaders <strong>and</strong> civilian masters. Just when a<br />
m<strong>and</strong>ate permits the use of force, national governments are<br />
more likely to put limits on its use in support of policy<br />
goals, watering down strategies to a lowest common denominator.<br />
Just when military might is most needed to create<br />
peace, missions are hampered by convoluted comm<strong>and</strong><br />
<strong>and</strong> control structures, national troop withdrawals, or reluctance<br />
by political or military leaders to commit to operations<br />
in the first place.<br />
2.3 Cooperative relations with civilian partners<br />
»Unity of comm<strong>and</strong>« is vital to operational effectiveness in<br />
war. The analogous concept in peace operations, »unity of<br />
effort« (or »coherence«) with civilian agencies, is also intended<br />
to achieve desired outcomes more quickly. This notion<br />
of unity implies shared civil-military objectives; however,<br />
civilian <strong>and</strong> military agendas may differ.<br />
Exp<strong>and</strong>ed civilian non-governmental <strong>and</strong> intergovernmental<br />
participation in peace processes after World War II created<br />
a new set of civil-military considerations at the operational<br />
level. In contrast to previous history, civilian agencies<br />
are typically on the scene before the military arrives.<br />
International military forces <strong>and</strong> civilian humanitarian organizations<br />
have been depicted as »two natural partners,<br />
who had long been intended for one another but had never<br />
19 William Shawcross, Deliver Us From Evil, New York: Simon <strong>and</strong> Schuster,<br />
2000, p. 112.<br />
20 Nora Bensahel, »The Coalition Paradox: The Politics of Military Cooperation«,<br />
Ph.D. Dissertation Stanford University, August 1999, p. 29.<br />
21 Lt. Gen. Michael Short to the US Senate Armed Services Committee,<br />
quoted in BBC News, »US General Condemns French ‘Red Card’«, 22 October<br />
1999. Available online at http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/<br />
482015.stm. See also »Interview with Lt. Gen. Michael Short,« PBS Frontline,<br />
War in Europe PBS Online, <strong>and</strong> WGBH/Frontline Site, produced February<br />
2000. Available online: http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/<br />
shows/kosovo/interviews/short.html.<br />
82 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
actually met during the Cold War.« 22 However, the relationship<br />
might be better described as a »marriage of convenience.«<br />
23 NGOs <strong>and</strong> IGOs operating in a hostile environment<br />
need the military for security <strong>and</strong> logistics, <strong>and</strong><br />
military forces need these civilians to take over humanitarian<br />
relief <strong>and</strong> enable them to leave. The participants often<br />
enter with incompatible expectations <strong>and</strong> in part acrimoniously.<br />
Cultural differences between hierarchical military forces <strong>and</strong><br />
decentralized non-governmental organizations (NGOs)<br />
abo<strong>und</strong>. During the United Nations Angola Verification<br />
Mission (UNAVEM), lack of professional respect between<br />
peacekeepers <strong>and</strong> humanitarian workers hampered demining<br />
<strong>and</strong> demobilization efforts. 24 Time horizons differ. Civilian<br />
actors tend to operate for longer periods in the field,<br />
so that civil-military relationships are recreated to some extent<br />
with each rotation. While many civilian agencies look<br />
at long-term development needs for war-torn societies, military<br />
personnel are more likely to focus on achieving their<br />
objectives in a specific mission.<br />
NGOs are non-governmental, but not necessarily neutral,<br />
actors. Those that focus on human rights monitoring <strong>and</strong><br />
advocacy are »far from neutral,« says Pamela Aall, adopting<br />
»principled <strong>and</strong> often adversarial positions with regard to<br />
both official institutions <strong>and</strong> the parties engaged in a conflict.«<br />
25 On the other h<strong>and</strong>, relief, economic development or<br />
conflict resolution organizations tend to be impartial, sometimes<br />
more so than military forces.<br />
Coercive interventions force aid organizations to make difficult<br />
choices between seeking the protection of peacekeeping<br />
forces <strong>and</strong> maintaining distance from them, thereby giving<br />
the impression of impartiality. In Somalia in 1992, prior to<br />
the arrival of the US-led United Task Force (UNITAF), some<br />
relief agencies hired protection from armed locals. 26 This<br />
created difficulties when UNITAF sought to demilitarize the<br />
environment. Ten years later, civil-military relations were<br />
worse in Afghanistan. NGOs protested against United States<br />
military actions, which concurrently delivered aid <strong>and</strong><br />
bombs. Sally Austin of CARE International complained<br />
about American Special Forces: »They are here in civilian<br />
clothes, saying they are doing humanitarian work. But they<br />
are putting our own efforts as humanitarians at risk.« 27<br />
22 Hugo Slim, »The Stretcher <strong>and</strong> the Drum: Civil-Military Relations in <strong>Peace</strong><br />
Support Operations,« International <strong>Peace</strong>keeping, Vol. 3, No. 4, 1997, p.<br />
129.<br />
23 Andrew S. Natsios, »NGOs <strong>and</strong> the UN System in Complex Humanitarian<br />
Emergencies: Conflict or Cooperation?« in Thomas G. Weiss <strong>and</strong> Leon<br />
Gordenker, eds., NGOs, the UN, <strong>and</strong> Global Governance, Boulder <strong>and</strong> London:<br />
Lynne Rienner, 1996, p. 81.<br />
24 Nicole Ball <strong>and</strong> Kathleen Campbell, Complex Crisis <strong>and</strong> <strong>Peace</strong>: Humanitarian<br />
Coordination in Angola, prepared for the United Nations Office of Humanitarian<br />
Affairs (OCHA), New York: United Nations, March 1998, pp.<br />
38-39.<br />
25 Pamela R. Aall, »NGOs <strong>and</strong> Conflict Management,« <strong>Peace</strong>works, No. 5,<br />
Washington, DC: United States Institute of <strong>Peace</strong>, February 1996, p. 5.<br />
26 Charles Rogers, »The Changing Shape of <strong>Security</strong> for NGO Field Workers«,<br />
Together Magazine, No. 57, January-March 1998, available via World-<br />
Vision’s website: http://www.worldvision.org/worldvision/pr.nsf/<br />
stable/NGOsecuritya. Former US Ambassador to Somalia, Robert Oakley,<br />
discusses the problem in »An Envoy’s Perspective«, Joint Forces Quarterly,<br />
Autumn 1993, pp. 44-55.<br />
27 Susan Glasser, »Soldiers in Civilian Clothing; U.S. Forces' Humanitarian<br />
Effort in Afghanistan Draws Ire of Aid Agencies«, Washington Post, March<br />
28, 2002, p. A20.
Gut tieri, Civ il-mil ita ry relations in pea cebuil ding | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />
F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
Finally, the UN Office for the Coordination of Humanitarian<br />
Affairs (OCHA) confronted the reality of belligerency in the<br />
US- <strong>and</strong> British-led invasion of Iraq in 2003. OCHA’s »General<br />
Guidance for Interaction between United Nations Personnel<br />
<strong>and</strong> Military Actors in the Context of the Crisis in<br />
Iraq« emphasized operational independence of UN personnel<br />
<strong>and</strong> regarded coalition forces as belligerent occupants. 28<br />
This was an astonishing break with the trend toward a more<br />
integrated approach to post-conflict security-building. After<br />
decades of humanitarian intervention, belligerents <strong>and</strong> humanitarian<br />
actors were clearly identified.<br />
2.4 Relations with civilian populations<br />
When missions are coercive, military interactions with civilian<br />
populations are also more intense. This was obvious<br />
in Cambodia, where the large external military presence had<br />
a tremendous impact on the economy <strong>and</strong> social life. 29 This<br />
is more obvious still in Iraq today, where the environment<br />
has been too unstable for a United Nations mission to be<br />
considered. The coalition that waged war in 2003 struggled<br />
in <strong>2004</strong> to stabilize an environment in which the Red Cross<br />
<strong>and</strong> the UN itself have been attacked. »Everyone’s a target<br />
now,« said a security consultant in Baghdad in April <strong>2004</strong>,<br />
»They won’t stop <strong>and</strong> ask if you work for an NGO…the CPA,<br />
or a security company…It’s a guerrilla war. They don’t care<br />
who they get.« 30<br />
The requirements of peacekeeping are sometimes compared<br />
to those of counterinsurgency operations in which the civilian<br />
population is the center of gravity of military operations.<br />
In internal conflicts, leaders of factions depend on<br />
their relations with the population for their ability to defend<br />
or attack, <strong>and</strong> without whom they could not maintain their<br />
position, sustain access to spoils of war, <strong>and</strong> avoid prosecutions,<br />
such as for war crimes. 31 The relationship between external<br />
military forces <strong>and</strong> the civilian population is a significant<br />
strategic consideration.<br />
Military professionalism is vital when troops operate in<br />
heavily populated environments. Unfortunately, some<br />
troops are more professional than others. The commission<br />
of crimes by peacekeepers themselves can <strong>und</strong>ermine public<br />
support for the mission. The types of misconduct alleged to<br />
have been committed by multinational peacekeeping troops<br />
include torture, rape, murder, black marketeering, racketeering,<br />
<strong>and</strong> child prostitution. 32 Some Bulgarian troops stationed<br />
with UNTAC in Cambodia were characterized as,<br />
»more interested in organizing prostitution rings than in<br />
28 UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, »General Guidance<br />
for Interaction between United Nations Personnel <strong>and</strong> Military Actors<br />
in the Context of the Crisis in Iraq,« 21 March 2003. Available online<br />
via ReliefWeb: http://www.reliefweb.int.<br />
29 When attacking UNTAC forces, the Khmer Rouge claimed to be protecting<br />
women <strong>and</strong> children from an occupation army.<br />
30 Bay Fang, Kevin Whitelaw <strong>and</strong> Ilana Ozernoy, »Hell’s Fury,« US News <strong>and</strong><br />
World Report, Vol. 135, No. 12, 12 April <strong>2004</strong>, p. 16.<br />
31 Pär Eriksson, »Civil-Military Co-ordination in <strong>Peace</strong> Support Operations –<br />
An Impossible Necessity?« The Journal of Humanitarian Assistance, posted<br />
16 September 2000 on http://www.jha.ac/articles/a061.htm.<br />
32 »Keeping the <strong>Peace</strong>?« Dateline NBC. Program aired 10 January 1999. Lea<br />
Thompson reporting, Mark Feldstien producing. UN officials interviewed<br />
for this program conceded that the DPKO has not kept statistics on crimes<br />
committed by its peacekeeping troops.<br />
monitoring cease-fire violations.« 33 <strong>Peace</strong>keepers have been<br />
implicated as patrons in the industry of sex slavery in the<br />
Balkans. In 2002, the Head of the UN Office for Human<br />
Rights in Bosnia, Madeleine Rees, said, »[t]here is absolutely<br />
no dispute that the sex traffic market [in the Balkans] came<br />
with the arrival of the peacekeepers.« 34<br />
Civilian police officers are generally preferred for civil order<br />
tasks, precisely because they have more experience operating<br />
in civilian environments. 35 Ironically, the focus of investigations<br />
into allegations of patronizing <strong>and</strong> even participating<br />
in the Balkans sex trade is on civilian police. A senior<br />
official conceded that military peacekeepers are generally<br />
easier to discipline than civilian participants, as military organizations<br />
train <strong>and</strong> rigorously police their own members.<br />
Some militaries, particularly NATO members <strong>and</strong> the armed<br />
forces of wealthier nations, receive better training than others.<br />
The behavior of American troops therefore ought to be<br />
exemplary. Even so, a US Army investigation into the abuse<br />
of Kosovar Albanian civilians by a US Army Unit on<br />
peacekeeping duty identified a lack of proper training for<br />
missions that required soldiers to temper »their combat<br />
mentality.« 36<br />
High quality training <strong>and</strong> st<strong>and</strong>ards for conduct are clearly<br />
needed, with emphasis on military professionalism <strong>and</strong> discipline.<br />
37 The UN Department of <strong>Peace</strong>keeping Operations<br />
(DPKO) has reacted to shortcomings in training with the<br />
creation of the Training <strong>and</strong> Evaluation Service (TES), which<br />
develops <strong>and</strong> provides st<strong>and</strong>ardized peacekeeping training<br />
guidance.<br />
International organizations such as the UN do not have the<br />
same leverage over misbehaving peacekeepers as do civilian<br />
officials at home, since soldiers are generally immune from<br />
prosecution except by their own governments. 38 Problems in<br />
the field can lead to civil-military tensions back home. A<br />
cover-up at the senior officer level during the inquiry into<br />
the murder of a Somali youth in 1993 by Canadian peacekeepers<br />
provoked a civil-military relations crisis in Canada<br />
33 William Shawcross, Deliver Us From Evil, New York: Simon <strong>and</strong> Schuster,<br />
2000, p. 80.<br />
34 It is estimated that in 2000 the sex trade involved 200,000 southeastern<br />
European women – <strong>and</strong> an increasing number in the age group of 15-18.<br />
»Sins of the <strong>Peace</strong>keepers,« S<strong>und</strong>ay Herald (London) 30 June 2002,<br />
http://www.s<strong>und</strong>ayherald.com. See also Barbara Crossette, »<strong>Peace</strong>keeping’s<br />
Unsavory Side,« UN Wire, 11 June 2003.<br />
35 Kathryn Bolkovac, a human rights investigator, has sued DynCorp in<br />
London, the contractor for United Nations Civilian Police, charging unfair<br />
dismissal after she sent e-mail messages to the UN Mission about UN<br />
police officers <strong>and</strong> humanitarian workers exploiting women forced into<br />
prostitution. Steward Payne, »Teenagers ‘used for sex by UN in Bosnia,’«<br />
The Daily Telegraph (London), 25 April 2002, p. 17.<br />
36 Associated Press, »US Kosovo Report Shows Misconduct,« The New York<br />
Times, 18 September 2000, Available online at http://www.nytimes.com.<br />
37 Thomas S. Szayna, Preston Niblack <strong>and</strong> William O’Malley, »Assessing<br />
Armed Forces Deficiencies for <strong>Peace</strong> Operations: A Methodology,« International<br />
<strong>Peace</strong>keeping, Vol. 3, No. 3, Autumn 1996, pp. 77-91. The Brahimi<br />
Panel in August 2000 notes that, although member states are primarily responsible<br />
for peacekeeping training, the United Nations ought to provide<br />
guidelines <strong>and</strong> performance st<strong>and</strong>ards. See the Brahimi Panel’s Report<br />
A/55/305-S/2000/809, 21 August 2000, General Assembly Resolutions<br />
46/48, 48/42, 49/37, <strong>and</strong> the Secretary-General’s Report A/55/502, 20 October<br />
2000.<br />
38 An Italian commission conducted an inquiry that exonerated two Italian<br />
generals who resigned over the sc<strong>and</strong>al in June 1997. »Italian Army<br />
Cleared of Widespread Abuse in Somalia«, CNN World News, 9 August<br />
1997. URL: http://cnn.com/WORLD/9708/09/italy.somalia.index.html.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 83
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F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
as an entire regiment was dissolved. 39 The International<br />
Criminal Court is a forum for prosecution of alleged crimes<br />
during missions that have to date been confined to national<br />
military tribunals. This very issue is part of the US rationale<br />
for refusing to participate in the court.<br />
3. Trade-offs in intervention strategy<br />
Intervention strategies include choices about the relative<br />
weight – in roles, resources <strong>and</strong> composition – of civilian<br />
<strong>and</strong> military components of the peace mission. These<br />
choices affect civil-military relationships. In observer or traditional<br />
peacekeeping missions during the Cold War, often<br />
involving fewer than 1,000 troops, there was no basis for<br />
military components to challenge, <strong>and</strong> little opportunity for<br />
them to thwart, the dominance of diplomatic components.<br />
Coercive strategies require more military forces. These<br />
commitments involve more risk, more expense, <strong>and</strong> more<br />
likely civilian micromanagement of military operations. In<br />
sum, coercive strategies exacerbate tensions in each of the<br />
civil-military relationship sets.<br />
In multinational missions, coercive actions are more problematic<br />
because of variations in doctrinal approaches to<br />
peacekeeping. The approach of United States civil-military<br />
operations (CMO) doctrine, incorporating principles of war,<br />
for example, contrasts markedly with the emphasis in other<br />
civil-military cooperation or CIMIC doctrines.<br />
General agreement on the principles of traditional UN<br />
peacekeeping does not translate to agreement in modern<br />
peace enforcement. The United Nations Secretariat offers<br />
guidelines rather than doctrine as such. Of the various regional<br />
organizations, NATO has made more progress than<br />
most toward a comprehensive CIMIC doctrine, although the<br />
Economic Community of West African States (ECOWAS)<br />
<strong>and</strong> others are actively engaged in capturing the lessons of<br />
their peacekeeping experiences. 40 NATO CIMIC doctrine acknowledges<br />
the possibility of coercive intervention, while<br />
respecting the requirements of coordination <strong>and</strong> cooperation<br />
of civil <strong>and</strong> military actors in support of the mission.<br />
Just as we must ask which civilians form the civil-military relationship,<br />
it also matters which military forces are involved.<br />
Some militaries bring international political baggage. Accepting<br />
troop contributors from interested regional actors or<br />
major powers may increase the odds of military effectiveness<br />
at the expense of political impartiality. Secondly, militaries<br />
have different orientations toward society. Some have been<br />
segregated from society <strong>and</strong> oriented toward defense against<br />
uniformed adversaries on a defined battlefield, as was the US<br />
39 See the five volumes by the Canadian Commission of Inquiry into the<br />
Deployment of Canadian Forces to Somalia, Dishonoured Legacy: The Lessons<br />
of the Somalia Affair, Toronto: Canadian Government Publishing,<br />
1997.<br />
40 The Challenges Project, Challenges of <strong>Peace</strong> Operations: Into the 21st Century<br />
– Concluding Report 1970-2002, Stockholm, Sweden: El<strong>and</strong>ers Gotab.<br />
2002, pp. 89-109. Also available online at http://www.peacebuildingchallenges.net.<br />
See also Mark Malan, »Towards an Integrated Doctrine<br />
for <strong>Peace</strong> Support Operations in Africa«; Monograph 46, Building<br />
Stability in Africa: Challenges for the New Millennium, February 2000, available<br />
online at http://www.iss.co.za/Pubs/Monographs/No46/Towards.html.<br />
84 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
military during the Cold War. Other militaries have more<br />
recent <strong>and</strong> extensive experience with counter insurgencies<br />
or other internal control functions.<br />
When member states consider participation in a peacekeeping<br />
mission, two criteria for that participation are national<br />
interest <strong>and</strong> estimations of likely success. Canadian<br />
General Romeo Dallaire, whose life changed forever ten<br />
years ago when, as UN Force Comm<strong>and</strong>er, he was unable to<br />
stop the Rw<strong>and</strong>an genocide, regrets the role of national interest.<br />
»Who do I blame?« he asks, »I blame the lack of<br />
statesmanship. I blame the Americans – leadership, which<br />
includes the pentagon in projecting itself as world policeman<br />
one day <strong>and</strong> recluse the next… President Clinton saying…that<br />
the Americans will go in only if it’s in their selfinterest.«<br />
41 External national motivation to contribute<br />
troops to peace implementation brings disadvantages as well<br />
as advantages. National interest ensures a sense of purpose<br />
<strong>and</strong> support from the public at home. UN missions have<br />
been generally successful at containing conflict, even if they<br />
have fared poorly overall at resolving it. 42 However, this evidence<br />
suggests that UN missions are really an extension of<br />
great power management. When national interest is obvious,<br />
humanitarian operations may appear as rehearsals for<br />
armies of the developed countries to rapidly project power<br />
into the developing world. 43 Meanwhile, UN military forces<br />
seek to be perceived as impartial in the field.<br />
Estimations of success provide further criteria, based on<br />
power balances among belligerents, the quality of a settlement,<br />
<strong>and</strong> indigenous resources for reconstruction. An approach<br />
that picks implementation based on its likely success<br />
minimizes the risk that failures in peace implementation<br />
will erode its legitimacy <strong>and</strong> the morale of multilateral participants.<br />
As a disadvantage, this approach may cause the international<br />
community to ab<strong>and</strong>on some of the peoples<br />
that are in greatest need of assistance, <strong>and</strong> leave them to<br />
their own devices as human rights abuses, genocide, <strong>and</strong> the<br />
ravages of war continue.<br />
Choices about organizational structures – how multilateral<br />
<strong>and</strong> how military – were controversial in the recent occupation<br />
of Iraq. Nationalization of peace implementation, as defined<br />
by an emphasis on the leadership of contributing<br />
states, helps to overcome the reluctance of its soldiers to<br />
serve <strong>und</strong>er foreign officials <strong>and</strong> streamlines policy channels<br />
compared to highly complex multilateral operations. On the<br />
other h<strong>and</strong>, choosing multilateralization potentially pools<br />
resources <strong>and</strong> provides a better sense of impartiality that<br />
may be necessary to the maintenance of consent of the parties<br />
to the conflict. The civil-military mix itself also matters.<br />
The use of military forces for peace implementation accus-<br />
41 Romeo Dallaire interview with Peter Mansbridge, The National Canadian<br />
Broadcasting Corporation, 24 October 2003.<br />
42 Duane Bratt, »Assessing the Success of UN <strong>Peace</strong>keeping Operations«, in<br />
Michael Pugh, ed., The UN, <strong>Peace</strong> <strong>and</strong> Force, London: Frank Cass, 1997, pp.<br />
64-81.<br />
43 N. Stockton, »An NGO Perspective on Civil Reconstruction«, paper presented<br />
at the Refugee Studies Programme Conference on the Role of the<br />
Military in Humanitarian Emergencies, Oxford University, October 1995,<br />
cited in Hugo Slim, »The Stretcher <strong>and</strong> the Drum: Civil-Military Relations<br />
in <strong>Peace</strong> Support Operations«; International <strong>Peace</strong>keeping, Vol. 3, No. 4,<br />
1997, pp. 123-140.
