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2. Die Trompe-l'œils von Samuel van Hoogstraten - weisskunst.de

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Matthias Weiß(geb. Kampmann)Das Verhältnis <strong>von</strong> Wirklichkeit zuBildwirklichkeit in <strong>de</strong>n <strong>Trompe</strong> l´œil-Stilleben<strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>(1997)Magisterarbeit am Institut für Kunstgeschichtean <strong>de</strong>r Ruhr-Universität BochumbeiProf. Dr. Angeli Janhsen


̀VorbemerkungNach über zehn Jahren <strong>de</strong>s Vergessens fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Autor im privaten Festplatten-Babeleinen Hinweis auf <strong>de</strong>n Abschluss seiner Ausbildung in Form einer stetig über zahlreicheMo<strong>de</strong>llwechsel hin mitkopierten Datei. Mit keiner herkömmlichen Textverarbeitung ließsich das Dokument <strong>von</strong> damals öffnen, also galt es Umwege zu beschreiten, um die hiervorliegen<strong>de</strong> Magisterarbeit wie<strong>de</strong>r lesbar zu bekommen. Wie es die Theorie <strong>de</strong>r Konservierungdigitaler Daten sinnvoll vorschreibt, heißt Bewahren immer auch Konvertieren. ImJahr 1997 verfasste ich unter meinem früheren Hausnamen Kampmann <strong>de</strong>n hier vorliegen<strong>de</strong>nText und reichte ihn als Magisterarbeit bei Prof. Dr. Angeli Janhsen, damals noch an <strong>de</strong>rRuhr-Universität Bochum tätig, heute Lehrstuhlinhaberin an <strong>de</strong>r Albert-Ludwigs-UniversitätFreiburg, ein. Zwölf Jahre also ist die Datei alt, so dass also nur mehr <strong>de</strong>r Weg über dasUmwan<strong>de</strong>ln blieb. Ein Emulator war das Gebot <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>, um mit <strong>de</strong>r originalen Softwareein Dokument zu konvertieren, dass <strong>de</strong>n Neusatz ermöglicht. Nun also ist <strong>de</strong>r Text portiertund damit gerettet.Im Laufe <strong>de</strong>r Zeit bin ich mehrere Male auf diese Untersuchung hin angefragt wor<strong>de</strong>n,habe aber immer darauf hingewiesen, dass meine Arbeit über <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>als Magisterarbeit nicht zugänglich sei. Es reifte jedoch mit <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Entschluss, <strong>de</strong>nText in Form einer gemeinfreien Publikation <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen –inklusive all ihrer Fehler, <strong>de</strong>nn inhaltlich und sprachlich nahm ich keine Verän<strong>de</strong>rungen vor.Es schien lediglich an <strong>de</strong>r einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Stelle geraten, Mängel in <strong>de</strong>r Formulierung zubeseitigen. <strong>Die</strong> alte Rechtschreibung wur<strong>de</strong> beibehalten.Sicher müsste jüngste Literatur, etwa Peindre et penser la peinture au XVIIe siecle.La theorie ́ <strong>de</strong> l’art <strong>de</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> <strong>von</strong> Jan Blanc (Bern 2008) o<strong>de</strong>r Hans-JörgCzechs Arbeit über die Inleyding (2002) A , rezipiert wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n aktuellen Stand <strong>de</strong>r Diskussionzum Werk <strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rlän<strong>de</strong>rs mit <strong>de</strong>n Erkenntnissen und meinem Ansatz abgleichenzu können. Sollte es eine Reaktion auf die nun folgen<strong>de</strong> Online-Veröffentlichung geben, ließesich darüber nach<strong>de</strong>nken. Vorerst verzichte ich nicht zuletzt aus Zeitgrün<strong>de</strong>n.Der Text, so wie er Ihnen hier als PDF-Datei zum Download zur Verfügung steht, unterliegt<strong>de</strong>r Creative-Commons-Lizenz. Sie dürfen das Dokument <strong>de</strong>mgemäß – unverän<strong>de</strong>rt– in je<strong>de</strong>m Medium vervielfältigen, außer es han<strong>de</strong>lt sich um einen kommerziellen Kontext.Dann besteht die Pflicht, mich darüber in Kenntnis zu setzen und mit mir die Verwertungsbedingungenbei Interesse auszuhan<strong>de</strong>ln. Überdies ist eine Veröffentlichung generell anzuzeigenund gegebenenfalls zu belegen. Zögern Sie nicht, sich mit mir in Verbindung zu setzen(mw@<strong>weisskunst</strong>.