01.12.2012 Aufrufe

Dossier Olivenöl der Zeitschrift "Merum"

Dossier Olivenöl der Zeitschrift "Merum"

Dossier Olivenöl der Zeitschrift "Merum"

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

FÄLSCHUNG UND KONTROLLE<br />

Dies ist ein Merum-Text. Mehr Merum auf www.merum.info<br />

52<br />

terscheiden sich aber we<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Fettsäurezusammensetzung noch in<br />

den Sterinen. Der Nachweis gestaltet<br />

sich dadurch schwieriger. Auch die<br />

UV-Spektroskopie zum Nachweis von<br />

Stoffen, die beim Raffinieren entstehen,<br />

ist nicht immer schlüssig, da die<br />

selben Stoffe (konjugierte Diene und<br />

Triene) bei schlechter Lagerung auch<br />

bei Vergine-Ölen entstehen können.<br />

Der Nachweis von raffinierten<br />

Ölen ist durch eine weitere Methode<br />

möglich: Wenn in einem <strong>Olivenöl</strong> Spuren<br />

gewisser, beim Raffinieren entstehen<strong>der</strong><br />

Zersetzungsprodukte (Stigmastadien)<br />

entdeckt werden, kann damit<br />

<strong>der</strong> Nachweis geführt werden, dass ein<br />

Vergine-<strong>Olivenöl</strong> mit einem raffinierten<br />

gestreckt wurde. Dem Kantonalen<br />

Labor Zürich gelang 1993 <strong>der</strong> Nachweis,<br />

dass bei 32 Prozent aller untersuchten<br />

Extravergine ein entsprechen<strong>der</strong><br />

Verschnitt vorlag!<br />

Panschen mit Tresteröl<br />

Eine Methode, die anfänglich gut für<br />

das Aufdecken von Trester-(Sansa)-<br />

Ölen in Vergine-Ölen funktionierte,<br />

war die Bestimmung von Uvaol und<br />

Erythrodiol. Dabei handelt es sich um<br />

Diole, die in Oliven natürlich vorkommen,<br />

die allerdings durch Lösungsmittel<br />

(Erzeugung von Tresterölen) in<br />

weit größerem Masse extrahiert werden<br />

als durch Auspressen (Vergine-<br />

Öle).<br />

Sobald jedoch auch die Gegenseite<br />

diese Analytik beherrschte, konnte sie<br />

durch geeignete Verschnitte und chemische<br />

Korrektur <strong>der</strong> Tresteröle die<br />

gesetzlichen Grenzwerte einhalten.<br />

Dabei ist zu sagen, dass das Gesetz<br />

Grenzwerte für Uvaol und Erythrodiol<br />

nicht deshalb vorschreibt, weil diese<br />

Stoffe gesundheitsbedenklich wären,<br />

son<strong>der</strong>n lediglich um den Kontrolllabors<br />

Anhaltspunkte für den Nachweis<br />

von Tresterölen zu liefern. Da die Fälscher<br />

sich von diesen Grenzwerten je-<br />

Die meisten Industrie-Extravergine sind<br />

wohl gesetzeskonform. Keine Kunst, das<br />

Gesetz wurde für sie maßgeschnei<strong>der</strong>t.<br />

doch nicht mehr abschrecken lassen,<br />

machen sie diese im Prinzip hinfällig.<br />

Eine weitere Methode zum Nachweis<br />

von Tresterölen ist die Bestimmung<br />

des Wachsgehaltes. Tresteröle<br />

enthalten zehn- bis dreißigmal mehr<br />

Wachsester als Pressöle.<br />

Die EU-Verordnung 183/93 führte<br />

1993 daher den Wachsgehalt als Unterscheidungsmerkmal<br />

<strong>der</strong> verschiedenen<br />

<strong>Olivenöl</strong>e ein. Die Entfernung dieser<br />

Wachse scheint für die Fälscher sehr<br />

kostenaufwendig, was den Nachweis<br />

von Tresterölen über den Wachsgehalt<br />

bis heute aktuell hielt.<br />

Gesetze behin<strong>der</strong>n Kontrolle<br />

Die Analytiker Konrad Grob und Marianne<br />

Bronz schreiben ziemlich resigniert:<br />

«Kommt noch hinzu, dass sich<br />

die Kontrolle immer stärker selbst behin<strong>der</strong>t:<br />

Mitte <strong>der</strong> Achtzigerjahre wurden<br />

in manchen Län<strong>der</strong>n die Untersuchungen<br />

reglementiert, das heißt die<br />

Analysen sowie die tolerierten Maximal-<br />

und Minimalwerte gesetzlich<br />

festgelegt. Dies beschränkte die Kontrolle<br />

auf die bereits obsoleten Kriterien<br />

und schützte so die Fälscher vor<br />

Überraschungen durch innovative analytische<br />

Methoden.<br />

Zudem bedeutet eine gesetzliche<br />

Limitierung zweierlei: Einerseits ist<br />

eine Überschreitung verboten, an<strong>der</strong>erseits<br />

ist damit aber auch die Erhöhung<br />

einer Konzentration bis zu dieser<br />

Grenze erlaubt und kaum mehr anfechtbar.<br />

Mit Hilfe <strong>der</strong> eigenen Analytik<br />

konnte nun also eine bestimmte<br />

Menge eines Fremdöls zugesetzt werden,<br />

bis <strong>der</strong> Grenzwert erreicht war.<br />

De facto war von diesem Moment<br />

an ein <strong>Olivenöl</strong> nicht mehr definiert als<br />

ein Pressöl aus Oliven, son<strong>der</strong>n als ein<br />

Öl mit weniger als 20 Prozent Linolsäure,<br />

weniger als 0,9 Prozent Linolensäure,<br />

weniger als 0,5 Prozent<br />

Brassicasterin und noch rund zehn Anfor<strong>der</strong>ungen.<br />

Mit etwas Geschick lässt<br />

sich so ein ‹<strong>Olivenöl</strong>› praktisch ohne<br />

<strong>Olivenöl</strong> herstellen.»<br />

Die gesetzliche Definition <strong>der</strong><br />

Grenzwerte brachte damit nicht nur eine<br />

Definition dessen, was <strong>Olivenöl</strong> in<br />

seinen verschiedenen Kategorien zu<br />

sein hat, son<strong>der</strong>n setzte auch dem Erfin<strong>der</strong>geist<br />

