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auf dem weg ins 2. jahrhundert der luftfahrt

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panorama<br />

Boeing 787 Dreamliner<br />

Boeing 787 Dreamliner<br />

<strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>weg</strong> <strong>ins</strong> <strong>2.</strong> <strong>jahrhun<strong>der</strong>t</strong> <strong>der</strong> <strong>luftfahrt</strong><br />

PATRICK R. FABRI – Redaktion mobiles, Hamburg<br />

Patrick R. Fabri<br />

studiert Flugzeugbau<br />

an <strong>der</strong><br />

HAW Hamburg<br />

und engagiert<br />

sich seit seinem<br />

Studiumsbeginn<br />

ehrenamtlich<br />

bei mobiles. Seit<br />

Sommer 2005<br />

leitet er das Redaktionsteam.<br />

1 Der erste<br />

Dreamliner<br />

beim Roll-out<br />

am 8. Juli 2007<br />

o<strong>der</strong> – in USamerkianischerDatumsschreibweise<br />

– am<br />

7/8/07-Day.<br />

2 Leichtbau ist ein<br />

entscheidendes<br />

Entwurfskriterium<br />

– mo<strong>der</strong>ne<br />

Faserverbundwerkstoffe<br />

dominieren den<br />

Materialmix <strong>der</strong><br />

Boeing-787-<br />

Struktur [4].<br />

28<br />

» „Dies ist das erste neue Flugzeug für das<br />

<strong>2.</strong> Jahrhun<strong>der</strong>t des Fluges“, so Walt Gillette,<br />

langjähriger Ingenieur, Entwickler und bis zu seiner<br />

Pensionierung Vizepräsident <strong>der</strong> Boeing-787-<br />

Entwicklung bei <strong>der</strong> Boeing Company [1]. Mit<br />

<strong>der</strong> neuen Boeing 787 Dreamliner möchte das<br />

Unternehmen nach einer Dekade <strong>der</strong> Derivatentwicklungen<br />

endlich an glorreiche Zeiten anknüpfen.<br />

Dabei gilt es, Boden gegen den mächtigen<br />

europäischen Konkurrenten Airbus gutzumachen<br />

– allerdings mit einer grundlegend an<strong>der</strong>en Philosophie.<br />

Während Airbus mit <strong>der</strong> A380 das größte<br />

Passagierflugzeug aller Zeiten <strong>ins</strong> Rennen schickt,<br />

orientiert man sich in Seattle eher in <strong>der</strong> Mittelklasse<br />

mit 200–300<br />

Sitzplätzen. Dabei<br />

soll die Boeing 787<br />

jedoch alles an<strong>der</strong>e<br />

als mittelklassig sein.<br />

Mit immensem Entwicklungs<strong>auf</strong>wand<br />

soll die Zivil<strong>luftfahrt</strong><br />

revolutioniert werden.<br />

Dazu sollen vier<br />

Schlüsseltechnologien<br />

beitragen, die<br />

sowohl den Treibstoffverbrauch<br />

als<br />

auch die Wartungskosten, also wesentliche Faktoren<br />

<strong>der</strong> direkten Betriebskosten (Direct Operating<br />

Costs, DOC), signifikant senken sollen. Neben<br />

einer gesteigerten Effizienz und Wirtschaftlichkeit<br />

soll die Boeing 787 auch aus umweltpolitischer<br />

Sicht neue Maßstäbe setzen, in<strong>dem</strong> den immer<br />

strenger werdenden Schadstoff- und Lärmemissionsgrenzwerten<br />

Rechnung getragen wird. Im<br />

Folgenden sollen die verwendeten Technologien,<br />

ihre Effekte sowie die mit <strong>der</strong> Boeing 787 eingeführten<br />

Verän<strong>der</strong>ungen und neuen Flugzeugsysteme<br />

kurz vorgestellt werden.<br />

Neue Wege im Leichtbau: Eines <strong>der</strong> populärsten<br />

Merkmale und auch eine <strong>der</strong> größten konstruktiven<br />

Neuerungen <strong>der</strong> Boeing 787 stellt zweifelsohne<br />

<strong>der</strong> hohe Anteil mo<strong>der</strong>ner Faserverbundwerkstoffe<br />

in <strong>der</strong> Flugzeugstruktur dar. Mehr als<br />

50 % <strong>der</strong> Struktur bestehen aus Faserverbundwerkstoffen,<br />

wobei <strong>ins</strong>beson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Verzicht<br />

