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Eiger Nordwand im April 2011 - Heckmair

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<strong>Eiger</strong> <strong>Nordwand</strong> <strong>im</strong> <strong>April</strong> <strong>2011</strong> ‐ <strong>Heckmair</strong>Die <strong>Nordwand</strong>, Hinterstoisser Quergang,brüchiger Riss oder die Weiße Spinne, werkennt nicht diese Namen, die Bezeichnungenall der mit Tragik besetzten oder exponiertenPlätze wo während derErstbegehungsversuche des „letzten großenProblems“ der Alpen die Bergsteiger um ihrLeben gekämpft oder dieses verloren haben.Egal in welcher Runde man diese Wanderwähnt, bei Omas Kaffeekränzchen oder dernachmittäglichen Strickrunde, sie wird soforterkannt. In Bergsteigerkreisen wird zusätzlichnoch mit Bewunderung oder Schreck auf dieseTour reagiert. Hätte es den ZürcherIndustriellen Adolf Guyer‐Zeller nicht gegeben,der mit seiner Vision eine Bahn zumJungfraujoch zu bauen die Grenzen derTechnik um 1900 und die Belastbarkeit derunterversorgten Arbeiter ausgelotet hat, oderwäre der <strong>Eiger</strong> um 180° verdreht, dann würdedieser Bericht wohl nur von eine HandvollInteressierter gelesen werden. Mit denGedanken um die Geschehnisse in dieserWand und an diesen Berg <strong>im</strong> Gepäck sowiemit dem Buch „Solo“ von Ueli Steck (sehrempfehlenswert!) schmissen wir uns einesTages in den Bus und beschlossen dieTodeswand mal genauer zu beäugen. Wir ‐ Flound ich ‐ wussten, dass wir es drauf haben ‐dafür sind wir schon zu viele Touren <strong>im</strong>schweren Gelände, Eis und Fels geklettert,aber trotzdem war es was Anderes nachGrindelwald zu fahren, es lag Spannung in derLuft. Unser Navi führte uns nachLauterbrunnen, und wir fragten uns, warumalle Welt von Grindelwald redet, wenn mandoch aus Lauterbrunnen weg geht. Dass mannicht geht sondern fährt, und dass es zweiMöglichkeiten gibt, Grindelwald undLauterbrunnen, erfuhren wir dann vor Ort. Diedetaillierte Planung machte sich auch dannbemerkbar, als wir den letzten Zug zum<strong>Eiger</strong>gletscher versäumten. Naja, die 300Hmvon der kleinen Scheidegg hinauf zumFigure 1: Gipelglück am <strong>Eiger</strong><strong>Eiger</strong>gletscher sollten wir auch noch schaffen.Sehr hilfsbereite Angestellte derJungfraubahnen hatten Mitleid mit denAspiranten und ließen uns <strong>im</strong>außerplanmäßigen Mitarbeiterzug mitfahren ‐Glück gehabt! An diesem Punkt verließen wirdann die strukturierte und schwierige Weltder Fahrpläne und ‐ um einige Frankenerleichtert ‐ konnten wir uns nun voll auf dieKletterei konzentrieren. Naja, unter dem 1800Meter Abbruch der <strong>Nordwand</strong> lässt sich kauman etwas Anderes denken. Auch zwei weitereSeilschaften waren schon be<strong>im</strong> Nachdenkenund Aussortieren des doch nicht so wichtigenMaterials. Die Aussicht auf eine kurze Nachtließ uns jedoch schon bald in unsereSchlafsäcke kriechen und bald darauf klingelteauch schon der ungeliebte Begleiter ‐ Wecker.3 Uhr morgens, kurz gefrühstückt und denAnderen hinterher. Hinterher ist relativ, beideSeilschaften waren mit dem „einen Tag Plan“unterwegs und zumindest erstere der beidenSeilschaften war wirklich flott, zweitere hättesich wohl abends dann den „zwei Tage Plan“gewünscht, den wir <strong>im</strong> Gepäck hatten. Unsereanstrengendere aber wärmere (Schlafsack)


