01.12.2012 Aufrufe

2004 - Sicherheit und Frieden (S+F) – Security and Peace

2004 - Sicherheit und Frieden (S+F) – Security and Peace

2004 - Sicherheit und Frieden (S+F) – Security and Peace

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

SF<br />

Herausgeber:<br />

Dr. habil. Michael Brzoska<br />

Prof. Dr. Hans J. Giessmann<br />

Dr. Heiner Hänggi<br />

Heinz-Dieter Jopp<br />

Dr. Erwin Müller<br />

Andreas Prüfert<br />

2<br />

<strong>2004</strong><br />

22. Jahrgang<br />

ISSN 0175-274X<br />

Nomos<br />

<strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Frieden</strong><br />

<strong>Security</strong> <strong>and</strong> <strong>Peace</strong><br />

Themenschwerpunkt:<br />

Die Erweiterung von EU <strong>und</strong> NATO<br />

Die Europäische Union nach der Erweiterung<br />

Günther Verheugen<br />

The bigger the better? Konzeptionelle Konsequenzen<br />

der Erweiterung für die EU als internationaler Akteur<br />

Johannes Varwick<br />

Europäische <strong>Sicherheit</strong>spolitik am Scheideweg<br />

Hans J. Giessmann<br />

Nach der Erweiterung: <strong>Sicherheit</strong>spolitische Herausforderungen<br />

für die NATO<br />

Knut Kirste<br />

Weitere Beiträge von ...<br />

Karen Guttieri, Ann M. Fitz-Gerald, Stephen Blackwell,<br />

Patricia Schneider, Kristina Thony <strong>und</strong> Erwin Müller


IMPRESSUM<br />

Schriftleitung :<br />

Prof. Dr. Hans J. Giessmann<br />

Redaktion:<br />

Dr. Erwin Müller (V.i.S.d.P.)<br />

Dr. Patricia Schneider<br />

Dr. Thorsten Stodiek<br />

Redaktionsanschrift:<br />

<strong>S+F</strong><br />

c/o IFSH, Falkenstein 1, D-22587 Hamburg<br />

Tel. 0049-40-86 60 77-0<br />

Fax 0049-40-8 66 36 15<br />

E-Mail: s-<strong>und</strong>-f@web.de<br />

Druck <strong>und</strong> Verlag:<br />

Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,<br />

Waldseestr. 3-5, D-76530 Baden-Baden,<br />

Tel. 0049-72 21-21 04-0,<br />

Fax 0049-7221-2104-27<br />

Anzeigen:<br />

Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,<br />

Waldseestr. 3-5, D-76530 Baden-Baden,<br />

Tel. 0049-72 21-21 04-34,<br />

E-Mail: bold@nomos.de<br />

Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthaltenen<br />

einzelnen Beiträge <strong>und</strong> Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

geschützt. Jede Verwertung,<br />

die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz<br />

zugelassen ist, bedarf der vorherigen<br />

Zustimmung des Verlags.<br />

Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen<br />

nicht die Meinung der Herausgeber/ Redaktion<br />

wiedergeben. Unverlangt einges<strong>and</strong>te<br />

Manuskripte – für die keine Haftung übernommen<br />

wird – gelten als Veröffentlichungsvorschlag<br />

zu den Bedingungen des Verlages.<br />

Es werden nur unveröffentlichte Originalarbeiten<br />

angenommen. Die Verfasser erklären<br />

sich mit einer nicht sinnentstellenden redaktionellen<br />

Bearbeitung einverst<strong>and</strong>en.<br />

Erscheinungsweise:<br />

vierteljährlich<br />

Bezugspreis <strong>2004</strong>: jährlich 59,– € (inkl. MwSt),<br />

Einzelheft 17,– €, Jahresabonnement für Studenten<br />

49,– € (gegen Nachweis), zuzüglich<br />

Porto <strong>und</strong> Vers<strong>and</strong>kosten; Bestellungen nehmen<br />

entgegen: Der Buchh<strong>and</strong>el <strong>und</strong> der Verlag;<br />

Abbestellungen mit Drei-Monats-Frist zum<br />

Jahresende. Zahlungen jeweils im Voraus an:<br />

Nomos Verlagsgesellschaft, Postbank Karlsruhe,<br />

Konto 73636-751 (BLZ 660 100 75) <strong>und</strong><br />

Stadtsparkasse Baden-Baden, Konto 5-002266<br />

(BLZ 662 500 30).<br />

S +F<br />

ISSN 0175-274X<br />

<strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Frieden</strong><br />

<strong>Security</strong> <strong>and</strong> <strong>Peace</strong><br />

22. Jahrgang, S. 57–108<br />

2/<strong>2004</strong><br />

EDITORIAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II<br />

THEMENSCHWERPUNKT<br />

DIE ERWEITERUNG VON EU UND NATO<br />

Die Europäische Union nach der Erweiterung<br />

Günther Verheugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

The bigger the better? Konzeptionelle Konsequenzen der<br />

Erweiterung für die EU als internationaler Akteur<br />

Johannes Varwick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />

Europäische <strong>Sicherheit</strong>spolitik am Scheideweg<br />

Hans J. Giessmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

Nach der Erweiterung: <strong>Sicherheit</strong>spolitische Herausforderungen<br />

für die NATO<br />

Knut Kirste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73<br />

BEITRÄGE AUS SICHERHEITSPOLITIK UND<br />

FRIEDENSFORSCHUNG<br />

Civil-military relations in peacebuilding<br />

Karen Guttieri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

The civil-military interface with local populations: Impact on<br />

peacebuilding strategies<br />

Ann M. Fitz-Gerald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />

Civil-military relations in Central <strong>and</strong> Eastern Europe <strong>and</strong><br />

integration with NATO <strong>and</strong> the European Union<br />

Stephen Blackwell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />

FORUM<br />

INHALT<br />

Internationale Gerichte im systematischen Vergleich<br />

Patricia Schneider/Kristina Thony/Erwin Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

DOKUMENTATION . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

NEUERSCHEINUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104<br />

BESPRECHUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2/<strong>2004</strong> | I


Die historische Bedeutung der Erweiterung von NATO <strong>und</strong> Europäischer<br />

Union wird sich endgültig nur in einem größeren<br />

zeitlichen Abst<strong>and</strong> <strong>und</strong> mit Kenntnis der eingetretenen Folgewirkungen<br />

abschätzen lassen. Insbesondere im EU-Fall kann<br />

aber schon heute integrationspolitische, friedens- <strong>und</strong> sicherheitspolitische<br />

wie wirtschaftspolitische Relevanz konstatiert<br />

werden.<br />

Auch die öffentliche Aufmerksamkeit ist erheblich. Die Debatte<br />

bewegt sich zwischen den Polen Besorgnis <strong>und</strong> Hoffnung.<br />

Weitgehender Konsens scheint aber darüber zu bestehen, dass<br />

es für die alten wie für die neuen Mitgliedstaaten gilt, sich den<br />

Herausforderungen der Zukunft zu stellen, um sie so effektiv<br />

wie möglich bewältigen zu können.<br />

Der Analyse dieses Problemkomplexes widmet sich die vorliegende<br />

Ausgabe von <strong>S+F</strong> im Schwerpunkt.<br />

EU-Kommissar Günther Verheugen zeigt die Zukunftsperspektiven<br />

der Europäischen Union auf politischem <strong>und</strong> wirtschaftlichem<br />

Gebiet auf <strong>und</strong> thematisiert die mit ihrer Erweiterung<br />

verb<strong>und</strong>enen Chancen <strong>und</strong> Probleme.<br />

Johannes Varwicks Beitrag widmet sich den Konsequenzen der<br />

Erweiterung der Europäischen Union für ihre Rolle als Akteur<br />

der internationalen Politik.<br />

Hans J. Giessmann analysiert die Herausforderungen für eine<br />

künftige europäische <strong>Sicherheit</strong>spolitik, die sich auf EU <strong>und</strong> NA-<br />

TO stützt.<br />

II | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

E D I T O R I A L<br />

Der Aufsatz von Knut Kirste fokussiert auf die neuen sicherheitspolitischen<br />

Herausforderungen für die NATO innerhalb wie<br />

außerhalb des euroatlantischen Raumes.<br />

In der Rubrik »Beiträge aus <strong>Sicherheit</strong>spolitik <strong>und</strong> <strong>Frieden</strong>sforschung«<br />

drucken wir drei referierte Aufsätze ab.<br />

Karen Guttieri beschäftigt sich mit den zivil-militärischen Beziehungen<br />

im Rahmen von <strong>Frieden</strong>smissionen, ihren Problemen<br />

<strong>und</strong> ihren Synergieeffekten.<br />

Ann M. Fitz-Gerald betrachtet die Konsequenzen für peacebuilding-Einsätze,<br />

die sich aus dem Wechselspiel zwischen internationalen<br />

<strong>Frieden</strong>skräften <strong>und</strong> der Bevölkerung im Einsatzgebiet<br />

ergeben.<br />

Mit den zivil-militärischen Beziehungen in postkommunistischen<br />

mittel- <strong>und</strong> osteuropäischen Staaten <strong>und</strong> der Frage ihrer<br />

Reform wie der Rolle von NATO <strong>und</strong> Europäischer Union in diesem<br />

Prozess befasst sich der Beitrag von Stephen Blackwell.<br />

Im »Forum« erscheint ein Aufsatz von Patricia Schneider, Kristina<br />

Thony <strong>und</strong> Erwin Müller, der eine systematische, vergleichende<br />

Best<strong>and</strong>saufnahme <strong>und</strong> Analyse der Institutionen der internationalen<br />

(Schieds-)Gerichtsbarkeit unternimmt.<br />

Die nächste Ausgabe von <strong>S+F</strong> wird sich dem Themenschwerpunkt<br />

Demokratie <strong>und</strong> Streitkräfte widmen.


S Ver heugen, Die Europ ä is che Uni on na c h der Erweiterung | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />

+F<br />

1 <strong>2004</strong><br />

22. Jahrgang<br />

S. 57–108<br />

Herausgeber<br />

Dr. habil. Michael Brzoska, Internationales<br />

Konversionszentrum<br />

Bonn (BICC)<br />

Prof. Dr. Hans J. Giessmann, Institut<br />

für <strong>Frieden</strong>sforschung <strong>und</strong><br />

<strong>Sicherheit</strong>spolitik an der Universität<br />

Hamburg<br />

Dr. Heiner Hänggi, Genfer Zentrum<br />

für die demokratische Kontrolle<br />

der Streitkräfte (DCAF),<br />

Genf<br />

Kapitän zur See Heinz-Dieter<br />

Jopp, Führungsakademie der<br />

B<strong>und</strong>eswehr, Hamburg<br />

Dr. Erwin Müller, Chefredakteur<br />

Andreas Prüfert, Europäische<br />

Organisation der Militärverbände<br />

(EUROMIL), Brüssel<br />

T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />

Die Europäische Union nach der Erweiterung<br />

Günther Verheugen*<br />

Abstract: The EU enlargement has eventually brought the long-lasting European division to its end. It can be stated that the<br />

attractiveness of the EU integration model has proven the test. The EU has earned her peace dividend from a continued stabilisation<br />

<strong>and</strong> integration policy. Though the EU faces tough challenges <strong>and</strong> pressures that result from globalisation <strong>and</strong><br />

structural change she will now be in a much better position to h<strong>and</strong>le them properly. Reforms, however, are unavoidable,<br />

<strong>and</strong> the task to implement a strong <strong>and</strong> credible peace <strong>and</strong> security policy of the Union is only one among many others. A<br />

dissonant chorus of opinions will not be taken seriously. But the EU has many instruments to her disposal that can contribute<br />

to turn the World into better if used with self-conscience, efficiently <strong>and</strong> with political consequence.<br />

Key Words: Enlargement EU, Integration, Reform Policy, Turkey<br />

Die Erweiterung der Europäischen Union ist vollzogen<br />

<strong>und</strong> ein großer Teil des europäischen Kontinents<br />

nun vereint. Dass die Teilung Europas nach<br />

mehr als einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert überw<strong>und</strong>en ist, haben<br />

alte <strong>und</strong> neue Mitgliedsländer zu Recht als historisches Ereignis<br />

gewürdigt <strong>und</strong> Millionen Menschen überall in Europa<br />

in Festsälen, an Grenzübergängen, auf Straßen <strong>und</strong> Plätzen,<br />

gefeiert. Unzweifelhaft verändert diese Erweiterung das Gesicht<br />

des europäischen Kontinents tiefgreifend, ist sie doch<br />

Teil einer Entwicklung, die uns, die Europäer, für die Herausforderungen<br />

des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts zukunftsfähig macht. Die<br />

»europäische Idee« ist ihrer Verwirklichung einen großen<br />

Schritt näher gekommen.<br />

Die f<strong>und</strong>amentale Hoffnung, welche die EU mit der Erweiterung<br />

verb<strong>und</strong>en hat, ist schon seit einiger Zeit Wirklichkeit.<br />

* Mitglied der Europäischen Kommission, Brüssel.<br />

<strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Frieden</strong><br />

<strong>Security</strong> <strong>and</strong> <strong>Peace</strong><br />

Schriftleitung<br />

Prof. Dr. Hans J. Giessmann<br />

Redaktion<br />

Dr. Erwin Müller (V.i.S.d.P.)<br />

Dr. Patricia Schneider<br />

Dr. Thorsten Stodiek<br />

Beirat<br />

Dr. Alyson Bailes, Stockholm International<br />

Paece Research Institute<br />

(SIPRI), Stockholm<br />

Dr. Detlef Bald, München<br />

Prof. Dr. Joachim Betz, Universität,<br />

Hamburg<br />

Prof. Dr. Hans-Peter Dürr, Träger<br />

des Alternativen Nobelpreises,<br />

München<br />

Prof. Dr. Pál Dunay, Genfer Zentrum<br />

für <strong>Sicherheit</strong>spolitik, Genf<br />

Prof. Dr. Wolfgang Gessenharter,<br />

Helmut-Schmidt-Universität,<br />

Hamburg<br />

Dr. Sabine Jaberg, Führungsakademie<br />

der B<strong>und</strong>eswehr, Hamburg<br />

Dr. Martin Kutz, Führungsakademie<br />

der B<strong>und</strong>eswehr, Hamburg<br />

Dr. Krzysztof Ruchniewicz, Willy-<br />

Br<strong>and</strong>t-Zentrum für Deutschl<strong>and</strong><strong>und</strong><br />

Europastudien, Wroclaw<br />

Prof. Dr. Susanne Feske, Universität<br />

Münster<br />

Dr. Martina Fischer, Berghof Forschungszentrum<br />

für Konstruktive<br />

Konfliktbearbeitung, Berlin<br />

In den neuen Mitgliedsländern besteht ein hohes Maß an<br />

politischer <strong>und</strong> wirtschaftlicher Stabilität, mehr noch, der<br />

schwerste Teil des Umbruchs ist bereits gelungen. Heute ist<br />

der <strong>Frieden</strong> in einem großen Teil Europas sicherer als vor 14<br />

Jahren. Auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der<br />

heutigen EU <strong>und</strong> ihren neuen Mitgliedern sind bereits eng.<br />

Insofern unterscheidet sich das Europa der EU seit dem<br />

1. Mai <strong>2004</strong> kaum vom Alltag der Kooperation in den Tagen<br />

davor. Und dennoch gibt es eine historische Zäsur. Sie besteht<br />

in der Gewissheit, dass wir alle, die Völker von 25 Staaten,<br />

nunmehr zusammengehören <strong>und</strong> dass dieses Zusammengehören<br />

einem großen gemeinsamen Ziel unterworfen<br />

ist: dem Gedeihen unseres Kontinents in <strong>Frieden</strong>.<br />

Der Weg zur europäischen Einigung war nicht selten von<br />

Skepsis begleitet, ob das strategische Großprojekt gelingen<br />

könne <strong>und</strong> manche meinten sogar, dass die EU durch diese<br />

Erweiterung überfordert werde. Auch die schwierigen Ver-<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 57


T H E M E N S C H W E R P U N K T | Ver heugen, Die Eur opäis c he Uni on na c h der Erweiterung<br />

h<strong>and</strong>lungen über die Europäische Verfassung wurden von<br />

einigen als Indiz für weitere bevorstehende Belastungsproben<br />

genommen. Die Skeptiker <strong>und</strong> Zweifler haben jedoch<br />

nicht Recht behalten <strong>und</strong> der Gewinn der Erweiterung für<br />

alle Beteiligten steht längst außer Frage. Man muss nur die<br />

Situation im Europa von heute mit der vor etwa 15 Jahren<br />

vergleichen, um zu sehen, dass <strong>Frieden</strong>, <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Stabilität<br />

in Europa heute verlässlicher abgesichert sind. Mehr<br />

noch <strong>und</strong> allen Unkenrufen zum Trotz, hat sich die EU als<br />

weltweit geachtetes <strong>und</strong> attraktives Erfolgsmodell behauptet<br />

<strong>und</strong> eine historische Leistung vollbracht, an die wahrscheinlich<br />

nur wir Europäer zutiefst glaubten. Diese Erweiterung<br />

belegt, wie erfolgreich Europa sein kann, wenn wir uns<br />

ein gemeinsames Ziel setzen <strong>und</strong> dann mit vereinten Kräften<br />

an seiner Verwirklichung arbeiten. Deshalb bin ich auch<br />

davon überzeugt, dass die Erweiterung die Anziehungskraft<br />

<strong>und</strong> die Potentiale der europäischen Integration noch verstärken<br />

wird.<br />

1. Erweiterung <strong>und</strong> <strong>Frieden</strong><br />

Auch in der Welt des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts lassen sich in Europa<br />

nachhaltiges Wachstum, wirtschaftlicher <strong>und</strong> sozialer<br />

Wohlst<strong>and</strong> nur auf der Gr<strong>und</strong>lage inneren <strong>und</strong> äußeren<br />

<strong>Frieden</strong>s erzielen. Das breite Interesse an der Mitgliedschaft<br />

in der EU <strong>und</strong> die jahrelangen Anstrengungen der mittel<strong>und</strong><br />

osteuropäischen Staaten, den dafür erforderlichen Voraussetzungen<br />

zu genügen, haben bereits vor dem 1. Mai<br />

<strong>2004</strong> ihre Früchte getragen <strong>und</strong> die Zone der Stabilität, der<br />

<strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> des <strong>Frieden</strong>s in Europa vergrößert.<br />

Mit der Erweiterung werden die universellen Werte, denen<br />

die EU verpflichtet ist, ihre politischen Ziele <strong>und</strong> die in der<br />

EU gemeinsam vereinbarten Spielregeln auf ein breiteres<br />

F<strong>und</strong>ament von inzwischen 25 Mitgliedstaaten gestellt. Damit<br />

weitet sich die <strong>Frieden</strong>sordnung der Union dauerhaft<br />

weit nach der Mitte, dem Osten <strong>und</strong> Süden des Kontinents<br />

aus. Zugleich werden die Fähigkeiten der Union gestärkt,<br />

politische Ziele besser als bisher zu erreichen, sei es bei der<br />

Bekämpfung des Terrorismus <strong>und</strong> der organisierten Kriminalität,<br />

sei es in <strong>and</strong>eren friedens- <strong>und</strong> sicherheitspolitischen<br />

Aufgabenfeldern.<br />

Es lohnt den Blick zurück: Am 1. Mai <strong>2004</strong>, fast auf den Tag<br />

59 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, wurden<br />

die Beschlüsse von Jalta <strong>und</strong> Potsdam, die die Spaltung Europas<br />

zementierten <strong>und</strong> den Kalten Krieg einleiteten, endgültig<br />

ad acta gelegt. Wenn in wenigen Jahren noch Bulgarien<br />

<strong>und</strong> Rumänien zur EU stoßen, wird sich der tiefe<br />

historische Sinn der Erweiterung voll verwirklicht haben.<br />

Die Erweiterung ist deshalb auch mehr als nur eine Etappe<br />

in der Geschichte der europäischen Integration. Sie ist ebenfalls<br />

mehr als das symbolhafte Ende einer besonders schwierigen<br />

europäischen Epoche. Sie ist ein großer B<strong>und</strong> auf Zukunft,<br />

ein B<strong>und</strong> für ein Europa des <strong>Frieden</strong>s, der Stabilität,<br />

der <strong>Sicherheit</strong>, für ein Europa gleicher Lebenschancen, das<br />

stark ist in seinen Werten, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft.<br />

Sie ist ein B<strong>und</strong> für ein Europa lebendiger <strong>und</strong> vielfältiger<br />

Traditionen <strong>und</strong> Kulturen, ein B<strong>und</strong> für ein Europa,<br />

58 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

dass seinen Bewohnern eine sichere Heimat <strong>und</strong> <strong>and</strong>eren<br />

Völkern Beist<strong>and</strong> <strong>und</strong> Hoffnung ist.<br />

In der Gemeinschaft der 25 <strong>und</strong> mehr können wir uns darauf<br />

konzentrieren, die europäische Idee der Gerechtigkeit<br />

zwischen den Menschen <strong>und</strong> Völkern auf einem großen Teil<br />

des europäischen Kontinents zu verwirklichen, eine Idee, die<br />

Europa erst angesichts des ungeheuren menschlichen Leids,<br />

den zwei Weltkriege <strong>und</strong> der Hitlerfaschismus bedeuteten,<br />

zu verwirklichen begann.<br />

2. Integration als <strong>Frieden</strong>sprojekt<br />

Die erweiterte Union wird die künftigen politischen Herausforderungen<br />

besser als bisher bestehen können, denn bei<br />

dieser Erweiterung ging es um weit mehr als um bloße geographische<br />

Ausdehnung <strong>und</strong> zahlenmäßige Vergrößerung.<br />

Mit ihr ist eine neue politische Dynamik in Europa verb<strong>und</strong>en.<br />

Nunmehr gehören Mitgliedstaaten der EU an, die aus<br />

eigenem freiem Willen <strong>und</strong> aus einer festen europäischen<br />

Überzeugung heraus seit langem einschneidende politische<br />

<strong>und</strong> wirtschaftliche Reformen eingeleitet haben. Die neuen<br />

Mitgliedstaaten wollten <strong>und</strong> wollen die Zukunft eines wirtschaftlich<br />

<strong>und</strong> politisch starken Europas solidarisch mitgestalten.<br />

Die Herausforderungen unserer Zeit sind groß <strong>und</strong><br />

mit der Kraft der Nationalstaaten allein nicht zu bewältigen,<br />

<strong>und</strong> die Menschen in der Europäischen Union spüren die<br />

Bedrohungen auch, die in Terrorismus, einer unkontrollierten<br />

Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, in<br />

menschenrechtsverletzenden Systemen, wachsender wirtschaftlicher<br />

<strong>und</strong> sozialer Ungleichheit im globalen Maßstab,<br />

in Menschenh<strong>and</strong>el, in Waffen- <strong>und</strong> Drogenh<strong>and</strong>el oder in<br />

der Bedrohung der Umwelt liegen. Die EU muss auf diese<br />

Bedrohungen eine Antwort finden <strong>und</strong> eine Voraussetzung<br />

dafür ist, dass sie sich weiter reformiert, um ihr politisches<br />

<strong>und</strong> wirtschaftliches Potential so zu entwickeln, dass sie zu<br />

einem ernstzunehmenden globalen Akteur wird. Unter diesem<br />

Blickwinkel betrachtet sind die Entwicklung der europäischen<br />

Außen-, <strong>Sicherheit</strong>s- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik, eine<br />

verstärkte Zusammenarbeit von Justiz, Polizei <strong>und</strong> Zoll <strong>und</strong><br />

das Gelingen der Lissabon-Strategie von entscheidender Bedeutung.<br />

Diese Reformschritte würden die EU befähigen, zu<br />

einem echten Partner in den transatlantischen Beziehungen<br />

zu werden <strong>und</strong> ihre Kräfte <strong>und</strong> spezifischen Erfahrungen in<br />

eine enge Kooperation mit den USA einzubringen. Eine Gemeinsame<br />

Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik, die ihren Namen<br />

verdient, krisenfest ist <strong>und</strong> fähig, destabilisierenden Entwicklungen<br />

entgegen zu wirken, ist deshalb zwingend. Die<br />

Verabschiedung der Verfassung würde uns diesem Erfordernis<br />

einen Schritt näher bringen. Solange die Europäische<br />

Union aber keine wirkungsvolle gemeinsame Außen- <strong>und</strong><br />

<strong>Sicherheit</strong>spolitik hat, sollte sich niem<strong>and</strong> w<strong>und</strong>ern, wenn<br />

sie bei wichtigen politischen Fragen nicht ernst genommen<br />

oder schlichtweg gar nicht gefragt wird. Ein dissonanter<br />

Chor europäischer Stimmen braucht nicht gehört zu werden.<br />

Das sollten Europäer nicht mehr zulassen, zumal wir<br />

einiges anzubieten hätten, was die Welt des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

dringend bräuchte. Wir haben unser <strong>Frieden</strong>smodell,<br />

die Integration. Niem<strong>and</strong> sonst auf dieser Welt hat soviel Er-


Ver heugen, Die Europ ä is che Uni on na c h der Erweiterung | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />

fahrung wie die EU in ziviler Konfliktlösung oder erfolgreicher<br />

Systemtransformation. Niem<strong>and</strong> gibt mehr Geld als wir<br />

für die Entwicklungsländer. Niem<strong>and</strong> außerhalb der EU tut<br />

soviel für die Ärmsten der Armen. Noch reichen die Anstrengungen<br />

gewiss nicht aus, aber gerade weil noch mehr<br />

getan werden müsste, gerade weil die Situation in der Welt<br />

von heute uns mahnt, dass wir unsere Anstrengungen verstärken<br />

müssen, brauchen wir eine gemeinsame Stimme der<br />

Europäer. Wir müssen die Überzeugungskraft unseres Modells<br />

nutzen, um <strong>and</strong>ere zu bewegen, mit uns gemeinsam zu<br />

verhindern, dass sich die Welt endgültig in Globalisierungsgewinner<br />

<strong>und</strong> Globalisierungsverlierer, in Arm <strong>und</strong> Reich<br />

teilt. Das ist eine Aufgabe von langfristiger Bedeutung, auch<br />

<strong>und</strong> gerade aus friedens- <strong>und</strong> sicherheitspolitischen Gründen.<br />

Unsere neuen Mitglieder könnten uns helfen, mit ihren<br />

guten Beziehungen zu den USA, dass die notwendige transatlantische<br />

Verständigung auf eine gemeinsame Kampfansage<br />

an die Risiken des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts auch gelingt.<br />

Zudem wird die Europäische Union nach der gegenwärtigen<br />

Erweiterungsr<strong>und</strong>e eine östliche Grenze haben, die fast vom<br />

Nordkap bis hinunter an das Schwarze Meer reicht. Das setzt<br />

die Frage einer neuen Politik gegenüber unseren Nachbarn<br />

auf die Tagesordnung, denn die Erweiterung kann das <strong>Frieden</strong>s-<br />

<strong>und</strong> Stabilitätsproblem auf dem europäischen Kontinent<br />

nicht endgültig lösen. Dies gilt selbst für den Fall, dass<br />

neben Bulgarien <strong>und</strong> Rumänien der EU auch Kroatien beitreten<br />

würde <strong>und</strong> selbst dann, wenn die übrigen Länder des<br />

westlichen Balkans, die derzeit noch weit von der Erfüllung<br />

der Beitrittsvoraussetzungen entfernt sind, zur EU gehören<br />

werden. Allerdings braucht die EU jetzt eine Zeit der inneren<br />

Konsolidierung, des Zusammenwachsens <strong>und</strong> der Stärkung<br />

nach innen. Wir können deshalb keine neue große Erweiterung<br />

nach Osten ins Auge fassen, ohne die praktische Funktionsfähigkeit<br />

des größer gewordenen Organismus im Alltag<br />

zu sichern. Zudem müssen wir möglicherweise von der Vorstellung<br />

Abschied nehmen, dass eine EU-Mitgliedschaft das<br />

Patentrezept zur Lösung aller denkbaren europäischen Fragen<br />

sei. Dies heißt jedoch nicht, dass wir in Zukunft mit einer<br />

auf sich selbst bezogenen, nach innen gekehrten Politik<br />

der EU rechnen müssen.<br />

Die innere <strong>und</strong> äußere Stabilität Europas verlangt über die<br />

Grenzen der EU hinausgehend Wachstum, Wohlst<strong>and</strong> <strong>und</strong><br />

Demokratie, sowohl im Osten Europas als auch im nahen<br />

Mittelmeerraum. Es dürfen sich keine neuen Trennlinien<br />

entwickeln, die den Kontinent erneut spalten könnten, <strong>und</strong><br />

keine Gräben, die uns von unseren südlichen Nachbarn<br />

trennen. Deshalb hat die EU die europäische Nachbarschaftspolitik<br />

initiiert, weil wir eben nicht zehn bis 20 Jahre<br />

warten können, um zu sehen, wie die Lage dann in unserer<br />

Nachbarschaft sein wird. Die Projektion von Stabilität über<br />

unsere Grenzen hinaus ist eine Aufgabe, die unverzügliches<br />

H<strong>and</strong>eln verlangt. Wir schließen dabei für keinen europäischen<br />

Staat irgendeine Option für die Zukunft aus, denn die<br />

europäische Nachbarschaftspolitik ändert nicht den EU-<br />

Vertrag, der allen europäischen Staaten das Recht einräumt,<br />

sich um eine Mitgliedschaft zu bewerben. Die Qualität der<br />

Nachbarschaftspolitik darf <strong>und</strong> sollte deshalb auch nicht<br />

von der Frage abhängen, wie groß die Chancen oder auch<br />

nur der Wille zur Teilhabe an der Europäischen Union sind.<br />

Die EU wird statt dessen darum bemüht sein, mit jedem einzelnen<br />

unserer Nachbarn eine maßgeschneiderte gemeinsame<br />

Agenda zu vereinbaren, mit Zielen <strong>und</strong> Maßnahmen, auf<br />

die wir uns jeweils zum Zeitpunkt der Vereinbarung einigen<br />

können. Wir sind bereit, sehr weit zu gehen, was die Einbindung<br />

etwa in den Binnenmarkt angeht. Aber wir verlangen<br />

auch etwas dafür – ein Mehr an Demokratie, ein Mehr<br />

an Rechtsstaatlichkeit, eine höhere Qualität von politischer<br />

<strong>und</strong> wirtschaftlicher governance <strong>und</strong> die Achtung der Menschen-<br />

<strong>und</strong> Minderheitenrechte. Ohne das alles ist eine echte<br />

Stabilität einer Gesellschaft langfristig nicht denkbar. Das<br />

ist im Kern das Europäische Nachbarschaftskonzept. Mit dieser<br />

europäischen Nachbarschaftspolitik, mit diesem »Ring<br />

von Fre<strong>und</strong>en«, den wir um uns schaffen wollen, könnte Europa<br />

mit größerem Vertrauen in die Zukunft blicken. Auch<br />

dabei wird uns die Erweiterung helfen, denn Polen <strong>und</strong> <strong>and</strong>ere<br />

Länder haben in diese Politik sehr viel einzubringen,<br />

nicht zuletzt, weil sie unmittelbar an unsere Nachbarn im<br />

Osten grenzen <strong>und</strong> bereits traditionell über enge bilaterale<br />

Kooperationsbeziehungen mit ihnen verfügen: Russl<strong>and</strong>, die<br />

Ukraine, Moldau <strong>und</strong> auch Belarus.<br />

Westeuropa hat durch die europäische Integration eine lange<br />

<strong>Frieden</strong>speriode erlebt, die manchen längst selbstverständlich<br />

erscheint. Deshalb ist es wichtig, zu erkennen,<br />

dass <strong>Frieden</strong> <strong>und</strong> Stabilität auch sechs Jahrzehnte nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg keine Selbstverständlichkeit sind. Mancher<br />

glaubt, dass Kriege <strong>und</strong> deren Schrecken auf Dauer aus<br />

Europa verbannt seien. Und die Kriege <strong>und</strong> der Hunger auf<br />

der Welt scheinen weit weg. Es bleibt zu hoffen, dass Europa<br />

nicht immer erst der aufrüttelnden Tragödien bedarf, um<br />

sich der eigenen Verantwortung für aktive <strong>Frieden</strong>spolitik<br />

bewusst zu werden. Dabei sind die Mahnungen, wie gefährdet<br />

wir sind, leider ganz unübersehbar: Drei Kriege innerhalb<br />

eines Jahrzehnts auf dem Balkan, die Terrorakte des 11.<br />

September 2001 <strong>und</strong> des 11. März <strong>2004</strong> sprechen eine eindeutige<br />

Sprache. Das führt mich unmittelbar zur Frage der<br />

EU-Türkei-Beziehungen. Die Türkei ist der älteste Beitrittsk<strong>and</strong>idat<br />

der EU. Die heutige Bedeutung der Türkei für die<br />

EU liegt unzweifelhaft nicht mehr nur in ihrer geographischen<br />

Lage. Sie besteht darin, dass die Türkei das erste große<br />

L<strong>and</strong> mit muslimischer Bevölkerung ist, das sich auf die<br />

Verwirklichung von Demokratie, Rechtstaatlichkeit, auf die<br />

Achtung von Menschenrechten <strong>und</strong> den Schutz von Minderheiten<br />

verpflichtet hat. Wenn das der Türkei gelingt, <strong>und</strong><br />

ihre Reformanstrengungen in diese Richtung sind groß,<br />

dann entstünde die erste tragfähige Brücke der Verständigung<br />

zwischen den westlichen Demokratien <strong>und</strong> den Ländern<br />

der islamischen Welt. Dann hätte eine auf Dialog <strong>und</strong><br />

Toleranz gegründete Politik eine Chance. Ende des Jahres<br />

<strong>2004</strong> wird nun geprüft werden, ob die Türkei die Bedingungen<br />

erfüllt, die Voraussetzung für die Aufnahme von Beitrittsverh<strong>and</strong>lungen<br />

sind. Wenn das der Fall sein sollte,<br />

dann werden – so hat es der Europäische Rat 2002 beschlossen<br />

– die Beitrittsverh<strong>and</strong>lungen unverzüglich aufgenommen.<br />

Diese Verh<strong>and</strong>lungen setzen an beide Seiten hohe Ansprüche,<br />

<strong>und</strong> sie werden auch lange dauern. Die eigentliche<br />

Frage lautet deshalb auch für mich: Kann die Türkei den Reformweg<br />

fortsetzen <strong>und</strong> den Fortschritt, also eine demokra-<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 59


T H E M E N S C H W E R P U N K T | Ver heugen, Die Eur opäis c he Uni on na c h der Erweiterung<br />

tische Verfassung, Rechtsstaatlichkeit, die Achtung von<br />

Menschen <strong>und</strong> Minderheitenrechten irreversibel machen?<br />

Das halte ich für möglich, aber für diesen W<strong>and</strong>el braucht<br />

die Türkei die Unterstützung der EU. Niem<strong>and</strong> sollte deshalb<br />

das F<strong>und</strong>ament des türkischen Reformkurses schwächen oder<br />

gar zerstören, <strong>und</strong> dieses F<strong>und</strong>ament heißt, dass die Türkei<br />

darauf vertrauen darf, dass wir eine ehrliche Politik ihr<br />

gegenüber betreiben, dass wir zu unseren Zusagen stehen<br />

<strong>und</strong> sie auch einlösen, wenn die gemeinsam verabredeten<br />

Bedingungen stimmen.<br />

Die europäische Integration ist kein Geschenk, sondern sie<br />

ist Resultat des Bemühens um Verständigung, um Kompromissbereitschaft<br />

<strong>und</strong> Konsensfindung. Sie ist das Resultat<br />

einer geschichtlichen Lehre, die immer wieder in Erinnerung<br />

gerufen <strong>und</strong> immer wieder neu begründet werden<br />

muss, in jeder Generation, nicht zuletzt, weil der Erfolg<br />

manchmal selbstverständlich scheint <strong>und</strong> weil die Europakritiker,<br />

Nationalisten <strong>und</strong> Populisten leider nirgendwo ausgestorben<br />

sind. Im Gegenteil, sie sind unter uns <strong>und</strong> sie haben<br />

den Schuldigen an dem jeweiligen Problem, der<br />

jeweiligen Lage, dem jeweiligen Unmut auch immer gleich<br />

bei der H<strong>and</strong>. Es gibt viele beliebte Schuldige in diesem Zusammenhang.<br />

Das beliebteste Angriffsziel jedoch ist der<br />

Ausländer, der Andere oder der Fremde, das neue Ereignis,<br />

wie etwa die Erweiterung. Die Argumente sind ebenso<br />

ängstlich wie falsch. Sie offenbaren Mutlosigkeit, die Probleme<br />

eigenverantwortlich anzupacken <strong>und</strong> lösen zu können<br />

<strong>und</strong> suchen stattdessen nach Ausflüchten, um tatenlos zu<br />

bleiben. Gerade deshalb sollte sich jeder immer wieder bewusst<br />

in Erinnerung rufen, warum die europäische Integration<br />

unser Schicksal bestimmt. Es geht bei der Integration<br />

nicht nur um die Öffnung von Märkten, nicht um die Festlegung<br />

von St<strong>and</strong>ards zum Schutz der Verbraucher, nicht<br />

um Pflanzen- <strong>und</strong> Tierges<strong>und</strong>heit oder um besseres Trinkwasser<br />

oder um europäische Gelder für L<strong>and</strong>wirte – das alles<br />

ist nicht der Zweck der Integration, sonder das alles sind<br />

Mittel, manche mehr, manche weniger tauglich, die europäischen<br />

Völker so fest anein<strong>and</strong>er zu binden, dass wir immer<br />

zusammen bleiben, auch beim größten Problem, in der<br />

größten Krise, <strong>und</strong> sie dann partnerschaftlich bewältigen.<br />

Dieses Ziel ist erreicht worden, zum ersten Mal in der europäischen<br />

Geschichte, <strong>und</strong> das sollte uns den Mut geben, für<br />

dieses Ziel auch weiterhin gerade zu stehen.<br />

3. Die Europäische Union stärken<br />

Die EU ist kein von wirtschaftlichen <strong>und</strong> finanziellen Interessen<br />

getragener Staatenb<strong>und</strong>. Richtig aber ist, dass der<br />

wirtschaftliche Erfolg der Gemeinschaft eine Gr<strong>und</strong>voraussetzung<br />

für ihre Legitimität <strong>und</strong> für ihren Einfluss in den internationalen<br />

Beziehungen ist. Dies gilt im doppelten Sinne,<br />

zum einen durch das kollektive Potenzial, zum <strong>and</strong>eren<br />

durch die Attraktivität des Modells für <strong>and</strong>ere Staaten <strong>und</strong><br />

Regionen in der Welt. Die Erweiterung der EU ist auch <strong>und</strong><br />

gerade in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung.<br />

Mit Abschluss der Erweiterung, die sich mit der Aufnahme<br />

Bulgariens <strong>und</strong> Rumäniens vollenden wird, wird die Bevöl-<br />

60 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

kerung in der Union um ca. 28 Prozent von gegenwärtig 374<br />

Millionen auf knapp 500 Millionen Menschen zunehmen.<br />

Das ist mehr als die Bevölkerung der Vereinigten Staaten,<br />

Japans, Kanadas <strong>und</strong> Australiens zusammen (450 Millionen).<br />

Damit entsteht der größte Binnenmarkt der Welt. Andererseits<br />

bedeutet die Erweiterung im Verhältnis zum Bruttoinl<strong>and</strong>sprodukt<br />

der Union vor dem 1. Mai <strong>2004</strong> nur eine Zunahme<br />

von ca. fünf Prozent (gemessen in Kaufkraftparitäten<br />

sind es etwa elf Prozent). Volkswirtschaftlich gesehen sind<br />

die Neumitglieder zudem überwiegend »kleine« Länder. Dadurch<br />

relativiert sich der unmittelbare, kurzfristige Einfluss<br />

der Erweiterung auf die gemeinsame Wirtschaft, insbesondere<br />

in Bezug auf Preise <strong>und</strong> Löhne. Umgekehrt allerdings ist<br />

der Einfluss der Union auf die Volkswirtschaften der neuen<br />

Mitglieder ganz erheblich.<br />

Vielleicht liegt es in der Natur der Sache, dass kurzfristige<br />

Anpassungskosten der Erweiterung in der öffentlichen Debatte<br />

meist im Vordergr<strong>und</strong> stehen. Die bereits eingetretenen<br />

<strong>und</strong> auch langfristigen absehbaren positiven Integrationseffekte<br />

öffentlich zu vermitteln, scheint dagegen viel<br />

schwieriger. Dies gilt übrigens nicht nur für die Union, sondern<br />

auch für die neuen Mitglieder. Dort mussten <strong>und</strong> müssen<br />

teilweise sehr schmerzhafte Reformen verkraftet werden.<br />

Auffällig aber ist, dass viele der Sorgen <strong>und</strong> Probleme, die<br />

Menschen mit der Erweiterung verbinden, ursächlich gar<br />

nichts mit der Erweiterung zu tun haben, sondern lediglich<br />

auf sie projiziert werden. Ängste wie etwa die vor illegaler<br />

Beschäftigung, vor mehr Kriminalität, vor zu hohen Folgekosten<br />

sind sehr real. Sie stammen aus dem Erleben der vergangenen<br />

Jahre, seit dem großen Umbruch des Jahres 1989.<br />

Leider ist es bisher noch nicht ausreichend gelungen, etwa<br />

in Deutschl<strong>and</strong> dies auch breit öffentlich zu kommunizieren,<br />

dass die Erweiterung keine staatliche Einheit bedeutet,<br />

wie im Falle der deutschen Einigung. Dass die Erweiterung<br />

nicht Ursache der Probleme ist, die die Grenzöffnung <strong>und</strong><br />

der Aufein<strong>and</strong>erprall zweier Gebiete mit ganz unterschiedlichen<br />

Wohlst<strong>and</strong>sniveaus bedeutete, sondern Teil der Lösung<br />

der Probleme ist, auf die Menschen, nicht zuletzt gerade in<br />

den Grenzregionen, immer wieder zu recht hinweisen.<br />

Einige Probleme sind ebenfalls eine Folge der beschleunigten<br />

Globalisierung, die ebenfalls mit dem Jahr 1989 verb<strong>und</strong>en<br />

ist, der Technisierung der Arbeitswelt <strong>und</strong> ihrer Konsequenzen<br />

für den Arbeitsmarkt. Vor allem infolge der<br />

Globalisierung treten heute aufgebrochene Strukturprobleme<br />

deutlicher <strong>und</strong> früher als bisher zu Tage. Viele Menschen<br />

befürchten zum Beispiel, dass der Aufbau von Produktionsst<strong>and</strong>orten<br />

in Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa unmittelbar die Arbeitsplätze<br />

in der Union bedroht. Tatsächlich führt die Globalisierung<br />

zu Arbeitsplatzverlusten, auch wenn die<br />

Gesamtwirtschaftsbilanz für die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschl<strong>and</strong><br />

positiv ausfällt. Gleiches gilt für die seit zehn Jahren erfolgte<br />

Marktöffnung nach Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa. Auch hier<br />

sind die Fakten eindeutig. Bisher sind über die Hälfte der<br />

ausländischen Direktinvestitionen in Branchen mit nichth<strong>and</strong>elbaren<br />

Gütern bzw. Dienstleistungen geflossen. Dabei<br />

haben nicht nur human- <strong>und</strong> kapitalintensive Zweige der alten<br />

EU-Mitgliedstaaten, sondern auch deren konsumorientierte<br />

Branchen (u.a. die Nahrungsmittelindustrie) Exporte


Ver heugen, Die Europ ä is che Uni on na c h der Erweiterung | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />

nach Osteuropa deutlich erhöht. Zudem sind niedrigere<br />

Lohnkosten nur eines von mehreren Kriterien für Entscheidungen<br />

von Unternehmen über St<strong>and</strong>orte. Viele Ausl<strong>and</strong>sinvestitionen<br />

in den neuen Mitgliedstaaten wurden darüber<br />

hinaus aus binnenmarkt- bzw. absatzorientierten Gründen<br />

getroffen, also um neue Märkte zu erschließen.<br />

Häufig werden auch nicht ganze Betriebe, sondern nur bestimmte<br />

Bereiche ausgelagert. Dadurch sollen die Gesamtproduktivität<br />

gesteigert <strong>und</strong> Arbeitsplätze in Mutterunternehmen<br />

erhalten werden. Zudem gilt, dass Unternehmen<br />

global kalkulieren <strong>und</strong> dass wahrscheinlich die Erweiterung<br />

dazu beigetragen hat, dass Unternehmensst<strong>and</strong>orte in Europa<br />

verblieben, die <strong>and</strong>erenfalls nach <strong>and</strong>eren Kontinenten<br />

abgew<strong>and</strong>ert wären.<br />

Von der Erschließung der neuen Märkte unserer jungen<br />

Mitgliedstaaten sind in der Vergangenheit gr<strong>und</strong>sätzlich positive<br />

Wirkungen auf die Beschäftigung der heutigen Union<br />

ausgegangen. Hinzu kommt, dass anwachsender Technologietransfer<br />

die Produktivität in den Beitrittsländern rasch<br />

fördern wird <strong>und</strong> damit zu einer fortschreitenden Anhebung<br />

des Lohnniveaus <strong>und</strong> der Sozialleistungen beitragen wird.<br />

Dadurch wird nicht zuletzt auch der Migrationsdruck auf die<br />

Mitgliedsländer sinken, denn Menschen werden eine Zukunft<br />

für sich in ihrer Heimat sehen. Eine intensivere Arbeitsteilung<br />

in der erweiterten Union wird schließlich langfristig<br />

nicht nur insgesamt zu höherem Wachstum führen,<br />

sondern auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der<br />

Union fördern.<br />

Das Wirtschaftswachstum im von den acht neuen mittel<strong>und</strong><br />

osteuropäischen Ländern sowie den beiden K<strong>and</strong>idatenländern<br />

Bulgarien <strong>und</strong> Rumänien gebildeten Wirtschaftsraum<br />

lag bei jeweils etwa 3,1 Prozent in 2001 <strong>und</strong> 2002 <strong>und</strong><br />

bei 4,1 Prozent im vergangenen Jahr. Gleichzeitig wurde das<br />

Inflationsniveau, mit unterschiedlichen Ergebnissen in den<br />

Ländern, insgesamt durchschnittlich um ein Drittel, auf unter<br />

sechs Prozent, abgesenkt. Im Vergleich zu derart beeindruckenden<br />

Wachstumsraten in den neuen Mitgliedsländern<br />

betrug das Wirtschaftswachstum in der Eurozone der<br />

EU im Durchschnitt weniger als zwei Prozent. Selbstverständlich<br />

wird der Aufholprozess Zeit brauchen, denn das<br />

Ausgangsniveau ist deutlich geringer als in den alten EU-<br />

Ländern. Gleichwohl gilt, dass die Europäische Union durch<br />

ihre Neumitglieder an Stärke gewinnt. Bereits seit der zweiten<br />

Hälfte der 90er Jahre ist die Union der wichtigste Wirtschaftspartner<br />

der neuen Mitglieder. Sie wickeln inzwischen<br />

bis zu 70 Prozent ihres grenzüberschreitenden H<strong>and</strong>els innerhalb<br />

der EU ab, <strong>und</strong> der Prozentsatz wird weiter zunehmen.<br />

Davon haben auch die alten EU-Mitglieder profitiert.<br />

Beispielsweise ist der H<strong>and</strong>el der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschl<strong>and</strong><br />

mit den Beitrittsländern in den Jahren vor dem Beitritt<br />

jährlich um etwa 20 Prozent gestiegen. Deutschl<strong>and</strong> verzeichnet<br />

seit Jahren H<strong>and</strong>elsbilanzüberschüsse mit den<br />

Beitrittsländern, <strong>und</strong> für einige von ihnen wurde die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

zum wichtigsten H<strong>and</strong>elspartner. Die wirtschaftlichen<br />

Beziehungen mit den neuen Partnerstaaten sichern<br />

bereits heute in der B<strong>und</strong>esrepublik etwa 120.000<br />

Arbeitsplätze. Mit der ansteigenden Nachfrage nach Gütern<br />

<strong>und</strong> Dienstleistungen aus Deutschl<strong>and</strong> infolge des EU-<br />

Beitritts ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze auch in<br />

Deutschl<strong>and</strong> realistisch zu erwarten. Deutsche Banken, Versicherungen<br />

<strong>und</strong> Telekommunikationsunternehmen verbessern<br />

durch Investitionen in den künftigen Mitgliedstaaten<br />

ihre Position im internationalen Wettbewerb <strong>und</strong> sichern<br />

dadurch gleichzeitig Arbeitsplätze in Deutschl<strong>and</strong>.<br />

Allgemein gilt, dass sich die Produktionsstrukturen in der<br />

Union <strong>und</strong> in den Beitrittsländern tendenziell gut ergänzen.<br />

Während eher kapitalintensive Produktion in den alten<br />

Ländern stattfindet, erfolgt arbeitsintensivere Produktion<br />

derzeit vergleichsweise stärker in den neuen Ländern. Mittelfristig<br />

werden die strikten EU-Sozial- <strong>und</strong> Umweltst<strong>and</strong>ards<br />

jedoch auch zu höheren Produktionskosten in neuen<br />

Mitgliedstaaten führen. Die Osterweiterung wird deshalb<br />

den Anpassungsdruck auf die alten Länder in jenen Bereichen,<br />

in denen die Beitrittsländer traditionell über komparative<br />

Vorteile verfügen, nicht wesentlich erhöhen.<br />

Insgesamt wird der Zugang zu den östlichen Wachstumsmärkten<br />

durch die Erweiterung einfacher <strong>und</strong> vor allem berechenbarer.<br />

Vom verstärkten H<strong>and</strong>el <strong>und</strong> von den wirtschaftlichen<br />

Reformen in den Beitrittsländern werden vor<br />

allem diejenigen EU-Mitgliedstaaten profitieren, die, wie<br />

Deutschl<strong>and</strong>, mit den Beitrittsländern seit langem intensive<br />

Wirtschaftskontakte pflegen. Deshalb werden die volkswirtschaftlichen<br />

Wachstumseffekte für Deutschl<strong>and</strong> <strong>und</strong> Österreich<br />

je nach Prognose auf 0,5 bis ein Prozent des Bruttoinl<strong>and</strong>sprodukts<br />

geschätzt, während <strong>and</strong>ere EU-Mitgliedstaaten<br />

zunächst weniger direkte wirtschaftliche Vorteile<br />

haben werden.<br />

4. Ausblick<br />

Die EU hat sich mit der so genannten Strategie von Lissabon<br />

das Ziel gesetzt, bis zum Jahre 2010 die wirtschaftlich stärkste,<br />

innovativste <strong>und</strong> wettbewerbsfähigste Region in der Welt<br />

zu werden <strong>und</strong> gleichzeitig die Beschäftigungsfrage zu lösen.<br />

Das ist eine sehr anspruchsvolle Zielsetzung. Aber sie ist lösbar,<br />

wenn auch wahrscheinlich nicht im anvisierten Zeitraum<br />

bis 2010. Die Erweiterung wird hierbei helfen, denn<br />

der EU sind Mitgliedstaaten zugewachsen, die nicht nur über<br />

ges<strong>und</strong>e wirtschaftliche Gr<strong>und</strong>lagen verfügen, sondern<br />

die auch reformerprobte Wachstumsmärkte sind. Die neuen<br />

Mitglieder bringen ihre eigenen Erfahrungen der Anpassung<br />

an die wirtschaftlichen <strong>und</strong> sozialen Zukunftsaufgaben mit,<br />