<strong>de</strong>). Für die vollständigen Nutzungsbedingungen konsultieren Siebitte folgen<strong>de</strong> Web-Seite:http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/<strong>de</strong>/AS. Lyckle <strong>de</strong> Vries: Rezension <strong>von</strong>: Hans-Jörg Czech: Im Geleit <strong>de</strong>r Musen. Studien zu <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong><strong>Hoogstraten</strong>s Malereitraktat "Inleyding tot <strong>de</strong> Hooge Schoole <strong>de</strong>r Schil<strong>de</strong>rkonst: An<strong>de</strong>rs <strong>de</strong> ZichtbaereWerelt." (Rotterdam 1678), Münster: Waxmann 2002, in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 10 [15.10.2002], URL:http://www.sehepunkte.<strong>de</strong>/2002/10/3208.html.2


InhaltsverzeichnisVorbemerkung........................................................................................................................2Einleitung...............................................................................................................................41. Das <strong>Trompe</strong>-l’œil...............................................................................................................6<strong>2.</strong> <strong>Die</strong> <strong>Trompe</strong>-l’œils <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>.............................................................12<strong>2.</strong>1. <strong>Die</strong> Interpretation <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>-l‘œils durch Celeste Brusati.....................................123. Bildlichkeit als Sinnträger................................................................................................153.1. <strong>Die</strong> Relation <strong>von</strong> Kontingenz und Kompositorischem.............................................183.<strong>2.</strong> Bildbeispiel 1: Das Karlsruher Steckbrett................................................................213.<strong>2.</strong>1. Das Inventar <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s....................................................................................233.<strong>2.</strong><strong>2.</strong> <strong>Die</strong> Parallelisierung <strong>de</strong>r Bildgegenstän<strong>de</strong> und ihre ‹Zeigefunktionen›.............243.<strong>2.</strong>3. <strong>Die</strong> planimetrische Struktur <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s............................................................253.<strong>2.</strong>3.1. <strong>Die</strong> bildimmanente Funktion <strong>de</strong>r Nägel...................................................263.<strong>2.</strong>4. <strong>Die</strong> Ordnung <strong>de</strong>r Bildfläche ohne die dargestellten Dinge...............................273.<strong>2.</strong>5. Ansätze einer Farbrhetorik...............................................................................273.3. Bildbeispiel 2: Das Dordrechter <strong>Trompe</strong>-l‘œil.........................................................283.3.1. Das Inventar <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s....................................................................................283.3.<strong>2.