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aerokurier Ausgabe 3/2013 - Aquila

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[ MOTORFLIEGEN Reportage ]Flugzeugbau bei <strong>Aquila</strong>HAND GEMACHTFlugzeugbau in Deutschland – ist das nicht viel zu teuer?FOTO: Patrick Holland-MoritzAUTOR: Patrick Holland-MoritzVon wegen! <strong>Aquila</strong> Aviation by Excellence hat sich auf dasAbenteuer eingelassen und fertigt seinen VLA-TiefdeckerA 210 mit wachsendem Erfolg von A bis Z in Brandenburg.8 <strong>aerokurier</strong> 3/<strong>2013</strong><strong>aerokurier</strong> 3/<strong>2013</strong> 9


[ MOTORFLIEGEN Reportage ]Jürgen Albrecht(links) und SvenOgiermann beimLaminieren einesHolmstegs.Qualitätsmanager Waldemar Sawenkohat die Abläufe genau im Blick.Aus diesem Rumpf wird in Kürzeein fertiges Flugzeug entstehen.„SELBST GUT AUSGEBILDETE FACHARBEITERBRAUCHEN MEHRERE MONATE, BIS SIE SICH INUNSERE FERTIGUNG EINGEFUNDEN HABEN.“Antreten zum Gruppenfoto:Knapp 50 Mitarbeiter arbeitenbei <strong>Aquila</strong> Aviation.Mitarbeiter wie Norbert Krausekennen ihre Arbeitsabläufeganz genau und dokumentierenjeden Schritt.Eine Cowling entsteht. DasAbreißgewebe nimmtüberschüssiges Harz auf.Die letzten Vorbereitungen fürsVerkleben der beiden Rumpfhälftenwerden getroffen.Fotos: <strong>Aquila</strong> Aviation by Excellence GmbH (1), Holland-Moritz10 <strong>aerokurier</strong> 3/<strong>2013</strong><strong>aerokurier</strong> 3/<strong>2013</strong> 11


[ MOTORFLIEGEN Reportage ]In der eigenen Lackierkabine erhält jede A 210 ein möglichstperfektes Finish. Der Raum dient auch als Temperkammer, indem die laminierten Teile aushärten.Die Oberfl äche einesneuen Flugzeugs wird aufdie Lackierung vorbereitet.Maßanfertigung: In derAvionikabteilung konfektionierendie Mitarbeiter dieKabelbäume. Ganz rechts:Erst nach einem Funktionstestwerden dieInstrumente eingebaut.Auch die Sitze werdenselbst gefertigt. Sie sindsicher und leicht.Das Leben einer <strong>Aquila</strong>A 210 beginnt mit dem Wareneingang.Glas- und Kohlefasermattenauf sperrigenRollen, eine Palette mit Rotax-Motorenoder vielleicht ein Karton voller Instrumente:Jedes Teil, das in einer<strong>Aquila</strong> verbaut ist, nimmt irgendwannseinen Weg durch das Tor zum Wareneingang.Erst wenn die Artikelgeprüft sind, kommen sie ins Lagerund zu gegebener Zeit in die Produktion.Der Mann, der Abläufe wie diesekontrolliert, heißt Waldemar Sawenko.„Qualitätsmanagement“ nenntsich sein Arbeitsbereich beim Flugzeugbauer<strong>Aquila</strong> Aviation by Excellencemit Sitz im brandenburgischenSchönhagen. Mit Formularen von EA-SA und LBA ist Sawenko per du, Vorschriftenund Paragrafen rund umden Flugzeugbau sind sein Metier.Wie ein roter Faden zieht sich dasQualitätsmanagement durch die Produktiondes als VLA zertifiziertenComposite-Tiefdeckers A 210. „DerMensch ist von Natur aus faul, alsoist bei uns jeder Handgriff festgelegt“,sagt der 38-Jährige aus Kasachstan,der uns in seinem nüchtern eingerichtetenBüro mit Blick auf den Firmenparkplatzempfängt. Welche Werkzeugewerden verwendet? WelcheDrehmomente sind vorgeschrieben?Welche Materialien kommen wannund wie zum Einsatz? „Verfahren“heißen derart standardisierte Arbeitsweisenim Fachjargon. Läuft mal etwasnicht ganz rund oder gibt es vielleichteine Möglichkeit, Dinge besserzu machen, füllen die Mitarbeiter entsprechendeEreignismeldungen aus,die früher oder später auf SawenkosSchreibtisch auflaufen. „Wir habenschon so manche Fehlerquelle beseitigt.