Gut tieri, Civ il-mil ita ry relations in pea cebuil ding | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />
F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
toms transitional societies to military operations in the civil<br />
realm, <strong>and</strong> thus <strong>und</strong>ermines the process of democratization.<br />
44 Alternatively, external military forces might spread<br />
the norms of good civil-military relations if they are aware<br />
of the weight of their example <strong>and</strong> know how to conduct<br />
themselves appropriately. 45 This article has shown the<br />
emerging context in which that assumption plays out, <strong>and</strong><br />
some of the challenges to such leadership by example.<br />
4. Conclusion<br />
When we distinguish among types of missions <strong>and</strong> identify<br />
the types of civil-military relationships that are relevant in<br />
44 For the argument that external military involvement increases military<br />
operations of local armies <strong>and</strong> <strong>und</strong>ermines democratization, see Joy Olson<br />
<strong>and</strong> Preston Pentony, US Military Humanitarian <strong>and</strong> Civil Assistance<br />
Programs <strong>and</strong> Their Application in Central America, Albuquerque, New<br />
Mexico: Interhemispheric Resource Center, 1995.<br />
45 The latter view has been an <strong>und</strong>erlying assumption in United States civic<br />
action programs. See various chapters in John W. de Pauw <strong>and</strong> George A.<br />
Luz, eds., Winning the <strong>Peace</strong>: The Strategic Implications of Military Civic Action,<br />
New York: Praeger, 1992.<br />
peacebuilding, it is clear that the character of the mission<br />
<strong>and</strong> the mix of civil-military organizational components require<br />
better conception in both planning <strong>and</strong> execution.<br />
Comm<strong>and</strong> <strong>and</strong> control arrangements of multilateral peacebuilding<br />
forces are significant to both civil-military relations<br />
<strong>and</strong> the prospects of peace. However, more nuanced division<br />
of labor issues arise. The division of labor among civilian<br />
<strong>and</strong> military institutions of contributing states must be<br />
resolved by interagency agreement <strong>and</strong> the determination of<br />
a »lead agency.« The division of labor between civilian <strong>and</strong><br />
military institutions at the international level involves not<br />
only determining roles of multilateral militaries, but also<br />
those of civilians of international <strong>and</strong> non-governmental<br />
organizations. Finally, societies attempting to rebuild after<br />
war will be making their own decisions about the division of<br />
labor between civilian <strong>and</strong> military institutions as they<br />
transform their own security sector. It is imperative that, as<br />
external implementers seek to provide war-torn societies<br />
space to make such transformations, they do so with care to<br />
the example they set in the process.<br />
The civil-military interface with local populations:<br />
Impact on peacebuilding strategies<br />
Ann M. Fitz-Gerald*<br />
Abstract: Multinational troops are increasingly deployed to internal wars characterized by multiethnic violence, paramilitary<br />
regimes <strong>and</strong> autocratic state leadership. Their closeness to the local populations presents interesting implications for<br />
contemporary peacekeeping training programs <strong>and</strong> the further development of military doctrine in warfighting, peace enforcement<br />
<strong>and</strong> peacekeeping environments. In most cases, regional paramilitary forces <strong>and</strong> warlords garner local support by<br />
convincing indigenous populations that their allegiance will be rewarded with the provision of individual security <strong>and</strong> protection.<br />
The success of the multinational forces in redirecting this allegiance depends largely on how the force is perceived<br />
as a credible security provider. For this reason, a careful balance must be preserved between maintaining a »robust posture«<br />
<strong>and</strong> interfacing within the local population to strengthen confidence-building measures.<br />
Key Words: peacekeeping, peacebuilding, peace enforcement, multinational military interventions, coalition forces, military<br />
culture<br />
Military intervention through multinational peace<br />
support operations has become increasingly challenging<br />
due to the complex environments <strong>and</strong> the<br />
many different players that are brought into theatre.<br />
Whereas the prevailing model represents a major departure<br />
from the former »buffer-zone« peacekeeping, where warring<br />
factions were separated by a demarcation zone, nowadays it<br />
* Ann Fitz-Gerald is an Associate Professor in the Department of Defence<br />
Management <strong>and</strong> <strong>Security</strong> Analysis at Cranfield University, UK. She<br />
worked in the Canadian Liaison Office at NATO Headquarters in Brussels,<br />
Belgium, <strong>and</strong> has field experience in Angola, Sudan, Sierra Leone, all<br />
Former Yugoslav Republics <strong>and</strong> Colombia, among others.<br />
This article was prepared for the United Nations University-IFSH project<br />
»The Role of the Military in Post-Conflict <strong>Peace</strong>building.« The author acknowledges<br />
the project directors Hans-Georg Ehrhart (IFSH) <strong>and</strong> Albrecht<br />
Schnabel (swisspeace), the members of the project team as well as two<br />
anonymous peer reviewers for their input in the preparation of this article.<br />
is quite commonplace for indigenous populations to live in<br />
close proximity of the intervening military forces <strong>and</strong>, as<br />
such, are able to view their behavioral conduct <strong>and</strong> operational<br />
effectiveness. A common method used by warlords,<br />
nonstate actors <strong>and</strong> paramilitary regimes in garnering the<br />
support of local communities, is to offer security guarantees<br />
in exchange for their support. As a result, the main task for<br />
the international community in responding to these conflicts<br />
involves determining the basis for local support <strong>and</strong><br />
seeking to redirect the population’s allegiance towards the<br />
interventionist forces by demonstrating the provision of<br />
credible security. This is all the more important as research<br />
indicates that disparate national approaches observed in recent<br />
multinational peace support operations have had a di-<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 85
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F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
rect impact on the intensity <strong>and</strong> duration of conflicts, due<br />
to a failure to build sufficient confidence measures at the<br />
grass roots level of society.<br />
This article discusses the relationship between local populations<br />
<strong>and</strong> multinational military forces <strong>and</strong> examines why<br />
different behavioral approaches <strong>and</strong> conducts are key considerations<br />
when striving to achieve increased multinational<br />
interoperability on the gro<strong>und</strong>. It draws on some national<br />
disparities observed in Bosnia <strong>and</strong> Haiti <strong>and</strong> explores the potential<br />
causes of these differences at the international, national<br />
<strong>and</strong> in-theatre levels. Lastly, the article discusses recent<br />
initiatives aimed at minimizing the differences, <strong>and</strong> the<br />
impact this should have on defense policy <strong>and</strong> military<br />
leadership at all levels.<br />
1. The importance of local dynamics<br />
Past classic peacekeeping interventions have relied on Chapter<br />
VI UN Charter principles of consent, impartiality <strong>and</strong> the<br />
non-use of force except in the case of self-defense. 1 These<br />
principles <strong>and</strong> procedures have applied to many other interventions,<br />
as far back as the 1956 UN Emergency Force<br />
(UNEF) deployed to the Sinai, the UN Force in Cyprus<br />
(UNFCYP), which is still stationed there today, the 1992 UN<br />
Protection Force (UNPROFOR) in Bosnia, the 1993 UN Preventive<br />
Deployment (UNPREDEP) in Macedonia <strong>and</strong> the UN<br />
Mission in Sierra Leone (UNAMSIL). These types of operations<br />
are most appropriate for the issues discussed in this article<br />
due to the restrictions imposed on the troops, <strong>and</strong> the<br />
tasks they are expected to perform.<br />
Chapter VI m<strong>and</strong>ates are most common during the earlier<br />
<strong>and</strong> later stages of a conflict. If a conflict or humanitarian<br />
emergency deteriorates to the extent that more robust military<br />
action is required, a new m<strong>and</strong>ate is usually issued <strong>und</strong>er<br />
Chapter VII of the UN Charter, which authorizes the use<br />
of force. 2 The ratification process behind approving the<br />
more robust UN m<strong>and</strong>ate has proven difficult in the past,<br />
particularly if it triggers sensitivities for those permanent<br />
five UN <strong>Security</strong> Council members who have the ability to<br />
exercise a veto. Such a scenario prevailed during early talks<br />
on the deployment of military troops to Kosovo, <strong>and</strong> the<br />
subsequent decision for the Organization for <strong>Security</strong> <strong>and</strong><br />
Co-operation in Europe (OSCE) to initially lead the monitoring<br />
mission due to the dual veto exercised by both China<br />
<strong>and</strong> Russia. 3 Alternatively, the entire operation can be taken<br />
over by a »coalition of the willing« or a unilateral singlenation<br />
intervention. The American <strong>and</strong> British-led »coalition<br />
of the willing« in the 1990 <strong>and</strong> 2003 Gulf Wars, as well<br />
as the 1994 US-led Operation Restore Democracy in Haiti, all<br />
serve as respective examples of these arrangements. Thus, it<br />
is possible to categorize contemporary conflict interventions<br />
into the following three types: 1) a UN-sanctioned/UN-led<br />
operation (including by regional organizations), 2) a UN-<br />
1 See Charter of the United Nations <strong>and</strong> Statute of the International Court<br />
of Justice, United Nations: New York, 1994, p.19.<br />
2 Ibid., p. 22.<br />
3 Michael Evans, »Eyes in Sky will back unarmed peace terms,« The Times,<br />
London, 14 October 1998, p. 13.<br />
86 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
sanctioned intervention led by an »executive agent« or 3) a<br />
small »coalition of the willing.« The American-led coalition<br />
that launched air strikes on Taliban military strongholds in<br />
Afghanistan on 7 October 2001, <strong>und</strong>erlines another recent<br />
utility of »coalition warfare.«<br />
When security <strong>and</strong> stability return <strong>and</strong> humanitarian activity<br />
resumes, a new UN m<strong>and</strong>ate that upholds the same<br />
Chapter VI principles <strong>und</strong>erwrites the new phase of operations,<br />
such as the UN Mission in Kosovo (UNMIK) – the civilian<br />
mission that followed the more robust NATO-led enforcement<br />
phase <strong>and</strong> the drafting of UN Resolution 1244.<br />
During this later phase, international troops are expected to<br />
perform a more integral role within the local society <strong>and</strong> assist<br />
in peacebuilding programs, security sector reform <strong>and</strong><br />
democratic development. There are many practical initiatives<br />
that can help to foster trust <strong>and</strong> credibility <strong>and</strong> remove<br />
the deeply rooted fear that helped sustain the status quo<br />
ante. While it is beyond the scope of this article to acknowledge<br />
all possible measures, recommendations that address<br />
this problem from a military doctrinal <strong>and</strong> training perspective<br />
will be explored. The following examination draws on<br />
research carried out in 1996 in Haiti during the third UN<br />
m<strong>and</strong>ate, <strong>and</strong> during the Stabilization Force (SFOR) deployment<br />
in Bosnia. The choice of cases reflects the contemporary<br />
nature of conflict, which includes a spectrum of<br />
activities from low-intensity warfighting to more tranquil<br />
peacebuilding tasks.<br />
2. Haiti<br />
The Haitian kleptocratic nature of governance survived until<br />
the end of the Duvalier legacy in 1986, followed by a series<br />
of similar regimes <strong>and</strong> bloody coups that lasted for four<br />
years. 4 In December 1990, the Roman Catholic Priest Jean-<br />
Bertr<strong>and</strong> Aristide was sworn in as President following free<br />
<strong>and</strong> fair elections. A military coup d’état, led by senior military<br />
officials <strong>and</strong> the capital city’s chief of police, interrupted<br />
his term six months later. Following US-led efforts to<br />
broker an agreement for the return of President Aristide <strong>and</strong><br />
the military regime’s non-compliance towards its implementation,<br />
a UN-sanctioned/US-led force m<strong>and</strong>ated <strong>und</strong>er<br />
Chapter VII of the UN Charter was sent in to restore peace.<br />
The m<strong>and</strong>ate of the operation authorized the US force to use<br />
whatever means necessary to return President Aristide to office,<br />
in accordance with the Governors Isl<strong>and</strong> Agreement.<br />
On 31 March 1995, the force was replaced by the UN Mission<br />
in Haiti, a multinational peacekeeping force acting <strong>und</strong>er<br />
Chapter VI of the UN Charter. The force was tasked with<br />
maintaining a secure <strong>and</strong> stable environment, assisting in<br />
the training of a new national police force, <strong>and</strong> facilitating a<br />
free <strong>and</strong> fair electoral process. 5 In 1996 the force was<br />
downsized <strong>and</strong> renamed the UN Support Mission in Haiti<br />
(UNSMIH). It was supported primarily by Canadian <strong>and</strong><br />
Pakistani peacekeeping battalions, a French Gendarmerie<br />
4 For an excellent overview of the Duvalier legacy, see Elizabeth Abbott,<br />
Haiti: the Duvaliers <strong>and</strong> their Legacy, London: Robert Hale, 1988.<br />
5 UNSCR 867.
Fit z-Gera ld, The civ il-mil ita ry int erfa ce wit h loc a l pop ula tio ns | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />
F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
contingent <strong>and</strong> others participating in a UN Civilian Police<br />
Force (UNCIVPOL). A small group of American Army logisticians<br />
also provided support <strong>and</strong> were stationed at an airport<br />
compo<strong>und</strong>. Its task was to assist in the professionalization of<br />
the national police force <strong>and</strong> in the maintenance of a secure<br />
<strong>and</strong> stable environment.<br />
Research carried out during the UNSMIH deployment examined<br />
whether or not different national military conduct<br />
<strong>and</strong> behavior had an impact on the local population’s impression<br />
of the UN Force. Interviews were conducted on the<br />
streets, in restaurants <strong>and</strong> cafes, in the prisons, municipal<br />
offices, at the local police stations, in the more rural areas,<br />
<strong>and</strong> in the aid agency <strong>and</strong> military compo<strong>und</strong>s. Views were<br />
gathered from the local inhabitants <strong>and</strong> international personnel<br />
assisting in all phases of the operation. Although this<br />
information was collected during the UNSMIH deployment<br />
in the spring of 1996, feedback on national military troops<br />
also included those who participated in earlier phases of the<br />
intervention.<br />
Feedback on the American troops was divided according to<br />
time periods: during the earlier Chapter VII operation that<br />
authorized the use of force <strong>and</strong> the later support role the<br />
forces contributed to the UN Force. People generally felt<br />
that the American military was the right force to bring in<br />
during the earlier days of the conflict, as a lightly-armed<br />
peacekeeping force would not have deterred the violence,<br />
crime <strong>and</strong> political unrest. This was particularly the case for<br />
the people interviewed in Port-au-Prince where the worst<br />
violence was erupting.<br />
In the northern city of Cap Haitien, the American response<br />
to a particularly violent firefight with the paramilitary group<br />
Force Armee d’Haiti (FAD’H), resulted in increased support<br />
for the national troops in areas outside of the capital city. In<br />
the incident American warning shots to deter a gang member<br />
from shooting a pro-Aristide demonstrator outside the<br />
Cap Haitien police station, were answered with direct fire<br />
towards the American troops. In response, the Americans<br />
shot <strong>and</strong> killed ten of the paramilitaries. The response to the<br />
incident strengthened support for the Americans for at least<br />
two reasons: First, it demonstrated to young potential paramilitary<br />
recruits that similar behavior would not be tolerated,<br />
<strong>and</strong> it showed the disincentives of subscribing to the<br />
cause. Second, residents of Cap Haitien commented on the<br />
renewed confidence instilled by the American action, which<br />
led to the reopening of local businesses that had been continually<br />
looted <strong>and</strong> robbed by the paramilitaries. For the<br />
majority of people in Haiti, any extra income besides state<br />
allowances was usually made from market stalls in the city<br />
<strong>and</strong> town centers, <strong>and</strong> thus the American performance had<br />
brought hope that the markets could function once again.<br />
One former mayor even suggested that the robust, resolute<br />
approach proved to many people that the American’s current<br />
involvement in Haiti was different from the nationbuilding<br />
tactics used between 1915-1934, which had generated<br />
so much resentment towards the US. 6<br />
6 Based on discussions with Mr. Ti Don Moore, Cap Haitien, 9 May 1996.<br />
Interviews were conducted with a broader sample set once<br />
the UN took over the operation. Local Haitians living<br />
aro<strong>und</strong> Port-au-Prince grew to resent the American military<br />
forces for their insistence on using dedicated military vehicles<br />
(<strong>and</strong> not the open-sided UN trucks used by the other<br />
national battalions). Moreover, the locals questioned the<br />
need for the tall heavily manned guard towers that the<br />
American forces had constructed at each of their sites, <strong>and</strong><br />
the requirement to travel in groups of no less than eight<br />
with heavy military vehicles. This approach during a more<br />
peaceful environment had a compelling psychological impact<br />
on the Haitian population <strong>and</strong> magnified the <strong>und</strong>erst<strong>and</strong>ing<br />
of the UN presence.<br />
The Pakistani battalion, which had been deployed since the<br />
transition to the UN force in 1994, had seemingly developed<br />
a good rapport with the local groups. Many of those interviewed<br />
commented on the Pakistanis’ determined look, the<br />
positioning of their guns <strong>and</strong> their attentiveness during patrolling<br />
activities, which made the Haitians believe that the<br />
Pakistanis were very much aware <strong>and</strong> in control of the situation.<br />
Their ability to combine this structured approach with<br />
constant interaction with people, whether it was helping<br />
someone push a wheel-barrel down the street or building a<br />
soccer field for the children in a bad neighborhood, built<br />
tremendous support for the Pakistani battalion in Haiti.<br />
People acknowledged that this more than made up for their<br />
inability to communicate in the local language. The vast<br />
majority of people interviewed were convinced that, had<br />
any violence broken out, the Pakistanis would have resisted<br />
aggression <strong>and</strong> protected the population.<br />
The Canadian forces serving in Haiti had inherited an unfortunate<br />
legacy of problems from incidents of misconduct<br />
in both Somalia <strong>and</strong> Rw<strong>and</strong>a. Due to these past experiences,<br />
the continuous need for the Canadian armed forces to be<br />
seen as politically <strong>and</strong> militarily »correct« had placed enormous<br />
restrictions on the operational capability of the individual<br />
serving soldiers. In Haiti, shortly after the transition<br />
to the UN-led operation in 1995, Canada was forced to<br />
modify its interpretation of the UN rules of engagement<br />
(ROE) in order to protect a group of Canadian hydro workers<br />
deployed to restore electricity to the capital city of Portau-Prince.<br />
7 When a warehouse in which they were working<br />
came <strong>und</strong>er paramilitary fire, Canadian troops had to request<br />
permission to use force to deter the attack. The existing<br />
Canadian ROEs only permitted the troops to use force<br />
»in the case of self-defense« due to Canada’s insistence on<br />
the removal of the words »…<strong>and</strong> in defense of property«<br />
prior to deployment. The ROEs were later modified to include<br />
»<strong>and</strong> also in defense of the m<strong>and</strong>ate« which could justify<br />
the protection of Canadian civilians. Most countries already<br />
use this text despite the Canadian belief that<br />
ambiguity in determining what would <strong>and</strong> would not<br />
threaten the m<strong>and</strong>ate may result in unnecessary violence. 8<br />
The restrictions on the Canadians were obvious even to the<br />
local inhabitants. Comments suggested that the Canadian<br />
7 Based on discussions with Colonel Mike Schnell, MA to the Canadian<br />
Permanent Representative to the United Nations, New York, 7 May 1996.<br />
8 Ibid.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 87
S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D | Fit z-Gera ld, The civ il-mil ita ry int erfa ce wit h loc a l pop ula tio ns<br />
F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
troops tended not to hold their guns at the ready position<br />
like their Pakistani <strong>and</strong> Bangladeshi counterparts, tended<br />
not to patrol in the bad areas <strong>and</strong> demonstrated an inability<br />
to defuse <strong>and</strong> control several street-riots <strong>and</strong> student protests.<br />
On the other h<strong>and</strong>, almost all of the respondents appreciated<br />
the kindness showed by the Canadian military<br />
forces <strong>and</strong> the ease of communication through French cultural<br />
<strong>and</strong> linguistic affinities. However, in the case of a<br />
heightened security alert, the confidence they had in the<br />
Canadians as credible security providers was quite low.<br />
Only ten years later, the world is now witnessing the recurrence<br />
of problems in Haiti. The renewed armed protests<br />
against what rebel forces labeled as a lack of democratic<br />
governance demonstrated by the recently ousted Aristide regime<br />
has led to violent skirmishes in the cities of Port-au-<br />
Prince, Gonaives <strong>and</strong> Cap Haitien. Once again, the international<br />
community has offered an inadequate at worst, <strong>and</strong><br />
short-term at best, solution to the problems. Distracted by<br />
events in the Middle East, the United States sent approximately<br />
1000 troops to deal with the civil problems, but with<br />
the Pentagon’s uncategorical statement that the deployment<br />
would be short-term only. 9 Canada, another partner from<br />
the past, has also committed to an embarrassing 90-day deployment,<br />
despite its large Haitian population <strong>and</strong> the motivation<br />
that led to its commitment in the mid 1990s.<br />
Whatever the separate national motivations <strong>and</strong> agendas,<br />
the response to the problems in Haiti this time must be<br />
backed by a longer-term strategy <strong>and</strong> military credibility<br />
that will encourage a sustainable peace in the longer term.<br />
Indeed, such a solution will also require regional ownership,<br />
<strong>and</strong> a commitment from organizations like the Caribbean<br />
Community (CARICOM), whose members’ national interests<br />
are all affected by the conflict in Haiti, the strategic<br />
transiting it offers to the region’s narcotrafficking problem<br />
<strong>and</strong> the scores of refugees that flee to the neighboring isl<strong>and</strong><br />
states.<br />
3. Bosnia<br />
As the fighting in the former Yugoslavia spread <strong>and</strong> the<br />
situation deteriorated, combined with several failed attempts<br />
at brokering a diplomatic solution, measures were<br />
increased to bring in NATO involvement <strong>and</strong>, with it, a<br />
more robust m<strong>and</strong>ate. After the signing of the US-brokered<br />
Dayton <strong>Peace</strong> Accords NATO deployed the Implementation<br />
Force (IFOR) in December 1995. Since the agreement was<br />
brokered, a NATO Stabilization Force (SFOR) has remained<br />
in Bosnia. There are three area comm<strong>and</strong>s, all of which answer<br />
to a central comm<strong>and</strong> in Sarajevo. While SFOR represents<br />
a UN-sanctioned/NATO-led force subject to the<br />
authority of the NATO comm<strong>and</strong>ers, it is still deployed in a<br />
peacekeeping/peacebuilding capacity <strong>and</strong> is therefore expected<br />
to carry out the rebuilding <strong>and</strong> reintegration role inherent<br />
in post-conflict operations.<br />
9 Author Anonymous, »Haiti After Aristide: Will the Americans finish the<br />
job this time?«, Economist, 4 May <strong>2004</strong>, p. 9.<br />
88 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
Not surprisingly, the Canadian troops left a similar impression<br />
in the minds of certain Muslim, Croat <strong>and</strong> Serb groups<br />
in Bosnia. Local residents were interviewed in <strong>and</strong> aro<strong>und</strong><br />
Sarajevo, in the Bihac region of southwest Bosnia, <strong>and</strong> in<br />
the Central Bosnian towns of Gornji Vakuf <strong>and</strong> Jajce. Canadians<br />
had served in all these regions during different phases<br />
of the UN <strong>and</strong> NATO intervention in the former Yugoslav<br />
Republic.<br />
Several Canadian soldiers recalled a well-known incident<br />
that occurred in April 1998 in the central Bosnian town of<br />
Drvar. During the repatriation of Serb groups back to the<br />
now Croat-dominated town, the Croat residents of the area<br />
rebelled <strong>and</strong> ignited riots on the streets. The reactions of<br />
many Canadians were described as being »confused« <strong>and</strong><br />
»fearful.« This apparently became more evident when many<br />
of the troops jumped back into their SFOR trucks in hope<br />
that the problems would die down. British troops, dressed in<br />
armor, came in shortly after <strong>and</strong> secured the area. Many<br />
Croats <strong>and</strong> some Serbs said that, at the time, they were very<br />
happy to see the arrival of the British troops.<br />
For a number of reasons, in most areas Serbs did not warm<br />
up to American gro<strong>und</strong> troops: When diplomatic efforts<br />
reached an impasse during the UN deployment in 1993, the<br />
American support for the »lift <strong>and</strong> strike« option caused<br />
some degree of resentment. Moreover, in various press releases<br />
<strong>and</strong> official statements visiting US officials rarely acknowledged<br />
the problems caused by the Muslim <strong>and</strong> Croat<br />
populations in Bosnia. This was particularly the case when<br />
the Serbs received strong condemnation by the US in the<br />
February 1994 mortar incident in the Sarajevo market despite<br />
the fact that incident reports analyzing the projection<br />
<strong>and</strong> impact of the firing questioned Serb responsibility.<br />
Most military personnel living <strong>and</strong> serving in Bosnia were<br />
aware of the »heavy« approach used by the Americans when<br />
serving on the gro<strong>und</strong>. In Bosnia, inquiries into the travel<br />
plans of American troops at checkpoint stops were often<br />
met with soldiers jumping out of heavily armed military vehicles<br />
in order to guard the spokesperson while he or she<br />
dealt with factional representatives. This top-heavy approach,<br />
particularly during the SFOR m<strong>and</strong>ate that focused<br />
on peacebuilding <strong>and</strong> reconciliation, was viewed as unnecessary<br />
<strong>and</strong> only served to raise anxieties among the illinformed,<br />
<strong>and</strong> aggravate others. As in Haiti, the troops never<br />
traveled in groups of less than eight people with a minimum<br />
of two armored personnel carriers. Local residents believed<br />
that the Americans had little interest in speaking <strong>and</strong> interacting<br />
with them. When the 1997 riots broke out <strong>and</strong> demonstrations<br />
were mounted in front of the SFOR Civil-<br />
Military Centre in Prijedor, which, at that time, was manned<br />
by American officers, the Americans refused to come out<br />
<strong>and</strong> speak to the locals or make efforts to defuse the situation.<br />
Bosnian Muslims living in the Bihac region recalled an incident<br />
that further <strong>und</strong>erscored the American’s reluctance towards<br />
<strong>und</strong>erst<strong>and</strong>ing local dynamics. A number of American<br />
