Dossier Olivenöl der Zeitschrift "Merum"
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FÄLSCHUNG UND KONTROLLE<br />
Dies ist ein Merum-Text. Mehr Merum auf www.merum.info<br />
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terscheiden sich aber we<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
Fettsäurezusammensetzung noch in<br />
den Sterinen. Der Nachweis gestaltet<br />
sich dadurch schwieriger. Auch die<br />
UV-Spektroskopie zum Nachweis von<br />
Stoffen, die beim Raffinieren entstehen,<br />
ist nicht immer schlüssig, da die<br />
selben Stoffe (konjugierte Diene und<br />
Triene) bei schlechter Lagerung auch<br />
bei Vergine-Ölen entstehen können.<br />
Der Nachweis von raffinierten<br />
Ölen ist durch eine weitere Methode<br />
möglich: Wenn in einem <strong>Olivenöl</strong> Spuren<br />
gewisser, beim Raffinieren entstehen<strong>der</strong><br />
Zersetzungsprodukte (Stigmastadien)<br />
entdeckt werden, kann damit<br />
<strong>der</strong> Nachweis geführt werden, dass ein<br />
Vergine-<strong>Olivenöl</strong> mit einem raffinierten<br />
gestreckt wurde. Dem Kantonalen<br />
Labor Zürich gelang 1993 <strong>der</strong> Nachweis,<br />
dass bei 32 Prozent aller untersuchten<br />
Extravergine ein entsprechen<strong>der</strong><br />
Verschnitt vorlag!<br />
Panschen mit Tresteröl<br />
Eine Methode, die anfänglich gut für<br />
das Aufdecken von Trester-(Sansa)-<br />
Ölen in Vergine-Ölen funktionierte,<br />
war die Bestimmung von Uvaol und<br />
Erythrodiol. Dabei handelt es sich um<br />
Diole, die in Oliven natürlich vorkommen,<br />
die allerdings durch Lösungsmittel<br />
(Erzeugung von Tresterölen) in<br />
weit größerem Masse extrahiert werden<br />
als durch Auspressen (Vergine-<br />
Öle).<br />
Sobald jedoch auch die Gegenseite<br />
diese Analytik beherrschte, konnte sie<br />
durch geeignete Verschnitte und chemische<br />
Korrektur <strong>der</strong> Tresteröle die<br />
gesetzlichen Grenzwerte einhalten.<br />
Dabei ist zu sagen, dass das Gesetz<br />
Grenzwerte für Uvaol und Erythrodiol<br />
nicht deshalb vorschreibt, weil diese<br />
Stoffe gesundheitsbedenklich wären,<br />
son<strong>der</strong>n lediglich um den Kontrolllabors<br />
Anhaltspunkte für den Nachweis<br />
von Tresterölen zu liefern. Da die Fälscher<br />
sich von diesen Grenzwerten je-<br />
Die meisten Industrie-Extravergine sind<br />
wohl gesetzeskonform. Keine Kunst, das<br />
Gesetz wurde für sie maßgeschnei<strong>der</strong>t.<br />
doch nicht mehr abschrecken lassen,<br />
machen sie diese im Prinzip hinfällig.<br />
Eine weitere Methode zum Nachweis<br />
von Tresterölen ist die Bestimmung<br />
des Wachsgehaltes. Tresteröle<br />
enthalten zehn- bis dreißigmal mehr<br />
Wachsester als Pressöle.<br />
Die EU-Verordnung 183/93 führte<br />
1993 daher den Wachsgehalt als Unterscheidungsmerkmal<br />
<strong>der</strong> verschiedenen<br />
<strong>Olivenöl</strong>e ein. Die Entfernung dieser<br />
Wachse scheint für die Fälscher sehr<br />
kostenaufwendig, was den Nachweis<br />
von Tresterölen über den Wachsgehalt<br />
bis heute aktuell hielt.<br />
Gesetze behin<strong>der</strong>n Kontrolle<br />
Die Analytiker Konrad Grob und Marianne<br />
Bronz schreiben ziemlich resigniert:<br />
«Kommt noch hinzu, dass sich<br />
die Kontrolle immer stärker selbst behin<strong>der</strong>t:<br />
Mitte <strong>der</strong> Achtzigerjahre wurden<br />
in manchen Län<strong>der</strong>n die Untersuchungen<br />
reglementiert, das heißt die<br />
Analysen sowie die tolerierten Maximal-<br />
und Minimalwerte gesetzlich<br />
festgelegt. Dies beschränkte die Kontrolle<br />
auf die bereits obsoleten Kriterien<br />