“Auf 1200 Quadratmetern Fertigungsflächeentstehen im eigenenGebäude 20 bis 24 Flugzeuge pro Jahr.Mehr als 160 Exemplare der A 210wurden seit Beginn des Jahrzehntsgebaut (siehe Kasten). Knapp 50 Mitarbeiterzählt das Team. „Bis in denSommer hinein sind die Auftragsbüchervoll“, sagt Vertriebsmitarbeiterund Werkspilot Wolf-Rüdiger Kruhl.Wir folgen der Treppe nach untenin die Halle für die Rumpf- und Flügelfertigung.Aus Harz, Härtern, GlasundKohlefasern entstehen dort dieEinzelteile, die später zum ganzenFlugzeug vereint werden. Glasfasernsind der Werkstoff Nummer eins beieiner <strong>Aquila</strong> A 210. Hier und da findenKohlefasern als Verstärkung Einzugin die Zelle. Flügel, Seitenleitwerk,Cowling und die Spanten erhaltenzudem Schaumelemente füreine besonders leichte und steifeSandwichbauweise.Norbert Krause ist einer der Mitarbeiter,die hier von Hand laminieren,ganz klassisch. Mit routiniertenHandbewegungen widmet er sichgerade dem Bau der rumpfseitigenAuflagefläche für den Haubenrahmen.Ein paar Meter weiter fertigen seineFotos: <strong>Aquila</strong> Aviation by Excellence GmbH (1), Holland-MoritzKollegen Jürgen Albrecht und SvenOgiermann einen Holmsteg. JederMitarbeiter kennt seine Bauteile ausdem Effeff, hat sie schon unzähligeMale gefertigt und weiß, wie vieleLagen Gewebe in welcher Richtunglaminiert werden müssen, um diestrengen Vorgaben für Stabilität undGewicht zu erfüllen. 500 KilogrammLeermasse wiegt eine A 210 in Basisausstattung,verspricht der Herstellerseinen Kunden.Die Mitarbeiter dokumentieren jedenihrer Handgriffe schriftlich. DenTitel „Certifying Staff“ tragen jeneKollegen, die in einem ständigen Prozessprüfen, ob sich nicht doch irgendwoein Fehler eingeschlichenhat. Auch gibt es regelmäßige Audits,also interne und externe Prüfungender Abläufe.Zehn Prozent Toleranz nach obenoder unten sind bei den Gewichtenerlaubt. Ist die Abweichung zu groß,wird das Bauteil konsequent aussortiert,und die Suche nach der Fehlerquellebeginnt. Besonders gründlichist der Check der Flügel, bevor derenOber- und Unterschalen unabänderlichzusammengefügt werden. Gleichesgilt für die aus Halbschalen verklebtenRümpfe.Produktionsleiter Ralph Schellhase,mit zehnjähriger Dienstzeit gehörter zu den alten Hasen im Betrieb, deutetauf blaue, bonbonförmige Harzproben.„Wir warten, bis das Harz<strong>Aquila</strong>s Höhen und Tiefenausgehärtet ist. Dann wird sein Zustandprotokolliert, und erst am Schlusswird die Probe entsorgt.“ Auch beidiesem Arbeitsschritt geht es umTransparenz. Jedes Bauteil lässt sichanhand seiner Seriennummer zurückverfolgen.In einem Nebenraum bereiten zweiMitarbeiter eine Cowling auf dennächsten Arbeitsschritt vor. Sämtlichein ihren Formen frisch laminiertenEin Mitarbeiter installiertim Zuge der Endmontageden Rotax 912 S.Mitte der 1990er Jahre taten sich die IngenieurePeter Grundhoff, Alfred Schmiderer und MarkusWagner zusammen, um ein Flugzeug für die damalsnoch junge VLA-Klasse zu entwickeln. Entstandenist der Composite-Tiefdecker <strong>Aquila</strong> A 210, der aufder AERO 1999 seine Premiere hatte. Heute gilt dieA 210 als gutmütiges Trainingsfl ugzeug mit vielseitigenQualitäten. Dem Erstfl ug im März 2000 folgtenim Sommer 2001 die Musterzulassung und schließlichder Bezug der neu gebauten Hallen am FlugplatzSchönhagen. Anfang 2005 geriet das Unternehmenin fi nanzielle Schiefl age und schlitterte inein Insolvenzverfahren, aus dem es erst 2008 mitneuem Investor an Bord herauskam. Geschäftsführerund neuer Inhaber der <strong>Aquila</strong> Aviation by ExcellenceGmbH ist der Ägypter Dr.-Ing. MohammedRadyamar. Im Tagesgeschäft lenkt Prokuristin OlaTelib die Geschicke des Unternehmens. MarkusWagner und Alfred Schmiderer sind heute wiederals Ingenieure für <strong>Aquila</strong> tätig.12 <strong>aerokurier</strong> 3/<strong>2013</strong><strong>aerokurier</strong> 3/<strong>2013</strong> 13