<strong>und</strong> sie haben vielfach Konzepte entwickelt, an denen sich<br />

die alten EU-Mitglieder in den von ihnen selbst unternommenen<br />

Anstrengungen zur strukturellen Reform orientieren<br />

könnten <strong>und</strong> wahrscheinlich auch werden messen lassen<br />

müssen. Von vielfältigen Erfahrungen lernen <strong>und</strong> das Beste<br />

für sich daraus zu machen, das ist eine Chance, die uns die<br />

erweiterte Union bietet. Es wird deshalb auch künftig mehr<br />

Wettbewerb geben. Wettbewerb ist aber keine Bedrohung,<br />

wenn es um die beste Lösung, um den größten Nutzen für<br />

die in der EU zusammengeschlossenen Völker <strong>und</strong> um Verteidigung<br />

dessen geht, was wir das europäische Lebensmodell<br />

nennen.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 61


T H E M E N S C H W E R P U N K T | Varwick, The big ger the bet ter?<br />

The bigger the better? Konzeptionelle Konsequenzen<br />

der Erweiterung für die EU als internationaler Akteur<br />

Johannes Varwick*<br />

Abstract: Due to enlargement, the European Union has to change itself f<strong>und</strong>amentally. One single model of integration for<br />

all the 25 member states is even more difficult to develop than before. If this is true, the acting of the EU in international<br />

politics will be affected as well. On the one h<strong>and</strong>, the enlargement processes will strengthen the potential weight of the EU.<br />

On the other h<strong>and</strong>, the ability to act will be weakened because of the growing heterogeneity <strong>and</strong> a bigger spread of interests.<br />

The article analyses the consequences of the enlargement of the EU as an international actor <strong>and</strong> discusses the question<br />

which future models of integration are thinkable <strong>and</strong> likely.<br />

Keywords: Enlargement, EU as an international actor, future of European integration<br />

1. Skizzen zur europapolitischen Problemagenda<br />

ie politische L<strong>and</strong>karte Europas hat sich in den vergangenen<br />

Jahren nachhaltig verändert, aber erst mit<br />

einem wohl unvermeidbaren Zeitverzug beginnen<br />

sich die neuen Strukturen mitsamt ihren vielschichtigen<br />

Konsequenzen auch auf der kognitiven L<strong>and</strong>karte der Europäer<br />

einzuprägen. 1 D<br />

Insbesondere hat die Europäische Union<br />

(EU) als zentrale Organisation in Europa darüber zu entscheiden,<br />

ob sie sich von einem kraftvollen ökonomischen<br />

Akteur mit gemeinsamer Währung <strong>und</strong> einem umfassenden<br />

<strong>und</strong> täglich wachsenden gemeinschaftlichen Besitzst<strong>and</strong><br />

(acquis communautaire) zu einem ebenso kraftvollen politischen<br />

<strong>und</strong> sicherheitspolitischen Akteur w<strong>and</strong>eln will <strong>und</strong><br />

kann. Die EU steht damit vor der Entscheidung, ob sie sich<br />

hauptsächlich mit sich selbst beschäftigen will, oder aber ob<br />

sie bereit <strong>und</strong> in der Lage ist, friedenspolitische Stabilisierungsfunktionen<br />

für das internationale System auch über ihr<br />

eigenes Territorium hinaus zu übernehmen <strong>und</strong> mithin eine<br />

aktivere weltpolitische Rolle zu spielen.<br />

All dies vollzieht sich vor dem Hintergr<strong>und</strong> der größten Erweiterung<br />

ihrer Geschichte. Die EU hat damit die Chance,<br />

ihre Erfolgsgeschichte in weiten Teilen Mittel- <strong>und</strong> Osteuropas<br />

fortzuschreiben <strong>und</strong> schrittweise den gesamten Kontinent<br />

zu stabilisieren <strong>und</strong> zu befrieden. Nachdem zum 1. Mai<br />

<strong>2004</strong> zunächst zehn Länder beigetreten sind, ist in den<br />

kommenden Jahren mit weiteren Beitritten zu rechnen –<br />

Bulgarien, Rumänien <strong>und</strong> der Türkei wurde bereits eine<br />

konkrete Beitrittsperspektive zugesagt, <strong>und</strong> auch Bosnien-<br />

Herzegowina, Kroatien, Jugoslawien <strong>und</strong> Albanien werden<br />

sich nicht auf Dauer außen vor halten lassen. Es zeichnet<br />

sich also eine EU mit bis zu 30 Mitgliedstaaten ab. Diese historische<br />

Entscheidung ist alternativlos, hat aber gewichtige<br />

Konsequenzen. So werden die Interessenunterschiede bei<br />

steigender Mitgliederzahl zunehmen, die Diskussionen in<br />

den Gremien langatmiger <strong>und</strong> die Entscheidungsprozesse<br />

* Prof. Dr. Johannes Varwick lehrt Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt<br />

Europäische Integration <strong>und</strong> internationale Organisationen an der<br />

Christian-Albrechts-Universität Kiel.<br />

1 Als Problemaufriss siehe Johannes Varwick/Wilhelm Knelangen (Hrsg.):<br />

Neues Europa – alte EU? Fragen an den europäischen Integrationsprozess,<br />

Opladen <strong>2004</strong>.<br />

62 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

komplexer. Ist politische Integration damit letztlich ein regionalistisches<br />

Konzept, das nur so lange praktikabel ist, wie<br />

ein gewisser Grenzwert eines sich vergrößernden Gebildes<br />

nicht überschritten wird? Funktioniert Integration nach<br />

dem EU-Modell nur so lange, wie es ein mehr oder weniger<br />

klar definiertes Außen <strong>und</strong> Innen gibt? Lässt sich in einer<br />

radikal erweiterten EU die friedensstiftende Funktion der europäischen<br />

Einigung aufrechterhalten oder bedeutet dies<br />

langfristig den Zerfall in eine gehobene Freih<strong>and</strong>elszone?<br />

Wie steht es angesichts dieser Fragen um die außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitische<br />

H<strong>and</strong>lungsfähigkeit der erweiterten EU? 2<br />

Die EU wird sich im Zuge dieses Prozesses f<strong>und</strong>amental ändern<br />

bzw. ändern müssen, <strong>und</strong> ein einheitliches Integrationsmodell<br />

für alle 30 Mitgliedstaaten wird immer schwieriger<br />

zu finden sein. Dieser Bef<strong>und</strong> wird auch das Auftreten<br />

der EU auf der internationalen Bühne verändern. Ebenso<br />

wie die Erweiterung das potentielle Gewicht der EU stärkt,<br />

schwächt die Erweiterung gleichzeitig die H<strong>and</strong>lungsfähigkeit<br />

der EU durch eine zunehmende Heterogenisierung. 3 In<br />

diesem Beitrag werden die Konsequenzen der Erweiterung<br />

für die außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitische H<strong>and</strong>lungsfähigkeit<br />

der Union analysiert <strong>und</strong> mit der Frage verb<strong>und</strong>en, welche<br />

zukünftigen Integrationsmodelle denkbar <strong>und</strong> wahrscheinlich<br />

sind.<br />

2. Implikationen der Erweiterung für die<br />

GASP/ESVP<br />

Im außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitischen Bereich sind zwar in<br />

den vergangenen Jahren enorme Fortschritte erzielt worden<br />

<strong>und</strong> im Vergleich zum Integrationsst<strong>and</strong> von Anfang der<br />

1990er Jahre ist der Status quo trotz aller Differenzen bemerkenswert.<br />

Gleichwohl reichen die Regelungen in den<br />

Verträgen <strong>und</strong> die teilweise blumigen Absichtserklärungen<br />

in den Dokumenten der EU oftmals weiter als der am prakti-<br />

2 Ausführliche Argumentation bei Johannes Varwick: EU-Erweiterung: Stabilitätsexport<br />

oder Instabilitätsimport?, in: Aus Politik <strong>und</strong> Zeitgeschichte<br />

(1-2) 2002, S. 23-30.<br />

3 Vgl. Helga Haftendorn: <strong>Sicherheit</strong>spolitik im strategischen Dreieck »Berlin<br />

– Paris – Washington«, in: Politische Vierteljahresschrift (1) <strong>2004</strong>, S. 1-8,<br />

hier S. 7.


schen output zu messende politische Wille zur Kooperation.<br />

Hierfür lassen sich zahlreiche Beispiele anführen, von wichtigen<br />

strategischen Aspekten wie der Uneinigkeit über einen<br />

europäischen Sitz im <strong>Sicherheit</strong>srat der Vereinten Nationen<br />

oder der Frage, in welchem Verhältnis eine militärische europäische<br />

Eingreiftruppe zur NATO stehen soll, bis hin zu<br />

jeweils aktuellen außenpolitischen Streitfragen. So hat insbesondere<br />

der Irak-Krieg 2002/2003 abermals die unterschiedlichen<br />

außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitischen Vorstellungen<br />

der EU-Staaten gezeigt. Der Riss verlief gleichwohl nicht<br />

nur zwischen alten <strong>und</strong> neuen (bzw. zukünftigen) Mitgliedstaaten,<br />

sondern ging mitten durch die EU. 4<br />

Doch damit nicht genug. Es lassen sich auch gr<strong>und</strong>sätzlichere<br />

Fragen an die EU als internationaler Akteur formulieren.<br />

Will die EU internationale Politik strukturprägend gestalten<br />

oder will die EU gestaltet werden? Welches Rollenkonzept<br />

liegt der Gemeinsamen Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik zu<br />

Gr<strong>und</strong>e? 5 Was will die EU mit welchen Mitteln erreichen?<br />

Wird es in Zukunft noch möglich sein, ein »Gemeinsames<br />

Drittes« zu formulieren, das jenseits aller Kontroversen im<br />

Einzelnen die Möglichkeit zur Verständigung bietet? Was ist<br />

die gemeinsame Gr<strong>und</strong>lage, von der aus europäische Politik<br />

formuliert wird? Bleibt Europa nach wie vor Antwort auf<br />

schreckliche Erfahrungen, oder wird es zunehmend zu einer<br />

»Selbstbedienungs-Agentur«, bei der die Mitglieder lediglich<br />

die Vorteile einheimsen, aber bei ernsten Krisen nicht bereit<br />

sind, kurzfristige nationale Interessen zu Gunsten längerfristiger<br />

Gemeinschaftsinteressen (die dann in aller Regel allen<br />

zu Gute kommen) zurückzustellen? Noch deutlicher formuliert:<br />

Setzt sich stärker als bisher eine »Sparkassenmentalität«<br />

durch, bei der die EU als eine Art Kasse gesehen wird, aus<br />

der möglichst viel kurzfristige Rendite zu ziehen ist (Stichworte:<br />

Nettozahlerdebatte oder Agrarbeihilfen), die politisch-strategischen<br />

Vorteile einer stabilen <strong>Frieden</strong>sgemeinschaft<br />

dabei aber nicht mehr ins Gewicht fallen?<br />

2.1 Vertiefung vor Erweiterung?<br />

Eine Vertiefung der EU – das heißt die Entwicklung einer<br />

tragfähigen konstitutionellen Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> die Reform der<br />

Entscheidungsprozesse – galt in Politik <strong>und</strong> Wissenschaft als<br />

Voraussetzung für die Erweiterung. Ein Weitermachen nach<br />

dem bisherigen Integrationsmodell ist erklärtermaßen an die<br />

Grenzen des Machbaren gestoßen. Auf der Agenda der zu<br />

diesem Zweck begonnenen Verfassungsberatungen des dafür<br />

eingesetzten Europäischen Konvents st<strong>and</strong> u.a. eine bessere<br />

Verteilung <strong>und</strong> Abgrenzung der Zuständigkeiten, eine Neuordnung<br />

der bisherigen Verträge, eine Demokratisierung<br />

<strong>und</strong> Effizienzsteigerung der EU sowie die Frage nach den Best<strong>and</strong>teilen<br />

einer künftigen europäischen Verfassung. Im<br />

Kern ging <strong>und</strong> geht es dabei um die Frage, welcher Ebene<br />

künftig die zentralen Kompetenzen für die Gestaltung des<br />

politischen, wirtschaftlichen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Lebens<br />

4 Es sei nur daran erinnert, dass z.B. Frankreich, Deutschl<strong>and</strong> <strong>und</strong> Belgien<br />

vehement gegen das militärische Eingreifen im Irak waren, während etwa<br />

Großbritannien, Spanien <strong>und</strong> Italien die USA unterstützten.<br />

5 Zu dieser zentralen Frage, die in diesem Beitrag allerdings nicht beh<strong>and</strong>elt<br />

werden kann, siehe: Hans-Georg Ehrhart: What model for CFSP, Paris<br />

2002 (Chaillot Paper 55).<br />

Varwick, The big ger the bet ter? | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />

in Europa zukommen sollen. Nach dem vorläufigen Scheitern<br />

der Bemühungen um einen europäischen Verfassungsvertrag<br />

im Dezember 2003 ist die weitere Entwicklung derzeit<br />

noch nicht absehbar. Nach dem spanischen<br />

Regierungswechsel im Frühjahr <strong>2004</strong> ist zwar Bewegung in<br />

die Diskussion gekommen <strong>und</strong> die Staats- <strong>und</strong> Regierungschefs<br />

wollen sich noch unter irischer Präsidentschaft bis<br />

Sommer <strong>2004</strong> auf einen gemeinsamen Vertragstext einigen.<br />

Doch selbst wenn das Paket von den zur Entscheidung befugten<br />

Staats- <strong>und</strong> Regierungschefs als »Herren der Verträge«<br />

nicht wieder aufgeschnürt würde <strong>und</strong> alle dann 25 Mitgliedstaaten<br />

den neuen Text ratifiziert haben, bleibt es umstritten,<br />

ob damit der große Wurf für die zukünftige Gestalt der<br />

EU gef<strong>und</strong>en wäre.<br />

Diese gr<strong>und</strong>sätzliche Debatte lässt die GASP/ESVP nicht unberührt.<br />

So enthielt der Verfassungsentwurf – entgegen der<br />

ursprünglichen Planung – Vorschläge in den Bereichen der<br />

GASP <strong>und</strong> ESVP. 6 Dazu zählen der Posten eines Europäischen<br />

Außenministers (Artikel 27) <strong>und</strong> die Aufnahme einer<br />

kollektiven Verteidigungsklausel (Artikel 40, Absatz 7), die<br />

die Möglichkeit der Errichtung eines verteidigungspolitischen<br />

Kerns in der EU schaffen würde. Bemerkenswert ist<br />

auch die vorgeschlagene Einführung einer strukturierten sicherheits-<br />

<strong>und</strong> verteidigungspolitischen Zusammenarbeit<br />

einer Gruppe von Mitgliedstaaten (Artikel 40, Absatz 6). Auf<br />

diesem Wege soll das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit<br />

auch auf die ESVP ausgeweitet werden, ein<br />

Schritt, der noch in Nizza am britischen Widerst<strong>and</strong> gescheitert<br />

war (Artikel III-213, Absatz 5). Auf absehbare Zeit<br />

wird aber der Vertrag von Nizza die Geschäftsgr<strong>und</strong>lage für<br />

die EU sein. Eine Vertiefung (d.h. die Entwicklung einer<br />

tragfähigen konstitutionellen Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> die Reform der<br />

Entscheidungsprozesse) galt geradezu als Voraussetzung für<br />

die Erweiterung. Nun wird man zunächst ohne eine Verfassung<br />

(aber mit der Rechtsgr<strong>und</strong>lage des Vertrags von Nizza)<br />

<strong>und</strong> ohne die notwendigen Reformen die Erweiterung vollziehen<br />

<strong>und</strong> damit ein Experiment mit ungewissem Ausgang<br />

eingehen müssen. Was dies für die Best<strong>and</strong>sfähigkeit der EU<br />

bedeutet, ob damit ein schleichender Zerfall eingeleitet worden<br />

ist oder ob sich neue Integrationsformen jenseits der bestehenden<br />

Verträge entwickeln werden, muss ebenso abgewartet<br />

werden wie die Frage, was dies für die Möglichkeiten<br />

einer europäischen Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik bedeutet.<br />

2.2 Veränderte Akteursqualität der erweiterten<br />

EU?<br />

Die Erweiterung wird die jungen Demokratien festigen <strong>und</strong><br />

450 Millionen Menschen werden einen gemeinsamen Binnenmarkt<br />

sowie einen gemeinsamen Raum der Freiheit, des<br />

Rechts <strong>und</strong> der <strong>Sicherheit</strong> bilden. Die Bevölkerung der EU<br />

wird um r<strong>und</strong> 20 Prozent zunehmen, die Wirtschaftsleistung<br />

aber zunächst nur um r<strong>und</strong> fünf Prozent steigen. So vergrößert<br />

sich die Bevölkerung der EU zum Mai <strong>2004</strong> von rd.<br />

6 Dazu ausführlich Martin Koopmann: Notwendige Fortschritte, verpasste<br />

Chancen: die GASP/ESVP im Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents,<br />

in: Hans-Georg Ehrhart/Burkard Schmitt (Hrsg.): Die <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />

der EU im Werden. Bedrohungen, Aktivitäten, Fähigkeiten, Baden-Baden<br />

<strong>2004</strong>, S. 78-90.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 63


T H E M E N S C H W E R P U N K T | Varwick, The big ger the bette r?<br />

374,4 Mio. auf 449 Mio., das Bruttoinl<strong>and</strong>sprodukt nimmt<br />

gleichwohl zunächst nur um 437 Mrd. Euro (das entspricht<br />

etwa der Wirtschaftskraft der Niederl<strong>and</strong>e) auf 9598 Mrd. zu.<br />

Allerdings weisen die neuen Mitglieder durchweg höhere<br />

Wachstumsraten als die Altmitglieder auf, sollte dieser Trend<br />

<strong>and</strong>auern, wird das ökonomische Potential der gesamten EU<br />

steigen <strong>und</strong> der Abst<strong>and</strong> der Neumitglieder geringer werden.<br />

Die direkten zusätzlichen ökonomischen Wachstumseffekte<br />

durch die Erweiterung werden für die gesamte EU allerdings<br />

zunächst auf lediglich 0,005 bis 0,2 Prozent pro Jahr geschätzt.<br />

7<br />

Analysen der Haltung der mittelosteuropäischen Neu-EU-<br />

Staaten zu den Inhalten der GASP lassen im längerfristigen<br />

Trend eine erhebliche Angleichung erkennen. So stieg die<br />

Übereinstimmung mit den allgemeinen Stellungnahmen im<br />

Rahmen der GASP von 25,5 Prozent im Jahr 1995 auf 71,8<br />

Prozent im Jahr 2002. Allerdings ergibt die Zustimmung zu<br />

dem formalisierteren Instrument der »Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkte«<br />

im Rahmen der GASP ein differenziertes Bild. Hier<br />

schwankt die Zustimmungsrate erheblich <strong>und</strong> betrug im<br />

Jahr 2002 lediglich 39,2 Prozent, während sie 2001 (55 Prozent)<br />

<strong>und</strong> 2000 (52,9 Prozent) schon höher lag. 8 Eine Vergrößerung<br />

des spread of interests in der EU ist aber dennoch<br />

wahrscheinlich. Dies gilt selbst angesichts der plausiblen<br />

Erwartung, dass die neuen Mitglieder gewissermaßen in den<br />

außenpolitischen common sense der EU – sofern es ihn denn<br />

gibt – hineinsozialisiert werden <strong>und</strong> heftige Positionsunterschiede<br />

wohl nur in Einzelfällen zu erwarten sein werden.<br />

Jenseits dieser konzeptionellen Fragen wird die Erweiterung<br />

aber auch inhaltlich die zukünftige Akteursqualität der EU<br />

verändern. Dies sei an drei Beispielen verdeutlicht:<br />

• Die Mehrzahl der neuen Staaten sind kleine Staaten oder<br />

Kleinststaaten. So kommt Malta auf 300.000 <strong>und</strong> Estl<strong>and</strong><br />

auf 1,4 Millionen Einwohner. Mit Polen (38,6 Millionen)<br />

tritt lediglich ein Staat bei, der hinsichtlich der Bevölkerungsgröße<br />

etwa auf das Gewicht Spaniens kommt. Im<br />

Ergebnis werden die großen Staaten noch stärker als bisher<br />

versucht sein, mit Absprachen unter ein<strong>and</strong>er Führungsfähigkeit<br />

im Sinne einer Art Direktorat wahrzunehmen.<br />

Ebenso sicher werden die kleinen Staaten<br />

darauf jedoch mit Unmut reagieren <strong>und</strong> möglicherweise<br />

Koalitionen auch außerhalb der EU suchen <strong>und</strong> finden.<br />

• Die EU 25 wird einen gemeinsamen Grenzverlauf mit<br />

Russl<strong>and</strong>, Weißrussl<strong>and</strong>, der Ukraine, Mazedonien, Albanien,<br />

Serbien <strong>und</strong> Montenegro sowie Kroatien haben.<br />

Wenn im Jahr 2007 Bulgarien <strong>und</strong> Rumänien EU-<br />

Mitglieder sein werden, käme eine Grenze mit Moldawien<br />

dazu. Im Falle einer Mitgliedschaft der Türkei würde<br />

die EU zusätzlich an Georgien, Armenien, Iran, Irak <strong>und</strong><br />

Syrien grenzen. Bereits nach der Erweiterungsr<strong>und</strong>e im<br />

Mai <strong>2004</strong> wird die GASP sich stärker als bisher mit einer<br />

7 So die Schätzung des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs, vgl. FAZ vom<br />

18.4.<strong>2004</strong>, S. 18.<br />

8 Zahlen nach Mathias Jopp/Barbara Lippert/Elfriede Regelsberger: Europäische<br />

Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik der erweiterten Union – interne<br />

<strong>und</strong> externe Herausforderungen an Politik <strong>und</strong> Institutionen in GASP <strong>und</strong><br />

ESVP, in: Matthias Chardon u.a. (Hrsg.): Regieren unter neuen Herausforderungen:<br />

Deutschl<strong>and</strong> <strong>und</strong> Europa im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert, Baden-Baden<br />

2003, S. 253-265, hier S. 258.<br />

64 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

neuen Nachbarschaftspolitik nach Osteuropa beschäftigen<br />

müssen. 9 Die Neumitglieder bringen einen <strong>and</strong>eren<br />

Blickwinkel sowie <strong>and</strong>ere Netzwerke <strong>und</strong> Perspektiven in<br />

die EU ein <strong>und</strong> dies wird sicherlich Konsequenzen für die<br />

außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitische Agenda haben. Auch<br />

das Verhältnis zu Russl<strong>and</strong> wird vor neuen Herausforderungen<br />

stehen – so ist Kaliningrad nunmehr eine russische<br />

Exklave inmitten der EU <strong>und</strong> die möglichen<br />

ökonomischen Nachteile Russl<strong>and</strong>s durch die EU-<br />

Mitgliedschaft wichtiger H<strong>and</strong>elspartner verlangen ein<br />

intensiveres Eingehen auf russische Interessen. Probleme<br />

ergeben sich auch an den zukünftigen »Schengen-<br />

Grenzen«, die zwar seitens der EU nicht als <strong>und</strong>urchlässige<br />

Blockgrenze definiert werden, aber dennoch von den<br />

nicht der EU angehörenden Staaten als solche gesehen<br />

<strong>und</strong> erlebt werden könnten.<br />

• Insbesondere aber stützt die Erweiterung eine transatlantische<br />

Orientierung der EU. Dies zeigte sich unter <strong>and</strong>erem<br />

an der Haltung zum Irak-Krieg 2002/2003, bei der<br />

alle acht mittelosteuropäischen Beitrittsk<strong>and</strong>idaten fest<br />

an der Seite der USA st<strong>and</strong>en. Bei den wichtigen Akteuren<br />

der transatlantischen <strong>Sicherheit</strong>sbeziehungen bestehen<br />

aber ganz offensichtlich auch unterschiedliche Vorstellungen<br />

hinsichtlich des zukünftigen Verhältnisses von<br />

NATO <strong>und</strong> EU. Während Großbritannien traditionell eine<br />

enge Anlehnung an die USA – für die die NATO allein<br />

als vetoberechtigter Pfeiler einer Zwei-Pfeiler-Allianz akzeptabel<br />

scheint – bevorzugt <strong>und</strong> mit einem »b<strong>and</strong>wagoning«<br />

versucht, Einfluss auszuüben, ist es traditionelle<br />

französische Politik, eher im Sinne eines »balancing« eine<br />

Gegenmacht zu den USA aufzubauen. Polen tendiert eindeutig<br />

<strong>und</strong> unmissverständlich zur britischen Position<br />

<strong>und</strong> wird darin von allen neuen EU-Staaten unterstützt. 10<br />

Nach der Erweiterung der NATO auf 26 Mitgliedstaaten<br />

ist eine weitgehende Mitgliederkongruenz zwischen EU<br />

<strong>und</strong> NATO gegeben. Lediglich sechs Staaten (Finnl<strong>and</strong>,<br />

Irl<strong>and</strong>, Malta, Österreich, Schweden <strong>und</strong> Zypern) sind<br />

Mitglied in der EU, aber nicht in der NATO, während<br />

fünf Staaten (Isl<strong>and</strong>, Norwegen, Kanada, die USA <strong>und</strong> die<br />

Türkei) NATO-Mitglieder sind, die nicht der EU angehören.<br />

3. Flexibilisierung <strong>und</strong> Finalitätsdebatte:<br />

Konsequenzen für die EU-Außenpolitik<br />

Eine mögliche Antwort auf die zunehmende Heterogenität<br />

<strong>und</strong> die Herausforderung der H<strong>and</strong>lungsfähigkeit einer<br />

erweiterten EU ist das Prinzip der »Verstärkten Zusammenarbeit«,<br />

das in Wissenschaft <strong>und</strong> Politik unter ganz verschiedenen<br />

Bezeichnungen (u.a. flexible, abgestufte, differenzierte<br />

Integration) als ein wichtiges Strukturprinzip der Zukunft<br />

diskutiert wird. Damit steht ein Integrationsszenario auf der<br />

politischen Agenda, das die EU nachhaltig verändern wird.<br />

Bereits in der so genannten Flexibilitätsklausel des Nizza-<br />

9 Siehe dazu: Martin Kahl: Welche Grenzen für Europa?, in: Varwick/ Knelangen<br />

(Anm. 1), S. 133-148.<br />

10 Siehe dazu Johannes Varwick: Die Zukunft der transatlantischen <strong>Sicherheit</strong>sbeziehungen.<br />

Vom Partner zum Rivalen?, in: Österreichische Militärische<br />

Zeitschrift (2) <strong>2004</strong>, S. 141-148.


Vertrags wurde festgelegt, denjenigen Mitgliedstaaten, die<br />

mit der Integration in bestimmten Politikfeldern weiter voranschreiten<br />

wollen als <strong>and</strong>ere, dies unter Inanspruchnahme<br />

der gemeinschaftlichen Organe, Verfahren <strong>und</strong> Mechanismen<br />

zu gestatten. Es wird mithin stärker über eine zeitliche,<br />

sektorale, funktionale oder geografische Flexibilisierung der<br />

Integration nachgedacht. Damit verabschieden sich denkbare<br />

<strong>und</strong> praktikable Ordnungsmodelle aber von der Vorstellung<br />

einer einheitlichen <strong>und</strong> gleichzeitigen Integration aller<br />

betroffenen Nationalstaaten.<br />

Unterschiedlichste Modelle dieser Differenzierung werden<br />

derzeit diskutiert, von der Aufbauflexibilisierung (die nur für<br />

neue Projekte – wie z.B. eine Verteidigungsunion – gelten<br />

soll) bis zur Best<strong>and</strong>sflexibilisierung (die sich auf bereits vergemeinschaftete<br />

Politikfelder – wie etwa Teilbereiche der<br />

GASP – bezieht). Im Gr<strong>und</strong>satz sind drei flexible Integrationsformen<br />

zu unterscheiden, die vor allem hinsichtlich der<br />

Punkte Kriterium, Entscheidung, Motiv <strong>und</strong> Methode differieren.<br />

Jedes der drei Modelle birgt Risiken in sich. Während<br />

bei dem Modell der Abgestuften Integration die Gefahr einer<br />

dauerhaften Spaltung der Union zwar gegeben ist, aber versucht<br />

wird, durch ein gemeinsames Ziel einen gemeinsamen<br />

Rahmen zu erhalten, wird bei den Modellen der Variablen<br />

Geometrie <strong>und</strong> der À la Carte-Konzeption dieses gemeinsame<br />

Integrationsziel aufgegeben <strong>und</strong> stärker nach dem spezifischen<br />

Integrationswillen entschieden. Die Risiken liegen<br />

auch da auf der H<strong>and</strong>. Bei dem Modell der Variablen Geometrie<br />

ist der Zusammenhalt der Union gefährdet <strong>und</strong> zudem<br />

drohen überkomplexe Entscheidungsstrukturen. Bei einem<br />

Europa à la Carte droht ein Zerfall in verschiedene<br />

Gemeinschaften, die dann kein Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

mehr entwickeln können. Nachdem auf Gr<strong>und</strong> der Erfahrungen<br />

mit dem Amsterdamer Vertrag Einigkeit best<strong>and</strong>,<br />

dass die bisherigen vertraglichen Regelungen ungeeignet<br />

waren, hat der Vertrag von Nizza neue rechtliche Rahmenbedingungen<br />

geschaffen, von denen aber noch nicht zu<br />

prognostizieren ist, ob sie tatsächlich leichter zu h<strong>and</strong>haben<br />

sind. Die Regelungen – die auch im Verfassungsvertragsentwurf<br />

in diesem Sinne enthalten sind – orientieren sich tendenziell<br />

am Modell der Abgestuften Integration. Für die Zulässigkeit<br />

einer verstärkten Zusammenarbeit sind gemäß Art<br />

40 - 44a EUV vier Rahmenbedingungen vorgesehen: Sie darf<br />

nur als letztes Mittel angewendet werden, muss prinzipiell<br />

allen Mitgliedern offen stehen, in den institutionellen EU-<br />

Rahmen eingeb<strong>und</strong>en sein <strong>und</strong> schließlich eine Mindestteilnehmerzahl<br />

von acht Staaten umfassen. Die Auslösung<br />

der verstärkten Zusammenarbeit kann im Rat mit qualifizierter<br />

Mehrheit gefasst werden. Damit sollen die Risiken der<br />

verstärkten Zusammenarbeit abgemildert, zugleich aber die<br />

H<strong>and</strong>lungsfähigkeit der Europäischen Union beibehalten<br />

werden. 11<br />

11 Ausführliche Argumentation bei: Johannes Varwick: Flexibilisierung oder<br />

Zerfall. Hat die EU Best<strong>and</strong>?, in: Varwick/Knelangen (Anm. 1), S. 59-77.<br />

Varwick, The big ger the bet ter? | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />

Ob sich der Bereich Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik für eine<br />

Flexibilisierung eignet, wird kontrovers diskutiert. 12 Während<br />

einerseits zu Recht darauf hingewiesen wird, dass dies<br />

der wohl einzige Weg sein wird, eine erweiterte EU im sicherheitspolitischen<br />

Bereich h<strong>and</strong>lungsfähig zu halten, wird<br />

<strong>and</strong>ererseits mit nicht weniger Recht auf die Risiken einer<br />

solchen Entwicklung hingewiesen. Auch der deutsche Außenminister<br />

Fischer fordert seit einiger Zeit – im Übrigen in<br />

Abkehr von seinen bisherigen europapolitischen Vorstellungen<br />

– die »strategische Dimension der europäischen Einigung«<br />

mehr in den Vordergr<strong>und</strong> zu rücken. Diese müsse angesichts<br />

der neuen weltpolitischen Realitäten Vorrang vor<br />

einer »kerneuropäischen Perspektive« haben, bei der eine<br />

kleine Gruppe von integrationsbereiten Staaten mit einer<br />

Vertiefung voranschreitet. 13 Man hat den Eindruck, Fischer<br />

hat sich damit abgef<strong>und</strong>en, dass eine radikal erweiterte Union<br />

Abschied von einer föderalen Entwicklung (d.h. einer ebenso<br />

radikalen Vertiefung) nehmen muss. Vielmehr gehe es<br />

heute um die geostrategische Stabilisierung Europas <strong>und</strong><br />

seiner weiteren Peripherie sowie um den Umgang mit neuen<br />

sicherheitspolitischen Herausforderungen, die sich nicht mit<br />

kleineuropäischen Lösungsansätzen bestehen ließen.<br />

3.1 Die Frage nach dem Endzust<strong>and</strong> der Integration:<br />

Prognosen <strong>und</strong> Szenarien<br />

Es gehörte zu den Erfolgsgeheimnissen der europäischen Integration,<br />

dass die Mitgliedstaaten seit der Initialzündung der<br />

Montanunion im Jahr 1951 der Gr<strong>und</strong>satzfrage nach der Finalität<br />

des europäischen Integrationsprozesses auswichen.<br />

Denn mit der Entscheidung für die Methode der sektoralen<br />

Teilintegration, die bei der Schaffung der Europäischen Gemeinschaft<br />

für Kohle <strong>und</strong> Stahl Pate st<strong>and</strong>, erklärten sie sich<br />

zwar zur Übertragung nationaler Kompetenzen in einem zunächst<br />

eng umgrenzten Bereich bereit, ließen aber die Frage<br />

der Zielperspektive der Integration bewusst offen. Auch in der<br />

Folge konzentrierten sich die Verträge stattdessen darauf, im<br />

Einzelnen anzugeben, für welche Bereiche die europäische<br />

Ebene eine Befugnis besitzt <strong>und</strong> nach welchen institutionellen<br />

Regeln Entscheidungen getroffen werden. Wenn dieser<br />

Frage nun nach Auffassung der Staats- <strong>und</strong> Regierungschefs<br />

nicht mehr ausgewichen werden kann <strong>und</strong> soll, dann bedeutet<br />

dies tatsächlich die Chance, EU-Europa zu vollenden. Damit<br />

wird aber auch ein enormes Konfliktpotenzial sichtbar,<br />

das neben der gr<strong>und</strong>sätzlichen Frage nach der maximal verkraftbaren<br />

Zahl an Mitgliedstaaten <strong>und</strong> unterschiedlichen Interessen<br />

auch daraus resultiert, dass sich die Mitglieder über<br />

die gr<strong>und</strong>sätzliche Richtung der Integration nicht einig sind.<br />

Hinzu kommt ein sich verschärfender Konflikt zwischen großen<br />

<strong>und</strong> kleinen Mitgliedern.<br />

12 Vgl. als Befürworter einer Avantgarde der Integrationswilligen in der<br />

GASP: Hans-Georg Ehrhart: Abschied vom Leitbild »Zivilmacht«.<br />

Konzepte zur EU-<strong>Sicherheit</strong>spolitik nach dem Irak-Krieg, in: Varwick/Knelangen<br />

(Anm. 1), S. 149-163, <strong>und</strong> als Skeptiker: Peter Schmidt:<br />

Kerneuropa in der <strong>Sicherheit</strong>spolitik. Integration oder Spaltung der EU?,<br />

in: Erich Reiter (Hrsg.): Jahrbuch für internationale <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />

2003, Hamburg 2003, S. 241-256.<br />

13 So Fischer etwa im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung<br />

vom 6.3.<strong>2004</strong>, S. 9.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 65


T H E M E N S C H W E R P U N K T | Varwick, The big ger the bette r?<br />

Zwar können Prognosen <strong>und</strong> Szenarien für verschiedene<br />

Entwicklungen skizziert werden, letztlich sind jedoch sowohl<br />

die externen politischen Herausforderungen als auch<br />

die internen Entwicklungen der EU nur begrenzt vorhersehbar.<br />

So ist an dieser Stelle auch keine Vorhersage über die<br />

Zukunft beabsichtigt. Vielmehr sollen die Szenarien aufzeigen,<br />

welche Entwicklungen künftig möglich sein könnten,<br />

unter welchen Voraussetzungen sie eintreffen <strong>und</strong> welche<br />

Implikationen sich daraus ergeben. Mit dieser wichtigen<br />

Einschränkung vorangestellt, lassen sich in idealtypischer<br />

Weise drei Szenarien für die künftige Entwicklung der Europäischen<br />

Union entwerfen: 14<br />

• Das Staatswerdungsszenario erwartet <strong>und</strong> fordert den »großen<br />

Sprung« nach vorne, ist allerdings äußert voraussetzungsreich.<br />

Denn ohne die Bereitschaft zur weiteren Abgabe<br />

staatlicher Souveränität ist eine solche Entwicklung<br />

nicht denkbar. Wenn die EU zum größten Erweiterungsschritt<br />

ihrer Geschichte antritt, dann wird es in dieser<br />

Perspektive entscheidend darauf ankommen, dass die<br />

beiden Säulen Erweiterung <strong>und</strong> Vertiefung ihre Balance<br />

behalten. Allein als gehobener Binnenmarkt würde eine<br />

erweiterte EU kaum funktionieren. So müsste von der<br />

Erweiterung früher oder später ein starker Druck in Richtung<br />

auf weitere Vertiefung ausgehen. Die EU entwickelt<br />

sich in dieser Perspektive mittelfristig zu einer »supranationalen<br />

Föderation« 15 mit einer Verfassung, starken Gemeinschaftsorganen,<br />

klarem Kompetenzkatalog sowie<br />

demokratischen Kontroll- <strong>und</strong> Legitimationsverfahren.<br />

Die Problemlösungsfähigkeit einer solchen Union wäre –<br />

wenn sie denn zu St<strong>and</strong>e käme – vergleichsweise hoch<br />

<strong>und</strong> Europa hätte als Zone des <strong>Frieden</strong>s <strong>und</strong> der Stabilität<br />

auch erhebliche Gestaltungskraft nach außen. Die Frage<br />

nach der künftigen Gestalt der EU ist damit aber noch<br />

nicht beantwortet. Denn bei diesem Szenario bleiben zunächst<br />

mehr Fragen als Antworten. Ist der Grad an gemeinsamer<br />

politisch-kultureller Identität gegeben, der<br />

Voraussetzung für eine solche Entwicklung ist? Welche<br />

Rolle spielen die Mitgliedstaaten <strong>und</strong> welche Kompetenzen<br />

werden sie behalten? Begibt sich die EU eher auf den<br />

präsidentiellen oder auf den parlamentarischen Entwicklungspfad?<br />

Mit wie vielen Staaten lässt sich eine solche<br />

Entwicklung praktikabel gestalten? Was passiert mit<br />

den Staaten, die nicht bereit sind, bei diesem Konzept<br />

mitzumachen?<br />

• Das Erosionsszenario nimmt hingegen an, dass die EU<br />

unter der Last der Erweiterung <strong>und</strong> den wachsenden Interessenunterschieden<br />

ihrer Mitgliedstaaten zusammenbricht<br />

oder schleichend erodiert. Die mit dem Ende des<br />

Ost-West-Konflikts veränderte politische L<strong>and</strong>schaft<br />

schlägt nunmehr – mehr als ein Jahrzehnt nach diesen<br />

tektonischen weltpolitischen Verschiebungen – voll auf<br />

den europäischen Integrationsprozess durch. So gibt es in<br />

dieser Perspektive Anzeichen dafür, dass jene Rivalitäten<br />

innerhalb Europas wieder auftauchen, die für ausgeräumt<br />

gehalten worden waren. Die Gemeinschaftsinstitutionen<br />

14 Siehe dazu Franco Algieri/Janis A. Emmanouilidis/Roman Maruhn: Europas<br />

Zukunft. Fünf EU-Szenarien, München 2003.<br />

15 Armin von Bogd<strong>and</strong>y: Die Europäische Union als supranationale Föderation,<br />

in: Integration (2) 1999, S. 95-112.<br />

66 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

sind in dieser Perspektive zu schwach, um als ausgleichendes<br />

Element zu wirken. Unter der Prämisse, dass die<br />

nationalstaatliche Ebene in einer wachsenden Zahl von<br />

Politikfeldern für die Lösung der zahlreichen Probleme<br />

nicht mehr der geeignete Ort ist, hat dieses Szenario für<br />

die Problemlösungsfähigkeit der Politik äußerst negative<br />

Auswirkungen. Denn wenn die europäische Ebene erodiert<br />

<strong>und</strong> kein angemessener Ersatz zur Verfügung steht,<br />

werden die Nationalstaaten auf Alleingänge setzen <strong>und</strong><br />

früher oder später in einen konfliktträchtigen Wettbewerb<br />

unterein<strong>and</strong>er geraten. Europa würde zum Raum<br />

der Instabilität werden <strong>und</strong> dementsprechend auch keinen<br />

Beitrag zur Lösung der außereuropäischen <strong>Sicherheit</strong>sprobleme<br />

leisten können.<br />

• Das Muddling-Through-Szenario geht davon aus, dass die<br />

Europäische Union im Großen <strong>und</strong> Ganzen das bleibt,<br />

was sie nach dem Integrationsst<strong>and</strong> zwischen Nizza-<br />

Vertrag <strong>und</strong> Verfassungskonvent ist: ein unvollkommenes,<br />

reformbedürftiges, kompliziertes politisches Gebilde<br />

sui generis, das dennoch für seine Mitgliedstaaten <strong>und</strong><br />

seine Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger wie auch für die Stabilität<br />

des Kontinents unverzichtbar ist. Die europäische Ebene<br />

hat staatsähnliche Kompetenzen <strong>und</strong> gleichzeitig wird<br />

ihr von den Mitgliedstaaten die Staatsqualität abgesprochen.<br />

Die Kraft zu einem den Erfordernissen angemessenen<br />

Reformschritt bringen die Mitgliedstaaten in dieser<br />

Perspektive gleichwohl nicht auf, es wird aber im Gr<strong>und</strong>satz<br />

allseits akzeptiert, dass ohne die EU in nahezu allen<br />

Politikfeldern kein effektives <strong>und</strong> effizientes Regieren<br />

mehr möglich ist. Innerhalb dieses Szenarios bleibt offen,<br />

ob das integrationspolitische Pendel zu mehr gemeinschaftlichen<br />

Lösungen oder zu einer Abkehr von der Integration<br />

ausschlagen wird. So wäre eine gewisse Rückverlagerung<br />

von Kompetenzen auf die Mitgliedstaaten<br />

ebenso denkbar wie die engere Zusammenarbeit einzelner<br />

Mitgliedstaaten diesseits oder jenseits des EU-Vertrags.<br />

Das Auftreten der EU auf internationaler Bühne bleibt so<br />

wie bisher: unvollkommen, widersprüchlich, aber letztlich<br />

doch für die Mitgliedstaaten unverzichtbar.<br />

Von allen drei Szenarien ist die Eintreffwahrscheinlichkeit<br />

des Muddling-Through-Szenarios als am höchsten einzuschätzen.<br />

In welcher Variante es sich durchsetzen wird, dürfte<br />

sehr stark von der Haltung wichtiger Mitgliedstaaten wie<br />

auch von den externen Faktoren – die sich aus den Unwägbarkeiten<br />

der internationalen Politik ergeben – abhängen.<br />

3.2 Bilanz: Die Grenzen der Integration<br />

Was folgt aus dieser Einschätzung für die Ausgangsüberlegung<br />

dieses Beitrags nach den Konsequenzen für die Bemühungen<br />

um eine effektive GASP/ESVP? Angesichts des erreichten<br />

Integrationsst<strong>and</strong>es in <strong>and</strong>eren Politikbereichen,<br />

der Schicksalsgemeinschaft einer gemeinsamen Währung<br />

<strong>und</strong> der anspruchsvollen Problembereiche in der internationalen<br />

Politik würde ein Scheitern der Bemühungen um europäische<br />

Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik das gesamte Projekt


Europäische Union gefährden. 16 Die gemeinsame außenpolitische<br />

Stimme Europas muss also nicht nur gesucht <strong>und</strong> in<br />

Sonntagsreden beschworen, sondern endlich auch gef<strong>und</strong>en<br />

werden. Was notwendig wäre, ist jedoch noch nicht mehrheitsfähig:<br />

die radikale Verlagerung sicherheitspolitischer<br />

Souveränität <strong>und</strong> Loyalität weg von den Hauptstädten bzw.<br />

die Einführung von Mehrheitsentscheidungen auch im Bereich<br />

der GASP/ESVP. Dennoch bleibt der ambivalente Charakter<br />

der GASP/ESVP zwischen Integration <strong>und</strong> nationaler<br />

Souveränitätswahrung erhalten. Der Weg ist also weiterhin<br />

steinig, aber er dürfte inzwischen unumkehrbar sein. EU-<br />

Europa wird mehr für seine eigene <strong>Sicherheit</strong> verantwortlich<br />

sein als jemals zuvor <strong>und</strong> die europäische Politik muss die<br />

Voraussetzungen dafür verbessern, diese Rolle auch auszufüllen.<br />

Die Europäische Union wird ein »Staatenverein in einer<br />

Welt von Staaten bleiben. Das Zeug zur Utopie hat sie<br />

nicht, aber es ist noch nicht lange her, da hätte sie niem<strong>and</strong><br />

zu träumen gewagt.« 17 Doch heute geht es weniger um die<br />

16 Zu diesem Zusammenhang siehe Johannes Varwick: Die ESVP: eine folgerichtige<br />

Weiterentwicklung der GASP?, in: Werner Hoyer/Gerd<br />

Kaldrack (Hrsg.): Europäische <strong>Sicherheit</strong>s- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik. Der<br />

Weg zu integrierten europäischen Streitkräften?, Baden-Baden 2002, S.<br />

96-107.<br />

17 Joscha Schmierer: Mein Name sei Europa. Einigung ohne Mythos <strong>und</strong><br />

Utopie, Frankfurt/M. 1996, S.207.<br />

Varwick, The big ger the bet ter? | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />

Verwirklichung der Utopie eines befriedeten <strong>und</strong> friedlichen<br />

Kontinents Europa (obgleich dieser Gedanke nichts an Aktualität<br />

verloren hat), sondern auch um die Gestaltungskraft<br />

der EU in der Welt des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts. Und um diese Gestaltungskraft<br />

sieht es aller Wahrscheinlichkeit unter den<br />

gegebenen Vorraussetzungen europäischer Politik eher bescheiden<br />

aus.<br />

Denn ein schleichender Zerfall der EU ist ebenso wenig auszuschließen<br />

wie die Entwicklung einer völlig neuen Integrationsform<br />

jenseits der bestehenden Verträge. Obgleich sich<br />

der Bereich Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik wie kaum ein <strong>and</strong>eres<br />

Politikfeld für gemeinschaftliche Lösungen geradezu<br />

aufdrängen würde, steht nicht zu erwarten, dass mit 25 oder<br />

gar 30 Mitgliedstaten das gelingen könnte, was schon mit 15<br />

Staaten nicht erreicht werden konnte: die wirksame Einbringung<br />

einer gemeinsamen europäischen Stimme in die<br />

internationale Politik. Dabei wird den Europäern, die im Übrigen<br />

von außen schon sehr viel mehr als ein gemeinsamer<br />

Akteur wahrgenommen <strong>und</strong> nachgefragt werden, als dies<br />

von innen erkennbar wäre, schon lange nicht mehr gestattet,<br />

sich auf interne Nabelschau <strong>und</strong> innere Streitereien zu<br />

beschränken. Die schwierigen Debatten über die Zukunft der<br />

Integration wie auch der europäischen Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />

stehen der EU erst noch bevor.<br />

Europäische <strong>Sicherheit</strong>spolitik am Scheideweg<br />

Hans J. Giessmann*<br />

Abstract: The accession of seven East <strong>and</strong> Central European states to NATO, <strong>and</strong> the entry of ten states to the EU, represent<br />

an unprecedented peaceful transformation of the continent’s security l<strong>and</strong>scape. Yet ironically, the euphoria that came with<br />

the end of the Cold War has run its course. It has been replaced by cool calculation, shifting coalitions based on selfinterest,<br />

<strong>and</strong> the politics of the lowest common denominator. As the differences of opinion over the War in Iraq <strong>and</strong> the<br />

draft European constitution have made clear, Europe is by no means simply split into an »old« <strong>and</strong> a »new« camp. There is<br />

room for scepticism whether enlargement of EU <strong>and</strong> NATO will make it any easier to both to achieve internal consensus over<br />

goals <strong>and</strong> to resolve long-st<strong>and</strong>ing conflicts of interest between members.<br />

Key Words: Enlargement EU/NATO, Euro-Atlantic <strong>Security</strong>, Eastern Europe<br />

Wie auch immer die Erweiterung der Nordatlantischen<br />

Allianz <strong>und</strong> der Europäischen Union<br />

einst rückblickend beurteilt wird, eines steht<br />

heute bereits fest: Das Jahr <strong>2004</strong> markiert eine Zäsur in<br />

der wechselvollen Geschichte Europas. Mit der weitreichenden<br />

Veränderung seiner sicherheitspolitischen Geographie<br />

wurde der durch den Zweiten Weltkrieg entst<strong>and</strong>ene<br />

Riss zwischen Ost <strong>und</strong> West beseitigt. Ob die<br />

Erweiterung wirklich ein historischer Schritt zur Vereinigung<br />

Europas war, oder an <strong>and</strong>erer Stelle möglicherweise<br />

neue Bruchlinien von Dauer entstehen, bleibt künftiger<br />

* Prof. Dr. Dr. Hans J. Giessmann ist stellvertretender Wiss. Direktor am<br />

Institut für <strong>Frieden</strong>sforschung <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik an der Universität<br />

Hamburg.<br />

Bewertung vorbehalten. Skepsis ist nicht unbegründet. Sie<br />

stützt sich auf die Beobachtung einer in den zurückliegenden<br />

fünf Jahren auffällig disproportionalen politischen<br />

<strong>und</strong> institutionellen Dynamik im euroatlantischen<br />

Binnenverhältnis. Von der Euphorie jener Gipfeltreffen,<br />

auf denen einst die Weichen für die Erweiterung gestellt<br />

wurden, ist hinter der zur Schau getragenen Fassade ungetrübter<br />

Feierstimmung nicht mehr viel zu spüren. Statt<br />

dessen dominieren nüchterne Interessenkalküle, wechselnde<br />

Koalitionen, Politikansätze des kleinsten gemeinsamen<br />

Nenners. Europa befindet sich zum wiederholten<br />

Male an einem Scheideweg. Die jüngsten Erfahrungen<br />

bieten Anlass zur Sorge, dass sich die verantwortlich<br />

H<strong>and</strong>elnden dessen nur ungenügend bewusst sind <strong>und</strong><br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 67


T H E M E N S C H W E R P U N K T | Gie s s ma nn , Eur opäis c he Sic herheits poli tik a m Scheidewe g<br />

sie deshalb die gegebenen Chancen wiederum nicht nutzen<br />

könnten.<br />

1. Erweiterung: Integrationsmotor oder<br />

Spaltpilz?<br />

Die divergierenden Haltungen der europäischen Staaten<br />

zum Irakkrieg waren nur die Spitze des Eisbergs erkennbarer<br />

Interessenkonflikte zwischen den bisherigen Mitgliedern<br />

der EU <strong>und</strong> der NATO einerseits sowie den »neuen«<br />

<strong>und</strong> den »alten« EU- <strong>und</strong> NATO-Staaten <strong>and</strong>ererseits. In<br />

der Einstellung zum Krieg best<strong>and</strong> angesichts der harten<br />

Position der Bush-Regierung für die Europäer kein Spielraum<br />

für Kompromisse. So war durch mangelnde Übereinstimmung<br />

der Positionen der Europäer unterein<strong>and</strong>er<br />

offener Streit vorprogrammiert. Der Dissens war <strong>und</strong> blieb<br />

jedoch nicht auf die Haltung zum Irakkrieg beschränkt.<br />

Dass zum Beispiel im Winter 2003 Spanien <strong>und</strong> Polen für<br />

die Durchsetzung ihrer Interessen bereit schienen, das<br />

Projekt der Europäischen Verfassung zu Fall zu bringen,<br />

zeigte zum einen, wie weit die Idee europäischer Einheit<br />

noch von ihrer Verwirklichung entfernt ist, zum <strong>and</strong>eren,<br />

dass einzelne Staaten imst<strong>and</strong>e sind, die Europäische Einigung<br />

auch als Ganzes zu gefährden.<br />

Die aufgebrochenen Streitlinien verliefen nicht entlang<br />

der neuen <strong>und</strong> der alten Mitglieder. Insofern sind u.U.<br />

auch durch die Erweiterung von NATO <strong>und</strong> EU neue<br />

Kräftebalancen zu erwarten, die aus der Komposition partikularer<br />

Interessen der Staaten bzw. jeweils interessierter<br />

Staatengruppen erwachsen. Dass die Einigung über gemeinschaftliche<br />

Ziele <strong>und</strong> eine Konsensbildung in der<br />

Tagespolitik unter diesen Voraussetzungen in den erweiterten<br />

Organisationen besser gelingt als bisher, dürfte lediglich<br />

von unerschütterlichen Optimisten für möglich<br />

gehalten werden.<br />

Wie auch immer die Dinge sich wenden, jegliches Klagen<br />

<strong>und</strong> Jammern käme zu spät. Es gibt kein Zurück <strong>und</strong><br />

niem<strong>and</strong> sollte angesichts der gegenwärtigen <strong>und</strong> künftigen<br />

Probleme im Umgang mitein<strong>and</strong>er ernsthaft den<br />

Verlust der europäischen Teilung bedauern. Ihre Überwindung<br />

birgt unendlich mehr Chancen als Risiken. Ungeachtet<br />

abweichender Auffassungen <strong>und</strong> Interessen bietet<br />

der gemeinsame Wertekanon der neuen <strong>und</strong> der alten<br />

Mitglieder, der durch demokratischen Pluralismus <strong>und</strong><br />

marktwirtschaftliche Liberalität, durch die Anerkennung<br />

der Universalität von Menschenrechten <strong>und</strong> durch<br />

Rechtsstaatlichkeit gekennzeichnet ist, ein solides F<strong>und</strong>ament<br />

für gemeinschaftliches H<strong>and</strong>eln. Dieses nicht zu<br />

nutzen, würde nicht nur die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> das soziale Lebensniveau im globalen Wettbewerb<br />

schmälern, sondern auch das politische Gewicht<br />

<strong>und</strong> den Einfluss Europas auf die Geschicke der Weltpolitik<br />

verringern. Schließlich stünde auch innenpolitisch<br />

viel auf dem Spiel. Die Anerkennung beider Organisationen<br />

als Hüterinnen demokratischer Werte <strong>und</strong>, ihrem<br />

eigenen Selbstverständnis entsprechend, auch als institutionelle<br />

Anker gemeinsamer <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Zusammen-<br />

68 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

arbeit im euroatlantischen Raum ist <strong>und</strong> bleibt für die<br />

Unterstützung der EU <strong>und</strong> NATO, für die Bereitstellung<br />

ausreichender Ressourcen durch die Parlamente sowie die<br />

äußere <strong>und</strong> Binnenwirkung der europäischen Idee unverzichtbar.<br />

Gleichwohl sich die Erweiterungen von NATO zum 1. April<br />

<strong>2004</strong> <strong>und</strong> der EU zum 1. Mai <strong>2004</strong> nahezu zeitgleich<br />

vollzogen haben <strong>und</strong> mit Ausnahme Maltas <strong>und</strong> Zyperns<br />

der Kreis der Neumitglieder ausschließlich Staaten Mittel<strong>und</strong><br />

Osteuropas umfasst, 1 sind deren Ziele <strong>und</strong> deren Folgen<br />

sehr unterschiedlich zu beurteilen.<br />

Die Europäische Union ist eine <strong>Frieden</strong>sgemeinschaft sui<br />

generis, deren Wesen, gestützt auf rechtsgemeinschaftliche<br />

Prinzipien, in einer engen strukturellen Integration der<br />

Partnerstaaten <strong>und</strong> ihrer Gesellschaften besteht. Diese<br />

schließt die Bereitschaft zum freiwilligen Transfer partieller<br />

nationalstaatlicher Souveränität in die Obhut der<br />

Rechtsgemeinschaft zu wechselseitigem Vorteil ein. Der<br />

erreichte Grad der Verflechtung innerhalb der Europäischen<br />

Union verw<strong>and</strong>elt einstige nationalstaatliche Grenzen<br />

im Binnenverhältnis der EU sukzessiv in residuale<br />

Demarkationslinien einzelstaatlicher Verwaltung <strong>und</strong> hat<br />

faktisch im Zuge dessen insbesondere die Bedeutung von<br />

nationalen Streitkräften für die Wahrung <strong>und</strong> den Ausgleich<br />

von Interessen der Mitgliedstaaten unterein<strong>and</strong>er<br />

aufgehoben. Die neuen Mitglieder profitieren von einer<br />

in 50 Jahren gewachsenen strukturellen <strong>Frieden</strong>sordnung,<br />

sie mussten aber auch in weit höherem Maße als frühere<br />

Beitrittsländer eigene Anstrengungen unternehmen, dem<br />

inzwischen qualifizierten Normen- <strong>und</strong> Rechtsgefüge der<br />

Europäischen Union Rechnung zu tragen. Während seinerzeit<br />

beispielsweise Spanien noch etwa 8.000 Rechtsakte<br />

im Rahmen des ‚acquis communautaire’ zu berücksichtigen<br />

hatte, waren es für die neuen Mitglieder der EU in<br />

den zurückliegenden Jahren der Beitrittsvorbereitung annähernd<br />

30.000. Die stabilisierende Wirkung der Europäischen<br />

Union nach außen wurde – <strong>und</strong> wird größtenteils<br />

bis in die Gegenwart hinein – vor allem durch ihren Erfolg<br />

als normengeleitete <strong>Frieden</strong>sgemeinschaft im Innern<br />

<strong>und</strong> durch ihren zivilen, vornehmlich wirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> finanziellen Beitrag zur Linderung <strong>und</strong> Beilegung<br />

von Konflikten jenseits ihrer Außengrenzen begründet.<br />

Die militärische Komponente der Union spielte demgegenüber<br />

bisher eine nachrangige Rolle. Ihre Funktion zu<br />

präzisieren <strong>und</strong> in den Gesamtkontext der Gemeinsamen<br />

Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik einzubetten, ist eine der<br />

wichtigsten Herausforderungen der kommenden Jahre,<br />

die von allen Mitgliedern – den alten wie den neuen –<br />

jetzt als gemeinsame Aufgabe zu bewältigen ist.<br />

Die NATO hingegen ist in erster Linie eine <strong>Sicherheit</strong>sgemeinschaft<br />

von Staaten, deren Kern trotz aller Anpassungen<br />

an neue Aufgaben weiterhin in der in Artikel 5 des<br />

Washingtoner Vertrages verankerten Beist<strong>and</strong>sgarantie<br />

der Mitglieder unterein<strong>and</strong>er gegen von außen auf das<br />

Bündnisgebiet gerichtete bewaffnete Angriffe oder An-<br />

1 Vgl. Europäische Union, Liste der Beitrittsk<strong>and</strong>idaten, unter:<br />

http://europa.eu.int/comm/enlargement/c<strong>and</strong>idate_de.htm.