soldiers had been tasked with distributing IFOR newsletters<br />
(a peacebuilding tool used to improve communications <strong>and</strong>
Fit z-Gera ld, The civ il-mil ita ry int erfa ce wit h loc a l pop ula tio ns | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />
F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
<strong>und</strong>erst<strong>and</strong>ing) to the area of Bos Krupa. The newsletters<br />
were translated in slightly different dialects <strong>and</strong> emphasized<br />
slightly different issues, depending on whether the target<br />
audience was Serb, Muslim or Croat. Both the interpreters<br />
<strong>and</strong> a substantial number of local residents realized that little<br />
care was being taken towards the distribution of the material<br />
<strong>and</strong> that certain ethnic groups were not receiving papers<br />
translated into their own dialects. This indifferent <strong>and</strong><br />
detached attitude, which was exhibited on many occasions,<br />
<strong>und</strong>ermined ethnic sensitivities <strong>and</strong> did not help the Americans<br />
garner support in a very ethnically mixed region. Other<br />
troop contingents were more successful in winning the<br />
»hearts <strong>and</strong> minds« of the local population, primarily by<br />
demonstrating greater commitment to local needs.<br />
Another incident in 1995 in the Bosnian town of Doboj<br />
witnessed a group of Bosnian Muslims being granted permission<br />
by Danish <strong>and</strong> British troops to cross a bridge to<br />
visit a cemetery (in the newly proclaimed Serb side of town)<br />
where relatives had been buried. Riots broke out <strong>and</strong> Serbs<br />
began chasing Muslims, throwing stones <strong>and</strong> physically<br />
beating them. As the British <strong>and</strong> Danish troops fired warning<br />
shots into the air, their efforts were overshadowed by<br />
the sudden appearance of American gunships, with blades<br />
tilted downwards in order to spray stones <strong>and</strong> objects into<br />
the air in an »overkill« effort to move back the crowd. Many<br />
of the local residents who were interviewed felt that the use<br />
of gunships sent a very powerful message to the factional<br />
militant groups in terms of consolidating more resources<br />
<strong>and</strong> heavier equipment. Other individuals felt that the<br />
Americans were trying to use »scare tactics« to increase<br />
compliance in the area.<br />
Due to the broad range of national troop contributors that<br />
served in Bosnia between 1995-99, the local populations<br />
identified several other national tendencies that affected<br />
their perception of the international effort. The behavior of<br />
the Bangladeshi <strong>and</strong> Malaysian soldiers towards Bosnian<br />
women <strong>and</strong> the significant time they spent in local bars <strong>and</strong><br />
restaurants had affected IFOR’s reputation in both Sarajevo<br />
<strong>and</strong> Bihac. While the locals warmed up to the Italian <strong>and</strong><br />
Spanish troops in the more southern area of Mostar, they<br />
feared that they were not capable of offering sufficient protection<br />
in the case fighting would re-ignite between the<br />
Croat <strong>and</strong> Muslim factions in the area. Residents in <strong>and</strong><br />
aro<strong>und</strong> Sarajevo <strong>and</strong> Mount Igman also felt very strongly<br />
like the French Foreign Legion’s »over the top« approach to<br />
»spraying bullets in response to a branch breaking in the<br />
wind.«<br />
The results show that various categories of military professionalism<br />
were observed in Bosnia. On one end of the scale<br />
were troops described as »net users« as opposed to »net contributors«<br />
of security. These included the Malaysians, Jordanians,<br />
Bangladeshis <strong>and</strong> Ukrainian troops. Grouped in the<br />
next category were troops such as the Spanish, the Dutch<br />
<strong>and</strong> the Canadians. These groups were known to practice<br />
softer <strong>and</strong> less robust soldiering, which would prove ineffective<br />
during periods of heavy violence. Their approach was<br />
such that they exhibited »static patrolling,« as opposed to<br />
»active patrolling,« which suggested to local residents that if<br />
problems resurfaced in the future, they would not feel adequately<br />
protected by these troops.<br />
The French <strong>and</strong> Czech forces generated fairly positive feedback<br />
on their military conduct <strong>and</strong> professionalism. Locals<br />
from all ethnic backgro<strong>und</strong>s felt safe in the company of<br />
Czech troops <strong>and</strong> applauded their way of h<strong>and</strong>ling tense<br />
situations, which was impressive considering the fact that<br />
they were still adjusting to Western military practices.<br />
The Americans were criticized for their »top heavy« approach,<br />
particularly during times when such an approach<br />
seemed unnecessary. They were also described as being insular<br />
<strong>and</strong> non-committal towards <strong>und</strong>erst<strong>and</strong>ing <strong>and</strong> interacting<br />
at the local level. Generally speaking, Americans<br />
should not be used in such sensitive environments where<br />
relationship building <strong>and</strong> positive encouragement are considered<br />
priorities. This has implications for a country whose<br />
technological superiority <strong>and</strong> projection of military power<br />
excels at the highest diplomatic <strong>and</strong> operational levels. Perhaps<br />
there is significant merit in John Hillen’s argument<br />
that »superpowers don’t do windows,« which recognizes<br />
that NATO best serves its many different security roles by<br />
playing to the core competencies of its members, 10 which,<br />
for the United States, should perhaps not include Chapter<br />
VI peacekeeping in complex environments.<br />
Local residents applauded the firm approach taken by British<br />
troops <strong>and</strong> their impatience towards obstructionism.<br />
However, they also felt that the troops demonstrated a firm<br />
commitment to <strong>und</strong>erst<strong>and</strong>ing local circumstances in each<br />
community <strong>and</strong> made efforts to remain informed at all<br />
times. Individuals <strong>and</strong> groups seemed very aware of the help<br />
that the British troops provided to other forces <strong>and</strong> were<br />
cognizant of the leadership roles they assumed in different<br />
multinational situations.<br />
There are obviously many other incidents that may be investigated<br />
to assess the collective impact of different national<br />
military approaches on a conflict population. However,<br />
such preliminary observations recognize that<br />
inconsistent <strong>and</strong> incongruent national interpretations of<br />
multinational military procedures, conduct <strong>and</strong> leadership<br />
required to fulfill a m<strong>and</strong>ate can have a negative impact on<br />
the overall effort.<br />
Nor can different national contributors be heavily faulted<br />
for fine-tuning rules of engagement according to their own<br />
national law. Notwithst<strong>and</strong>ing the fact that multinational<br />
forces often operate <strong>und</strong>er the control of a regional organization<br />
or the UN, donor nations will never be willing to<br />
have their forces governed (<strong>and</strong> held legally accountable) to<br />
a st<strong>and</strong>ard that is not in accordance with the donating<br />
country’s domestic law. But when it is known that national<br />
legal constraints <strong>and</strong> political pressure will disturb the multinational<br />
unity to the extent that it has a negative impact<br />
on the peace process, restrictions should be communicated<br />
<strong>and</strong> core competencies should be more clearly defined. Arguably,<br />
the reality of coalition warfare has already advanced<br />
10 John F. Hillem, »<strong>Peace</strong>keeping is Hell«, Policy Review, Autumn 2001, p.<br />
17.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 89
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to the point where national exceptions to the force ROEs are<br />
accommodated – however, it is questionable whether or not<br />
the UN’s very political <strong>and</strong> ad hoc approach to organizing<br />
Chapter VI peacekeeping forces is familiar with this.<br />
4. Implications for multinational military training<br />
Current multinational training programs neither address the<br />
gap in developing st<strong>and</strong>ard approaches <strong>and</strong> uniform interpretation,<br />
nor do they provide adequate resources to tackle<br />
the problem in the near future. Five years ago the UN was<br />
stripped of its »gratis program« <strong>und</strong>er the aegis of the UN<br />
Department of <strong>Peace</strong>keeping Operations (UNDPKO),<br />
whereby an increasing number of military staff officers from<br />
the armies of the member states were assigned on loan, or<br />
»gratis,« to UNDPKO. Financial limitations imposed on the<br />
less industrialized nations to f<strong>und</strong> officers employed in New<br />
York City prompted a call for an expeditious phasing out of<br />
all »gratis« personnel, which left UNDPKO with a staff complement<br />
that had been reduced from twenty-seven to four.<br />
After successive years of seeking to »train the trainers,«<br />
leading military nations within the UN indicated that only a<br />
limited number of member states sent designated »trainers«<br />
on these courses. Certain national representatives felt that<br />
their own training modules were more up to date <strong>and</strong> reflected<br />
current operational requirements for multinational<br />
interventions much better than the UN-sponsored course.<br />
However, since 1999, considerable efforts have been made<br />
to remedy the training con<strong>und</strong>rum. Over the past decade, a<br />
wave of International <strong>Peace</strong>keeping Training Centers has<br />
developed, all of which have been organized <strong>und</strong>er the<br />
broader International Association of <strong>Peace</strong>keeping Training<br />
Centers. This has encouraged some degree of st<strong>and</strong>ardization<br />
<strong>and</strong> complementarity. The UN’s Department of<br />
<strong>Peace</strong>keeping Operations’ Training <strong>and</strong> Evaluation Service<br />
(TES) was set up to develop <strong>and</strong> devise practical peacekeeping<br />
training guidance <strong>and</strong> strives to advise the UN system<br />
on peacekeeping training, develop peacekeeping training<br />
material <strong>and</strong> support operational peacekeeping exercises.<br />
The organization employs a multinational staff of over 20<br />
serving military personnel <strong>and</strong> civilians <strong>and</strong> thus has helped<br />
fill an important gap that was left following the demise of<br />
the »Gratis Military Officers« (GMO) program. Other initiatives<br />
have arisen, including UNITAR’s Program of Correspondence<br />
Instruction (POCI). The program serves as training<br />
designed to acquaint students with UN peacekeeping<br />
missions, particularly those that go on to serve on UN<br />
peacekeeping missions. The training <strong>und</strong>erlines the importance<br />
of st<strong>and</strong>ardized approaches to peacekeeping <strong>and</strong> is<br />
available to both civilians <strong>and</strong> military personnel at very<br />
nominal costs. 11<br />
However, as the more tranquil Chapter VI peacekeeping operations<br />
tend to follow a period of warfighting or more robust<br />
enforcement, it has become increasingly apparent that<br />
national contributors on the gro<strong>und</strong> during the initial<br />
11 See http://unitarpoci.org.<br />
90 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
phases of a Chapter VI environment are often not troops<br />
that subscribe to UN peacekeeping training. Therefore, however<br />
current TES’s material <strong>and</strong> doctrine development may<br />
be, local authorities <strong>and</strong> civilian populations in conflict theatres<br />
are often not guaranteed a seamless transition of the<br />
operational application of peacekeeping theory between incoming<br />
(Chapter VI) <strong>and</strong> outgoing (Chapter »6 1/2« or VII)<br />
troops.<br />
Concepts <strong>and</strong> doctrine that embrace the more contemporary<br />
principles of peacekeeping are articulated in the NATO<br />
doctrine for peace support operations. The growing preeminence<br />
of this doctrine, <strong>and</strong> its influence in Europe <strong>and</strong><br />
the US, is also encouraging a degree of apathy towards UN<br />
peacekeeping concepts <strong>and</strong> training. As the declared »custodian«<br />
for NATO doctrine for peace support operations, the<br />
UK has been hugely influential in shaping recent military<br />
training programs in all of the NATO <strong>and</strong> associate member<br />
states. It recognizes the complex evolution of peace support<br />
operations <strong>and</strong> how different contingencies affect the response<br />
requirements. The doctrine also acknowledges the<br />
vast number of civilian agents <strong>and</strong> the continuum along<br />
which transitional management <strong>and</strong> lead-agent responsibilities<br />
become exceptionally important.<br />
There is still a significant divide between countries that subscribe<br />
to the NATO doctrine, <strong>and</strong> those who are still loyal to<br />
the UN’s more conservative <strong>and</strong>, arguably, outdated approach.<br />
12 European Defense analysts might argue that<br />
NATO’s lead on military training is more appropriate, considering<br />
its recent involvement as lead agency in peace support<br />
operations in the Balkans. None the less, it is imperative<br />
that the international community decides which<br />
organization should take the lead in training future multinational<br />
forces, <strong>and</strong> that it recognizes that softer, more traditional<br />
peacekeeping principles cannot be definitely separated<br />
from more robust postures.<br />
However, while such disparities in military conduct remain,<br />
efforts at the national <strong>and</strong> bilateral levels may be the best<br />
step forward. Both doctrine <strong>and</strong> training are important functions<br />
of ethical military leadership <strong>and</strong>, where troops serve<br />
in multinational theatres of operations, comm<strong>and</strong>ers must<br />
realize that different national interpretations can result in<br />
disparities within an agreed series of legal responses <strong>and</strong><br />
procedures. In addition, they must also <strong>und</strong>erst<strong>and</strong> the impact<br />
these differences have on the progress towards peace.<br />
Benchmarking the best practice of different national contributions<br />
in different situations <strong>and</strong> <strong>und</strong>ertaking appropriate<br />
cultural analysis <strong>and</strong> cultural appreciation training would be<br />
an effective way of improving the flexibility <strong>and</strong> readiness of<br />
multinational troops. It would also allow them to move<br />
more effectively up <strong>and</strong> down a »continuum of responses«<br />
<strong>and</strong> adapt to sudden environmental changes, such as a<br />
peace enforcement operation that follows a fairly tranquil<br />
period of traditional peacekeeping.<br />
As the multinational military coalition in Iraq approaches<br />
the last two months before the official political h<strong>and</strong>over to<br />
12 At the time of last revisions to this article (March <strong>2004</strong>), UNDPKO has<br />
been working on its own doctrine, which may soon fill this gap.
Fit z-Gera ld, The civ il-mil ita ry int erfa ce wit h loc a l pop ula tio ns | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />
F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
the Iraqi authorities, different national military approaches<br />
are beginning to have an impact on the degree of insurgent<br />
activity aro<strong>und</strong> key areas, as well as on confidence building<br />
measures that the coalition had sought to build. Americanled<br />
responses to the recent insurgent activity aro<strong>und</strong> the<br />
Iraqi towns of Fallujah <strong>and</strong> Najaf have been described as<br />
»top heavy« <strong>and</strong> not proportionate to the threat. In response<br />
to the heavy shelling of the town’s main mosque<br />
<strong>and</strong> religious center, former UK Foreign Secretary Robin<br />
Cook said of the Americans: »Whenever they fly over these<br />
townships <strong>and</strong> fire missiles into these townships, the are<br />
convincing everyone that they are the enemy...we need to<br />
try to adopt a policy of peacekeeping <strong>and</strong> minimum force<br />
<strong>and</strong> try to defuse the situation rather than letting the situation<br />
spiral out of control.« 13<br />
Meanwhile, in the more southern regions of Basra <strong>and</strong> Azzubayr<br />
Port, the British Army’s »soft walk but with a big<br />
stick« approach seems to be boding a bit better. No doubt,<br />
the relevance of principles taken from post-colonial <strong>and</strong><br />
Northern Irel<strong>and</strong> »policekeeping« experiences carry great<br />
applicability in response to the security vacuum in Iraq.<br />
General Sir Michael Jackson, current UK Chief of the General<br />
Staff summarized this approach with the following<br />
comment: »We must be able to fight with the Americans.<br />
This does not mean that we will fight as the Americans.« 14<br />
5. Conclusion<br />
This article has examined the realities <strong>and</strong> uncertainties of<br />
current conflict l<strong>and</strong>scapes <strong>and</strong> the challenges posed to military<br />
interventionist forces deployed to these areas. It has<br />
also emphasized that, despite claims of a changing future<br />
strategic threat, most interventions will almost always include<br />
the deployment of gro<strong>und</strong> forces either before, during<br />
or after an actual targeted attack. For this reason, it is essential<br />
that future policies on multinational military intervention<br />
consider the more operational <strong>and</strong> tactical requirements<br />
that are essential for improving cohesion <strong>and</strong> unity<br />
of effort on the gro<strong>und</strong>.<br />
Empirical research <strong>und</strong>ertaken in Bosnia <strong>and</strong> Haiti <strong>und</strong>erlined<br />
the significance of the local populations in these areas.<br />
It also showed that international military conduct must<br />
view these groups as the main stakeholders of conflicts <strong>and</strong><br />
groups that are key to a sustainable peace. If, through inconsistent<br />
behavior <strong>and</strong> disparate approaches of multinational<br />
troops, the local groups re-evaluate their allegiance to the<br />
international effort, they may easily fall vulnerable once<br />
again to the forces that ignited the conflict in the first place.<br />
Once this happens, the prospect of a sustainable peace becomes<br />
more uncertain <strong>and</strong> the task of the interventionists<br />
becomes increasingly difficult.<br />
The UN has struggled to develop effective doctrine <strong>and</strong><br />
training programs for peace support operations <strong>and</strong>, despite<br />
13 Robin Cook: »Iraq Strategy is Failing«, Guardian, 8 April <strong>2004</strong>, p. 2.<br />
14 Richard Norton-Taylor, »General Hits out at US tactics«, The Daily Telegraph,<br />
26 April <strong>2004</strong>, p. 2.<br />
the ambitious recommendations laid out in the Brahimi report,<br />
progress remains slow at best. While the UN has taken<br />
the lead on several initiatives, such as the UN Training <strong>and</strong><br />
Evaluation Service (TES) <strong>and</strong> the UN Institute for Training<br />
<strong>and</strong> Research’s (UNITAR’s) Program of Correspondence Instruction<br />
(POCI), research must examine ways in which<br />
these efforts may be more marketable to leading<br />
peacekeeping nations <strong>and</strong> to countries that contribute to<br />
more robust phases of peace support operations.<br />
The growing pre-eminence of NATO doctrine <strong>and</strong> its influence<br />
in Europe also encourages an increased ambivalence<br />
towards UN programs. If the gap between the »NATO subscribing<br />
countries« (for example, United Kingdom, United<br />
States <strong>and</strong> France) <strong>and</strong> the »UN subscribing countries« (for<br />
example, Nigeria, Bangladesh, Malaysia) is left to widen<br />
even further, the impact will be felt most when gro<strong>und</strong><br />
troops are attempting to »keep« a peace <strong>and</strong> run extensive<br />
peacebuilding programs to maintain it. This marks the critical<br />
period when troops interact closely with the local populations<br />
<strong>and</strong> must use confidence-building measures to sustain<br />
their support.<br />
In the wake of recent calls to improve multinational<br />
interoperability between allies, research should be <strong>und</strong>ertaken<br />
to explore the »positioning« of different national<br />
troop contributors in terms of manpower, fighting power,<br />
capability, <strong>and</strong> deployability, with the cultural mindset <strong>and</strong><br />
public <strong>and</strong> political support each nation brings to a theatre.<br />
Such a study could further categorize nations into broader<br />
categories, perhaps labeled as »front line,« »second line« or<br />
»support line« peace interventionists. As each country finds<br />
its position <strong>and</strong> establishes the goals it must pursue to<br />
achieve multinational interoperability with its allies,<br />
benchmarking the successful approaches <strong>and</strong> conduct of<br />
»like« countries may help them to reach their objectives<br />
<strong>and</strong>, more importantly, improve unity of effort in difficult<br />
<strong>and</strong> challenging circumstances.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 91
S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D | Bla ckwell , Civ il-mil ita ry relations in Centra l a nd Ea s tern Eur ope<br />
F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
Civil-military relations in Central <strong>and</strong> Eastern Europe<br />
<strong>and</strong> integration with NATO <strong>and</strong> the European Union<br />
Stephen Blackwell*<br />
Abstract: This article seeks to outline the relationship between the enlargement of NATO <strong>and</strong> the EU <strong>and</strong> the reform of civil-military<br />
relations in the countries of Central <strong>and</strong> Eastern Europe (CEE). The principal argument is that while NATO has<br />
taken the lead in providing assistance in this area, it is not equipped to support the f<strong>und</strong>amental changes in civil society<br />
that are needed to consolidate democratic oversight of the military <strong>and</strong> effective defense reforms. While the EU has not taken<br />
a prominent role in the reform of the CEE militaries, it will in the long-term have a more f<strong>und</strong>amental impact on civilmilitary<br />
relations owing to its greater interest in real societal transformation.<br />
Key words: NATO, EU, civil-military relations, democratization<br />
ith the accession of ten new members to the<br />
European Union (EU) <strong>and</strong> seven to the North<br />
Atlantic Treaty Organization (NATO) in <strong>2004</strong>, the<br />
enlargement processes of both organizations have consolidated<br />
the already considerable impact they have had on the<br />
transitional development of the post-communist countries<br />
of Central <strong>and</strong> Eastern Europe (CEE). Over the next few<br />
years, this influence will continue to manifest itself both in<br />
terms of the conditions set by the two institutions for membership<br />
<strong>and</strong> dem<strong>and</strong>s from the c<strong>and</strong>idate countries themselves<br />
for continued guidance in »setting the agenda« for<br />
the profo<strong>und</strong> political, economic <strong>and</strong> social changes that<br />
have taken place. In contrast to areas such as Africa, the central<br />
importance of NATO <strong>and</strong> the EU to this reform process<br />
also to some extent reflects the way in which the United Nations<br />
(UN) has been sidelined as a result of its perceived inability<br />
to resolve the violent ethnic disputes in parts of the<br />
CEE region. In the aftermath of the conflicts that beset former<br />
Yugoslavia <strong>and</strong> briefly threatened the stability of Slovakia,<br />
Romania <strong>and</strong> Bulgaria, the focus has shifted to the admission<br />
of the CEE countries to the »Western Club« <strong>and</strong> the<br />
consolidation of democratic reforms in the region. 1<br />
W<br />
This article seeks to discuss two key questions raised by the<br />
increased profile of the major Western security institutions<br />
in the region <strong>and</strong> the effect of this on armed forces reform<br />
in the CEE countries. The first is the extent to which NATO<br />
<strong>and</strong> EU enlargement has affected civil-military relations in<br />
the countries <strong>und</strong>er discussion. The second concerns the na-<br />
* Stephen Blackwell is Head of the European <strong>Security</strong> Programme at the<br />
Royal United Services Institute, London. He was previously European Editor<br />
of Jane’s Sentinel <strong>Security</strong> Assessments, <strong>and</strong> a Visiting Lecturer at the<br />
University of Babes-Bolyai, Cluj, Romania, working for the Civic Education<br />
Project, an American NGO involved in a wide range of projects <strong>and</strong><br />
initiatives in Central/Eastern Europe <strong>and</strong> the former Soviet Union. He<br />
holds a PhD in International Politics from the University of Wales, Aberystwyth.<br />
This article was prepared for the United Nations University-IFSH project<br />
»The Role of the Military in Post-Conflict <strong>Peace</strong>building.« The author acknowledges<br />
the project directors Hans-Georg Ehrhart (IFSH) <strong>and</strong> Albrecht<br />
Schnabel (swisspeace), the members of the project team as well as two<br />
anonymous peer reviewers for their input in the preparation of this article.<br />
1 Alex Pravda, »Introduction«, in Jan Zielonka <strong>and</strong> Alex Pravda, eds., Democratic<br />
Consolidation in Eastern Europe: Volume 2, International <strong>and</strong> Transnational<br />
Factors, Oxford <strong>and</strong> New York: Oxford University Press, 2001, pp.<br />
1-27.<br />
92 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
tional armed forces reform programs in relation to the accession<br />
processes. A central argument of this article is that<br />
EU <strong>and</strong> NATO objectives, often perceived as being synonymous,<br />
do in fact reveal different priorities with regard to the<br />
reform of civil-military relations in the CEE countries. An<br />
analysis of the relationship between EU <strong>and</strong> NATO enlargement<br />
policies, a subject that remains <strong>und</strong>er-researched at<br />
present, highlights the danger of both institutions pursuing<br />
different aims that in turn could lead to distortions of the<br />
reforms that are currently <strong>und</strong>ertaken. The conflicting dem<strong>and</strong>s<br />
of what could be termed »relative conditionality«<br />
<strong>and</strong> the lack of a formalized link between the two enlargements<br />
need to be addressed if the conditions for »correct«<br />
civil-military relations, an essential component of democratization<br />
<strong>and</strong> security sector reform, are to be established in<br />
the CEE region. 2<br />
1. Problems of civil-military reform in the postcommunist<br />
CEE countries<br />
This article deals with those CEE countries that are either<br />
embarked on accession negotiations with NATO <strong>and</strong> the EU,<br />
or at least aspire to do so. While it is difficult to generalize<br />
about states as diverse as, for example, the Baltic countries<br />
<strong>and</strong> the successor states of the former Yugoslavia, it is suggested<br />
here that all of the post-communist states share f<strong>und</strong>amental<br />
difficulties in their efforts to reform their civilmilitary<br />
relations. According to one assessment of the main<br />
issues, the military in the CEE states face a »triple set of<br />
transition challenges« in relation to their reform: justification<br />
of expenditure, personnel recruitment <strong>and</strong> the requirement<br />
to be »adaptive learning organizations.« A major<br />
issue for the CEE states is the impact of rapid downsizing<br />
<strong>and</strong> the potential hazards this creates in terms of declining<br />
2 »Correct civil-military relations« is a contentious issue in view of new research<br />
in this area. As well as the »traditional« models developed by Samuel<br />
P. Huntington <strong>and</strong> Morris Janowitz in the 1950s <strong>and</strong> 1960s (see footnotes<br />
4 & 5), new insights dealing with the CEE countries can be fo<strong>und</strong> in<br />
David Betz <strong>and</strong> John Löwenhardt, eds., Army <strong>and</strong> State in Postcommunist<br />
Europe, London: Frank Cass, 2001, <strong>and</strong> Andrew Cottey, Timothy Edm<strong>und</strong>s<br />
<strong>and</strong> Anthony Forster, eds., Democratic Control of the Military in Postcommunist<br />
Europe: Guarding the Guards, Basingstoke: Palgrave, 2002.