[ MOTORFLIEGEN Reportage ]Ralph Schellhase (links) und Wolf-RüdigerKruhl prüfen ein fertiges Flugzeug. Punkt fürPunkt arbeiten sie ihre Checkliste ab.Daten <strong>Aquila</strong> A 210Bauweise: ZweisitzigerComposite-Tiefdecker mitVLA-Zulassung Antrieb:Rotax 912 S mit 74 kW/100PS und Zweiblatt-Verstellpropellervon mt-PropellerHersteller: <strong>Aquila</strong> Aviationby Excellence GmbH, 14959Trebbin Internet: aquila-aero.com Preis: ab 165 172 EuroAbmessungen und MassenSpannweite10,30 mLänge7,35 mHöhe2,40 mLeermasseab 500 kgMTOW750 kgTreibstoff120 l/85 kgLeistungenzul. Höchstgeschwindigkeit(V NE )max. Reisegeschwindigkeit(V NO )bestes SteigenKlappengeschwindigkeit (V FE )165 kts130 kts700 ft/min90 ktstet, geschützt durch eine Atemmaske,die Oberfläche eines Rumpfs mitder Schleifmaschine auf die Lackierungvor. Eine staubige Angelegenheit,die so gar nicht in die ansonstenblitzsaubere Halle passen will. Technikermontieren Motoren und Propeller,Avioniker tauchen in die halbfertigenCockpits ab, um die Instrumentezu verkabeln. Manchmal wird in dieserHalle auch Hochzeit gefeiert: Dasist jener Moment, in dem sich Rumpfund Flügel zum Flugzeug vereinen.Schwarz-rot-goldene Aufkleber mitdem Schriftzug „Handmade“ zierenÜberziehgeschwindigkeit inLandekonfi guration (V S0 ) 43 ktsStartrollstrecke250 mStartstrecke über 15-m-Hindernis 470 mReichweite bei 55 % Leistung 620 NMAlle Daten beruhen auf Angaben des Herstellers.Bauteile werden mittels Vakuum untereiner Folie unter Druck gesetzt.Das so genannte Abreißgewebe nimmtdabei überschüssiges Harz auf. JedesGramm zählt im Flugzeugbau.Nach dieser Prozedur geht es inden Temperkammer. „Mindestens 15Stunden bei 56 Grad Celsius müssendie Elemente aushärten“, erklärtSchellhase. In einem Mini-Ofen werdendie kleinen Teile auf Temperaturgebracht, die großen Komponentenkommen in einen großen Raum, derauch als Lackierkabine dient.Endmontage. Lars Meyhak bereimancheFlugzeuge. „1200 StundenHandarbeit stecken in jedem Flugzeug“,sagt Ralph Schellhase. Jede<strong>Aquila</strong> besteht aus 3000 größerenTeilen; zählt man die Kleinteile dazu,sind es mehr als 4000. Mindestens165000 Euro zahlt der Kunde für soviel handgemachte Technik.„Warum fertigt ein Unternehmenein derart arbeitsintensives Produktwie ein Composite-Flugzeug am StandortDeutschland, der ja immer nochals vergleichsweise teuer gilt?“, wollenwir wissen. Die Antwort liefertWaldemar Sawenko: „Qualität wirdhier in Deutschland produziert. Unserehohen Anforderungen ließen sichin Osteuropa nicht ohne Weiteres erfüllen.“Wolf-Rüdiger Kruhl ergänzt:„Wir leben und arbeiten in Deutschland.Mit dem Abbau von Arbeitsplätzenschaden wir uns doch nurselbst.“ Leiharbeiter sind übrigenskeine Option, um Auftragsspitzen abzufedern,weiß Ralph Schellhase:„Selbst gut ausgebildete Facharbeiterbrauchen mehrere Monate, bis siesich in unsere Fertigung eingefundenhaben.