Gie s s ma nn , Eur opäis c he Sic herheits p olitik a m Scheidewe g | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />

griffsdrohungen besteht. 2 Verflechtungen innerhalb der<br />

Allianz beschränken sich auf strukturelles Zusammenwirken<br />

der Streitkräfte, wobei die Autonomie einzelstaatlicher<br />

Entscheidungsbefugnis nicht berührt wird, d.h. alle<br />

wichtigen Entscheidungen des Bündnisses werden weiterhin<br />

ausschließlich im Konsens getroffen. Das Bündnis<br />

kollektiver Verteidigung regelt das koordinierte Verhalten<br />

gegenüber Außenstehenden, für sicherheitspolitische<br />

Streitfragen der Mitglieder unterein<strong>and</strong>er hält es allenfalls<br />

jene Instrumente der politischen Vermittlung vor, die<br />

den Staaten durch Diplomatie ohnehin zur Verfügung<br />

stehen.<br />

Beide – die Europäische Union wie die NATO – haben begonnen,<br />

ihre Funktionen unter dem Anpassungsdruck an<br />

veränderte Herausforderungen nach dem Ende des Kalten<br />

Krieges neu zu interpretieren <strong>und</strong> neue Aufgaben zu<br />

bestimmen. Die Erweiterung beider Organisationen ist<br />

dabei zugleich Teil <strong>und</strong> Ergebnis dieser neuen Interpretation.<br />

Am Beginn der 1990er Jahre st<strong>and</strong> die gemeinsame<br />

Überzeugung der Mitglieder, dass Vertiefung <strong>und</strong> Erweiterung<br />

als Einheit beh<strong>and</strong>elt werden müssten. Die Bereitschaft<br />

zur Erweiterung wurde mit der Forderung an die<br />

Erfüllung von Beitrittskriterien durch die K<strong>and</strong>idatenstaaten<br />

verknüpft. Für den Beitritt zur EU galten die sogenannten<br />

Kopenhagener Kriterien als Maßstab, für die<br />

NATO die im September 1995 formulierten Beitrittskriterien.<br />

Der Zeitraum bis zur Erweiterung sollte für die Anpassung<br />

beider Organisationen an neue Funktionen <strong>und</strong><br />

Aufgaben genutzt werden. Die Terroranschläge vom 11.<br />

September 2001 <strong>und</strong> ihre Folgen brachten jedoch diesen<br />

Ablaufplan durchein<strong>and</strong>er. Einerseits bestärkten sie zwar<br />

die kollektive Einsicht in das Erfordernis einer starken<br />

<strong>und</strong> erweiterten Gemeinschaft. Andererseits wurde<br />

schlagartig klar, dass die Anpassungen der EU <strong>und</strong> NATO<br />

an die neuen Herausforderungen zur <strong>Sicherheit</strong> sehr viel<br />

gr<strong>und</strong>sätzlicher ausfallen mussten, als noch vor wenigen<br />

Jahren erwartet. Diese Aufgabe gilt es nun unter schwierigeren<br />

äußeren Voraussetzungen zu meistern <strong>und</strong> dabei<br />

gleichzeitig die unterschiedlichen Interessen der Akteure<br />

unter einen Hut zu bekommen. Ob die Erweiterung angesichts<br />

neuer Rahmenbedingungen als Integrationsmotor<br />

wirken kann oder zum Spaltpilz wird, hängt vom Willen<br />

aller Beteiligten ab, gemeinschaftlichen Nutzen vor Einzel-<br />

oder Gruppeninteressen zu stellen.<br />

2. Von der »neuen alten« NATO zur »neuen«<br />

NATO?<br />

Die »neue« NATO wurde rhetorisch bereits vor zehn Jahren<br />

aus der Taufe gehoben. Die vergangenen Jahre, insbesondere<br />

der Streit um die Rolle des Bündnisses im Kampf<br />

gegen den Terror, aber auch um seine Rolle im Vorgehen<br />

der USA gegen den Irak, machten allerdings deutlich, dass<br />

die Rollenbestimmung für die NATO bis heute nicht<br />

zufriedenstellend gelöst worden ist. Zum einen bestimmte<br />

2 Vgl. NATO, The North Atlantic Treaty, Washington D.C.- 4. April<br />

1949, unter: http://nato.int/docu/basictxt/treaty.htm.<br />

die Ausgangslage des Ost-West-Konflikts nach dessen Ende<br />

auch weiterhin das strategische Kalkül in der Allianz in<br />

den 1990er Jahren. Im Unterschied zur kooperativen politischen<br />

Rhetorik wurde dieses Kalkül durch Sorgen hinsichtlich<br />

langfristiger Stabilitätsrisiken in Russl<strong>and</strong> <strong>und</strong><br />

hierauf gestützte Überlegungen zur strategischen Dominanz<br />

des Bündnisses in Europa geleitet. Zum <strong>and</strong>eren<br />

blieb der politische Dissens zwischen den Ansprüchen der<br />

Führungsmacht <strong>und</strong> den Ambitionen der europäischen<br />

Partner unaufgelöst. Die USA betrachteten die künftige<br />

Rolle der NATO vor allem durch das Prisma ihrer nationalen<br />

Interessen <strong>und</strong> ihres Beitrages zu deren Durchsetzung.<br />

Die großen europäischen Staaten sahen die künftigen<br />

Aufgaben der NATO auch weiterhin auf den<br />

euroatlantischen Raum, erweitert um seine östliche <strong>und</strong><br />

südöstliche Peripherie, beschränkt. Die euroatlantische<br />

Klammerfunktion, die <strong>Sicherheit</strong>sgarantie gegenüber<br />

Russl<strong>and</strong> <strong>und</strong> ein erweitertes gemeinsames Krisenmanagement<br />

unter dem Dach der Vereinten Nationen bildeten<br />

aus ihrer Sicht weitere Kernfunktionen der Allianz. Insofern<br />

wäre es falsch, die »Abstimmungsprobleme« in der<br />

NATO einer übereilten Erweiterungspolitik anzulasten.<br />

Allerdings könnte die Erweiterung der NATO um zehn<br />

neue Mitglieder, einschließlich der bereits 1999 in Kraft<br />

getretenen Mitgliedschaften Polens, Tschechiens <strong>und</strong> Ungarns,<br />

die Kräfteverhältnisse für die Auflösung dieses Dissens<br />

von Bedeutung sein, insbesondere wenn die Schwierigkeiten<br />

der Europäer, gemeinschaftliche Positionen zu<br />

erarbeiten noch zunehmen sollten. Sollte der Dissens aber<br />

nicht gelöst werden, stünde das Schicksal der NATO als<br />

starkes <strong>und</strong> h<strong>and</strong>lungsfähiges Bündnis früher oder später<br />

auf dem Spiel.<br />

Bereits der Prager Erweiterungsgipfel im November 2002<br />

machte das Ausmaß der schwelenden Krise deutlich. Dem<br />

Pathos der Gipfelsprache, die NATO als ein »Bündnis für<br />

<strong>Frieden</strong>, Demokratie <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>« 3 auszugestalten, entsprach<br />

so gar nicht das zeitgleich erbärmliche Bild, das<br />

die Mitglieder des Bündnisses im <strong>Sicherheit</strong>srat der Vereinten<br />

Nationen hinsichtlich des Vorgehens gegen den<br />

Irak an den Tag legten. Der Beschluss zur Einrichtung einer<br />

Reaktionsstreitmacht (NATO Response Force), von<br />

den Gipfelteilnehmern als großer Erfolg gewürdigt, war in<br />

Wahrheit Zugeständnis jener Europäer an die Adresse<br />

Washingtons, die sich am Krieg nicht beteiligen, jedoch<br />

auch nicht die <strong>Sicherheit</strong>sgemeinschaft mit den USA gefährden<br />

mochten. In der Sache sahen sie zwar die NRF als<br />

den Versuch der USA an, die Bedeutung der bereits beschlossenen<br />

Krisenreaktionskräfte unter dem Komm<strong>and</strong>o<br />

der EU zu relativieren <strong>und</strong> dadurch amerikanischen Einfluss<br />

auf die europäische <strong>Sicherheit</strong>spolitik auf Dauer zu<br />

behaupten. Deutschl<strong>and</strong>, Frankreich <strong>und</strong> <strong>and</strong>ere europäische<br />

Regierungen machten jedoch letztlich aus wohlverst<strong>and</strong>enem<br />

Eigeninteresse gute Miene zu diesem Spiel,<br />

trotz der keineswegs freiwilligen Übernahme zusätzlicher<br />

Pflichten. Ihr Verhalten bestätigte einmal mehr die Erfah-<br />

3 NATO, Prager Gipfelerklärung der Staats- <strong>und</strong> Regierungschefs auf<br />

dem Treffen des Nordatlantikrats in Prag, am 21. November 2002,<br />

NATO Press Release (2002) 127, 22.11.2002, unter:<br />

http://nato.int/docu/other/de/2002/p02-127d.htm.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 69


T H E M E N S C H W E R P U N K T | Gie s s ma nn , Eur opäis c he Sic herheits poli tik a m Scheidewe g<br />

rungen aus der Vergangenheit, dass die Bündnispartner,<br />

vor allem in Europa, in zugespitzten Entscheidungssituationen<br />

stets um des Erhalts der Allianz willen zu größeren<br />

Kompromissen gegenüber den USA bereit sind. Es sind<br />

dabei die unbestreitbaren <strong>Sicherheit</strong>svorteile, die das<br />

Bündnis bietet, welche die Mitglieder vor existenzbedrohenden<br />

Schritten zurückschrecken lassen. So lange diese<br />

Vorteile für die Mitglieder erkennbar bleiben, so lange<br />

wird der Best<strong>and</strong> der NATO nicht gr<strong>und</strong>sätzlich gefährdet<br />

sein. Gleichwohl bleibt dadurch die Frage unbeantwortet,<br />

ob dies auf lange Sicht ausreichen wird, wenn nicht etwa<br />

Verteidigung von Territorium sondern von veränderlichen<br />

Interessen der Mitglieder zur Kernaufgabe der NATO<br />

wird.<br />

Die wichtigsten Erfolge der NATO sind Vergangenheit: ihr<br />

Beitrag zum Ende des Ost-West-Konflikts, zur militärischpolitischen<br />

Stabilität in Europa, zur Reform des <strong>Sicherheit</strong>ssektors<br />

in den ehemaligen sozialistischen Ländern,<br />

zur militärischen Vertrauensbildung <strong>und</strong> zur Beendigung<br />

des Krieges auf dem Balkan. 4 In Afghanistan blieb die<br />

NATO zunächst ungefragt, die Erfolgsaussichten ihrer<br />

später übernommenen ISAF-Mission sind ungewiss. Eine<br />

von den USA ins Spiel gebrachte Rolle der NATO für den<br />

Irak ab 2005 scheint vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Entwicklungen<br />

des vergangenen Jahres, darunter auch dem Truppenabzug<br />

durch Spanien, unrealistisch, jedenfalls für den<br />

Zusammenhalt der Allianz hochproblematisch. Die Art<br />

<strong>und</strong> Weise, wie die USA den »Krieg gegen den Terror«<br />

führen, hat die Interessenkonflikte zwischen den Bündnispartnern<br />

offen ausbrechen lassen <strong>und</strong> nicht zuletzt<br />

dadurch der NATO einen beispiellosen Bedeutungsverlust<br />

beschert.<br />

Hinzu kommen unterschiedliche Erwartungen an das<br />

Bündnis durch die Mitglieder, die umso gravierender wirken,<br />

wie ein übergeordnetes Interesse zur Abwehr eines<br />

klar bestimmbaren militärischen Gegners nicht mehr auszumachen<br />

ist. Unter den neuen Mitgliedern dominiert<br />

der Wunsch nach einer starken <strong>Sicherheit</strong>sgarantie durch<br />

die USA (gegenüber Russl<strong>and</strong>). Sie sehen die NATO als<br />

Klammer für die dauerhafte Bindung der USA an diese<br />

Garantie. Einige Staaten befürworten eine besser abgestimmte<br />

Arbeitsteilung zwischen EU <strong>und</strong> NATO auf Augenhöhe,<br />

<strong>and</strong>ere plädieren für eine Führungsrolle der<br />

NATO auch in der europäischen <strong>Sicherheit</strong>s- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik.<br />

Vor allem die kleinen Allianzpartner erwarten<br />

von der NATO politische Rückenstärkung für die<br />

Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber den größeren<br />

europäischen Mächten. Schließlich wird auch der Umfang<br />

der Lastenverteilung <strong>und</strong> der Verantwortung innerhalb<br />

des Bündnisses unterschiedlich beurteilt. Indem die<br />

NATO zur Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder als ein<br />

zwar weiterhin wichtiges, aber nicht mehr durch äußeren<br />

Druck aufgezwungenes Instrument gemeinsamer <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />

gilt, hat sich ihre Geschäftsgr<strong>und</strong>lage wesentlich<br />

geändert. Existiert keine gemeinsame Bedrohung, die<br />

ein geeintes H<strong>and</strong>eln zwingend macht, besteht theore-<br />

4 Vgl. hierzu die Länderkapitel in: Hans J. Giessmann/Gustav E. Gustenau,<br />

<strong>Security</strong> H<strong>and</strong>book 2001, Baden-Baden: Nomos, 2001.<br />

70 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

tisch auch kein Zwang mehr zur Konsensfindung in strittigen<br />

Fragen.<br />

So paradox es klingt, der Erfolg der NATO bei der Überwindung<br />

jener Bedrohung, die einst zu ihrer Gründung<br />

führte, stellt nunmehr ihre künftige Leistungsfähigkeit<br />

auf den Prüfst<strong>and</strong>. Wenn nämlich Interessenkonflikte<br />

zwischen den Mitgliedern nicht mehr ausgest<strong>and</strong>en werden,<br />

sondern diese dazu führen, dass das Bündnis nur<br />

noch für jene Fälle aktiviert wird, in denen von vornherein<br />

Konsens zu erwarten ist, besteht die Gefahr, dass einzelne<br />

Mitglieder die Fähigkeiten der NATO vornehmlich<br />

nur noch als Ressourcenpool zur Durchsetzung von Interessen<br />

außerhalb der Bündnisstrukturen erachten. Dies<br />

würde ihre Existenz zwar nicht zwingend gefährden, ihre<br />

Rolle jedoch weiter marginalisieren. Ein Indiz hierfür war<br />

der Umgang der USA mit der NATO, nachdem diese erstmals<br />

in ihrer Geschichte den Bündnisfall erklärt hatte.<br />

Dass sich die USA im Vorgehen gegen Afghanistan aus<br />

Gründen uneingeschränkter H<strong>and</strong>lungsfreiheit nicht auf<br />

die Allianz sondern auf »Koalitionen der Willigen« verließen,<br />

machte die NATO in den Augen mancher Beobachter<br />

zum »prominentesten Opfer der Terrorakte des 11.<br />

September.« 5 Donald Rumsfelds Diktum, »die Mission<br />

entscheidet über die Koalition« 6 verwies die NATO nicht<br />

nur rhetorisch in die zweite Reihe. Es drückte aus, dass<br />

sich die USA in der Verfolgung ihrer Interessen nicht von<br />

<strong>and</strong>eren Staaten – auch nicht von den Bündnispartnern –<br />

fesseln lassen würden. Die Worte mögen zwar weniger<br />

scharf gewesen sein, doch auch manche Überlegungen<br />

zur ESVP waren zweifellos ähnlich davon geleitet, europäische<br />

Interessen außerhalb der NATO <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

ohne Mitsprache der USA durchsetzen zu können.<br />

Die Probleme der NATO liegen also nicht in der militärischen<br />

Effizienz des Bündnisses, sondern in der Schwierigkeit,<br />

das geänderte Rollenverständnis der Allianz als der<br />

eines globalen <strong>Security</strong> Providers anstelle eines Systems<br />

kollektiver Verteidigung mit dem divergierenden Interessenspektrum<br />

aller Mitglieder in Übereinstimmung zu<br />

bringen. Ihre Lösung liegt insofern auch nicht in der gegenwärtig<br />

vieldiskutierten Aufhebung asymmetrischer<br />

militärischer Fähigkeiten diesseits <strong>und</strong> jenseits des Atlantiks.<br />

Die sogenannte »Fähigkeitslücke« der Europäer im<br />

Rüstungswettlauf mit sich selbst zu beseitigen, wäre sowohl<br />

aus politischen wie aus finanziellen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />

Gründen ein Irrweg. Die Stärken Europas <strong>und</strong> Amerikas<br />

sind <strong>und</strong> bleiben auch künftig ungleich verteilt.<br />

Wichtigstes produktives Kapital der NATO ist Synergiefähigkeit.<br />

Eine vernünftige Arbeitsteilung ließe strukturelle<br />

Ungleichgewichte zwischen Europa <strong>und</strong> den USA auch<br />

auf Dauer zu <strong>und</strong> selbst eine militärische Hegemonie der<br />

USA im Bündnis wäre kein Problem, sofern die militärische<br />

Komponente Teil eines auf Kollektivität gestützten,<br />

schlüssigen <strong>und</strong> rechtskonformen <strong>Sicherheit</strong>skonzepts der<br />

Allianz wäre, in dessen Rahmen europäische Stärken ge-<br />

5 Helga Haftendorn, Das Ende der alten NATO, in: Internationale<br />

Politik, Jg. 57 Nr. 4/2002, S. 49.<br />

6 Interview mit Donald Rumsfeld, CBS »Face the Nation«, 23.9.2001,<br />

unter: http://nato.usmission.gov/dod/s20010923a.html.


Gie s s ma nn , Eur opäis c he Sic herheits p olitik a m Scheidewe g | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />

nau so ernst genommen werden wie amerikanische<br />

Schwächen <strong>und</strong> umgekehrt.<br />

Das Zukunftsproblem der NATO ist vorwiegend politischer,<br />

nicht militärisch-operativer, Natur. Die unterschiedlichen<br />

politischen Interessen auszubalancieren, ist<br />

eine schwierige Herausforderung für alle Beteiligten. Die<br />

neuen Mitglieder scheinen eine Kursbestimmung für die<br />

NATO zu unterstützen, die sich auf die Hegemonie der<br />

USA, auf eine Präferenz der militärischen Funktionen der<br />

NATO, auf eine vergleichsweise schwache Rolle für die<br />

ESVP <strong>und</strong> auf ihren bevorzugten Status in den rüstungswirtschaftlichen<br />

Bindungen an die USA rückführen lassen.<br />

Die Erweiterung wird es deshalb nicht einfacher machen,<br />

Antworten auf die politischen Kernfragen der<br />

»neuen« NATO zu geben. Sie ist umgekehrt aber auch<br />

nicht haftbar zu machen, dass zufriedenstellende Antworten<br />

bisher ausgeblieben sind.<br />

3. Die Europäische Union auf dem Weg zur<br />

Europäischen Allianz?<br />

Bis 1998 war die sicherheitspolitische Komponente der<br />

Europäischen Union nur schwach ausgeprägt, von der<br />

Schaffung eines verteidigungspolitischen Arms ganz zu<br />

schweigen. Vor allem die doppelte europäische Lehre des<br />

Kosovo-Krieges, bei der Gewaltprävention versagt zu haben<br />

<strong>und</strong> im militärischen Krisenmanagement von den<br />

USA abhängig gewesen zu sein, führte zu einem Umdenken<br />

vor allem in den großen EU-Staaten mit unerwartet<br />

raschen praktischen Folgen. Es schien, als hätten die<br />

Partner endlich das Erfordernis eines engeren sicherheitspolitischen<br />

Zusammenschlusses erkannt <strong>und</strong> die notwendigen<br />

Schlussfolgerungen aus dem gescheiterten<br />

Krisenmanagement gezogen. Das 1999 in Helsinki verabschiedete<br />

Headline Goal der EU sah die Bereitstellung einer<br />

operativen militärischen Komponente in einer Größenordnung<br />

von 50. bis 60.000 Soldaten zur Umsetzung der<br />

sogenannten Petersberg-Missionen vor. 7 Die anschließende<br />

Capabilities Commitments Conference im November<br />

2000 legte als vorläufige Planungsgrößen zur Absicherung<br />

des Headline Goal die Bereitstellung von 100.000 Soldaten,<br />

400 Kampfflugzeugen <strong>und</strong> 100 Marineschiffen fest. 8<br />

Im Verlauf der anschließenden Ausformung der ESVP bis<br />

zum Europäischen Rat von Laeken im Dezember 2001<br />

wurde allerdings sukzessiv von den ursprünglich sehr<br />

ambitionierten <strong>und</strong> umfassenden Aufgaben im Rahmen<br />

des Petersberg-Spektrums abgerückt, eine Konsequenz unter<br />

<strong>and</strong>erem des sehr schwierigen Abstimmungsprozesses<br />

über die Arbeitsteilung zwischen der NATO <strong>und</strong> der EU.<br />

Hinzu kam der infolge der Terroranschläge vom 11. Sep-<br />

7 Vgl. Manfred Baumgartner, Eine Streitmacht für mancherlei Zwecke –<br />

Können die Europäer das Headline Goal erfüllen? In: Erich Reiter/Reinhardt<br />

Rummel/Peter Schmidt (Hg.): Europas ferne Streitmacht.<br />

Chancen <strong>und</strong> Schwierigkeiten der Europäischen Union beim<br />

Aufbau der ESVP, Forschungen zur <strong>Sicherheit</strong>spolitik: Bd. 6, Hamburg<br />

2002, S. 13f.<br />

8 Vgl. Europäische Union, EU Military Structures. Military Capabilities<br />

Commitment Declaration, unter:<br />

http://ue.eu.int/pesc/military/en/CCC.htm.<br />

tember 2001 gew<strong>and</strong>elte strategische Kontext. Der Europäische<br />

Rat von Sevilla im Juni 2002 stellte zwar das Erfordernis<br />

einer integrativen Perspektive auf die künftigen<br />

Aufgaben der <strong>Sicherheit</strong>s- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik fest.<br />

Angesichts des von der NATO erklärten Bündnisfalls war<br />

jedoch die Option einer kollektiven Verteidigungsunion,<br />

einschließlich der Schaffung einer gemeinsamen Armee,<br />

zunächst wieder vom Tisch. Die Dynamik der ESVP aus<br />

den Jahren 1999 bis 2001 schwächte sich in der Folgezeit<br />

deutlich ab. Dennoch blieben Fortschritte nicht aus, zum<br />

Teil als Ergebnis der amerikanischen Forderungen nach<br />

stärkerer Lastenteilung <strong>und</strong> nach Übernahme größerer Eigenverantwortung<br />

für das Krisenmanagement vor allem<br />

in Europa. Zu diesen Fortschritten zählen neben der Vervollkommnung<br />

der institutionellen Strukturen der ESDP<br />

die Verabschiedung des European Capability Action Plan<br />

(ECAP) im November 2001, die im Dezember 2002 erreichte<br />

Einigung über die Verwendung gemeinsamer<br />

Strukturen <strong>und</strong> Kapazitäten zwischen der Europäischen<br />

Union <strong>und</strong> der NATO (Berlin-plus) <strong>und</strong> die im Juni 2003<br />

erfolgte Verabschiedung eines Gemeinsamen Aktionsplanes<br />

zur Bekämpfung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen.<br />

Mit der Übernahme der Mazedonien-Mission<br />

von der NATO stellte sich die EU erstmals in<br />

eigener Verantwortung der Aufgabe militärischen <strong>Peace</strong>keepings.<br />

Die Mission entsprach dabei im Gr<strong>und</strong>satz der Idee<br />

eines integrativen <strong>Sicherheit</strong>skonzepts, wie durch den<br />

Rat von Sevilla vorgesehen. Im Januar 2003 begann zunächst<br />

die von der EU geführte zivile Polizeimission in<br />

Sarajevo (EUPM) mit 500 Polizeioffizieren aus über 30<br />

Ländern. 9 Die NATO-Mission Allied Harmony wurde von<br />

der EU am 31. März des gleichen Jahres übernommen<br />

<strong>und</strong> unter Zugriff auf Fähigkeiten <strong>und</strong> Strukturen der<br />

NATO als Operation Concordia mit 300 Mann Personal<br />

aus 27 Ländern mit dem Ziel durchgeführt, die weitere<br />

Implementierung des Rahmenabkommens von Ohrid<br />

(2001) zu unterstützen. 10 Die Mission wurde im Dezember<br />

2003 beendet. Gleichzeitig wird das Engagement in Form<br />

der zivilen Polizeimission Proxima mit einem M<strong>and</strong>at zunächst<br />

bis Ende <strong>2004</strong> fortgeführt.<br />

Unter französischer Rahmenführung <strong>und</strong> auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

eines M<strong>and</strong>ats der Vereinten Nationen wurde in<br />

2003 eine weitere ESVP-Mission der EU durchgeführt, die<br />

Operation Artemis in der Demokratischen Republik Kongo.<br />

Die Mission zielte auf die Gewährleistung von <strong>Sicherheit</strong><br />

<strong>und</strong> Ordnung als Voraussetzung für eine Verbesserung<br />

der humanitären Lage in der Region Bunia <strong>und</strong> auf<br />

die Wiedereinrichtung einer UN-Mission. Die Operation<br />

wurde am 1. September 2003 beendet. 11 Vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

der insgesamt positiven Erfahrungen mit den bei-<br />

9 Vgl. Javier Solana, Remarks by Javier Solana, EU High Representative<br />

for the Common Foreign <strong>and</strong> <strong>Security</strong> Policy at the opening ceremony<br />

of the EU Police Mission in Bosnia <strong>and</strong> Herzegovina (EUPM), Sarajevo,<br />

15. Januar 2003, unter: http://ue.eu.int/pressdata/EN/discours/<br />

74122.pdf.<br />

10 Vgl. Europäische Union, Militärische Operation der EU in der ehemaligen<br />

jugoslawischen Republik Mazedonien – Operation Concordia,<br />

unter: http://ue.eu.int/arym/index.asp?lang=DE.<br />

11 Vgl. Europäische Union, Militärische Operation der EU in der Demokratischen<br />

Republik Kongo – Operation Artemis, unter: http://ue.eu.int/<br />

pesd/congo/index.asp?lang=DE.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 71


T H E M E N S C H W E R P U N K T | Gie s s ma nn , Eur opäis c he Sic herheits poli tik a m Scheidewe g<br />

den Operationen Concordia <strong>und</strong> Artemis erklärte die EU<br />

ihre Bereitschaft zur Übernahme der ungleich schwierigeren<br />

SFOR-Mission von der NATO ab <strong>2004</strong>.<br />

Die auf den ersten Blick erfreuliche Bilanz kann jedoch<br />

nicht über gravierende politische Spannungen hinsichtlich<br />

der weiteren Ausformung der europäischen <strong>Sicherheit</strong>s-<br />

<strong>und</strong> Verteidigungspolitik im Kontext des euroatlantischen<br />

Verhältnisses hinwegtäuschen. Mit dem<br />

offenen Streit in der Irak-Frage, der die EU-Mitglieder <strong>und</strong><br />

die damaligen Beitrittsk<strong>and</strong>idaten in unterschiedliche<br />

Fraktionen spaltete, stellen sich wesentliche Fragen zur<br />

Zukunft der ESVP neu. Dass sich in einer so gravierenden<br />

Entscheidungssituation die Staaten gegenein<strong>and</strong>er in<br />

Stellung brachten, anstatt einen gemeinsamen Ausweg<br />

aus der Krise zu suchen, machte das Fehlen einer kollektiven<br />

strategischen Plattform zum schwerwiegenden Problem.<br />

Hierin wurzelte der Auftrag des Rates an den Generalsekretär<br />

<strong>und</strong> Hohen Vertreter für die Gemeinsame<br />

Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik der EU, Javier Solana, ein<br />

entsprechendes Dokument zu erarbeiten, das als Europäische<br />

<strong>Sicherheit</strong>sstrategie: »A secure Europe in a better<br />

World« (ESS) am 12. Dezember 2003 durch den Europäischen<br />

Rat in Brüssel angenommen wurde. Die ESS gründet<br />

auf drei Säulen, erstens auf der Stabilisierung der <strong>Sicherheit</strong>slage<br />

im Umfeld der erweiterten Union in<br />

Osteuropa <strong>und</strong> im Mittelmeerraum, unter Einschluss einer<br />

anzustrebenden Lösung des Nahostkonflikts; zweitens<br />

auf dem Prinzip multilateralen H<strong>and</strong>elns in Übereinstimmung<br />

mit den Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>und</strong> Beschlüssen der<br />

Vereinten Nationen; sowie drittens auf entschlossenes<br />

<strong>und</strong> proaktives H<strong>and</strong>eln zur Eindämmung von <strong>Sicherheit</strong>srisiken<br />

<strong>und</strong> Eindämmung potenzieller Krisen bereits<br />

in der Entstehungsphase. 12<br />

Die ESS verst<strong>and</strong> sich als Antwort Europas auf die Nationale<br />

<strong>Sicherheit</strong>sstrategie der USA (NSS). Wie viel die Einigung<br />

auf eine gemeinsame Plattform am Ende des Tages<br />

wert ist, wird sich aber erst in künftigen Krisensituationen<br />

erweisen müssen. Auch die ESS schließt den Einsatz bewaffneter<br />

Gewalt nicht aus, knüpft diesen jedoch deutlicher<br />

als die NSS an eine klare völkerrechtliche Legitimation.<br />

Ob diese Position Best<strong>and</strong> hat, wenn sich die USA im<br />

Konfliktfall erneut nach Verbündeten umsehen, ist ungewiss.<br />

Die stille Hoffnung der EU liegt wohl vorläufig<br />

darin, dass durch die Übernahme von Lasten <strong>und</strong> Führungsverantwortung<br />

auf dem Balkan <strong>und</strong> im Rahmen der<br />

NATO-geführten ISAF-Mission in Afghanistan der Druck<br />

auf eine Beteiligung an weiteren kritischen militärischen<br />

Operationen verringert wird. Um eine erneute Zuspitzung<br />

von Spannungen innerhalb der EU <strong>und</strong> zwischen<br />

EU-Mitgliedern <strong>und</strong> den USA von vornherein zu vermeiden,<br />

wäre ein fortgesetztes Bemühen aller Beteiligten um<br />

Interessenabgleich in der Europäischen Union sehr von<br />

Vorteil. Die höchst problematischen Fraktionsbildungen<br />

im Vorfeld des Beitritts, übergreifend zwischen NATO-<br />

Ländern, EU-Staaten, Beitrittsk<strong>and</strong>idaten <strong>und</strong> dritten<br />

12 Vgl. Javier Solana, Ein sicheres Europa in einer besseren Welt. Europäische<br />

<strong>Sicherheit</strong>sstrategie, Brüssel 12. Dezember 2003, unter:<br />

http://ue.eu.int/solana/docs/031208ESSIIDE.pdf.<br />

72 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

Ländern, legen den Schluss nahe, dass eine nach außen<br />

berechenbare <strong>und</strong> nach innen legitimierte Position der<br />

Union nur durch die Einigung auf krisenfeste Gr<strong>und</strong>sätze<br />

zu entwickeln ist. Die Entscheidung des Europäischen Rates<br />

von Sevilla, dritten Staaten den Zugang zu EUgeführten<br />

Operationen zu ermöglichen, darf in diesem<br />

Zusammenhang als ein weises Signal nach außen aufgefasst<br />

werden, dass sich die EU auch künftig nicht als<br />

Machtkartell verstehen will.<br />

Inwieweit die nunmehr vollzogene EU-Erweiterung die<br />

Richtung <strong>und</strong> den Inhalt der fälligen Gr<strong>und</strong>satzdiskussion<br />

beeinflussen wird, ist offen. <strong>Sicherheit</strong>spolitisch betrachtet,<br />

hatte das Ziel der Mitgliedschaft in der Europäischen<br />

Union für die Beitrittsländer von Anbeginn<br />

eine vergleichsweise geringere Priorität als die NATO-<br />

Zugehörigkeit. Dies war zum einen Folge der vormals<br />

schwach ausgeprägten Verteidigungskomponente der<br />

Gemeinschaft, vor allem aber Resultat der in den Krisensituationen<br />

Europas in den 1990er Jahren zutage getretenen<br />

mangelnden politischen Entschlusskraft der EU-<br />

Mitglieder zu gemeinsamem H<strong>and</strong>eln. Zum <strong>and</strong>eren wird<br />

durch die mittel- <strong>und</strong> osteuropäischen Staaten eine<br />

Schutzgarantie durch die USA gegen äußere Bedrohungen<br />

sicherheits- <strong>und</strong> verteidigungspolitisch deutlich höherwertig<br />

beurteilt, als die bisher vor allem für im Binnenverhältnis<br />

der europäischen Staaten wirkende <strong>Frieden</strong>sordnung<br />

der EU. Letzteres begründet hauptsächlich auch<br />

die Skepsis der meisten Neumitglieder hinsichtlich einer<br />

größeren sicherheitspolitischen Eigenständigkeit <strong>und</strong> Eigenverantwortung<br />

der EU, weil jeder Alleingang der EU<br />

aus ihrer Sicht die Schutzgarantie durch die USA im Rahmen<br />

der NATO relativieren könnte. Die Konsensbildung<br />

in der Union wird durch das unterschiedliche Interessenspektrum<br />

nicht erleichtert. Prinzipiell gilt, dass mit der<br />

Entscheidung über die Aufnahme der mittel- <strong>und</strong> osteuropäischen<br />

Staaten in die NATO kritischere Auffassungen<br />

über die künftigen Aufgaben einer erweiterten Union sowie<br />

über Für <strong>und</strong> Wider einer Mitgliedschaft größeres<br />

Gewicht erhalten dürften. Die im ersten Anlauf gescheiterten<br />

Verh<strong>and</strong>lungen über den Verfassungsentwurf der<br />

Europäischen Union im Rahmen der Regierungskonferenz<br />

Ende des vergangenen Jahres haben überdies gezeigt,<br />

dass nationales Interessenkalkül gerade auch auf Seiten<br />

von Neumitgliedern wie Polen künftig über die Chancen<br />

einer weiteren Vertiefung der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit<br />

mitentscheidet. Dies betrifft aus den bereits<br />

genannten Gründen auch <strong>und</strong> vor allem den Bereich<br />

der Außen-, <strong>Sicherheit</strong>s- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik. Allerdings:<br />

An den <strong>Peace</strong>keeping-Missionen waren einige Beitrittsländer<br />

bereits beteiligt. Dies gilt auch für die bisher<br />

von der NATO geführte SFOR-Mission. An der Operation<br />

Concordia nahmen insgesamt 27 Soldaten aus den baltischen<br />

Staaten, Polen, Slowakei, Slowenien <strong>und</strong> der Tschechischen<br />

Republik teil. Ungarn stellte zusätzlich eigenes<br />

Personal für das Führungskomm<strong>and</strong>o der Artemis-Mission<br />

in Paris ab. So gesehen waren die bisherigen Missionen<br />

durchaus auch ein erfolgreicher Testlauf für das Zusammenwirken<br />

der Staaten <strong>und</strong> ihres Personals nach Vollzug<br />

der Erweiterung.


4. Ausblick<br />

Gie s s ma nn , Eur opäis c he Sic herheits p olitik a m Scheidewe g | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />

Die jüngsten Entwicklungen lehren: Weder Fraktionsbildung<br />

im Innern noch Abschottungs- oder Gegenmachtsmodelle<br />

nach außen sind einer größeren Einflussnahme<br />

der EU auf globale Geschicke dienlich. Wird diese Erkenntnis<br />

durch die »alten« <strong>und</strong> die »neuen« Mitglieder<br />

der EU als h<strong>and</strong>lungsleitendes Axiom konsequent beherzigt,<br />

wird die erweiterte EU den in sie gesetzten Erwartungen<br />

gerecht werden können. Alle Mitglieder täten gut<br />

daran, dies in der alltäglichen Politik zu berücksichtigen.<br />

Die Einigung über eine gemeinsame europäische Verfassung<br />

wäre der wichtigste Schritt in diese Richtung, das<br />

Festhalten an einer rechtskonformen Umsetzung der Europäischen<br />

<strong>Sicherheit</strong>sstrategie ein weiterer. Die europäischen<br />

Staaten sehen sich vor die Frage gestellt, wie sie in<br />

den kommenden Jahren die Außenwirkung der Gemeinschaft<br />

verstärken wollen. Besitzst<strong>and</strong>verteidigung nationaler<br />

Interessen unterein<strong>and</strong>er ist dabei die schlechteste<br />

aller Alternativen. Die Vertiefung der Zusammenarbeit<br />

mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, wie sie vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> der jüngsten Erfahrungen diskutiert<br />

<strong>und</strong> partiell umgesetzt worden ist, wird sich für die Gemeinschaft<br />

nur dann positiv auswirken können, wenn die<br />

Protagonisten engeren Zusammenschlusses nicht in die<br />

Richtung einer »Mehrklassenunion« marschieren, sondern<br />

die Vorteile der Integration im Interesse der Stärkung<br />

der EU <strong>und</strong> der euroatlantischen Partnerschaft als<br />

Ganze einsetzen. Dies setzt allerdings voraus, dass jene<br />

Staaten, die eine engere sicherheits- <strong>und</strong> verteidigungspolitische<br />

Zusammenarbeit zunächst noch ablehnen, ihr<br />

»Opting out« nicht als Instrument zur Schwächung der<br />

Gestaltungsfähigkeit der EU erachten.<br />

Die Zwillingserweiterung von EU <strong>und</strong> NATO ist eine einzigartige<br />

Chance für Europa. Mit ihr verantwortungsvoll<br />

umzugehen, ist eine Herausforderung nicht nur für die<br />

beiden Organisationen sondern für jeden einzelnen ihrer<br />

Mitgliedstaaten.<br />

Nach der Erweiterung: <strong>Sicherheit</strong>spolitische<br />

Herausforderungen für die NATO<br />

Knut Kirste*<br />

Abstract: The article addresses major challenges for NATO’s transformation after the recent enlargement of the organization,<br />

particularly the Alliance’s more active contribution to the security <strong>and</strong> stability of the Euro-Atlantic area <strong>and</strong> beyond,<br />

the improvement of its instruments <strong>and</strong> capabilities (i.a. concerning the fight against terrorism <strong>and</strong> the NATO Response<br />

Force), <strong>and</strong> the state of its partnerships, including to Russia <strong>and</strong> the Ukraine. Finally the author analyses the future of the<br />

Alliance <strong>and</strong> its role in the context of an international security system. An important condition for the success of NATO’s<br />

political strategy is its ability to cope effectively with the new security challenges of the future.<br />

Keywords: NATO, NATO-englargement, Euroatlantic relations, international security<br />

Mit der Hinterlegung ihrer Beitrittsurk<strong>und</strong>en durch<br />

die Regierungschefs von Estl<strong>and</strong>, Lettl<strong>and</strong>, Litauen,<br />

der Slowakei, Slowenien, Bulgarien <strong>und</strong> Rumänien<br />

in Washington Ende März <strong>2004</strong> hat die Allianz ihre<br />

bislang größte Erweiterungsr<strong>und</strong>e vollzogen. Seither gehören<br />

mehr als 45 Millionen zusätzliche Bürger dem euroatlantischen<br />

Bündnis an. Heute sind bereits 40 Prozent der<br />

NATO-Mitgliedsländer ehemals sozialistische oder kommunistische<br />

Staaten. Diese Tatsache ist historisch bedeutsam,<br />

weil man durch die zweite NATO-Erweiterung seit dem Ende<br />

des Kalten Krieges der Vision eines sicherheitspolitisch geeinten<br />

Europas deutlich näher gekommen ist. Gleichzeitig<br />

wirkt die jüngste Erweiterungsr<strong>und</strong>e relativ <strong>und</strong>ramatisch:<br />

Erstens bleibt es erklärte Politik des Bündnisses, weiterhin<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich für neue Mitglieder offen zu sein. Die Teilnahme<br />

der Regierungschefs Albaniens, Kroatiens <strong>und</strong> der e-<br />

* Dr. Knut Kirste, Public Diplomacy Division, NATO, Brüssel. Dieser Artikel<br />

gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wieder.<br />

hemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien an der Zeremonie<br />

in Washington auf Einladung der NATO dokumentierte<br />

diese Bereitschaft. Zweitens wird die Allianz sich <strong>und</strong><br />

ihren neuen Mitgliedern nur wenig Zeit zum Feiern einräumen<br />

<strong>und</strong> sehr schnell zu den gewaltigen sicherheitspolitischen<br />

Herausforderungen zurückkehren, die vor dem erweiterten<br />

Bündnis liegen.<br />

1. Beitrag zu <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Stabilität des Euro-<br />

Atlantischen Raumes <strong>und</strong> darüber hinaus<br />

Auch weiterhin gehört es zu den Hauptaufgaben der Allianz,<br />

die kollektive Verteidigung der NATO-Staaten zu gewährleisten<br />

<strong>und</strong> gemeinsame sicherheitspolitische Interessen ihrer<br />

Mitglieder zu schützen. Mit der Erweiterung sind hier neue<br />

Aufgaben hinzugekommen, insbesondere was die Luftverteidigung<br />

der baltischen Staaten <strong>und</strong> Sloweniens anbelangt.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 73


T H E M E N S C H W E R P U N K T | Kir s te, Sic herheits poli tis che Her a usfor derung en für die NATO<br />

In dieser Frage wurde noch vor dem eigentlichen Betritt der<br />

neuen Mitglieder eine Übergangslösung gef<strong>und</strong>en, um den<br />

betroffenen Ländern, die nicht in der Lage sind, ihren eigenen<br />

Luftraum zu schützen, kollektiv beizustehen. Im Rahmen<br />

ihrer Möglichkeiten werden diese neuen Staaten allerdings<br />

auch zu Produzenten von <strong>Sicherheit</strong>, wenn auch<br />

zunächst nur in einzelnen Nischenbereichen. Das neue sicherheitspolitische<br />

Selbstverständnis der Allianz hat der<br />

amerikanische NATO-Botschafter Nicholas Burns in einer<br />

Senatsanhörung treffend formuliert: Es gehe heute nicht<br />

mehr so sehr darum, wie viele Staaten die NATO zu verteidigen<br />

habe, sondern wie viele Staaten als potentielle Verbündete<br />

auftreten, wenn es hart auf hart komme. 1<br />

1.1 Afghanistan<br />

Immer deutlicher kristallisiert sich als künftige Hauptaufgabe<br />

<strong>und</strong> eigentlicher Test für die neue NATO heraus, einen effektiven<br />

militärischen Beitrag zur <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Stabilität<br />

über den Euro-Atlantischen Raum hinaus zu leisten. Hier hat<br />

die Allianz mit der Übernahme der ISAF-Mission in Afghanistan<br />

im August 2003 ein deutliches Zeichen gesetzt <strong>und</strong> ist<br />

gleichzeitig eine gewaltige <strong>und</strong> langfristige Verpflichtung<br />

eingegangen. Dabei birgt die Mission in Afghanistan sowohl<br />

eine große Chance als auch eine ernst zu nehmende Herausforderung<br />

für das Bündnis: Die zukünftige Glaubwürdigkeit<br />

der NATO als globale <strong>Sicherheit</strong>sorganisation hängt ganz<br />

wesentlich davon ab, wie gut es den 26 Staaten <strong>und</strong> ihren<br />

Partnern gelingen wird, die notwendigen militärischen Mittel<br />

<strong>und</strong> Fähigkeiten zu mobilisieren, um die bislang geographisch<br />

noch auf Kabul <strong>und</strong> K<strong>und</strong>uz begrenzte <strong>Frieden</strong>smission<br />

auf weitere L<strong>and</strong>esteile auszudehnen, ein sicheres<br />

Umfeld für die im September anstehenden Wahlen zu schaffen<br />

<strong>und</strong> ganz allgemein die Zentralgewalt der Karzai-<br />

Regierung gegen Warlords <strong>und</strong> Störversuche zu stärken.<br />

Dabei haben die bisher etwa 6.500 NATO Soldaten aus 34<br />

Entsendenationen laut M<strong>and</strong>at eher eine <strong>Sicherheit</strong> unterstützende,<br />

aber keine friedenssichernde Aufgabe, wie beispielsweise<br />

im Kosovo. Als mittelfristiges Ziel bis zum NATO-<br />

Gipfel im Juni <strong>2004</strong> sollen fünf weitere regionale Wiederaufbauteams<br />

(PRTs) im Norden <strong>und</strong> Westen des L<strong>and</strong>es installiert<br />

werden. Das Bündnis hat bewusst eine vorsichtige,<br />

bedachte <strong>und</strong> Ressourcen sparende Strategie gewählt, um die<br />

Operation langfristig auf ganz Afghanistan auszuweiten –<br />

<strong>und</strong> wird dafür oft kritisiert. Letztlich kann die Allianz als<br />

intergouvernementale Organisation allerdings nur dem<br />

Tempo folgen, das die Mitgliedstaaten vorgeben. Hier spielen<br />

die neuen Mitglieder übrigens bereits heute eine überaus<br />

positive Rolle <strong>und</strong> alle leisten im Rahmen ihrer Möglichkeiten<br />

einen militärischen Beitrag zu den Operationen der Allianz,<br />

inklusive den NATO-Missionen in Bosnien, Kosovo <strong>und</strong><br />

Afghanistan. 2<br />

1 Vgl. Botschafter Nicholas Burns, so zitiert in: B<strong>und</strong>esgenossen kann es<br />

nicht genug geben, Süddeutsche Zeitung, 29. März <strong>2004</strong>. Ähnlich auch<br />

Nicholas Burns, Exp<strong>and</strong>ing the Alliance of Democracies, The Wall Street<br />

Journal, 29. März <strong>2004</strong>.<br />

2 Vgl. NATO vollzieht Erweiterung, FAZ, 29. März <strong>2004</strong>. Im April hatten<br />

auch sechs der sieben neuen NATO-Mitglieder eigene Truppen im Rahmen<br />

der von Polen geführten multinationalen Brigade im Irak.<br />

74 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

1.2 Balkan<br />

In Afghanistan wird sich erneut zeigen, was auf dem Balkan<br />

bereits als bewiesen gilt: Die heute anstehenden <strong>Frieden</strong>smissionen<br />

erfordern ein langfristiges politisches <strong>und</strong> militärisches<br />

Engagement der Staatengemeinschaft <strong>und</strong> jede Hoffnung<br />

auf schnelle Erfolge wird sich in Kabul, ähnlich wie in<br />

Pristina oder Sarajevo, als Trugschluss erweisen. Gerade die<br />

im März wieder aufgeflammten ethnischen Konflikte im Kosovo<br />

machen deutlich, wie sehr das Zusammenspiel politischer,<br />

wirtschaftlicher <strong>und</strong> militärischer Instrumente letztlich<br />

für den Erfolg nahezu aller heute denkbaren<br />

friedenssichernden Operationen ausschlaggebend ist. Die<br />

NATO hat schnell – innerhalb von St<strong>und</strong>en – <strong>und</strong> sehr bestimmt<br />

auf den jüngsten Ausbruch von Gewalt im Kosovo<br />

mit der Entsendung zusätzlicher Truppenkontingente reagiert<br />

<strong>und</strong> den erhofften Abzug militärischer Kräfte aus der<br />

Provinz aufgeschoben. Der NATO-Rat hat auch über mögliche<br />

Anpassungen innerhalb der KFOR beraten, beispielsweise<br />

um mit gewaltbereiten Demonstranten künftig besser<br />

umgehen zu können. Nun müssen auch <strong>and</strong>ere Organisationen,<br />

insbesondere UN, EU <strong>und</strong> die Kontaktgruppe, ihre<br />

spezifischen Instrumente verstärkt zum Einsatz bringen. Die<br />

internationale Gemeinschaft sollte an ihrer Politik ‚St<strong>and</strong>ards<br />

vor Status‘ festhalten, gleichzeitig aber die Ursachen<br />

für die Frustration der Menschen im Kosovo angehen. Insbesondere<br />

gilt es für die Provinz eine wirtschaftliche Perspektive<br />

zu schaffen, die Statusfrage nicht länger als nötig aufzuschieben,<br />

3 den Dialog Belgrad-Pristina wiederzubeleben <strong>und</strong><br />

den neuen Institutionen wirkliche Verantwortung zu übertragen.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erscheint die geplante Übergabe der<br />

gegenwärtigen NATO-Mission in Bosnien an die EU in der<br />

zweiten Jahreshälfte als vielversprechende Chance, eine militärisch<br />

erfolgreiche Mission aus Sicht der NATO zu beenden.<br />

Wichtig ist, dass diese Übergabe auf der Gr<strong>und</strong>lage des<br />

im März 2003 vereinbarten Berlin-Plus-Abkommens 4 erfolgt.<br />

NATO <strong>und</strong> EU müssen auch auf operativer Ebene demonstrieren,<br />

dass sie zu einer echten strategischen Partnerschaft<br />

willens <strong>und</strong> fähig sind. Dazu gehört u.a., dass man die<br />

Verantwortungsbereiche beider Organisationen <strong>und</strong> die verbleibenden<br />

Aufgaben der NATO in Bosnien im Sinne einer<br />

vernünftigen Arbeitsteilung definiert. Hier müssen Pragmatismus<br />

<strong>und</strong> Vertrauen, nicht Rivalität <strong>und</strong> Misstrauen das<br />

H<strong>and</strong>eln auf beiden Seiten des Atlantiks bestimmen. Letztlich<br />

hat die Verhinderung eines offenen Konfliktes in der<br />

ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien im Sommer<br />

2001 bewiesen, wie erfolgreich beide Organisationen im<br />

engen Zusammenspiel sein können. Über den Balkan hinaus<br />

wäre es dringlich, diese strategische Partnerschaft auf weitere<br />

Bereiche internationaler <strong>Sicherheit</strong> – beispielsweise Terro-<br />

3 Vgl. James Dobbins, Kosovo: Delaying is the least-best option, IHT, 2.<br />

April <strong>2004</strong>, für eine der zahlreichen Stimmen, die nach der jüngsten Gewaltwelle<br />

eine pragmatischere Sicht auf die Statusfrage, möglicher Teilungspläne<br />

fordern.<br />

4 Das am 17. März 2003 verabschiedete Berlin-Plus-Paket regelt in einer<br />

Reihe von Einzelabkommen die Kooperation zwischen NATO <strong>und</strong> EU im<br />

Kontext internationalen Krisenmanagements. Insbesondere werden<br />

Mechanismen für den Rückgriff durch die EU auf NATO-Mittel <strong>und</strong><br />

-Fähigkeiten, einschließlich Planungskapazitäten <strong>und</strong> Komm<strong>and</strong>ooptionen,<br />

etabliert.