<strong>auf</strong> Aluminiumwerk-<br />

2<br />

stoffe für die Rumpfkonstruktion<br />

für einiges<br />

Aufsehen gesorgt<br />

hat. Statt die einzelnen<br />

Rumpfsektionen<br />

in klassischer Schalenbauweise<br />

zu konzipieren,<br />

werden die<br />

kompleten Rumpfsektionen<br />

in Integralbauweise<br />

gefertigt.<br />

Dazu werden entsprechend<br />

den benö-<br />

tigten Wanddicken individuell zugeschnittene<br />

Kohlefaser-Prepregs, dies sind bereits optimal mit<br />

Epoxidharz getränkte Faserverbundhalbzeuge,<br />

mit höchster Präzision maschinell um eine dornartige<br />

Positivform gewickelt, bevor das fertige<br />

Bauteil in riesigen Autoklaven ausgehärtet wird.<br />

1


Aufgrund <strong>der</strong> Größe und Komplexität <strong>der</strong> Bauteile<br />

stellt dies ebenso wie die anschließende Entformung<br />

des Bauteils eine fertigungstechnische<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung dar, die letztlich auch zu den<br />

bestgehüteten Geheimnissen Boeings und seiner<br />

Zulieferer zählt. Experten wie Steven F. Udvar-<br />

Hazy, Chairman und CEO <strong>der</strong> International Lease<br />

Finance Corp., bescheinigen Boeing dabei einen<br />

technologischen Vorsprung von 2–5 Jahren<br />

gegenüber <strong>der</strong> Konkurrenz [2].<br />

Durch den E<strong>ins</strong>atz von Faserverbundwerkstoffen<br />

lassen sich Strukturen realisieren, die in<br />

Abhängigkeit <strong>der</strong> vorliegenden Belastungen (Zug-<br />

o<strong>der</strong> Druckbelastung) zwischen 25 und 30 %<br />

leichter ausfallen als vergleichbare Strukturen aus<br />

Aluminiumwerkstoffen. Etwaige Gewichtssteigerungen,<br />

z. B. durch Blitzschlagschutzsysteme,<br />

sind in diesem Wert bereits berücksichtigt.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> im Vergleich zu Metallwerkstoffen<br />

in einigen Bereichen grundlegend abweichenden<br />

physikalischen Eigenschaften müssen<br />

bei <strong>der</strong> Konstruktion mit Faserverbundwerkstoffen<br />

beson<strong>der</strong>e Vorkehrungen getroffen werden.<br />

Obwohl Faserverbundwerkstoffe keiner<br />

Korrosion im klassischen Sinne unterliegen, neigen<br />

sie im ungeschützten Zustand zur UV-Fotooxidation.<br />

Zu<strong>dem</strong> erfor<strong>der</strong>t die unterschiedliche<br />

thermische und elektrische Leitfähigkeit <strong>der</strong> verwendeten<br />

Fasern neue Lösungen zum Wärmetransport<br />

bzw. zum Abbau hoher Ströme, z. B.<br />

im Falle eines Kurzschlusses o<strong>der</strong> Blitzschlags.<br />

Während sich <strong>der</strong> Schutz vor UV-Fotooxidation<br />

vergleichsweise einfach mittels einer Schutzlackierung<br />

o<strong>der</strong> Schutzgrundierung bewerkstelligen<br />

lässt, erfor<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Blitzschlagschutz<br />

umfangreichere Maßnahmen. Bislang wurden<br />

in speziellen Anwendungen etwa in <strong>der</strong> militärischen<br />

Luftfahrt o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Raumfahrt zu diesem<br />