Bla ckwell , Civ il-mil ita ry relations in Centra l a nd Ea s tern Eur ope | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />
F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
military morale <strong>and</strong> the social disruption caused by the unemployment<br />
of large numbers of officers <strong>and</strong> recruits. 3 At<br />
this point it is worth exp<strong>and</strong>ing on what is meant by »civilmilitary<br />
relations« within the context of security sector reform<br />
in order to define more clearly the principal difficulties<br />
faced by the CEE governments since 1989.<br />
Although the argument developed here uses civil-military<br />
relations as a generic term, the issues dealt with can in fact<br />
be subdivided into two inter-connected spheres of policy activity:<br />
civil-military relations <strong>and</strong> military-society relations.<br />
Civil-military relations in this sense refer to the totality of<br />
mechanisms aimed at ensuring that the military within a<br />
given country is effectively managed by the executive, is<br />
subject to the efficient scrutiny of a democratic legislature<br />
<strong>and</strong> is fully accountable to the principal branches of government.<br />
This vision of a professionalized <strong>and</strong> de-politicized<br />
military corresponds with Samuel Huntington’s conception<br />
of »objective political control.« 4 Military-society relations,<br />
on the other h<strong>and</strong>, concern the relationship between the<br />
armed forces <strong>and</strong> society in a broader sense, <strong>and</strong> the political<br />
<strong>and</strong> sociological issues raised by this form of interaction.<br />
The assumption is that society <strong>and</strong> the military must be<br />
truly engaged with <strong>and</strong> representative of each other, with<br />
the military consequently <strong>und</strong>er »subjective military control.«<br />
There is thus arguably a correlation between the levels<br />
of public interest in, or »civic society« activity connected<br />
with, a country’s armed forces <strong>and</strong> their political <strong>and</strong> democratic<br />
characteristics. 5<br />
Bearing this exp<strong>and</strong>ed definition in mind, it is possible to<br />
discern common features in the nature of the civil-military<br />
relations »experience« shared by the CEE countries that<br />
emerged from communist rule in 1989. Among these was a<br />
high degree of politicization of the members of the military<br />
sector, a consequence of the rigid ideological conformity<br />
imposed by single party communist systems. The previous<br />
aim of »politicizing« the military necessitated strong civilian<br />
control of the armed forces as institutions, although this<br />
was to some extent paradoxically combined with a high degree<br />
of military autonomy in the actual framing of defense<br />
policy. This common experience was the source of many of<br />
the difficulties encountered by post-communist militaries<br />
following the collapse of the former regimes. Taking Western<br />
models of civil-military relations as an example, the<br />
armed forces in the CEE region were seen as encumbered by<br />
a sudden obsolescence not only in terms of military doctrine<br />
<strong>and</strong> equipment, but also their political relationship with the<br />
new social order. This was particularly the case given the<br />
starkly interrelated problems of a politically active military<br />
combined with the absence of any traditions of parliamen-<br />
3 Anthony Forster, Timothy Edm<strong>und</strong>s <strong>and</strong> Andrew Cottey, eds., The Challenge<br />
of Military Reform in Postcommunist Europe: Building Professional Armed<br />
Forces, Basingstoke: Palgrave, 2002, pp. 1-17.<br />
4 Samuel P. Huntington, The Soldier <strong>and</strong> the State: The Theory <strong>and</strong> Politics of<br />
Civil-Military Relations, Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1957.<br />
5 Morris Janowitz, The Professional Soldier: a Social <strong>and</strong> Political Portrait, London:<br />
Glencoe Collier-Macmillan, 1960.<br />
tary oversight, financial management systems or defense<br />
expertise in the civilian sector. 6<br />
One of the main concerns expressed by both international<br />
<strong>and</strong> regional actors in the early 1990s was that military elites<br />
in the CEE countries would be tempted to intervene in order<br />
to either replace or exercise a direct form of control over<br />
weak civilian regimes. Despite these fears of the threat of<br />
»Praetorianism,« defined as military intervention by coups<br />
or other means in the civilian political administration of a<br />
state, has remained unrealized. The tendency towards political<br />
non-interference shown by the armed forces in CEE has,<br />
paradoxically, been attributable to the high degree of political<br />
sensitivity shown by a new breed of officers anxious to<br />
take advantage of the breakdown of the self-imposed isolation<br />
that characterized regional countries before 1989. 7 Exposure<br />
of the military to Western civil-military practice <strong>and</strong><br />
strategic doctrine – in particular through NATO’s Partnership<br />
for <strong>Peace</strong> (PFP) program – has also highlighted a pressing<br />
need for assistance with the reform process that is perceived<br />
as being available only from the United States <strong>and</strong><br />
the EU countries. This has ranged from advice on establishing<br />
suitable civil-military structures to urgent requests for<br />
modern equipment to help upgrade <strong>and</strong> professionalize<br />
armed forces in the region. 8<br />
Perhaps most significantly, Western help has been sought<br />
with the institutional reform of civil-military relations in<br />
the CEE countries. Attempts to create »civilianized« ministries<br />
of defense in the region have so far run into the problems<br />
posed by the absence of trained civilian managers that<br />
would be competent enough to master the complexities of<br />
administering military forces. A common difficulty faced by<br />
all of the post-communist states to varying degrees is the absence<br />
of a tradition of an honest <strong>and</strong> efficient bureaucratic<br />
structure with a particular expertise in this field. The reform<br />
process has led to markedly variable results in the region,<br />
which has often revealed a serious gap between good intentions<br />
<strong>and</strong> bad implementation. Although Hungary was seen<br />
as perhaps the most enthusiastic reformer in the early<br />
1990s, NATO officials have been disappointed with the inability<br />
of Budapest to formulate clear strategic doctrines. In<br />
contrast, Pol<strong>and</strong>, while a slow starter in the aftermath of<br />
1989, has adapted relatively smoothly to NATO membership.<br />
9 An analysis of the development of civil-military relations<br />
in CEE thus has to take account of the broader context<br />
of major societal change. As Betz, Löwenhardt <strong>and</strong> Strachan<br />
argue succinctly, »it is far more difficult in reality to introduce<br />
democratic principles of control into civil-military relationships<br />
that have been rigidly hierarchical, <strong>and</strong> to do so in<br />
6 Andrew Cottey, Timothy Edwards <strong>and</strong> Anthony Forster, »Introduction:<br />
the Challenge of Democratic Control of Armed Forces in Postcommunist<br />
Europe«, in Cottey, Edwards <strong>and</strong> Forster, Democratic Control of the Military<br />
in Postcommunist Europe, Basingstoke: Palgrave, 2001, pp. 1-17.<br />
7 Dale R. Herspring, »Civil-Military Relations in Post-Communist Eastern<br />
Europe: The Potential for Praetorianism«, Studies in Comparative Communism,<br />
Vol. 25, No. 2, June 1992, pp. 99-122.<br />
8 Jess Pilegaard, Defence Reform in Central Europe, IIS Report 2003/5, Copenhagen:<br />
Danish Institute for International Studies, 2003.<br />
9 See Jeffrey Simon, Pol<strong>and</strong> <strong>and</strong> NATO: A Study in Civil-Military Relations,<br />
Lanham MD: Rowman & Littlefield, <strong>2004</strong>.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 93
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a political situation that is changing quickly <strong>and</strong> is generating<br />
uncertainty <strong>and</strong> insecurity for its major players.« 10<br />
It is important to note in summary that civil-military reforms<br />
in the CEE region have been affected by a degree of<br />
organic change in the post-Cold War security agenda, which<br />
is reflected both in changes in the role of the military <strong>and</strong><br />
relative political marginalization of the armed forces within<br />
the democratization process. Economic considerations, the<br />
possibility of military modernization <strong>and</strong> the need for closer<br />
links with the West have ensured that the military has supported<br />
democratization <strong>and</strong> reform efforts. In a more general<br />
sense a »push-pull« relationship has emerged between<br />
the democratization process in CEE countries <strong>and</strong> the enlargement<br />
of NATO <strong>and</strong> the EU. The twin enlargement<br />
processes have grown both from the Western perception<br />
that this would serve the interests of security in the region,<br />
<strong>and</strong> also from the need of local regimes for help with the establishment<br />
of democratic, free-market systems. The existence<br />
of a »Western Project« in the region, debatable in<br />
terms of the actual co-ordination between outside international<br />
actors, is certainly perceived as a collective effort by<br />
regional governments. The EU <strong>and</strong> NATO in particular have<br />
become central to the foreign policies of the regional states,<br />
<strong>and</strong> membership in both of these organizations symbolizes<br />
their explicit aim of a »return to Europe.« 11<br />
2. The role of NATO <strong>and</strong> the EU<br />
In the period since the collapse of the communist regimes in<br />
the CEE states, Western policies aimed at promoting democratization<br />
in general have often been criticized for an absence<br />
of strategic direction. This criticism is certainly valid<br />
in view of the fact that the objectives of NATO <strong>and</strong> the EU<br />
in relation to the stated aim of enlargement <strong>and</strong> assistance<br />
with the reform of civil-military relations in the region remain<br />
<strong>und</strong>efined <strong>and</strong> only vaguely coordinated. Although<br />
both institutions have the same aim of real democratic control<br />
of armed forces, at ease with their roles within the states<br />
of the region, the process has been distorted by the perception<br />
that this policy area is primarily the concern of the Atlantic<br />
Alliance. Bearing in mind the elements referred to<br />
earlier, this has ensured a focus on efficient civil-military<br />
structures in an operational sense, at the expense of f<strong>und</strong>amental<br />
democratic reform <strong>and</strong> social participation in defense<br />
<strong>and</strong> security affairs. In view of the EU’s potentially far<br />
more detailed interest in a process that will hopefully lead to<br />
basic changes in outlook as well as institutional structures,<br />
the policy of the Union towards civil-military reform remains<br />
relatively <strong>und</strong>efined. This is perhaps all the more surprising<br />
given the EU’s recent experience in its expansion<br />
southwards to include NATO allies <strong>und</strong>ergoing a process of<br />
10 David Betz, John Löwenhardt <strong>and</strong> Hew Strachan, »Introduction«, Journal<br />
of Communist Studies <strong>and</strong> Transition Politics, Special Edition on »Civil-<br />
Military Relations in Transition«, Vol. 17, No. 1, 2001, p. 4.<br />
11 Karen E. Smith, »Western Actors <strong>and</strong> the Promotion of Democracy«, in<br />
Zielonka <strong>and</strong> Pravda, eds., Democratic Consolidation in Eastern Europe,<br />
pp. 31-3.<br />
94 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
change from military to democratic civilian governments<br />
during the 1970s <strong>and</strong> 1980s. 12<br />
NATO has taken the major role in the reform of civilmilitary<br />
structures in the CEE region for obvious reasons.<br />
Since 1989 the Alliance’s increased interest in the area in<br />
general, <strong>and</strong> its willingness to <strong>und</strong>ertake »out of area« military<br />
operations in former Yugoslavia in particular, has resulted<br />
in the Alliance taking over the initiative from the<br />
other major multinational institutions concerned with security<br />
in the region. Although the UN <strong>and</strong> the EU were initially<br />
responsible for initiatives aimed at resolving the vicious<br />
ethnic strife that broke out in the constituent<br />
republics of Yugoslavia in the early 1990s, NATO action was<br />
eventually the decisive factor. This stemmed from the perceived<br />
need both for military intervention <strong>and</strong> the fact that<br />
the Alliance alone, quite apart from its traditional doctrine<br />
of »collective defense,« possessed the ability to impose itself<br />
by force in order to quell the conflicts. To a great extent<br />
NATO’s role in the resolution of the Yugoslav issue was thus<br />
reactive <strong>and</strong> featured considerable improvisation in the face<br />
of fluid circumstances on the gro<strong>und</strong>. According to a former<br />
comm<strong>and</strong>er of the Alliance’s Second Tactical Air Force, it<br />
was »difficult for NATO to st<strong>and</strong> aloof from events in which<br />
the UN was incompetent to act but for which NATO was<br />
well equipped, <strong>and</strong> which took place close to the Treaty<br />
borders.« 13<br />
As well as overt displays of force aimed at settling disputes<br />
in the region, an explicitly stated motive behind NATO’s<br />
policy of enlargement is the process of democratization in<br />
the CEE countries, with the aim of creating politically stable<br />
Alliance c<strong>and</strong>idates with efficiently functioning armed<br />
forces. The PFP, launched by a meeting of the North Atlantic<br />
Council in Brussels in 1994, included an offer to »work<br />
in concrete ways towards transparency in defense budgeting<br />
[<strong>and</strong>] promoting democratic control of defense ministries.« 14<br />
Indeed, a key argument used to support expansion is protection<br />
against domestic military intervention caused by economic<br />
crises in the countries that aspire to join the Western<br />
security structures. The Alliance’s stated requirements for effective<br />
civil-military relations in the region include civilian<br />
ministers of defense, civilian officials in defense ministries,<br />
the exclusion of the military from partisan politics, legislative<br />
control of the defense budget <strong>and</strong> the open discussion<br />
of defense issues. The former American Secretary of State<br />
Madeleine Albright hoped in 1997 that the prospect of<br />
NATO membership would ensure that in the former communist<br />
states »soldiers take orders from civilians, not the<br />
other way aro<strong>und</strong>.« 15<br />
12 See John Chipman, ed., NATO’s Southern Allies: Internal <strong>and</strong> External Challenges,<br />
London & New York: Routledge, 1988.<br />
13 Roger Palin, »Multinational Military Forces: Problems <strong>and</strong> Prospects«,<br />
Adelphi Paper 294, International Institute for Strategic Studies, Oxford<br />
<strong>and</strong> New York: Oxford University Press, 1995, p. 6.<br />
14 Declaration Issued by the Heads of State <strong>and</strong> Government Participating in<br />
the Meeting of the North Atlantic Council, Brussels, 10-11 January 1994,<br />
in Christopher Hill & Karen E. Smith, eds., European Foreign Policy: Key<br />
Documents, London & New York: Routledge, 2000, Document 3/9, pp.<br />
217-21.<br />
15 Cited from Dan Reiter, »Why NATO Enlargement Does Not Spread Democracy«,<br />
International <strong>Security</strong>, Vol. 25, No. 4, 2001, pp. 54-6.
Bla ckwell , Civ il-mil ita ry relations in Centra l a nd Ea s tern Eur ope | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />
F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />
Although the EU is very much concerned with democratization<br />
in policy areas such as civil-military relations, this has<br />
not manifested itself in terms of an explicit set of accession<br />
requirements or a general enunciation of principles. The negotiations<br />
aimed at the admission of new members have<br />
been led by the European Commission <strong>and</strong> thus have reflected<br />
those legal, economic <strong>and</strong> trade issues that reflect<br />
both the Commission’s considerable competence in these<br />
areas <strong>and</strong> the primary interests of the aspiring members.<br />
Within the process of the European Commission’s discussion<br />
with the CEE c<strong>and</strong>idate countries the »chapter« dealing<br />
with the Common Foreign <strong>and</strong> <strong>Security</strong> Policy (CFSP), chapter<br />
27, was closed with all twelve applicants well before the<br />
decision to admit ten of these countries at the EU’s Copenhagen<br />
summit in 2002. This reflects the fact that no distinctive<br />
acquis communitaire exists in the field of foreign <strong>and</strong> defense<br />
policy. In particular, there is very little explicit linkage<br />
between the EU’s external policies <strong>and</strong> the enlargement<br />
process itself, an omission that reflects both the Commission’s<br />
relatively minor role in the CFSP (compared to the<br />
European Council representing the member states) <strong>and</strong> the<br />
embryonic nature of the policy itself. 16<br />
In the case of the EU, the present c<strong>and</strong>idate countries, preoccupied<br />
as previously noted with more difficult areas of<br />
negotiations such as trade harmonization, have so far displayed<br />
little interest in military <strong>and</strong> defense issues. One exception<br />
in this context has been the Stability Pact for South<br />
Eastern Europe, the principal aim of which is to foster security<br />
in the region through economic <strong>and</strong> political reform.<br />
<strong>Security</strong> <strong>and</strong> defense issues are dealt with <strong>und</strong>er »Working<br />
Table Three,« which has a »Sub-Table on defense <strong>and</strong> security<br />
issues« concerned with defense economics among other<br />
issues. However, the Stability Pact has no resources of its<br />
own <strong>and</strong> does not directly manage the projects; the Pact has<br />
acted merely as a mechanism through which bilateral assistance<br />
has been provided to the region. Progress depends on<br />
partnerships, <strong>and</strong> the Pact therefore has limited scope to<br />
provide roadmaps such as NATO’s Membership Action<br />
Plans. 17 The Atlantic Alliance has made a much more explicit<br />
link between its accession process, stability <strong>and</strong> reforms<br />
in areas such as civil-military relations. In contrast,<br />
the link is entirely absent from EU enlargement policy.<br />
There is a need for the EU to create a more explicit link between<br />
enlargement, the CFSP <strong>and</strong> military reform in conjunction<br />
with a clearer acquis in the fields of foreign <strong>and</strong> defense<br />
policy making. 18<br />
Notwithst<strong>and</strong>ing the absence of clear criteria for accession,<br />
the promise of integration with both NATO <strong>and</strong> the EU has<br />
nevertheless had a distinct impact on democratic reforms in<br />
the CEE states. The process of EU accession by its very nature<br />
required a far more profo<strong>und</strong> process of political, eco-<br />
16 Mark Webber, »NATO Enlargement <strong>and</strong> European Defence Autonomy«,<br />
in Jolyon Howarth <strong>and</strong> John T. S. Keeler, eds., Defending Europe: The EU,<br />
NATO <strong>and</strong> the Quest for European Autonomy, Basingstoke: Palgrave Macmillan,<br />
2003, pp. 157-80.<br />
17 See the website of the Special Co-ordinator of the Stability Pact<br />
(http://www.stabilitypact.org).<br />
18 Antonio Missiroli, ed. Bigger EU, wider CFSP, Stronger ESDP? The view from<br />
Central Europe, European Union Institute for <strong>Security</strong> Studies, Occasional<br />
Paper No. 34, April 2002.<br />
nomic <strong>and</strong> social readjustments, not the least being the<br />
diminution of sovereignty, than those required for NATO<br />
membership. As the EU, through the acquis, has set criteria<br />
for extremely detailed <strong>and</strong> comprehensive reforms in the<br />
run-up to accession, it is perhaps best placed to have an organic,<br />
»bottom-up« influence on the development of military-society<br />
as well as civil-military relations in the future.<br />
Yet the EU’s input in this area remains small, <strong>and</strong> there is an<br />
urgent need for greater involvement in the reform of the<br />
armed forces in the CEE region, particularly given the increased<br />
importance of the embryonic European <strong>Security</strong> <strong>and</strong><br />
Defense Policy (ESDP).<br />
3. Future prospects for civil-military reform in the<br />
CEE region<br />
Aside from the contention that the EU might be better<br />
placed to f<strong>und</strong>amentally change attitudes to civil-military<br />
relations, the partnership <strong>and</strong> development programs spearheaded<br />
by the PFP have also come <strong>und</strong>er criticism for their<br />
detailed content. Within the context of efforts to ensure the<br />
creation of stable democratic institutions for the management<br />
of armed forces in the CEE region, the most pressing<br />
problem remains the »knowledge imbalance« between the<br />
civilian <strong>and</strong> military sectors. In the case of NATO, the<br />
promise of either accession or closer cooperation has meant<br />
that the prioritization of technical military issues, in particular<br />
interoperability, has led to the marginalization of the<br />
problem of encouraging a greater level of civilian participation<br />
in this sphere of activity. This is felt to be particularly<br />
true in the context of the PFP program, even though the initiative<br />
has sought to promote the development of essential<br />
elements of democratic control such as civilian expertise<br />
<strong>and</strong> parliamentary accountability. In reality PFP has been<br />
only partially successful in its aims. Although programs do<br />
exist for civilians, the overwhelming majority of participants<br />
from the CEE countries have been military personnel.<br />
This bias in the nature of the activities aimed at providing<br />
assistance has actually tended to widen the »expertise gap«<br />
between the military <strong>and</strong> civilians. 19<br />
The inability to foster a culture of informed debate about<br />
defense <strong>and</strong> security matters in the region remains a cause<br />
for concern. There is broad agreement in the CEE region on<br />
the need for a stronger »strategic community« involving all<br />
elements of society in a vigorous discussion of the future<br />
role of military forces. A key factor in this process will be the<br />
achievement of a healthy balance between the input of international<br />
organizations such as NATO <strong>and</strong> the EU <strong>and</strong> political<br />
leadership on the part of local politicians, civil servants,<br />
journalists <strong>and</strong> NGOs. The process will inevitably be<br />
incremental <strong>and</strong> it is important that national particularities<br />
19 Jeffrey Simon, »The PFP Path <strong>and</strong> Civil-Military Relations«, in Simon, ed.,<br />
NATO Enlargement: Opinions <strong>and</strong> Options, Washington DC: National Defense<br />
University, 1995, pp. 45-67.<br />
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<strong>and</strong> requirements are respected. 20 The situation that persists<br />
even in those countries that entered NATO in 1997 indicates<br />
the difficulty of achieving the right balance in their reform<br />
programs. A recent examination of the defense reform process<br />
in Hungary has warned that NATO initiatives have virtually<br />
institutionalized the shortfall in civilian expertise <strong>and</strong><br />
only partially addressed the problem of the relatively low<br />
status of the military in Hungarian society. 21<br />
NATO enlargement <strong>and</strong> the Alliance’s increased engagement<br />
in CEE will not be an automatic panacea for the problems<br />
associated with civil-military relations in the region. More<br />
emphasis is needed on support for efforts to develop military-society<br />
relations with an emphasis on a »strategic civil<br />
society« rather than an inevitably conflictual relationship<br />
between governments <strong>and</strong> their armed forces. Many of the<br />
problems faced by the military establishments in the CEE<br />
countries are compo<strong>und</strong>ed by rapidly changing conceptions<br />
of what armed forces are necessary for, if they are necessary<br />
at all. In view of the special problems caused by ethnic tension<br />
in South Eastern Europe, there are strong arguments in<br />
favor of discarding doctrines of territorial defense in favor of<br />
a role for regional forces based on multinational coalitions<br />
<strong>and</strong> »non-traditional« (primarily humanitarian) military operations.<br />
The growth of military multinationalism <strong>and</strong> the<br />
move away from established assumptions about the roles of<br />
armed forces reflect the »post-modern military« paradigm<br />
increasingly promoted by security analysts. Indeed, a strong<br />
argument can be made that several features of this paradigm<br />
already predominate in the CEE region. 22<br />
Questions nevertheless remain over the role of the Atlantic<br />
Alliance. The PFP’s focus on interoperability will inevitably<br />
take precedence over details of the democratic reform process,<br />
<strong>and</strong> past evidence would indicate that NATO could live<br />
with »quasi-authoritarian« regimes. Another disadvantage<br />
that stems from NATO taking the lead on civil-military reform<br />
in the CEE countries is that reform efforts have invariably<br />
taken on a technocratic »top-down« approach to<br />
problems that arguably require a more f<strong>und</strong>amental reappraisal.<br />
In particular the theoretical insights derived from<br />
»New Institutionalism,« with its focus on the values <strong>and</strong><br />
norms that transcend the formal structures of policy-making<br />
<strong>and</strong> executive authority, is potentially valuable for an analysis<br />
of this issue. Within the concept of »New Institutionalism«<br />
is the notion of »path dependency« <strong>and</strong> the argument<br />
that »once an historical choice has been made, it both precludes<br />
<strong>and</strong> facilitates others.« 23 Thus, along with the difficulties<br />
institutions have with setting policy it also becomes extremely<br />
difficult to change policy, a problem compo<strong>und</strong>ed<br />
20 For a critical view see Dusˇan Reljic, »Who Builds Civil Society? Civil Society,<br />
Mass Media <strong>and</strong> Democracy in the Post-Communist Countries«, Geneva<br />
Centre for the Democratic Control of Armed Forces, DCAF Working<br />
Paper No. 131, January <strong>2004</strong> (http://www.dcaf.ch/publications/Working_Papers/131.pdf).<br />
21 James Sherr, »NATO’s New Members: A Model for Ukraine? The Example<br />
of Hungary«, Paper G86, Conflict Studies Research Centre, RMA<br />
S<strong>and</strong>hurst, September 2002 (http://www.csrc.ac.uk/pdfs/g92-vgb.pdf).<br />
22 Charles C. Moskos, John Allen Williams <strong>and</strong> David R. Segal, »Armed<br />
Forces after the Cold War«, in Moskos, Williams <strong>and</strong> Segal, eds., The<br />
Postmodern Military: Armed Forces after the Cold War, New York & Oxford:<br />
Oxford University Press, 2000, pp. 1-13.<br />
23 Stephen Krasner, »Approaches to the State«, Comparative Politics, Vol. 16,<br />
No. 2, 1984, pp. 223-46.<br />
96 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
by the tendency of the institutional structures of both states<br />
<strong>and</strong> multinational organizations to bargain rather than seek<br />
an objective problem solving approach. The EU is as equally<br />
prone to this tendency as NATO, but it is to be hoped that<br />
the pressures leading to f<strong>und</strong>amental social change as a result<br />
of accession will have an impact on attitudes as well as<br />
institutional reform.<br />
4. Conclusion<br />
The uncertainties created by the sudden collapse of the<br />
communist regimes in the CEE region in 1989 highlighted<br />
the urgent need for modernized civil-military structures as<br />
part of a broader security sector reform process in these<br />
countries. This factor, compo<strong>und</strong>ed by the increased regional<br />
profiles of NATO <strong>and</strong> the EU, the promise of accession<br />
to both of these organizations <strong>and</strong> the »conditionality«<br />
factor inherent in this process, has led to the dominance of<br />
a »top-down« approach to reform. What is now required is<br />
an increased emphasis on a »bottom-up« approach in the<br />
form of aid that encourages open debate <strong>and</strong> a new focus on<br />
the participation of civil society. This will help to consolidate<br />
the aim of the new members to participate effectively<br />
in NATO <strong>and</strong> ESDP operations. While much progress has<br />
been made in the context of civil-military relations, much<br />
remains to be done on military-society relations. Concepts<br />
such as »civic society« <strong>and</strong> »citizen awareness« are notoriously<br />
difficult to define, but the very nature of EU enlargement<br />
makes this organization both considerably more competent<br />
<strong>and</strong> interested in genuine societal transformation<br />
than NATO. In their efforts to join Western security institutions,<br />
the contribution that the CEE countries can make as<br />
stable democracies with a growing sense of civic responsibility<br />
<strong>and</strong> accountability has at least the same importance to<br />
both NATO <strong>and</strong> the EU as geostrategic <strong>and</strong> military considerations.