</strong> <strong>Die</strong> Parallelisierung <strong>de</strong>r Bildgegenstän<strong>de</strong>.........................................................293.3.3. <strong>Die</strong> planimetrische Struktur.............................................................................303.3.4. <strong>Die</strong> bildimmanente Funktion <strong>de</strong>r Nägel...........................................................313.3.5. <strong>Die</strong> Ordnung <strong>de</strong>r Bildfläche ohne die Gegenstän<strong>de</strong>.........................................323.3.6. Ansätze einer Farbrhetorik...............................................................................323.4. An<strong>de</strong>re Steckbretter <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>...................................................334. Bildsinn, Ordnung und Bildzeit.......................................................................................375. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>..................................................................................................42Abschließen<strong>de</strong> Bemerkung..................................................................................................46Literaturverzeichnis.............................................................................................................48Abbildungsverzeichnis.........................................................................................................513


Einleitung<strong>Die</strong> vorliegen<strong>de</strong> Arbeit entstand aus <strong>de</strong>r Suche nach einer Repräsentation <strong>von</strong> Alltäglichkeitin <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Malerei. <strong>Die</strong>ses Interesse wur<strong>de</strong> durch die mittlerweile unüberschaubareMenge an <strong>de</strong>rartigen Werken in <strong>de</strong>r zeitgenössischen Kunst geweckt. ÜberStillebenmalerei im allgemeinen gelangte ich schnell zur <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Malerei, insbeson<strong>de</strong>re<strong>de</strong>r speziellen Form <strong>de</strong>s Steckbretts, sollten diese doch <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n Meinung nachmalerische Simulationen <strong>de</strong>r Wirklichkeit in alltäglichen Dingen <strong>de</strong>r Lebenswelt ihrer Zeitdarbieten. <strong>Die</strong> Arbeiten, so stellte ich im Rahmen <strong>de</strong>r Literaturrecherche fest, wer<strong>de</strong>n zumeistimmer noch als virtuose Aperçus gehan<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>ren einziger Zweck es sei, <strong>de</strong>lektierlichzu sein. Doch während einer längeren Anschauung <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>irritierten Phänomene, die zum Begriff <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œils in augenscheinlichem Wi<strong>de</strong>rspruchzu stehen schienen. <strong>Die</strong> Bil<strong>de</strong>r offenbarten eine je eigene Bildwirklichkeit, <strong>de</strong>renVerhältnis zur Wirklichkeit nicht als kongruent zu bezeichnen ist. Daher schien es ratsamdie Arbeiten <strong>de</strong>s Dordrechter Meisters in das Zentrum <strong>de</strong>r Untersuchung zu rücken, um anhand<strong>von</strong> jenen Gemäl<strong>de</strong>n diese Relation zu klären.Es ergab sich im Laufe <strong>de</strong>r Recherchen eine Fragestellung an die bisherigen Untersuchungenzum <strong>Trompe</strong>-l‘œil, die wie folgt gestellt wer<strong>de</strong>n kann: Wird die Welt schlicht nachgeahmt?Läßt sich tatsächlich <strong>von</strong> einer wirklichkeitsi<strong>de</strong>ntischen Repräsentation <strong>de</strong>r Dingeim Bild sprechen? Desweiteren wur<strong>de</strong> schon früh in <strong>de</strong>r Literatur angemerkt, daß <strong>de</strong>m<strong>Trompe</strong>-l‘œil Eigenschaften zukommen, welche über eine im Medium <strong>de</strong>r Malerei vollkommeneMimesis <strong>de</strong>r Gegenstandswelt hinaus gehen. Hierzu zählen einige, <strong>de</strong>n Künstler selbstrepräsentieren<strong>de</strong> Gegenstän<strong>de</strong>, die in <strong>de</strong>n Arbeiten wie<strong>de</strong>rgegeben sind und somit auf einean<strong>de</strong>rsartige Intention <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r als die bloße Nachahmung verweisen.