Planung war auf zwei Tage ausgelegt, was unszusätzlich noch eine Stunde längeren Schlafermöglichte. Die stabile Hochdruckwetterlagehat schon einige Seilschaften in die Wandgelockt. Dies war durch eine gute Spurschwierige Riss, gar nicht mehr so schwierigvor. Viele Haken und Bändchen, denen ichallen sehr viel Aufmerksamkeit schenkte,machten es angenehm trotz schweremRucksack hier zu klettern. Kurz davor ist ja dasStollenloch, aus dem der Bergführer R. Schäl<strong>im</strong>it zwei weiteren am Seil heraus geklettertkam. Kaum war er und sein Gefolge hier,waren Sie auch schon wieder vorbei.Abgesehen von der guten Kenntnis der TourFigure 3: Schwieriger RissFigure 2: In der Wand (unterer Teil)vor allem <strong>im</strong> unteren Teil der Wand sichtbar,welche uns so eine leichte Orientierungermöglichte und das kräfteraubende Spurenfiel somit meistens weg. Nach dem Nervositätabbauenden Cross‐Check von Flo „Traust dudir‘s zu?“ und einer selbstbewussten Antwort„Sicha.“ stiegen wir dann tatsächlich in dieWand ein.Ein wohltuender Schritt! Endlich hier, endlichhat das Wetter beobachten, das Überlegenbezüglich Material, das Warten ein Ende. Nunkann sich der Traum, den wir als Bergsteiger inuns tragen, endlich erfüllen. Ab hier liegt esnur mehr an uns, unserem Nervenkostüm,unserer Kraft und Technik. Gut, dass ich vonallem ordentlich eingepackt hatte, denn dieerste schwerere Kletterstelle umging ich lässigüber rechts, wo ich mit Steigeisen, die wirübrigens die gesamte Tour nicht runternahmen, auf einer Reibungsplatte auch dieNerven vom Flo testen konnte. Dafür kam mirder folgende schwere Abschnitt, derwar es auch sehr bemerkenswert diekonditionelle Leistung seiner Gäste (1 Gast, 1Freund) zu beobachten. Wieder allein in dergroßen Wand kamen nun all die bekanntenKletterpassagen auf uns zu.Figure 4:Hinterstoisser QuergangDer Hinterstoisser Quergang, gesegnet sei dasFixseil, erstes Eisfeld wo wir sehr viel Windhatten, und der <strong>im</strong> Sommer berüchtigteEisschlauch. Letzterer wartet wohl mit 20mWI3+/WI4 auf, wobei unser Eis noch relativgut war, man aber schon deutlich das Endedes Schlauches erahnen konnte. Ab Mai wird


man wohl spannendes Mixed‐Geländevorfinden oder die direkte Variante durch denFels nehmen. Auf eine Saison mit mehr Eis zuwarten ist natürlich auch eine Möglichkeit. Bisauf die offensichtlichen schweren Passagengingen wir eigentlich alles am laufenden Seil.Auf diese Art brachten wir auch das zweiteEisfeld hinter uns und machten unter demBügeleisen Stand. Interessante Kletterei inFels und Eis, beginnend mit einem tiefen Riss(hier sollte man gut Verlängern!) schlängeltsich die Linie hinüber in eine Verschneidungwo es sich dann zeigt, ob man gut verlängerthat oder nicht. Leider bin ich bei dieserPrüfung durchgefallen und da stand ich nun,vor mir schlechte Haken und steiler Fels,hinter mir Seilreibung wie man sie einfachnicht haben möchte. Nun denn, wie gewohntsindwirund Wärme erzeugen würde. Blöderweisewaren wir doch recht schnell unterwegs undes war gerade mal ein Uhr nachmittags. Alsodoch nichts mit hinlegen und chillen. Wäresicher ein tolles Geruchserlebnis geworden!Somit mussten wir uns mit einer kleinen Pausebegnügen, der einzigen der Tour übrigens, undstiegen weiter über das dritte Eisfeld. In derRampe, die wir als sehr unangenehmgeschildert bekommen haben, fanden wirglücklicherweise nicht die befürchtetenSchwierigkeiten. Dann kamen wir zumWasserfallkamin. Da ich schon einige Zeit amStand vor der technischen SchlüsselseillängeFigure 6: Unterer Teil RampeFigure 5: Ausstieg am Bügeleisendann auf Running‐Belay umgestiegen, und sodurften sich meine Unterschenkel wiederberuhigen. Gleich darauf erreichten wir dasTodesbiwak, auf Grund der lieblich gestaltetenMaserung aus gelb und braun Tönen <strong>im</strong>Schnee konnte man auch hier Rückschlüsseauf das stabile Hoch ziehen. Das Todesbiwak,die Namensgebung rührt vom tragischenAusgang des Besteigungsversuches <strong>im</strong>Jahre1935 her, wo Sedlmayr und Mehringerhier ihr Leben ließen, war jener Punkt, den wirals Wunschziel des ersten Tages definierten.Hier, so haben wir von der Scheidegg ausgesehen, dreht sich am späten Abend dieSonne rein, was eine angenehme St<strong>im</strong>mungverbringen konnte war mir klar, dass das keinHonig lecken wird. Ein Wasser überlaufenerRiss, der sich in einem kleinen Überhangverliert, alles schön zusammen gefroren undglasiert. Ergo, nicht genug für die Eisgeräteund viel zu viel für die Hände. Meine gekonnteLösung für das Problem war, demankommenden Flo einfach das Material anden Gurt zu hängen und ihm viel Glück zuwünschen. Leider hat der Flo mittlerweilegenug Selbstbewusstsein und kennt seine undmeine Stärken wie Schwächen, dass er einfachtrocken sagte: „Das ist deine Länge, ich kommda jetzt nicht rauf.“. Blöd gelaufen ‐ wären wirdoch <strong>im</strong> gemütlichen Spanierbiwak geblieben!Alles quengeln half nichts, einer musste raufund das dafür unter Anfeuerung ‐ super! ImEndeffekt war es nicht so schwer, dank guterHaken und irgendwo bei M5/M6 vermutlich.


