12.07.2015 Aufrufe

Max Webers Ortsbestimmung Friedhelm Kröll (Nürnberg ... - SSOAR

Max Webers Ortsbestimmung Friedhelm Kröll (Nürnberg ... - SSOAR

Max Webers Ortsbestimmung Friedhelm Kröll (Nürnberg ... - SSOAR

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

16 <strong>Friedhelm</strong> Kröllbietskörperschaft ausgestaltete Stadtautonomie versteht sich ganz wesentlich als eineeigenständige Einbürgerungspolitik. Weiters zählen dazu die Etablierung öffentlichenEigentums, die selbstbestimmte stadtinterne Wahl- und Gremienpolitik, die Garantievon Verbandspluralismus, die öffentliche Wohlfahrts- und Kulturpflege und nichtzuletzt eine eigenverantwortliche Militärpolitik („Bürgerwehr“).Bürgerständische Stadtpolitik erscheint demnach als Übungsfeld moderner bürgerschaftlicherSelbstbestimmung im Hinblick auf Erwerbsorientierung, Fundierungwirtschaftsrechtlicher Beziehungen (Grundbuch, Aktien- und Wechselrecht, Hypothekenrecht,usw.) sowie auf die Ausgestaltung geldvermittelnder Sozialbeziehungen, dieversachlicht und vertraglich geregelt sind, und Affekte wie Willkür vermindern.Schließlich findet gleichsam eine historische Probe für die Verrechtlichung und Formalisierunggesellschaftlicher und politischer Willensbildung statt, insbesondere inGestalt von städtischem Versammlungsrecht im öffentlichen Raum. Es ist nicht übertrieben,in Anknüpfung an <strong>Webers</strong> „Städtetypologie“ die mittelalterliche Gewerbestadtals einen Modellversuch für die Ausbildung des kollektiven und individuellenSelbstvertrauens des neuen Typs eines markt- und öffentlichkeitsorientierten Erwerbsbürgerszu bezeichnen. Wenn man so will, handelt es sich dabei um die europäischeElementarschule für moderne Lebensführung und Lebensansprüche an eine urbaneGesellschaft: es geht um rationale Rechtsprechung, Vertragssicherheit und Kalkulierbarkeit,gewiss nicht nur des ökonomischen Handelns. In der Stadt neuen Typs entwickeltsich erstmals, was bis heute maßgebend ist: ein Klima, in dem Eigeninitiativeoder „neudeutsch“ Innovation prämiert werden.Bleibt noch die dritte Neuerung anzusprechen, die Zerschneidung der feudalständischenZusammenhänge nach außen, zum außerstädtischen Adel hin wie die Verwandlungder Außenbeziehungen der Stadt in regionale Markt- und Geldbeziehungen.Die autonome Stadtpolitik, die unabhängige Stadtwirtschaftspolitik, und diebürgerständische Rechtspolitik mögen schlussendlich nur ein historisches Intermezzogewesen sein – beerbt zunächst vom modernen Patrimonialstaat, also dem absolutistischregierten Territorialstaat und dessen Merkantilpolitik, mit strikter Regulierungder außenwirtschaftlichen Beziehungen von oben, und später vom modernen National-und Verfassungsstaat auf der Grundlage eines nationalen Binnenmarktes. Aberdie durch die „Städterevolution“ in der Zeit des 12. und 13. Jahrhunderts eingeleiteteTrennung von Stadt und Land hat eben durch diesen Prozess des ökonomisch-politischenAutonomiegewinns der Stadt weitreichende, irreversible Folgen für beide Lebenssphärengehabt: Diese Differenz ist längst noch nicht nivelliert. Mit der neuenStadtwirtschaftspolitik im Mittelalter wendet sich das Blatt zu Ungunsten des „plattenLandes“. Aufstieg der Städte beinhaltet vor allem eine strategische Verschiebungder sozial-ökonomischen Kräfteverhältnisse zugunsten von Gewerbe- und Geldwirtschaft.Das Stadtbürgertum hat seinerzeit nicht nur alle Anstrengungen unternommen,um sich von der feudalen Abhängigkeit zu emanzipieren. Es hat von allem Anfangan versucht, und langfristig mit einschneidendem Erfolg, namentlich dienicht-bürgerlichen Schichten außerhalb der Stadt in ökonomische, geldvermittelteAbhängigkeit zu bringen. Schließlich ist es dem neuen Typ von Erwerbsbürger gelun-SWS-Rundschau (42.Jg.) Heft 1/2002: 5–18

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!