<strong>Die</strong> folgen<strong>de</strong> Untersuchung zu dieser kritischen Relation <strong>von</strong> Wirklichkeit und Bildwirklichkeitsoll jene Frage anhand <strong>de</strong>r Phänomene selbst beantworten. In <strong>de</strong>m ersten Teil<strong>de</strong>r Arbeit wird zunächst ein Überblick über die Literaturlage zum <strong>Trompe</strong>-l‘œil gegeben.Dazu wer<strong>de</strong>n die Thesen <strong>de</strong>r Autoren diskutiert und gegebenenfalls einer kritischen Revisionunterzogen. Ausgehend <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Untersuchung <strong>de</strong>r kunstgeschichtlichen Handwerkszeugeund Auffassungen <strong>de</strong>r besprochenen Autoren, stelle ich im dritten Kapitel meine methodischeVorgehensweise auf <strong>de</strong>r Basis <strong>de</strong>r Forschungen Max Imdahls dar. <strong>Die</strong> DiskussionImdahlscher Texte verhilft <strong>de</strong>m Betrachter zu einem begrifflichen Instrumentarium, welcheses ermöglicht, auf einer an<strong>de</strong>ren Ebene als bislang über diese beson<strong>de</strong>re Form <strong>de</strong>r Bildlichkeit<strong>de</strong>r Steckbretter zu sprechen. Eine solche Vorgehensweise ist eng an die Anschauung<strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r gebun<strong>de</strong>n, daher wer<strong>de</strong>n in diesem Teil sechs <strong>de</strong>r <strong>Hoogstraten</strong>schen SteckbretterGegenstand einer intensiven Untersuchung sein. Im Zentrum steht das <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrettaus Karlsruhe, welches einerseits das am besten erhalten gebliebene Werk ist und an<strong>de</strong>rerseits– wie zu zeigen ist – paradigmatisch die Möglichkeiten dieser Bildform ausspielt.1 <strong>Die</strong> Betrachtung <strong>de</strong>r zusätzlichen fünf Bil<strong>de</strong>r soll zeigen, daß die ersehenenBilddaten nicht ohne Grundlage und Kalkül, son<strong>de</strong>rn in einem Entwicklungsprozeß entstan<strong>de</strong>nsind. 2 Danach sollte <strong>de</strong>utlich gewor<strong>de</strong>n sein, in welchem Verhältnis Bil<strong>de</strong>r und Wirklichkeitzueinan<strong>de</strong>r stehen.Dabei bleibt die Frage unbeantwortet, in welcher Weise sich die bildliche Aussage zu<strong>de</strong>n historisch-soziologischen Erkenntnissen zu Leben und Werk verhält. Aus diesem Grundwird ein weiteres Kapitel diese Fakten skizzierend wie<strong>de</strong>rgeben und abschließend versuchen,die Intentionen <strong>de</strong>s Malers mit <strong>de</strong>n innerbildlichen Daten zu vergleichen. <strong>Die</strong>s ist insofern<strong>von</strong> Be<strong>de</strong>utung, als daß <strong>Hoogstraten</strong> ein nicht gera<strong>de</strong> typischer Künstler seiner Zeitgewesen ist. Neben seiner Tätigkeit als Maler hat er nach <strong>van</strong> Man<strong>de</strong>rs Schil<strong>de</strong>rboek eins1 S. Abb. 1.2 S. Abb. 2, 9, 27, 28, 29.4


<strong>de</strong>r wenigen Traktate <strong>de</strong>s Gol<strong>de</strong>nen Zeitalters über die Malerei verfaßt, so daß da<strong>von</strong> auszugehenist, daß <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> die eigene Arbeit reflektiert verrichtet hat. 3 Seitenblickean geeigneter Stelle auf die Inleyding tot <strong>de</strong> hooge Schoole <strong>de</strong>r Schil<strong>de</strong>rkonst: An<strong>de</strong>rs<strong>de</strong> zichtbaere werelt sollen dies ver<strong>de</strong>utlichen.In <strong>de</strong>m Bewußtsein, diese Bil<strong>de</strong>r nicht als marginale Artistereien zu betrachten, wirdihnen, so soll die vorliegen<strong>de</strong> Abhandlung zeigen, eine Betrachtungsmöglichkeit zuteil, welchebildliche Sinnpotentiale freizuschaufeln