Kir s te, S icherh eits po litis c he Her a usfor derung en für die NAT O | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />

rismusbekämpfung, Schutz vor Massenvernichtungswaffen<br />

<strong>und</strong> Zivilschutz – auszudehnen. Hier können die neuen Mitglieder<br />

einen durchaus positiven Impuls <strong>und</strong> Anstoß geben,<br />

weil sie dem NATO-EU-Verhältnis eher pragmatisch als<br />

ideologisch gegenüber stehen <strong>und</strong> eine völlige Abkoppelung<br />

der europäischen <strong>Sicherheit</strong>s- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik vom<br />

transatlantischen Bündnis mehrheitlich ablehnen.<br />

1.3 Neue Operationen?<br />

Mitte des Jahres wird sich das Bündnis auch mit der Frage<br />

einer erweiterten Rolle der NATO im Irak ausein<strong>and</strong>er setzen<br />

müssen. 5 Auch hier wird die Diskussion trotz aller politischen<br />

Belastung der Thematik letztlich pragmatisch geführt<br />

werden: Was kann das Bündnis, bei Vorliegen der mehrfach<br />

genannten legitimatorischen Voraussetzungen durch UN<br />

<strong>und</strong> eine demokratisch legitimierte Übergangsregierung in<br />

sinnvoller Weise beitragen, um die Stabilität im Irak zu<br />

verbessern? Hier sind neben politisch motivierten auch militärische<br />

Grenzen für eine wirklich bedeutende Rolle des<br />

Bündnisses in naher Zukunft eher wahrscheinlich: Der erweiterte<br />

Einsatz in Afghanistan, die fortlaufenden Operationen<br />

auf dem Balkan <strong>und</strong> zahlreiche <strong>and</strong>ere <strong>Frieden</strong>smissionen<br />

einzelner Alliierter begrenzen die Bereitschaft der<br />

Nationen, umfangreiche zusätzliche Truppen für eine weitere<br />

große NATO-Operation zur Verfügung zu stellen. Allerdings<br />

sollte die symbolische <strong>und</strong> legitimatorische Wirkung<br />

eines koordinierenden Einsatzes der NATO im Irak, beispielsweise<br />

durch die Übernahme der Komm<strong>and</strong>ofunktion,<br />

bei gleichzeitigem Verbleib der Koalitionstruppen nicht unterschätzt<br />

werden. Auch hier gilt: Militärische Optionen<br />

müssen an glaubwürdige politische Lösungsstrategien für<br />

das L<strong>and</strong> gekoppelt sein.<br />

Langfristig scheint sich also ein Muster des Zusammenspiels<br />

zwischen UN <strong>und</strong> NATO für viele denkbare Szenarien herauszukristallisieren:<br />

Während die UN politische Legitimation<br />

beisteuern <strong>und</strong> den Wiederaufbau koordinieren, übernimmt<br />

die NATO als multinationale Allianz die militärischen<br />

<strong>und</strong> sicherheitsrelevanten Aspekte des Krisenmanagements.<br />

Sie kann hier besonders erfolgreich multilaterales<br />

H<strong>and</strong>eln <strong>und</strong> militärische Effektivität mitein<strong>and</strong>er verbinden:<br />

Zum einen umfaßt der NATO-Verb<strong>und</strong> heute nicht<br />

nur die 26 Mitgliedstaaten. Die Allianz ist auch zu einem<br />

recht flexiblen Organisationsrahmen geworden, in den sich<br />

insgesamt über 50 NATO- <strong>und</strong> Partnerstaaten sicherheitspolitisch<br />

<strong>und</strong> militärisch einbinden lassen. Diese Partnerstaaten,<br />

von denen einige bereits an gemeinsamen militärischen<br />

Operationen im NATO-Rahmen teilnehmen, repräsentieren<br />

heute übrigens deutlich mehr als nur die USA <strong>und</strong> den ‚Westen‘.<br />

Diese Tatsache hat auch positive Auswirkungen auf die<br />

Legitimität <strong>und</strong> Akzeptanzfähigkeit von NATO-Operationen<br />

in der Zukunft. Außerdem gelingt es der NATO nach wie<br />

vor, die Vereinigten Staaten in multilaterales sicherheitspolitisches<br />

H<strong>and</strong>eln einzubinden. Zum <strong>and</strong>eren kann die Allianz,<br />

wenn der politische Wille der Mitgliedstaaten vorhan-<br />

5 Lothar Rühl, Die Nato vor der mittelöstlichen Doppelfalle, NZZ, 14. April<br />

<strong>2004</strong>, hat die damit verb<strong>und</strong>enen Implikationen für die Allianz herausgearbeitet.<br />

den ist <strong>und</strong> die militärische Modernisierung des Bündnisses<br />

konsequent weiter verfolgt wird, militärisch sehr effektiv<br />

h<strong>and</strong>eln. Diese beiden Vorteile, Multilateralismus <strong>und</strong> Effektivität<br />

können in Zukunft entscheidende Vorteile der Organisation<br />

sein. 6<br />

2. Förderung <strong>und</strong> Ausbau der militärischen Mittel<br />

<strong>und</strong> Fähigkeiten der NATO<br />

Militärische Effektivität <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit sind also<br />

wichtige Voraussetzungen für den Erfolg einer erweiterten<br />

Allianz. Die zweite große Herausforderung der NATO besteht<br />

daher in einer weiteren Modernisierung der NATO-Mittel<br />

<strong>und</strong> Fähigkeiten als Anpassung auf neue Bedrohungen wie<br />

Terrorismus, Massenvernichtungswaffen <strong>und</strong> zerfallende<br />

Staaten <strong>und</strong> die politisch-militärische Neuausrichtung auf<br />

eine globale <strong>Sicherheit</strong>sorganisation. 7<br />

2.1 Militärische Mittel <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />

Dabei wurden seit der ersten, in Washington 1999 gestarteten<br />

Initiative (DCI), über die Präzisierung <strong>und</strong> Verschlankung<br />

des Anforderungskataloges auf dem Prager Gipfel 2002<br />

(PCC) bis heute echte Fortschritte bei der Modernisierung<br />

erreicht. Natürlich können Militärplaner nie ganz mit den<br />

Anstrengungen der Staaten zufrieden sein. Wichtige Fortschritte<br />

wurden dennoch erzielt, weil man sowohl in zentralen<br />

Bereichen wie dem strategischem Luft- <strong>und</strong> Seetransport,<br />

Luftbetankung <strong>und</strong> Präzisionsmunition gegenwärtig<br />

über multinationale Arbeitsgruppen gemeinsame Lösungen<br />

umsetzt. Insbesondere ist die NATO heute aber auch realistischer<br />

in ihren Erwartungen geworden <strong>und</strong> alle Mitglieder<br />

anerkennen uneingeschränkt die Notwendigkeit einer<br />

nachhaltigen Modernisierung <strong>und</strong> Umgestaltung ihrer<br />

Streitkräfte.<br />

2.2 Einsatz- <strong>und</strong> Verwendungsfähigkeit<br />

Die wesentliche Herausforderung für die erweiterte Allianz<br />

liegt in den nächsten Jahren dabei vielleicht weniger im<br />

technologischen Bereich der Modernisierung, sondern darin,<br />

die Einsatz- <strong>und</strong> Verwendungsfähigkeit sowie die Verlegefähigkeit<br />

der etwa 1,4 Millionen nicht-amerikanischen NATO-<br />

Truppen angesichts wachsender Verpflichtungen im Bereich<br />

der personalaufwendigen <strong>Frieden</strong>smissionen zu steigern. Der<br />

Istanbuler NATO-Gipfel im Juni <strong>2004</strong> könnte dazu auch<br />

quantitative Zielgrößen vorgeben. Weiterhin gilt es vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> der gesteigerten operativen Rolle der NATO das<br />

Zusammenspiel von Streitkräfteplanung <strong>und</strong> dem oft langwierigen<br />

Prozess zur Generierung von Streitkräften für konkrete<br />

Operationen zu optimieren. Hierbei haben die Erfah-<br />

6 In den Worten Botschafter Burns hat die NATO die Chance: »to answer<br />

President Bush’s call for effective multilateralisms«, in: Exp<strong>and</strong>ing the Alliance<br />

of Democracies, The Wall Street Journal, 29. März <strong>2004</strong>.<br />

7 Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf militärische Mittel<br />

<strong>und</strong> Fähigkeiten. Zu fragen wäre aber auch, inwieweit die NATO über<br />

diese klassischen Instrumente der <strong>Sicherheit</strong>spolitik hinaus moderne <strong>und</strong><br />

‚unkonventionelle’ Instrumente brauchen wird, um eine wirklich umfassende<br />

<strong>Sicherheit</strong>sorganisation des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts werden zu können.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 75


T H E M E N S C H W E R P U N K T | Kir s te, Sic herheits poli tis che Her a usfor derung en für die NATO<br />

rungen der Afghanistan Mission bereits zu ersten Anpassungen<br />

im traditionellen Zusammenspiel zwischen militärischer<br />

Einsatzplanung <strong>und</strong> Streitkräftegenerierung geführt. Mit Hilfe<br />

des neuen Strategischen Komm<strong>and</strong>os Transformation<br />

(ACT) in Norfolk, Virginia, an dem sich auch Frankreich beteiligt,<br />

soll die weitere Modernisierung der militärischen<br />

Mittel <strong>und</strong> Fähigkeiten der Allianz, durch Forschung <strong>und</strong><br />

Entwicklung, auch im Bereich der Militärdoktrin, vorangetrieben<br />

werden.<br />

2.3 NRF<br />

Die NATO Response Force (NRF) ist natürlich ein wichtiger<br />

<strong>und</strong> sicherlich der prominenteste Teil dieser umfassenden<br />

Modernisierung der militärischen Mittel <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />

des Bündnisses. Auch hier wurden beachtliche Fortschritte<br />

in der operativen Umsetzung erzielt <strong>und</strong> die neue Truppe<br />

hat im Oktober 2003, deutlich eher als geplant, ihre erste<br />

Stufe der Einsatzbereitschaft erreicht. Bis Oktober 2006 wird<br />

das Konzept wohl in voller Truppenstärke implementiert<br />

sein. Langfristig muss daran gedacht werden, inwieweit<br />

Partnernationen sinnvoll in das Konzept eingeb<strong>und</strong>en werden<br />

können. Auch wäre denkbar, Mechanismen zu finden,<br />

wie die NRF den EU-Staaten, die nicht Mitglied der NATO<br />

sind, zugänglich gemacht werden kann. Als Vision könnten<br />

einst die NRF <strong>und</strong> die von der EU geplante Europäische<br />

Schnelle Eingreiftruppe, die ja <strong>and</strong>ere Aufgaben <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />

besitzt, der jeweils federführenden Organisation für<br />

unterschiedliche Szenarien zur Verfügung gestellt werden.<br />

Innerhalb der NATO wird es wichtig sein, das langfristige<br />

Interesse <strong>und</strong> Engagement der Nationen über viele Rotationszyklen<br />

hinweg sicherzustellen <strong>und</strong> eine angemessene<br />

Verbindlichkeit zu etablieren, nachdem nationale Truppenkontingente<br />

einem Einsatzzyklus zugesprochen worden<br />

sind. Die neuen Länder wirken dabei eher unproblematisch<br />

im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Angesichts der kurzen Entscheidungszeiten<br />

über den Einsatz der NRF könnten die<br />

Parlamentsvorbehalte in einigen der traditionellen NATO-<br />

Länder schon eher zum Problem werden. 8 Letztlich kann<br />

ein Instrument wie die NRF aber nur erfolgreich sein, wenn<br />

sich die Staaten politisch einig sind über die Einsatzszenarien<br />

für die Truppe. Natürlich gibt es hier noch unterschiedliche<br />

Positionen. Die vielbeschworene Uneinigkeit im<br />

Bündnis über die ‚großen Fragen‘ wie Terrorismusbekämpfung,<br />

Prävention <strong>und</strong> Präemption wirken auf der Arbeitsebene<br />

aber viel <strong>und</strong>ramatischer <strong>und</strong> beide Seiten des Atlantiks<br />

bewegen sich in diesen Fragen heute mehr <strong>und</strong> mehr<br />

aufein<strong>and</strong>er zu.<br />

2.4 Schutz gegen den Terrorismus<br />

Der Stärkung der Fähigkeiten der NATO im Kampf gegen<br />

den Terrorismus <strong>und</strong> die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen<br />

kommt ein besonderer Stellenwert im Modernisierungskonzept<br />

der Allianz zu. Wichtig ist hierbei, die Ge-<br />

8 Vgl. in diesem Zusammenhang die SWP-Studie von Norbert Eitelhuber:<br />

Implikationen der NATO Response Force für die Parlamentsbeteiligung,<br />

Berlin, April <strong>2004</strong>.<br />

76 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

samtheit der Mittel <strong>und</strong> Fähigkeiten im Kampf gegen den<br />

internationalen Terrorismus im Auge zu behalten <strong>und</strong> sich<br />

auf die Nischenfunktion der NATO zu konzentrieren. Neben<br />

Abwehrmaßnahmen, die eine verstärkte Zusammenarbeit<br />

bei der Aufklärung notwendig machen; offensiven Strategien,<br />

die eine Zerschlagung terroristischer Ausbildungslager<br />

beinhalten könnten; der Verbesserung nationaler Zivilschutzmaßnahmen<br />

als Antwort auf verheerende Konsequenzen<br />

eines terroristischen Angriffs, gilt es insbesondere<br />

auch, die bereits begonnene Zusammenarbeit mit <strong>and</strong>eren<br />

Internationalen Organisationen, wie der UN, der OSZE, der<br />

EU oder <strong>and</strong>eren spezialisierten Institutionen, weiter operativ<br />

zu verstärken. Wie erfolgreich die NATO als aktiver ‚Terroristenjäger‘<br />

sein kann, bleibt abzuwarten. Ihre verstärkten<br />

Anstrengungen, ein halbwegs sicheres Umfeld in zentralen<br />

Krisenregionen der Welt zu fördern, tragen in jedem Falle<br />

aktiv zur Eindämmung des Nährbodens für Terrorismus bei.<br />

Auf ihrem informellen Arbeitstreffen in Brüssel im April<br />

<strong>2004</strong>, haben die NATO-Außenminister zusätzlich einen verstärkten<br />

Maßnahmenkatalog zur Unterstützung im Kampf<br />

gegen den Terrorismus zur Verabschiedung auf dem Istanbuler<br />

Gipfel im Juni <strong>2004</strong> in Auftrag gegeben. 9<br />

3. Kooperative Partnerschaftsbeziehungen<br />

Die Aufnahme sieben weiterer Staaten aus Ost-Mitteleuropa<br />

im März <strong>2004</strong> hat eindrucksvoll den Prozess der Transformation<br />

der Allianz von einem selbstbezogenen Verteidigungsbündnis<br />

des Kalten Krieges in eine gr<strong>und</strong>sätzlich offene,<br />

partnerschaftlich <strong>und</strong> auf Kooperation ausgerichtete <strong>Sicherheit</strong>sorganisation<br />

vervollständigt. Der Ausbau ihrer vielfältigen<br />

Partnerschaftsbeziehungen sowohl zu individuellen<br />

Staaten als auch zu wichtigen internationalen Organisationen<br />

wie UN, EU <strong>und</strong> OSZE, wird auch weiterhin eine der<br />

Prioritäten der Agenda der NATO bleiben.<br />

3.1 Individuelle Partnerschaften<br />

Interessanterweise wird die Aufnahme von sieben Partnerländern<br />

als Vollmitglieder diesen Prozess noch beschleunigen.<br />

Zum einen wird die Gruppe der verbleibenden Partner<br />

heterogener <strong>und</strong> verlangt nach einer stärkeren Differenzierung<br />

<strong>und</strong> Individualisierung des Partnerschaftsprogramms:<br />

Staaten, die so unterschiedlich sind wie Schweden oder Kasachstan,<br />

erwarten zu Recht ein Kooperationsangebot, das<br />

auf ihre jeweils unterschiedlichen <strong>Sicherheit</strong>sinteressen ausgerichtet<br />

ist. Georgien hat als erstes Partnerl<strong>and</strong> Anfang April<br />

<strong>2004</strong> einen ‚Individual Partnership Action Plan‘ (IPAP)<br />

eingereicht, der Beginn eines wirklich maßgeschneiderten<br />

Partnerschafts-Konzeptes. Auch wird es darum gehen, das<br />

9 Vgl. Declaration on Terrorism, NATO Press Release PR/CP(<strong>2004</strong>)0057, issued<br />

at the meeting of the North Atlantic Council in Foreign Ministers<br />

Session held in Brussels on 2 April <strong>2004</strong>. Die darin enthaltenen zehn<br />

konkreten Elemente sehen u.a. ein Terrorist Threat Intelligence Unit im<br />

NATO Hauptquartier in Brüssel, verstärkte Zivilschutzmaßnahmen, NATO<br />

<strong>Sicherheit</strong>sunterstützung für einzelne Großveranstaltungen wie die<br />

Olympischen Spiele <strong>und</strong> verstärkte Anstrengungen im Zusammenhang<br />

mit einem Luftsicherheitskonzept für zivile Luftfahrt vor.


Kir s te, S icherh eits po litis c he Her a usfor derung en für die NAT O | T H E M E N S C H W E R P U N K T<br />

Programm der »Partnerschaft für den <strong>Frieden</strong>« (PfP) 10 auf<br />

operativer Ebene noch stärker mit Leben zu füllen, beispielsweise<br />

durch eine verstärkte Einbeziehung der Partner,<br />

insbesondere aus dem Kaukasus <strong>und</strong> Zentralasien, in die Anstrengungen<br />

der NATO im Kampf gegen den internationalen<br />

Terrorismus. In diesem Zusammenhang dürfte auch eine Intensivierung<br />

des von der NATO seit 1994 durchgeführten<br />

Mittelmeerdialogs mit sieben Staaten des nordafrikanischen<br />

Raumes <strong>und</strong> des Nahen Ostens zu erwarten sein. Auch hier<br />

gilt es, über den Dialog hinaus, zunächst konkretere sicherheitspolitische<br />

Zusammenarbeit zu realisieren, beispielsweise<br />

Ausbildung, Training <strong>und</strong> die Reform des <strong>Sicherheit</strong>ssektors.<br />

Aber es gibt keinen Gr<strong>und</strong>, warum man im Rahmen eines<br />

erweiterten NATO-Mittelmeerdialoges langfristig nicht viel<br />

ambitionierter denken sollte. Schließlich sind Staaten wie<br />

Jordanien <strong>und</strong> die Vereinigten Arabischen Emirate bereits in<br />

die <strong>Frieden</strong>smission im Kosovo integriert worden.<br />

3.2 The Greater Middle East?<br />

Angesichts der im Frühjahr <strong>2004</strong> zunächst von den Vereinigten<br />

Staaten angeregten, später aber auch von zahlreichen<br />

europäischen Staaten aufgegriffenen Initiative zum Dialog<br />

mit dem Nahen <strong>und</strong> Mittleren Osten, 11 überlegt auch die<br />

NATO, welchen Beitrag sie zu einer solchen umfassenden<br />

Initiative zu leisten vermag. Sicherlich geht es bei einer<br />

möglichen – bislang ja durchaus kontrovers diskutierten –<br />

Kooperationsinitiative insbesondere um Aktivitäten zur<br />

Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung wie sie am<br />

ehesten im Rahmen der G-8, der Weltbank oder der EU initiierbar<br />

sind. Die NATO kann jedoch eine wichtige Unterstützungsfunktion<br />

im sicherheitspolitischen Bereich spielen.<br />

Was die institutionellen Arrangements einer solchen Initiative<br />

anbelangt, ist Sensibilität <strong>und</strong> größtmögliche Flexibilität<br />

angezeigt, um die Akzeptanz durch die Staaten der Region<br />

sicherzustellen.<br />

3.3 Russl<strong>and</strong> <strong>und</strong> die Ukraine<br />

Diese neuen Initiativen bedeuten natürlich nicht, dass den<br />

bestehenden Partnerbeziehungen, insbesondere zu Russl<strong>and</strong>,<br />

weniger Aufmerksamkeit geschenkt werden darf. Im Gegenteil,<br />

die Beziehungen im Rahmen des bislang erfolgreichen<br />

NATO-Russl<strong>and</strong>-Rates werden durch die Erweiterung natürlich<br />

auf eine harte Probe gestellt <strong>und</strong> bedürfen in nächster<br />

Zeit besonderer Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Fingerspitzengefühl.<br />

Die Tatsache, dass die NATO im Rahmen ihrer kollektiven<br />

Verpflichtungen zum Schutz des baltischen Luftraumes vier<br />

belgische Abfangjäger in Litauen stationiert hat, trifft in<br />

Moskau auf heftige Kritik. 12 Ebenso bestehen weiterhin Dif-<br />

10 Partnerschaft für den <strong>Frieden</strong> (PfP) wurde 1994 auf dem Brüsseler NATO<br />

Gipfel ins Leben gerufen <strong>und</strong> beinhaltet eine Fülle von praktischen militärischen<br />

<strong>und</strong> sicherheitspolitischen Kooperationsprogrammen für die<br />

NATO Partner, bis hin zur Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung gemeinsamer<br />

<strong>Frieden</strong>smissionen, wie dies bereits auf dem Balkan <strong>und</strong> in Afghanistan<br />

im Rahmen der dortigen NATO-Operationen geschieht.<br />

11 Greater Middle East (GME) wurde ein regelrechtes Schlagwort seither. Vgl.<br />

für einen deutschen Beitrag die Rede des B<strong>und</strong>esaußenminister Fischer auf<br />

der Münchner <strong>Sicherheit</strong>skonferenz am 7. Februar <strong>2004</strong>.<br />

12 Vgl. NATO’s Lithuania l<strong>and</strong>ing revives Russian fears, The Times, 13. April<br />

<strong>2004</strong>.<br />

ferenzen, was die Umsetzung der von Russl<strong>and</strong> auf dem Istanbuler<br />

OSZE-Gipfel 1999 eingegangenen Vereinbarungen<br />

zum Abzug russischer Streitkräfte aus Georgien <strong>und</strong> Moldawien<br />

anbelangt. Die russische Seite drängt zusätzlich auf einen<br />

raschen Beitritt der baltischen Staaten <strong>und</strong> Sloweniens<br />

zum adaptierten KSE-Vertrag, der Obergrenzen für konventionelle<br />

Streitkräfte in Europa festgesetzt hat. Die betroffenen<br />

NATO-Beitrittsländer argumentieren, dass sie dem Vertrag<br />

erst beitreten können, wenn er in Kraft getreten ist.<br />

Dazu müsste er allerdings zunächst einmal von russischer<br />

Seite ratifiziert werden.<br />

Die NATO-Ukraine Beziehungen haben mit dem auf dem<br />

Prager Gipfel 2002 erreichten ambitionierten Partnerschaftsplan<br />

einen wichtigen Impuls bekommen. Hier geht es<br />

vor allem um eine Reform des Verteidigungs- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>ssektors<br />

bei gleichzeitiger Förderung der demokratischen<br />

Kultur in der Ukraine.<br />

Schließlich gilt es, den Weg der Öffnung für ‚exotische‘<br />

Partner weiter fortzusetzen. Mit zahlreichen Staaten (Australien,<br />

Neuseel<strong>and</strong>, Japan <strong>und</strong> jüngst auch China) bestehen<br />

<strong>Sicherheit</strong>sdialoge unterschiedlicher Intensität. Hier geht es<br />

natürlich nicht um eine eventuelle Mitgliedschaft, sondern<br />

um pragmatische Formen der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> die Chance auf Einbindung der genannten<br />

Staaten in künftige NATO-Operationen.<br />

3.4 Ein Netz von Institutionen<br />

Angesichts der komplexen Zusammenhänge, die moderne<br />

<strong>Sicherheit</strong>sbedrohungen umgeben, wird die enge Kooperation<br />

mit <strong>and</strong>eren spezialisierten Organisationen <strong>und</strong> Institutionen<br />

immer bedeutender. Heute gibt es weder für die UN<br />

noch für EU, OSZE oder NATO ein Recht auf Vorrang <strong>und</strong><br />

die meisten Staaten sehen die operativen Rollen einzelner<br />

Organisationen zunehmend pragmatisch. Welche Organisation<br />

zum Zuge kommen wird, hängt von ihrer Problemlösungskapazität,<br />

also Effizienz im Einzelfall ab <strong>und</strong> im weiteren<br />

von ihrer Fähigkeit, in einem sinnvollen Zusammenspiel<br />

mit <strong>and</strong>eren Organisationen (übrigens mehr <strong>und</strong> mehr auch<br />

mit NGOs!) zu kooperieren. In einer solchen Welt ist für institutionelle<br />

Rivalitäten oder Dogmatismus kein Platz mehr.<br />

Mit der EU besteht durch die Berlin-Plus-Vereinbarungen<br />

seit März 2003 eine geregelte Zusammenarbeit. Die NATO<br />

hat im Frühjahr eine interne Überprüfung ihrer Beziehungen<br />

auch zu <strong>and</strong>eren Organisationen, insbesondere OSZE<br />

<strong>und</strong> UN unternommen <strong>und</strong> Arbeitspapiere verabschiedet,<br />

die darauf abzielen, effektive Strukturen <strong>und</strong> Mechanismen<br />

zu etablieren, um die anstehenden Herausforderungen internationaler<br />

<strong>Sicherheit</strong> gemeinsam <strong>und</strong> in enger Kooperation<br />

angehen zu können. Dazu gehört im Übrigen auch die<br />

konsequente Fortführung der bereits begonnenen internen<br />

Reform der Allianz, die Verschlankung der Entscheidungsprozesse<br />

<strong>und</strong> die Revitalisierung der NATO als zentralen<br />

Konsultationsmechanismus für alle – durchaus auch kontroverse<br />

– sicherheitspolitische Themen, die für die transatlantischen<br />

Beziehungen Relevanz besitzen. Auch Berührungsängste<br />

zwischen der NATO <strong>und</strong> zivilen NGOs müssen auf<br />

beiden Seiten stärker abgebaut werden. Das Konzept der Re-<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 77


T H E M E N S C H W E R P U N K T | Kir s te, Sic herheits poli tis che Her a usfor derung en für die NATO<br />

gionalen Wiederaufbauteams in Afghanistan (PRTs) könnte<br />

dies beschleunigen.<br />

4. Die erweiterte Allianz der Zukunft<br />

Die NATO hat seit 1990 <strong>und</strong> verstärkt seit dem Prager Gipfel<br />

von 2002 einen gewaltigen Transformationsprozess unternommen,<br />

der die Allianz nachhaltig verändert hat. Natürlich<br />

haben zu diesem veränderten Erscheinungsbild auch die<br />

zehn neuen Staaten beigetragen, die seit dem Ende des Kalten<br />

Krieges neue Mitglieder des transatlantischen Bündnisses<br />

geworden sind. Aber es sind doch eher die veränderten internationalen<br />

Rahmenbedingungen <strong>und</strong> die neuen sicherheitspolitischen<br />

Herausforderungen, die der NATO ein neues<br />

Gesicht gegeben haben. Diese Transformation ist dabei<br />

noch nicht abgeschlossen. Wo wird sie enden? Vieles spricht<br />

dafür, dass es heute für Organisationen, die effektive Instrumente<br />

in den Händen ihrer Mitglieder bleiben wollen,<br />

kein Ankommen, kein Endstadium gibt, auf das man hinarbeiten<br />

kann. Vielmehr wird die Transformation ein kontinuierlicher<br />

Prozess der Anpassung an immer neue Rahmenbedingungen<br />

sein.<br />

Die traditionelle Allianz im Sinne ihres Gründungsverständnisses<br />

als territorial beschränkter Militärpakt mit der Hauptaufgabe<br />

kollektiver Verteidigung gemäß Art. 5 Washingtoner<br />

Vertrag <strong>und</strong> dem Ziel, den Kalten Krieg zu beenden <strong>und</strong> Europa<br />

durch Partnerschaft <strong>und</strong> Erweiterung zu konsolidieren,<br />

ist tot, überholt von den Entwicklungen der letzten Jahre.<br />

Eine solche Allianz wäre auch nicht mehr überlebensfähig,<br />

unrealistisch angesichts der gewaltigen Herausforderungen<br />

<strong>und</strong> zu unattraktiv für ihre Mitglieder.<br />

Die NATO als reine ‚Toolbox‘, als Werkzeugkasten für wechselnde<br />

Koalitionen der Willigen (<strong>und</strong> Fähigen), die sich lediglich<br />

einzelner NATO-Strukturen, wie Streitkräfte- <strong>und</strong> Operationsplanung<br />

bedienen wollten, um militärisch zu<br />

stabilisieren, nachdem <strong>and</strong>ere Staaten (Koalitionen) bereits<br />

interveniert hätten, wäre ebenso problematisch. Sollte der<br />

Toolbox-Ansatz gewählt werden, um dauerhaft eine schwierige<br />

Konsensbildung durch opting-out zu umgehen, 13 würde<br />

die Glaubwürdigkeit der Allianz nachhaltig leiden <strong>und</strong><br />

Bündnissolidarität wäre langfristig nicht mehr sicherzustellen.<br />

Aber der Toolbox-Ansatz muss differenzierter gesehen<br />

werden, denn strenggenommen sind die militärische Einbeziehung<br />

unterschiedlicher Partner in verschiedene NATO-<br />

Operationen, die selektive militärische Zusammenarbeit mit<br />

Russl<strong>and</strong> oder die ISAF-Mission Beispiele für durchaus wünschenswerte<br />

<strong>und</strong> erfolgversprechende Koalitionen der Willigen.<br />

14 Flexibilität im Rahmen der um die Partner erweiterten<br />

NATO-Staatengruppe ist also nicht generell negativ zu sehen.<br />

Eine hoffnungsvollere <strong>und</strong> angesichts der jüngsten transatlantischen<br />

Annäherung wahrscheinlicher gewordene Vari-<br />

13 Die B<strong>und</strong>esregierung hat mehrfach deutlich gemacht, dass sie einen<br />

NATO-Beschluss zum Irak nicht blockieren will, aber an einer möglichen<br />

militärischen Rolle der Allianz im Irak nicht teilnehmen wird.<br />

14 Auch Art. 5 des Washingtoner Vertrages hat den Staaten immer offen<br />

gelassen, welchen individuellen Beitrag sie im Bündnisfall leisten wollen.<br />

78 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

ante ist eine NATO, die zur treibenden Kraft eines internationalen<br />

<strong>Sicherheit</strong>ssystem geworden ist. Diese Allianz wird<br />

das zentrale aber flexible sicherheitspolitische Bindeglied<br />

zwischen den USA, Europa, Russl<strong>and</strong> <strong>und</strong> den Partnern sein,<br />

die gemeinsam – je nach Mission allerdings nicht immer alle<br />

zusammen – an den großen sicherheitspolitischen Herausforderungen<br />

(internationaler Terrorismus, Massenvernichtungswaffen,<br />

zerfallende Staaten) arbeiten. Einer solchen<br />

NATO gelingt es auch, die Peripherien dieses Raumes mit<br />

einzubeziehen, beispielsweise durch einen erweiterten Mittelmeerdialog<br />

oder eine Kooperationsinitiative mit dem Nahen<br />

<strong>und</strong> Mittleren Osten. Im Zusammenspiel mit <strong>and</strong>eren<br />

Organisationen <strong>und</strong> Institutionen, insbesondere der EU <strong>und</strong><br />

der UN, unterstützt dieses Bündnis die Staatengemeinschaft<br />

aktiv bei der militärischen Stabilisierung von Krisenzonen<br />

<strong>und</strong> hilft den Vereinten Nationen bei der Durchsetzung<br />

halbwegs akzeptabler Regeln staatlichen Verhaltens. 15<br />

Vieles davon ist bereits heute Realität <strong>und</strong> kann vollends<br />

verwirklicht werden, wenn es der NATO <strong>und</strong> ihren Mitgliedstaaten<br />

gelingt, die oben aufgezeigten Herausforderungen erfolgreich<br />

zu meistern.<br />

15 Natürlich ist diese Rolle der NATO nicht unumstritten: Vgl. zur Unterstützung<br />

dieser Argumentation Friederike Bauer, Die NATO als Vortrupp<br />

in Afrika? Gedankenspiele Kofi Annans über die Arbeitsteilung mit den<br />

Vereinten Nationen, in FAZ, 2. April <strong>2004</strong>. Dagegen sprechen sich James<br />

Goodby <strong>und</strong> Kenneth Weisbrode aus: NATO Can’t Be Globocop, in The<br />

Wall Street Journal, 1. April <strong>2004</strong>.


Gut tieri, Civ il-mil ita ry relations in pea cebuil ding | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

Civil-military relations in peacebuilding<br />

Karen Guttieri*<br />

Abstract: Civil-military relations are vital to the coherence <strong>and</strong> effectiveness of post-conflict peacebuilding, but have often<br />

been problematic. This article argues that civil-military issues vary systematically in relation to the particular civil <strong>and</strong> military<br />

actors in peacebuilding, <strong>and</strong> that the coercive content of the external military’s mission creates special challenges in<br />

each of these sets of relationships. Given the significance of the military footprint, the article presents trade-offs for policymakers<br />

intending to use military forces to make peace.<br />

Key words: peacebuilding, peacekeeping, civil-military relations, coalitions, United Nations, conflict resolution<br />

n traditional UN peacekeeping missions deployed during<br />

the Cold War, military forces supervised <strong>and</strong> monitored<br />

cease fires between states, usually in the wake of a peace<br />

agreement <strong>and</strong> authorized <strong>und</strong>er Chapter VI of the UN charter.<br />

At about the same time that the Cold War ended <strong>and</strong><br />

great powers were more inclined to work together in the <strong>Security</strong><br />

Council, the UN shifted focus to respond to the<br />

pressing need for a more comprehensive <strong>and</strong> sometimes coercive<br />

response to internal conflict. <strong>Peace</strong>building, introduced<br />

in 1992 by UN Secretary-General Boutros Boutros-Ghali,<br />

sought not merely to keep apart conflicting factions but to<br />

build structures that would sustain peace. 1 As compared to<br />

previous peacekeeping efforts, peacebuilding would require<br />

greater synergy across spheres of assistance – social, economic,<br />

humanitarian, security, <strong>and</strong> political-administrative<br />

– <strong>and</strong> among an increasing variety of agencies <strong>and</strong> actors facilitating<br />

transitions to peace. At the turn of the century, an<br />

emergent international consensus on coherence – the coordination<br />

of intervention <strong>and</strong> humanitarian actions – matured.<br />

2 I<br />

At this same moment, military interventions by the<br />

North Atlantic Treaty Organization (NATO) in Kosovo, USled<br />

coalition forces in Afghanistan, <strong>and</strong> a US- <strong>and</strong> British-led<br />

coalition in Iraq, created deep divisions about the rightfulness<br />

of intervention, the balance between civilian <strong>and</strong> military<br />

components within it, <strong>and</strong> the governance of what<br />

would follow.<br />

Civil-military synergy is particularly vital to managing postconflict<br />

transitions, but has too often been problematic. 3<br />

Civil <strong>and</strong> military actors, both within various troop-<br />

* Karen Guttieri is an Assistant Professor at the Naval Postgraduate School,<br />

Monterey, California, affiliated with the Center for International <strong>Security</strong><br />

<strong>and</strong> Cooperation, Stanford University. She holds a PhD in Political Science<br />

from the University of British Columbia, Canada.<br />

This article was prepared for the United Nations University-IFSH project<br />

»The Role of the Military in Post-Conflict <strong>Peace</strong>building.« The author acknowledges<br />

the project directors Hans-Georg Ehrhart (IFSH) <strong>and</strong> Albrecht<br />

Schnabel (swisspeace), the members of the project team as well as two<br />

anonymous peer reviewers for their input in the preparation of this article.<br />

1 Boutros-Ghali described peacebuilding as »action to identify <strong>and</strong> support<br />

structures which will tend to strengthen <strong>and</strong> solidify peace in order to<br />

avoid a relapse into conflict.« United Nations, Secretariat, An Agenda for<br />

<strong>Peace</strong>: Preventive diplomacy, peacemaking <strong>and</strong> peace-keeping, Report of the Secretary-General<br />

pursuant to the statement adopted by the Summit Meeting of the<br />

<strong>Security</strong> Council on 31 January 1992 (A/47/277 – S/24111), 17 June 1992.<br />

See also Elizabeth M. Cousens, »Introduction«, in Elizabeth Cousens <strong>and</strong><br />

Chetan Kumar, with Karin Wermester, eds., <strong>Peace</strong>building as Politics, Boulder:<br />

Lynne Rienner, 2001, pp. 1-20.<br />

2 See the discussion in Antonio Donini, Norah Nil<strong>and</strong> <strong>and</strong> Karin<br />

Wermester, eds., Nation-building Unraveled? Aid, <strong>Peace</strong> <strong>and</strong> Justice in Afghanistan,<br />

Bloomfield, CT: Kumarian Press, <strong>2004</strong>, pp. 1-8.<br />

3 Richard P. Cousens, »Providing Military <strong>Security</strong> in <strong>Peace</strong>-Maintenance«,<br />

in Jarat Chopra, ed., The Politics of <strong>Peace</strong> Maintenance, Boulder: Lynne Rienner,<br />

1998, p. 102.<br />

contributing states <strong>and</strong> in the multilateral arena, have<br />

waged f<strong>und</strong>amental contests over the determination of military<br />

m<strong>and</strong>ates, specific military roles, training requirements,<br />

troop discipline, resource allocations, <strong>and</strong> multilateral<br />

comm<strong>and</strong> <strong>and</strong> control structures. What makes civil-military<br />

tensions more likely, <strong>and</strong> more harmful? First, tensions <strong>and</strong><br />

rivalries differ systematically in relation to the particular<br />

civil <strong>and</strong> military actors in peacebuilding – in some measure<br />

a function of the division of roles among civil <strong>and</strong> military<br />

actors. Second, civil-military tensions are affected by the<br />

level/potential for violence in the post-conflict environment,<br />

particularly in relation to the coercive content of the<br />

external military’s mission.<br />

The first section of this article describes those military roles<br />

in peacebuilding, which make civil-military relations so vital<br />

to success. The second section discusses specific issues in<br />

military relations with three sets of civilians: comm<strong>and</strong><br />

authorities, civilian agencies, <strong>and</strong> civilian populations. Military<br />

relationships with these three civilian groups arise in<br />

the context of the military footprint – the scope of military<br />

involvement in implementation. Military m<strong>and</strong>ates that involve<br />

providing public security, disarmament <strong>and</strong> seizure of<br />

persons indicted for war crimes are more dangerous <strong>and</strong> imply<br />

larger military presence <strong>and</strong> intrusiveness in the wartorn<br />

society. The final section of this article illuminates<br />

trade-offs in policy decisions about the military footprint in<br />

peacebuilding.<br />

1. Military roles in peacebuilding<br />

The remark, attributed to former United Nations Secretary-<br />

General Dag Hammarskjöld, that »peacekeeping is not a job<br />

for soldiers, but only soldiers can do it,« depicts the military<br />

role as a necessary evil. 4 Soldiers might agree, particularly if<br />

peacekeeping breaks with their long-st<strong>and</strong>ing conceptions of<br />

military purpose. Although the rules have changed, there is<br />

at least one consistent norm in United Nations peacekeeping:<br />

the use of force to defeat a belligerent is prohibited. 5 For<br />

4 Quoted in Margaret Daly Hayes, »Political-Military Relations Within International<br />

Organizations«, report of the symposium at the Inter-<br />

American Defense College, 28 September 1995, Fort McNair, Washington,<br />

D.C., 1995, p. 7.<br />

5 John Gerard Ruggie, »The UN <strong>and</strong> the Collective Use of Force: Whither or<br />

Whether?« in Michael Pugh, ed., The UN, <strong>Peace</strong> <strong>and</strong> Force, London: Frank<br />

Cass, 1997, p. 11.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 79


S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D | Gut tieri, Civ il-mil ita ry relations in peaceb uildin g<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

military forces, this means that in peacebuilding the center<br />

of gravity is commonly located in the civilian domain.<br />

Barred from war making, peacekeeping forces are all the<br />

more servants of civilian implementers engaged in peacebuilding.<br />

<strong>Peace</strong>keeping traditionally required impartial, lightly armed<br />

military personnel to monitor <strong>and</strong> observe the implementation<br />

of peace agreements between conflicting states. The<br />

military personnel who donned the blue berets of United<br />

Nations peacekeepers were generally from developed nations,<br />

but not major powers. As the Cold War ended in<br />

1989-92, great powers got into the game, multilateral arrangements<br />

became more complex, missions became more<br />

coercive, <strong>and</strong> occurred within states.<br />

Military arrangements became more diffuse. In Bosnia, great<br />

<strong>and</strong> major powers such as the United States, Britain, France<br />

<strong>and</strong> Germany acted through NATO <strong>and</strong> with UN preauthorization,<br />

<strong>and</strong> in Kosovo with UN post-facto legitimization.<br />

NATO Secretary-General Jaap de Hoop Scheffer has<br />

also mentioned the possibility of a peacekeeping role in the<br />

Israeli-Palestinian conflict. 6 In Afghanistan <strong>and</strong> Iraq, the US<br />

formed its own coalitions <strong>and</strong> the UN wrestled with the<br />

challenges of coherence. Meanwhile, frustrated by great<br />

power reluctance to engage national or UN forces in Africa,<br />

West African nations have established their own missions<br />

<strong>und</strong>er regional frameworks, including most recently a 2003<br />

resolution by the African Union (AU) to approve the African<br />

Mission in Bur<strong>und</strong>i. 7 Similarly, Indonesia recently proposed<br />

the establishment of an Association of Southeast Asian Nations<br />

(ASEAN) <strong>Peace</strong>keeping Force by 2012. 8<br />

The roles for external military personnel vary widely. Foreign<br />

military leaders sometimes participate in negotiating cease<br />

fires or even peace settlements of civil wars, as was done in<br />

Mozambique, Angola <strong>and</strong> Bosnia. 9 Military contributors perform<br />

or monitor military-oriented tasks such as demobilization,<br />

encampment <strong>and</strong> disarmament of parties. Enforcement<br />

of no-fly zones or cease-fires, for example, exercises external<br />

coercion. However, it might be sufficient to simply promote<br />

transparency among warring parties. In that event, external<br />

forces monitor cease-fires, disarmament, <strong>and</strong> demobilization.<br />

Securing relief convoys, as in Somalia, or ballot booths, as in<br />

Cambodia, requires passive coercion. External militaries<br />

might also play very non-coercive roles in support of civilian<br />

agencies, by lending craft to transport relief supplies, establishing<br />

camps for displaced people, <strong>and</strong> providing engineering<br />

<strong>and</strong> other expertise for reconstruction.<br />

6 Jaap van Wesel, »NATO Chief Sees His Troops in West Bank <strong>and</strong> Gaza<br />

<strong>Peace</strong>keeping Role«, The Jerusalem Report, 3 November 2003.<br />

7 Africa Recovery, »Pan-Africa: Africa Builds Its Own <strong>Peace</strong> Forces«, Africa<br />

News, 23 October 2003. African peacekeeping was conducted <strong>und</strong>er the<br />

framework of the Economic Community of West African States<br />

(ECOWAS) in Sierra Leone, Guinea-Bissau <strong>and</strong> Cote d’Ivoire; <strong>und</strong>er the<br />

auspices of the Economic <strong>and</strong> Monetary Community of Central African<br />

States (CEMAC) in the Central African Republic; <strong>and</strong> the Southern African<br />

Development Community (SADC) in Lesotho <strong>and</strong> (rather more problematic)<br />

the Democratic Republic of the Congo. The Intergovernmental<br />

Authority on Development (IGAD) in East Africa was meanwhile engaged<br />

in mediation among factions in Sudan <strong>and</strong> Somalia.<br />

8 »UN Terms ASEAN <strong>Peace</strong>keeping Force Idea ‘Very Exciting’«, Japan Economic<br />

Newswire, 24 February <strong>2004</strong>.<br />

9 Anthony D. Marley, »Responsibilities of a Military Negotiator During<br />

<strong>Peace</strong> Talks«, Parameters, Summer 1996, pp. 67- 78.<br />

80 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

Given exp<strong>and</strong>ed roles in modern peacekeeping, military<br />

contributors can expect to deal with more complexity in<br />

their relationships. Multiple levels of civilian authority, active<br />

civilian management of peace processes, large numbers<br />

of civilian agencies active in theater, <strong>and</strong> scrutiny over<br />

compliance with norms of civilian protection increase the<br />

number <strong>and</strong> character of relationships. In short, this use of<br />

force makes for interesting <strong>and</strong> controversial civil-military<br />

relations.<br />

2. Civil-military relationships<br />

Civilian control of military force <strong>and</strong> military control of operations<br />

are f<strong>und</strong>amental issues in civil-military relations.<br />

Numerous sub-issues arise during attempts to improve civilian<br />

control <strong>and</strong> military effectiveness, including military<br />

professionalism, separation of military <strong>and</strong> civilian spheres,<br />

determination of roles <strong>and</strong> missions, contests over resources,<br />