“<strong>Aquila</strong> setzt auf eine möglichsthohe Fertigungstiefe im eigenen Haus– sämtliche Kunststoffteile mit Ausnahmeder Kabinenhaube werdenselbst fabriziert. Zugeliefert werdenFotos: <strong>Aquila</strong> Aviation by Excellence GmbH (1), Holland-MoritzInstrumente, Beschläge, Motoren undPropeller.Ortswechsel. In der Avionikabteilungzieren Vorlagen für verschiedeneKabelbäume die Wände. 500 bis 1000Meter fein verzweigter Kabel steckenje nach Ausstattung in einer A 210.Vor dem Einbau ins Flugzeug prüfendie Spezialistensämtliche Instrumenteauf ihre Funktion.Spannend wird esbei <strong>Aquila</strong> Aviationimmer dann, wennfrische Ideen das Produkt besser machensollen. Sieben bis acht Ingenieurearbeiten in der Entwicklungsabteilung,darunter auch die FirmenmitbegründerMarkus Wagner undAlfred Schmiderer. Als zertifizierterEntwicklungsbetrieb genießt <strong>Aquila</strong>einige Handlungsfreiheiten, dennochkönnen selbst vermeintlich kleine Änderungeneinen großen Aufwand bedeuten,bis neue Verfahren entwickeltund in die Produktion eingebundensind.Als Beispiel nennt Wolf-RüdigerKruhl den roten Rand um die Trittflächefür den Einstieg, ein Wunschseitens der Flugschulen. Dazu wirdzunächst eine rote Fläche auf denFlügel lackiert, erst dann wird der„WARUM FERTIGT AQUILA AVIATIONSO EIN ARBEITSINTENSIVESPRODUKT IN DEUTSCHLAND?“Trittschutz aufgeklebt. Noch wesentlichaufwändiger waren die großenProjekte der vergangenen Jahre. Sowurde die A 210 für den Nachtflugzugelassen, ein Schritt, der zu vielenVerbesserungen geführt hat. Auf Initiativeeines Luftbildunternehmersgibt es das VLA heute zudem als fliegendeKameraplattform. Dazu mussteunter anderem ein Loch in den Bodendes Gepäckfachs integriert unddie Abgasanlage modifiziert werden.Produktion und Entwicklung sinddas eine Standbein von <strong>Aquila</strong>, dasWartungsgeschäft und die eigeneCAMO das andere. Mit wachsenderFlottengröße steigt eben auch derWartungs- und Reparaturbedarf. Werknummer104, das vierte Serienflugzeug,steht gerade in der Endmontagehallezum Triebwerkstausch. AuchHalter von Flugzeugen anderer Herstellerwissen den Service bei <strong>Aquila</strong>zu schätzen.Bei der Kundenakquise konzentriertsich der Flugzeugbauer nichtnur auf den deutschen Markt, sondernschielt auch verstärkt auf denausländischen. Ein neu gewonnenerKunde ist beispielsweise eine Flugschuleaus Perth in Australien, diein Kürze ihre dritte <strong>Aquila</strong> erhaltenwird. „Im Sommer werden wir auchin Oshkosh dabei sein und auf demUS-Markt eine Offensive starten“,verrät Wolf-RüdigerKruhl. Die FAA-Zulassungfür die A 210liegt längst vor.Bevor ein Flugzeugan den Kundengeht, steht eine letzteausgiebige Qualitätskontrolle inder etwas abseits der Produktion gelegenenHalle C3 an. Dort warten diefertigen Flugzeuge auf ihre Auslieferung.Punkt für Punkt arbeiten Schellhaseund Kruhl in einer zweistündigenZeremonie eine umfangreiche Checklisteab. Während des Erstflugs checktKruhl noch einmal alle Systeme aufHerz und Nieren.Wenn am Ende des Tages der Kundeanklopft, um sein nagelneues Flugzeugnach Hause zu fliegen, ist malwieder so ein Moment, in dem Schellhaseund Kruhl sicher sind, den richtigenBeruf gewählt zu haben: „Esist einfach schön, dass es Menschengibt, die sich so ein Flugzeug leistenmöchten und können.“aeZiel erreicht: Wenn dieBesatzung ihren Spaß hat,hat sich die Arbeit des<strong>Aquila</strong>-Teams gelohnt.MEHR BILDERunterwww.<strong>aerokurier</strong>.de/aquila14 <strong>aerokurier</strong> 3/<strong>2013</strong><strong>aerokurier</strong> 3/<strong>2013</strong> 15

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