in <strong>de</strong>r Lage ist. Jene zeigen, daß die <strong>Trompe</strong>l‘œil-Steckbretter<strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> Weisen künstlerischer Auseinan<strong>de</strong>rsetzungmit <strong>de</strong>n Phänomenen <strong>de</strong>r Welt und <strong>de</strong>r Vorstellungen über sie sind, welche nur im Medium<strong>de</strong>r Malerei eine wirkliche Anschauungsform besitzen.3 Man<strong>de</strong>r, Carel <strong>van</strong>: Het Schil<strong>de</strong>r-Boeck. Harlem 1604, Reprint Utrecht 1969; <strong>Hoogstraten</strong>, <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong>:Inleyding tot <strong>de</strong> hooge Schoole <strong>de</strong>r Schil<strong>de</strong>rkonst: An<strong>de</strong>rs <strong>de</strong> zichtbaere werelt. Rotterdam 1678, ReprintUtrecht 1969, im folg. zit. als INLEYDING.5


1. Das <strong>Trompe</strong>-l’œil<strong>Die</strong> Bezeichnung <strong>Trompe</strong>-l‘œil ist begriffsgeschichtlich ebenso ein Terminus ex post,wie die <strong>de</strong>s Stillebens. Bei<strong>de</strong> Begriffe sind erst nach <strong>de</strong>r eigentlichen Blütezeit <strong>de</strong>r so bezeichnetenGemäl<strong>de</strong> entstan<strong>de</strong>n. Der Grund hierfür war die Suche nach einer besseren Klassifizierungjener Stücke für das Verfassen <strong>von</strong> Katalogen am Kunstmarkt und in <strong>de</strong>r Kunstliteratur,da die Vielzahl <strong>de</strong>r vorausgegangenen Bezeichnungen keine praktikableTaxinomierung leisten konnten. 4 Doch auch heute noch birgt <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œilUngenauigkeiten, obwohl er allgemein Verwendung fin<strong>de</strong>t. Es hat <strong>de</strong>n Anschein, daß dieWissenschaft sich über Begriff und Be<strong>de</strong>utung dieser Bildform im klaren ist. <strong>Die</strong> Forschungund Literatur über diese «extreme Son<strong>de</strong>rform <strong>de</strong>r gegenständlichen Malerei» 5 ist zu<strong>de</strong>m relativüberschaubar. Betrachtet man die Blütezeit <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œils, das «Gol<strong>de</strong>ne Zeitalter»nie<strong>de</strong>rländischer Malerei, ist auch die Menge <strong>de</strong>r erhalten gebliebenen Bil<strong>de</strong>r nicht sehrgroß. Es ist beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>m Interesse <strong>de</strong>r amerikanischen Forschung zu verdanken, daß dieRezeption <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œils, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Quod libet- o<strong>de</strong>r Steckbrett-Darstellungen,in Bildbän<strong>de</strong>n einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wur<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>ses Interessebasiert m. E. auf <strong>de</strong>r malerischen Überlieferung <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œils durch Künstlerwie William Harnett, die im anglo-amerikanischen Sprachraum eine <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Traditionbegannen, welche min<strong>de</strong>stens bis zu Duane Hanson führt. 6<strong>Die</strong>se Arbeiten dominiert <strong>de</strong>r Anspruch einer historischen Einbettung <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>l‘œilsin eine kontinuierliche Entwicklungsgeschichte illusionistischer Kunst. So beginntzum Beispiel Célestine Dars ihren reichhaltig illustrierten Essay, nach einer allgemeinenEinführung zum Illusionismus, mit <strong>de</strong>r pompejanischen Wandmalerei, in <strong>de</strong>r mittels protoperspektivischerProjektionen Scheinarchitekturen zur Vertiefung <strong>de</strong>s Raumeindrucks gegebenwur<strong>de</strong>n. 7 Im Grun<strong>de</strong> schreibt sie <strong>de</strong>r gesamten abendländischen Bildtradition <strong>de</strong>n Begriff<strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œil ein. Der Unterschied zum Begriff <strong>de</strong>s Illusionismus 8 wird dabeiverwischt, bei<strong>de</strong> Termini wer<strong>de</strong>n auf unterschiedliche Phänomene angewandt. 