und schützte so die Fälscher vor<br />
Überraschungen durch innovative analytische<br />
Methoden.<br />
Zudem bedeutet eine gesetzliche<br />
Limitierung zweierlei: Einerseits ist<br />
eine Überschreitung verboten, an<strong>der</strong>erseits<br />
ist damit aber auch die Erhöhung<br />
einer Konzentration bis zu dieser<br />
Grenze erlaubt und kaum mehr anfechtbar.<br />
Mit Hilfe <strong>der</strong> eigenen Analytik<br />
konnte nun also eine bestimmte<br />
Menge eines Fremdöls zugesetzt werden,<br />
bis <strong>der</strong> Grenzwert erreicht war.<br />
De facto war von diesem Moment<br />
an ein <strong>Olivenöl</strong> nicht mehr definiert als<br />
ein Pressöl aus Oliven, son<strong>der</strong>n als ein<br />
Öl mit weniger als 20 Prozent Linolsäure,<br />
weniger als 0,9 Prozent Linolensäure,<br />
weniger als 0,5 Prozent<br />
Brassicasterin und noch rund zehn Anfor<strong>der</strong>ungen.<br />
Mit etwas Geschick lässt<br />
sich so ein ‹<strong>Olivenöl</strong>› praktisch ohne<br />
<strong>Olivenöl</strong> herstellen.»<br />
Die gesetzliche Definition <strong>der</strong><br />
Grenzwerte brachte damit nicht nur eine<br />
Definition dessen, was <strong>Olivenöl</strong> in<br />
seinen verschiedenen Kategorien zu<br />
sein hat, son<strong>der</strong>n setzte auch dem Erfin<strong>der</strong>geist<br />
und damit <strong>der</strong> Effizienz <strong>der</strong><br />
Kontrolleure Grenzen.<br />
Auch wenn für einen Kontrolleur<br />
feststeht, dass ein <strong>Olivenöl</strong> gepanscht<br />
ist, kann er nichts dagegen unternehmen,<br />
wenn sich geschickte Fälscher<br />
<strong>der</strong> gesetzlichen Toleranzwerte als<br />
«Rezeptur» für ihre Kompositionen<br />
bedienen.<br />
Magnetresonanzverfahren, Isotopen-<br />
und DNS-Untersuchungen sind<br />
die Vertreter <strong>der</strong> jüngsten Generation<br />
<strong>der</strong> Kontrollanalytik. Noch scheint<br />
aber, dass <strong>der</strong> Entwicklungsstand dieser<br />
Methoden nicht erlaubt, die Echtheit<br />
von <strong>Olivenöl</strong>en rechtskräftig<br />
nachzuweisen.<br />
Wie die Gesetze umgangen und gebrochen werden<br />
Betrug und Fälschung<br />
Von Luigi Caricato<br />
Auch wenn dem breiten Publikum<br />
darüber wenig bekannt ist, das<br />
Thema Betrug (ital.: frodi) und<br />
Fälschungen (ital.: sofisticazioni) im<br />
Lebensmittelbereich ist weiterhin<br />
hochaktuell. Nur wenigen ist <strong>der</strong> Unterschied<br />
zwischen Betrug und Fälschung<br />
aber klar.<br />
Betrug ist eine Täuschung kommerzieller<br />
Natur, kann aber auch in einer<br />
Falschdeklaration gegenüber den<br />
Institutionen bestehen. Ein Beispiel:<br />
Betrügerisch ist die Angabe einer<br />
falschen Herkunft auf dem Etikett, wodurch<br />
<strong>der</strong> Konsument getäuscht wird.<br />
Ein als «toskanisch» etikettiertes Öl<br />
lässt sich natürlich besser verkaufen<br />
als ein Öl an<strong>der</strong>er Herkunft.<br />
Doch als Betrug gilt auch eine<br />
falsche Erklärung, beispielsweise gegenüber<br />
<strong>der</strong> EU, um so in den Genuss<br />
von wirtschaftlicher Unterstützung zu<br />
kommen, auf die eigentlich kein Anrecht<br />
bestünde.<br />
Betrug ist zwar in sich ein schwerwiegen<strong>der</strong>,<br />
die Wahrheit verzerren<strong>der</strong><br />
Akt, verursacht aber geringeren Schaden<br />
als eine Fälschung. Eine Fälschung<br />
bezieht sich auf die Natur des<br />
Produktes selbst. Ein gefälschtes Extravergine-<strong>Olivenöl</strong><br />
ist nicht nur eine<br />
kommerzielle Täuschung, son<strong>der</strong>n<br />
kann auch Gesundheitsrisiken mit sich<br />
bringen.<br />