und damit <strong>der</strong> Effizienz <strong>der</strong><br />

Kontrolleure Grenzen.<br />

Auch wenn für einen Kontrolleur<br />

feststeht, dass ein <strong>Olivenöl</strong> gepanscht<br />

ist, kann er nichts dagegen unternehmen,<br />

wenn sich geschickte Fälscher<br />

<strong>der</strong> gesetzlichen Toleranzwerte als<br />

«Rezeptur» für ihre Kompositionen<br />

bedienen.<br />

Magnetresonanzverfahren, Isotopen-<br />

und DNS-Untersuchungen sind<br />

die Vertreter <strong>der</strong> jüngsten Generation<br />

<strong>der</strong> Kontrollanalytik. Noch scheint<br />

aber, dass <strong>der</strong> Entwicklungsstand dieser<br />

Methoden nicht erlaubt, die Echtheit<br />

von <strong>Olivenöl</strong>en rechtskräftig<br />

nachzuweisen.<br />

Wie die Gesetze umgangen und gebrochen werden<br />

Betrug und Fälschung<br />

Von Luigi Caricato<br />

Auch wenn dem breiten Publikum<br />

darüber wenig bekannt ist, das<br />

Thema Betrug (ital.: frodi) und<br />

Fälschungen (ital.: sofisticazioni) im<br />

Lebensmittelbereich ist weiterhin<br />

hochaktuell. Nur wenigen ist <strong>der</strong> Unterschied<br />

zwischen Betrug und Fälschung<br />

aber klar.<br />

Betrug ist eine Täuschung kommerzieller<br />

Natur, kann aber auch in einer<br />

Falschdeklaration gegenüber den<br />

Institutionen bestehen. Ein Beispiel:<br />

Betrügerisch ist die Angabe einer<br />

falschen Herkunft auf dem Etikett, wodurch<br />

<strong>der</strong> Konsument getäuscht wird.<br />

Ein als «toskanisch» etikettiertes Öl<br />

lässt sich natürlich besser verkaufen<br />

als ein Öl an<strong>der</strong>er Herkunft.<br />

Doch als Betrug gilt auch eine<br />

falsche Erklärung, beispielsweise gegenüber<br />

<strong>der</strong> EU, um so in den Genuss<br />

von wirtschaftlicher Unterstützung zu<br />

kommen, auf die eigentlich kein Anrecht<br />

bestünde.<br />

Betrug ist zwar in sich ein schwerwiegen<strong>der</strong>,<br />

die Wahrheit verzerren<strong>der</strong><br />

Akt, verursacht aber geringeren Schaden<br />

als eine Fälschung. Eine Fälschung<br />

bezieht sich auf die Natur des<br />

Produktes selbst. Ein gefälschtes Extravergine-<strong>Olivenöl</strong><br />

ist nicht nur eine<br />

kommerzielle Täuschung, son<strong>der</strong>n<br />

kann auch Gesundheitsrisiken mit sich<br />

bringen.<br />

Lanfranco Conte, Dozent an <strong>der</strong><br />

Abteilung für Lebensmittelwissenschaften<br />

an <strong>der</strong> Universität Udine, erklärt,<br />

dass es heutzutage mit Hilfe <strong>der</strong><br />

nuklearen Magnetresonanz möglich<br />

sei, die Reinheit und Qualität eines<br />

<strong>Olivenöl</strong>s zu ermitteln. Ein Verfahren,<br />

das als eine Art minimales Verteidigungsmittel<br />

betrachtet werden könnte.<br />

Die ersten Kontrollen scheinen<br />

vielversprechend zu sein, doch ist bei<br />

<strong>der</strong> Forschung gegen Fälschungen<br />

noch viel zu tun. Alle neuen, bisher untersuchten<br />

und publizierten Standardwerte<br />

beruhen im Wesentlichen auf<br />