<strong>and</strong> the mobilization of interest groups. These issues, long<br />

recognized as significant in domestic civil-military relations,<br />

also play out in the international context of peace implementation.<br />

When discussing civil-military relations in international<br />

peacebuilding, it is critical to ask which civil-military relations<br />

one is considering. As the following table shows, these<br />

issues are relevant in military relations with different sets of<br />

civilians. In addition to comm<strong>and</strong> relationships, two other<br />

sets of civil-military relations are at play in peacebuilding:<br />

external military relations with civilian agencies <strong>and</strong> their<br />

relations with civilian populations.<br />

2.1 Civil-military issues by categories of civilians<br />

Category of<br />

Civilian:<br />

Nature of<br />

Relationship:<br />

Primary<br />

Level of<br />

Analysis:<br />

Potential<br />

CivilmilitaryIssues:<br />

Political Leadership<br />

Participating Civilian<br />

Agencies<br />

Civilian Population<br />

Authoritative Coordinative Subordinate<br />

Strategic Operational Tactical<br />

Civilian control<br />

– or institutional<br />

equilibrium in<br />

calling the shots<br />

or getting involved<br />

Cultural differences<br />

– or ability<br />

to get along<br />

with civilian<br />

agencies<br />

Military professionalism<br />

– or<br />

good conduct<br />

2.2 Relations with civilian comm<strong>and</strong> authorities<br />

Military relations with their comm<strong>and</strong> authorities are intentionally<br />

hierarchical. Domestic civil-military relations are<br />

significant, even in multinational missions, which have two<br />

tiers of authority. Comm<strong>and</strong>, as generally <strong>und</strong>erstood, includes<br />

not simply authority over personnel matters like


Gut tieri, Civ il-mil ita ry relations in pea cebuil ding | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

promotions, but also the ability to change missions. 10 National<br />

governments retain comm<strong>and</strong> authority over military<br />

forces, even if operational authority is transferred, for example,<br />

to the United Nations.<br />

The UN does not have the ability to exercise full comm<strong>and</strong>.<br />

The United Nations term »operational authority« is to a certain<br />

degree a combination of the elements of NATO’s operational<br />

comm<strong>and</strong> <strong>and</strong> operational control:<br />

»United Nations operational authority entails the exclusive<br />

authority to issue operational directives within the limits of<br />

1) a specific m<strong>and</strong>ate of the <strong>Security</strong> Council, 2) a specific<br />

geographic area (the mission area as a whole), <strong>and</strong> 3) an<br />

agreed period of time. Operational authority includes the<br />

authority to assign separate tasks to sub-units of a contingent<br />

<strong>and</strong> general responsibility for logistic support.« 11<br />

The degree of operational authority granted to the UN by<br />

troop contributing states is a political decision to be determined<br />

by the national authorities.<br />

Political control, if not civilian control, is needed to commit<br />

troops to peacekeeping. However, although peacebuilding<br />

generally promotes the norm of civilian control, in the past<br />

Nigerian peacekeepers were not, <strong>and</strong> today Pakistani peacekeepers<br />

are not, governed by civilians. Moreover, today’s<br />

United Nations peacekeeping missions are manned primarily<br />

by developing nations. 12 Militaries that acquire muchneeded<br />

f<strong>und</strong>ing, training, <strong>and</strong> equipment from participation<br />

in UN peacekeeping, would seem less likely to balk at deployments<br />

than wealthier armed forces that see peacekeeping<br />

as »auxiliary.«<br />

It is no coincidence that United States military leaders, who<br />

generally do not see peacebuilding as a primary mission,<br />

have challenged civilian leadership before <strong>and</strong> during missions.<br />

American civilian <strong>and</strong> military leaders were bitterly<br />

divided over the Bosnia strategy. Diplomat Richard Holbrooke,<br />

who negotiated a peace accord for the warring Bosnian<br />

factions at Dayton, Ohio, <strong>and</strong> Leighton Smith, the<br />

military man implementing the agreement, argued with<br />

each other publicly, including public complaints by Holbrooke<br />

about the poor quality of military advice. 13 The level<br />

of civilian expertise <strong>and</strong> the role of military advice affect the<br />

authoritative relationship of civilian comm<strong>and</strong> over soldiers<br />

in peace operations.<br />

A more challenging issue of comm<strong>and</strong> <strong>and</strong> control arises<br />

from the nature of the use of force in peacebuilding. In war,<br />

10 To add to the confusion, NATO doctrine, for example, distinguishes between<br />

operational control <strong>and</strong> operational comm<strong>and</strong>. See Joint Publication<br />

1-02, »DOD Dictionary of Military <strong>and</strong> Associated Terms. As<br />

amended through 09 January 2003.« Available online at http://www.dtic.<br />

mil/doctrine/jel/doddict/natoterm/o/<br />

11 United Nations, Department of <strong>Peace</strong>keeping Operations, General Guidelines<br />

for <strong>Peace</strong>-keeping Operations, UN/210/TC/GG95, New York, October<br />

1995, p. 36.<br />

12 In February <strong>2004</strong> the top ten ranking contributors were Pakistan, Bangladesh<br />

(over 6,000 troops), Nigeria (more than 3,500), India, Nepal, <strong>and</strong><br />

Ghana (over 2,000), Uruguay, Jordan, Kenya <strong>and</strong> South Africa (over<br />

1,400). United Nations Department of <strong>Peace</strong>keeping Operations,<br />

»Monthly Summary of Military <strong>and</strong> Civilian Police Contributions to UN<br />

Operations«, 29 February <strong>2004</strong>. Available online at http://www.un.org/<br />

Depts/dpko/contributors/index.htm.<br />

13 Michael Kirk <strong>and</strong> Rick Young (producers <strong>and</strong> writers), Peter J. Boyer (correspondent),<br />

»Give War a Chance,« Frontline Program #1715. Aired on<br />

PBS 11 May 1999. Holbrooke was also doubtful that the US military<br />

would make a sincere effort to capture indicted war criminals in Bosnia.<br />

military comm<strong>and</strong>ers tend to prefer freedom of action, or<br />

operational control. 14 <strong>Peace</strong> operations lend themselves to<br />

civilian micro-management of the use of force. One attempted<br />

solution is to distinguish carefully between civilian<br />

<strong>and</strong> military m<strong>and</strong>ates. US military leaders lobbied for <strong>and</strong><br />

got a firewall between military <strong>and</strong> civilian tasks into the<br />

Dayton Accord for Bosnia. Thanks to this compartmentalization,<br />

some perversely portray the implementation of the<br />

Dayton Accord as a military success <strong>and</strong> civilian failure. 15<br />

Multilateral operations add complexity. NATO itself was divided<br />

over Bosnia during the UNPROFOR era. European nations,<br />

with large numbers of troops on the gro<strong>und</strong> <strong>und</strong>er<br />

UNPROFOR, were wary of the American Congress’s proposal<br />

to lift an arms embargo against the Bosnian Muslims (or<br />

Bosniaks), <strong>and</strong> to strike at Serbia – dubbed »lift <strong>and</strong> strike.«<br />

Furthermore, the two major intergovernmental organizations<br />

(IGOs) engaged, the UN <strong>and</strong> NATO, were »deeply <strong>and</strong><br />

publicly at odds« over the proper military response to the<br />

situation in Bosnia in 1994. 16 A »dual key« arrangement<br />

provided for UN approval of military action by NATO. This<br />

comm<strong>and</strong> system was an issue during a May 1995 crisis in<br />

which the UN Bosnia Force Comm<strong>and</strong>er, British General<br />

Rupert Smith, called for air strikes against the Serbs, who<br />

were shelling civilians in designated »safe areas.« The request<br />

went all the way to the Secretary-General, who turned<br />

it down. From a military perspective, the comm<strong>and</strong> arrangements<br />

were not only untidy, they were unsafe. Not<br />

surprisingly, the dual key arrangement was changed in July,<br />

in the wake of the massacre of an estimated 7,414 Muslims<br />

at Srebrenica. 17 Interestingly, after this change, the »keys«<br />

for air strike launch were held by all military men: General<br />

Bernard Janvier, overall comm<strong>and</strong>er of UN forces (rather<br />

than with the UN Special Representative Yasushi Akashi),<br />

<strong>and</strong> Admiral Leighton Smith, NATO’s Southern Region<br />

comm<strong>and</strong>er. External involvement afterward entered a new<br />

phase marked by the creation of a larger force <strong>and</strong> authorization<br />

of massive air attacks.<br />

The comm<strong>and</strong>er of the Kosovo Force (KFOR) complained<br />

that he had »nothing to comm<strong>and</strong>.« 18 Many of his proposals<br />

to military leaders of the national military contingents were<br />

referred back to governments for approval. Major power<br />

14 Max Manwaring takes the notion from Clausewitz that the goal of policy<br />

is the »[d]estruction of an opponent’s military forces or the means for<br />

waging war«, to mean that »it is the military that dominates to create<br />

conditions that other means could not make.« Max G. Manwaring, »Limited<br />

War <strong>and</strong> Conflict Control,« in Stephen J. Cimbala <strong>and</strong> Keith A.<br />

Dunn, eds., Conflict Termination <strong>and</strong> Military Strategy: Coercion, Persuasion,<br />

<strong>and</strong> War, Boulder <strong>and</strong> London: Westview Press, 1987, p. 60. Italics added.<br />

15 George A. Joulwan <strong>and</strong> Christopher C. Shoemaker, Civilian-Military Cooperation<br />

in the Prevention of Deadly Conflict: Implementing Agreements in Bosnia<br />

<strong>and</strong> Beyond, New York: Carnegie Corporation, December 1998. The<br />

authors commend the US military mission in Rw<strong>and</strong>a as a success, although<br />

the US military did not intervene to stop the genocide, because<br />

US comm<strong>and</strong>ers avoided »mission creep«.<br />

16 William H. Lewis <strong>and</strong> Edward Marks, »Searching for Partners: Regional<br />

Organizations <strong>and</strong> <strong>Peace</strong> Operations«, McNair Paper 58, Washington, DC:<br />

INSS-NDU, June 1998.<br />

17 William Shawcross, Deliver Us From Evil, New York: Simon <strong>and</strong> Schuster,<br />

2000, pp. 146-192.<br />

18 Independent International Commission on Kosovo, Kosovo Report, New<br />

York: Oxford University Press, 2000, p. 107. See also James Fergusson, A<br />

Mile Wide <strong>and</strong> an Inch Deep: Multilateralism <strong>and</strong> the Comm<strong>and</strong> <strong>and</strong> Control<br />

of Multinational Military Forces in <strong>Peace</strong> Operations. York University Centre<br />

for International <strong>and</strong> <strong>Security</strong> Studies Working Paper No. 8, June 1998, p.<br />

2.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 81


S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D | Gut tieri, Civ il-mil ita ry relations in peaceb uildin g<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

militaries, as in Bosnia <strong>and</strong> Somalia for example, generally<br />

took orders from their own governments.<br />

Meanwhile, national preferences also translate into lobbying<br />

for appointments of military leaders to international<br />

peacekeeping missions. France lobbied for a French force<br />

comm<strong>and</strong>er of UNPROFOR in Bosnia in 1993, <strong>and</strong> the<br />

Swedish comm<strong>and</strong>er was changed for a French general. Undiplomatically,<br />

the French defense minister announced the<br />

change on French television before UN Secretary-General<br />

Boutros Boutros-Ghali notified the Swedish government. 19<br />

Coalitions require consent <strong>and</strong> compromise, principles that<br />

seemingly conflict with requirements for military effectiveness.<br />

20 Lt. General Michael Short, the American who directed<br />

the NATO bombing campaign during the 78-day war<br />

against Serbia over Kosovo, alleged that coalition politics<br />

caused strategy to suffer <strong>and</strong> pilots to be at risk. The American<br />

contribution to the air campaign was by far the largest,<br />

but the decision-making was multinational <strong>and</strong> even micromanagerial:<br />

»Targeting was a problem to us,« Short said, »...<br />

<strong>and</strong> as you know, the red card was played by France in particular<br />

[to veto selected targets].« 21<br />

In sum, coercive peacekeeping stresses the relationship between<br />

military leaders <strong>and</strong> civilian masters. Just when a<br />

m<strong>and</strong>ate permits the use of force, national governments are<br />

more likely to put limits on its use in support of policy<br />

goals, watering down strategies to a lowest common denominator.<br />

Just when military might is most needed to create<br />

peace, missions are hampered by convoluted comm<strong>and</strong><br />

<strong>and</strong> control structures, national troop withdrawals, or reluctance<br />

by political or military leaders to commit to operations<br />

in the first place.<br />

2.3 Cooperative relations with civilian partners<br />

»Unity of comm<strong>and</strong>« is vital to operational effectiveness in<br />

war. The analogous concept in peace operations, »unity of<br />

effort« (or »coherence«) with civilian agencies, is also intended<br />

to achieve desired outcomes more quickly. This notion<br />

of unity implies shared civil-military objectives; however,<br />

civilian <strong>and</strong> military agendas may differ.<br />

Exp<strong>and</strong>ed civilian non-governmental <strong>and</strong> intergovernmental<br />

participation in peace processes after World War II created<br />

a new set of civil-military considerations at the operational<br />

level. In contrast to previous history, civilian agencies<br />

are typically on the scene before the military arrives.<br />

International military forces <strong>and</strong> civilian humanitarian organizations<br />

have been depicted as »two natural partners,<br />

who had long been intended for one another but had never<br />

19 William Shawcross, Deliver Us From Evil, New York: Simon <strong>and</strong> Schuster,<br />

2000, p. 112.<br />

20 Nora Bensahel, »The Coalition Paradox: The Politics of Military Cooperation«,<br />

Ph.D. Dissertation Stanford University, August 1999, p. 29.<br />

21 Lt. Gen. Michael Short to the US Senate Armed Services Committee,<br />

quoted in BBC News, »US General Condemns French ‘Red Card’«, 22 October<br />

1999. Available online at http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/<br />

482015.stm. See also »Interview with Lt. Gen. Michael Short,« PBS Frontline,<br />

War in Europe PBS Online, <strong>and</strong> WGBH/Frontline Site, produced February<br />

2000. Available online: http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/<br />

shows/kosovo/interviews/short.html.<br />

82 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

actually met during the Cold War.« 22 However, the relationship<br />

might be better described as a »marriage of convenience.«<br />

23 NGOs <strong>and</strong> IGOs operating in a hostile environment<br />

need the military for security <strong>and</strong> logistics, <strong>and</strong><br />

military forces need these civilians to take over humanitarian<br />

relief <strong>and</strong> enable them to leave. The participants often<br />

enter with incompatible expectations <strong>and</strong> in part acrimoniously.<br />

Cultural differences between hierarchical military forces <strong>and</strong><br />

decentralized non-governmental organizations (NGOs)<br />

abo<strong>und</strong>. During the United Nations Angola Verification<br />

Mission (UNAVEM), lack of professional respect between<br />

peacekeepers <strong>and</strong> humanitarian workers hampered demining<br />

<strong>and</strong> demobilization efforts. 24 Time horizons differ. Civilian<br />

actors tend to operate for longer periods in the field,<br />

so that civil-military relationships are recreated to some extent<br />

with each rotation. While many civilian agencies look<br />

at long-term development needs for war-torn societies, military<br />

personnel are more likely to focus on achieving their<br />

objectives in a specific mission.<br />

NGOs are non-governmental, but not necessarily neutral,<br />

actors. Those that focus on human rights monitoring <strong>and</strong><br />

advocacy are »far from neutral,« says Pamela Aall, adopting<br />

»principled <strong>and</strong> often adversarial positions with regard to<br />

both official institutions <strong>and</strong> the parties engaged in a conflict.«<br />

25 On the other h<strong>and</strong>, relief, economic development or<br />

conflict resolution organizations tend to be impartial, sometimes<br />

more so than military forces.<br />

Coercive interventions force aid organizations to make difficult<br />

choices between seeking the protection of peacekeeping<br />

forces <strong>and</strong> maintaining distance from them, thereby giving<br />

the impression of impartiality. In Somalia in 1992, prior to<br />

the arrival of the US-led United Task Force (UNITAF), some<br />

relief agencies hired protection from armed locals. 26 This<br />

created difficulties when UNITAF sought to demilitarize the<br />

environment. Ten years later, civil-military relations were<br />

worse in Afghanistan. NGOs protested against United States<br />

military actions, which concurrently delivered aid <strong>and</strong><br />

bombs. Sally Austin of CARE International complained<br />

about American Special Forces: »They are here in civilian<br />

clothes, saying they are doing humanitarian work. But they<br />

are putting our own efforts as humanitarians at risk.« 27<br />

22 Hugo Slim, »The Stretcher <strong>and</strong> the Drum: Civil-Military Relations in <strong>Peace</strong><br />

Support Operations,« International <strong>Peace</strong>keeping, Vol. 3, No. 4, 1997, p.<br />

129.<br />

23 Andrew S. Natsios, »NGOs <strong>and</strong> the UN System in Complex Humanitarian<br />

Emergencies: Conflict or Cooperation?« in Thomas G. Weiss <strong>and</strong> Leon<br />

Gordenker, eds., NGOs, the UN, <strong>and</strong> Global Governance, Boulder <strong>and</strong> London:<br />

Lynne Rienner, 1996, p. 81.<br />

24 Nicole Ball <strong>and</strong> Kathleen Campbell, Complex Crisis <strong>and</strong> <strong>Peace</strong>: Humanitarian<br />

Coordination in Angola, prepared for the United Nations Office of Humanitarian<br />

Affairs (OCHA), New York: United Nations, March 1998, pp.<br />

38-39.<br />

25 Pamela R. Aall, »NGOs <strong>and</strong> Conflict Management,« <strong>Peace</strong>works, No. 5,<br />

Washington, DC: United States Institute of <strong>Peace</strong>, February 1996, p. 5.<br />

26 Charles Rogers, »The Changing Shape of <strong>Security</strong> for NGO Field Workers«,<br />

Together Magazine, No. 57, January-March 1998, available via World-<br />

Vision’s website: http://www.worldvision.org/worldvision/pr.nsf/<br />

stable/NGOsecuritya. Former US Ambassador to Somalia, Robert Oakley,<br />

discusses the problem in »An Envoy’s Perspective«, Joint Forces Quarterly,<br />

Autumn 1993, pp. 44-55.<br />

27 Susan Glasser, »Soldiers in Civilian Clothing; U.S. Forces' Humanitarian<br />

Effort in Afghanistan Draws Ire of Aid Agencies«, Washington Post, March<br />

28, 2002, p. A20.


Gut tieri, Civ il-mil ita ry relations in pea cebuil ding | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

Finally, the UN Office for the Coordination of Humanitarian<br />

Affairs (OCHA) confronted the reality of belligerency in the<br />

US- <strong>and</strong> British-led invasion of Iraq in 2003. OCHA’s »General<br />

Guidance for Interaction between United Nations Personnel<br />

<strong>and</strong> Military Actors in the Context of the Crisis in<br />

Iraq« emphasized operational independence of UN personnel<br />

<strong>and</strong> regarded coalition forces as belligerent occupants. 28<br />

This was an astonishing break with the trend toward a more<br />

integrated approach to post-conflict security-building. After<br />

decades of humanitarian intervention, belligerents <strong>and</strong> humanitarian<br />

actors were clearly identified.<br />

2.4 Relations with civilian populations<br />

When missions are coercive, military interactions with civilian<br />

populations are also more intense. This was obvious<br />

in Cambodia, where the large external military presence had<br />

a tremendous impact on the economy <strong>and</strong> social life. 29 This<br />

is more obvious still in Iraq today, where the environment<br />

has been too unstable for a United Nations mission to be<br />

considered. The coalition that waged war in 2003 struggled<br />

in <strong>2004</strong> to stabilize an environment in which the Red Cross<br />

<strong>and</strong> the UN itself have been attacked. »Everyone’s a target<br />

now,« said a security consultant in Baghdad in April <strong>2004</strong>,<br />

»They won’t stop <strong>and</strong> ask if you work for an NGO…the CPA,<br />

or a security company…It’s a guerrilla war. They don’t care<br />

who they get.« 30<br />

The requirements of peacekeeping are sometimes compared<br />

to those of counterinsurgency operations in which the civilian<br />

population is the center of gravity of military operations.<br />

In internal conflicts, leaders of factions depend on<br />

their relations with the population for their ability to defend<br />

or attack, <strong>and</strong> without whom they could not maintain their<br />

position, sustain access to spoils of war, <strong>and</strong> avoid prosecutions,<br />

such as for war crimes. 31 The relationship between external<br />

military forces <strong>and</strong> the civilian population is a significant<br />

strategic consideration.<br />

Military professionalism is vital when troops operate in<br />

heavily populated environments. Unfortunately, some<br />

troops are more professional than others. The commission<br />

of crimes by peacekeepers themselves can <strong>und</strong>ermine public<br />

support for the mission. The types of misconduct alleged to<br />

have been committed by multinational peacekeeping troops<br />

include torture, rape, murder, black marketeering, racketeering,<br />

<strong>and</strong> child prostitution. 32 Some Bulgarian troops stationed<br />

with UNTAC in Cambodia were characterized as,<br />

»more interested in organizing prostitution rings than in<br />

28 UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, »General Guidance<br />

for Interaction between United Nations Personnel <strong>and</strong> Military Actors<br />

in the Context of the Crisis in Iraq,« 21 March 2003. Available online<br />

via ReliefWeb: http://www.reliefweb.int.<br />

29 When attacking UNTAC forces, the Khmer Rouge claimed to be protecting<br />

women <strong>and</strong> children from an occupation army.<br />

30 Bay Fang, Kevin Whitelaw <strong>and</strong> Ilana Ozernoy, »Hell’s Fury,« US News <strong>and</strong><br />

World Report, Vol. 135, No. 12, 12 April <strong>2004</strong>, p. 16.<br />

31 Pär Eriksson, »Civil-Military Co-ordination in <strong>Peace</strong> Support Operations –<br />

An Impossible Necessity?« The Journal of Humanitarian Assistance, posted<br />

16 September 2000 on http://www.jha.ac/articles/a061.htm.<br />

32 »Keeping the <strong>Peace</strong>?« Dateline NBC. Program aired 10 January 1999. Lea<br />

Thompson reporting, Mark Feldstien producing. UN officials interviewed<br />

for this program conceded that the DPKO has not kept statistics on crimes<br />

committed by its peacekeeping troops.<br />

monitoring cease-fire violations.« 33 <strong>Peace</strong>keepers have been<br />

implicated as patrons in the industry of sex slavery in the<br />

Balkans. In 2002, the Head of the UN Office for Human<br />

Rights in Bosnia, Madeleine Rees, said, »[t]here is absolutely<br />

no dispute that the sex traffic market [in the Balkans] came<br />

with the arrival of the peacekeepers.« 34<br />

Civilian police officers are generally preferred for civil order<br />

tasks, precisely because they have more experience operating<br />

in civilian environments. 35 Ironically, the focus of investigations<br />

into allegations of patronizing <strong>and</strong> even participating<br />

in the Balkans sex trade is on civilian police. A senior<br />

official conceded that military peacekeepers are generally<br />

easier to discipline than civilian participants, as military organizations<br />

train <strong>and</strong> rigorously police their own members.<br />

Some militaries, particularly NATO members <strong>and</strong> the armed<br />

forces of wealthier nations, receive better training than others.<br />

The behavior of American troops therefore ought to be<br />

exemplary. Even so, a US Army investigation into the abuse<br />

of Kosovar Albanian civilians by a US Army Unit on<br />

peacekeeping duty identified a lack of proper training for<br />

missions that required soldiers to temper »their combat<br />

mentality.« 36<br />

High quality training <strong>and</strong> st<strong>and</strong>ards for conduct are clearly<br />

needed, with emphasis on military professionalism <strong>and</strong> discipline.<br />

37 The UN Department of <strong>Peace</strong>keeping Operations<br />

(DPKO) has reacted to shortcomings in training with the<br />

creation of the Training <strong>and</strong> Evaluation Service (TES), which<br />

develops <strong>and</strong> provides st<strong>and</strong>ardized peacekeeping training<br />

guidance.<br />

International organizations such as the UN do not have the<br />

same leverage over misbehaving peacekeepers as do civilian<br />

officials at home, since soldiers are generally immune from<br />

prosecution except by their own governments. 38 Problems in<br />

the field can lead to civil-military tensions back home. A<br />

cover-up at the senior officer level during the inquiry into<br />

the murder of a Somali youth in 1993 by Canadian peacekeepers<br />

provoked a civil-military relations crisis in Canada<br />

33 William Shawcross, Deliver Us From Evil, New York: Simon <strong>and</strong> Schuster,<br />

2000, p. 80.<br />

34 It is estimated that in 2000 the sex trade involved 200,000 southeastern<br />

European women – <strong>and</strong> an increasing number in the age group of 15-18.<br />

»Sins of the <strong>Peace</strong>keepers,« S<strong>und</strong>ay Herald (London) 30 June 2002,<br />

http://www.s<strong>und</strong>ayherald.com. See also Barbara Crossette, »<strong>Peace</strong>keeping’s<br />

Unsavory Side,« UN Wire, 11 June 2003.<br />

35 Kathryn Bolkovac, a human rights investigator, has sued DynCorp in<br />

London, the contractor for United Nations Civilian Police, charging unfair<br />

dismissal after she sent e-mail messages to the UN Mission about UN<br />

police officers <strong>and</strong> humanitarian workers exploiting women forced into<br />

prostitution. Steward Payne, »Teenagers ‘used for sex by UN in Bosnia,’«<br />

The Daily Telegraph (London), 25 April 2002, p. 17.<br />

36 Associated Press, »US Kosovo Report Shows Misconduct,« The New York<br />

Times, 18 September 2000, Available online at http://www.nytimes.com.<br />

37 Thomas S. Szayna, Preston Niblack <strong>and</strong> William O’Malley, »Assessing<br />

Armed Forces Deficiencies for <strong>Peace</strong> Operations: A Methodology,« International<br />

<strong>Peace</strong>keeping, Vol. 3, No. 3, Autumn 1996, pp. 77-91. The Brahimi<br />

Panel in August 2000 notes that, although member states are primarily responsible<br />

for peacekeeping training, the United Nations ought to provide<br />

guidelines <strong>and</strong> performance st<strong>and</strong>ards. See the Brahimi Panel’s Report<br />

A/55/305-S/2000/809, 21 August 2000, General Assembly Resolutions<br />

46/48, 48/42, 49/37, <strong>and</strong> the Secretary-General’s Report A/55/502, 20 October<br />

2000.<br />

38 An Italian commission conducted an inquiry that exonerated two Italian<br />

generals who resigned over the sc<strong>and</strong>al in June 1997. »Italian Army<br />

Cleared of Widespread Abuse in Somalia«, CNN World News, 9 August<br />

1997. URL: http://cnn.com/WORLD/9708/09/italy.somalia.index.html.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 83


S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D | Gut tieri, Civ il-mil ita ry relations in peaceb uildin g<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

as an entire regiment was dissolved. 39 The International<br />

Criminal Court is a forum for prosecution of alleged crimes<br />

during missions that have to date been confined to national<br />

military tribunals. This very issue is part of the US rationale<br />

for refusing to participate in the court.<br />

3. Trade-offs in intervention strategy<br />

Intervention strategies include choices about the relative<br />

weight – in roles, resources <strong>and</strong> composition – of civilian<br />

<strong>and</strong> military components of the peace mission. These<br />

choices affect civil-military relationships. In observer or traditional<br />

peacekeeping missions during the Cold War, often<br />

involving fewer than 1,000 troops, there was no basis for<br />

military components to challenge, <strong>and</strong> little opportunity for<br />

them to thwart, the dominance of diplomatic components.<br />

Coercive strategies require more military forces. These<br />

commitments involve more risk, more expense, <strong>and</strong> more<br />

likely civilian micromanagement of military operations. In<br />

sum, coercive strategies exacerbate tensions in each of the<br />

civil-military relationship sets.<br />

In multinational missions, coercive actions are more problematic<br />

because of variations in doctrinal approaches to<br />

peacekeeping. The approach of United States civil-military<br />

operations (CMO) doctrine, incorporating principles of war,<br />

for example, contrasts markedly with the emphasis in other<br />

civil-military cooperation or CIMIC doctrines.<br />

General agreement on the principles of traditional UN<br />

peacekeeping does not translate to agreement in modern<br />

peace enforcement. The United Nations Secretariat offers<br />

guidelines rather than doctrine as such. Of the various regional<br />

organizations, NATO has made more progress than<br />

most toward a comprehensive CIMIC doctrine, although the<br />

Economic Community of West African States (ECOWAS)<br />

<strong>and</strong> others are actively engaged in capturing the lessons of<br />

their peacekeeping experiences. 40 NATO CIMIC doctrine acknowledges<br />

the possibility of coercive intervention, while<br />

respecting the requirements of coordination <strong>and</strong> cooperation<br />

of civil <strong>and</strong> military actors in support of the mission.<br />

Just as we must ask which civilians form the civil-military relationship,<br />

it also matters which military forces are involved.<br />

Some militaries bring international political baggage. Accepting<br />

troop contributors from interested regional actors or<br />

major powers may increase the odds of military effectiveness<br />

at the expense of political impartiality. Secondly, militaries<br />

have different orientations toward society. Some have been<br />

segregated from society <strong>and</strong> oriented toward defense against<br />

uniformed adversaries on a defined battlefield, as was the US<br />

39 See the five volumes by the Canadian Commission of Inquiry into the<br />

Deployment of Canadian Forces to Somalia, Dishonoured Legacy: The Lessons<br />

of the Somalia Affair, Toronto: Canadian Government Publishing,<br />

1997.<br />

40 The Challenges Project, Challenges of <strong>Peace</strong> Operations: Into the 21st Century<br />

– Concluding Report 1970-2002, Stockholm, Sweden: El<strong>and</strong>ers Gotab.<br />

2002, pp. 89-109. Also available online at http://www.peacebuildingchallenges.net.<br />

See also Mark Malan, »Towards an Integrated Doctrine<br />

for <strong>Peace</strong> Support Operations in Africa«; Monograph 46, Building<br />

Stability in Africa: Challenges for the New Millennium, February 2000, available<br />

online at http://www.iss.co.za/Pubs/Monographs/No46/Towards.html.<br />

84 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

military during the Cold War. Other militaries have more<br />

recent <strong>and</strong> extensive experience with counter insurgencies<br />

or other internal control functions.<br />

When member states consider participation in a peacekeeping<br />

mission, two criteria for that participation are national<br />

interest <strong>and</strong> estimations of likely success. Canadian<br />

General Romeo Dallaire, whose life changed forever ten<br />

years ago when, as UN Force Comm<strong>and</strong>er, he was unable to<br />

stop the Rw<strong>and</strong>an genocide, regrets the role of national interest.<br />

»Who do I blame?« he asks, »I blame the lack of<br />

statesmanship. I blame the Americans – leadership, which<br />

includes the pentagon in projecting itself as world policeman<br />

one day <strong>and</strong> recluse the next… President Clinton saying…that<br />

the Americans will go in only if it’s in their selfinterest.«<br />

41 External national motivation to contribute<br />

troops to peace implementation brings disadvantages as well<br />

as advantages. National interest ensures a sense of purpose<br />

<strong>and</strong> support from the public at home. UN missions have<br />

been generally successful at containing conflict, even if they<br />

have fared poorly overall at resolving it. 42 However, this evidence<br />

suggests that UN missions are really an extension of<br />

great power management. When national interest is obvious,<br />

humanitarian operations may appear as rehearsals for<br />

armies of the developed countries to rapidly project power<br />

into the developing world. 43 Meanwhile, UN military forces<br />

seek to be perceived as impartial in the field.<br />

Estimations of success provide further criteria, based on<br />

power balances among belligerents, the quality of a settlement,<br />

<strong>and</strong> indigenous resources for reconstruction. An approach<br />

that picks implementation based on its likely success<br />

minimizes the risk that failures in peace implementation<br />

will erode its legitimacy <strong>and</strong> the morale of multilateral participants.<br />

As a disadvantage, this approach may cause the international<br />

community to ab<strong>and</strong>on some of the peoples<br />

that are in greatest need of assistance, <strong>and</strong> leave them to<br />

their own devices as human rights abuses, genocide, <strong>and</strong> the<br />

ravages of war continue.<br />

Choices about organizational structures – how multilateral<br />

<strong>and</strong> how military – were controversial in the recent occupation<br />

of Iraq. Nationalization of peace implementation, as defined<br />

by an emphasis on the leadership of contributing<br />

states, helps to overcome the reluctance of its soldiers to<br />

serve <strong>und</strong>er foreign officials <strong>and</strong> streamlines policy channels<br />

compared to highly complex multilateral operations. On the<br />

other h<strong>and</strong>, choosing multilateralization potentially pools<br />

resources <strong>and</strong> provides a better sense of impartiality that<br />

may be necessary to the maintenance of consent of the parties<br />

to the conflict. The civil-military mix itself also matters.<br />

The use of military forces for peace implementation accus-<br />

41 Romeo Dallaire interview with Peter Mansbridge, The National Canadian<br />

Broadcasting Corporation, 24 October 2003.<br />

42 Duane Bratt, »Assessing the Success of UN <strong>Peace</strong>keeping Operations«, in<br />

Michael Pugh, ed., The UN, <strong>Peace</strong> <strong>and</strong> Force, London: Frank Cass, 1997, pp.<br />

64-81.<br />

43 N. Stockton, »An NGO Perspective on Civil Reconstruction«, paper presented<br />

at the Refugee Studies Programme Conference on the Role of the<br />

Military in Humanitarian Emergencies, Oxford University, October 1995,<br />

cited in Hugo Slim, »The Stretcher <strong>and</strong> the Drum: Civil-Military Relations<br />

in <strong>Peace</strong> Support Operations«; International <strong>Peace</strong>keeping, Vol. 3, No. 4,<br />

1997, pp. 123-140.


Gut tieri, Civ il-mil ita ry relations in pea cebuil ding | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

toms transitional societies to military operations in the civil<br />

realm, <strong>and</strong> thus <strong>und</strong>ermines the process of democratization.<br />

44 Alternatively, external military forces might spread<br />

the norms of good civil-military relations if they are aware<br />

of the weight of their example <strong>and</strong> know how to conduct<br />

themselves appropriately. 45 This article has shown the<br />

emerging context in which that assumption plays out, <strong>and</strong><br />

some of the challenges to such leadership by example.<br />

4. Conclusion<br />

When we distinguish among types of missions <strong>and</strong> identify<br />

the types of civil-military relationships that are relevant in<br />

44 For the argument that external military involvement increases military<br />

operations of local armies <strong>and</strong> <strong>und</strong>ermines democratization, see Joy Olson<br />

<strong>and</strong> Preston Pentony, US Military Humanitarian <strong>and</strong> Civil Assistance<br />

Programs <strong>and</strong> Their Application in Central America, Albuquerque, New<br />

Mexico: Interhemispheric Resource Center, 1995.<br />

45 The latter view has been an <strong>und</strong>erlying assumption in United States civic<br />

action programs. See various chapters in John W. de Pauw <strong>and</strong> George A.<br />

Luz, eds., Winning the <strong>Peace</strong>: The Strategic Implications of Military Civic Action,<br />

New York: Praeger, 1992.<br />

peacebuilding, it is clear that the character of the mission<br />

<strong>and</strong> the mix of civil-military organizational components require<br />

better conception in both planning <strong>and</strong> execution.<br />

Comm<strong>and</strong> <strong>and</strong> control arrangements of multilateral peacebuilding<br />

forces are significant to both civil-military relations<br />

<strong>and</strong> the prospects of peace. However, more nuanced division<br />

of labor issues arise. The division of labor among civilian<br />

<strong>and</strong> military institutions of contributing states must be<br />

resolved by interagency agreement <strong>and</strong> the determination of<br />

a »lead agency.« The division of labor between civilian <strong>and</strong><br />

military institutions at the international level involves not<br />

only determining roles of multilateral militaries, but also<br />

those of civilians of international <strong>and</strong> non-governmental<br />

organizations. Finally, societies attempting to rebuild after<br />

war will be making their own decisions about the division of<br />

labor between civilian <strong>and</strong> military institutions as they<br />

transform their own security sector. It is imperative that, as<br />

external implementers seek to provide war-torn societies<br />

space to make such transformations, they do so with care to<br />

the example they set in the process.<br />

The civil-military interface with local populations:<br />

Impact on peacebuilding strategies<br />

Ann M. Fitz-Gerald*<br />

Abstract: Multinational troops are increasingly deployed to internal wars characterized by multiethnic violence, paramilitary<br />

regimes <strong>and</strong> autocratic state leadership. Their closeness to the local populations presents interesting implications for<br />

contemporary peacekeeping training programs <strong>and</strong> the further development of military doctrine in warfighting, peace enforcement<br />

<strong>and</strong> peacekeeping environments. In most cases, regional paramilitary forces <strong>and</strong> warlords garner local support by<br />

convincing indigenous populations that their allegiance will be rewarded with the provision of individual security <strong>and</strong> protection.<br />

The success of the multinational forces in redirecting this allegiance depends largely on how the force is perceived<br />

as a credible security provider. For this reason, a careful balance must be preserved between maintaining a »robust posture«<br />

<strong>and</strong> interfacing within the local population to strengthen confidence-building measures.<br />

Key Words: peacekeeping, peacebuilding, peace enforcement, multinational military interventions, coalition forces, military<br />

culture<br />

Military intervention through multinational peace<br />

support operations has become increasingly challenging<br />

due to the complex environments <strong>and</strong> the<br />

many different players that are brought into theatre.<br />

Whereas the prevailing model represents a major departure<br />

from the former »buffer-zone« peacekeeping, where warring<br />

factions were separated by a demarcation zone, nowadays it<br />

* Ann Fitz-Gerald is an Associate Professor in the Department of Defence<br />

Management <strong>and</strong> <strong>Security</strong> Analysis at Cranfield University, UK. She<br />

worked in the Canadian Liaison Office at NATO Headquarters in Brussels,<br />

Belgium, <strong>and</strong> has field experience in Angola, Sudan, Sierra Leone, all<br />

Former Yugoslav Republics <strong>and</strong> Colombia, among others.<br />

This article was prepared for the United Nations University-IFSH project<br />

»The Role of the Military in Post-Conflict <strong>Peace</strong>building.« The author acknowledges<br />

the project directors Hans-Georg Ehrhart (IFSH) <strong>and</strong> Albrecht<br />

Schnabel (swisspeace), the members of the project team as well as two<br />

anonymous peer reviewers for their input in the preparation of this article.<br />

is quite commonplace for indigenous populations to live in<br />

close proximity of the intervening military forces <strong>and</strong>, as<br />

such, are able to view their behavioral conduct <strong>and</strong> operational<br />

effectiveness. A common method used by warlords,<br />

nonstate actors <strong>and</strong> paramilitary regimes in garnering the<br />

support of local communities, is to offer security guarantees<br />

in exchange for their support. As a result, the main task for<br />

the international community in responding to these conflicts<br />

involves determining the basis for local support <strong>and</strong><br />

seeking to redirect the population’s allegiance towards the<br />

interventionist forces by demonstrating the provision of<br />

credible security. This is all the more important as research<br />

indicates that disparate national approaches observed in recent<br />

multinational peace support operations have had a di-<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 85


S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D | Fit z-Gera ld, The civ il-mil ita ry int erfa ce wit h loc a l pop ula tio ns<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

rect impact on the intensity <strong>and</strong> duration of conflicts, due<br />

to a failure to build sufficient confidence measures at the<br />

grass roots level of society.<br />

This article discusses the relationship between local populations<br />

<strong>and</strong> multinational military forces <strong>and</strong> examines why<br />

different behavioral approaches <strong>and</strong> conducts are key considerations<br />

when striving to achieve increased multinational<br />

interoperability on the gro<strong>und</strong>. It draws on some national<br />

disparities observed in Bosnia <strong>and</strong> Haiti <strong>and</strong> explores the potential<br />

causes of these differences at the international, national<br />

<strong>and</strong> in-theatre levels. Lastly, the article discusses recent<br />

initiatives aimed at minimizing the differences, <strong>and</strong> the<br />

impact this should have on defense policy <strong>and</strong> military<br />

leadership at all levels.<br />

1. The importance of local dynamics<br />

Past classic peacekeeping interventions have relied on Chapter<br />

VI UN Charter principles of consent, impartiality <strong>and</strong> the<br />

non-use of force except in the case of self-defense. 1 These<br />

principles <strong>and</strong> procedures have applied to many other interventions,<br />

as far back as the 1956 UN Emergency Force<br />

(UNEF) deployed to the Sinai, the UN Force in Cyprus<br />

(UNFCYP), which is still stationed there today, the 1992 UN<br />

Protection Force (UNPROFOR) in Bosnia, the 1993 UN Preventive<br />

Deployment (UNPREDEP) in Macedonia <strong>and</strong> the UN<br />

Mission in Sierra Leone (UNAMSIL). These types of operations<br />

are most appropriate for the issues discussed in this article<br />

due to the restrictions imposed on the troops, <strong>and</strong> the<br />

tasks they are expected to perform.<br />

Chapter VI m<strong>and</strong>ates are most common during the earlier<br />

<strong>and</strong> later stages of a conflict. If a conflict or humanitarian<br />

emergency deteriorates to the extent that more robust military<br />

action is required, a new m<strong>and</strong>ate is usually issued <strong>und</strong>er<br />

Chapter VII of the UN Charter, which authorizes the use<br />

of force. 2 The ratification process behind approving the<br />

more robust UN m<strong>and</strong>ate has proven difficult in the past,<br />

particularly if it triggers sensitivities for those permanent<br />

five UN <strong>Security</strong> Council members who have the ability to<br />

exercise a veto. Such a scenario prevailed during early talks<br />

on the deployment of military troops to Kosovo, <strong>and</strong> the<br />

subsequent decision for the Organization for <strong>Security</strong> <strong>and</strong><br />

Co-operation in Europe (OSCE) to initially lead the monitoring<br />

mission due to the dual veto exercised by both China<br />

<strong>and</strong> Russia. 3 Alternatively, the entire operation can be taken<br />

over by a »coalition of the willing« or a unilateral singlenation<br />

intervention. The American <strong>and</strong> British-led »coalition<br />

of the willing« in the 1990 <strong>and</strong> 2003 Gulf Wars, as well<br />

as the 1994 US-led Operation Restore Democracy in Haiti, all<br />

serve as respective examples of these arrangements. Thus, it<br />

is possible to categorize contemporary conflict interventions<br />

into the following three types: 1) a UN-sanctioned/UN-led<br />

operation (including by regional organizations), 2) a UN-<br />

1 See Charter of the United Nations <strong>and</strong> Statute of the International Court<br />

of Justice, United Nations: New York, 1994, p.19.<br />

2 Ibid., p. 22.<br />

3 Michael Evans, »Eyes in Sky will back unarmed peace terms,« The Times,<br />

London, 14 October 1998, p. 13.<br />

86 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

sanctioned intervention led by an »executive agent« or 3) a<br />

small »coalition of the willing.« The American-led coalition<br />

that launched air strikes on Taliban military strongholds in<br />

Afghanistan on 7 October 2001, <strong>und</strong>erlines another recent<br />

utility of »coalition warfare.«<br />

When security <strong>and</strong> stability return <strong>and</strong> humanitarian activity<br />

resumes, a new UN m<strong>and</strong>ate that upholds the same<br />

Chapter VI principles <strong>und</strong>erwrites the new phase of operations,<br />

such as the UN Mission in Kosovo (UNMIK) – the civilian<br />

mission that followed the more robust NATO-led enforcement<br />

phase <strong>and</strong> the drafting of UN Resolution 1244.<br />

During this later phase, international troops are expected to<br />

perform a more integral role within the local society <strong>and</strong> assist<br />

in peacebuilding programs, security sector reform <strong>and</strong><br />

democratic development. There are many practical initiatives<br />

that can help to foster trust <strong>and</strong> credibility <strong>and</strong> remove<br />

the deeply rooted fear that helped sustain the status quo<br />

ante. While it is beyond the scope of this article to acknowledge<br />

all possible measures, recommendations that address<br />

this problem from a military doctrinal <strong>and</strong> training perspective<br />

will be explored. The following examination draws on<br />

research carried out in 1996 in Haiti during the third UN<br />

m<strong>and</strong>ate, <strong>and</strong> during the Stabilization Force (SFOR) deployment<br />

in Bosnia. The choice of cases reflects the contemporary<br />

nature of conflict, which includes a spectrum of<br />

activities from low-intensity warfighting to more tranquil<br />

peacebuilding tasks.<br />

2. Haiti<br />

The Haitian kleptocratic nature of governance survived until<br />

the end of the Duvalier legacy in 1986, followed by a series<br />

of similar regimes <strong>and</strong> bloody coups that lasted for four<br />

years. 4 In December 1990, the Roman Catholic Priest Jean-<br />

Bertr<strong>and</strong> Aristide was sworn in as President following free<br />

<strong>and</strong> fair elections. A military coup d’état, led by senior military<br />

officials <strong>and</strong> the capital city’s chief of police, interrupted<br />

his term six months later. Following US-led efforts to<br />

broker an agreement for the return of President Aristide <strong>and</strong><br />

the military regime’s non-compliance towards its implementation,<br />

a UN-sanctioned/US-led force m<strong>and</strong>ated <strong>und</strong>er<br />

Chapter VII of the UN Charter was sent in to restore peace.<br />

The m<strong>and</strong>ate of the operation authorized the US force to use<br />

whatever means necessary to return President Aristide to office,<br />

in accordance with the Governors Isl<strong>and</strong> Agreement.<br />

On 31 March 1995, the force was replaced by the UN Mission<br />

in Haiti, a multinational peacekeeping force acting <strong>und</strong>er<br />

Chapter VI of the UN Charter. The force was tasked with<br />

maintaining a secure <strong>and</strong> stable environment, assisting in<br />

the training of a new national police force, <strong>and</strong> facilitating a<br />

free <strong>and</strong> fair electoral process. 5 In 1996 the force was<br />

downsized <strong>and</strong> renamed the UN Support Mission in Haiti<br />

(UNSMIH). It was supported primarily by Canadian <strong>and</strong><br />

Pakistani peacekeeping battalions, a French Gendarmerie<br />

4 For an excellent overview of the Duvalier legacy, see Elizabeth Abbott,<br />

Haiti: the Duvaliers <strong>and</strong> their Legacy, London: Robert Hale, 1988.<br />

5 UNSCR 867.


Fit z-Gera ld, The civ il-mil ita ry int erfa ce wit h loc a l pop ula tio ns | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

contingent <strong>and</strong> others participating in a UN Civilian Police<br />

Force (UNCIVPOL). A small group of American Army logisticians<br />

also provided support <strong>and</strong> were stationed at an airport<br />

compo<strong>und</strong>. Its task was to assist in the professionalization of<br />

the national police force <strong>and</strong> in the maintenance of a secure<br />

<strong>and</strong> stable environment.<br />

Research carried out during the UNSMIH deployment examined<br />

whether or not different national military conduct<br />

<strong>and</strong> behavior had an impact on the local population’s impression<br />

of the UN Force. Interviews were conducted on the<br />

streets, in restaurants <strong>and</strong> cafes, in the prisons, municipal<br />

offices, at the local police stations, in the more rural areas,<br />

<strong>and</strong> in the aid agency <strong>and</strong> military compo<strong>und</strong>s. Views were<br />

gathered from the local inhabitants <strong>and</strong> international personnel<br />

assisting in all phases of the operation. Although this<br />

information was collected during the UNSMIH deployment<br />

in the spring of 1996, feedback on national military troops<br />

also included those who participated in earlier phases of the<br />

intervention.<br />

Feedback on the American troops was divided according to<br />

time periods: during the earlier Chapter VII operation that<br />

authorized the use of force <strong>and</strong> the later support role the<br />

forces contributed to the UN Force. People generally felt<br />

that the American military was the right force to bring in<br />

during the earlier days of the conflict, as a lightly-armed<br />

peacekeeping force would not have deterred the violence,<br />

crime <strong>and</strong> political unrest. This was particularly the case for<br />

the people interviewed in Port-au-Prince where the worst<br />

violence was erupting.<br />

In the northern city of Cap Haitien, the American response<br />

to a particularly violent firefight with the paramilitary group<br />

Force Armee d’Haiti (FAD’H), resulted in increased support<br />

for the national troops in areas outside of the capital city. In<br />

the incident American warning shots to deter a gang member<br />

from shooting a pro-Aristide demonstrator outside the<br />

Cap Haitien police station, were answered with direct fire<br />

towards the American troops. In response, the Americans<br />

shot <strong>and</strong> killed ten of the paramilitaries. The response to the<br />

incident strengthened support for the Americans for at least<br />

two reasons: First, it demonstrated to young potential paramilitary<br />

recruits that similar behavior would not be tolerated,<br />

<strong>and</strong> it showed the disincentives of subscribing to the<br />

cause. Second, residents of Cap Haitien commented on the<br />

renewed confidence instilled by the American action, which<br />

led to the reopening of local businesses that had been continually<br />

looted <strong>and</strong> robbed by the paramilitaries. For the<br />

majority of people in Haiti, any extra income besides state<br />

allowances was usually made from market stalls in the city<br />

<strong>and</strong> town centers, <strong>and</strong> thus the American performance had<br />

brought hope that the markets could function once again.<br />

One former mayor even suggested that the robust, resolute<br />

approach proved to many people that the American’s current<br />

involvement in Haiti was different from the nationbuilding<br />

tactics used between 1915-1934, which had generated<br />

so much resentment towards the US. 6<br />

6 Based on discussions with Mr. Ti Don Moore, Cap Haitien, 9 May 1996.<br />

Interviews were conducted with a broader sample set once<br />

the UN took over the operation. Local Haitians living<br />

aro<strong>und</strong> Port-au-Prince grew to resent the American military<br />

forces for their insistence on using dedicated military vehicles<br />

(<strong>and</strong> not the open-sided UN trucks used by the other<br />

national battalions). Moreover, the locals questioned the<br />

need for the tall heavily manned guard towers that the<br />

American forces had constructed at each of their sites, <strong>and</strong><br />

the requirement to travel in groups of no less than eight<br />

with heavy military vehicles. This approach during a more<br />

peaceful environment had a compelling psychological impact<br />

on the Haitian population <strong>and</strong> magnified the <strong>und</strong>erst<strong>and</strong>ing<br />

of the UN presence.<br />

The Pakistani battalion, which had been deployed since the<br />

transition to the UN force in 1994, had seemingly developed<br />

a good rapport with the local groups. Many of those interviewed<br />

commented on the Pakistanis’ determined look, the<br />

positioning of their guns <strong>and</strong> their attentiveness during patrolling<br />

activities, which made the Haitians believe that the<br />

Pakistanis were very much aware <strong>and</strong> in control of the situation.<br />