9 Im ikonolo-4 Begriffsgeschichtliche Anmerkung s. d’Otrange Mastai, Marie-Louise: Illusion in Art. <strong>Trompe</strong>l‘œil. A historyof pictorial illusionism. New York 1975, im folg. zit. als d’OTRANGE MASTAI 1975, Kap. 1, S. 5–26.5 S. Kersting, Hannelore: <strong>Trompe</strong>-l‘œil. <strong>Die</strong> Relation <strong>von</strong> Bild und Gegenstand. Bochum 1979, im folg. zit.als KERSTING 1979, S. <strong>2.</strong>6 S. hierzu vor allem <strong>de</strong>s Bildmaterials wegen Battersby, Martin: <strong>Trompe</strong>-l‘œil. The eye <strong>de</strong>ceived. London1974, selbst Maler <strong>von</strong> <strong>Trompe</strong>-l‘œils; d’OTRANGE MASTAI 1975; Dars, Célestine: Images of <strong>de</strong>ception.The art of <strong>Trompe</strong>-l‘œil. Oxford, New York 1979, im folg. zit. als DARS 1979 sowie die DissertationKERSTING 1979. Desweiteren Milman, Miriam: The illusions of reality. <strong>Trompe</strong>-l‘œil painting. Genf 1982,im folg. zit. als MILMAN 198<strong>2.</strong> Burda, Christa: Das <strong>Trompe</strong>-l‘œil in <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rländischen Malerei <strong>de</strong>s 17.Jahrhun<strong>de</strong>rts. München 1969 (= Diss. München 1969), im folg. zit. als BURDA 1969. Sie <strong>de</strong>utet das<strong>Trompe</strong>-l‘œil als Phänomen bürgerlicher Gesellschaften. Insofern ist die vielfache Erscheinung dieserMalerei im angloamerikanischen Sprachraum keine Beson<strong>de</strong>rheit. S. a. Lammers, Joseph: Innovation undVirtuosität, in: Stilleben in Europa. Hg.: Langemeyer, Gerhard; Peters, Hans-Albert, Ausst. Kat. Münster,Ba<strong>de</strong>n Ba<strong>de</strong>n 1979, S. 480–512, bes. 493–507.7 DARS 1979, S. 9, Abb. S. 8.8 Illusionismus ist ein Terminus, <strong>de</strong>r als Oberbegriff sowohl das <strong>Trompe</strong>-l‘œil als Son<strong>de</strong>rform beinhaltet alsauch Kunstwerke erfaßt, die innerhalb <strong>de</strong>r abgegrenzten Sphäre ihrer selbst eine <strong>von</strong> <strong>de</strong>r außerbildlichenWirklichkeit <strong>de</strong>utlich getrennte Dimension vorspiegeln. Ein Mittel zur Erzeugung <strong>de</strong>s Illusionismus ist z. B.die Zentralperspektive, die es gestattet tiefenräumliche Wirkungen zu erzielen. S. hierzu: Lexikon <strong>de</strong>r Kunst.Leipzig 1994, Bd. III, S. 400–402 (Stichwort: Illusionismus) und Bd. VII, S. 425 (Stichwort: <strong>Trompe</strong>-l‘œil);s. v. a. Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie <strong>de</strong>r bildlichen Darstellung. Stuttgart, Zürich1978, im folg. zit. als GOMBRICH 1978.9 Es ist, wie im weiteren Verlauf meiner Literaturbesprechung <strong>de</strong>utlich wer<strong>de</strong>n wird, eine wenn auch relativfließen<strong>de</strong> Grenze zwischen illusionistischer Malerei und <strong>de</strong>m <strong>Trompe</strong>-l‘œil als ihr Son<strong>de</strong>rfall zu ziehen, gehtman einmal <strong>von</strong> <strong>de</strong>m Einsatz <strong>de</strong>r Perspektive als illusionsstiften<strong>de</strong>s Mittel aus. Denn auch ein Tafelbild, dastiefenräumliche Wirkung durch Anwendung perspektivischer Konstruktionsmittel erzielt, ist – das klingtzwar banal, aber da die Unterscheidung oftmals unklar ist, sei es noch einmal gesagt – ein Versuch, eineIllusion zu erzeugen. In diesem beson<strong>de</strong>ren Fall <strong>von</strong> einem <strong>Trompe</strong>-l‘œil zu sprechen, geht zu weit, <strong>de</strong>nnwie GOMBRICH 1978, S. 306, ver<strong>de</strong>utlicht, sind «die Illusionen <strong>de</strong>r Kunst nur in Ausnahmefällen6