Zweck metallisierte Fasern in das Faserverbundgewebe<br />

eingebracht, um einen schnellen Abbau<br />

elektrischer Energie zu gewährleisten. Für die<br />

Anwendung in <strong>der</strong> kommerziellen Luftfahrt unter<br />

zyklischen Betriebsbedingungen mit kontinuierlich<br />

schwankenden Umgebungsbedingungen<br />

(Temperatur/Druck/Luftfeuchtigkeit) ist diese<br />

4<br />

Maßnahme <strong>auf</strong>grund einer Neigung zur Mikrorissbildung<br />

im Matrixwerkstoff (z. B. Epoxidharz)<br />

hingegen weniger geeignet. Die Lösung liegt in<br />

einem eigens entwickelten proprietären System,<br />

3<br />

das vereinfacht ausgedrückt aus einem hoch leitfähigen<br />

Schutzgewebe (IWWF, Interwoven Wire<br />

Fabric) aus Phosphorbronze besteht, das an <strong>der</strong><br />

zu schützenden Außenseite mit <strong>dem</strong> eigentlichen<br />

Faserverbundwerkstoff verwoben ist [3].<br />

Neben einer Gewichtsersparnis eröffnet die<br />

Verwendung von Faserverbundwerkstoffen für<br />

den Flugzeugrumpf noch weitere Möglichkeiten.<br />

Aufgrund ihrer sehr guten Festigkeitseigenschaften<br />

sowie eines idealen Korrosions- und<br />

Ermüdungsverhaltens lassen sich für den Passagier<br />

deutlich spür- und erlebbare Optimierungen<br />

am Flugzeug realisieren. So kann beispielsweise<br />

<strong>der</strong> Kabineninnendruck im Gegensatz zur meist<br />

gebräuchlichen Kabinenhöhe von 8000 ft <strong>auf</strong><br />

eine Kabinenhöhe von 6000 ft erhöht werden,<br />

während sich deutlich vergrößerte Kabinenfenster<br />

trotz höherer Festigkeitsanfor<strong>der</strong>ungen mit geringem<br />

Gewichtsmehr<strong>auf</strong>wand realisieren ließen.<br />

Weiteres E<strong>ins</strong>parpotenzial wird zu<strong>dem</strong> durch eine<br />

maßgebliche Reduktion <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Verbindungs-<br />

und Befestigungselemente erzielt. Komplexe<br />

Baugruppen werden in einem Verbund<br />

gefertigt, wobei die chemischen Bindungen des<br />

Faserverbunds die Aufgabe <strong>der</strong> sonst gebräuchlichen<br />

mechanischen Verbindungen übernehmen.<br />

Zu guter Letzt führt <strong>der</strong> E<strong>ins</strong>atz von Verbundwerkstoffen<br />