Their ability to combine this structured approach with<br />

constant interaction with people, whether it was helping<br />

someone push a wheel-barrel down the street or building a<br />

soccer field for the children in a bad neighborhood, built<br />

tremendous support for the Pakistani battalion in Haiti.<br />

People acknowledged that this more than made up for their<br />

inability to communicate in the local language. The vast<br />

majority of people interviewed were convinced that, had<br />

any violence broken out, the Pakistanis would have resisted<br />

aggression <strong>and</strong> protected the population.<br />

The Canadian forces serving in Haiti had inherited an unfortunate<br />

legacy of problems from incidents of misconduct<br />

in both Somalia <strong>and</strong> Rw<strong>and</strong>a. Due to these past experiences,<br />

the continuous need for the Canadian armed forces to be<br />

seen as politically <strong>and</strong> militarily »correct« had placed enormous<br />

restrictions on the operational capability of the individual<br />

serving soldiers. In Haiti, shortly after the transition<br />

to the UN-led operation in 1995, Canada was forced to<br />

modify its interpretation of the UN rules of engagement<br />

(ROE) in order to protect a group of Canadian hydro workers<br />

deployed to restore electricity to the capital city of Portau-Prince.<br />

7 When a warehouse in which they were working<br />

came <strong>und</strong>er paramilitary fire, Canadian troops had to request<br />

permission to use force to deter the attack. The existing<br />

Canadian ROEs only permitted the troops to use force<br />

»in the case of self-defense« due to Canada’s insistence on<br />

the removal of the words »…<strong>and</strong> in defense of property«<br />

prior to deployment. The ROEs were later modified to include<br />

»<strong>and</strong> also in defense of the m<strong>and</strong>ate« which could justify<br />

the protection of Canadian civilians. Most countries already<br />

use this text despite the Canadian belief that<br />

ambiguity in determining what would <strong>and</strong> would not<br />

threaten the m<strong>and</strong>ate may result in unnecessary violence. 8<br />

The restrictions on the Canadians were obvious even to the<br />

local inhabitants. Comments suggested that the Canadian<br />

7 Based on discussions with Colonel Mike Schnell, MA to the Canadian<br />

Permanent Representative to the United Nations, New York, 7 May 1996.<br />

8 Ibid.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 87


S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D | Fit z-Gera ld, The civ il-mil ita ry int erfa ce wit h loc a l pop ula tio ns<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

troops tended not to hold their guns at the ready position<br />

like their Pakistani <strong>and</strong> Bangladeshi counterparts, tended<br />

not to patrol in the bad areas <strong>and</strong> demonstrated an inability<br />

to defuse <strong>and</strong> control several street-riots <strong>and</strong> student protests.<br />

On the other h<strong>and</strong>, almost all of the respondents appreciated<br />

the kindness showed by the Canadian military<br />

forces <strong>and</strong> the ease of communication through French cultural<br />

<strong>and</strong> linguistic affinities. However, in the case of a<br />

heightened security alert, the confidence they had in the<br />

Canadians as credible security providers was quite low.<br />

Only ten years later, the world is now witnessing the recurrence<br />

of problems in Haiti. The renewed armed protests<br />

against what rebel forces labeled as a lack of democratic<br />

governance demonstrated by the recently ousted Aristide regime<br />

has led to violent skirmishes in the cities of Port-au-<br />

Prince, Gonaives <strong>and</strong> Cap Haitien. Once again, the international<br />

community has offered an inadequate at worst, <strong>and</strong><br />

short-term at best, solution to the problems. Distracted by<br />

events in the Middle East, the United States sent approximately<br />

1000 troops to deal with the civil problems, but with<br />

the Pentagon’s uncategorical statement that the deployment<br />

would be short-term only. 9 Canada, another partner from<br />

the past, has also committed to an embarrassing 90-day deployment,<br />

despite its large Haitian population <strong>and</strong> the motivation<br />

that led to its commitment in the mid 1990s.<br />

Whatever the separate national motivations <strong>and</strong> agendas,<br />

the response to the problems in Haiti this time must be<br />

backed by a longer-term strategy <strong>and</strong> military credibility<br />

that will encourage a sustainable peace in the longer term.<br />

Indeed, such a solution will also require regional ownership,<br />

<strong>and</strong> a commitment from organizations like the Caribbean<br />

Community (CARICOM), whose members’ national interests<br />

are all affected by the conflict in Haiti, the strategic<br />

transiting it offers to the region’s narcotrafficking problem<br />

<strong>and</strong> the scores of refugees that flee to the neighboring isl<strong>and</strong><br />

states.<br />

3. Bosnia<br />

As the fighting in the former Yugoslavia spread <strong>and</strong> the<br />

situation deteriorated, combined with several failed attempts<br />

at brokering a diplomatic solution, measures were<br />

increased to bring in NATO involvement <strong>and</strong>, with it, a<br />

more robust m<strong>and</strong>ate. After the signing of the US-brokered<br />

Dayton <strong>Peace</strong> Accords NATO deployed the Implementation<br />

Force (IFOR) in December 1995. Since the agreement was<br />

brokered, a NATO Stabilization Force (SFOR) has remained<br />

in Bosnia. There are three area comm<strong>and</strong>s, all of which answer<br />

to a central comm<strong>and</strong> in Sarajevo. While SFOR represents<br />

a UN-sanctioned/NATO-led force subject to the<br />

authority of the NATO comm<strong>and</strong>ers, it is still deployed in a<br />

peacekeeping/peacebuilding capacity <strong>and</strong> is therefore expected<br />

to carry out the rebuilding <strong>and</strong> reintegration role inherent<br />

in post-conflict operations.<br />

9 Author Anonymous, »Haiti After Aristide: Will the Americans finish the<br />

job this time?«, Economist, 4 May <strong>2004</strong>, p. 9.<br />

88 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

Not surprisingly, the Canadian troops left a similar impression<br />

in the minds of certain Muslim, Croat <strong>and</strong> Serb groups<br />

in Bosnia. Local residents were interviewed in <strong>and</strong> aro<strong>und</strong><br />

Sarajevo, in the Bihac region of southwest Bosnia, <strong>and</strong> in<br />

the Central Bosnian towns of Gornji Vakuf <strong>and</strong> Jajce. Canadians<br />

had served in all these regions during different phases<br />

of the UN <strong>and</strong> NATO intervention in the former Yugoslav<br />

Republic.<br />

Several Canadian soldiers recalled a well-known incident<br />

that occurred in April 1998 in the central Bosnian town of<br />

Drvar. During the repatriation of Serb groups back to the<br />

now Croat-dominated town, the Croat residents of the area<br />

rebelled <strong>and</strong> ignited riots on the streets. The reactions of<br />

many Canadians were described as being »confused« <strong>and</strong><br />

»fearful.« This apparently became more evident when many<br />

of the troops jumped back into their SFOR trucks in hope<br />

that the problems would die down. British troops, dressed in<br />

armor, came in shortly after <strong>and</strong> secured the area. Many<br />

Croats <strong>and</strong> some Serbs said that, at the time, they were very<br />

happy to see the arrival of the British troops.<br />

For a number of reasons, in most areas Serbs did not warm<br />

up to American gro<strong>und</strong> troops: When diplomatic efforts<br />

reached an impasse during the UN deployment in 1993, the<br />

American support for the »lift <strong>and</strong> strike« option caused<br />

some degree of resentment. Moreover, in various press releases<br />

<strong>and</strong> official statements visiting US officials rarely acknowledged<br />

the problems caused by the Muslim <strong>and</strong> Croat<br />

populations in Bosnia. This was particularly the case when<br />

the Serbs received strong condemnation by the US in the<br />

February 1994 mortar incident in the Sarajevo market despite<br />

the fact that incident reports analyzing the projection<br />

<strong>and</strong> impact of the firing questioned Serb responsibility.<br />

Most military personnel living <strong>and</strong> serving in Bosnia were<br />

aware of the »heavy« approach used by the Americans when<br />

serving on the gro<strong>und</strong>. In Bosnia, inquiries into the travel<br />

plans of American troops at checkpoint stops were often<br />

met with soldiers jumping out of heavily armed military vehicles<br />

in order to guard the spokesperson while he or she<br />

dealt with factional representatives. This top-heavy approach,<br />

particularly during the SFOR m<strong>and</strong>ate that focused<br />

on peacebuilding <strong>and</strong> reconciliation, was viewed as unnecessary<br />

<strong>and</strong> only served to raise anxieties among the illinformed,<br />

<strong>and</strong> aggravate others. As in Haiti, the troops never<br />

traveled in groups of less than eight people with a minimum<br />

of two armored personnel carriers. Local residents believed<br />

that the Americans had little interest in speaking <strong>and</strong> interacting<br />

with them. When the 1997 riots broke out <strong>and</strong> demonstrations<br />

were mounted in front of the SFOR Civil-<br />

Military Centre in Prijedor, which, at that time, was manned<br />

by American officers, the Americans refused to come out<br />

<strong>and</strong> speak to the locals or make efforts to defuse the situation.<br />

Bosnian Muslims living in the Bihac region recalled an incident<br />

that further <strong>und</strong>erscored the American’s reluctance towards<br />

<strong>und</strong>erst<strong>and</strong>ing local dynamics. A number of American<br />

soldiers had been tasked with distributing IFOR newsletters<br />

(a peacebuilding tool used to improve communications <strong>and</strong>


Fit z-Gera ld, The civ il-mil ita ry int erfa ce wit h loc a l pop ula tio ns | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

<strong>und</strong>erst<strong>and</strong>ing) to the area of Bos Krupa. The newsletters<br />

were translated in slightly different dialects <strong>and</strong> emphasized<br />

slightly different issues, depending on whether the target<br />

audience was Serb, Muslim or Croat. Both the interpreters<br />

<strong>and</strong> a substantial number of local residents realized that little<br />

care was being taken towards the distribution of the material<br />

<strong>and</strong> that certain ethnic groups were not receiving papers<br />

translated into their own dialects. This indifferent <strong>and</strong><br />

detached attitude, which was exhibited on many occasions,<br />

<strong>und</strong>ermined ethnic sensitivities <strong>and</strong> did not help the Americans<br />

garner support in a very ethnically mixed region. Other<br />

troop contingents were more successful in winning the<br />

»hearts <strong>and</strong> minds« of the local population, primarily by<br />

demonstrating greater commitment to local needs.<br />

Another incident in 1995 in the Bosnian town of Doboj<br />

witnessed a group of Bosnian Muslims being granted permission<br />

by Danish <strong>and</strong> British troops to cross a bridge to<br />

visit a cemetery (in the newly proclaimed Serb side of town)<br />

where relatives had been buried. Riots broke out <strong>and</strong> Serbs<br />

began chasing Muslims, throwing stones <strong>and</strong> physically<br />

beating them. As the British <strong>and</strong> Danish troops fired warning<br />

shots into the air, their efforts were overshadowed by<br />

the sudden appearance of American gunships, with blades<br />

tilted downwards in order to spray stones <strong>and</strong> objects into<br />

the air in an »overkill« effort to move back the crowd. Many<br />

of the local residents who were interviewed felt that the use<br />

of gunships sent a very powerful message to the factional<br />

militant groups in terms of consolidating more resources<br />

<strong>and</strong> heavier equipment. Other individuals felt that the<br />

Americans were trying to use »scare tactics« to increase<br />

compliance in the area.<br />

Due to the broad range of national troop contributors that<br />

served in Bosnia between 1995-99, the local populations<br />

identified several other national tendencies that affected<br />

their perception of the international effort. The behavior of<br />

the Bangladeshi <strong>and</strong> Malaysian soldiers towards Bosnian<br />

women <strong>and</strong> the significant time they spent in local bars <strong>and</strong><br />

restaurants had affected IFOR’s reputation in both Sarajevo<br />

<strong>and</strong> Bihac. While the locals warmed up to the Italian <strong>and</strong><br />

Spanish troops in the more southern area of Mostar, they<br />

feared that they were not capable of offering sufficient protection<br />

in the case fighting would re-ignite between the<br />

Croat <strong>and</strong> Muslim factions in the area. Residents in <strong>and</strong><br />

aro<strong>und</strong> Sarajevo <strong>and</strong> Mount Igman also felt very strongly<br />

like the French Foreign Legion’s »over the top« approach to<br />

»spraying bullets in response to a branch breaking in the<br />

wind.«<br />

The results show that various categories of military professionalism<br />

were observed in Bosnia. On one end of the scale<br />

were troops described as »net users« as opposed to »net contributors«<br />

of security. These included the Malaysians, Jordanians,<br />

Bangladeshis <strong>and</strong> Ukrainian troops. Grouped in the<br />

next category were troops such as the Spanish, the Dutch<br />

<strong>and</strong> the Canadians. These groups were known to practice<br />

softer <strong>and</strong> less robust soldiering, which would prove ineffective<br />

during periods of heavy violence. Their approach was<br />

such that they exhibited »static patrolling,« as opposed to<br />

»active patrolling,« which suggested to local residents that if<br />

problems resurfaced in the future, they would not feel adequately<br />

protected by these troops.<br />

The French <strong>and</strong> Czech forces generated fairly positive feedback<br />

on their military conduct <strong>and</strong> professionalism. Locals<br />

from all ethnic backgro<strong>und</strong>s felt safe in the company of<br />

Czech troops <strong>and</strong> applauded their way of h<strong>and</strong>ling tense<br />

situations, which was impressive considering the fact that<br />

they were still adjusting to Western military practices.<br />

The Americans were criticized for their »top heavy« approach,<br />

particularly during times when such an approach<br />

seemed unnecessary. They were also described as being insular<br />

<strong>and</strong> non-committal towards <strong>und</strong>erst<strong>and</strong>ing <strong>and</strong> interacting<br />

at the local level. Generally speaking, Americans<br />

should not be used in such sensitive environments where<br />

relationship building <strong>and</strong> positive encouragement are considered<br />

priorities. This has implications for a country whose<br />

technological superiority <strong>and</strong> projection of military power<br />

excels at the highest diplomatic <strong>and</strong> operational levels. Perhaps<br />

there is significant merit in John Hillen’s argument<br />

that »superpowers don’t do windows,« which recognizes<br />

that NATO best serves its many different security roles by<br />

playing to the core competencies of its members, 10 which,<br />

for the United States, should perhaps not include Chapter<br />

VI peacekeeping in complex environments.<br />

Local residents applauded the firm approach taken by British<br />

troops <strong>and</strong> their impatience towards obstructionism.<br />

However, they also felt that the troops demonstrated a firm<br />

commitment to <strong>und</strong>erst<strong>and</strong>ing local circumstances in each<br />

community <strong>and</strong> made efforts to remain informed at all<br />

times. Individuals <strong>and</strong> groups seemed very aware of the help<br />

that the British troops provided to other forces <strong>and</strong> were<br />

cognizant of the leadership roles they assumed in different<br />

multinational situations.<br />

There are obviously many other incidents that may be investigated<br />

to assess the collective impact of different national<br />

military approaches on a conflict population. However,<br />

such preliminary observations recognize that<br />

inconsistent <strong>and</strong> incongruent national interpretations of<br />

multinational military procedures, conduct <strong>and</strong> leadership<br />

required to fulfill a m<strong>and</strong>ate can have a negative impact on<br />

the overall effort.<br />

Nor can different national contributors be heavily faulted<br />

for fine-tuning rules of engagement according to their own<br />

national law. Notwithst<strong>and</strong>ing the fact that multinational<br />

forces often operate <strong>und</strong>er the control of a regional organization<br />

or the UN, donor nations will never be willing to<br />

have their forces governed (<strong>and</strong> held legally accountable) to<br />

a st<strong>and</strong>ard that is not in accordance with the donating<br />

country’s domestic law. But when it is known that national<br />

legal constraints <strong>and</strong> political pressure will disturb the multinational<br />

unity to the extent that it has a negative impact<br />

on the peace process, restrictions should be communicated<br />

<strong>and</strong> core competencies should be more clearly defined. Arguably,<br />

the reality of coalition warfare has already advanced<br />

10 John F. Hillem, »<strong>Peace</strong>keeping is Hell«, Policy Review, Autumn 2001, p.<br />

17.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 89


S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D | Fit z-Gera ld, The civ il-mil ita ry int erfa ce wit h loc a l pop ula tio ns<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

to the point where national exceptions to the force ROEs are<br />

accommodated – however, it is questionable whether or not<br />

the UN’s very political <strong>and</strong> ad hoc approach to organizing<br />

Chapter VI peacekeeping forces is familiar with this.<br />

4. Implications for multinational military training<br />

Current multinational training programs neither address the<br />

gap in developing st<strong>and</strong>ard approaches <strong>and</strong> uniform interpretation,<br />

nor do they provide adequate resources to tackle<br />

the problem in the near future. Five years ago the UN was<br />

stripped of its »gratis program« <strong>und</strong>er the aegis of the UN<br />

Department of <strong>Peace</strong>keeping Operations (UNDPKO),<br />

whereby an increasing number of military staff officers from<br />

the armies of the member states were assigned on loan, or<br />

»gratis,« to UNDPKO. Financial limitations imposed on the<br />

less industrialized nations to f<strong>und</strong> officers employed in New<br />

York City prompted a call for an expeditious phasing out of<br />

all »gratis« personnel, which left UNDPKO with a staff complement<br />

that had been reduced from twenty-seven to four.<br />

After successive years of seeking to »train the trainers,«<br />

leading military nations within the UN indicated that only a<br />

limited number of member states sent designated »trainers«<br />

on these courses. Certain national representatives felt that<br />

their own training modules were more up to date <strong>and</strong> reflected<br />

current operational requirements for multinational<br />

interventions much better than the UN-sponsored course.<br />

However, since 1999, considerable efforts have been made<br />

to remedy the training con<strong>und</strong>rum. Over the past decade, a<br />

wave of International <strong>Peace</strong>keeping Training Centers has<br />

developed, all of which have been organized <strong>und</strong>er the<br />

broader International Association of <strong>Peace</strong>keeping Training<br />

Centers. This has encouraged some degree of st<strong>and</strong>ardization<br />

<strong>and</strong> complementarity. The UN’s Department of<br />

<strong>Peace</strong>keeping Operations’ Training <strong>and</strong> Evaluation Service<br />

(TES) was set up to develop <strong>and</strong> devise practical peacekeeping<br />

training guidance <strong>and</strong> strives to advise the UN system<br />

on peacekeeping training, develop peacekeeping training<br />

material <strong>and</strong> support operational peacekeeping exercises.<br />

The organization employs a multinational staff of over 20<br />

serving military personnel <strong>and</strong> civilians <strong>and</strong> thus has helped<br />

fill an important gap that was left following the demise of<br />

the »Gratis Military Officers« (GMO) program. Other initiatives<br />

have arisen, including UNITAR’s Program of Correspondence<br />

Instruction (POCI). The program serves as training<br />

designed to acquaint students with UN peacekeeping<br />

missions, particularly those that go on to serve on UN<br />

peacekeeping missions. The training <strong>und</strong>erlines the importance<br />

of st<strong>and</strong>ardized approaches to peacekeeping <strong>and</strong> is<br />

available to both civilians <strong>and</strong> military personnel at very<br />

nominal costs. 11<br />

However, as the more tranquil Chapter VI peacekeeping operations<br />

tend to follow a period of warfighting or more robust<br />

enforcement, it has become increasingly apparent that<br />

national contributors on the gro<strong>und</strong> during the initial<br />

11 See http://unitarpoci.org.<br />

90 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

phases of a Chapter VI environment are often not troops<br />

that subscribe to UN peacekeeping training. Therefore, however<br />

current TES’s material <strong>and</strong> doctrine development may<br />

be, local authorities <strong>and</strong> civilian populations in conflict theatres<br />

are often not guaranteed a seamless transition of the<br />

operational application of peacekeeping theory between incoming<br />

(Chapter VI) <strong>and</strong> outgoing (Chapter »6 1/2« or VII)<br />

troops.<br />

Concepts <strong>and</strong> doctrine that embrace the more contemporary<br />

principles of peacekeeping are articulated in the NATO<br />

doctrine for peace support operations. The growing preeminence<br />

of this doctrine, <strong>and</strong> its influence in Europe <strong>and</strong><br />

the US, is also encouraging a degree of apathy towards UN<br />

peacekeeping concepts <strong>and</strong> training. As the declared »custodian«<br />

for NATO doctrine for peace support operations, the<br />

UK has been hugely influential in shaping recent military<br />

training programs in all of the NATO <strong>and</strong> associate member<br />

states. It recognizes the complex evolution of peace support<br />

operations <strong>and</strong> how different contingencies affect the response<br />

requirements. The doctrine also acknowledges the<br />

vast number of civilian agents <strong>and</strong> the continuum along<br />

which transitional management <strong>and</strong> lead-agent responsibilities<br />

become exceptionally important.<br />

There is still a significant divide between countries that subscribe<br />

to the NATO doctrine, <strong>and</strong> those who are still loyal to<br />

the UN’s more conservative <strong>and</strong>, arguably, outdated approach.<br />

12 European Defense analysts might argue that<br />

NATO’s lead on military training is more appropriate, considering<br />

its recent involvement as lead agency in peace support<br />

operations in the Balkans. None the less, it is imperative<br />

that the international community decides which<br />

organization should take the lead in training future multinational<br />

forces, <strong>and</strong> that it recognizes that softer, more traditional<br />

peacekeeping principles cannot be definitely separated<br />

from more robust postures.<br />

However, while such disparities in military conduct remain,<br />

efforts at the national <strong>and</strong> bilateral levels may be the best<br />

step forward. Both doctrine <strong>and</strong> training are important functions<br />

of ethical military leadership <strong>and</strong>, where troops serve<br />

in multinational theatres of operations, comm<strong>and</strong>ers must<br />

realize that different national interpretations can result in<br />

disparities within an agreed series of legal responses <strong>and</strong><br />

procedures. In addition, they must also <strong>und</strong>erst<strong>and</strong> the impact<br />

these differences have on the progress towards peace.<br />

Benchmarking the best practice of different national contributions<br />

in different situations <strong>and</strong> <strong>und</strong>ertaking appropriate<br />

cultural analysis <strong>and</strong> cultural appreciation training would be<br />

an effective way of improving the flexibility <strong>and</strong> readiness of<br />

multinational troops. It would also allow them to move<br />

more effectively up <strong>and</strong> down a »continuum of responses«<br />

<strong>and</strong> adapt to sudden environmental changes, such as a<br />

peace enforcement operation that follows a fairly tranquil<br />

period of traditional peacekeeping.<br />

As the multinational military coalition in Iraq approaches<br />

the last two months before the official political h<strong>and</strong>over to<br />

12 At the time of last revisions to this article (March <strong>2004</strong>), UNDPKO has<br />

been working on its own doctrine, which may soon fill this gap.


Fit z-Gera ld, The civ il-mil ita ry int erfa ce wit h loc a l pop ula tio ns | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

the Iraqi authorities, different national military approaches<br />

are beginning to have an impact on the degree of insurgent<br />

activity aro<strong>und</strong> key areas, as well as on confidence building<br />

measures that the coalition had sought to build. Americanled<br />

responses to the recent insurgent activity aro<strong>und</strong> the<br />

Iraqi towns of Fallujah <strong>and</strong> Najaf have been described as<br />

»top heavy« <strong>and</strong> not proportionate to the threat. In response<br />

to the heavy shelling of the town’s main mosque<br />

<strong>and</strong> religious center, former UK Foreign Secretary Robin<br />

Cook said of the Americans: »Whenever they fly over these<br />

townships <strong>and</strong> fire missiles into these townships, the are<br />

convincing everyone that they are the enemy...we need to<br />

try to adopt a policy of peacekeeping <strong>and</strong> minimum force<br />

<strong>and</strong> try to defuse the situation rather than letting the situation<br />

spiral out of control.« 13<br />

Meanwhile, in the more southern regions of Basra <strong>and</strong> Azzubayr<br />

Port, the British Army’s »soft walk but with a big<br />

stick« approach seems to be boding a bit better. No doubt,<br />

the relevance of principles taken from post-colonial <strong>and</strong><br />

Northern Irel<strong>and</strong> »policekeeping« experiences carry great<br />

applicability in response to the security vacuum in Iraq.<br />

General Sir Michael Jackson, current UK Chief of the General<br />

Staff summarized this approach with the following<br />

comment: »We must be able to fight with the Americans.<br />

This does not mean that we will fight as the Americans.« 14<br />

5. Conclusion<br />

This article has examined the realities <strong>and</strong> uncertainties of<br />

current conflict l<strong>and</strong>scapes <strong>and</strong> the challenges posed to military<br />

interventionist forces deployed to these areas. It has<br />

also emphasized that, despite claims of a changing future<br />

strategic threat, most interventions will almost always include<br />

the deployment of gro<strong>und</strong> forces either before, during<br />

or after an actual targeted attack. For this reason, it is essential<br />

that future policies on multinational military intervention<br />

consider the more operational <strong>and</strong> tactical requirements<br />

that are essential for improving cohesion <strong>and</strong> unity<br />

of effort on the gro<strong>und</strong>.<br />

Empirical research <strong>und</strong>ertaken in Bosnia <strong>and</strong> Haiti <strong>und</strong>erlined<br />

the significance of the local populations in these areas.<br />

It also showed that international military conduct must<br />

view these groups as the main stakeholders of conflicts <strong>and</strong><br />

groups that are key to a sustainable peace. If, through inconsistent<br />

behavior <strong>and</strong> disparate approaches of multinational<br />

troops, the local groups re-evaluate their allegiance to the<br />

international effort, they may easily fall vulnerable once<br />

again to the forces that ignited the conflict in the first place.<br />

Once this happens, the prospect of a sustainable peace becomes<br />

more uncertain <strong>and</strong> the task of the interventionists<br />

becomes increasingly difficult.<br />

The UN has struggled to develop effective doctrine <strong>and</strong><br />

training programs for peace support operations <strong>and</strong>, despite<br />

13 Robin Cook: »Iraq Strategy is Failing«, Guardian, 8 April <strong>2004</strong>, p. 2.<br />

14 Richard Norton-Taylor, »General Hits out at US tactics«, The Daily Telegraph,<br />

26 April <strong>2004</strong>, p. 2.<br />

the ambitious recommendations laid out in the Brahimi report,<br />

progress remains slow at best. While the UN has taken<br />

the lead on several initiatives, such as the UN Training <strong>and</strong><br />

Evaluation Service (TES) <strong>and</strong> the UN Institute for Training<br />

<strong>and</strong> Research’s (UNITAR’s) Program of Correspondence Instruction<br />

(POCI), research must examine ways in which<br />

these efforts may be more marketable to leading<br />

peacekeeping nations <strong>and</strong> to countries that contribute to<br />

more robust phases of peace support operations.<br />

The growing pre-eminence of NATO doctrine <strong>and</strong> its influence<br />

in Europe also encourages an increased ambivalence<br />

towards UN programs. If the gap between the »NATO subscribing<br />

countries« (for example, United Kingdom, United<br />

States <strong>and</strong> France) <strong>and</strong> the »UN subscribing countries« (for<br />

example, Nigeria, Bangladesh, Malaysia) is left to widen<br />

even further, the impact will be felt most when gro<strong>und</strong><br />

troops are attempting to »keep« a peace <strong>and</strong> run extensive<br />

peacebuilding programs to maintain it. This marks the critical<br />

period when troops interact closely with the local populations<br />

<strong>and</strong> must use confidence-building measures to sustain<br />

their support.<br />

In the wake of recent calls to improve multinational<br />

interoperability between allies, research should be <strong>und</strong>ertaken<br />

to explore the »positioning« of different national<br />

troop contributors in terms of manpower, fighting power,<br />

capability, <strong>and</strong> deployability, with the cultural mindset <strong>and</strong><br />

public <strong>and</strong> political support each nation brings to a theatre.<br />

Such a study could further categorize nations into broader<br />

categories, perhaps labeled as »front line,« »second line« or<br />

»support line« peace interventionists. As each country finds<br />

its position <strong>and</strong> establishes the goals it must pursue to<br />

achieve multinational interoperability with its allies,<br />

benchmarking the successful approaches <strong>and</strong> conduct of<br />

»like« countries may help them to reach their objectives<br />

<strong>and</strong>, more importantly, improve unity of effort in difficult<br />

<strong>and</strong> challenging circumstances.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 91


S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D | Bla ckwell , Civ il-mil ita ry relations in Centra l a nd Ea s tern Eur ope<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

Civil-military relations in Central <strong>and</strong> Eastern Europe<br />

<strong>and</strong> integration with NATO <strong>and</strong> the European Union<br />

Stephen Blackwell*<br />

Abstract: This article seeks to outline the relationship between the enlargement of NATO <strong>and</strong> the EU <strong>and</strong> the reform of civil-military<br />

relations in the countries of Central <strong>and</strong> Eastern Europe (CEE). The principal argument is that while NATO has<br />

taken the lead in providing assistance in this area, it is not equipped to support the f<strong>und</strong>amental changes in civil society<br />

that are needed to consolidate democratic oversight of the military <strong>and</strong> effective defense reforms. While the EU has not taken<br />

a prominent role in the reform of the CEE militaries, it will in the long-term have a more f<strong>und</strong>amental impact on civilmilitary<br />

relations owing to its greater interest in real societal transformation.<br />

Key words: NATO, EU, civil-military relations, democratization<br />

ith the accession of ten new members to the<br />

European Union (EU) <strong>and</strong> seven to the North<br />

Atlantic Treaty Organization (NATO) in <strong>2004</strong>, the<br />

enlargement processes of both organizations have consolidated<br />

the already considerable impact they have had on the<br />

transitional development of the post-communist countries<br />

of Central <strong>and</strong> Eastern Europe (CEE). Over the next few<br />

years, this influence will continue to manifest itself both in<br />

terms of the conditions set by the two institutions for membership<br />

<strong>and</strong> dem<strong>and</strong>s from the c<strong>and</strong>idate countries themselves<br />

for continued guidance in »setting the agenda« for<br />

the profo<strong>und</strong> political, economic <strong>and</strong> social changes that<br />

have taken place. In contrast to areas such as Africa, the central<br />

importance of NATO <strong>and</strong> the EU to this reform process<br />

also to some extent reflects the way in which the United Nations<br />

(UN) has been sidelined as a result of its perceived inability<br />

to resolve the violent ethnic disputes in parts of the<br />

CEE region. In the aftermath of the conflicts that beset former<br />

Yugoslavia <strong>and</strong> briefly threatened the stability of Slovakia,<br />

Romania <strong>and</strong> Bulgaria, the focus has shifted to the admission<br />

of the CEE countries to the »Western Club« <strong>and</strong> the<br />

consolidation of democratic reforms in the region. 1<br />

W<br />

This article seeks to discuss two key questions raised by the<br />

increased profile of the major Western security institutions<br />

in the region <strong>and</strong> the effect of this on armed forces reform<br />

in the CEE countries. The first is the extent to which NATO<br />

<strong>and</strong> EU enlargement has affected civil-military relations in<br />

the countries <strong>und</strong>er discussion. The second concerns the na-<br />

* Stephen Blackwell is Head of the European <strong>Security</strong> Programme at the<br />

Royal United Services Institute, London. He was previously European Editor<br />

of Jane’s Sentinel <strong>Security</strong> Assessments, <strong>and</strong> a Visiting Lecturer at the<br />

University of Babes-Bolyai, Cluj, Romania, working for the Civic Education<br />

Project, an American NGO involved in a wide range of projects <strong>and</strong><br />

initiatives in Central/Eastern Europe <strong>and</strong> the former Soviet Union. He<br />

holds a PhD in International Politics from the University of Wales, Aberystwyth.<br />

This article was prepared for the United Nations University-IFSH project<br />

»The Role of the Military in Post-Conflict <strong>Peace</strong>building.« The author acknowledges<br />

the project directors Hans-Georg Ehrhart (IFSH) <strong>and</strong> Albrecht<br />

Schnabel (swisspeace), the members of the project team as well as two<br />

anonymous peer reviewers for their input in the preparation of this article.<br />

1 Alex Pravda, »Introduction«, in Jan Zielonka <strong>and</strong> Alex Pravda, eds., Democratic<br />

Consolidation in Eastern Europe: Volume 2, International <strong>and</strong> Transnational<br />

Factors, Oxford <strong>and</strong> New York: Oxford University Press, 2001, pp.<br />

1-27.<br />

92 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

tional armed forces reform programs in relation to the accession<br />

processes. A central argument of this article is that<br />

EU <strong>and</strong> NATO objectives, often perceived as being synonymous,<br />

do in fact reveal different priorities with regard to the<br />

reform of civil-military relations in the CEE countries. An<br />

analysis of the relationship between EU <strong>and</strong> NATO enlargement<br />

policies, a subject that remains <strong>und</strong>er-researched at<br />

present, highlights the danger of both institutions pursuing<br />

different aims that in turn could lead to distortions of the<br />

reforms that are currently <strong>und</strong>ertaken. The conflicting dem<strong>and</strong>s<br />

of what could be termed »relative conditionality«<br />

<strong>and</strong> the lack of a formalized link between the two enlargements<br />

need to be addressed if the conditions for »correct«<br />

civil-military relations, an essential component of democratization<br />

<strong>and</strong> security sector reform, are to be established in<br />

the CEE region. 2<br />

1. Problems of civil-military reform in the postcommunist<br />

CEE countries<br />

This article deals with those CEE countries that are either<br />

embarked on accession negotiations with NATO <strong>and</strong> the EU,<br />

or at least aspire to do so. While it is difficult to generalize<br />

about states as diverse as, for example, the Baltic countries<br />

<strong>and</strong> the successor states of the former Yugoslavia, it is suggested<br />

here that all of the post-communist states share f<strong>und</strong>amental<br />

difficulties in their efforts to reform their civilmilitary<br />

relations. According to one assessment of the main<br />

issues, the military in the CEE states face a »triple set of<br />

transition challenges« in relation to their reform: justification<br />

of expenditure, personnel recruitment <strong>and</strong> the requirement<br />

to be »adaptive learning organizations.« A major<br />

issue for the CEE states is the impact of rapid downsizing<br />

<strong>and</strong> the potential hazards this creates in terms of declining<br />

2 »Correct civil-military relations« is a contentious issue in view of new research<br />

in this area. As well as the »traditional« models developed by Samuel<br />

P. Huntington <strong>and</strong> Morris Janowitz in the 1950s <strong>and</strong> 1960s (see footnotes<br />

4 & 5), new insights dealing with the CEE countries can be fo<strong>und</strong> in<br />

David Betz <strong>and</strong> John Löwenhardt, eds., Army <strong>and</strong> State in Postcommunist<br />

Europe, London: Frank Cass, 2001, <strong>and</strong> Andrew Cottey, Timothy Edm<strong>und</strong>s<br />

<strong>and</strong> Anthony Forster, eds., Democratic Control of the Military in Postcommunist<br />

Europe: Guarding the Guards, Basingstoke: Palgrave, 2002.


Bla ckwell , Civ il-mil ita ry relations in Centra l a nd Ea s tern Eur ope | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

military morale <strong>and</strong> the social disruption caused by the unemployment<br />

of large numbers of officers <strong>and</strong> recruits. 3 At<br />

this point it is worth exp<strong>and</strong>ing on what is meant by »civilmilitary<br />

relations« within the context of security sector reform<br />

in order to define more clearly the principal difficulties<br />

faced by the CEE governments since 1989.<br />

Although the argument developed here uses civil-military<br />

relations as a generic term, the issues dealt with can in fact<br />

be subdivided into two inter-connected spheres of policy activity:<br />

civil-military relations <strong>and</strong> military-society relations.<br />

Civil-military relations in this sense refer to the totality of<br />

mechanisms aimed at ensuring that the military within a<br />

given country is effectively managed by the executive, is<br />

subject to the efficient scrutiny of a democratic legislature<br />

<strong>and</strong> is fully accountable to the principal branches of government.<br />

This vision of a professionalized <strong>and</strong> de-politicized<br />

military corresponds with Samuel Huntington’s conception<br />

of »objective political control.« 4 Military-society relations,<br />

on the other h<strong>and</strong>, concern the relationship between the<br />

armed forces <strong>and</strong> society in a broader sense, <strong>and</strong> the political<br />

<strong>and</strong> sociological issues raised by this form of interaction.<br />

The assumption is that society <strong>and</strong> the military must be<br />

truly engaged with <strong>and</strong> representative of each other, with<br />

the military consequently <strong>und</strong>er »subjective military control.«<br />

There is thus arguably a correlation between the levels<br />

of public interest in, or »civic society« activity connected<br />

with, a country’s armed forces <strong>and</strong> their political <strong>and</strong> democratic<br />

characteristics. 5<br />

Bearing this exp<strong>and</strong>ed definition in mind, it is possible to<br />

discern common features in the nature of the civil-military<br />

relations »experience« shared by the CEE countries that<br />

emerged from communist rule in 1989. Among these was a<br />

high degree of politicization of the members of the military<br />

sector, a consequence of the rigid ideological conformity<br />

imposed by single party communist systems. The previous<br />

aim of »politicizing« the military necessitated strong civilian<br />

control of the armed forces as institutions, although this<br />

was to some extent paradoxically combined with a high degree<br />

of military autonomy in the actual framing of defense<br />

policy. This common experience was the source of many of<br />

the difficulties encountered by post-communist militaries<br />

following the collapse of the former regimes. Taking Western<br />

models of civil-military relations as an example, the<br />

armed forces in the CEE region were seen as encumbered by<br />

a sudden obsolescence not only in terms of military doctrine<br />

<strong>and</strong> equipment, but also their political relationship with the<br />

new social order. This was particularly the case given the<br />

starkly interrelated problems of a politically active military<br />

combined with the absence of any traditions of parliamen-<br />

3 Anthony Forster, Timothy Edm<strong>und</strong>s <strong>and</strong> Andrew Cottey, eds., The Challenge<br />

of Military Reform in Postcommunist Europe: Building Professional Armed<br />

Forces, Basingstoke: Palgrave, 2002, pp. 1-17.<br />

4 Samuel P. Huntington, The Soldier <strong>and</strong> the State: The Theory <strong>and</strong> Politics of<br />

Civil-Military Relations, Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1957.<br />

5 Morris Janowitz, The Professional Soldier: a Social <strong>and</strong> Political Portrait, London:<br />

Glencoe Collier-Macmillan, 1960.<br />

tary oversight, financial management systems or defense<br />

expertise in the civilian sector. 6<br />

One of the main concerns expressed by both international<br />

<strong>and</strong> regional actors in the early 1990s was that military elites<br />

in the CEE countries would be tempted to intervene in order<br />

to either replace or exercise a direct form of control over<br />

weak civilian regimes. Despite these fears of the threat of<br />

»Praetorianism,« defined as military intervention by coups<br />

or other means in the civilian political administration of a<br />

state, has remained unrealized. The tendency towards political<br />

non-interference shown by the armed forces in CEE has,<br />

paradoxically, been attributable to the high degree of political<br />

sensitivity shown by a new breed of officers anxious to<br />

take advantage of the breakdown of the self-imposed isolation<br />

that characterized regional countries before 1989. 7 Exposure<br />

of the military to Western civil-military practice <strong>and</strong><br />

strategic doctrine – in particular through NATO’s Partnership<br />

for <strong>Peace</strong> (PFP) program – has also highlighted a pressing<br />

need for assistance with the reform process that is perceived<br />

as being available only from the United States <strong>and</strong><br />

the EU countries. This has ranged from advice on establishing<br />

suitable civil-military structures to urgent requests for<br />

modern equipment to help upgrade <strong>and</strong> professionalize<br />

armed forces in the region. 8<br />

Perhaps most significantly, Western help has been sought<br />

with the institutional reform of civil-military relations in<br />

the CEE countries. Attempts to create »civilianized« ministries<br />

of defense in the region have so far run into the problems<br />

posed by the absence of trained civilian managers that<br />

would be competent enough to master the complexities of<br />

administering military forces. A common difficulty faced by<br />

all of the post-communist states to varying degrees is the absence<br />

of a tradition of an honest <strong>and</strong> efficient bureaucratic<br />

structure with a particular expertise in this field. The reform<br />

process has led to markedly variable results in the region,<br />

which has often revealed a serious gap between good intentions<br />

<strong>and</strong> bad implementation. Although Hungary was seen<br />

as perhaps the most enthusiastic reformer in the early<br />

1990s, NATO officials have been disappointed with the inability<br />

of Budapest to formulate clear strategic doctrines. In<br />

contrast, Pol<strong>and</strong>, while a slow starter in the aftermath of<br />

1989, has adapted relatively smoothly to NATO membership.<br />

9 An analysis of the development of civil-military relations<br />

in CEE thus has to take account of the broader context<br />

of major societal change. As Betz, Löwenhardt <strong>and</strong> Strachan<br />

argue succinctly, »it is far more difficult in reality to introduce<br />

democratic principles of control into civil-military relationships<br />

that have been rigidly hierarchical, <strong>and</strong> to do so in<br />

6 Andrew Cottey, Timothy Edwards <strong>and</strong> Anthony Forster, »Introduction:<br />

the Challenge of Democratic Control of Armed Forces in Postcommunist<br />

Europe«, in Cottey, Edwards <strong>and</strong> Forster, Democratic Control of the Military<br />

in Postcommunist Europe, Basingstoke: Palgrave, 2001, pp. 1-17.<br />

7 Dale R. Herspring, »Civil-Military Relations in Post-Communist Eastern<br />

Europe: The Potential for Praetorianism«, Studies in Comparative Communism,<br />

Vol. 25, No. 2, June 1992, pp. 99-122.<br />

8 Jess Pilegaard, Defence Reform in Central Europe, IIS Report 2003/5, Copenhagen:<br />

Danish Institute for International Studies, 2003.<br />

9 See Jeffrey Simon, Pol<strong>and</strong> <strong>and</strong> NATO: A Study in Civil-Military Relations,<br />

Lanham MD: Rowman & Littlefield, <strong>2004</strong>.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 93


S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D | Bla ckwell , Civ il-mil ita ry relations in Centra l a nd Ea s tern Eur ope<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

a political situation that is changing quickly <strong>and</strong> is generating<br />

uncertainty <strong>and</strong> insecurity for its major players.« 10<br />

It is important to note in summary that civil-military reforms<br />

in the CEE region have been affected by a degree of<br />

organic change in the post-Cold War security agenda, which<br />

is reflected both in changes in the role of the military <strong>and</strong><br />

relative political marginalization of the armed forces within<br />

the democratization process. Economic considerations, the<br />

possibility of military modernization <strong>and</strong> the need for closer<br />

links with the West have ensured that the military has supported<br />

democratization <strong>and</strong> reform efforts. In a more general<br />

sense a »push-pull« relationship has emerged between<br />

the democratization process in CEE countries <strong>and</strong> the enlargement<br />

of NATO <strong>and</strong> the EU. The twin enlargement<br />

processes have grown both from the Western perception<br />

that this would serve the interests of security in the region,<br />

<strong>and</strong> also from the need of local regimes for help with the establishment<br />

of democratic, free-market systems. The existence<br />

of a »Western Project« in the region, debatable in<br />

terms of the actual co-ordination between outside international<br />

actors, is certainly perceived as a collective effort by<br />

regional governments. The EU <strong>and</strong> NATO in particular have<br />

become central to the foreign policies of the regional states,<br />

<strong>and</strong> membership in both of these organizations symbolizes<br />

their explicit aim of a »return to Europe.« 11<br />

2. The role of NATO <strong>and</strong> the EU<br />

In the period since the collapse of the communist regimes in<br />

the CEE states, Western policies aimed at promoting democratization<br />

in general have often been criticized for an absence<br />

of strategic direction. This criticism is certainly valid<br />

in view of the fact that the objectives of NATO <strong>and</strong> the EU<br />

in relation to the stated aim of enlargement <strong>and</strong> assistance<br />

with the reform of civil-military relations in the region remain<br />

<strong>und</strong>efined <strong>and</strong> only vaguely coordinated. Although<br />

both institutions have the same aim of real democratic control<br />

of armed forces, at ease with their roles within the states<br />

of the region, the process has been distorted by the perception<br />

that this policy area is primarily the concern of the Atlantic<br />

Alliance. Bearing in mind the elements referred to<br />

earlier, this has ensured a focus on efficient civil-military<br />

structures in an operational sense, at the expense of f<strong>und</strong>amental<br />

democratic reform <strong>and</strong> social participation in defense<br />

<strong>and</strong> security affairs. In view of the EU’s potentially far<br />

more detailed interest in a process that will hopefully lead to<br />

basic changes in outlook as well as institutional structures,<br />

the policy of the Union towards civil-military reform remains<br />

relatively <strong>und</strong>efined. This is perhaps all the more surprising<br />

given the EU’s recent experience in its expansion<br />

southwards to include NATO allies <strong>und</strong>ergoing a process of<br />

10 David Betz, John Löwenhardt <strong>and</strong> Hew Strachan, »Introduction«, Journal<br />

of Communist Studies <strong>and</strong> Transition Politics, Special Edition on »Civil-<br />

Military Relations in Transition«, Vol. 17, No. 1, 2001, p. 4.<br />

11 Karen E. Smith, »Western Actors <strong>and</strong> the Promotion of Democracy«, in<br />

Zielonka <strong>and</strong> Pravda, eds., Democratic Consolidation in Eastern Europe,<br />

pp. 31-3.<br />

94 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

change from military to democratic civilian governments<br />

during the 1970s <strong>and</strong> 1980s. 12<br />

NATO has taken the major role in the reform of civilmilitary<br />

structures in the CEE region for obvious reasons.<br />

Since 1989 the Alliance’s increased interest in the area in<br />

general, <strong>and</strong> its willingness to <strong>und</strong>ertake »out of area« military<br />

operations in former Yugoslavia in particular, has resulted<br />

in the Alliance taking over the initiative from the<br />

other major multinational institutions concerned with security<br />

in the region. Although the UN <strong>and</strong> the EU were initially<br />

responsible for initiatives aimed at resolving the vicious<br />

ethnic strife that broke out in the constituent<br />

republics of Yugoslavia in the early 1990s, NATO action was<br />

eventually the decisive factor. This stemmed from the perceived<br />

need both for military intervention <strong>and</strong> the fact that<br />

the Alliance alone, quite apart from its traditional doctrine<br />

of »collective defense,« possessed the ability to impose itself<br />

by force in order to quell the conflicts. To a great extent<br />

NATO’s role in the resolution of the Yugoslav issue was thus<br />

reactive <strong>and</strong> featured considerable improvisation in the face<br />

of fluid circumstances on the gro<strong>und</strong>. According to a former<br />

comm<strong>and</strong>er of the Alliance’s Second Tactical Air Force, it<br />

was »difficult for NATO to st<strong>and</strong> aloof from events in which<br />

the UN was incompetent to act but for which NATO was<br />

well equipped, <strong>and</strong> which took place close to the Treaty<br />

borders.« 13<br />

As well as overt displays of force aimed at settling disputes<br />

in the region, an explicitly stated motive behind NATO’s<br />

policy of enlargement is the process of democratization in<br />

the CEE countries, with the aim of creating politically stable<br />

Alliance c<strong>and</strong>idates with efficiently functioning armed<br />

forces. The PFP, launched by a meeting of the North Atlantic<br />

Council in Brussels in 1994, included an offer to »work<br />

in concrete ways towards transparency in defense budgeting<br />

[<strong>and</strong>] promoting democratic control of defense ministries.« 14<br />

Indeed, a key argument used to support expansion is protection<br />

against domestic military intervention caused by economic<br />

crises in the countries that aspire to join the Western<br />

security structures. The Alliance’s stated requirements for effective<br />

civil-military relations in the region include civilian<br />

ministers of defense, civilian officials in defense ministries,<br />

the exclusion of the military from partisan politics, legislative<br />

control of the defense budget <strong>and</strong> the open discussion<br />

of defense issues. The former American Secretary of State<br />

Madeleine Albright hoped in 1997 that the prospect of<br />

NATO membership would ensure that in the former communist<br />

states »soldiers take orders from civilians, not the<br />

other way aro<strong>und</strong>.« 15<br />

12 See John Chipman, ed., NATO’s Southern Allies: Internal <strong>and</strong> External Challenges,<br />

London & New York: Routledge, 1988.<br />

13 Roger Palin, »Multinational Military Forces: Problems <strong>and</strong> Prospects«,<br />

Adelphi Paper 294, International Institute for Strategic Studies, Oxford<br />

<strong>and</strong> New York: Oxford University Press, 1995, p. 6.<br />

14 Declaration Issued by the Heads of State <strong>and</strong> Government Participating in<br />

the Meeting of the North Atlantic Council, Brussels, 10-11 January 1994,<br />

in Christopher Hill & Karen E. Smith, eds., European Foreign Policy: Key<br />

Documents, London & New York: Routledge, 2000, Document 3/9, pp.<br />

217-21.<br />

15 Cited from Dan Reiter, »Why NATO Enlargement Does Not Spread Democracy«,<br />

International <strong>Security</strong>, Vol. 25, No. 4, 2001, pp. 54-6.