Lanfranco Conte, Dozent an <strong>der</strong><br />
Abteilung für Lebensmittelwissenschaften<br />
an <strong>der</strong> Universität Udine, erklärt,<br />
dass es heutzutage mit Hilfe <strong>der</strong><br />
nuklearen Magnetresonanz möglich<br />
sei, die Reinheit und Qualität eines<br />
<strong>Olivenöl</strong>s zu ermitteln. Ein Verfahren,<br />
das als eine Art minimales Verteidigungsmittel<br />
betrachtet werden könnte.<br />
Die ersten Kontrollen scheinen<br />
vielversprechend zu sein, doch ist bei<br />
<strong>der</strong> Forschung gegen Fälschungen<br />
noch viel zu tun. Alle neuen, bisher untersuchten<br />
und publizierten Standardwerte<br />
beruhen im Wesentlichen auf<br />
dem Einsatz von chromatographischen<br />
Verfahren, aber <strong>der</strong>zeit wird auch mit<br />
an<strong>der</strong>en, neuen Methoden experimentiert.<br />
Die heute am häufigsten vorkommenden<br />
Fälschungen sind die mit<br />
Dampfbehandlung «desodorierten»<br />
Öle sowie mit Haselnussöl vermischtes<br />
<strong>Olivenöl</strong>. Dies sind sicherlich die<br />
tückischsten Fälschungsformen, auch<br />
weil momentan wirkungsvolle Methoden<br />
zu ihrem Aufdecken fehlen.<br />
«Gesetzlich vorgeschriebene<br />
Grenzwerte», versichert Professor<br />
Conte, «gibt es bereits sehr viele, weitere<br />
einzuführen, bringt nichts. Jedenfalls<br />
dürfte <strong>der</strong> Gehalt an Polyphenolen<br />
sicher den besten Maßstab darstellen,<br />
um die Ölqualität zu definieren.<br />
Dies schon allein deshalb, als sich<br />
diese Komponenten stark auf die sensorische<br />
Qualität und die gesundheitlichen<br />
Vorzüge auswirken, da sie wesentliche<br />
antioxidative Wirkung besitzen.»<br />
Um Schutz vor den verschiedensten<br />
Fälschungen zu bieten, wurden<br />
verschiedene Kontrollstellen eingerichtet.<br />
Unter an<strong>der</strong>em gibt es in Itali-<br />
en das Gesundheitskommando <strong>der</strong> Carabinieri<br />
(Comando Carabinieri per la<br />
Sanità), eine Son<strong>der</strong>einheit, die dem<br />
Gesundheitsministerium unterstellt ist<br />
und somit direkt in alle Bereiche zum<br />
Schutz <strong>der</strong> öffentlichen Gesundheit<br />
eingreift.<br />
Die sogenannten NAS, die Anti-<br />
Fälschungsgruppen (Nucleo anti sofisticazioni),<br />
überwachen den gesamten<br />
Produktionsprozess und den Vertrieb<br />
bis hin zum Einzelhandel. Auf diese<br />
Weise spielen die NAS über ihre konstante<br />
Kontroll- und Überwachungsfunktion<br />
eine permanente, wichtige<br />
Rolle zur Vorbeugung und Verhin<strong>der</strong>ung<br />
von Täuschungen und Fälschungen<br />
im Lebensmittelbereich. Allerdings<br />
bestehen die fünfunddreißig<br />
über ganz Italien verstreuten NAS-<br />
Gruppen nur aus etwa tausend Leuten.<br />
Verständlicherweise ist es bei dieser<br />
Zahl nicht möglich, ganz Italien wirksam<br />
unter Kontrolle zu halten.<br />
Echte Papiere für falsche Öle<br />
Die größten Probleme kommen aber<br />
von außen. Nicht immer sind Kontrollen<br />
<strong>der</strong> aus dem Ausland eintreffenden<br />
Ware machbar. Der größte Teil des Öls<br />
gelangt in Zisternen über die Grenzen<br />
und umgeht jede Kontrolle.<br />
Der apulische Richter Domenico<br />
Seccia, <strong>der</strong> sich sehr im Bereich des<br />
Fälschungsschutzes engagiert, erklärte<br />
vor einiger Zeit gegenüber <strong>der</strong> Tageszeitung<br />
Gazzetta del Mezzogiorno,<br />
verbreitet sei die Fälschung mittels<br />
Dokumentenschwindel. Bei dieser<br />
Methode wird die Ölfracht, meist Ha-<br />
Dies ist ein Merum-Text. Mehr Merum auf www.merum.info<br />
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