zu einem geringeren Wartungs<strong>auf</strong>wand,<br />

da viele metalltypische Versagenskriterien<br />

wie Materialermüdung o<strong>der</strong> Korrosion entfallen.<br />

Zapfluftloses Antriebssystem: Das größte E<strong>ins</strong>parpotential<br />

bieten neben einer Gewichtsreduktion<br />

die Triebwerke eines Flugzeugs – je effizienter<br />

das Antriebssystem arbeitet, desto effektiver<br />

lassen sich <strong>der</strong> spezifische Treibstoffverbrauch<br />

sowie die resultierenden Emissionen senken.<br />

Neben „klassischen“ Maßnahmen zur Trieb-<br />

panorama<br />

Boeing 787 Dreamliner<br />

3 FertigungstechnischeHerausfor<strong>der</strong>ung:<br />

Das<br />

gesamte Rumpfsegment<br />

samt<br />

Versteifungselementen<br />

wird<br />

in Integralbauweise<br />

in einem<br />

Arbeitsgang am<br />

Stück gefertigt.<br />

4 Schnittansicht<br />

des mehrschichtigenBlitzschlagschutzsystems<br />

<strong>der</strong> Boeing 787.<br />

Deutlich zu<br />

erkennen sind<br />

die Basisträgerschicht<br />

(30, Grundwerkstoff),<br />

die<br />

Hybridsub-<br />

stratschicht (32,<br />

IWWF), die<br />

Oberflächengrundierung<br />

(52) sowie die<br />

Oberfläche<br />

(36, z. B. die<br />

Lackierung) [3].<br />

29


panorama<br />

Boeing 787 Dreamliner<br />

5 Das Rolls-Royce<br />

Trent 1000 ist<br />

ein mo<strong>der</strong>nes<br />

Dreiwellen-Turbofan-Triebwerk<br />

mit sehr hohem<br />

Nebenstrom-<br />

Verhältnis.<br />

Zapfluft wird lediglich<br />

noch zur<br />

Enteisung <strong>der</strong><br />

Triebwerksgondel<br />

entnommen.<br />

6 Das GEnx-Zweiwellen-Turbofan-Triebwerk<br />

<strong>der</strong> Firma General<br />

Electric wird<br />

als alternative<br />

Antriebsoption<br />

zum Trent 1000<br />

von Boeing<br />

angeboten. Die<br />

Leistung und die<br />

geometrischen<br />

Dimensionen<br />

bei<strong>der</strong> Triebwerke<br />

sind nahezu<br />

identisch.<br />

30<br />

werksoptimierung wie etwa einer Vergrößerung<br />

des Nebenstromverhältnisses, einer Optimierung<br />

des Verbrennungsprozesses in <strong>der</strong> Brennkammer<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Verwendung neuer Werkstoffe (siehe<br />

auch „Mo<strong>der</strong>ne Antriebssysteme in <strong>der</strong> Luftfahrt“<br />

ab S. 52) wurde für die Triebwerke<br />

<strong>der</strong> Boeing 787 technisches<br />

Neuland beschritten<br />

und ein zapfluftloses<br />

Antriebskonzept<br />

(Bleedless Engine) verwirklicht.<br />

Da bei <strong>der</strong><br />

Entnahme von Zapfluft<br />

aus den Verdichterstufen<br />

eines Triebwerks<br />

<strong>der</strong> Luftmassenstrom<br />

durch das Kerntriebwerk<br />

reduziert wird,<br />

hat eine Extraktion von<br />

Zapfluft grundsätzlich eine<br />

Verschlechterung des Triebwerkwirkungsgrads<br />

zur Folge:<br />

Der Schub wird reduziert, während<br />

gleichzeitig <strong>der</strong> spezifische Brennstoffverbrauch<br />

ansteigt.<br />

Die Idee, <strong>auf</strong> eine Zapfluftentnahme aus den<br />

Triebwerken zu verzichten, ist nicht neu. Aufgrund<br />

<strong>der</strong> Vielzahl von Systemen und Komponenten, die<br />

normalerweise über das pneumatische System mit<br />

Druckluft versorgt werden, etwa das Lebenserhaltungssystem<br />

(Environmental Control System),<br />

pneumatisch betriebene Aktuatoren o<strong>der</strong> das<br />

Enteisungssystem (Anti-Icing), muss bei Entfall<br />

einer Zapfluftentnahme aus den Triebwerken für<br />

adäquaten Ersatz gesorgt werden. Die benötigte<br />

Druckluft muss folglich über elektrisch betriebene<br />

Kompressoren erzeugt o<strong>der</strong> im Flug über<br />

Lufthutzen (Air Scoops) bereitgestellt werden,<br />

die wie<strong>der</strong>um zusätzlich das Flugzeug-<br />

gewicht erhöhen. Dies<br />

wird jedoch durch den<br />

Wegfall einer ganzen<br />

Reihe von Pneumatikleitungen<br />

und Komponentenkompensiert,<br />

wobei zu<strong>dem</strong><br />

<strong>der</strong> Wartungs<strong>auf</strong>wand<br />

gesenkt werden kann.<br />

Die Entwurfsziele für das<br />

Antriebssystem <strong>der</strong> Boeing 787 umfassten<br />

neben <strong>dem</strong> Verzicht <strong>auf</strong> ein<br />

Zapfluftsystem zu<strong>dem</strong> die For<strong>der</strong>ung nach<br />

einem gesteigerten Nebenstromverhältnis, eine<br />

konstruktive Anbringung <strong>der</strong> Triebwerke, die<br />

einen schnellen Austausch und kleine Reparaturen<br />

am Flügel ermöglicht, strömungsoptimierte<br />

und geräuscharme Triebwerksgondeln sowie<br />

möglichst niedrige Lärmemissionen des Triebwerks<br />

selbst [4].<br />

Trotz unterschiedlicher Ansätze im Design ihrer<br />

Triebwerke – Rolls-Royce bevorzugt traditionsgemäß<br />

Dreiwellen-Triebwerke für das Trent 1000,<br />

6<br />

während General Electric für das GEnx einen<br />

Zweiwellen-Ansatz verfolgt – erfüllen beide<br />

Triebwerkspartner die gefor<strong>der</strong>ten Spezifikationen<br />

und tragen <strong>ins</strong>gesamt mit einem Anteil von<br />

etwa 8 % zur Gesamtkraftstoffe<strong>ins</strong>parung <strong>der</strong><br />