Schneider / Tho ny/ Mü ller, Int erna ti ona le Ger ichte im s ys tema ti s chen Ver gleich | F O R U M<br />
Internationale Gerichte im systematischen Vergleich<br />
Patricia Schneider/Kristina Thony/Erwin Müller*<br />
Abstract: The article deals with the problems, chances <strong>and</strong> perspectives of international jurisdiction <strong>and</strong> international arbitration<br />
as instruments of peaceful conflict resolution <strong>and</strong> dispute settlement. The authors of the systematic comparative<br />
study present a survey <strong>and</strong> an inventory of contemporary courts of jurisdiction, arbitral tribunals <strong>and</strong> international criminal<br />
courts <strong>and</strong> analyse the strengths, weaknesses <strong>and</strong> shortcomings as well as the advantages <strong>and</strong> disadvantages of these institutions.<br />
Finally they discuss the possibilities of reforms in the field of international jurisdiction <strong>and</strong> international arbitration,<br />
which could increase the effectiveness of those important tools.<br />
Keywords: International jurisdiction, international arbitration, peaceful settlement of international disputes, termination of<br />
conflicts, conflict resolution<br />
1. Einleitung<br />
Im Folgenden werden unterschiedliche internationale<br />
(Schieds-)Gerichte im Hinblick auf ihre Charakteristika<br />
systematisch vergleichend analysiert. Berücksichtigt werden<br />
geographische <strong>und</strong> sachliche Kompetenzbereiche, Errichtung<br />
<strong>und</strong> Kompetenzgr<strong>und</strong>lagen, die Art der Richterernennung,<br />
mögliche Kammerentscheidungen, Verfahrensregeln,<br />
Urteilsgr<strong>und</strong>lagen, Parteifähigkeit, Einlassungszwang<br />
(Obligatorium), Urteilsvollstreckung, Gerichtsart sowie die<br />
Anbindung an internationale Organisationen.<br />
Ziel ist es, auf der Gr<strong>und</strong>lage dieses Vergleichs Vorzüge <strong>und</strong><br />
Nachteile der internationalen (Schieds-)Gerichtsbarkeit im<br />
Hinblick auf ihre Erfolgsaussichten zur Streitbeilegung wie<br />
zur Wahrung bzw. Wiederherstellung von <strong>Frieden</strong> <strong>und</strong> Gerechtigkeit<br />
darzustellen <strong>und</strong> zu bilanzieren.<br />
2. Internationale (Schieds-)Gerichte im Vergleich<br />
Die folgenden internationalen Rechtsprechungsinstitutionen<br />
werden analytisch anh<strong>and</strong> verschiedener Charakteristika<br />
verglichen: der Ständige Schiedshof (PCA), der OSZE-<br />
Vergleichs- <strong>und</strong> Schiedsgerichtshof (Court of Conciliation<br />
<strong>and</strong> Arbitration within the OSCE – CCA), der Ständige Internationale<br />
Gerichtshof (StIGH) der Völkerb<strong>und</strong>zeit, der Internationale<br />
Gerichtshof (IGH), der Internationale Seegerichtshof<br />
(ISGH), der Gerichtshof der Europäischen<br />
Gemeinschaften (EuGH), der Europäische Gerichtshof für<br />
Menschenrechte (EGMR), der Interamerikanische Gerichtshof<br />
für Menschenrechte (IAGMR), der Internationale Strafgerichtshof<br />
für das ehemalige Jugoslawien (International<br />
Criminal Tribunal for the former Yugoslavia – ICTY), der Internationale<br />
Strafgerichtshof für Ru<strong>and</strong>a (International Criminal<br />
Tribunal for Rw<strong>and</strong>a – ICTR) <strong>und</strong> der Internationale<br />
Strafgerichtshof (IStGH).<br />
* Dr. Patricia Schneider, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für<br />
<strong>Frieden</strong>sforschung <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik an der Universität Hamburg<br />
(IFSH); Dipl.-Pol. Kristina Thony, vorm. Wissentschaftliche Mitarbeiterin<br />
am IFSH; Dr. Erwin Müller, Wissenschaftlicher Referent am IFSH.<br />
2.1 Geographischer <strong>und</strong> sachlicher Kompetenzbereich<br />
Zu den Rechtsprechungsinstitutionen mit – geographisch<br />
gesehen – globalem Kompetenzbereich zählen der PCA, der<br />
IGH, der ISGH sowie der IStGH.<br />
Regional begrenzt dagegen ist in geographischer Hinsicht<br />
der Kompetenzbereich des CCA (begrenzt auf die Vertragsstaaten<br />
des Übereinkommens über Vergleichs- <strong>und</strong> Schiedsverfahren<br />
innerhalb der KSZE), des EuGH (Mitgliedstaaten<br />
der Europäischen Union), des EGMR (Mitgliedstaaten des<br />
Europarates), des IAGMR (Signatarstaaten der Amerikanischen<br />
Menschenrechtskonvention, die die Zuständigkeit des<br />
Gerichtshofes anerkannt haben), des ICTY (Straftaten, die<br />
auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien begangen wurden)<br />
sowie des ICTR (Straftaten, die in Ru<strong>and</strong>a bzw. von ru<strong>and</strong>ischen<br />
Staatsangehörigen auch auf dem Gebiet der<br />
Nachbarstaaten begangen wurden).<br />
Der Umfang des geographischen Kompetenzbereiches trifft<br />
keine Aussage über den sachlichen Rechtsbereich: PCA <strong>und</strong><br />
IGH gelten, wie auch der CCA, sachlich universell, d.h. ihre<br />
Jurisdiktion ist thematisch nicht auf einen bestimmten<br />
Rechtsbereich beschränkt. Anders verhält es sich bei den<br />
<strong>and</strong>eren Rechtsprechungsinstitutionen, da sie spezifisch<br />
bzw. sektoral ausgerichtet sind: Vor dem EGMR <strong>und</strong> dem I-<br />
AGMR können diejenigen Rechte geltend gemacht werden,<br />
die durch die Europäische bzw. die Amerikanische Menschenrechtskonvention<br />
garantiert werden; vor den internationalen<br />
Straftribunalen ICTY, ICTR <strong>und</strong> dem IStGH (ICC)<br />
werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord<br />
<strong>und</strong> Kriegsverbrechen geahndet; der ISGH konzentriert sich<br />
auf Streitigkeiten, die die Auslegung <strong>und</strong> Anwendung des<br />
Seerechtsübereinkommens betreffen; der Kompetenzbereich<br />
des EuGH umfasst das gesamte primäre <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äre<br />
Recht, das im Rahmen der Europäischen Union bzw. der Europäischen<br />
Gemeinschaften gesetzt wird.<br />
2.2 Errichtung <strong>und</strong> Kompetenzgr<strong>und</strong>lagen<br />
Die Rechtsinstitutionen wurden, bis auf zwei Ausnahmen,<br />
jeweils auf Gr<strong>und</strong>lage eines Vertrages errichtet: der IGH z.B.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 97
F O R U M | Schneider / Tho ny/ Mü ller, Int erna ti ona le Ger ichte im s ys tema tis che n Ver gleich<br />
durch die Charta der Vereinten Nationen, der PCA durch<br />
das Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler<br />
Streitfälle, EGMR <strong>und</strong> IAGMR durch die Europäische<br />
bzw. Amerikanische Menschenrechtskonvention, der ISGH<br />
durch die UN-Seerechtskonvention. Die Kompetenzgr<strong>und</strong>lagen<br />
der beiden internationalen Straftribunale ICTY <strong>und</strong><br />
ICTR bilden hingegen UN-<strong>Sicherheit</strong>sratsresolutionen (Resolution<br />
827/1993 <strong>und</strong> Resolution 955/1994).<br />
2.3 Richterernennung<br />
Die Besetzung der Richterbank erfolgt fast ausnahmslos im<br />
Voraus, die Wahl der Richter ist den Streitparteien folglich<br />
im konkreten Fall entzogen. Ausnahmen bilden die Schiedsgerichte<br />
(PCA <strong>und</strong> CCA), bei denen die Streitparteien die<br />
Richter zur Beilegung ihres Streitfalles bestimmen bzw. mitbestimmen<br />
können.<br />
2.4 Kammern<br />
Kammerentscheidungen zur Lösung eines Streitfalls sind vor<br />
dem PCA, dem CCA <strong>und</strong> dem IAGMR nicht möglich. Vor<br />
den <strong>and</strong>eren Gerichten sind Kammerentscheidungen praktikabel<br />
<strong>und</strong> vorgesehen, wobei die Parteien bei Vorlage eines<br />
Streitfalls an den IGH <strong>und</strong> den ISGH sogar Einfluss auf die<br />
Richterwahl nehmen können, d.h. bei der personellen Besetzung<br />
der Kammer ein gewichtiges Wort mitzureden haben.<br />
Diese Tatsache legt die Annahme nahe, dass die Kammeroption<br />
sich unter Staaten, die auf ihre maximale<br />
H<strong>and</strong>lungsfähigkeit Wert legen, großer Beliebtheit erfreuen<br />
müsste, stellt sie ihnen doch vor Gerichten mit prinzipiell<br />
fest besetzter Richterbank die (Aus-)Wahl der ihnen genehmen<br />
Richter mehr oder minder frei. Es darf auch mit guten<br />
Gründen davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung<br />
ihre Bereitschaft zur Nutzung internationaler Gerichte<br />
gefördert werden sollte <strong>und</strong> soll.<br />
Die Untersuchung der Faktenlage demonstriert jedoch, dass<br />
von der Kammeroption kaum Gebrauch gemacht wird: Sie<br />
wurde in Bezug auf den besonders relevanten IGH im Rahmen<br />
von mittlerweile mehr als 100 Fällen nur ganze vier<br />
Mal gewählt. Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass<br />
die Kammervariante den Gerichtshof zwar nicht unbedingt<br />
attraktiver macht, auf Gr<strong>und</strong> der Freiwilligkeit ihrer Wahl<br />
aber keine negativen Folgen nach sich ziehen kann <strong>und</strong> zumindest<br />
alle potenziell positiven Zukunftsperspektiven offen<br />
hält.<br />
2.5 Verfahrensregeln<br />
Die Verfahrensregeln werden fast ausschließlich durch die<br />
jeweiligen Statute <strong>und</strong> Verfahrensordnungen der Gerichte<br />
festgelegt. Die einzige Ausnahme bildet der PCA, bei dem<br />
die Verfahrensregeln, bei Vorliegen eines konkreten Streitfalls,<br />
durch die Parteien vereinbart werden. Diese können<br />
sich das PCA-Verfahren – nach gemeinsamer Übereinkunft<br />
<strong>und</strong> unter Beachtung f<strong>und</strong>amentaler Prinzipien der Verfah-<br />
98 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
rensgerechtigkeit – optimal zuschneiden, d.h. ihren Bedürfnissen<br />
<strong>und</strong> Interessen anpassen.<br />
2.6 Urteilsgr<strong>und</strong>lagen<br />
Die Urteilsgr<strong>und</strong>lagen bilden universelles bzw. partikulares<br />
Völkerrecht oder – im Fall der Straftribunale – Völkerstrafrecht.<br />
Bei Einschaltung des PCA steht den Parteien hingegen<br />
die Wahl einer beliebigen sonstigen Rechtsordnung offen,<br />
deren Normen aber nicht gegen zwingendes Völkerrecht<br />
verstoßen dürfen. Billigkeitsentscheidungen »ex aequo et<br />
bono« dürfen – auf Ersuchen beider Streitparteien – PCA,<br />
CCA, IGH (StIGH) <strong>und</strong> ISGH treffen, sind in der Staatenpraxis<br />
auf Gr<strong>und</strong> ihrer Unkalkulierbarkeit aber unüblich. Der<br />
Vergleich unterstreicht auch in dieser Rubrik die besondere<br />
Flexibilität der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, so<br />
weit diese sich etwa am PCA-Modell orientiert.<br />
2.7 Parteifähigkeit<br />
Eine Parteifähigkeit im eigentlichen Sinne gibt es vor den<br />
internationalen Strafgerichtshöfen (ICTY, ICTR sowie IStGH)<br />
nicht. Hier sollen Einzeltäter zur Verantwortung gezogen<br />
<strong>und</strong> ggf. ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.<br />
Der Zugang zum CCA sowie zum IGH ist ausschließlich<br />
Staaten vorbehalten. Diese einer antiquierten Auffassung<br />
von den Akteuren des internationalen Systems wie der Parteien<br />
von (Gewalt-)Konflikten entspringende Regelung verwehrt<br />
internationalen Organisationen, nationalen Minderheiten<br />
<strong>und</strong> sonstigen substaatlichen Entitäten die Chance<br />
zur Durchsetzung ihrer Rechte auf dem Wege der judikativen<br />
oder arbitralen Streitentscheidung. Die <strong>and</strong>eren Gerichte<br />
kennen eine erweiterte Parteifähigkeit: Neben Staaten<br />
können vor dem PCA, dem ISGH, dem EuGH <strong>und</strong> dem<br />
EGMR auch sonstige Rechtssubjekte klagen, z.B. Einzelpersonen,<br />
Personengruppen, NGOs, Privatunternehmen oder<br />
internationale Organisationen. Gegebenenfalls ist zunächst<br />
der innerstaatliche Rechtsweg zu erschöpfen, <strong>und</strong> zwar in<br />
Fällen, in denen Menschenrechtsschutz gesucht wird. Bezüglich<br />
des IAGMR gibt es eine eingeschränkte erweiterte<br />
Parteifähigkeit über Staaten als Kläger hinaus: Sonstige<br />
Rechtssubjekte können das Gericht nicht selbstständig anrufen,<br />
sondern müssen ihre Beschwerde der Interamerikanischen<br />
Menschenrechtskommission vorlegen, die diese prüft<br />
<strong>und</strong> ggf. an den IAGMR weiterleitet.<br />
2.8 Einlassungszwang (Obligatorium)<br />
Ein automatischer Einlassungszwang besteht für die Vertragsparteien<br />
beim EuGH <strong>und</strong> dem EGMR. Den drei Strafgerichtshöfen<br />
ICTY, ICTR <strong>und</strong> IStGH können Beschuldigte<br />
notfalls mit physischer Gewalt zugeführt werden. Eingeschränkt<br />
ist diese Einlassungspflicht beim ISGH, da eine<br />
Streitigkeit gemäß Seerechtskonvention auch vor einem <strong>and</strong>eren<br />
(Schieds-)Gericht (IGH) ausgetragen werden kann;<br />
ausgenommen davon sind Verfahren vor der Meeresbodenkammer.<br />
Prinzipiell besteht jedoch die Pflicht, sich auf das
Schneider / Tho ny/ Mü ller, Int erna ti ona le Ger ichte im s ys tema ti s chen Ver gleich | F O R U M<br />
Tabelle 1: Synopse – Internationale Gerichte <strong>und</strong> Schiedsgerichte im Vergleich<br />
1<br />
2<br />
Verlangen einer Partei hin einem Verfahren der Jurisdiktion<br />
oder Arbitration zu unterziehen. Gr<strong>und</strong>sätzlich kein Einlassungszwang<br />
besteht beim PCA <strong>und</strong> beim CCA; auch beim<br />
IGH <strong>und</strong> beim IAGMR besteht dieser nur, sofern eine gesonderte<br />
Unterwerfungserklärung abgegeben wurde.<br />
2.9 Urteilsvollstreckung<br />
Schiedsgerichtsbarkeit<br />
Eine Urteilsvollstreckung – Gr<strong>und</strong>lage für die effiziente Anwendung<br />
<strong>und</strong> Umsetzung des Prinzips »<strong>Frieden</strong> durch<br />
Recht« – ist für Entscheidungen des IGH, des EuGH, des<br />
EGMR sowie der drei Strafgerichtshöfe vorgesehen. Zu diesem<br />
Zweck wurden jeweils höchst unterschiedliche Mecha-<br />
Gerichtsbarkeit<br />
Streitbeilegung Straftatenahndung<br />
PCA CCA StIGH IGH ISGH EuGH EGMR IAGMR ICTY ICTR ICC<br />
Geographischer <strong>und</strong><br />
sachlicher<br />
G R G G G R R R R R G<br />
Kompetenzbereich<br />
Einrichtung durch/<br />
U U U U S S S S S S S<br />
Kompetenzgr<strong>und</strong>lagen<br />
V V V V V V V V U U V<br />
3 Richterernennung W W+E E E E E E E E E E<br />
4 Kammern _ _ X X � X � X X _ X X X<br />
5 Verfahrensregeln P S S S S S S S S S S<br />
6 Urteilsgr<strong>und</strong>lagen VR*� VR� VR� VR� PVR� PVR** PVR PVR VSR VSR VSR<br />
7 Parteifähigkeit ❏ ■ ■ ■ ❏ ❏ ❏ [❏] _ _ _<br />
8<br />
Einlassungszwang<br />
(Obligatorium)<br />
_ _ _ _ [X] X X _ X X X<br />
9 Urteilsvollstreckung _ _ X X _ X X _ X X X<br />
10 Gerichtsart K K K K K K+M M M S S S<br />
11<br />
Anbindung an int.<br />
Organisationen<br />
1 G = global<br />
R = regional<br />
U = universell<br />
S = spezifisch/sektoral<br />
2 V = Vertrag<br />
U = UNSR-Resolution<br />
3 W = Wahl durch Parteien<br />
E = durch Dritte ernannt<br />
4 X = ja<br />
_ = nein<br />
� = mit Parteieneinfluss auf Richterauswahl<br />
5 S = Statut<br />
P = Parteienvereinbarung<br />
6 VR = Völkerrecht<br />
PVR= Partikuläres (<strong>und</strong> sektorales) Völkerrecht<br />
VSR =Völkerstrafrecht<br />
� = Entscheidung „ex aequo et bono“ möglich<br />
* = bzw. eine von den Parteien vereinbarte<br />
sonstige Rechtsgr<strong>und</strong>lage<br />
** = Internes Staatengemeinschaftsrecht i.S. einer<br />
eigenständigen Rechtsordnung<br />
_ [X] [X] X _ X [X] [X] X X [X]<br />
7 ■ = nur Staaten<br />
❏ = Staaten <strong>und</strong> sonstige Rechtssubjekte<br />
[❏] = Interamerikanische Menschenrechtskommission<br />
_ = kein Parteienprinzip<br />
8 X = ja<br />
_ = nein<br />
[X] = ja, aber Gerichtswahl<br />
9 X = ja<br />
_ = nein<br />
10 K = Konfliktentscheidung<br />
M = Menschenrechtsschutz<br />
S = Straftatenahndung<br />
11 X = ja: Organ<br />
[X] = unterschiedlich intensive Einwirkungsmöglichkeiten<br />
einer Organisation<br />
_ = nein<br />
nismen installiert: Bei Nichteinhaltung von IGH-Urteilen<br />
kann auf Parteiantrag der <strong>Sicherheit</strong>srat der Vereinten Nationen<br />
tätig werden <strong>und</strong> entsprechende (Zwangs-)Maßnahmen<br />
ergreifen. Im Rahmen der Europäischen Union sind<br />
vertraglich festgelegte Maßnahmen vorgesehen (gegen Staaten<br />
allerdings nur pekuniärer Natur). Für den EGMR wacht<br />
das Ministerkomitee des Europarates über die Einhaltung der<br />
Urteile. Derartige Mechanismen sind beim PCA, dem CCA,<br />
dem ISGH sowie dem IAGMR nicht vorh<strong>and</strong>en, so dass eine<br />
Urteilsvollstreckung durch das Gericht bzw. dazu ermächtigte<br />
Organe oder Institutionen nicht erfolgt.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 99
F O R U M | Schneider / Tho ny/ Mü ller, Int erna ti ona le Ger ichte im s ys tema tis che n Ver gleich<br />
2.10 Gerichtsart<br />
Die Art der Gerichte hängt von den originären Zielen ihrer<br />
Errichtung ab: Verfahren vor dem PCA, dem CCA, dem IGH,<br />
dem ISGH sowie dem EuGH dienen in erster Linie der Konfliktentscheidung<br />
<strong>und</strong> Streitbeilegung bzw. dem Rechtsschutz.<br />
Letzterer erfüllt zusätzlich Funktionen des Menschenrechtsschutzes.<br />
Dem Menschenrechtsschutz haben<br />
sich insbesondere der EGMR sowie der IAGMR verschrieben.<br />
Die internationalen Strafgerichtshöfe hingegen erfüllen den<br />
Zweck der Strafverfolgung bzw. Straftatenahndung.<br />
2.11 Anbindung an internationale Organisationen<br />
Eine Anbindung an bzw. eine Einbindung in internationale<br />
Organisationen eröffnet die Chance, dass Urteile von einer<br />
mehr oder minder machtvollen Institution vollstreckt werden<br />
(im Falle des IGH vom VN-<strong>Sicherheit</strong>srat) oder doch<br />
mit einem gewissen politischen Nachdruck versehen werden<br />
können. Einzig der PCA ist in keiner Weise mit einer internationalen<br />
Organisation verb<strong>und</strong>en. Der ISGH pflegt durch<br />
eine Übereinkunft f<strong>und</strong>ierte gute Beziehungen zu den Vereinten<br />
Nationen. Eine feste Verbindung besteht zwischen<br />
dem IGH <strong>und</strong> den Vereinten Nationen: Der IGH ist ihr<br />
Hauptrechtsprechungsorgan. Ebenso bestehen feste Verbindungen<br />
der Straftribunale ICTY <strong>und</strong> ICTR mit den VN als<br />
Hilfsorgane des <strong>Sicherheit</strong>srates <strong>und</strong> des EuGH mit den Europäischen<br />
Gemeinschaften (als deren Organ). Wesentlich<br />
losere Verbindungen, deren Intensitätsgrade unterschiedlich<br />
ausgestaltet sind, bestehen zwischen EGMR <strong>und</strong> Europarat<br />
(hier noch am ausgeprägtesten), CCA <strong>und</strong> OSZE, IAGMR<br />