Bla ckwell , Civ il-mil ita ry relations in Centra l a nd Ea s tern Eur ope | S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

Although the EU is very much concerned with democratization<br />

in policy areas such as civil-military relations, this has<br />

not manifested itself in terms of an explicit set of accession<br />

requirements or a general enunciation of principles. The negotiations<br />

aimed at the admission of new members have<br />

been led by the European Commission <strong>and</strong> thus have reflected<br />

those legal, economic <strong>and</strong> trade issues that reflect<br />

both the Commission’s considerable competence in these<br />

areas <strong>and</strong> the primary interests of the aspiring members.<br />

Within the process of the European Commission’s discussion<br />

with the CEE c<strong>and</strong>idate countries the »chapter« dealing<br />

with the Common Foreign <strong>and</strong> <strong>Security</strong> Policy (CFSP), chapter<br />

27, was closed with all twelve applicants well before the<br />

decision to admit ten of these countries at the EU’s Copenhagen<br />

summit in 2002. This reflects the fact that no distinctive<br />

acquis communitaire exists in the field of foreign <strong>and</strong> defense<br />

policy. In particular, there is very little explicit linkage<br />

between the EU’s external policies <strong>and</strong> the enlargement<br />

process itself, an omission that reflects both the Commission’s<br />

relatively minor role in the CFSP (compared to the<br />

European Council representing the member states) <strong>and</strong> the<br />

embryonic nature of the policy itself. 16<br />

In the case of the EU, the present c<strong>and</strong>idate countries, preoccupied<br />

as previously noted with more difficult areas of<br />

negotiations such as trade harmonization, have so far displayed<br />

little interest in military <strong>and</strong> defense issues. One exception<br />

in this context has been the Stability Pact for South<br />

Eastern Europe, the principal aim of which is to foster security<br />

in the region through economic <strong>and</strong> political reform.<br />

<strong>Security</strong> <strong>and</strong> defense issues are dealt with <strong>und</strong>er »Working<br />

Table Three,« which has a »Sub-Table on defense <strong>and</strong> security<br />

issues« concerned with defense economics among other<br />

issues. However, the Stability Pact has no resources of its<br />

own <strong>and</strong> does not directly manage the projects; the Pact has<br />

acted merely as a mechanism through which bilateral assistance<br />

has been provided to the region. Progress depends on<br />

partnerships, <strong>and</strong> the Pact therefore has limited scope to<br />

provide roadmaps such as NATO’s Membership Action<br />

Plans. 17 The Atlantic Alliance has made a much more explicit<br />

link between its accession process, stability <strong>and</strong> reforms<br />

in areas such as civil-military relations. In contrast,<br />

the link is entirely absent from EU enlargement policy.<br />

There is a need for the EU to create a more explicit link between<br />

enlargement, the CFSP <strong>and</strong> military reform in conjunction<br />

with a clearer acquis in the fields of foreign <strong>and</strong> defense<br />

policy making. 18<br />

Notwithst<strong>and</strong>ing the absence of clear criteria for accession,<br />

the promise of integration with both NATO <strong>and</strong> the EU has<br />

nevertheless had a distinct impact on democratic reforms in<br />

the CEE states. The process of EU accession by its very nature<br />

required a far more profo<strong>und</strong> process of political, eco-<br />

16 Mark Webber, »NATO Enlargement <strong>and</strong> European Defence Autonomy«,<br />

in Jolyon Howarth <strong>and</strong> John T. S. Keeler, eds., Defending Europe: The EU,<br />

NATO <strong>and</strong> the Quest for European Autonomy, Basingstoke: Palgrave Macmillan,<br />

2003, pp. 157-80.<br />

17 See the website of the Special Co-ordinator of the Stability Pact<br />

(http://www.stabilitypact.org).<br />

18 Antonio Missiroli, ed. Bigger EU, wider CFSP, Stronger ESDP? The view from<br />

Central Europe, European Union Institute for <strong>Security</strong> Studies, Occasional<br />

Paper No. 34, April 2002.<br />

nomic <strong>and</strong> social readjustments, not the least being the<br />

diminution of sovereignty, than those required for NATO<br />

membership. As the EU, through the acquis, has set criteria<br />

for extremely detailed <strong>and</strong> comprehensive reforms in the<br />

run-up to accession, it is perhaps best placed to have an organic,<br />

»bottom-up« influence on the development of military-society<br />

as well as civil-military relations in the future.<br />

Yet the EU’s input in this area remains small, <strong>and</strong> there is an<br />

urgent need for greater involvement in the reform of the<br />

armed forces in the CEE region, particularly given the increased<br />

importance of the embryonic European <strong>Security</strong> <strong>and</strong><br />

Defense Policy (ESDP).<br />

3. Future prospects for civil-military reform in the<br />

CEE region<br />

Aside from the contention that the EU might be better<br />

placed to f<strong>und</strong>amentally change attitudes to civil-military<br />

relations, the partnership <strong>and</strong> development programs spearheaded<br />

by the PFP have also come <strong>und</strong>er criticism for their<br />

detailed content. Within the context of efforts to ensure the<br />

creation of stable democratic institutions for the management<br />

of armed forces in the CEE region, the most pressing<br />

problem remains the »knowledge imbalance« between the<br />

civilian <strong>and</strong> military sectors. In the case of NATO, the<br />

promise of either accession or closer cooperation has meant<br />

that the prioritization of technical military issues, in particular<br />

interoperability, has led to the marginalization of the<br />

problem of encouraging a greater level of civilian participation<br />

in this sphere of activity. This is felt to be particularly<br />

true in the context of the PFP program, even though the initiative<br />

has sought to promote the development of essential<br />

elements of democratic control such as civilian expertise<br />

<strong>and</strong> parliamentary accountability. In reality PFP has been<br />

only partially successful in its aims. Although programs do<br />

exist for civilians, the overwhelming majority of participants<br />

from the CEE countries have been military personnel.<br />

This bias in the nature of the activities aimed at providing<br />

assistance has actually tended to widen the »expertise gap«<br />

between the military <strong>and</strong> civilians. 19<br />

The inability to foster a culture of informed debate about<br />

defense <strong>and</strong> security matters in the region remains a cause<br />

for concern. There is broad agreement in the CEE region on<br />

the need for a stronger »strategic community« involving all<br />

elements of society in a vigorous discussion of the future<br />

role of military forces. A key factor in this process will be the<br />

achievement of a healthy balance between the input of international<br />

organizations such as NATO <strong>and</strong> the EU <strong>and</strong> political<br />

leadership on the part of local politicians, civil servants,<br />

journalists <strong>and</strong> NGOs. The process will inevitably be<br />

incremental <strong>and</strong> it is important that national particularities<br />

19 Jeffrey Simon, »The PFP Path <strong>and</strong> Civil-Military Relations«, in Simon, ed.,<br />

NATO Enlargement: Opinions <strong>and</strong> Options, Washington DC: National Defense<br />

University, 1995, pp. 45-67.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 95


S I C H E R H E I T S P O L I T I K U N D | Bla ckwell , Civ il-mil ita ry relations in Centra l a nd Ea s tern Eur ope<br />

F R I E D E N S F O R S C H U N G<br />

<strong>and</strong> requirements are respected. 20 The situation that persists<br />

even in those countries that entered NATO in 1997 indicates<br />

the difficulty of achieving the right balance in their reform<br />

programs. A recent examination of the defense reform process<br />

in Hungary has warned that NATO initiatives have virtually<br />

institutionalized the shortfall in civilian expertise <strong>and</strong><br />

only partially addressed the problem of the relatively low<br />

status of the military in Hungarian society. 21<br />

NATO enlargement <strong>and</strong> the Alliance’s increased engagement<br />

in CEE will not be an automatic panacea for the problems<br />

associated with civil-military relations in the region. More<br />

emphasis is needed on support for efforts to develop military-society<br />

relations with an emphasis on a »strategic civil<br />

society« rather than an inevitably conflictual relationship<br />

between governments <strong>and</strong> their armed forces. Many of the<br />

problems faced by the military establishments in the CEE<br />

countries are compo<strong>und</strong>ed by rapidly changing conceptions<br />

of what armed forces are necessary for, if they are necessary<br />

at all. In view of the special problems caused by ethnic tension<br />

in South Eastern Europe, there are strong arguments in<br />

favor of discarding doctrines of territorial defense in favor of<br />

a role for regional forces based on multinational coalitions<br />

<strong>and</strong> »non-traditional« (primarily humanitarian) military operations.<br />

The growth of military multinationalism <strong>and</strong> the<br />

move away from established assumptions about the roles of<br />

armed forces reflect the »post-modern military« paradigm<br />

increasingly promoted by security analysts. Indeed, a strong<br />

argument can be made that several features of this paradigm<br />

already predominate in the CEE region. 22<br />

Questions nevertheless remain over the role of the Atlantic<br />

Alliance. The PFP’s focus on interoperability will inevitably<br />

take precedence over details of the democratic reform process,<br />

<strong>and</strong> past evidence would indicate that NATO could live<br />

with »quasi-authoritarian« regimes. Another disadvantage<br />

that stems from NATO taking the lead on civil-military reform<br />

in the CEE countries is that reform efforts have invariably<br />

taken on a technocratic »top-down« approach to<br />

problems that arguably require a more f<strong>und</strong>amental reappraisal.<br />

In particular the theoretical insights derived from<br />

»New Institutionalism,« with its focus on the values <strong>and</strong><br />

norms that transcend the formal structures of policy-making<br />

<strong>and</strong> executive authority, is potentially valuable for an analysis<br />

of this issue. Within the concept of »New Institutionalism«<br />

is the notion of »path dependency« <strong>and</strong> the argument<br />

that »once an historical choice has been made, it both precludes<br />

<strong>and</strong> facilitates others.« 23 Thus, along with the difficulties<br />

institutions have with setting policy it also becomes extremely<br />

difficult to change policy, a problem compo<strong>und</strong>ed<br />

20 For a critical view see Dusˇan Reljic, »Who Builds Civil Society? Civil Society,<br />

Mass Media <strong>and</strong> Democracy in the Post-Communist Countries«, Geneva<br />

Centre for the Democratic Control of Armed Forces, DCAF Working<br />

Paper No. 131, January <strong>2004</strong> (http://www.dcaf.ch/publications/Working_Papers/131.pdf).<br />

21 James Sherr, »NATO’s New Members: A Model for Ukraine? The Example<br />

of Hungary«, Paper G86, Conflict Studies Research Centre, RMA<br />

S<strong>and</strong>hurst, September 2002 (http://www.csrc.ac.uk/pdfs/g92-vgb.pdf).<br />

22 Charles C. Moskos, John Allen Williams <strong>and</strong> David R. Segal, »Armed<br />

Forces after the Cold War«, in Moskos, Williams <strong>and</strong> Segal, eds., The<br />

Postmodern Military: Armed Forces after the Cold War, New York & Oxford:<br />

Oxford University Press, 2000, pp. 1-13.<br />

23 Stephen Krasner, »Approaches to the State«, Comparative Politics, Vol. 16,<br />

No. 2, 1984, pp. 223-46.<br />

96 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

by the tendency of the institutional structures of both states<br />

<strong>and</strong> multinational organizations to bargain rather than seek<br />

an objective problem solving approach. The EU is as equally<br />

prone to this tendency as NATO, but it is to be hoped that<br />

the pressures leading to f<strong>und</strong>amental social change as a result<br />

of accession will have an impact on attitudes as well as<br />

institutional reform.<br />

4. Conclusion<br />

The uncertainties created by the sudden collapse of the<br />

communist regimes in the CEE region in 1989 highlighted<br />

the urgent need for modernized civil-military structures as<br />

part of a broader security sector reform process in these<br />

countries. This factor, compo<strong>und</strong>ed by the increased regional<br />

profiles of NATO <strong>and</strong> the EU, the promise of accession<br />

to both of these organizations <strong>and</strong> the »conditionality«<br />

factor inherent in this process, has led to the dominance of<br />

a »top-down« approach to reform. What is now required is<br />

an increased emphasis on a »bottom-up« approach in the<br />

form of aid that encourages open debate <strong>and</strong> a new focus on<br />

the participation of civil society. This will help to consolidate<br />

the aim of the new members to participate effectively<br />

in NATO <strong>and</strong> ESDP operations. While much progress has<br />

been made in the context of civil-military relations, much<br />

remains to be done on military-society relations. Concepts<br />

such as »civic society« <strong>and</strong> »citizen awareness« are notoriously<br />

difficult to define, but the very nature of EU enlargement<br />

makes this organization both considerably more competent<br />

<strong>and</strong> interested in genuine societal transformation<br />

than NATO. In their efforts to join Western security institutions,<br />

the contribution that the CEE countries can make as<br />

stable democracies with a growing sense of civic responsibility<br />

<strong>and</strong> accountability has at least the same importance to<br />

both NATO <strong>and</strong> the EU as geostrategic <strong>and</strong> military considerations.


Schneider / Tho ny/ Mü ller, Int erna ti ona le Ger ichte im s ys tema ti s chen Ver gleich | F O R U M<br />

Internationale Gerichte im systematischen Vergleich<br />

Patricia Schneider/Kristina Thony/Erwin Müller*<br />

Abstract: The article deals with the problems, chances <strong>and</strong> perspectives of international jurisdiction <strong>and</strong> international arbitration<br />

as instruments of peaceful conflict resolution <strong>and</strong> dispute settlement. The authors of the systematic comparative<br />

study present a survey <strong>and</strong> an inventory of contemporary courts of jurisdiction, arbitral tribunals <strong>and</strong> international criminal<br />

courts <strong>and</strong> analyse the strengths, weaknesses <strong>and</strong> shortcomings as well as the advantages <strong>and</strong> disadvantages of these institutions.<br />

Finally they discuss the possibilities of reforms in the field of international jurisdiction <strong>and</strong> international arbitration,<br />

which could increase the effectiveness of those important tools.<br />

Keywords: International jurisdiction, international arbitration, peaceful settlement of international disputes, termination of<br />

conflicts, conflict resolution<br />

1. Einleitung<br />

Im Folgenden werden unterschiedliche internationale<br />

(Schieds-)Gerichte im Hinblick auf ihre Charakteristika<br />

systematisch vergleichend analysiert. Berücksichtigt werden<br />

geographische <strong>und</strong> sachliche Kompetenzbereiche, Errichtung<br />

<strong>und</strong> Kompetenzgr<strong>und</strong>lagen, die Art der Richterernennung,<br />

mögliche Kammerentscheidungen, Verfahrensregeln,<br />

Urteilsgr<strong>und</strong>lagen, Parteifähigkeit, Einlassungszwang<br />

(Obligatorium), Urteilsvollstreckung, Gerichtsart sowie die<br />

Anbindung an internationale Organisationen.<br />

Ziel ist es, auf der Gr<strong>und</strong>lage dieses Vergleichs Vorzüge <strong>und</strong><br />

Nachteile der internationalen (Schieds-)Gerichtsbarkeit im<br />

Hinblick auf ihre Erfolgsaussichten zur Streitbeilegung wie<br />

zur Wahrung bzw. Wiederherstellung von <strong>Frieden</strong> <strong>und</strong> Gerechtigkeit<br />

darzustellen <strong>und</strong> zu bilanzieren.<br />

2. Internationale (Schieds-)Gerichte im Vergleich<br />

Die folgenden internationalen Rechtsprechungsinstitutionen<br />

werden analytisch anh<strong>and</strong> verschiedener Charakteristika<br />

verglichen: der Ständige Schiedshof (PCA), der OSZE-<br />

Vergleichs- <strong>und</strong> Schiedsgerichtshof (Court of Conciliation<br />

<strong>and</strong> Arbitration within the OSCE – CCA), der Ständige Internationale<br />

Gerichtshof (StIGH) der Völkerb<strong>und</strong>zeit, der Internationale<br />

Gerichtshof (IGH), der Internationale Seegerichtshof<br />

(ISGH), der Gerichtshof der Europäischen<br />

Gemeinschaften (EuGH), der Europäische Gerichtshof für<br />

Menschenrechte (EGMR), der Interamerikanische Gerichtshof<br />

für Menschenrechte (IAGMR), der Internationale Strafgerichtshof<br />

für das ehemalige Jugoslawien (International<br />

Criminal Tribunal for the former Yugoslavia – ICTY), der Internationale<br />

Strafgerichtshof für Ru<strong>and</strong>a (International Criminal<br />

Tribunal for Rw<strong>and</strong>a – ICTR) <strong>und</strong> der Internationale<br />

Strafgerichtshof (IStGH).<br />

* Dr. Patricia Schneider, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für<br />

<strong>Frieden</strong>sforschung <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik an der Universität Hamburg<br />

(IFSH); Dipl.-Pol. Kristina Thony, vorm. Wissentschaftliche Mitarbeiterin<br />

am IFSH; Dr. Erwin Müller, Wissenschaftlicher Referent am IFSH.<br />

2.1 Geographischer <strong>und</strong> sachlicher Kompetenzbereich<br />

Zu den Rechtsprechungsinstitutionen mit – geographisch<br />

gesehen – globalem Kompetenzbereich zählen der PCA, der<br />

IGH, der ISGH sowie der IStGH.<br />

Regional begrenzt dagegen ist in geographischer Hinsicht<br />

der Kompetenzbereich des CCA (begrenzt auf die Vertragsstaaten<br />

des Übereinkommens über Vergleichs- <strong>und</strong> Schiedsverfahren<br />

innerhalb der KSZE), des EuGH (Mitgliedstaaten<br />

der Europäischen Union), des EGMR (Mitgliedstaaten des<br />

Europarates), des IAGMR (Signatarstaaten der Amerikanischen<br />

Menschenrechtskonvention, die die Zuständigkeit des<br />

Gerichtshofes anerkannt haben), des ICTY (Straftaten, die<br />

auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien begangen wurden)<br />

sowie des ICTR (Straftaten, die in Ru<strong>and</strong>a bzw. von ru<strong>and</strong>ischen<br />

Staatsangehörigen auch auf dem Gebiet der<br />

Nachbarstaaten begangen wurden).<br />

Der Umfang des geographischen Kompetenzbereiches trifft<br />

keine Aussage über den sachlichen Rechtsbereich: PCA <strong>und</strong><br />

IGH gelten, wie auch der CCA, sachlich universell, d.h. ihre<br />

Jurisdiktion ist thematisch nicht auf einen bestimmten<br />

Rechtsbereich beschränkt. Anders verhält es sich bei den<br />

<strong>and</strong>eren Rechtsprechungsinstitutionen, da sie spezifisch<br />

bzw. sektoral ausgerichtet sind: Vor dem EGMR <strong>und</strong> dem I-<br />

AGMR können diejenigen Rechte geltend gemacht werden,<br />

die durch die Europäische bzw. die Amerikanische Menschenrechtskonvention<br />

garantiert werden; vor den internationalen<br />

Straftribunalen ICTY, ICTR <strong>und</strong> dem IStGH (ICC)<br />

werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord<br />

<strong>und</strong> Kriegsverbrechen geahndet; der ISGH konzentriert sich<br />

auf Streitigkeiten, die die Auslegung <strong>und</strong> Anwendung des<br />

Seerechtsübereinkommens betreffen; der Kompetenzbereich<br />

des EuGH umfasst das gesamte primäre <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äre<br />

Recht, das im Rahmen der Europäischen Union bzw. der Europäischen<br />

Gemeinschaften gesetzt wird.<br />

2.2 Errichtung <strong>und</strong> Kompetenzgr<strong>und</strong>lagen<br />

Die Rechtsinstitutionen wurden, bis auf zwei Ausnahmen,<br />

jeweils auf Gr<strong>und</strong>lage eines Vertrages errichtet: der IGH z.B.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 97


F O R U M | Schneider / Tho ny/ Mü ller, Int erna ti ona le Ger ichte im s ys tema tis che n Ver gleich<br />

durch die Charta der Vereinten Nationen, der PCA durch<br />

das Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler<br />

Streitfälle, EGMR <strong>und</strong> IAGMR durch die Europäische<br />

bzw. Amerikanische Menschenrechtskonvention, der ISGH<br />

durch die UN-Seerechtskonvention. Die Kompetenzgr<strong>und</strong>lagen<br />

der beiden internationalen Straftribunale ICTY <strong>und</strong><br />

ICTR bilden hingegen UN-<strong>Sicherheit</strong>sratsresolutionen (Resolution<br />

827/1993 <strong>und</strong> Resolution 955/1994).<br />

2.3 Richterernennung<br />

Die Besetzung der Richterbank erfolgt fast ausnahmslos im<br />

Voraus, die Wahl der Richter ist den Streitparteien folglich<br />

im konkreten Fall entzogen. Ausnahmen bilden die Schiedsgerichte<br />

(PCA <strong>und</strong> CCA), bei denen die Streitparteien die<br />

Richter zur Beilegung ihres Streitfalles bestimmen bzw. mitbestimmen<br />

können.<br />

2.4 Kammern<br />

Kammerentscheidungen zur Lösung eines Streitfalls sind vor<br />

dem PCA, dem CCA <strong>und</strong> dem IAGMR nicht möglich. Vor<br />

den <strong>and</strong>eren Gerichten sind Kammerentscheidungen praktikabel<br />

<strong>und</strong> vorgesehen, wobei die Parteien bei Vorlage eines<br />

Streitfalls an den IGH <strong>und</strong> den ISGH sogar Einfluss auf die<br />

Richterwahl nehmen können, d.h. bei der personellen Besetzung<br />

der Kammer ein gewichtiges Wort mitzureden haben.<br />

Diese Tatsache legt die Annahme nahe, dass die Kammeroption<br />

sich unter Staaten, die auf ihre maximale<br />

H<strong>and</strong>lungsfähigkeit Wert legen, großer Beliebtheit erfreuen<br />

müsste, stellt sie ihnen doch vor Gerichten mit prinzipiell<br />

fest besetzter Richterbank die (Aus-)Wahl der ihnen genehmen<br />

Richter mehr oder minder frei. Es darf auch mit guten<br />

Gründen davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung<br />

ihre Bereitschaft zur Nutzung internationaler Gerichte<br />

gefördert werden sollte <strong>und</strong> soll.<br />

Die Untersuchung der Faktenlage demonstriert jedoch, dass<br />

von der Kammeroption kaum Gebrauch gemacht wird: Sie<br />

wurde in Bezug auf den besonders relevanten IGH im Rahmen<br />

von mittlerweile mehr als 100 Fällen nur ganze vier<br />

Mal gewählt. Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass<br />

die Kammervariante den Gerichtshof zwar nicht unbedingt<br />

attraktiver macht, auf Gr<strong>und</strong> der Freiwilligkeit ihrer Wahl<br />

aber keine negativen Folgen nach sich ziehen kann <strong>und</strong> zumindest<br />

alle potenziell positiven Zukunftsperspektiven offen<br />

hält.<br />

2.5 Verfahrensregeln<br />

Die Verfahrensregeln werden fast ausschließlich durch die<br />

jeweiligen Statute <strong>und</strong> Verfahrensordnungen der Gerichte<br />

festgelegt. Die einzige Ausnahme bildet der PCA, bei dem<br />

die Verfahrensregeln, bei Vorliegen eines konkreten Streitfalls,<br />

durch die Parteien vereinbart werden. Diese können<br />

sich das PCA-Verfahren – nach gemeinsamer Übereinkunft<br />

<strong>und</strong> unter Beachtung f<strong>und</strong>amentaler Prinzipien der Verfah-<br />

98 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

rensgerechtigkeit – optimal zuschneiden, d.h. ihren Bedürfnissen<br />

<strong>und</strong> Interessen anpassen.<br />

2.6 Urteilsgr<strong>und</strong>lagen<br />

Die Urteilsgr<strong>und</strong>lagen bilden universelles bzw. partikulares<br />

Völkerrecht oder – im Fall der Straftribunale – Völkerstrafrecht.<br />

Bei Einschaltung des PCA steht den Parteien hingegen<br />

die Wahl einer beliebigen sonstigen Rechtsordnung offen,<br />

deren Normen aber nicht gegen zwingendes Völkerrecht<br />

verstoßen dürfen. Billigkeitsentscheidungen »ex aequo et<br />

bono« dürfen – auf Ersuchen beider Streitparteien – PCA,<br />

CCA, IGH (StIGH) <strong>und</strong> ISGH treffen, sind in der Staatenpraxis<br />

auf Gr<strong>und</strong> ihrer Unkalkulierbarkeit aber unüblich. Der<br />

Vergleich unterstreicht auch in dieser Rubrik die besondere<br />

Flexibilität der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, so<br />

weit diese sich etwa am PCA-Modell orientiert.<br />

2.7 Parteifähigkeit<br />

Eine Parteifähigkeit im eigentlichen Sinne gibt es vor den<br />

internationalen Strafgerichtshöfen (ICTY, ICTR sowie IStGH)<br />

nicht. Hier sollen Einzeltäter zur Verantwortung gezogen<br />

<strong>und</strong> ggf. ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.<br />

Der Zugang zum CCA sowie zum IGH ist ausschließlich<br />

Staaten vorbehalten. Diese einer antiquierten Auffassung<br />

von den Akteuren des internationalen Systems wie der Parteien<br />

von (Gewalt-)Konflikten entspringende Regelung verwehrt<br />

internationalen Organisationen, nationalen Minderheiten<br />

<strong>und</strong> sonstigen substaatlichen Entitäten die Chance<br />

zur Durchsetzung ihrer Rechte auf dem Wege der judikativen<br />

oder arbitralen Streitentscheidung. Die <strong>and</strong>eren Gerichte<br />

kennen eine erweiterte Parteifähigkeit: Neben Staaten<br />

können vor dem PCA, dem ISGH, dem EuGH <strong>und</strong> dem<br />

EGMR auch sonstige Rechtssubjekte klagen, z.B. Einzelpersonen,<br />

Personengruppen, NGOs, Privatunternehmen oder<br />

internationale Organisationen. Gegebenenfalls ist zunächst<br />

der innerstaatliche Rechtsweg zu erschöpfen, <strong>und</strong> zwar in<br />

Fällen, in denen Menschenrechtsschutz gesucht wird. Bezüglich<br />

des IAGMR gibt es eine eingeschränkte erweiterte<br />

Parteifähigkeit über Staaten als Kläger hinaus: Sonstige<br />

Rechtssubjekte können das Gericht nicht selbstständig anrufen,<br />

sondern müssen ihre Beschwerde der Interamerikanischen<br />

Menschenrechtskommission vorlegen, die diese prüft<br />

<strong>und</strong> ggf. an den IAGMR weiterleitet.<br />

2.8 Einlassungszwang (Obligatorium)<br />

Ein automatischer Einlassungszwang besteht für die Vertragsparteien<br />

beim EuGH <strong>und</strong> dem EGMR. Den drei Strafgerichtshöfen<br />

ICTY, ICTR <strong>und</strong> IStGH können Beschuldigte<br />

notfalls mit physischer Gewalt zugeführt werden. Eingeschränkt<br />

ist diese Einlassungspflicht beim ISGH, da eine<br />

Streitigkeit gemäß Seerechtskonvention auch vor einem <strong>and</strong>eren<br />

(Schieds-)Gericht (IGH) ausgetragen werden kann;<br />

ausgenommen davon sind Verfahren vor der Meeresbodenkammer.<br />

Prinzipiell besteht jedoch die Pflicht, sich auf das


Schneider / Tho ny/ Mü ller, Int erna ti ona le Ger ichte im s ys tema ti s chen Ver gleich | F O R U M<br />

Tabelle 1: Synopse – Internationale Gerichte <strong>und</strong> Schiedsgerichte im Vergleich<br />

1<br />

2<br />

Verlangen einer Partei hin einem Verfahren der Jurisdiktion<br />

oder Arbitration zu unterziehen. Gr<strong>und</strong>sätzlich kein Einlassungszwang<br />

besteht beim PCA <strong>und</strong> beim CCA; auch beim<br />

IGH <strong>und</strong> beim IAGMR besteht dieser nur, sofern eine gesonderte<br />

Unterwerfungserklärung abgegeben wurde.<br />

2.9 Urteilsvollstreckung<br />

Schiedsgerichtsbarkeit<br />

Eine Urteilsvollstreckung – Gr<strong>und</strong>lage für die effiziente Anwendung<br />

<strong>und</strong> Umsetzung des Prinzips »<strong>Frieden</strong> durch<br />

Recht« – ist für Entscheidungen des IGH, des EuGH, des<br />

EGMR sowie der drei Strafgerichtshöfe vorgesehen. Zu diesem<br />

Zweck wurden jeweils höchst unterschiedliche Mecha-<br />

Gerichtsbarkeit<br />

Streitbeilegung Straftatenahndung<br />

PCA CCA StIGH IGH ISGH EuGH EGMR IAGMR ICTY ICTR ICC<br />

Geographischer <strong>und</strong><br />

sachlicher<br />

G R G G G R R R R R G<br />

Kompetenzbereich<br />

Einrichtung durch/<br />

U U U U S S S S S S S<br />

Kompetenzgr<strong>und</strong>lagen<br />

V V V V V V V V U U V<br />

3 Richterernennung W W+E E E E E E E E E E<br />

4 Kammern _ _ X X � X � X X _ X X X<br />

5 Verfahrensregeln P S S S S S S S S S S<br />

6 Urteilsgr<strong>und</strong>lagen VR*� VR� VR� VR� PVR� PVR** PVR PVR VSR VSR VSR<br />

7 Parteifähigkeit ❏ ■ ■ ■ ❏ ❏ ❏ [❏] _ _ _<br />

8<br />

Einlassungszwang<br />

(Obligatorium)<br />

_ _ _ _ [X] X X _ X X X<br />

9 Urteilsvollstreckung _ _ X X _ X X _ X X X<br />

10 Gerichtsart K K K K K K+M M M S S S<br />

11<br />

Anbindung an int.<br />

Organisationen<br />

1 G = global<br />

R = regional<br />

U = universell<br />

S = spezifisch/sektoral<br />

2 V = Vertrag<br />

U = UNSR-Resolution<br />

3 W = Wahl durch Parteien<br />

E = durch Dritte ernannt<br />

4 X = ja<br />

_ = nein<br />

� = mit Parteieneinfluss auf Richterauswahl<br />

5 S = Statut<br />

P = Parteienvereinbarung<br />

6 VR = Völkerrecht<br />

PVR= Partikuläres (<strong>und</strong> sektorales) Völkerrecht<br />

VSR =Völkerstrafrecht<br />

� = Entscheidung „ex aequo et bono“ möglich<br />

* = bzw. eine von den Parteien vereinbarte<br />

sonstige Rechtsgr<strong>und</strong>lage<br />

** = Internes Staatengemeinschaftsrecht i.S. einer<br />

eigenständigen Rechtsordnung<br />

_ [X] [X] X _ X [X] [X] X X [X]<br />

7 ■ = nur Staaten<br />

❏ = Staaten <strong>und</strong> sonstige Rechtssubjekte<br />

[❏] = Interamerikanische Menschenrechtskommission<br />

_ = kein Parteienprinzip<br />

8 X = ja<br />

_ = nein<br />

[X] = ja, aber Gerichtswahl<br />

9 X = ja<br />

_ = nein<br />

10 K = Konfliktentscheidung<br />

M = Menschenrechtsschutz<br />

S = Straftatenahndung<br />

11 X = ja: Organ<br />

[X] = unterschiedlich intensive Einwirkungsmöglichkeiten<br />

einer Organisation<br />

_ = nein<br />

nismen installiert: Bei Nichteinhaltung von IGH-Urteilen<br />

kann auf Parteiantrag der <strong>Sicherheit</strong>srat der Vereinten Nationen<br />

tätig werden <strong>und</strong> entsprechende (Zwangs-)Maßnahmen<br />

ergreifen. Im Rahmen der Europäischen Union sind<br />

vertraglich festgelegte Maßnahmen vorgesehen (gegen Staaten<br />

allerdings nur pekuniärer Natur). Für den EGMR wacht<br />

das Ministerkomitee des Europarates über die Einhaltung der<br />

Urteile. Derartige Mechanismen sind beim PCA, dem CCA,<br />

dem ISGH sowie dem IAGMR nicht vorh<strong>and</strong>en, so dass eine<br />

Urteilsvollstreckung durch das Gericht bzw. dazu ermächtigte<br />

Organe oder Institutionen nicht erfolgt.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 99


F O R U M | Schneider / Tho ny/ Mü ller, Int erna ti ona le Ger ichte im s ys tema tis che n Ver gleich<br />

2.10 Gerichtsart<br />

Die Art der Gerichte hängt von den originären Zielen ihrer<br />

Errichtung ab: Verfahren vor dem PCA, dem CCA, dem IGH,<br />

dem ISGH sowie dem EuGH dienen in erster Linie der Konfliktentscheidung<br />

<strong>und</strong> Streitbeilegung bzw. dem Rechtsschutz.<br />

Letzterer erfüllt zusätzlich Funktionen des Menschenrechtsschutzes.<br />

Dem Menschenrechtsschutz haben<br />

sich insbesondere der EGMR sowie der IAGMR verschrieben.<br />

Die internationalen Strafgerichtshöfe hingegen erfüllen den<br />

Zweck der Strafverfolgung bzw. Straftatenahndung.<br />

2.11 Anbindung an internationale Organisationen<br />

Eine Anbindung an bzw. eine Einbindung in internationale<br />

Organisationen eröffnet die Chance, dass Urteile von einer<br />

mehr oder minder machtvollen Institution vollstreckt werden<br />

(im Falle des IGH vom VN-<strong>Sicherheit</strong>srat) oder doch<br />

mit einem gewissen politischen Nachdruck versehen werden<br />

können. Einzig der PCA ist in keiner Weise mit einer internationalen<br />

Organisation verb<strong>und</strong>en. Der ISGH pflegt durch<br />

eine Übereinkunft f<strong>und</strong>ierte gute Beziehungen zu den Vereinten<br />

Nationen. Eine feste Verbindung besteht zwischen<br />

dem IGH <strong>und</strong> den Vereinten Nationen: Der IGH ist ihr<br />

Hauptrechtsprechungsorgan. Ebenso bestehen feste Verbindungen<br />

der Straftribunale ICTY <strong>und</strong> ICTR mit den VN als<br />

Hilfsorgane des <strong>Sicherheit</strong>srates <strong>und</strong> des EuGH mit den Europäischen<br />

Gemeinschaften (als deren Organ). Wesentlich<br />

losere Verbindungen, deren Intensitätsgrade unterschiedlich<br />

ausgestaltet sind, bestehen zwischen EGMR <strong>und</strong> Europarat<br />

(hier noch am ausgeprägtesten), CCA <strong>und</strong> OSZE, IAGMR<br />

<strong>und</strong> der Organisation Amerikanischer Staaten sowie IStGH<br />

<strong>und</strong> VN.<br />

3. Synopse internationaler (Schieds-)Gerichtsbarkeit<br />

Die vorstehende Synopse demonstriert die Resultate dieser<br />

vergleichenden Analyse in konziser <strong>und</strong> komprimierter<br />

Form.<br />

4. Bilanz<br />

Auf der Basis der vergleichenden Durchmusterung der relevanten<br />

Institutionen der internationalen Arbitration <strong>und</strong> Jurisdiktion<br />

lässt sich eine Bilanz ziehen, die für den Entwurf<br />

optimierter Konzepte internationaler Schiedsgerichtsbarkeit<br />

<strong>und</strong> Gerichtsbarkeit fruchtbar gemacht werden kann. Hierzu<br />

bedarf es der Festlegung von Kriterien, die selbstredend<br />

nicht willkürlich erfolgen darf, sondern logisch <strong>und</strong> empirisch<br />

zu begründen ist.<br />

Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage lässt sich vor dem Hintergr<strong>und</strong> extensiver<br />

aktueller <strong>und</strong> historischer Erfahrungen, die als durchgängig<br />

wiederkehrendes Muster im Sinne einer empirischen<br />

Regelmäßigkeit generalisierbar sind, auf bestimmte Merk-<br />

100 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

male abheben, die für eine effektive Streitentscheidung unverzichtbar<br />

sind.<br />

Setzt man demgemäss als ebenso entscheidende wie unabdingbare<br />

Kriterien für eine optimierte (Schieds-)Gerichtsbarkeit<br />

eine möglichst breite Parteifähigkeit, einen Einlassungszwang<br />

(Obligatorium) <strong>und</strong> eine möglichst effektive Urteilsvollstreckung<br />

an, wobei die beiden letzteren Parameter als<br />

die relevantesten zu gelten haben (Recht ohne Macht ist bekanntlich<br />

eine Farce), so liegt es vor diesem Hintergr<strong>und</strong> auf<br />

der H<strong>and</strong>, dass in der Synopse die Zeilen bzw. Rubriken 7, 8<br />

<strong>und</strong> 9 die ausschlaggebenden Informationen enthalten. Die<br />

Schattierungen <strong>und</strong> Umr<strong>and</strong>ungen führen die Tatsache vor<br />

Augen, dass in erster Linie EuGH <strong>und</strong> EGMR den gesetzten<br />

Kriterien gerecht werden. Es ist allerdings ebenso evident,<br />

dass diese Instanzen – bei aller Verdienstlichkeit – nicht für<br />

zwischenstaatliche Streitigkeiten zuständig sind, die zu gravierenden<br />

Konfrontationen führen <strong>und</strong> im Extremfall<br />

sogar in kriegerische Ausein<strong>and</strong>ersetzungen münden<br />

können.<br />

Der von der Seerechtskonvention bereitgestellte Kompetenzf<strong>und</strong>us<br />

für eine immerhin obligatorische Gerichtsbarkeit bzw.<br />

Schiedsgerichtsbarkeit (wahlweise für den ISGH) kommt<br />

dem obigen Desideratenkatalog zumindest nahe, wenngleich<br />

Meeresstreitigkeiten zwar zu erheblichen politischen<br />

Spannungen Anlass geben können, nicht jedoch zu bewaffneten<br />

Konflikten.<br />

Der IGH verfügt zumindest über eine der wichtigsten Basiskompetenzen<br />

in Form der (potenziellen) Urteilsvollstreckung<br />

durch den <strong>Sicherheit</strong>srat der Vereinten Nationen, die jedoch<br />

durch dessen Ermessensspielraum im Sinne des Opportunitätsprinzips<br />

<strong>und</strong> die Vetochance seiner ständigen Mitglieder<br />

gutteils entwertet wird.<br />

Was die Schiedsgerichtsbarkeit anbelangt, so sind ihre besonderen<br />

Vorzüge im Hinblick auf die »souveränitätsschonende«<br />

Rücksichtnahme auf staatliche H<strong>and</strong>lungsspielräume<br />

augenfällig: Die Parteien bleiben insofern »Herren des<br />

Verfahrens«, als sie in der Regel die Richter ihrer Wahl selbst<br />

benennen, die Verfahrensordnung ebenso einvernehmlich<br />

bestimmen können wie die Urteilsgr<strong>und</strong>lagen. Zudem sind<br />

im Allgemeinen zumindest die Gerichtsverh<strong>and</strong>lungen vertraulich,<br />

d.h. nicht öffentlich, was zur willkommenen Gesichtswahrung<br />

beitragen kann. Es kann aber auch ein Einlassungszwang<br />

bei einseitiger Initiative vertraglich vorab<br />

vereinbart werden. Unabdingbar sind jedoch Vorkehrungen<br />

gegen Obstruktionsversuche einer schiedsunwilligen Partei,<br />

die sich etwa weigert, die ihr zustehenden Richterposten zu<br />

besetzen. Hält diese Partei ihre intransigente Linie konsequent<br />

durch, so wird sie mit höchster Wahrscheinlichkeit<br />

auch ein in ihrer Abwesenheit ergangenes Versäumnisurteil<br />

missachten (sofern diese Entscheidungsoption überhaupt<br />

vorgesehen ist). Damit offenbart sich die Hauptschwäche<br />

der Schiedsvariante: die fehlende Vollstreckbarkeit von<br />

Schiedssprüchen durch hierzu ermächtigte Instanzen. Umgekehrt<br />

lässt sich allerdings argumentieren, dass auch Gerichtshöfe<br />

mit prinzipieller Vollstreckungsperspektive zur<br />

Ohnmacht verdammt sind, wenn die hierfür zuständigen<br />

Organe nur mit bescheidenen Zwangskompetenzen <strong>und</strong>


Schneider / Tho ny/ Mü ller, Int erna ti ona le Ger ichte im s ys tema ti s chen Ver gleich | F O R U M<br />

Machtmitteln ausgestattet sind oder – wie der in dieser Hinsicht<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich gut gerüstete Weltsicherheitsrat – aus<br />

Opportunitätsgründen oder wegen einer Veto-Paralyse untätig<br />

bleiben.<br />

Summa summarum lehrt die Empirie jedenfalls, dass auch im<br />

Feld der internationalen Beziehungen <strong>und</strong> insbesondere der<br />

internationalen (Schieds-)Gerichtsbarkeit bereits heute die<br />

unabdingbare Kompetenzausstattung fallweise vorh<strong>and</strong>en,<br />

also Realität ist, <strong>und</strong> keineswegs pauschal in das Reich der<br />

Utopie verwiesen werden kann. Worauf es also ankommt, ist<br />

(eben u.a. auf der Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> mit Hilfe dieses empirischen<br />

Vergleichs), die Welt – um ein klassisches »geflügeltes<br />

Wort« zu variieren – nicht nur zu erklären, sondern zu verändern,<br />

auch die Welt der internationalen (Schieds-)Gerichtsbarkeit.<br />

Die Basiskriterien für eine effektive internationale<br />

(Schieds-)Gerichtsbarkeit sind jedenfalls benannt.<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

Der Wegfall des Zivildienstes muss nicht mehr schrecken<br />

Kommission »Europäische <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Zukunft der B<strong>und</strong>eswehr« am IFSH<br />

In Kürze wird der B<strong>und</strong>estag über ein »Zweites Gesetz zur<br />

Änderung des Zivildienstgesetzes <strong>und</strong> <strong>and</strong>erer Gesetze«<br />

beraten. Die Überschrift des Gesetzespakets erstaunt<br />

ebenso wie die Zuständigkeit in diesem Verfahren. Erstmalig<br />

haben bei substanziellen Änderungen im Wehrrecht<br />

nicht das Verteidigungsministerium <strong>und</strong> der Verteidigungsausschuss<br />

des Deutschen B<strong>und</strong>estages, sondern<br />

das für den Zivildienst zuständige Familienministerium<br />

<strong>und</strong> der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend<br />

die Federführung. Offensichtlich geht es bei den Regelungen<br />

für die Wehrpflicht inzwischen weniger um den<br />

Dienst in der B<strong>und</strong>eswehr als um den Dienst der Kriegsdienstverweigerer.<br />

Die B<strong>und</strong>eswehr stellt sich nämlich<br />

bereits seit der Anweisung des Verteidigungsministers<br />

vom Januar <strong>2004</strong> an seinen Generalinspekteur, die neue<br />

B<strong>und</strong>eswehrstruktur so auszurichten, dass sie auf Gr<strong>und</strong>wehrdienstleistende<br />

nicht länger angewiesen ist, auf den<br />

Wegfall der Wehrpflicht ein.<br />

Auch der Wegfall des Zivildienstes – als Folge dieser Entscheidung<br />

– hat längst seinen Schrecken verloren. Zwischen<br />

Staat <strong>und</strong> Wohlfahrtsverbänden wird heute praktisch<br />

nur noch um die Konditionen des Übergangs<br />

gerangelt. Vor allem geht es um die finanzielle Unterstützung<br />

der Umstellung, also konkret darum, wie die bisher<br />

für den Zivildienst ausgegebenen Haushaltsmittel des<br />

B<strong>und</strong>es für die sozialen Dienstleistungen erhalten bleiben<br />

können, <strong>und</strong> um den Zeitpunkt. Überraschend haben im<br />

Januar einige Wohlfahrtsverbände das Jahr 2008 als Zeitpunkt<br />

des Ausstiegs aus Wehrpflicht <strong>und</strong> Zivildienst genannt.<br />

Bis dahin sei eine reibungslose Umstellung möglich.<br />

Die B<strong>und</strong>esregierung hat diesen Termin nicht<br />

bestätigt, aber eben auch nicht dementiert. Als Fixpunkt<br />

für Planungen scheint er deshalb sehr nützlich zu sein.<br />

Renate Schmidt ist durch das anstehende Gesetzgebungsverfahren<br />

unversehens federführende Ministerin bei der<br />

Novellierung des Wehrpflichtgesetzes geworden. Dabei ist sie<br />

eine ausgewiesene Wehrpflichtgegnerin. »Ich halte die Wehrpflicht<br />

für überholt, sie ist nicht mehr länger das richtige<br />

Modell für Deutschl<strong>and</strong>«, schrieb sie im Juni 2003 in einem<br />

Gastkommentar für die Financial Times Deutschl<strong>and</strong>. Als B<strong>und</strong>esministerin<br />

für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend ist sie<br />

aber für den Zivildienst zuständig <strong>und</strong> verantwortet weit mehr<br />

Einberufungen im Rahmen der Wehrpflicht als der Verteidigungsminister.<br />

Während der Verteidigungsminister in diesem<br />

Jahr 73.500 Dienstposten mit 83.000 Gr<strong>und</strong>wehrdienstleistenden<br />

<strong>und</strong> freiwillig länger dienenden Wehrdienstleistenden besetzen<br />

will, plant die Familienministerin für 93.000 Dienst-.<br />

plätze über 120.000 Einberufungen. Dabei hat die jetzige<br />

B<strong>und</strong>esregierung die »größtmögliche Gerechtigkeit <strong>und</strong> Gleichbeh<strong>and</strong>lung«<br />

von Wehr- <strong>und</strong> Zivildienstpflichtigen als Maxime<br />

im Koalitionsvertrag von 2002 festgeschrieben. Wenn r<strong>und</strong> 50<br />

Prozent mehr zum Zivildienst als zum Gr<strong>und</strong>wehrdienst einberufen<br />

werden, ist die Verletzung der den Kriegsdienstverweigerern<br />

zugesagten Gleichbeh<strong>and</strong>lung mehr als offensichtlich.<br />

Während Renate Schmidt Schwierigkeiten hat, mit der schnellen<br />

Reduzierung von Dienstposten für Gr<strong>und</strong>wehrdienstleistende<br />

Schritt zu halten <strong>und</strong> sich so die Frage nach der Einberufungsgerechtigkeit<br />

stellt, ist die Frage der Wehrgerechtigkeit<br />

längst aus dem Ruder gelaufen. Zielvorgabe für die Restwehrpflicht<br />

ist die Einberufung von r<strong>und</strong> 55.000 Wehrpflichtigen<br />

pro Jahr. Bei Jahrgängen von durchschnittlich etwa 415.000<br />

Männern wird auf den ersten Blick schon deutlich, dass das<br />

Gebot der Gleichbeh<strong>and</strong>lung, unter das das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

die Durchführung der Wehrpflicht gestellt hat,<br />

nicht erfüllt werden kann. So ist heute unbestritten, dass von<br />

den tauglich gemusterten <strong>und</strong> für den Gr<strong>und</strong>wehrdienst verfügbaren<br />

Wehrpflichtigen nur noch jeder Zweite einberufen<br />

werden kann. Die Wehrverwaltung findet immer neue Ausnahmeregelungen,<br />

um den Überschuss an Wehrpflichtigen sozialverträglich<br />

verwalten zu können, beispielsweise durch die<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 101


D O K U M E N T A T I O N<br />

Freistellung Verheirateter oder von Vätern. Mit der beabsichtigten<br />

Streichung des Tauglichkeitsgrades 3 werden<br />

von jedem Geburtsjahrgang r<strong>und</strong> 33.000 eigentlich taugliche<br />

Wehrpflichtige <strong>und</strong> noch einmal ebenso viele eigentlich<br />

taugliche Zivildienstpflichtige einfach für »dauernd<br />

nicht wehrdienstfähig« erklärt mit der Folge, dass sie<br />

keinen Dienst mehr leisten müssen. Gerechter wird die<br />

Wehrpflicht dadurch allerdings nicht.<br />

Der Zivildienst stellt mit 93.000 Arbeitskräften bei den<br />

sozialen Dienstleistern eine scheinbar beachtliche Mitarbeitergruppe,<br />

die aber sofort an Gewicht verliert, wenn<br />

man weiß, dass allein bei den Wohlfahrtsverbänden 1,2<br />

Millionen Menschen arbeiten. Insgesamt machen Zivildienstleistende<br />

r<strong>und</strong> fünf Prozent der Mitarbeiter in<br />

staatlichen <strong>und</strong> wohlfahrtsverb<strong>and</strong>lichen sozialen Einrichtungen<br />

aus. Vor fünf Jahren (Mitte 1999) waren sogar<br />

über 150.000 Zivildienstleistende im Dienst. Der Abbau<br />

von knapp 60.000 Zivildienstleistenden war möglich <strong>und</strong><br />

gelang durch den Einsatz <strong>and</strong>erer Arbeitskräfte. Öffentlich<br />

wurde <strong>und</strong> wird über diese gelungene Konversion<br />

aber nur wenig geredet.<br />

Vorschläge für Ausstiegsszenarien aus dem Zivildienst<br />

Im Januar <strong>2004</strong> übergab die Kommission »Impulse für die<br />

Zivilgesellschaft« ihren Bericht »Perspektiven für Freiwilligendienste<br />

<strong>und</strong> Zivildienst in Deutschl<strong>and</strong>«. R<strong>und</strong> 100<br />

Fachleute aus B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> L<strong>and</strong>esministerien, aus Wohlfahrtverbänden<br />

<strong>und</strong> Freiwilligendiensten hatten ein dreiviertel<br />

Jahr lang über die Zeit »nach der Wehrpflicht« beraten<br />

<strong>und</strong> dann Vorschläge unterbreitet, die den<br />

Übergang zur wehrpflichtfreien Gesellschaft möglich machen.<br />

Einvernehmen best<strong>and</strong> <strong>und</strong> besteht bei allen Fachleuten<br />

– auch bei denen der Wohlfahrtsverbände –, dass<br />

soziale Dienstleister auf Zivildienstleistende als Hilfskräfte<br />

nicht angewiesen sind.<br />

Nach den Empfehlungen der Kommission sollen bis zum<br />

Wegfall der Wehrpflicht – <strong>und</strong> in der Folge: des Zivildienstes<br />

– Korrekturen am heutigen Zivildienst vorgenommen<br />

werden, um den Übergang zu erleichtern. So<br />

wird die Zivildienstdauer an die Wehrdienstdauer angepasst,<br />

<strong>und</strong> der Zivildienst soll zu einem »Lerndienst« weiterentwickelt<br />

werden. Dabei sollen die Ausbildungsanteile<br />

im Zivildienst dem Umfang der Ausbildungselemente der<br />

Freiwilligendienste angeglichen werden.<br />

Von großer Bedeutung ist das öffentliche Eingeständnis,<br />

dass Zivildienstleistende nicht »billige Arbeitskräfte« sind,<br />

sondern dass ein besetzter Zivildienstplatz pro Jahr r<strong>und</strong><br />

15.000 Euro kostet. Davon tragen der B<strong>und</strong> gut 8.000 <strong>und</strong><br />

die Einsatzstellen knapp 7.000 Euro. Seit langem herrscht<br />

Einigkeit darüber, dass bei einem Ersatz der Zivildienstleistenden<br />

durch reguläre Dauerarbeitskräfte ein<br />

Verhältnis von zwei zu drei angenommen werden muss,<br />

zwei Dauerarbeitskräfte ersetzen drei Zivildienstleistende.<br />

Ein solches Verhältnis ist möglich, weil durch die alle<br />

neun Monate wechselnden Zivildienstleistenden erhebliche<br />

Arbeitszeit für Einarbeitung, Lehrgänge <strong>und</strong> fachliche<br />

Anleitung verloren geht, die bei Dauerarbeitskräften nur<br />

102 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

einmalig anfällt. 90.000 Zivildienstleistende könnten also<br />

durch 60.000 Dauerarbeitskräfte ersetzt werden. Auf Zivildienstplätzen<br />

arbeiten – auch das wird inzwischen sehr realistisch<br />

gesehen – Mitarbeiter ohne einschlägige berufliche Vorbildung<br />

<strong>und</strong> in der Regel ohne Arbeitserfahrung. Die<br />

Tätigkeiten der Zivildienst-Arbeitsplätze sind so strukturiert,<br />

dass sie innerhalb zweier Monate erlernt werden können. Die<br />

bei einem Wegfall des Zivildienstes neu zu schaffenden Arbeitsplätze<br />

sind also besonders geeignet für Menschen mit<br />

geringer oder gar keiner beruflichen Qualifizierung, also für<br />

Menschen, für die auf dem heutigen Arbeitsmarkt kaum Arbeitsplätze<br />

angeboten werden.<br />

Während für drei Zivildienstleistende 45.000 Euro im Jahr ausgegeben<br />

werden, belaufen sich die Arbeitgeberkosten für eine<br />

junge Hilfskraft auf deutlich unter 25.000 Euro pro Jahr. Zivildienstleistende<br />

können also durch reguläre Arbeitskräfte ersetzt<br />

werden, ohne dass Mehrkosten entstehen – im Gegenteil.<br />

Volkswirtschaftlich werden Arbeitslosengeld <strong>und</strong> Sozialleistungen<br />

für 60.000 dann nicht mehr arbeitslose Menschen eingespart.<br />

In der Fachdiskussion wird aber nicht davon ausgegangen, dass<br />

alle Zivildienstplätze durch reguläre Dauerarbeitskräfte ersetzt<br />

werden. Angenommen wird, dass sich in der Praxis ein »Mix«<br />

ergibt aus Vollzeitarbeitsplätzen, Teilzeitarbeitsplätzen <strong>und</strong><br />

Mini-Jobs, Freiwilligendiensten <strong>und</strong> ehrenamtlichen Tätigkeiten.<br />

Vollzeitarbeitsplätze werden überall dort entstehen, wo Zivildienstleistende<br />

in der Basisversorgung eingesetzt werden, zum<br />

Beispiel im Hol- <strong>und</strong> Bringedienst eines Krankenhauses, in der<br />

Hausmeisterei, Küche oder Wäscherei von Altenheimen, in<br />

Notrufzentralen usw.<br />

Mini-Jobs <strong>und</strong> Teilzeitarbeitsplätze dürften eingerichtet werden<br />

in Arbeitsbereichen, in denen es zeitliche Arbeitsschwerpunkte<br />

gibt, so zum Beispiel bei »Essen auf Rädern« oder im Behindertenfahrdienst<br />

usw.<br />

Mitarbeiter <strong>und</strong> Mitarbeiterinnen aus Freiwilligendiensten werden<br />

vermutlich dort tätig werden, wo auch Zivildienstleistende<br />

bisher interessante Lernfelder vorf<strong>and</strong>en, zum Beispiel in der so<br />

genannten ISB-K, der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung<br />

bei Kindern (Begleitung von behinderten Kindern in Regelkindergärten<br />

<strong>und</strong> Regelschulen), in Umwelteinrichtungen<br />

oder für Tätigkeiten, »die ein bisschen Farbe in das Grau des<br />

Heim- oder Krankenhauslebens bringen« wie Besuchs-, Vorlese<strong>und</strong><br />

Veranstaltungsbegleitdienste usw.<br />

Ehrenamtliche werden an den Stellen Zivildienstleistende ersetzen<br />

können, an denen echte Zusatztätigkeiten übernommen<br />

wurden, so zum Beispiel der Baumschnittkurs eines Umweltverb<strong>and</strong>es,<br />

die Theaterbegleitung in einer Alteneinrichtung<br />

usw.<br />

Es ist zu erwarten, dass die Umstellung auf diesen Mix an »Ersatzkräften«<br />

wie schon die bisherige Reduzierung des Zivildienstes<br />

fast geräuschlos über die Bühne gehen wird. Und in<br />

Wirklichkeit h<strong>and</strong>elt es sich um die Rückkehr zur Normalität<br />

einer freiheitlichen Gesellschaft, die auf freiwillige Mitarbeit<br />

setzt.