Boeing 787 in Höhe von 20 % bei. Aufgrund<br />

<strong>der</strong> verwendeten mo<strong>der</strong>nen Triebwerke<br />

sollen die Lärm- und<br />

Schadstoffemissionen<br />

<strong>der</strong> Boeing 787<br />

zusätzlich um bis<br />

zu 20 % im Vergleich<br />

zu bisherigen<br />

Flugzeugen<br />

dieser Typenklasse<br />

gesenkt werden<br />

5<br />

[5]. Nähere Details<br />

zu den verwendeten Triebwerken<br />

werden im Beitrag „Mo<strong>der</strong>ne<br />

Antriebssysteme in <strong>der</strong> Luftfahrt“<br />

ab S. 52 beschrieben.<br />

Auf <strong>dem</strong> Weg zum elektrischen Flugzeug:<br />

Durch den Wegfall des Zapfluftsystems und die<br />

Verlagerung ehemals pneumatisch betriebener<br />

Komponenten <strong>auf</strong> elektrisch betriebene Systeme<br />

entsteht an Bord <strong>der</strong> Boeing 787 ein stark erhöhter<br />

Bedarf an elektrischer Energie. Als beson<strong>der</strong>s<br />

energiekritisch erweist sich hierbei das Starten <strong>der</strong><br />

Triebwerke, das nicht zuletzt <strong>auf</strong>grund des hohen<br />

benötigten Drehmoments beim Triebwerksstart<br />

bislang mit Druckluft erfolgte. Anfängliche<br />

Zweifel haben sich diesbezüglich als unbegründet<br />

erwiesen: Beide angebotenen Triebwerke<br />

lassen sich bei Nutzung bei<strong>der</strong> Startergeneratoren<br />

problemlos in 40 s starten,<br />

während die Startzeit<br />

bei<strong>der</strong> Triebwerke<br />

bei E<strong>ins</strong>atz nur eines<br />

Generators lediglich<br />

70 s beträgt [5]. Um<br />

eine ausreichende<br />

Energieversorgung<br />

zu gewährleisten<br />

ohne dabei die elektrische<br />

Versorgung<br />

zu kompromittieren,<br />

ist die Boeing 787<br />

mit zwei 250-kVA-<br />

Startergeneratoren mit<br />

variabler Frequenz ausgestattet.<br />

Überdies verfügt<br />

das Hilfstriebwerk (APU) über zwei weitere Startergeneratoren<br />

mit jeweils 125 kVA Leistung [5].<br />

Die Versorgung <strong>der</strong> Startergeneratoren erfolgt<br />

über ein mechanisches Interface, das prinzipiell<br />

über ein Getriebe die Drehzahl <strong>der</strong> Mitteldruckantriebswelle<br />

(Intermediate Pressure Driveshaft)<br />

des Trent 1000 respektive <strong>der</strong> Hochdruckantriebswelle<br />

(High Pressure Driveshaft) des GEnx<br />

abgreift. Eine Anpassung <strong>der</strong> Drehzahl über ein<br />

Konstantdrehzahlgetriebe entfällt dabei.


