3. - Schloss Schwetzingen
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V. Zur musikhistorischen Bedeutung: Dr. Bärbel Pelker<br />
erfolgreichen Aufbauarbeit bestand in der Maßnahme, dass man die Führungspositionen<br />
innerhalb der Instrumentalgruppen mit qualitativ guten bis ausgezeichneten Musikern<br />
besetzte. Zu Anfang musste dies durch das Engagement auswärtiger Virtuosen erfolgen (z. B.<br />
Jean Nicolas Heroux, Innocenz Danzi, Anton Fils, die Brüder Jean Baptist und Franz<br />
Wendling), spätestens seit Mitte der Sechzigerjahre – mit der zweiten Schülergeneration –<br />
rückten dann die besten Musiker aus der eigenen Orchesterschule nach (z. B. die Geiger<br />
Wilhelm Cramer, Carl und Anton Stamitz, die Oboisten Friedrich Ramm und Ludwig August<br />
Lebrun).<br />
Der entscheidende Wandel in Richtung eines modernen leistungsstarken Orchesters<br />
vollzog sich im Jahr 1758, also ein Jahr nach Stamitz‘ Tod: Das Amt des Konzertmeisters<br />
teilten sich die beiden Stamitz-Schüler Christian Cannabich und Carlo Giuseppe Toeschi; die<br />
Violingruppe bestand nun überwiegend aus jungen Musikern der kurpfälzischen<br />
Orchesterschule. Die Führungspositionen waren in jeder Instrumentalgruppe mit Spezialisten<br />
ihres Faches besetzt – in jener Zeit ebenfalls in dieser Konsequenz keine<br />
Selbstverständlichkeit. Außerdem sind erstmals zwei Klarinettisten, Michael Quallenberg (ca.<br />
1726–1786) und Johannes Hampel, offiziell in der Musikerliste vertreten 5 . Damit waren nicht<br />
nur alle Instrumentalgruppen vollständig besetzt, sondern auch die Zusammensetzung des<br />
legendären Hoforchesters war nun endgültig geschaffen. In den folgenden zwanzig Jahren ist<br />
anhand der Hofkalender eine kontinuierliche Vergrößerung der Hofkapelle zu verzeichnen:<br />
Im Jahr 1762 zählte die Kapelle erstmals über 70 und ab 1770 über 80 Hofmusiker. Die<br />
höchste Mitgliederzahl war in den Jahren 1773 und 1774 mit 89 aktiven besoldeten Musikern<br />
erreicht. Danach pendelte sich die Zahl auf 75 ein. Das Ensemble gehörte damit zu den<br />
größten Hofkapellen im 18. Jahrhundert europaweit.<br />
Die Bewunderung der Zeitgenossen galt zunächst der zahlenmäßigen Größe und der<br />
besetzungsmäßigen Vollständigkeit. Die genaue Besetzungsangabe des Orchesters ist durch<br />
Wolfgang Amadé Mozart verbürgt: „das orchestre ist sehr gut und starck. auf jeder seite 10<br />
bis 11 violin, 4 bratschn, 2 oboe, 2 flauti und 2 Clarinetti, 2 Corni, 4 violoncelle, 4 fagotti und<br />
4 Contrabaßi und trompetten und Paucken. es läst sich eine schöne musick machen“ 6 . Mit<br />
dieser Formation, der beiden stark besetzten Violingruppen, den solistisch eingesetzten<br />
Bläsern 7 (die Fagotte fungierten bassverstärkend, wenn sie nicht solistisch tätig waren) und<br />
dem bereits in den 1750er-Jahren erfolgten Verzicht auf das Cembalo, die Laute oder<br />
Theorbe, schufen die Kurpfälzer jenen modernen Orchesterklang des sogenannten klassischen<br />
Sinfonieorchesters, den Haydn, Mozart, Beethoven und andere Komponisten bis in das 19.<br />
Jahrhundert ihren Sinfonien zugrunde legten.<br />
Neben der starken und vollständigen Besetzung bewunderten die Zeitgenossen an dem<br />
kurpfälzischen Hoforchester vor allem die Spieldisziplin und die im wahrsten Sinne des<br />
Wortes atemberaubende Ausführung mit den berühmten Crescendo- und Diminuendo-<br />
5 In anderen Kapellen wurden Klarinetten in der Regel erst im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts, vor allem<br />
in den Achtzigerjahren, heimisch. In Stuttgart fehlten sie beispielsweise noch 1789; vgl. Ottmar Schreiber,<br />
Orchester und Orchesterpraxis in Deutschland zwischen 1780 und 1850, Berlin 1938, Repr. Hildesheim-<br />
New York 1978, S. 133–134.<br />
6 Brief vom 4. November 1777, in: Mozart. Briefe, 2. Bd., S. 101.<br />
7 Üblicherweise waren die Bläser in der Zeit chorisch, also mehrfach besetzt, z.B. in Dresden 1756: 3 Flöten, 5<br />
Oboen, 6 Fagotte, Planstellen für Klarinetten kamen erst 1795 hinzu (s. Ortrun Landmann, „Die Entwicklung<br />
der Dresdener Hofkapelle zum ‚klassischen’ Orchester. Ein Beitrag zur Definition dieses Phänomens“, in:<br />
Basler Jahrbuch für historische Musikpraxis, XVII [1993], Winterthur 1994, S. 175–190, spez. 181).<br />
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