dem Einsatz von chromatographischen<br />

Verfahren, aber <strong>der</strong>zeit wird auch mit<br />

an<strong>der</strong>en, neuen Methoden experimentiert.<br />

Die heute am häufigsten vorkommenden<br />

Fälschungen sind die mit<br />

Dampfbehandlung «desodorierten»<br />

Öle sowie mit Haselnussöl vermischtes<br />

<strong>Olivenöl</strong>. Dies sind sicherlich die<br />

tückischsten Fälschungsformen, auch<br />

weil momentan wirkungsvolle Methoden<br />

zu ihrem Aufdecken fehlen.<br />

«Gesetzlich vorgeschriebene<br />

Grenzwerte», versichert Professor<br />

Conte, «gibt es bereits sehr viele, weitere<br />

einzuführen, bringt nichts. Jedenfalls<br />

dürfte <strong>der</strong> Gehalt an Polyphenolen<br />

sicher den besten Maßstab darstellen,<br />

um die Ölqualität zu definieren.<br />

Dies schon allein deshalb, als sich<br />

diese Komponenten stark auf die sensorische<br />

Qualität und die gesundheitlichen<br />

Vorzüge auswirken, da sie wesentliche<br />

antioxidative Wirkung besitzen.»<br />

Um Schutz vor den verschiedensten<br />

Fälschungen zu bieten, wurden<br />

verschiedene Kontrollstellen eingerichtet.<br />

Unter an<strong>der</strong>em gibt es in Itali-<br />

en das Gesundheitskommando <strong>der</strong> Carabinieri<br />

(Comando Carabinieri per la<br />

Sanità), eine Son<strong>der</strong>einheit, die dem<br />

Gesundheitsministerium unterstellt ist<br />

und somit direkt in alle Bereiche zum<br />

Schutz <strong>der</strong> öffentlichen Gesundheit<br />

eingreift.<br />

Die sogenannten NAS, die Anti-<br />

Fälschungsgruppen (Nucleo anti sofisticazioni),<br />

überwachen den gesamten<br />

Produktionsprozess und den Vertrieb<br />

bis hin zum Einzelhandel. Auf diese<br />

Weise spielen die NAS über ihre konstante<br />

Kontroll- und Überwachungsfunktion<br />

eine permanente, wichtige<br />

Rolle zur Vorbeugung und Verhin<strong>der</strong>ung<br />

von Täuschungen und Fälschungen<br />

im Lebensmittelbereich. Allerdings<br />

bestehen die fünfunddreißig<br />

über ganz Italien verstreuten NAS-<br />

Gruppen nur aus etwa tausend Leuten.<br />

Verständlicherweise ist es bei dieser<br />

Zahl nicht möglich, ganz Italien wirksam<br />

unter Kontrolle zu halten.<br />

Echte Papiere für falsche Öle<br />

Die größten Probleme kommen aber<br />

von außen. Nicht immer sind Kontrollen<br />

<strong>der</strong> aus dem Ausland eintreffenden<br />

Ware machbar. Der größte Teil des Öls<br />

gelangt in Zisternen über die Grenzen<br />

und umgeht jede Kontrolle.<br />

Der apulische Richter Domenico<br />

Seccia, <strong>der</strong> sich sehr im Bereich des<br />

Fälschungsschutzes engagiert, erklärte<br />

vor einiger Zeit gegenüber <strong>der</strong> Tageszeitung<br />

Gazzetta del Mezzogiorno,<br />

verbreitet sei die Fälschung mittels<br />

Dokumentenschwindel. Bei dieser<br />

Methode wird die Ölfracht, meist Ha-<br />

Dies ist ein Merum-Text. Mehr Merum auf www.merum.info<br />

53

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!