Die Kompressoren des Lebenserhaltungssystems<br />

(Environmental Control System) werden<br />

über die Generatoren elektrisch betrieben, wobei<br />

<strong>der</strong> benötigte Luftmassenstrom über große Lufthutzen<br />

in <strong>der</strong> Rumpf-Flügel-Verkleidung an den<br />

Seiten des Flugzeugs zugeführt wird (vergleiche<br />

Bild 1). Die zur Kühlung von Systemkomponenten<br />

benötigte Luft wird über eine etwas weiter<br />

hinten im Rumpf liegende Lufthutze zugeführt.<br />

Weitere Beispiele für die weit vorangeschrittene<br />

Elektrifizierung <strong>der</strong> Boeing 787 sind das nun<br />

ebenfalls elektrisch betriebene Enteisungssystem<br />

sowie das Fahrwerk <strong>der</strong> Boeing 787. Sowohl das<br />

Ein- und Ausfahren <strong>der</strong> Fahrwerke als auch die<br />

Betätigung <strong>der</strong> Bremsen erfolgen elektrisch.<br />

Neben Komponenten des pneumatischen<br />

Systems wurden zu<strong>dem</strong> auch Teile des Hydrauliksystems<br />

durch elektrische Systeme ersetzt. So<br />

wird neben den Bremsen nun auch das sekundäre<br />

Flugsteuerungssystem (Secondary Flight<br />

Controls) elektrisch betrieben. In diesem Zusammenhang<br />

soll zu<strong>dem</strong> die Signalübertragung im<br />

Rumpf erwähnt werden – wo früher Kupferkabel<br />

ihren Dienst verrichteten, erfolgt <strong>der</strong> Datentransfer<br />

in <strong>der</strong> Boeing 787 vielerorts nun über wesentlich<br />

leichtere Lichtleiter.<br />

Verbesserte Aerodynamik: Ein augenfälliges<br />

Merkmal <strong>der</strong> Boeing 787 sind <strong>auf</strong> den ersten Blick<br />

die stark gepfeilten, leicht nach oben geschwungenen<br />

Tragflügel. Die mittels numerischer<br />

Rechenverfahren dreidimensional ausgelegten<br />

Tragflügel sowie <strong>der</strong> E<strong>ins</strong>atz von Faserverbundwerkstoffen<br />

bei <strong>der</strong> Konstruktion des Flügelkastens<br />

ermöglichen eine aerodynamisch günstige<br />

große Flügelstreckung. Dabei wird <strong>dem</strong> abweichenden<br />

Werkstoffverhalten <strong>der</strong> verwendeten<br />

Faserverbundwerkstoffe durch ein Manöverlastmin<strong>der</strong>ungssystem<br />

(Maneuver Load Alleviation)<br />

Rechnung getragen, das strukturgefährdende<br />

Lastspitzen durch gezielte Gegenmaßnahmen<br />

abmin<strong>der</strong>t und <strong>ins</strong>gesamt die Flügelstruktur entlastet,<br />

etwa durch das Vernichten von Auftrieb<br />

durch einen dosierten Klappenausschlag [6].<br />

Zu einer verbesserten Aerodynamik tragen<br />

zu<strong>dem</strong> die im Vergleich zu bisherigen Flugzeugmustern<br />

deutlich verkleinerten Aktuatoren für<br />

Klappen, Ru<strong>der</strong> und Ru<strong>der</strong>klappen (Flaperons)<br />

sowie <strong>der</strong>en daraus resultierenden kleinere Verkleidungen<br />

bei, <strong>der</strong>en Verkleinerung <strong>auf</strong>grund des<br />

<strong>auf</strong> 5000 psi gesteigerten Druck im Hydrauliksystem<br />

<strong>der</strong> Boeing 787 realisiert werden konnte.<br />

8<br />

7<br />

Auffällig sind in diesem Zusammenhang auch die<br />

relativ kleinen, in Richtung <strong>der</strong> Flügelmitte eingerückten<br />

Außenquerru<strong>der</strong> sowie das ebenfalls<br />

recht klein wirkende Seitenleitwerk (Bild 7).<br />

Der aerodynamische Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong><br />

Boeing 787 wird zu<strong>dem</strong> durch die strömungstechnisch<br />

optimierten Triebwerksgondeln gesenkt.<br />

Diese bieten einen fließenden Übergang von <strong>der</strong><br />

Einl<strong>auf</strong>lippe über das Gondelgehäuse bis hin zur<br />

Flügelbefestigung, wobei die Entwurfsfor<strong>der</strong>ung<br />

eines laminaren Strömungsprofils über die Triebwerksgondel<br />

weitestgehend erfüllt wird.<br />

Ein weiteres Merkmal, das bei näherer<br />

Betrachtung <strong>der</strong> Boeing 787 <strong>ins</strong> Auge fällt, ist <strong>der</strong><br />