gischen Sinn eines tertiären Sujets – nach <strong>de</strong>m dreistufigen Interpretationsmo<strong>de</strong>ll Panofskys10 die dritte Ebene <strong>de</strong>r Auslegung <strong>von</strong> Kunstwerken – erfährt <strong>de</strong>r Leser die gesellschaftlichenund geistesgeschichtlichen Grün<strong>de</strong> für das Entstehen und das Bedürfnis eines je verschie<strong>de</strong>nenIllusionismus. Auf <strong>de</strong>n Unterschied zu perspektivisch projizierter Kunst, auf dieQualität <strong>de</strong>r Simulation als eine wirklichkeitsmaßstäbliche – das meint die Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>von</strong>Dingen im Verhältnis 1:1, wie es ein beson<strong>de</strong>res Kennzeichen <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œil ist – wirdnur am Ran<strong>de</strong> eingegangen und auch an<strong>de</strong>re, trompe-l‘œil-spezifische Aspekte wer<strong>de</strong>n zugunsteneiner progressiven Historie mit möglichst langer Spannweite auf <strong>de</strong>m Zeitstrahlvernachlässigt. So ordnet die Autorin beispielsweise <strong>Hoogstraten</strong>s «Sicht in einen Korridor»<strong>von</strong> 1662 diesem Begriff unter. 11Einen Schritt auf <strong>de</strong>m Zeitstrahl zurück geht noch d’OTRANGE MASTAI 1975. Sielegt zwar bereits im Titel die Betonung ihrer Arbeit auf <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Illusionismus, beginntaber bei <strong>de</strong>r lebensgroßen Nachahmung <strong>de</strong>r menschlichen Gestalt in anthropomorphenägyptischen Sarkophagen. 12 Der Begriff <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>l‘œil wird hier extrem <strong>von</strong> <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Illusionismusabgegrenzt und nur als enge, beson<strong>de</strong>ren Bedingungen unterliegen<strong>de</strong> Son<strong>de</strong>rformbehan<strong>de</strong>lt. <strong>Die</strong>s begrün<strong>de</strong>t die Autorin mit <strong>de</strong>r bislang nur schwammigen Verwendung <strong>de</strong>rbei<strong>de</strong>n Begriffe. 13 <strong>Die</strong> Grenze zieht sie folgen<strong>de</strong>rmaßen: Während <strong>de</strong>r Illusionismus aufEinbildungskraft, sprich vervollständigen<strong>de</strong> Mitarbeit <strong>de</strong>s Betrachters vor <strong>de</strong>m Bild abzielt14 , versucht das <strong>Trompe</strong>-l‘œil ein perfektes Duplikat <strong>de</strong>r sichtbaren Welt zu liefern, um<strong>de</strong>n Betrachter zu täuschen. Der Unterschied zwischen bei<strong>de</strong>n Begriffen liegt in <strong>de</strong>r Haltung<strong>de</strong>s illusionistischen Bil<strong>de</strong>s, mittels einer wie auch immer gearteten Rhetorik <strong>de</strong>n Beschauerzu überzeugen, während die radikalere Son<strong>de</strong>rform tatsächlich zu betrügen versucht. Im<strong>Trompe</strong>-l‘œil verwischt die Grenze zwischen Wirklichkeit und Bildwirklichkeit. 15 <strong>Die</strong> Unterschie<strong>de</strong>wer<strong>de</strong>n dann mittels verschie<strong>de</strong>ner Kriterien festgeschrieben. <strong>Die</strong> Autorin verweistzum an<strong>de</strong>ren das <strong>Trompe</strong>-l‘œil in eine Ortlosigkeit. Das Gemäl<strong>de</strong> ist «of its very naturein<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nt and self contained. Because it is unrelated to any particular setting, it caneffect visual illusion wherever displayed.» 16 <strong>Die</strong> Gegenstän<strong>de</strong> müssen in voller Größe dargestelltsein und dürfen keinesfalls unvollständig erscheinen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>re Charakter<strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œils sei, daß es mit Faktizität, nicht mit suggestiven Mitteln operiere. 