<strong>und</strong> der Organisation Amerikanischer Staaten sowie IStGH<br />
<strong>und</strong> VN.<br />
3. Synopse internationaler (Schieds-)Gerichtsbarkeit<br />
Die vorstehende Synopse demonstriert die Resultate dieser<br />
vergleichenden Analyse in konziser <strong>und</strong> komprimierter<br />
Form.<br />
4. Bilanz<br />
Auf der Basis der vergleichenden Durchmusterung der relevanten<br />
Institutionen der internationalen Arbitration <strong>und</strong> Jurisdiktion<br />
lässt sich eine Bilanz ziehen, die für den Entwurf<br />
optimierter Konzepte internationaler Schiedsgerichtsbarkeit<br />
<strong>und</strong> Gerichtsbarkeit fruchtbar gemacht werden kann. Hierzu<br />
bedarf es der Festlegung von Kriterien, die selbstredend<br />
nicht willkürlich erfolgen darf, sondern logisch <strong>und</strong> empirisch<br />
zu begründen ist.<br />
Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage lässt sich vor dem Hintergr<strong>und</strong> extensiver<br />
aktueller <strong>und</strong> historischer Erfahrungen, die als durchgängig<br />
wiederkehrendes Muster im Sinne einer empirischen<br />
Regelmäßigkeit generalisierbar sind, auf bestimmte Merk-<br />
100 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
male abheben, die für eine effektive Streitentscheidung unverzichtbar<br />
sind.<br />
Setzt man demgemäss als ebenso entscheidende wie unabdingbare<br />
Kriterien für eine optimierte (Schieds-)Gerichtsbarkeit<br />
eine möglichst breite Parteifähigkeit, einen Einlassungszwang<br />
(Obligatorium) <strong>und</strong> eine möglichst effektive Urteilsvollstreckung<br />
an, wobei die beiden letzteren Parameter als<br />
die relevantesten zu gelten haben (Recht ohne Macht ist bekanntlich<br />
eine Farce), so liegt es vor diesem Hintergr<strong>und</strong> auf<br />
der H<strong>and</strong>, dass in der Synopse die Zeilen bzw. Rubriken 7, 8<br />
<strong>und</strong> 9 die ausschlaggebenden Informationen enthalten. Die<br />
Schattierungen <strong>und</strong> Umr<strong>and</strong>ungen führen die Tatsache vor<br />
Augen, dass in erster Linie EuGH <strong>und</strong> EGMR den gesetzten<br />
Kriterien gerecht werden. Es ist allerdings ebenso evident,<br />
dass diese Instanzen – bei aller Verdienstlichkeit – nicht für<br />
zwischenstaatliche Streitigkeiten zuständig sind, die zu gravierenden<br />
Konfrontationen führen <strong>und</strong> im Extremfall<br />
sogar in kriegerische Ausein<strong>and</strong>ersetzungen münden<br />
können.<br />
Der von der Seerechtskonvention bereitgestellte Kompetenzf<strong>und</strong>us<br />
für eine immerhin obligatorische Gerichtsbarkeit bzw.<br />
Schiedsgerichtsbarkeit (wahlweise für den ISGH) kommt<br />
dem obigen Desideratenkatalog zumindest nahe, wenngleich<br />
Meeresstreitigkeiten zwar zu erheblichen politischen<br />
Spannungen Anlass geben können, nicht jedoch zu bewaffneten<br />
Konflikten.<br />
Der IGH verfügt zumindest über eine der wichtigsten Basiskompetenzen<br />
in Form der (potenziellen) Urteilsvollstreckung<br />
durch den <strong>Sicherheit</strong>srat der Vereinten Nationen, die jedoch<br />
durch dessen Ermessensspielraum im Sinne des Opportunitätsprinzips<br />
<strong>und</strong> die Vetochance seiner ständigen Mitglieder<br />
gutteils entwertet wird.<br />
Was die Schiedsgerichtsbarkeit anbelangt, so sind ihre besonderen<br />
Vorzüge im Hinblick auf die »souveränitätsschonende«<br />
Rücksichtnahme auf staatliche H<strong>and</strong>lungsspielräume<br />
augenfällig: Die Parteien bleiben insofern »Herren des<br />
Verfahrens«, als sie in der Regel die Richter ihrer Wahl selbst<br />
benennen, die Verfahrensordnung ebenso einvernehmlich<br />
bestimmen können wie die Urteilsgr<strong>und</strong>lagen. Zudem sind<br />
im Allgemeinen zumindest die Gerichtsverh<strong>and</strong>lungen vertraulich,<br />
d.h. nicht öffentlich, was zur willkommenen Gesichtswahrung<br />
beitragen kann. Es kann aber auch ein Einlassungszwang<br />
bei einseitiger Initiative vertraglich vorab<br />
vereinbart werden. Unabdingbar sind jedoch Vorkehrungen<br />
gegen Obstruktionsversuche einer schiedsunwilligen Partei,<br />
die sich etwa weigert, die ihr zustehenden Richterposten zu<br />
besetzen. Hält diese Partei ihre intransigente Linie konsequent<br />
durch, so wird sie mit höchster Wahrscheinlichkeit<br />
auch ein in ihrer Abwesenheit ergangenes Versäumnisurteil<br />
missachten (sofern diese Entscheidungsoption überhaupt<br />
vorgesehen ist). Damit offenbart sich die Hauptschwäche<br />
der Schiedsvariante: die fehlende Vollstreckbarkeit von<br />
Schiedssprüchen durch hierzu ermächtigte Instanzen. Umgekehrt<br />
lässt sich allerdings argumentieren, dass auch Gerichtshöfe<br />
mit prinzipieller Vollstreckungsperspektive zur<br />
Ohnmacht verdammt sind, wenn die hierfür zuständigen<br />
Organe nur mit bescheidenen Zwangskompetenzen <strong>und</strong>
Schneider / Tho ny/ Mü ller, Int erna ti ona le Ger ichte im s ys tema ti s chen Ver gleich | F O R U M<br />
Machtmitteln ausgestattet sind oder – wie der in dieser Hinsicht<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich gut gerüstete Weltsicherheitsrat – aus<br />
Opportunitätsgründen oder wegen einer Veto-Paralyse untätig<br />
bleiben.<br />
Summa summarum lehrt die Empirie jedenfalls, dass auch im<br />
Feld der internationalen Beziehungen <strong>und</strong> insbesondere der<br />
internationalen (Schieds-)Gerichtsbarkeit bereits heute die<br />
unabdingbare Kompetenzausstattung fallweise vorh<strong>and</strong>en,<br />
also Realität ist, <strong>und</strong> keineswegs pauschal in das Reich der<br />
Utopie verwiesen werden kann. Worauf es also ankommt, ist<br />
(eben u.a. auf der Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> mit Hilfe dieses empirischen<br />
Vergleichs), die Welt – um ein klassisches »geflügeltes<br />
Wort« zu variieren – nicht nur zu erklären, sondern zu verändern,<br />
auch die Welt der internationalen (Schieds-)Gerichtsbarkeit.<br />
Die Basiskriterien für eine effektive internationale<br />
(Schieds-)Gerichtsbarkeit sind jedenfalls benannt.<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
Der Wegfall des Zivildienstes muss nicht mehr schrecken<br />
Kommission »Europäische <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Zukunft der B<strong>und</strong>eswehr« am IFSH<br />
In Kürze wird der B<strong>und</strong>estag über ein »Zweites Gesetz zur<br />
Änderung des Zivildienstgesetzes <strong>und</strong> <strong>and</strong>erer Gesetze«<br />
beraten. Die Überschrift des Gesetzespakets erstaunt<br />
ebenso wie die Zuständigkeit in diesem Verfahren. Erstmalig<br />
haben bei substanziellen Änderungen im Wehrrecht<br />
nicht das Verteidigungsministerium <strong>und</strong> der Verteidigungsausschuss<br />
des Deutschen B<strong>und</strong>estages, sondern<br />
das für den Zivildienst zuständige Familienministerium<br />
<strong>und</strong> der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend<br />
die Federführung. Offensichtlich geht es bei den Regelungen<br />
für die Wehrpflicht inzwischen weniger um den<br />
Dienst in der B<strong>und</strong>eswehr als um den Dienst der Kriegsdienstverweigerer.<br />
Die B<strong>und</strong>eswehr stellt sich nämlich<br />
bereits seit der Anweisung des Verteidigungsministers<br />
vom Januar <strong>2004</strong> an seinen Generalinspekteur, die neue<br />
B<strong>und</strong>eswehrstruktur so auszurichten, dass sie auf Gr<strong>und</strong>wehrdienstleistende<br />
nicht länger angewiesen ist, auf den<br />
Wegfall der Wehrpflicht ein.<br />
Auch der Wegfall des Zivildienstes – als Folge dieser Entscheidung<br />
– hat längst seinen Schrecken verloren. Zwischen<br />
Staat <strong>und</strong> Wohlfahrtsverbänden wird heute praktisch<br />
nur noch um die Konditionen des Übergangs<br />
gerangelt. Vor allem geht es um die finanzielle Unterstützung<br />
der Umstellung, also konkret darum, wie die bisher<br />
für den Zivildienst ausgegebenen Haushaltsmittel des<br />
B<strong>und</strong>es für die sozialen Dienstleistungen erhalten bleiben<br />
können, <strong>und</strong> um den Zeitpunkt. Überraschend haben im<br />
Januar einige Wohlfahrtsverbände das Jahr 2008 als Zeitpunkt<br />
des Ausstiegs aus Wehrpflicht <strong>und</strong> Zivildienst genannt.<br />
Bis dahin sei eine reibungslose Umstellung möglich.<br />
Die B<strong>und</strong>esregierung hat diesen Termin nicht<br />
bestätigt, aber eben auch nicht dementiert. Als Fixpunkt<br />
für Planungen scheint er deshalb sehr nützlich zu sein.<br />
Renate Schmidt ist durch das anstehende Gesetzgebungsverfahren<br />
unversehens federführende Ministerin bei der<br />
Novellierung des Wehrpflichtgesetzes geworden. Dabei ist sie<br />
eine ausgewiesene Wehrpflichtgegnerin. »Ich halte die Wehrpflicht<br />
für überholt, sie ist nicht mehr länger das richtige<br />
Modell für Deutschl<strong>and</strong>«, schrieb sie im Juni 2003 in einem<br />
Gastkommentar für die Financial Times Deutschl<strong>and</strong>. Als B<strong>und</strong>esministerin<br />
für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend ist sie<br />
aber für den Zivildienst zuständig <strong>und</strong> verantwortet weit mehr<br />
Einberufungen im Rahmen der Wehrpflicht als der Verteidigungsminister.<br />
Während der Verteidigungsminister in diesem<br />
Jahr 73.500 Dienstposten mit 83.000 Gr<strong>und</strong>wehrdienstleistenden<br />
<strong>und</strong> freiwillig länger dienenden Wehrdienstleistenden besetzen<br />
will, plant die Familienministerin für 93.000 Dienst-.<br />
plätze über 120.000 Einberufungen. Dabei hat die jetzige<br />
B<strong>und</strong>esregierung die »größtmögliche Gerechtigkeit <strong>und</strong> Gleichbeh<strong>and</strong>lung«<br />
von Wehr- <strong>und</strong> Zivildienstpflichtigen als Maxime<br />
im Koalitionsvertrag von 2002 festgeschrieben. Wenn r<strong>und</strong> 50<br />
Prozent mehr zum Zivildienst als zum Gr<strong>und</strong>wehrdienst einberufen<br />
werden, ist die Verletzung der den Kriegsdienstverweigerern<br />
zugesagten Gleichbeh<strong>and</strong>lung mehr als offensichtlich.<br />
Während Renate Schmidt Schwierigkeiten hat, mit der schnellen<br />
Reduzierung von Dienstposten für Gr<strong>und</strong>wehrdienstleistende<br />
Schritt zu halten <strong>und</strong> sich so die Frage nach der Einberufungsgerechtigkeit<br />
stellt, ist die Frage der Wehrgerechtigkeit<br />
längst aus dem Ruder gelaufen. Zielvorgabe für die Restwehrpflicht<br />
ist die Einberufung von r<strong>und</strong> 55.000 Wehrpflichtigen<br />
pro Jahr. Bei Jahrgängen von durchschnittlich etwa 415.000<br />
Männern wird auf den ersten Blick schon deutlich, dass das<br />
Gebot der Gleichbeh<strong>and</strong>lung, unter das das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
die Durchführung der Wehrpflicht gestellt hat,<br />
nicht erfüllt werden kann. So ist heute unbestritten, dass von<br />
den tauglich gemusterten <strong>und</strong> für den Gr<strong>und</strong>wehrdienst verfügbaren<br />
Wehrpflichtigen nur noch jeder Zweite einberufen<br />
werden kann. Die Wehrverwaltung findet immer neue Ausnahmeregelungen,<br />
um den Überschuss an Wehrpflichtigen sozialverträglich<br />
verwalten zu können, beispielsweise durch die<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 101
D O K U M E N T A T I O N<br />
Freistellung Verheirateter oder von Vätern. Mit der beabsichtigten<br />
Streichung des Tauglichkeitsgrades 3 werden<br />
von jedem Geburtsjahrgang r<strong>und</strong> 33.000 eigentlich taugliche<br />
Wehrpflichtige <strong>und</strong> noch einmal ebenso viele eigentlich<br />
taugliche Zivildienstpflichtige einfach für »dauernd<br />
nicht wehrdienstfähig« erklärt mit der Folge, dass sie<br />
keinen Dienst mehr leisten müssen. Gerechter wird die<br />
Wehrpflicht dadurch allerdings nicht.<br />
Der Zivildienst stellt mit 93.000 Arbeitskräften bei den<br />
sozialen Dienstleistern eine scheinbar beachtliche Mitarbeitergruppe,<br />
die aber sofort an Gewicht verliert, wenn<br />
man weiß, dass allein bei den Wohlfahrtsverbänden 1,2<br />
Millionen Menschen arbeiten. Insgesamt machen Zivildienstleistende<br />
r<strong>und</strong> fünf Prozent der Mitarbeiter in<br />
staatlichen <strong>und</strong> wohlfahrtsverb<strong>and</strong>lichen sozialen Einrichtungen<br />
aus. Vor fünf Jahren (Mitte 1999) waren sogar<br />
über 150.000 Zivildienstleistende im Dienst. Der Abbau<br />
von knapp 60.000 Zivildienstleistenden war möglich <strong>und</strong><br />
gelang durch den Einsatz <strong>and</strong>erer Arbeitskräfte. Öffentlich<br />
wurde <strong>und</strong> wird über diese gelungene Konversion<br />
aber nur wenig geredet.<br />
Vorschläge für Ausstiegsszenarien aus dem Zivildienst<br />
Im Januar <strong>2004</strong> übergab die Kommission »Impulse für die<br />
Zivilgesellschaft« ihren Bericht »Perspektiven für Freiwilligendienste<br />
<strong>und</strong> Zivildienst in Deutschl<strong>and</strong>«. R<strong>und</strong> 100<br />
Fachleute aus B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> L<strong>and</strong>esministerien, aus Wohlfahrtverbänden<br />
<strong>und</strong> Freiwilligendiensten hatten ein dreiviertel<br />
Jahr lang über die Zeit »nach der Wehrpflicht« beraten<br />
<strong>und</strong> dann Vorschläge unterbreitet, die den<br />
Übergang zur wehrpflichtfreien Gesellschaft möglich machen.<br />
Einvernehmen best<strong>and</strong> <strong>und</strong> besteht bei allen Fachleuten<br />
– auch bei denen der Wohlfahrtsverbände –, dass<br />
soziale Dienstleister auf Zivildienstleistende als Hilfskräfte<br />
nicht angewiesen sind.<br />
Nach den Empfehlungen der Kommission sollen bis zum<br />
Wegfall der Wehrpflicht – <strong>und</strong> in der Folge: des Zivildienstes<br />
– Korrekturen am heutigen Zivildienst vorgenommen<br />
werden, um den Übergang zu erleichtern. So<br />
wird die Zivildienstdauer an die Wehrdienstdauer angepasst,<br />
<strong>und</strong> der Zivildienst soll zu einem »Lerndienst« weiterentwickelt<br />
werden. Dabei sollen die Ausbildungsanteile<br />
im Zivildienst dem Umfang der Ausbildungselemente der<br />
Freiwilligendienste angeglichen werden.<br />
Von großer Bedeutung ist das öffentliche Eingeständnis,<br />
dass Zivildienstleistende nicht »billige Arbeitskräfte« sind,<br />
sondern dass ein besetzter Zivildienstplatz pro Jahr r<strong>und</strong><br />
15.000 Euro kostet. Davon tragen der B<strong>und</strong> gut 8.000 <strong>und</strong><br />
die Einsatzstellen knapp 7.000 Euro. Seit langem herrscht<br />
Einigkeit darüber, dass bei einem Ersatz der Zivildienstleistenden<br />
durch reguläre Dauerarbeitskräfte ein<br />
Verhältnis von zwei zu drei angenommen werden muss,<br />
zwei Dauerarbeitskräfte ersetzen drei Zivildienstleistende.<br />
Ein solches Verhältnis ist möglich, weil durch die alle<br />
neun Monate wechselnden Zivildienstleistenden erhebliche<br />
Arbeitszeit für Einarbeitung, Lehrgänge <strong>und</strong> fachliche<br />
Anleitung verloren geht, die bei Dauerarbeitskräften nur<br />
102 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
einmalig anfällt. 90.000 Zivildienstleistende könnten also<br />
durch 60.000 Dauerarbeitskräfte ersetzt werden. Auf Zivildienstplätzen<br />
arbeiten – auch das wird inzwischen sehr realistisch<br />
gesehen – Mitarbeiter ohne einschlägige berufliche Vorbildung<br />
<strong>und</strong> in der Regel ohne Arbeitserfahrung. Die<br />
Tätigkeiten der Zivildienst-Arbeitsplätze sind so strukturiert,<br />
dass sie innerhalb zweier Monate erlernt werden können. Die<br />
bei einem Wegfall des Zivildienstes neu zu schaffenden Arbeitsplätze<br />
sind also besonders geeignet für Menschen mit<br />
geringer oder gar keiner beruflichen Qualifizierung, also für<br />
Menschen, für die auf dem heutigen Arbeitsmarkt kaum Arbeitsplätze<br />
angeboten werden.<br />
Während für drei Zivildienstleistende 45.000 Euro im Jahr ausgegeben<br />
werden, belaufen sich die Arbeitgeberkosten für eine<br />
junge Hilfskraft auf deutlich unter 25.000 Euro pro Jahr. Zivildienstleistende<br />
können also durch reguläre Arbeitskräfte ersetzt<br />
werden, ohne dass Mehrkosten entstehen – im Gegenteil.<br />
Volkswirtschaftlich werden Arbeitslosengeld <strong>und</strong> Sozialleistungen<br />
für 60.000 dann nicht mehr arbeitslose Menschen eingespart.<br />
In der Fachdiskussion wird aber nicht davon ausgegangen, dass<br />
alle Zivildienstplätze durch reguläre Dauerarbeitskräfte ersetzt<br />
werden. Angenommen wird, dass sich in der Praxis ein »Mix«<br />
ergibt aus Vollzeitarbeitsplätzen, Teilzeitarbeitsplätzen <strong>und</strong><br />
Mini-Jobs, Freiwilligendiensten <strong>und</strong> ehrenamtlichen Tätigkeiten.<br />
Vollzeitarbeitsplätze werden überall dort entstehen, wo Zivildienstleistende<br />
in der Basisversorgung eingesetzt werden, zum<br />
Beispiel im Hol- <strong>und</strong> Bringedienst eines Krankenhauses, in der<br />
Hausmeisterei, Küche oder Wäscherei von Altenheimen, in<br />
Notrufzentralen usw.<br />
Mini-Jobs <strong>und</strong> Teilzeitarbeitsplätze dürften eingerichtet werden<br />
in Arbeitsbereichen, in denen es zeitliche Arbeitsschwerpunkte<br />
gibt, so zum Beispiel bei »Essen auf Rädern« oder im Behindertenfahrdienst<br />
usw.<br />
Mitarbeiter <strong>und</strong> Mitarbeiterinnen aus Freiwilligendiensten werden<br />
vermutlich dort tätig werden, wo auch Zivildienstleistende<br />
bisher interessante Lernfelder vorf<strong>and</strong>en, zum Beispiel in der so<br />
genannten ISB-K, der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung<br />
bei Kindern (Begleitung von behinderten Kindern in Regelkindergärten<br />
<strong>und</strong> Regelschulen), in Umwelteinrichtungen<br />
oder für Tätigkeiten, »die ein bisschen Farbe in das Grau des<br />
Heim- oder Krankenhauslebens bringen« wie Besuchs-, Vorlese<strong>und</strong><br />
Veranstaltungsbegleitdienste usw.<br />
Ehrenamtliche werden an den Stellen Zivildienstleistende ersetzen<br />
können, an denen echte Zusatztätigkeiten übernommen<br />
wurden, so zum Beispiel der Baumschnittkurs eines Umweltverb<strong>and</strong>es,<br />
die Theaterbegleitung in einer Alteneinrichtung<br />
usw.<br />
Es ist zu erwarten, dass die Umstellung auf diesen Mix an »Ersatzkräften«<br />
wie schon die bisherige Reduzierung des Zivildienstes<br />
fast geräuschlos über die Bühne gehen wird. Und in<br />
Wirklichkeit h<strong>and</strong>elt es sich um die Rückkehr zur Normalität<br />
einer freiheitlichen Gesellschaft, die auf freiwillige Mitarbeit<br />
setzt.