dezent, aber doch sichtbar aus <strong>der</strong> Rumpfverkleidung<br />

herausragende Kielträger (Keel Beam).<br />

Das unter einer nur einige Zentimeter tiefen Verkleidung<br />

verborgene, knapp 8,60 m lange Strukturbauteil<br />

verläuft vom Vor<strong>der</strong>rumpf unter <strong>dem</strong><br />

Flügelkasten hindurch zur hinteren Rumpftonne<br />

[7]. Dabei wird die Aerodynamik des Rumpfes<br />

im Strömungsfeld zwischen den Tragflügeln im<br />

Bereich hoher Unterschallmachzahlen durch die<br />

hervorstehende Verkleidung optimiert.<br />

Die beschriebenen Maßnahmen sorgen in<br />

Kombination mit den sehr weichen Übergängen<br />

an den Verbindungsstellen <strong>der</strong> Rumpfsegmente<br />

sowie am Flügel-Rumpf-Übergang für eine optimierte<br />

Aerodynamik, die sich in einem reduzierten<br />

aerodynamischen Wi<strong>der</strong>stand nie<strong>der</strong>schlägt.<br />

Mehr Komfort und Sicherheit: Angesichts <strong>der</strong><br />

geplanten Einführung einer Regelung zur Sicherheit<br />

von Brennstofftanks durch die FAA [8] verfügt<br />

die Boeing 787 über ein Inertisierungssystem,<br />

das die Bildung zündfähiger Gasgemische<br />

sowohl im Mittel- als auch in den Flügeltanks<br />

unterbinden soll. Zu diesem Zweck wird unterhalb<br />

des La<strong>der</strong>aumbodens mittels eines perforierten<br />

Rohrsystems Luft angesaugt, aus <strong>der</strong> in einem<br />

Separationsmodul – etwa durch den E<strong>ins</strong>atz von<br />

Molekularsieben – <strong>der</strong> für die Inertisierung <strong>der</strong><br />