wir hatten. Ein paar Mal störte mich noch dasBlitzen des Fotoapparates während ich <strong>im</strong>sitzen schlafend auf die Suppe wartete, aberdann brachte die untergehende Sonne auchdieses nervige Ding in den Schlafsack.Figure 7: RampeneisfeldDie Seillänge geschafft, kam <strong>im</strong> Anschlussgleich eine weitere echt unangenehme. Tja,hier war es dann klar, ich sichere mal! Jetztgab es schlechte Haken und Reibungsklettereivom Feinsten (wie der Wirt am Felbertauernsagen würde)! Nicht nur einmal kam mir die„Todesquerung“ (30m 6+ Quergang und einFriend in der Mitte) in den Sinn, die Flo nacheinem mickrigen Verhauer in der Via Franznachstiegen musste. Hier war es ähnlichprekär, jedoch kam für mich das Seil von oben.Anschließend ging es dann wieder gemütlichüber das Rampeneisfeld und das wirklichbrüchige Band zum brüchigen Riss. Der Risswar dann auch das letzte Problem, das wirmeisterten bevor wir uns vor demGötterquergang für die Nacht einrichteten.Hier konnten wir ganz bequem kochen, zweiEin wunderschöner Morgen begleitete uns aufdem ausgesetzten Götterquergang und <strong>im</strong>merwieder musste ich an die Erstbegeher denken,die hier in das Nichts hinein geklettert sind,welch Leistung! Ein Wahnsinn waren auch dieEmotionen die sich langsam aber sicher in unsbreit machten, es waren nur mehr wenigeSchlüsselpassagen die uns stoppen konnten,und die weiße Spinne hatten wir auchFigure 9: Im GötterquergangFigure 8: Ausstieg WasserfallkaminPlattformen heraus hacken und Flo bekamnoch einen Steingruß von der Wand auf dieSchulter, bevor wir es uns gemütlich machten.Der einzige Steinschlag des ersten Tages denschon hinter uns. Leichtes Gelände <strong>im</strong> drittenund vierten Schwierigkeitsgrad führte uns inden Ausstiegsriss. Denkt man an MichelDarbellay der hier 1963 den ersten Alleingangbewältigte, schaudert es einem nur. Er warauch in zwei Tagen durch die Wand geklettert,wobei davor schon Größen wie Walter Bonattian dem Projekt gescheitert sind. Die 2Stunden 47min vom Ueli Steck versteht man jasowieso nicht. Geschaut haben wir auch als indiesem Gelände ein norwegischer Typ heraufgerannt kam, wirklich gerannt, und keuchendneben uns Stand gemacht hat. Sofort war mirklar, dass wir diesen Stress nicht brauchen und


ließen ihnen den Vortritt. Vor allem als ichdann hörte, dass der Zweite Colin Haley sei,wurden wir in der Entscheidung bestätigt.Bevor sie weiter liefen meinte der Norwegernoch schmunzelnd, dass er Colin durch dieWand führen würde. Naja, ein Seil von obenwäre jetzt eh super, dachte ich bei mir undkletterte in den Ausstiegsriss, gerade nachoben, dann rechts raus, hoch und nach linksweiter wie der „Guide“ meinte, der die<strong>Heckmair</strong> schon kannte. Ich machte es nachund war auch schon bald am nächsten Stand.Figure 11: MittellegigratFreude und der Traum schlechthin warWirklichkeit geworden. Gemeinsam mit einemFreund auf diesem Gipfel zu stehen, einWahnsinn! Auch wenn manche Seilschaftenan diesem Wochenende schneller waren alswir, gefreut haben jedoch wir uns wohl ammeisten!Figure 10: AusstiegskaminEin kurzer Quergang brachte uns in die leichtvereisten Ausstiegskamine. Vom Stand wegsollte ein fünfzehn Meter Runout einen nichtsonderlich aus der Fassung bringen, undwürde der Nachsteiger nicht noch <strong>im</strong>mer vorKraft strotzen, wären auf den letzten Meternder Kamine noch zwei weitere Haken drinnen.So haben wir jedoch jeder ein kleines Souveniraus der Wand bekommen. Diese letztenProbleme meisternd kamen wir doch schonrecht angeschlagen auf das Gipfeleisfeld undauf den Mittellegigrat über den wir miteinigen Auf und Ab Richtung Gipfel stapften.Nach 22 Stunden Kletterzeit schafften wir esauf den Gipfel des <strong>Eiger</strong>s. Was soll ich sagen,emotional gerührt, nicht beschreibbar,standen wir da, sprachlos vor Glück undFigure 12: Super leiwand ‐ am GipfelWeniger Freude empfanden wir <strong>im</strong> tiefen Sulzder Westwand über den wir runter mussten,aber gut, auch das ging zu Ende!Geil wars!Mehr Infos und Bilder, wirklich viele, auf Flo‘sHomepage: www.thamer.at

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