Klares Nein zur allgemeinen Dienstpflicht<br />
Im Zusammenhang mit dem möglichen Wegfall des Zivildienstes<br />
haben die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen<br />
<strong>und</strong> Sachsen-Anhalt sich in der Bild-<br />
Zeitung für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht<br />
ausgesprochen. Ob die Ministerpräsidenten nun<br />
der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu unterstellen<br />
wären, sei dahingestellt. Zumindest sind ihre<br />
Stellungnahmen eindeutig nicht durch die Verfassung der<br />
B<strong>und</strong>esrepublik Deutschl<strong>and</strong> gedeckt.<br />
Artikel 12 Gr<strong>und</strong>gesetz verbietet die Einführung eines sozialen<br />
Pflichtjahres: »Niem<strong>and</strong> darf zu einer bestimmten<br />
Arbeit gezwungen werden.« Aber auch eine Änderung des<br />
Gr<strong>und</strong>gesetzes – möglich nur mit einer Zweidrittel-<br />
Mehrheit – würde die Einführung eines sozialen Pflichtjahres<br />
in Deutschl<strong>and</strong> nicht ermöglichen. Internationale<br />
Menschenrechtskonventionen gelten in Deutschl<strong>and</strong> wie<br />
nationales Recht. Die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschl<strong>and</strong> müsste<br />
vor der Einführung eines »sozialen Pflichtjahres« die<br />
Geltung der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen,<br />
des internationalen Paktes über bürgerliche <strong>und</strong><br />
politische Rechte von 1966, des Übereinkommens über<br />
Zwangs- <strong>und</strong> Pflichtarbeit vom 26.6.1961, des Übereinkommens<br />
über die Abschaffung der Zwangsarbeit vom<br />
25.6.1957, die Konvention zum Schutz der Menschenrechte<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten des Europarates vom 4.11.<br />
1950 aufheben. Als Ausnahmen sind national wie international<br />
nur der Zwang zum Wehrdienst sowie in<br />
Strafverfahren festgelegte Arbeitsauflagen zugelassen. Der<br />
Vorschlag, dass ausgerechnet unser L<strong>and</strong> mit seiner historischen<br />
Belastung sich über das Verbot von Zwangs- <strong>und</strong><br />
Pflichtdiensten hinwegsetzt, ist geschichtsvergessen <strong>und</strong><br />
eine Absage an die zivilisierte Welt. Naturalleistungen<br />
zwangsweise einzufordern ist ein Rückfall in Zeiten der<br />
mittelalterlichen Frondienste. Derzeit gibt es ein solches<br />
Pflichtjahr weltweit nur im diktatorischen Burma.<br />
Aber auch ganz praktische Überlegungen zeigen schnell,<br />
dass die Vorschläge der Ministerpräsidenten völlig ungeeignet<br />
sind, den Zivildienst zu ersetzen: Völlig aus dem<br />
Blick gerät üblicherweise die Größenordnung eines »sozialen<br />
Pflichtjahres«. R<strong>und</strong> 800.000 Männer <strong>und</strong> Frauen<br />
umfasst ein durchschnittlicher Geburtsjahrgang. R<strong>und</strong><br />
100.000 dürften – aus welchen Gründen auch immer –<br />
für eine Dienstpflicht nicht in Frage kommen. R<strong>und</strong><br />
100.000 könnte die B<strong>und</strong>eswehr <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 100.000 der<br />
bisherige Zivildienst aufnehmen, da es im Falle der Einführung<br />
einer allgemeinen Dienstpflicht wohl bei der faktischen<br />
Beibehaltung der Wehr- <strong>und</strong> Zivildienstpflicht bleiben<br />
würde. Wer ein »soziales Pflichtjahr« fordert, muss<br />
also ein Organisationsmodell entwickeln, das pro Jahr<br />
500.000 junge Erwachsene zusätzlich zum bestehenden<br />
Wehr- <strong>und</strong> Zivildienst für einen Zeitraum von r<strong>und</strong> einem<br />
Jahr unterbringt.<br />
Wenn etwas »verpflichtend« ist, muss gleichzeitig kontrolliert<br />
werden, dass alle das »soziale Pflichtjahr« auch<br />
wirklich machen. Staatliche Pflichtdienste bedeuten zum<br />
einen im Umkehrschluss auch staatliche Fürsorge (Kran-<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
kenschutz, Haftpflicht etc.) mit den entsprechenden Verwaltungen.<br />
Zum <strong>and</strong>eren müssen Sanktionen für diejenigen vorgesehen<br />
werden, die der Pflicht nicht nachkommen. Geldstrafen<br />
kommen dabei nicht in Frage, weil sie für Reiche ein<br />
»Freikaufen« ermöglichen würden. Es bleibt wie beim Wehrdienst<br />
nur die angedrohte Freiheitsstrafe als adäquates Sanktionsmittel.<br />
Junge Erwachsene dürften im »sozialen Pflichtjahr« etwa so<br />
viel kosten wie die heutigen Gr<strong>und</strong>wehr- <strong>und</strong> Zivildienstleistenden<br />
oder wie die MitarbeiterInnen im Freiwilligen Sozialen<br />
Jahr. R<strong>und</strong> 15.000 Euro werden für diese Pflicht- <strong>und</strong><br />
Freiwilligendienste pro Person <strong>und</strong> Jahr veranschlagt. Getragen<br />
wird dieser Betrag bisher je nach Dienstart zu unterschiedlichen<br />
Anteilen von den Einrichtungen <strong>und</strong> über die öffentliche<br />
H<strong>and</strong>. Ein »soziales Pflichtjahr für alle« würde 7,5 Milliarden<br />
Euro (500.000 Dienstpflichtige mal 15.000 Euro <strong>und</strong> Jahr) kosten,<br />
zusätzlich zu dem Geld, was heute schon für Gr<strong>und</strong>wehrdienst<br />
<strong>und</strong> Zivildienst ausgegeben wird.<br />
Mit den 7,5 Milliarden Euro, die ein Pflichtjahr kosten würde,<br />
ließen sich r<strong>und</strong> 300.000 neue tariflich bezahlte Arbeitsplätze<br />
auf einem dem Zivildienst vergleichbaren Niveau (Hilfs- <strong>und</strong><br />
Zuarbeiten, r<strong>und</strong> 25.000 Euro Arbeitgeberbrutto) schaffen. Eine<br />
Reduzierung der Arbeitslosenzahlen um 300.000 hätte darüber<br />
hinaus eine erhebliche Entlastungswirkung für die Sozialkassen.<br />
Oder es könnten auch 150.000 FacharbeiterInnen mit<br />
50.000 Euro Arbeitgeberbrutto neu eingestellt werden.<br />
Ein »soziales Pflichtjahr für alle« verzögert den Berufseinstieg<br />
um ein Jahr <strong>und</strong> verkürzt die erreichbare Lebensarbeitszeit entsprechend.<br />
Rentenberechnungsmodelle müssten das entsprechend<br />
berücksichtigen. Volkswirtschaftliche Studien gehen davon<br />
aus, dass ein um ein Jahr späterer Berufseinstieg einen<br />
Einkommensnachteil von gut 90.000 Euro – bezogen auf die<br />
Lebensarbeitszeit – ausmacht. Entsprechend geringer sind dann<br />
auch die Leistungen in die Sozialversicherungskassen.<br />
Die Fachdiskussion ist sich in der Frage der Bewertung von<br />
Pflichtdiensten weitgehend einig. Sie werden als völlig ungeeignet<br />
abgelehnt. »Die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht<br />
anstelle der Wehrpflicht durch Verfassungsänderung<br />
bzw. die Einbeziehung junger Frauen in die allgemeine Wehrpflicht<br />
hält die Kommission nicht nur für völkerrechtswidrig,<br />
sondern für einen gr<strong>und</strong>sätzlich falschen Weg, Eigeninitiative,<br />
Mitgestaltung <strong>und</strong> Beteiligung aller Altersgruppen in der Zivilgesellschaft<br />
zu fördern«, schreibt die Kommission »Impulse für<br />
die Zivilgesellschaft« quasi als Präambel zu ihrem Bericht.<br />
Blick zu den europäischen Nachbarn<br />
In verschiedenen Nachbarländern Deutschl<strong>and</strong>s wurde in den<br />
letzten Jahren die Wehrpflicht <strong>und</strong> damit auch der Zivildienst<br />
– im Umfang dort aber jeweils deutlich kleiner als in Deutschl<strong>and</strong><br />
– abgeschafft. Die Diskussion um den Umbau sozialer<br />
Dienstleistungen <strong>und</strong> deren Finanzierung f<strong>and</strong> <strong>und</strong> findet in<br />
diesen Ländern ebenso wie in Deutschl<strong>and</strong> statt. Dabei spielte<br />
der wegfallende Zivildienst aber nur eine völlig untergeordnete<br />
Rolle. Bedeutsamer war die Diskussion, welche Angebote Jugendlichen<br />
gemacht werden können, um ihre Bereitschaft zu<br />
freiwilligem Engagement aufzugreifen. Dass diese Diskussion<br />
aber weitgehend unabhängig von der Diskussion um die<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 103
D O K U M E N T A T I O N<br />
Wehrpflicht stattfindet, zeigt das Beispiel Engl<strong>and</strong>s, das<br />
seit 1957 keine Wehrpflicht mehr hat. Frankreich, Belgien,<br />
die Niederl<strong>and</strong>e <strong>und</strong> Engl<strong>and</strong> sind zu unterschiedlichen<br />
Lösungen gekommen, meistens einem »Mix« aus<br />
Maßnahmen zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit<br />
<strong>und</strong> gezielten Angeboten an Freiwilligendiensten. Letztlich<br />
spielte der Wegfall des Zivildienstes für soziale<br />
Dienstleister <strong>und</strong> Gesellschaft keine große Rolle, weil<br />
Problembereiche wie Jugendarbeitslosigkeit <strong>und</strong> Lösungen<br />
zur Verbesserung freiwilligen sozialen Engagements<br />
die weit wichtigeren gesellschaftspolitischen Fragestellungen<br />
sind.<br />
Jochen Rasch<br />
1. Völkerrecht/Vereinte<br />
Nationen<br />
Ambos, Kai/Arnold, Jörg (Hrsg.):<br />
Der Irak-Krieg <strong>und</strong> das Völkerrecht.<br />
Berlin (Berliner<br />
Wissenschafts-Verlag) <strong>2004</strong>.<br />
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Coercion or Consent? Aldershot<br />
(Ashgate) <strong>2004</strong>.<br />
Kirton, John J./Stefanova, Radoslava<br />
N. (Hrsg.): The G8,<br />
the United Nations, <strong>and</strong> the<br />
Conflict Prevention. Aldershot<br />
(Ashgate) <strong>2004</strong>.<br />
Schweitzer, Michael/Weber, Albrecht:<br />
H<strong>and</strong>buch der Völkerrechtspraxis<br />
der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschl<strong>and</strong>. Baden-<br />
Baden (Nomos) <strong>2004</strong>.<br />
Malone, David M. (Hrsg.): The<br />
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the Cold War to the 21st<br />
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<strong>2004</strong>.<br />
Schaller, Christian: Das <strong>Frieden</strong>ssicherungsrecht<br />
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Kampf gegen den Terrorismus.<br />
Gewaltverbot, Kollektive<br />
<strong>Sicherheit</strong>, Selbstverteidigung<br />
<strong>und</strong> Präemption. Berlin<br />
(SWP), <strong>2004</strong>.<br />
104 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
2. Abrüstung/<br />
Rüstungskontrolle/<br />
Militär/Verteidigung<br />
Howard, Roge: Iran in Crisis?:<br />
Nuclear Ambitions <strong>and</strong> the<br />
American Response. London<br />
(Zed Books) <strong>2004</strong>.<br />
Kutz, Martin: Innere Führung<br />
in der B<strong>und</strong>eswehr: Auf <strong>and</strong>ere<br />
Streitkräfte übertragbar?.<br />
Hamburg (Führungsakademie<br />
der B<strong>und</strong>eswehr, Fachbereich<br />
Sozialwissenschaften) <strong>2004</strong>.<br />
Schmidt, Hans-Joachim: Der<br />
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Squassoni, Sharon A.: Weapons<br />
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trade between North Korea<br />
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(LoC) <strong>2004</strong>.<br />
Thraenert, Oliver: Verliert die<br />
Verbreitung von Kernwaffen<br />
ihren Schrecken?: die neuesten<br />
Entwicklungen in Iran,<br />
Libyen, Nordkorea <strong>und</strong> Pakistan.<br />
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Brahimi, Lakhdar: The political<br />
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of the fact-finding mission.<br />
New York (N.Y.) <strong>2004</strong>.<br />
Fazit<br />
Die Kommission »Europäische <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Zukunft der B<strong>und</strong>eswehr«<br />
begrüßt die Weichenstellung für den Wegfall des Zivildienstes.<br />
Weder gibt es heute noch eine tragfähige sicherheitspolitische<br />
Begründung für die Beibehaltung der<br />
Wehrpflicht, noch erweist es sich als nötig, an der Verpflichtung<br />
junger Männer zu Ersatzdiensten weiter festzuhalten. In<br />
einem europäischen <strong>Sicherheit</strong>ssystem sind Zwangsdienste<br />
entbehrlich. Die Mehrheit der europäischen Staaten hat diese<br />
Erkenntnis bereits umgesetzt. Nun ist Deutschl<strong>and</strong> am Zug.<br />
N E U E R S C H E I N U N G E N<br />
3. Nationalismus/ethnische<br />
Konflikte<br />
Akçam, Taner: From Empire<br />
to Republic: Turkish Nationalism<br />
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London (Zed Books)<br />
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Apartheid zur Demokratie:<br />
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Südafrikas. Wiesbaden<br />
(Westdeutscher Verlag), 2003.<br />
Michel Wieviorka: Kulturelle<br />
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Roberg, Robert I.: When States<br />
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<strong>2004</strong>.<br />
Schetter, Conrad: Ethnizität<br />
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Afghanistan: rationale <strong>und</strong> irrationale<br />
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Verbeek, Bernhard: Die Wurzeln<br />
der Kriege: Zur Evolution<br />
ethnischer <strong>und</strong> religiöser<br />
Konflikte. Stuttgart (S. Hirzel)<br />
2003.<br />
Zagorin, Perez: How the Idea<br />
of Religious Toleration Came<br />
to the West. Princeton<br />
(Princeton UP) 2003.<br />
4. Europa/EU/Osterweiterung<br />
Biskupski, M. B. B. (Hrsg.): Ideology,<br />
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Woodbridge (Boydell & Bewer)<br />
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Coker, Christopher: Empires in<br />
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2003.<br />
Hellwig, Fritz: Europäische Integration<br />
aus historischer Erfahrung:<br />
ein Zeitzeugengespräch<br />
mit Michael Gehler.<br />
Bonn (Zentrum für Europäische<br />
Integrationsforschung)<br />
<strong>2004</strong>.<br />
Hesse, Joachim-Jens (Hrsg.):<br />
Vom Werden Europas: Der<br />
EU »Verfassungskonvent«:<br />
Auftrag, Ansatz, Ergebnisse.<br />
Berlin (De Gruyter Rechtswissenschaften)<br />
2003.<br />
Hochstuhl, Kurt (Hrsg.): Deutsche<br />
<strong>und</strong> Franzosen im zusammenwachsenden<br />
Europa<br />
1945-2000. Stuttgart (W.<br />
Kohlhammer) 2003.<br />
Institut für <strong>Frieden</strong>sforschung<br />
<strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik an der<br />
Universität Hamburg (Hrsg.):<br />
OSZE-Jahrbuch. Baden-Baden<br />
(Nomos) <strong>2004</strong>.<br />
König, Helmut/Sicking Manfred<br />
(Hrsg.):Der Irak-Krieg <strong>und</strong> die<br />
Zukunft Europas. Bielefeld<br />
(Transkript) <strong>2004</strong>.<br />
Lahav, Gallya: Immigration<br />
<strong>and</strong> Politics in the New Europe:<br />
Reinventing Borders<br />
(Themes in European Governance),<br />
Cambridge (Cambridge<br />
UP) <strong>2004</strong>.<br />
Langholtz, Harvey/Kondoch, Boris/Wells,<br />
Alan (Hrsg.): International<br />
<strong>Peace</strong>keeping: The<br />
Yearbook of International<br />
<strong>Peace</strong> Operations, Volume 8.<br />
Leiden (Brill Academic) <strong>2004</strong>.<br />
Mafchir, Samantha: Polizei als<br />
Element der zivilen Komponente<br />
der ESVP. Berlin (SWP)<br />
<strong>2004</strong>.<br />
Riemer, Andrea K.: Gesamtstrategien<br />
im Vergleich: die<br />
Nationale <strong>Sicherheit</strong>sstrategie<br />
der USA <strong>und</strong> die Europäische<br />
<strong>Sicherheit</strong>sstrategie. Wien<br />
(L<strong>and</strong>esverteidigungsakademie)<br />
<strong>2004</strong>.<br />
Roth, Michele: Der Einfluss<br />
des Europarats auf die demokratische<br />
<strong>und</strong> menschenrechtliche<br />
Transformation der<br />
baltischen Staaten. Frankfurt<br />
am Main (Lang) <strong>2004</strong>.<br />
Sidjanksi, Dusan: Europa auf<br />
dem Weg zu einem neuen<br />
Föderalismus. Bern (Haupt)<br />
<strong>2004</strong>.<br />
Wehr, Andreas: Europa ohne<br />
Demokratie?: Die Europäische<br />
Verfassungsdebatte – Bilanz,<br />
Kritik <strong>und</strong> Alternativen.<br />
Köln (PapyRossa) <strong>2004</strong>.<br />
Varwick, Johannes (Hrsg.):<br />
Neues Europa – alte EU? Fragen<br />
an den europäischen Integrationsprozess.<br />
Opladen<br />
(Leske <strong>und</strong> Budrich) <strong>2004</strong>.<br />
5. Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />
allgemein<br />
Blix, Hans: Mission Irak:<br />
Wahrheit <strong>und</strong> Lüge. München<br />
(Droemer) <strong>2004</strong>.<br />
Burbach, Roger/Tarbell, Jim:<br />
Imperial Overstretch: George<br />
W. Bush <strong>and</strong> the Hubris of<br />
Empire. London (Zed Books)<br />
<strong>2004</strong>.<br />
French, Paul: North Korea:<br />
The Paranoid Peninsula. London<br />
(Zed Books) <strong>2004</strong>.<br />
Gareau, Frederick H.: State<br />
Terrorism <strong>and</strong> the United<br />
States: Counterinsurgency <strong>and</strong><br />
the War on Terrorism. London<br />
(Zed Books) <strong>2004</strong>.<br />
Guyatt, Nicholas: Another American<br />
Century?: The United<br />
States <strong>and</strong> the World Since<br />
9/11. London (Zed Books)<br />
2003.<br />
Kohler Georg/Marti Urs (Hrsg.):<br />
Konturen der neuen Welt<br />
(un)ordnung, Berlin (de Gruyter)<br />
2003.<br />
Meggle, Georg (Hrsg.): Terror &<br />
der Krieg gegen ihn. Paderborn<br />
(mentis) 2003.<br />
Reiter, Erich/Hazdra, Peter (Eds.):<br />
The Impact of Asian Powers<br />
on Global Developments.<br />
Heidelberg (Physica) 2003.<br />
Müller, Anke: Die »Zukunft«<br />
des Imperialismus: Prognosesicherheit<br />
in den Imperialismustheorien<br />
von Rosa Luxemburg,<br />
Lenin, Rudolf<br />
Hilferding <strong>und</strong> Nikolai Bucharin.<br />
Hamburg (J. Kovac)<br />
2003.<br />
Rinke, Bernhard/Woyke, Wichard<br />
(Hrsg.): <strong>Frieden</strong> <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong><br />
im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert:<br />
Eine Einführung. Opladen<br />
(Leske u. Budrich) <strong>2004</strong>.<br />
Soros, George: Die Vorherrschaft<br />
der USA - eine Seifenblase.<br />
Originaltitel: The Bub-<br />
N E U E R S C H E I N U N G E N<br />
ble of American Supremacy.<br />
München (Blessing) <strong>2004</strong>.<br />
Spring, Baker: President Bush<br />
strikes the proper balance on<br />
non-proliferation policy. Washington<br />
(Heritage Fo<strong>und</strong>ation)<br />
<strong>2004</strong>.<br />
6. Sonstiges<br />
Alex<strong>and</strong>er, Lindsay: Regional<br />
approaches to conflict prevention<br />
in Africa: European<br />
support to African processes.<br />
Maastricht (European Centre<br />
for Development <strong>and</strong> Policy<br />
Management) 2003.<br />
Benedikter, Thomas: Krieg im<br />
Himalaya: Hintergründe des<br />
Maoistenaufst<strong>and</strong>es in Nepal;<br />
eine politische L<strong>and</strong>esk<strong>und</strong>e.<br />
Münster (Lit) 2003.<br />
Burbach, Roger: The Pinochet<br />
Affair: State Terrorism <strong>and</strong><br />
Global Justice. London (Zed<br />
books) 2003<br />
v. Haber, Hansjörg/Winkelmann,<br />
Ingo (Hrsg.): Gr<strong>und</strong>lagendokumente<br />
zum Dritten<br />
Irak-Krieg. Berlin (de Gruyter<br />
Recht) <strong>2004</strong>.<br />
Petry, Martin: Wem gehört<br />
das schwarze Gold? : Engagement<br />
für <strong>Frieden</strong> <strong>und</strong><br />
Gerechtigkeit in der Ausein<strong>and</strong>ersetzung<br />
mit dem Erdölprojekt<br />
Tschad-Kamerun.<br />
Frankfurt am Main (Br<strong>and</strong>es<br />
u. Apsel) 2003.<br />
Shelley, Toby: Endgame in the<br />
Western Sahara: What Future<br />
for Africa's Last Colony?<br />
London (Zed Books) <strong>2004</strong>.<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 105
B E S P R E C H U N G E N<br />
B E S P R E C H U N G E N<br />
Anne Jenichen / Natascha<br />
Marks / Tome S<strong>and</strong>evski<br />
(Hrsg.), Rüstungstransfers<br />
<strong>und</strong> Menschenrechte – Geschäfte<br />
mit dem Tod, Münster<br />
(LIT Verlag) 2002.<br />
Das Buch spiegelt die Inhalte<br />
der an der Freien Universität<br />
zu Berlin gehaltenen Human<br />
Rights Lectures des Jahres<br />
2001 wider. Ausgangspunkt<br />
aller Beiträge ist die These,<br />
dass Rüstungstransfers per se<br />
zwar nicht als Ursache<br />
von Menschenrechtsverletzung<br />
angesehen werden können,<br />
aber als derjenige Faktor,<br />
der die »Werkzeuge«<br />
(S. 7) für Menschenrechtsverletzung,<br />
z.B. Folter liefert<br />
<strong>und</strong> damit Menschenrechtsverletzer<br />
unterstützt. Rüstungstransfers<br />
werden also<br />