Klares Nein zur allgemeinen Dienstpflicht<br />

Im Zusammenhang mit dem möglichen Wegfall des Zivildienstes<br />

haben die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen<br />

<strong>und</strong> Sachsen-Anhalt sich in der Bild-<br />

Zeitung für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht<br />

ausgesprochen. Ob die Ministerpräsidenten nun<br />

der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu unterstellen<br />

wären, sei dahingestellt. Zumindest sind ihre<br />

Stellungnahmen eindeutig nicht durch die Verfassung der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschl<strong>and</strong> gedeckt.<br />

Artikel 12 Gr<strong>und</strong>gesetz verbietet die Einführung eines sozialen<br />

Pflichtjahres: »Niem<strong>and</strong> darf zu einer bestimmten<br />

Arbeit gezwungen werden.« Aber auch eine Änderung des<br />

Gr<strong>und</strong>gesetzes – möglich nur mit einer Zweidrittel-<br />

Mehrheit – würde die Einführung eines sozialen Pflichtjahres<br />

in Deutschl<strong>and</strong> nicht ermöglichen. Internationale<br />

Menschenrechtskonventionen gelten in Deutschl<strong>and</strong> wie<br />

nationales Recht. Die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschl<strong>and</strong> müsste<br />

vor der Einführung eines »sozialen Pflichtjahres« die<br />

Geltung der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen,<br />

des internationalen Paktes über bürgerliche <strong>und</strong><br />

politische Rechte von 1966, des Übereinkommens über<br />

Zwangs- <strong>und</strong> Pflichtarbeit vom 26.6.1961, des Übereinkommens<br />

über die Abschaffung der Zwangsarbeit vom<br />

25.6.1957, die Konvention zum Schutz der Menschenrechte<br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten des Europarates vom 4.11.<br />

1950 aufheben. Als Ausnahmen sind national wie international<br />

nur der Zwang zum Wehrdienst sowie in<br />

Strafverfahren festgelegte Arbeitsauflagen zugelassen. Der<br />

Vorschlag, dass ausgerechnet unser L<strong>and</strong> mit seiner historischen<br />

Belastung sich über das Verbot von Zwangs- <strong>und</strong><br />

Pflichtdiensten hinwegsetzt, ist geschichtsvergessen <strong>und</strong><br />

eine Absage an die zivilisierte Welt. Naturalleistungen<br />

zwangsweise einzufordern ist ein Rückfall in Zeiten der<br />

mittelalterlichen Frondienste. Derzeit gibt es ein solches<br />

Pflichtjahr weltweit nur im diktatorischen Burma.<br />

Aber auch ganz praktische Überlegungen zeigen schnell,<br />

dass die Vorschläge der Ministerpräsidenten völlig ungeeignet<br />

sind, den Zivildienst zu ersetzen: Völlig aus dem<br />

Blick gerät üblicherweise die Größenordnung eines »sozialen<br />

Pflichtjahres«. R<strong>und</strong> 800.000 Männer <strong>und</strong> Frauen<br />

umfasst ein durchschnittlicher Geburtsjahrgang. R<strong>und</strong><br />

100.000 dürften – aus welchen Gründen auch immer –<br />

für eine Dienstpflicht nicht in Frage kommen. R<strong>und</strong><br />

100.000 könnte die B<strong>und</strong>eswehr <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 100.000 der<br />

bisherige Zivildienst aufnehmen, da es im Falle der Einführung<br />

einer allgemeinen Dienstpflicht wohl bei der faktischen<br />

Beibehaltung der Wehr- <strong>und</strong> Zivildienstpflicht bleiben<br />

würde. Wer ein »soziales Pflichtjahr« fordert, muss<br />

also ein Organisationsmodell entwickeln, das pro Jahr<br />

500.000 junge Erwachsene zusätzlich zum bestehenden<br />

Wehr- <strong>und</strong> Zivildienst für einen Zeitraum von r<strong>und</strong> einem<br />

Jahr unterbringt.<br />

Wenn etwas »verpflichtend« ist, muss gleichzeitig kontrolliert<br />

werden, dass alle das »soziale Pflichtjahr« auch<br />

wirklich machen. Staatliche Pflichtdienste bedeuten zum<br />

einen im Umkehrschluss auch staatliche Fürsorge (Kran-<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

kenschutz, Haftpflicht etc.) mit den entsprechenden Verwaltungen.<br />

Zum <strong>and</strong>eren müssen Sanktionen für diejenigen vorgesehen<br />

werden, die der Pflicht nicht nachkommen. Geldstrafen<br />

kommen dabei nicht in Frage, weil sie für Reiche ein<br />

»Freikaufen« ermöglichen würden. Es bleibt wie beim Wehrdienst<br />

nur die angedrohte Freiheitsstrafe als adäquates Sanktionsmittel.<br />

Junge Erwachsene dürften im »sozialen Pflichtjahr« etwa so<br />

viel kosten wie die heutigen Gr<strong>und</strong>wehr- <strong>und</strong> Zivildienstleistenden<br />

oder wie die MitarbeiterInnen im Freiwilligen Sozialen<br />

Jahr. R<strong>und</strong> 15.000 Euro werden für diese Pflicht- <strong>und</strong><br />

Freiwilligendienste pro Person <strong>und</strong> Jahr veranschlagt. Getragen<br />

wird dieser Betrag bisher je nach Dienstart zu unterschiedlichen<br />

Anteilen von den Einrichtungen <strong>und</strong> über die öffentliche<br />

H<strong>and</strong>. Ein »soziales Pflichtjahr für alle« würde 7,5 Milliarden<br />

Euro (500.000 Dienstpflichtige mal 15.000 Euro <strong>und</strong> Jahr) kosten,<br />

zusätzlich zu dem Geld, was heute schon für Gr<strong>und</strong>wehrdienst<br />

<strong>und</strong> Zivildienst ausgegeben wird.<br />

Mit den 7,5 Milliarden Euro, die ein Pflichtjahr kosten würde,<br />

ließen sich r<strong>und</strong> 300.000 neue tariflich bezahlte Arbeitsplätze<br />

auf einem dem Zivildienst vergleichbaren Niveau (Hilfs- <strong>und</strong><br />

Zuarbeiten, r<strong>und</strong> 25.000 Euro Arbeitgeberbrutto) schaffen. Eine<br />

Reduzierung der Arbeitslosenzahlen um 300.000 hätte darüber<br />

hinaus eine erhebliche Entlastungswirkung für die Sozialkassen.<br />

Oder es könnten auch 150.000 FacharbeiterInnen mit<br />

50.000 Euro Arbeitgeberbrutto neu eingestellt werden.<br />

Ein »soziales Pflichtjahr für alle« verzögert den Berufseinstieg<br />

um ein Jahr <strong>und</strong> verkürzt die erreichbare Lebensarbeitszeit entsprechend.<br />

Rentenberechnungsmodelle müssten das entsprechend<br />

berücksichtigen. Volkswirtschaftliche Studien gehen davon<br />

aus, dass ein um ein Jahr späterer Berufseinstieg einen<br />

Einkommensnachteil von gut 90.000 Euro – bezogen auf die<br />

Lebensarbeitszeit – ausmacht. Entsprechend geringer sind dann<br />

auch die Leistungen in die Sozialversicherungskassen.<br />

Die Fachdiskussion ist sich in der Frage der Bewertung von<br />

Pflichtdiensten weitgehend einig. Sie werden als völlig ungeeignet<br />

abgelehnt. »Die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht<br />

anstelle der Wehrpflicht durch Verfassungsänderung<br />

bzw. die Einbeziehung junger Frauen in die allgemeine Wehrpflicht<br />

hält die Kommission nicht nur für völkerrechtswidrig,<br />

sondern für einen gr<strong>und</strong>sätzlich falschen Weg, Eigeninitiative,<br />

Mitgestaltung <strong>und</strong> Beteiligung aller Altersgruppen in der Zivilgesellschaft<br />

zu fördern«, schreibt die Kommission »Impulse für<br />

die Zivilgesellschaft« quasi als Präambel zu ihrem Bericht.<br />

Blick zu den europäischen Nachbarn<br />

In verschiedenen Nachbarländern Deutschl<strong>and</strong>s wurde in den<br />

letzten Jahren die Wehrpflicht <strong>und</strong> damit auch der Zivildienst<br />

– im Umfang dort aber jeweils deutlich kleiner als in Deutschl<strong>and</strong><br />

– abgeschafft. Die Diskussion um den Umbau sozialer<br />

Dienstleistungen <strong>und</strong> deren Finanzierung f<strong>and</strong> <strong>und</strong> findet in<br />

diesen Ländern ebenso wie in Deutschl<strong>and</strong> statt. Dabei spielte<br />

der wegfallende Zivildienst aber nur eine völlig untergeordnete<br />

Rolle. Bedeutsamer war die Diskussion, welche Angebote Jugendlichen<br />

gemacht werden können, um ihre Bereitschaft zu<br />

freiwilligem Engagement aufzugreifen. Dass diese Diskussion<br />

aber weitgehend unabhängig von der Diskussion um die<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 103


D O K U M E N T A T I O N<br />

Wehrpflicht stattfindet, zeigt das Beispiel Engl<strong>and</strong>s, das<br />

seit 1957 keine Wehrpflicht mehr hat. Frankreich, Belgien,<br />

die Niederl<strong>and</strong>e <strong>und</strong> Engl<strong>and</strong> sind zu unterschiedlichen<br />

Lösungen gekommen, meistens einem »Mix« aus<br />

Maßnahmen zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit<br />

<strong>und</strong> gezielten Angeboten an Freiwilligendiensten. Letztlich<br />

spielte der Wegfall des Zivildienstes für soziale<br />

Dienstleister <strong>und</strong> Gesellschaft keine große Rolle, weil<br />

Problembereiche wie Jugendarbeitslosigkeit <strong>und</strong> Lösungen<br />

zur Verbesserung freiwilligen sozialen Engagements<br />

die weit wichtigeren gesellschaftspolitischen Fragestellungen<br />

sind.<br />

Jochen Rasch<br />

1. Völkerrecht/Vereinte<br />

Nationen<br />

Ambos, Kai/Arnold, Jörg (Hrsg.):<br />

Der Irak-Krieg <strong>und</strong> das Völkerrecht.<br />

Berlin (Berliner<br />

Wissenschafts-Verlag) <strong>2004</strong>.<br />

Fenton, Neil: Underst<strong>and</strong>ing<br />

the UN <strong>Security</strong> Council.<br />

Coercion or Consent? Aldershot<br />

(Ashgate) <strong>2004</strong>.<br />

Kirton, John J./Stefanova, Radoslava<br />

N. (Hrsg.): The G8,<br />

the United Nations, <strong>and</strong> the<br />

Conflict Prevention. Aldershot<br />

(Ashgate) <strong>2004</strong>.<br />

Schweitzer, Michael/Weber, Albrecht:<br />

H<strong>and</strong>buch der Völkerrechtspraxis<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschl<strong>and</strong>. Baden-<br />

Baden (Nomos) <strong>2004</strong>.<br />

Malone, David M. (Hrsg.): The<br />

UN <strong>Security</strong> Council From<br />

the Cold War to the 21st<br />

century. Boulder/Colo. (Rienner)<br />

<strong>2004</strong>.<br />

Schaller, Christian: Das <strong>Frieden</strong>ssicherungsrecht<br />

im<br />

Kampf gegen den Terrorismus.<br />

Gewaltverbot, Kollektive<br />

<strong>Sicherheit</strong>, Selbstverteidigung<br />

<strong>und</strong> Präemption. Berlin<br />

(SWP), <strong>2004</strong>.<br />

104 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

2. Abrüstung/<br />

Rüstungskontrolle/<br />

Militär/Verteidigung<br />

Howard, Roge: Iran in Crisis?:<br />

Nuclear Ambitions <strong>and</strong> the<br />

American Response. London<br />

(Zed Books) <strong>2004</strong>.<br />

Kutz, Martin: Innere Führung<br />

in der B<strong>und</strong>eswehr: Auf <strong>and</strong>ere<br />

Streitkräfte übertragbar?.<br />

Hamburg (Führungsakademie<br />

der B<strong>und</strong>eswehr, Fachbereich<br />

Sozialwissenschaften) <strong>2004</strong>.<br />

Schmidt, Hans-Joachim: Der<br />

W<strong>and</strong>el der konventionellen<br />

Rüstungskontrolle 1989-1996.<br />

Frankfurt am Main (Campus)<br />

<strong>2004</strong>.<br />

Squassoni, Sharon A.: Weapons<br />

of mass destruction:<br />

trade between North Korea<br />

<strong>and</strong> Pakistan. Washington<br />

(LoC) <strong>2004</strong>.<br />

Thraenert, Oliver: Verliert die<br />

Verbreitung von Kernwaffen<br />

ihren Schrecken?: die neuesten<br />

Entwicklungen in Iran,<br />

Libyen, Nordkorea <strong>und</strong> Pakistan.<br />

Berlin (SWP) <strong>2004</strong>.<br />

Brahimi, Lakhdar: The political<br />

transition in Iraq. Report<br />

of the fact-finding mission.<br />

New York (N.Y.) <strong>2004</strong>.<br />

Fazit<br />

Die Kommission »Europäische <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Zukunft der B<strong>und</strong>eswehr«<br />

begrüßt die Weichenstellung für den Wegfall des Zivildienstes.<br />

Weder gibt es heute noch eine tragfähige sicherheitspolitische<br />

Begründung für die Beibehaltung der<br />

Wehrpflicht, noch erweist es sich als nötig, an der Verpflichtung<br />

junger Männer zu Ersatzdiensten weiter festzuhalten. In<br />

einem europäischen <strong>Sicherheit</strong>ssystem sind Zwangsdienste<br />

entbehrlich. Die Mehrheit der europäischen Staaten hat diese<br />

Erkenntnis bereits umgesetzt. Nun ist Deutschl<strong>and</strong> am Zug.<br />

N E U E R S C H E I N U N G E N<br />

3. Nationalismus/ethnische<br />

Konflikte<br />

Akçam, Taner: From Empire<br />

to Republic: Turkish Nationalism<br />

<strong>and</strong> the Armenian<br />

Genocide. London (Zed<br />

Books) <strong>2004</strong>.<br />

Bertr<strong>and</strong>, Jacques: Nationalism<br />

<strong>and</strong> Ethnic Conflict in Indonesia.<br />

Cambridge (Cambridge<br />

UP) <strong>2004</strong>.<br />

Brown, Nathan J.: Palestinian<br />

Politics after the Oslo Accords:<br />

Resuming Arab Palestine.<br />

Berkeley (Univ. of<br />

California Pr.) 2003.<br />

Hays Gries, Peter: Chinas New<br />

Nationalism: Pride, Politics,<br />

<strong>and</strong> Diplomacy. Berkeley (Univ.<br />

of California Pr.) <strong>2004</strong>.<br />

Jones, Adam (Hrsg.): Genocide,<br />

War Crimes, <strong>and</strong> the<br />

West: History <strong>and</strong> Complicity.<br />

London (Zed Books)<br />

<strong>2004</strong>.<br />

Kaußen, Stephan: Von der<br />

Apartheid zur Demokratie:<br />

Die politische Transformation<br />

Südafrikas. Wiesbaden<br />

(Westdeutscher Verlag), 2003.<br />

Michel Wieviorka: Kulturelle<br />

Differenzen <strong>und</strong> kollektive<br />

Identitäten. Hamburg (Hamburger<br />

Edition) 2003.<br />

Naimark, Norman M.: Flammender<br />

Hass: Ethnische Säuberungen<br />

im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

München (C.H. Beck)<br />

<strong>2004</strong>.<br />

Roberg, Robert I.: When States<br />

Fail: Causes <strong>and</strong> Consequences.<br />

Princeton (Princeton UP)<br />

<strong>2004</strong>.<br />

Schetter, Conrad: Ethnizität<br />

<strong>und</strong> ethnische Konflikte in<br />

Afghanistan: rationale <strong>und</strong> irrationale<br />

Aspekte in nationalen<br />

Optionen. Berlin (Reimer)<br />

2003.<br />

Verbeek, Bernhard: Die Wurzeln<br />

der Kriege: Zur Evolution<br />

ethnischer <strong>und</strong> religiöser<br />

Konflikte. Stuttgart (S. Hirzel)<br />

2003.<br />

Zagorin, Perez: How the Idea<br />

of Religious Toleration Came<br />

to the West. Princeton<br />

(Princeton UP) 2003.<br />

4. Europa/EU/Osterweiterung<br />

Biskupski, M. B. B. (Hrsg.): Ideology,<br />

Politics <strong>and</strong> Diplomacy<br />

in East Central Europe.


Woodbridge (Boydell & Bewer)<br />

2003.<br />

Coker, Christopher: Empires in<br />

conflict: the growing rift<br />

between Europe <strong>and</strong> the United<br />

States. London (RUSI)<br />

2003.<br />

Hellwig, Fritz: Europäische Integration<br />

aus historischer Erfahrung:<br />

ein Zeitzeugengespräch<br />

mit Michael Gehler.<br />

Bonn (Zentrum für Europäische<br />

Integrationsforschung)<br />

<strong>2004</strong>.<br />

Hesse, Joachim-Jens (Hrsg.):<br />

Vom Werden Europas: Der<br />

EU »Verfassungskonvent«:<br />

Auftrag, Ansatz, Ergebnisse.<br />

Berlin (De Gruyter Rechtswissenschaften)<br />

2003.<br />

Hochstuhl, Kurt (Hrsg.): Deutsche<br />

<strong>und</strong> Franzosen im zusammenwachsenden<br />

Europa<br />

1945-2000. Stuttgart (W.<br />

Kohlhammer) 2003.<br />

Institut für <strong>Frieden</strong>sforschung<br />

<strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik an der<br />

Universität Hamburg (Hrsg.):<br />

OSZE-Jahrbuch. Baden-Baden<br />

(Nomos) <strong>2004</strong>.<br />

König, Helmut/Sicking Manfred<br />

(Hrsg.):Der Irak-Krieg <strong>und</strong> die<br />

Zukunft Europas. Bielefeld<br />

(Transkript) <strong>2004</strong>.<br />

Lahav, Gallya: Immigration<br />

<strong>and</strong> Politics in the New Europe:<br />

Reinventing Borders<br />

(Themes in European Governance),<br />

Cambridge (Cambridge<br />

UP) <strong>2004</strong>.<br />

Langholtz, Harvey/Kondoch, Boris/Wells,<br />

Alan (Hrsg.): International<br />

<strong>Peace</strong>keeping: The<br />

Yearbook of International<br />

<strong>Peace</strong> Operations, Volume 8.<br />

Leiden (Brill Academic) <strong>2004</strong>.<br />

Mafchir, Samantha: Polizei als<br />

Element der zivilen Komponente<br />

der ESVP. Berlin (SWP)<br />

<strong>2004</strong>.<br />

Riemer, Andrea K.: Gesamtstrategien<br />

im Vergleich: die<br />

Nationale <strong>Sicherheit</strong>sstrategie<br />

der USA <strong>und</strong> die Europäische<br />

<strong>Sicherheit</strong>sstrategie. Wien<br />

(L<strong>and</strong>esverteidigungsakademie)<br />

<strong>2004</strong>.<br />

Roth, Michele: Der Einfluss<br />

des Europarats auf die demokratische<br />

<strong>und</strong> menschenrechtliche<br />

Transformation der<br />

baltischen Staaten. Frankfurt<br />

am Main (Lang) <strong>2004</strong>.<br />

Sidjanksi, Dusan: Europa auf<br />

dem Weg zu einem neuen<br />

Föderalismus. Bern (Haupt)<br />

<strong>2004</strong>.<br />

Wehr, Andreas: Europa ohne<br />

Demokratie?: Die Europäische<br />

Verfassungsdebatte – Bilanz,<br />

Kritik <strong>und</strong> Alternativen.<br />

Köln (PapyRossa) <strong>2004</strong>.<br />

Varwick, Johannes (Hrsg.):<br />

Neues Europa – alte EU? Fragen<br />

an den europäischen Integrationsprozess.<br />

Opladen<br />

(Leske <strong>und</strong> Budrich) <strong>2004</strong>.<br />

5. Außen- <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />

allgemein<br />

Blix, Hans: Mission Irak:<br />

Wahrheit <strong>und</strong> Lüge. München<br />

(Droemer) <strong>2004</strong>.<br />

Burbach, Roger/Tarbell, Jim:<br />

Imperial Overstretch: George<br />

W. Bush <strong>and</strong> the Hubris of<br />

Empire. London (Zed Books)<br />

<strong>2004</strong>.<br />

French, Paul: North Korea:<br />

The Paranoid Peninsula. London<br />

(Zed Books) <strong>2004</strong>.<br />

Gareau, Frederick H.: State<br />

Terrorism <strong>and</strong> the United<br />

States: Counterinsurgency <strong>and</strong><br />

the War on Terrorism. London<br />

(Zed Books) <strong>2004</strong>.<br />

Guyatt, Nicholas: Another American<br />

Century?: The United<br />

States <strong>and</strong> the World Since<br />

9/11. London (Zed Books)<br />

2003.<br />

Kohler Georg/Marti Urs (Hrsg.):<br />

Konturen der neuen Welt<br />

(un)ordnung, Berlin (de Gruyter)<br />

2003.<br />

Meggle, Georg (Hrsg.): Terror &<br />

der Krieg gegen ihn. Paderborn<br />

(mentis) 2003.<br />

Reiter, Erich/Hazdra, Peter (Eds.):<br />

The Impact of Asian Powers<br />

on Global Developments.<br />

Heidelberg (Physica) 2003.<br />

Müller, Anke: Die »Zukunft«<br />

des Imperialismus: Prognosesicherheit<br />

in den Imperialismustheorien<br />

von Rosa Luxemburg,<br />

Lenin, Rudolf<br />

Hilferding <strong>und</strong> Nikolai Bucharin.<br />

Hamburg (J. Kovac)<br />

2003.<br />

Rinke, Bernhard/Woyke, Wichard<br />

(Hrsg.): <strong>Frieden</strong> <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong><br />

im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert:<br />

Eine Einführung. Opladen<br />

(Leske u. Budrich) <strong>2004</strong>.<br />

Soros, George: Die Vorherrschaft<br />

der USA - eine Seifenblase.<br />

Originaltitel: The Bub-<br />

N E U E R S C H E I N U N G E N<br />

ble of American Supremacy.<br />

München (Blessing) <strong>2004</strong>.<br />

Spring, Baker: President Bush<br />

strikes the proper balance on<br />

non-proliferation policy. Washington<br />

(Heritage Fo<strong>und</strong>ation)<br />

<strong>2004</strong>.<br />

6. Sonstiges<br />

Alex<strong>and</strong>er, Lindsay: Regional<br />

approaches to conflict prevention<br />

in Africa: European<br />

support to African processes.<br />

Maastricht (European Centre<br />

for Development <strong>and</strong> Policy<br />

Management) 2003.<br />

Benedikter, Thomas: Krieg im<br />

Himalaya: Hintergründe des<br />

Maoistenaufst<strong>and</strong>es in Nepal;<br />

eine politische L<strong>and</strong>esk<strong>und</strong>e.<br />

Münster (Lit) 2003.<br />

Burbach, Roger: The Pinochet<br />

Affair: State Terrorism <strong>and</strong><br />

Global Justice. London (Zed<br />

books) 2003<br />

v. Haber, Hansjörg/Winkelmann,<br />

Ingo (Hrsg.): Gr<strong>und</strong>lagendokumente<br />

zum Dritten<br />

Irak-Krieg. Berlin (de Gruyter<br />

Recht) <strong>2004</strong>.<br />

Petry, Martin: Wem gehört<br />

das schwarze Gold? : Engagement<br />

für <strong>Frieden</strong> <strong>und</strong><br />

Gerechtigkeit in der Ausein<strong>and</strong>ersetzung<br />

mit dem Erdölprojekt<br />

Tschad-Kamerun.<br />

Frankfurt am Main (Br<strong>and</strong>es<br />

u. Apsel) 2003.<br />

Shelley, Toby: Endgame in the<br />

Western Sahara: What Future<br />

for Africa's Last Colony?<br />

London (Zed Books) <strong>2004</strong>.<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 105


B E S P R E C H U N G E N<br />

B E S P R E C H U N G E N<br />

Anne Jenichen / Natascha<br />

Marks / Tome S<strong>and</strong>evski<br />

(Hrsg.), Rüstungstransfers<br />

<strong>und</strong> Menschenrechte – Geschäfte<br />

mit dem Tod, Münster<br />

(LIT Verlag) 2002.<br />

Das Buch spiegelt die Inhalte<br />

der an der Freien Universität<br />

zu Berlin gehaltenen Human<br />

Rights Lectures des Jahres<br />

2001 wider. Ausgangspunkt<br />

aller Beiträge ist die These,<br />

dass Rüstungstransfers per se<br />

zwar nicht als Ursache<br />

von Menschenrechtsverletzung<br />

angesehen werden können,<br />

aber als derjenige Faktor,<br />

der die »Werkzeuge«<br />

(S. 7) für Menschenrechtsverletzung,<br />

z.B. Folter liefert<br />

<strong>und</strong> damit Menschenrechtsverletzer<br />

unterstützt. Rüstungstransfers<br />

werden also<br />

als die »instrumentellen Auslöser«<br />

von Menschenrechtsverletzungen<br />

bewertet (S. 9).<br />

Acht Beiträge beleuchten detailliert<br />

die Hintergründe von<br />

Rüstungstransfers <strong>und</strong> deren<br />

Konsequenzen für die Menschenrechte<br />

in vielen der<br />

Empfängerländer in folgender<br />

Reihenfolge:<br />

Bernhard Moltmann beleuchtet<br />

zunächst den rechtlichen<br />

Rahmen für deutsche<br />

Rüstungsexporte. Sein Fazit:<br />

Ein »Zuviel« (S. 30) an rechtlichen<br />

Bestimmungen <strong>und</strong><br />

Definitionen, sorgt für Verwirrung<br />

<strong>und</strong> die Entstehung<br />

von nutzbaren Gesetzeslücken.<br />

Die anhaltende Debatte<br />

um Rüstungsexporte in<br />

Deutschl<strong>and</strong> zeige, dass die<br />

gegenwärtigen Regelungen<br />

zu keinem befriedigenden<br />

Ergebnis beitragen. Moltmann<br />

beklagt u.a. ein generelles<br />

Defizit an Transparenz<br />

im Kontext von<br />

rüstungsexportpolitischen Entscheidungen.<br />

Der Autor er-<br />

106 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong><br />

hofft sich eine Verbesserung<br />

der Situation durch eine Steigerung<br />

der Kohärenz in der<br />

Rüstungsexportpolitik auf EU-<br />

Ebene. Michael Brzoska hingegen<br />

sieht dafür in Brüssel<br />

zwar eine »wichtige«, aber<br />

nicht die »entscheidende<br />

Bühne« (S. 50). Er erläutert<br />

warum für ihn eine gemeinsame<br />

Rüstungexportpolitik<br />

der EU-Mitgliedsstaaten weit<br />

entfernt liegt. Der schwere<br />

Versuch eine Harmonisierung<br />

auf europäischer Ebene<br />

zu erreichen, sei durch das<br />

Zögern der Mitgliedsstaaten,<br />

in diesem Bereich ihre Souveränität<br />

mit den EU-<br />

Gremien zu teilen, gekennzeichnet<br />

(S. 38). Brzoska zeigt<br />

dennoch die Anfänge der<br />

Entwicklung einer EU-Rüstungsexportpolitik<br />

auf. Darunter<br />

fällt z.B. der 1998<br />

verabschiedete EU-Verhaltenskodex<br />

zur Rüstungsexportpolitik.<br />

NGOs hatten<br />

sich damals maßgeblich für<br />

eine Menschenrechtsklausel<br />

darin eingesetzt <strong>und</strong> konnten<br />

diese auch erwirken. Für<br />

Brzoska ein »merkbares Feld«<br />

(S. 49) der Europäisierung<br />

der Rüstungsexportpolitik, geschmälert<br />

allerdings dadurch,<br />

dass die EU-Gremien<br />

keinerlei Kompetenzen zur<br />

Kontrolle der Einhaltung des<br />

Kodexes haben. Letztlich<br />

muss der Autor ein nüchternes<br />

Fazit ziehen: Der Lobbyismus<br />

wird auch weiterhin<br />

über Rüstungsexporte entscheiden.<br />

Auf das Spannungsfeld zwischen<br />

wirtschaftlichen Interessen<br />

<strong>und</strong> der politischen<br />

Verantwortung gegenüber zu<br />

achtenden Menschenrechten<br />

geht Katja Frank ein <strong>und</strong> orientiert<br />

sich dabei an den<br />

Kontroversen des rüstungsexportpolitischen<br />

Diskurses<br />

der rot-grünen Koalition seit<br />

1998. Schwerpunkt bildet das<br />

politische Debakel um die<br />

Entscheidung über die Lieferung<br />

eines deutschen Testpanzers<br />

an die Türkei im<br />

Herbst 1999. Um zukünftig<br />

solche politischen Debatten<br />

zu umgehen, schlägt die Autorin<br />

die Einführung eines<br />

klaren Demokratie-Kriteriums<br />

vor, das sozusagen an die<br />

Stelle des, vorher durch<br />

Moltmann beschriebenen,<br />

rechtlichen Zuviels rücken<br />

soll. Nur etablierte Demokratien<br />

sollten Empfänger von<br />

Rüstungstransfers werden dürfen,<br />

so Frank. Nicht zuletzt<br />

würde dieser Ansatz durch<br />

die allgemeine These, dass<br />

Demokratien gegenein<strong>and</strong>er<br />

nicht kriegerisch vorgehen,<br />

die B<strong>und</strong>esrepublik oder <strong>and</strong>ere<br />

Demokratien also nicht<br />

befürchten müssten selber<br />

einmal mit diesen Waffen<br />

angegriffen zu werden (S.<br />

60), gerechtfertigt.<br />

Peter Lock zeigt auf, dass Industrienationen<br />

unabhängig<br />

von allen Regelwerken sehr<br />

wohl Rüstungstransfers <strong>und</strong><br />

auch vielen Konflikten in der<br />

Dritten Welt entgegenwirken<br />

könnten, wenn sie denn<br />

wollten. Konflikte würden<br />

immer häufiger durch Gewaltunternehmen<br />

geführt<br />

werden. Diese seien aber von<br />

Devisen, also Dollars abhängig,<br />

um überhaupt auf<br />

Schwarzmärkten an ihre<br />

Waffen zu kommen (S. 65).<br />

Um Devisen zu bekommen,<br />

müssen die Gewaltunternehmer<br />

sich wiederum in die<br />

internationalen Finanz- <strong>und</strong><br />

H<strong>and</strong>elsströme einbinden<br />

<strong>und</strong> genau da böte sich die<br />

Möglichkeit für die Industrienationen<br />

das Agieren dieser<br />

Unternehmen maßgeblich<br />

zu erschweren, wenn<br />

nicht zu unterbinden. Lock<br />

spricht in diesem Zusammenhang<br />

sogar von einer<br />

gegenwärtigen Duldung der<br />

Schattenökonomien durch<br />

die Industrienationen, für<br />

ihn ein »politisch-moralischer<br />

Sk<strong>and</strong>al« (S. 77).<br />

Mathias John befasst sich mit<br />

Kleinwaffen als Repressionstechnologien<br />

des Alltags. Eine<br />

umfassende Definition des<br />

Begriffes »Kleinwaffe« verdeutlicht<br />

dabei, dass der<br />

Name nicht unbedingt zutreffend<br />

ist, vor allem wenn<br />

man den Schaden, den diese<br />

anrichten können, betrachtet.<br />

Im Hinblick auf geschätzte<br />

quantitative Angaben bezüglich<br />

des Umlaufs von<br />

Kleinwaffen <strong>und</strong> deren qualitativer<br />

Einsätze, spricht der<br />

Autor von einer »weltweiten<br />

Bedrohung« durch Kleinwaffen<br />

(S. 82).<br />

Ruth Stanley widmet sich<br />

dem Thema »Kinderrechte«<br />

<strong>und</strong> Rüstungstransfers. Die<br />

völkerrechtlichen Vorgaben<br />

zu den Kinderrechten stehen<br />

im Widerspruch zur Realität<br />

des Alltags, was mit erschreckenden<br />

Zahlen belegt wird.<br />

Kinder sind die leidtragenden<br />

Opfer bewaffneter Konflikte,<br />

sie verlieren ihre Familie,<br />

ihre Existenz <strong>und</strong><br />

werden schließlich selber<br />

»unmittelbar« missbraucht<br />

als Kindersoldaten oder Prostituierte<br />

(S. 97). Ihr Fazit:<br />

Waffentransfers müssten<br />

wahrscheinlich gänzlich eingestellt<br />

werden, wenn es einen<br />

legalen Waffenh<strong>and</strong>el<br />

ausmachte, dass er voraussehbar<br />

keine Auswirkungen<br />

auf die nahezu weltweit ratifizierten<br />

Rechte der Kinder<br />

hätte (S. 104).<br />

Ebenfalls mit den völkerrechtlichen<br />

Aspekten von


Rüstungstransfers setzen sich<br />

Xanthe Hall <strong>und</strong> Jens-Peter<br />

Steffen ausein<strong>and</strong>er. »Das<br />

Recht auf Leben«, »das Recht<br />

auf Ges<strong>und</strong>heit« <strong>und</strong> »das<br />

Recht auf Identität« werden<br />

in Relation zu Atomtransfers<br />

<strong>und</strong> -tests gesetzt, die letztlich<br />

davon ausgehen lassen<br />

müssen, dass der Gebrauch<br />

von Atomwaffen keinesfalls<br />

auszuschließen ist. Die Autoren<br />

ziehen ein klares Fazit:<br />

die Atomenergie mit all ihren<br />

Aspekten »missachtet«<br />

generell die Menschenrechte<br />

(S. 122).<br />

Die Konversionsentwicklung<br />

der letzten Dekade wird in<br />

dem Beitrag von Herbert<br />

Wulf erörtert. Der Autor diagnostiziert<br />

einen Stillst<strong>and</strong><br />

»oder sogar erneute Aufrüstung«<br />

seit Ende des Kalten<br />

Krieges (S. 125). Wulf fragt<br />

aber auch nach den Erwartungen,<br />

die man an Konversion<br />

überhaupt stellen kann<br />

<strong>und</strong> welche schlicht nicht.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> hat<br />

für ihn durchaus eine »erfolgreiche<br />

Konversion« stattgef<strong>und</strong>en<br />

(S. 132), die aber<br />

nicht an den »überhöhten«<br />

Erwartungen am Ende des<br />

Kalten Krieges zu messen sei<br />

(S. 133). Insgesamt möchte<br />

der Autor die Abrüstungs<strong>und</strong><br />

Konversionsbilanz seit<br />

Ende des Kalten Krieges als<br />

positiv bewerten, <strong>und</strong> macht<br />

abschließend Vorschläge zu<br />

einer »Revitalisierung von Abrüstung,<br />

Rüstungskontrolle<br />

<strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>« (S. 139).<br />

Ergänzend zu den oben beschriebenen<br />

Beiträgen berichten<br />

drei Autoren von der<br />

Arbeit verschiedener NGOs im<br />

Bereich der Anti-Rüstungs-<br />

Kampagnen. Über die Geburtsst<strong>und</strong>e<br />

der Internationalen<br />

L<strong>and</strong>minenkampagne<br />

(International Campaign to<br />

ban L<strong>and</strong>mines – ICBL) <strong>und</strong><br />

deren steinigen Weg zur<br />

Etablierung wird von Thomas<br />

Gebauer berichtet. An-<br />

h<strong>and</strong> zweier Beispiele wird<br />

das »Ausmaß des Minenproblems«<br />

verdeutlicht (S.<br />

141). Der Autor gibt Einblicke<br />

in die Erfolgsrezepte der<br />

Organisation, die es ihr erlaubt<br />

haben, dort Beachtung<br />

zu finden, wo es am Anfang<br />

der Kampagne von vielen für<br />

»unmöglich gehalten« wurde,<br />

namentlich der Militär<strong>und</strong><br />

<strong>Sicherheit</strong>spolitik (S.<br />

147). Während der Autor beschreibt,<br />

was bisher erreicht<br />

werden konnte, klärt er auch<br />

über die bestehenden Defizite<br />

auf, z.B. dass die wichtigsten<br />

minenexportierenden<br />

Länder dem Abkommen bisher<br />

nicht beigetreten sind.<br />

Andrea Kolling schreibt über<br />

die Kampagne »Stoppt den<br />

Rüstungsexport« des »BUKO«,<br />

dem »B<strong>und</strong>eskongress entwicklungspolitischerAktionsgruppen«,<br />

der als ein<br />

Dachverb<strong>and</strong> verschiedener<br />

Aktionsgruppen agiert. Die<br />

Autorin berichtet über die<br />

bisherigen »Highlights« der<br />

Kampagne (S. 155) <strong>und</strong> zeigt<br />

auf, wie das Ende des Kalten<br />

Krieges auch hier die Bedingungen<br />

geändert hat <strong>und</strong><br />

Anti-Rüstungs-Kampagnen<br />

eher schwieriger gemacht<br />

hat, als einfacher. Speziell in<br />

Deutschl<strong>and</strong> habe sich im<br />

Themenbereich vieles für die<br />

engagierten NGOs mit dem<br />

Regierungswechsel 1998 verändert:<br />

Was »heißt das,<br />

wenn die ehemaligen Bündnispartner<br />

auf der Regierungsbank<br />

sitzen?« (S. 158).<br />

Ein chronologischer Überblick<br />

über das Programm von<br />

Amnesty International (AI),<br />

Rüstungstransfers zu stoppen,<br />

wird von Matthias John<br />

geboten. Während die Organisation<br />

zunächst gegen Rüstungstransfers<br />

von Regierungen<br />

mobilisierte, hatte AI<br />

auch schon früh den Transfers<br />

von Kleinwaffen Aufmerksamkeit<br />

geschenkt. Seit<br />

Mitte der 90er Jahre bildet<br />

die »Offenlegung des Schattenmarktes<br />

der Folter- <strong>und</strong><br />

Zwangswerkzeuge« den Arbeitsschwerpunkt<br />

(S. 165).<br />

Insgesamt bieten die Beiträge<br />

einen thematischen Überblick,<br />

dem gut zu folgen ist.<br />

Alle Beiträge sind durch Definitionen<br />

<strong>und</strong> quantitative<br />

Angaben ergänzt. Der B<strong>and</strong><br />

zeichnet sich besonders<br />

durch die Vielfältigkeit der<br />

Beiträge <strong>und</strong> ihrer »Quintessenzen«<br />

aus. Ein Querschnitt<br />

wissenschaftlicher Einschätzungen<br />

teils nüchtern, teils<br />

sehr idealistisch ist das Ergebnis.<br />

Die Beiträge über die<br />

Arbeit <strong>und</strong> Erfahrungen dreier<br />

NGOs spiegeln letztlich<br />

alle dieser Einschätzung<br />

en wider. Sie zeigen, dass<br />

sich mit Idealismus <strong>und</strong> Engagement<br />

im Themenfeld<br />

der Rüstungstransfers etwas<br />

bewegen lässt, aber dass die<br />

Ergebnisse stets auch nüchterne,<br />

real-politische Facetten<br />

in sich tragen, <strong>und</strong> das an<br />

entscheidender Stelle. Alle<br />

Autoren sind Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeiter verschiedenerNichtregierungsorganisationen<br />

<strong>und</strong> wissenschaftlicher<br />

Institutionen. Ein<br />

umfassendes, kommentiertes<br />

Adressenverzeichnis mit Forschungsinstitutionen<br />

<strong>und</strong><br />

NGOs r<strong>und</strong>et den B<strong>and</strong> ab<br />

<strong>und</strong> regt den Leser zum Engagement<br />

an.<br />

Vivien-Marie Drews<br />

Kai Ambos/Jörg Arnold<br />

(Hrsg.), Der Irak-Krieg <strong>und</strong><br />

das Völkerrecht. Juristische<br />

Zeitgeschichte, Abteilung 5:<br />

Juristisches Zeitgeschehen –<br />

Rechtspolitik <strong>und</strong> Justiz aus<br />

zeitgenössischer Perspektive,<br />

B<strong>and</strong> 14, Berlin (Berliner<br />

Wissenschafts-Verlag) <strong>2004</strong>.<br />

Täglich stellen mehr <strong>und</strong><br />

mehr Belege die offiziellen<br />

Begründungen der USA für<br />

den Irak-Krieg in Frage, erschüttern<br />

Meldungen von<br />

neuen Terrorakten in iraki-<br />

B E S P R E C H U N G E N<br />

schen Städten die Weltöffentlichkeit,<br />

wird es immer<br />

offenk<strong>und</strong>iger, daß der<br />

schnelle Sieg der Alliierten<br />

weder <strong>Sicherheit</strong> für das irakische<br />

Volk noch für die internationale<br />

Gemeinschaft gebracht<br />

hat. In der Folge tendiert<br />

die aktuelle Diskussion<br />

um den Irak-Krieg zu einer<br />

verantwortungsethischen Debatte,<br />

die dessen Rechtfertigung<br />

in der Effektivität der<br />

Zielerreichung zu suchen<br />

scheint, wohingegen dessen<br />

Vereinbarkeit mit den kodifizierten<br />

Werten unserer <strong>und</strong><br />

der Weltgesellschaft aus dem<br />

Fokus des Interesses gerückt<br />

ist.<br />

Gegen diesen Trend wollen<br />

die Herausgeber von »Der<br />

Irak-Krieg <strong>und</strong> das Völkerrecht«<br />

– beide Referenten<br />

bzw. ehemalige Referenten<br />

am Max-Planck-Institut für<br />

ausländisches <strong>und</strong> internationales<br />

Strafrecht in Freiburg<br />

im Breisgau – mit ihrem<br />

Sammelb<strong>and</strong> ein juristisches<br />

Zeugnis ablegen, das den wissenschaftlichen<br />

Diskurs um<br />

das Verhältnis von Recht<br />

<strong>und</strong> Politik neu beleben soll.<br />

Schließlich ging das Völkerrecht<br />

aus der bis dato einzigartigen<br />

Ausein<strong>and</strong>ersetzung<br />

um einen internationalen<br />

Konflikt in der Öffentlichkeit<br />

<strong>und</strong> im UN-<strong>Sicherheit</strong>srat als<br />

Verlierer hervor. Rechtliche<br />

Argumente spielten nach Ansicht<br />

der Herausgeber in der<br />

Irak-Frage kaum eine Rolle:<br />

Zum einen brachen die »Falken«<br />

angesichts des unüberwindbaren<br />

Widerst<strong>and</strong>s der<br />

»Tauben« das Völkerrecht,<br />

indem sie die Zuständigkeit<br />

des UN-<strong>Sicherheit</strong>srates ignorierten.<br />

Zum <strong>and</strong>eren traten<br />

nicht einmal alle Kriegsgegner<br />

selbst explizit für die<br />

Stärkung des internationalen<br />

Rechts ein. Auf beiden Seiten<br />

dominierten stattdessen politische<br />

oder wirtschaftliche<br />

Argumente. Aus diesen Gründen<br />

wollen Ambos <strong>und</strong> Ar-<br />

<strong>S+F</strong> (22. Jg.) 2 /<strong>2004</strong> | 107


B E S P R E C H U N G E N<br />

nold mit ihrer Anthologie<br />

zum Thema Irak-Krieg <strong>und</strong><br />

Völkerrecht dazu beitragen,<br />

»dem Völkerrecht wieder den<br />

ihm gebührenden Rang als<br />

Ordnungs- <strong>und</strong> Machtbegrenzungsrecht<br />

zuzuweisen«<br />

(S. XV). Zwar geht es ihnen<br />

darum, rechtliche Einwände<br />

gegen eine Rückkehr des<br />

Faustrechts in die Internationalen<br />

Beziehungen vorzubringen,<br />

nichtsdestotrotz lassen<br />

sie durchaus Vertreter<br />

gegensätzlicher juristischer<br />

Positionen zu Wort kommen.<br />

Das Spektrum der Quellen,<br />

aus denen die insgesamt 78<br />

Beiträge von ca. Juli 2002 bis<br />

Mai 2003 ausgewählt wurden,<br />

erstreckt sich in erster<br />

Linie auf die überregionale<br />

deutschsprachige Presse. Die<br />

meisten Artikel, Interviews<br />

<strong>und</strong> Kommentare stammen<br />

aus Tageszeitungen aller politischen<br />

Couleur, darunter die<br />

Neue Zürcher Zeitung, Frankfurter<br />

Allgemeine Zeitung,<br />

Financial Times Deutschl<strong>and</strong>,<br />

Tagesspiegel, Süddeutsche<br />

Zeitung, Berliner Zeitung,<br />

Frankfurter R<strong>und</strong>schau,<br />

die tageszeitung sowie Junge<br />

Welt. Berücksichtigt wurden<br />

außerdem Die Zeit, Spiegel<br />

108 | <strong>S+F</strong> (22. Jg.) 1 /<strong>2004</strong><br />

<strong>und</strong> Focus, ai-Journal sowie<br />

einige juristische Fachzeitschriften,<br />

desweiteren Stellungnahmen<br />

<strong>und</strong> Ausarbeitungen<br />

von Juristenverbänden<br />

wie IALANA <strong>und</strong> VDJ, der<br />

Deutschen Gesellschaft für<br />

die Vereinten Nationen sowie<br />

von Forschungseinrichtungen<br />

wie den Wissenschaftlichen<br />

Diensten des<br />

Deutschen B<strong>und</strong>estages, dem<br />

Institut für <strong>Frieden</strong>sforschung<br />

<strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>spolitik<br />

an der Universität Hamburg<br />

<strong>und</strong> der Berlin-Br<strong>and</strong>enburgischen<br />

Akademie der<br />

Wissenschaften. Auch die<br />

Pressemitteilung des Generalb<strong>und</strong>esanwalts<br />

beim B<strong>und</strong>esgerichtshof<br />

zur Frage des<br />

Straftatbest<strong>and</strong>s der Vorbereitung<br />

eines Angriffskrieges<br />

sowie die sog. »AWACS-<br />

Entscheidung« des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />

nebst Urteilsbegründung<br />

sind in<br />

Gänze abgedruckt. Auf Beiträge<br />

aus internationalen<br />

Quellen wurde mit Ausnahme<br />

von Le Monde Diplomatique<br />

verzichtet.<br />

Gegliedert ist die 530 Seiten<br />

zählende Dokumentation in<br />

drei Bereiche: Im ersten Teil<br />

stehen rechtsphilosophische,<br />

rechtspolitische, rechtsge-<br />

schichtliche sowie sozialwissenschaftliche<br />

Aspekte im Vordergr<strong>und</strong>,<br />

die ein Vorverständnis<br />

für die Problematik<br />

vermitteln sollen. Die Anordnung<br />

der Beiträge erfolgt<br />

chronologisch nach Erscheinungsdaten.<br />

Angesprochen<br />

werden Themen wie der gerechte<br />

Krieg, die neue Weltordnung<br />

<strong>und</strong> Transformation<br />

der Diktatur. Der zweite<br />

Teil widmet sich Fragestellungen,<br />

welche sich vorrangig<br />

aus dem deutschen Recht<br />

ergeben. Dies betrifft insbesondere<br />

das Verbot des<br />

Angriffskriegs <strong>und</strong> dessen<br />

Unterstützung, damit zusammenhängend<br />

die Gewährung<br />

von Überflugrechten<br />

<strong>und</strong> den Einsatz deutscher<br />

Soldaten in AWACS-Flugzeugen<br />

sowie das Spannungsverhältnis<br />

von NATO-<br />

Bündnisverpflichtungen <strong>und</strong><br />

Verfassungs- <strong>und</strong> Völkerrecht.<br />

Der dritte <strong>und</strong> weitaus<br />

größte Teil untersucht die<br />

völkerrechtliche Zulässigkeit<br />

des Krieges gegen den Irak im<br />

Allgemeinen wie unter besonderer<br />

Berücksichtigung der<br />

Rolle von UN-<strong>Sicherheit</strong>srat<br />

<strong>und</strong> Internationalem Gerichtshof,<br />

von Humanitärem<br />

Völkerrecht <strong>und</strong> Völkerstrafrecht:<br />

Wie weit reichten die<br />

Resolutionen des UN-<strong>Sicherheit</strong>srates?<br />

Begingen die USA<br />

Völkerrechtsbruch? Können<br />

Präventivkriege rechtmäßig<br />

sein? Was bedeutet der Ausgang<br />

des Konflikts für das<br />

System der UN <strong>und</strong> die Rolle<br />

des Völkerrechts? Diesen <strong>und</strong><br />

ähnlichen Fragen wird nachgegangen.<br />

Im Anhang schließlich<br />

finden sich die einschlägigen<br />

Resolutionen des UN-<br />

<strong>Sicherheit</strong>srates im englischen<br />

Original <strong>und</strong> in der offiziellen<br />

deutschen Übersetzung.<br />

Autoren der gesammelten Beiträge<br />

sind Journalisten, Wissenschaftler<br />

<strong>und</strong> Praktiker, in<br />

erster Linie natürlich namhafte<br />

Völker- <strong>und</strong> Staatsrechtler.<br />

Als Adressat kommt<br />

neben dem Fachpublikum<br />

zweifellos die breite Öffentlichkeit<br />

in Frage, h<strong>and</strong>elte es<br />

sich beim Irak-Krieg doch um<br />

einen Konflikt, der in ungeahnter<br />

Weise zu einer Mobilisierung<br />

von großen Teilen<br />

der Gesellschaft, zu nationalen<br />

wie internationalen politischen<br />

Kontroversen geführt<br />

hat.<br />

Bertram Kühnreich

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!