Tanks benötigte Stickstoff gewonnen wird. Der<br />

panorama<br />

Boeing 787 Dreamliner<br />

7 In <strong>der</strong> isometrischen<br />

Ansicht<br />

<strong>der</strong> Computersimulation<br />

<strong>der</strong><br />

Boeing 787 sind<br />

die Lage und die<br />

Dimensionen<br />

<strong>der</strong> Steuerflächen<br />

sowie die<br />

aerodynamische<br />

Form des<br />

Flugzeugs gut<br />

zu erkennen.<br />

8 Zur Minimierung<br />

des aerodynamischenWi<strong>der</strong>stands<br />

sind die<br />

Triebwerksgondelnströmungsoptimiert<br />

<strong>auf</strong><br />

eine laminare<br />

Umströmung<br />

ausgelegt. Die<br />

gezackte<br />

„Chevron“-<br />

Hinterkante<br />

dient <strong>der</strong><br />

Lärmreduktion.<br />

31


panorama<br />

Boeing 787 Dreamliner<br />

10<br />

9 Der sichtbar<br />

einige Zentimeter<br />

aus <strong>der</strong><br />

Rumpfunterseite<br />

hervorstehende<br />

Kielträger<br />

(Keel Beam)<br />

beeinflusst das<br />

Strömungsfeld<br />

entlang des<br />

Rumpfes analog<br />

<strong>der</strong> Flächenregel<br />

und verringert<br />

den aerodynamischenWi<strong>der</strong>stand<br />

bei hohen<br />

Unterschall-<br />

Machzahlen.<br />

10 Endmontage des<br />

ersten Dreamliners<br />

im Boeing-<br />

Werk in Everett,<br />

Washington.<br />

Die starke<br />

Pfeilung und die<br />

dreidimensional<br />

geschwungene<br />

Form <strong>der</strong> Tragflügel<br />

sind deutlich<br />

zu erkennen.<br />

Stickstoff wird anschließend über Rohrleitungssysteme<br />

in die Tanks distribuiert.<br />

Für gesteigerten Flugkomfort und eine<br />

erhöhte Betriebssicherheit <strong>der</strong> Boeing 787 sorgt<br />

hingegen das Flugsteuerungssystem mittels des<br />

bereits zuvor erwähnten Manöverlastmin<strong>der</strong>ungssystems<br />

sowie ein dreidimensional operierendes<br />

Systems zur Prävention und Dämpfung<br />

turbulenzinduzierter Schwingungen des Flugzeugs<br />

(Gust Suppression). Ähnlich <strong>der</strong> Funktionsweise<br />

bereits in an<strong>der</strong>en Flugzeugmustern<br />

gebräuchlicher Gierdämpfer (Yaw Damper) zur<br />

Vermeidung von Taumelschwingungen (Dutch<br />

Roll Mode) errechnet ein Computer dabei entsprechende<br />

Steuerkommandos, die den aus <strong>der</strong><br />

Böe o<strong>der</strong> Turbulenz resultierenden Be<strong>weg</strong>ungen<br />

des Flugzeugs entgegenwirken und somit die<br />

potenzielle Schwingung dämpfen o<strong>der</strong> sogar vermeiden.<br />

Für die Boeing 787 wurde dieses System<br />

um die präventive Erkennung bevorstehen<strong>der</strong><br />

Störungsereignisse erweitert. Hierbei werden<br />

über einen Steuerungsrechner kontinuierlich über<br />

Sensoren und Messdosen ermittelte Parameter<br />

überwacht und so etwa Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Winkelgeschwindigkeit<br />

o<strong>der</strong> des Differenzialdrucks<br />

– beispielsweise infolge einer horizontalen Böe<br />

am Seitenleitwerk – festgestellt [9]. Sobald ein<br />

drohendes Ereignis <strong>auf</strong>grund von Parameterän<strong>der</strong>ungen<br />

durch die Software prognostiziert wird,<br />

werden entsprechende Gegenmaßnahmen veranlasst,<br />

z. B. ein entgegengesetzter Ausschlag des<br />

Seitenru<strong>der</strong>s. Dabei macht man sich zusätzlich die<br />

hohe Massenträgheit des bis zu 245 t schweren<br />

Flugzeugs zunutze: Selbst wenn die präventive<br />

Erkennung scheitert, bleibt <strong>dem</strong> Rechnersystem<br />

genügend Zeit, zu reagieren, bevor das Flugzeug<br />

in eine Schwingung versetzt wird.<br />

Entwurfskriterium Lebenszykluskosten: Alle<br />

eingeführten neuen Technologien zielen letztlich<br />

<strong>auf</strong> ein geme<strong>ins</strong>ames Ziel ab – deutlich gesenkte<br />

Lebenszykluskosten (Life Cycle Costs). Noch ist<br />

nicht abzusehen, ob die hohen Zielvorgaben nach<br />

Indienststellung des Flugzeugs tatsächlich erfüllt<br />

werden können. Der Wegfall wartungsanfälli-<br />

ger mechanischer Komponenten wie etwa des<br />

pneumatischen Systems o<strong>der</strong> in Teilen auch des<br />

hydraulischen Systems birgt jedoch ebenso wie<br />

<strong>der</strong> E<strong>ins</strong>atz deutlich korrosions- und ermüdungsresistenterer<br />

Faserverbundbauteile das Potenzial,<br />

die Anzahl unplanmäßiger Wartungen sowie den<br />

generellen Wartungs<strong>auf</strong>wand zu senken. «<br />

Literatur:<br />

[1] Wallace, James: How the ‚Dream‘ was born. In: Seattle<br />

Post-Intelligencer (2007-06-29) [online]. Internet:<br />

[Zugriff: 2007-08-15, 21:57 Uhr MESZ]<br />

[2] Velocci, Tony: Straight Talk – Face to Face with Steven<br />

Udvar-Hazy. In: Aviation Week (2007-08-06), S. 58–60<br />

[3] Brown, Arlene McKeeman: Environmentally Stable Hybrid<br />

Fabric System for Exterior Protection of an Aircraft<br />

[online]. Schutzrecht US 20070093163 (2007-04), The<br />

Boeing Company. Internet: [Zugriff: 2007-08-20,<br />

14:31 Uhr MESZ]<br />

[4] Schwartz, Eric: Aircraft and Technology Drivers for 21 st<br />

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