als die »instrumentellen Auslöser«<br />
von Menschenrechtsverletzungen<br />
bewertet (S. 9).<br />
Acht Beiträge beleuchten detailliert<br />
die Hintergründe von<br />
Rüstungstransfers <strong>und</strong> deren<br />
Konsequenzen für die Menschenrechte<br />
in vielen der<br />
Empfängerländer in folgender<br />
Reihenfolge:<br />
Bernhard Moltmann beleuchtet<br />
zunächst den rechtlichen<br />
Rahmen für deutsche<br />
Rüstungsexporte. Sein Fazit:<br />
Ein »Zuviel« (S. 30) an rechtlichen<br />
Bestimmungen <strong>und</strong><br />
Definitionen, sorgt für Verwirrung<br />
<strong>und</strong> die Entstehung<br />
von nutzbaren Gesetzeslücken.<br />
Die anhaltende Debatte<br />
um Rüstungsexporte in<br />
Deutschl<strong>and</strong> zeige, dass die<br />
gegenwärtigen Regelungen<br />
zu keinem befriedigenden<br />
Ergebnis beitragen. Moltmann<br />
beklagt u.a. ein generelles<br />
Defizit an Transparenz<br />
im Kontext von<br />
rüstungsexportpolitischen Entscheidungen.<br />
Der Autor er-<br />
106 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />
hofft sich eine Verbesserung<br />
der Situation durch eine Steigerung<br />
der Kohärenz in der<br />
Rüstungsexportpolitik auf EU-<br />
Ebene. Michael Brzoska hingegen<br />
sieht dafür in Brüssel<br />
zwar eine »wichtige«, aber<br />
nicht die »entscheidende<br />
Bühne« (S. 50). Er erläutert<br />
warum für ihn eine gemeinsame<br />
Rüstungexportpolitik<br />
der EU-Mitgliedsstaaten weit<br />
entfernt liegt. Der schwere<br />
Versuch eine Harmonisierung<br />
auf europäischer Ebene<br />
zu erreichen, sei durch das<br />
Zögern der Mitgliedsstaaten,<br />
in diesem Bereich ihre Souveränität<br />
mit den EU-<br />
Gremien zu teilen, gekennzeichnet<br />
(S. 38). Brzoska zeigt<br />
dennoch die Anfänge der<br />
Entwicklung einer EU-Rüstungsexportpolitik<br />
auf. Darunter<br />
fällt z.B. der 1998<br />
verabschiedete EU-Verhaltenskodex<br />
zur Rüstungsexportpolitik.<br />
NGOs hatten<br />
sich damals maßgeblich für<br />
eine Menschenrechtsklausel<br />
darin eingesetzt <strong>und</strong> konnten<br />
diese auch erwirken. Für<br />
Brzoska ein »merkbares Feld«<br />
(S. 49) der Europäisierung<br />
der Rüstungsexportpolitik, geschmälert<br />
allerdings dadurch,<br />
dass die EU-Gremien<br />
keinerlei Kompetenzen zur<br />
Kontrolle der Einhaltung des<br />
Kodexes haben. Letztlich<br />
muss der Autor ein nüchternes<br />
Fazit ziehen: Der Lobbyismus<br />
wird auch weiterhin<br />
über Rüstungsexporte entscheiden.<br />
Auf das Spannungsfeld zwischen<br />
wirtschaftlichen Interessen<br />
<strong>und</strong> der politischen<br />
Verantwortung gegenüber zu<br />
achtenden Menschenrechten<br />
geht Katja Frank ein <strong>und</strong> orientiert<br />
sich dabei an den<br />
Kontroversen des rüstungsexportpolitischen<br />
Diskurses<br />
der rot-grünen Koalition seit<br />
1998. Schwerpunkt bildet das<br />
politische Debakel um die<br />
Entscheidung über die Lieferung<br />
eines deutschen Testpanzers<br />
an die Türkei im<br />
Herbst 1999. Um zukünftig<br />
solche politischen Debatten<br />
zu umgehen, schlägt die Autorin<br />
die Einführung eines<br />
klaren Demokratie-Kriteriums<br />
vor, das sozusagen an die<br />
Stelle des, vorher durch<br />
Moltmann beschriebenen,<br />
rechtlichen Zuviels rücken<br />
soll. Nur etablierte Demokratien<br />
sollten Empfänger von<br />
Rüstungstransfers werden dürfen,<br />
so Frank. Nicht zuletzt<br />
würde dieser Ansatz durch<br />
die allgemeine These, dass<br />
Demokratien gegenein<strong>and</strong>er<br />
nicht kriegerisch vorgehen,<br />
die B<strong>und</strong>esrepublik oder <strong>and</strong>ere<br />
Demokratien also nicht<br />
befürchten müssten selber<br />
einmal mit diesen Waffen<br />
angegriffen zu werden (S.<br />
60), gerechtfertigt.<br />
Peter Lock zeigt auf, dass Industrienationen<br />
unabhängig<br />
von allen Regelwerken sehr<br />
wohl Rüstungstransfers <strong>und</strong><br />
auch vielen Konflikten in der<br />
Dritten Welt entgegenwirken<br />
könnten, wenn sie denn<br />
wollten. Konflikte würden<br />
immer häufiger durch Gewaltunternehmen<br />
geführt<br />
werden. Diese seien aber von<br />
Devisen, also Dollars abhängig,<br />
um überhaupt auf<br />
Schwarzmärkten an ihre<br />
Waffen zu kommen (S. 65).<br />
Um Devisen zu bekommen,<br />
müssen die Gewaltunternehmer<br />
sich wiederum in die<br />
internationalen Finanz- <strong>und</strong><br />
H<strong>and</strong>elsströme einbinden<br />
<strong>und</strong> genau da böte sich die<br />
Möglichkeit für die Industrienationen<br />
das Agieren dieser<br />
Unternehmen maßgeblich<br />
zu erschweren, wenn<br />
nicht zu unterbinden. Lock<br />
spricht in diesem Zusammenhang<br />
sogar von einer<br />
gegenwärtigen Duldung der<br />
Schattenökonomien durch<br />
die Industrienationen, für<br />
ihn ein »politisch-moralischer<br />
Sk<strong>and</strong>al« (S. 77).<br />
Mathias John befasst sich mit<br />
Kleinwaffen als Repressionstechnologien<br />
des Alltags. Eine<br />
umfassende Definition des<br />
Begriffes »Kleinwaffe« verdeutlicht<br />
dabei, dass der<br />
Name nicht unbedingt zutreffend<br />
ist, vor allem wenn<br />
man den Schaden, den diese<br />
anrichten können, betrachtet.<br />
Im Hinblick auf geschätzte<br />
quantitative Angaben bezüglich<br />
des Umlaufs von<br />
Kleinwaffen <strong>und</strong> deren qualitativer<br />
Einsätze, spricht der<br />
Autor von einer »weltweiten<br />
Bedrohung« durch Kleinwaffen<br />
(S. 82).<br />
Ruth Stanley widmet sich<br />
dem Thema »Kinderrechte«<br />
<strong>und</strong> Rüstungstransfers. Die<br />
völkerrechtlichen Vorgaben<br />
zu den Kinderrechten stehen<br />
im Widerspruch zur Realität<br />
des Alltags, was mit erschreckenden<br />
Zahlen belegt wird.<br />
Kinder sind die leidtragenden<br />
Opfer bewaffneter Konflikte,<br />
sie verlieren ihre Familie,<br />
ihre Existenz <strong>und</strong><br />
werden schließlich selber<br />
»unmittelbar« missbraucht<br />
als Kindersoldaten oder Prostituierte<br />
(S. 97). Ihr Fazit:<br />
Waffentransfers müssten<br />
wahrscheinlich gänzlich eingestellt<br />
werden, wenn es einen<br />
legalen Waffenh<strong>and</strong>el<br />
ausmachte, dass er voraussehbar<br />
keine Auswirkungen<br />
auf die nahezu weltweit ratifizierten<br />
Rechte der Kinder<br />
hätte (S. 104).<br />
Ebenfalls mit den völkerrechtlichen<br />
Aspekten von
Rüstungstransfers setzen sich<br />
Xanthe Hall <strong>und</strong> Jens-Peter<br />
Steffen ausein<strong>and</strong>er. »Das<br />
Recht auf Leben«, »das Recht<br />
auf Ges<strong>und</strong>heit« <strong>und</strong> »das<br />
Recht auf Identität« werden<br />
in Relation zu Atomtransfers<br />
<strong>und</strong> -tests gesetzt, die letztlich<br />
davon ausgehen lassen<br />
müssen, dass der Gebrauch<br />
von Atomwaffen keinesfalls<br />
auszuschließen ist. Die Autoren<br />
ziehen ein klares Fazit:<br />
die Atomenergie mit all ihren<br />
Aspekten »missachtet«<br />
generell die Menschenrechte<br />
(S. 122).<br />
Die Konversionsentwicklung<br />
der letzten Dekade wird in<br />
dem Beitrag von Herbert<br />
Wulf erörtert. Der Autor diagnostiziert<br />
einen Stillst<strong>and</strong><br />
»oder sogar erneute Aufrüstung«<br />
seit Ende des Kalten<br />
Krieges (S. 125). Wulf fragt<br />
aber auch nach den Erwartungen,<br />
die man an Konversion<br />
überhaupt stellen kann<br />
<strong>und</strong> welche schlicht nicht.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> hat<br />
für ihn durchaus eine »erfolgreiche<br />
Konversion« stattgef<strong>und</strong>en<br />
(S. 132), die aber<br />
nicht an den »überhöhten«<br />
Erwartungen am Ende des<br />
Kalten Krieges zu messen sei<br />
(S. 133). Insgesamt möchte<br />
der Autor die Abrüstungs<strong>und</strong><br />
Konversionsbilanz seit<br />
Ende des Kalten Krieges als<br />
positiv bewerten, <strong>und</strong> macht<br />
abschließend Vorschläge zu<br />
einer »Revitalisierung von Abrüstung,<br />
Rüstungskontrolle<br />
<strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>« (S. 139).<br />
Ergänzend zu den oben beschriebenen<br />
Beiträgen berichten<br />
drei Autoren von der<br />
Arbeit verschiedener NGOs im<br />
Bereich der Anti-Rüstungs-<br />
Kampagnen. Über die Geburtsst<strong>und</strong>e<br />
der Internationalen<br />
L<strong>and</strong>minenkampagne<br />
(International Campaign to<br />
ban L<strong>and</strong>mines – ICBL) <strong>und</strong><br />
deren steinigen Weg zur<br />
Etablierung wird von Thomas<br />
Gebauer berichtet. An-<br />
h<strong>and</strong> zweier Beispiele wird<br />
das »Ausmaß des Minenproblems«<br />
verdeutlicht (S.<br />
141). Der Autor gibt Einblicke<br />
in die Erfolgsrezepte der<br />
Organisation, die es ihr erlaubt<br />
haben, dort Beachtung<br />
zu finden, wo es am Anfang<br />
der Kampagne von vielen für<br />
»unmöglich gehalten« wurde,<br />
namentlich der Militär<strong>und</strong><br />
<strong>Sicherheit</strong>spolitik (S.<br />
147). Während der Autor beschreibt,<br />
was bisher erreicht<br />
werden konnte, klärt er auch<br />
über die bestehenden Defizite<br />
auf, z.B. dass die wichtigsten<br />
minenexportierenden<br />
Länder dem Abkommen bisher<br />
nicht beigetreten sind.<br />
Andrea Kolling schreibt über<br />
die Kampagne »Stoppt den<br />
Rüstungsexport« des »BUKO«,<br />
dem »B<strong>und</strong>eskongress entwicklungspolitischerAktionsgruppen«,<br />
der als ein<br />
Dachverb<strong>and</strong> verschiedener<br />
Aktionsgruppen agiert. Die<br />
Autorin berichtet über die<br />
bisherigen »Highlights« der<br />
Kampagne (S. 155) <strong>und</strong> zeigt<br />
auf, wie das Ende des Kalten<br />
Krieges auch hier die Bedingungen<br />
geändert hat <strong>und</strong><br />
Anti-Rüstungs-Kampagnen<br />
eher schwieriger gemacht<br />
hat, als einfacher. Speziell in<br />
Deutschl<strong>and</strong> habe sich im<br />
Themenbereich vieles für die<br />
engagierten NGOs mit dem<br />
Regierungswechsel 1998 verändert:<br />
Was »heißt das,<br />
wenn die ehemaligen Bündnispartner<br />
auf der Regierungsbank<br />
sitzen?« (S. 158).<br />
Ein chronologischer Überblick<br />
über das Programm von<br />
Amnesty International (AI),<br />
Rüstungstransfers zu stoppen,<br />
wird von Matthias John<br />
geboten. Während die Organisation<br />
zunächst gegen Rüstungstransfers<br />
von Regierungen<br />
mobilisierte, hatte AI<br />
auch schon früh den Transfers<br />
von Kleinwaffen Aufmerksamkeit<br />
geschenkt. Seit<br />
Mitte der 90er Jahre bildet<br />
die »Offenlegung des Schattenmarktes<br />
der Folter- <strong>und</strong><br />
Zwangswerkzeuge« den Arbeitsschwerpunkt<br />
(S. 165).<br />
Insgesamt bieten die Beiträge<br />
einen thematischen Überblick,<br />
dem gut zu folgen ist.<br />
Alle Beiträge sind durch Definitionen<br />
<strong>und</strong> quantitative<br />
Angaben ergänzt. Der B<strong>and</strong><br />
zeichnet sich besonders<br />
durch die Vielfältigkeit der<br />
Beiträge <strong>und</strong> ihrer »Quintessenzen«<br />
aus. Ein Querschnitt<br />
wissenschaftlicher Einschätzungen<br />
teils nüchtern, teils<br />
sehr idealistisch ist das Ergebnis.<br />
Die Beiträge über die<br />
Arbeit <strong>und</strong> Erfahrungen dreier<br />
NGOs spiegeln letztlich<br />
alle dieser Einschätzung<br />
en wider. Sie zeigen, dass<br />
sich mit Idealismus <strong>und</strong> Engagement<br />
im Themenfeld<br />
der Rüstungstransfers etwas<br />
bewegen lässt, aber dass die<br />
Ergebnisse stets auch nüchterne,<br />
real-politische Facetten<br />
in sich tragen, <strong>und</strong> das an<br />
entscheidender Stelle. Alle<br />
Autoren sind Mitarbeiterinnen<br />
<strong>und</strong> Mitarbeiter verschiedenerNichtregierungsorganisationen<br />
<strong>und</strong> wissenschaftlicher<br />
Institutionen. Ein<br />
umfassendes, kommentiertes<br />
Adressenverzeichnis mit Forschungsinstitutionen<br />
<strong>und</strong><br />
NGOs r<strong>und</strong>et den B<strong>and</strong> ab<br />
<strong>und</strong> regt den Leser zum Engagement<br />
an.<br />
Vivien-Marie Drews<br />
Kai Ambos/Jörg Arnold<br />
(Hrsg.), Der Irak-Krieg <strong>und</strong><br />
das Völkerrecht. Juristische<br />
Zeitgeschichte, Abteilung 5:<br />
Juristisches Zeitgeschehen –<br />
Rechtspolitik <strong>und</strong> Justiz aus<br />
zeitgenössischer Perspektive,<br />
B<strong>and</strong> 14, Berlin (Berliner<br />
Wissenschafts-Verlag) <strong>2004</strong>.<br />
Täglich stellen mehr <strong>und</strong><br />
mehr Belege die offiziellen<br />
Begründungen der USA für<br />
den Irak-Krieg in Frage, erschüttern<br />
Meldungen von<br />
neuen Terrorakten in iraki-<br />
B E S P R E C H U N G E N<br />
schen Städten die Weltöffentlichkeit,<br />
wird es immer<br />
offenk<strong>und</strong>iger, daß der<br />
schnelle Sieg der Alliierten<br />
weder <strong>Sicherheit</strong> für das irakische<br />
Volk noch für die internationale<br />
Gemeinschaft gebracht<br />
hat. In der Folge tendiert<br />
die aktuelle Diskussion<br />
um den Irak-Krieg zu einer<br />
verantwortungsethischen Debatte,<br />
die dessen Rechtfertigung<br />
in der Effektivität der<br />
Zielerreichung zu suchen<br />
scheint, wohingegen dessen<br />
Vereinbarkeit mit den kodifizierten<br />
Werten unserer <strong>und</strong><br />
der Weltgesellschaft aus dem<br />
Fokus des Interesses gerückt<br />
ist.<br />
Gegen diesen Trend wollen<br />
die Herausgeber von »Der<br />
Irak-Krieg <strong>und</strong> das Völkerrecht«<br />
– beide Referenten<br />
bzw. ehemalige Referenten<br />
am Max-Planck-Institut für<br />
ausländisches <strong>und</strong> internationales<br />
Strafrecht in Freiburg<br />
im Breisgau – mit ihrem<br />
Sammelb<strong>and</strong> ein juristisches<br />
Zeugnis ablegen, das den wissenschaftlichen<br />
Diskurs um<br />
das Verhältnis von Recht<br />
<strong>und</strong> Politik neu beleben soll.<br />
Schließlich ging das Völkerrecht<br />
aus der bis dato einzigartigen<br />
Ausein<strong>and</strong>ersetzung<br />
um einen internationalen<br />
Konflikt in der Öffentlichkeit<br />
<strong>und</strong> im UN-<strong>Sicherheit</strong>srat als<br />
Verlierer hervor. Rechtliche<br />
Argumente spielten nach Ansicht<br />
der Herausgeber in der<br />
Irak-Frage kaum eine Rolle:<br />
Zum einen brachen die »Falken«<br />
angesichts des unüberwindbaren<br />
Widerst<strong>and</strong>s der<br />
»Tauben« das Völkerrecht,<br />
indem sie die Zuständigkeit<br />
des UN-<strong>Sicherheit</strong>srates ignorierten.<br />
Zum <strong>and</strong>eren traten<br />
nicht einmal alle Kriegsgegner<br />
selbst explizit für die<br />
Stärkung des internationalen<br />
Rechts ein. Auf beiden Seiten<br />
dominierten stattdessen politische<br />
oder wirtschaftliche<br />
Argumente. Aus diesen Gründen<br />
wollen Ambos <strong>und</strong> Ar-<br />
<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 107
B E S P R E C H U N G E N<br />
nold mit ihrer Anthologie<br />
zum Thema Irak-Krieg <strong>und</strong><br />
Völkerrecht dazu beitragen,<br />
»dem Völkerrecht wieder den<br />
ihm gebührenden Rang als<br />
Ordnungs- <strong>und</strong> Machtbegrenzungsrecht<br />
zuzuweisen«<br />
(S. XV). Zwar geht es ihnen<br />
darum, rechtliche Einwände<br />
gegen eine Rückkehr des<br />
Faustrechts in die Internationalen<br />
Beziehungen vorzubringen,<br />
nichtsdestotrotz lassen<br />
sie durchaus Vertreter<br />
gegensätzlicher juristischer<br />
Positionen zu Wort kommen.<br />
Das Spektrum der Quellen,<br />
aus denen die insgesamt 78<br />
Beiträge von ca. Juli 2002 bis<br />
Mai 2003 ausgewählt wurden,<br />
erstreckt sich in erster<br />
Linie auf die überregionale<br />
deutschsprachige Presse. Die<br />
meisten Artikel, Interviews<br />
<strong>und</strong> Kommentare stammen<br />
aus Tageszeitungen aller politischen<br />
Couleur, darunter die<br />
Neue Zürcher Zeitung, Frankfurter<br />
Allgemeine Zeitung,<br />
Financial Times Deutschl<strong>and</strong>,<br />
Tagesspiegel, Süddeutsche<br />
Zeitung, Berliner Zeitung,<br />
Frankfurter R<strong>und</strong>schau,<br />
die tageszeitung sowie Junge<br />
Welt. Berücksichtigt wurden<br />
außerdem Die Zeit, Spiegel<br />
108 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 1 /<strong>2004</strong><br />
<strong>und</strong> Focus, ai-Journal sowie<br />
einige juristische Fachzeitschriften,<br />
desweiteren Stellungnahmen<br />
<strong>und</strong> Ausarbeitungen<br />
von Juristenverbänden<br />
wie IALANA <strong>und</strong> VDJ, der<br />
Deutschen Gesellschaft für<br />
die Vereinten Nationen sowie<br />
von Forschungseinrichtungen<br />
wie den Wissenschaftlichen<br />
Diensten des<br />
Deutschen B<strong>und</strong>estages, dem<br />
Institut für <strong>Frieden</strong>sforschung<br />
<strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />
an der Universität Hamburg<br />
<strong>und</strong> der Berlin-Br<strong>and</strong>enburgischen<br />
Akademie der<br />
Wissenschaften. Auch die<br />
Pressemitteilung des Generalb<strong>und</strong>esanwalts<br />
beim B<strong>und</strong>esgerichtshof<br />
zur Frage des<br />
Straftatbest<strong>and</strong>s der Vorbereitung<br />
eines Angriffskrieges<br />
sowie die sog. »AWACS-<br />
Entscheidung« des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />
nebst Urteilsbegründung<br />
sind in<br />
Gänze abgedruckt. Auf Beiträge<br />
aus internationalen<br />
Quellen wurde mit Ausnahme<br />
von Le Monde Diplomatique<br />
verzichtet.<br />
Gegliedert ist die 530 Seiten<br />
zählende Dokumentation in<br />
drei Bereiche: Im ersten Teil<br />
stehen rechtsphilosophische,<br />
rechtspolitische, rechtsge-<br />
schichtliche sowie sozialwissenschaftliche<br />
Aspekte im Vordergr<strong>und</strong>,<br />
die ein Vorverständnis<br />
für die Problematik<br />
vermitteln sollen. Die Anordnung<br />
der Beiträge erfolgt<br />
chronologisch nach Erscheinungsdaten.<br />
Angesprochen<br />
werden Themen wie der gerechte<br />
Krieg, die neue Weltordnung<br />
<strong>und</strong> Transformation<br />
der Diktatur. Der zweite<br />
Teil widmet sich Fragestellungen,<br />
welche sich vorrangig<br />
aus dem deutschen Recht<br />
ergeben. Dies betrifft insbesondere<br />
das Verbot des<br />
Angriffskriegs <strong>und</strong> dessen<br />
Unterstützung, damit zusammenhängend<br />
die Gewährung<br />
von Überflugrechten<br />
<strong>und</strong> den Einsatz deutscher<br />
Soldaten in AWACS-Flugzeugen<br />
sowie das Spannungsverhältnis<br />
von NATO-<br />
Bündnisverpflichtungen <strong>und</strong><br />
Verfassungs- <strong>und</strong> Völkerrecht.<br />
Der dritte <strong>und</strong> weitaus<br />
größte Teil untersucht die<br />
völkerrechtliche Zulässigkeit<br />
des Krieges gegen den Irak im<br />
Allgemeinen wie unter besonderer<br />
Berücksichtigung der<br />
Rolle von UN-<strong>Sicherheit</strong>srat<br />
<strong>und</strong> Internationalem Gerichtshof,<br />
von Humanitärem<br />
Völkerrecht <strong>und</strong> Völkerstrafrecht:<br />
Wie weit reichten die<br />
Resolutionen des UN-<strong>Sicherheit</strong>srates?<br />
Begingen die USA<br />
Völkerrechtsbruch? Können<br />
Präventivkriege rechtmäßig<br />
sein? Was bedeutet der Ausgang<br />
des Konflikts für das<br />
System der UN <strong>und</strong> die Rolle<br />
des Völkerrechts? Diesen <strong>und</strong><br />
ähnlichen Fragen wird nachgegangen.<br />
Im Anhang schließlich<br />
finden sich die einschlägigen<br />
Resolutionen des UN-<br />
<strong>Sicherheit</strong>srates im englischen<br />
Original <strong>und</strong> in der offiziellen<br />
deutschen Übersetzung.<br />
Autoren der gesammelten Beiträge<br />
sind Journalisten, Wissenschaftler<br />
<strong>und</strong> Praktiker, in<br />
erster Linie natürlich namhafte<br />
Völker- <strong>und</strong> Staatsrechtler.<br />
Als Adressat kommt<br />
neben dem Fachpublikum<br />
zweifellos die breite Öffentlichkeit<br />
in Frage, h<strong>and</strong>elte es<br />
sich beim Irak-Krieg doch um<br />
einen Konflikt, der in ungeahnter<br />
Weise zu einer Mobilisierung<br />
von großen Teilen<br />
der Gesellschaft, zu nationalen<br />
wie internationalen politischen<br />
Kontroversen geführt<br />
hat.<br />
Bertram Kühnreich