17 Beschnitteneo<strong>de</strong>r reduziert repräsentierte Dinge verwiesen sofort auf <strong>de</strong>n Status als Bild undIllusionen über unsere tatsächliche Umgebung.» Im Fortgang <strong>de</strong>r Untersuchung wird <strong>de</strong>r Unterschiedgenauer fixiert. Es sei nur vorweg gesagt, daß in Tafelbil<strong>de</strong>rn zwar trompe-l‘œil-hafte Momente erscheinen,die eine je spezifische Funktion erfüllen (s. Vorhangsmotive in <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rländischen Malerei [s. Abb. 3:Rembrandt, <strong>Die</strong> Heilige Familie mit <strong>de</strong>m Vorhang, 1646, Kassel, Staatliche Gemäl<strong>de</strong>sammlungen] o<strong>de</strong>r dieEinmeißelungen an Brüstungen, auf die sich Porträtierte lehnen [s. Abb. 4: die Inschrift «vvo» in TiziansPorträt eines jungen Mannes, um 1507, Washington National Gallery, Slg. <strong>Samuel</strong> H. Kress], um nur zweicharakteristische Beispiele zu nennen), man bei diesen Arbeiten nicht generell <strong>von</strong> <strong>Trompe</strong>-l‘œils sprechenkann.10 S. Panofsky, Erwin: Ikonographie und Ikonologie. Eine Einführung in die Kunst <strong>de</strong>r Renaissance, in: Sinnund Deutung in <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kunst. Köln 1978, S. 36–67, im folg. zit. als PANOFSKY 1978.11 DARS 1979, Abb. 32, S. 41. Sie nennt dieses Bild (s. Abb. 5: Dyrham Park, National Trust; Brusati, Celeste:Artifice and Illusion. The Art and Life of <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>. Chicago 1995 im folg. zit. als: BRUSATI1995, Checklist Nr. 89, S. 364) bemerkenswert und zieht eine Verbindung zu <strong>de</strong>n Perspektivkästen, ohnejedoch <strong>de</strong>n Unterschied zu <strong>de</strong>m ebenfalls abgebil<strong>de</strong>ten <strong>Trompe</strong>-l‘œil <strong>de</strong>r Schranktür (s. Abb. 6: Wien,Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Künste, BRUSATI 1995, Checklist Nr. 79, S. 362) zu ver<strong>de</strong>utlichen. Ohnevorweggreifen zu wollen möchte ich hier die Unterscheidungstrias zwischen Illusionismus als Gattungsbegriff,die Differenz zwischen relativem und absoluten <strong>Trompe</strong>-l‘œil einführen, die im folgen<strong>de</strong>n weitererklärt und angewen<strong>de</strong>t wird.12 d’OTRANGE MASTAI 1975, S. 7: Sie <strong>de</strong>utet <strong>de</strong>n Illusionismus als durchgängigen Zug <strong>de</strong>r abendländischenKunst und nennt ihre Absicht: «Our goal is to present a panorama rather than a map.»13 A. a. O., S. 8: «Illusionism and trompe-l‘œil are words that have become so closely related in mo<strong>de</strong>rn timesthat one must make a conscious effort to recall, that they are by no means synonymous.»14 Zur Tätigkeit <strong>de</strong>s Betrachters am illusionistischen Bild s. GOMBRICH 1978, S. 206–319.15 Zum Illusionismus schreibt d’OTRANGE MASTAI 1975, S. 11: «Illusionism is make-believe, very like atheatrical spectacle.» Das <strong>Trompe</strong>-l‘œil hingegen a. a. O., S. 15: «<strong>Trompe</strong>-l‘œil…is <strong>de</strong>voted…to therepresentation of pure visual experience with utmost objectivity. In another sense, it represents theculmination of pictorial realism; un<strong>de</strong>r i<strong>de</strong>al conditions, the result is one of totally convincing visual<strong>de</strong>lusion.»16 A. a. O., S. 19.7


negierten so die intendierte Kongruenz <strong>von</strong> Darstellung und Dargestelltem. Ein weitererUnterschied ist die <strong>von</strong> d’OTRANGE MASTAI 1975 gefor<strong>de</strong>rte Betrachterdistanz. PhysischeNähe zum Bild mache die totale Täuschung unmöglich. Desweiteren muß ein <strong>Trompe</strong>l‘œilmit <strong>de</strong>r geistigen Haltung <strong>de</strong>s absoluten Betrugs konzipiert und gemalt wor<strong>de</strong>n sein. 18<strong>Die</strong> Farbigkeit muß mit <strong>de</strong>r wirklichen <strong>de</strong>s dargestellten Gegenstands übereinstimmen, undnur tote Materie soll dargestellt wer<strong>de</strong>n, weil <strong>von</strong> ihr keine überraschen<strong>de</strong>n Bewegungen erwartetwer<strong>de</strong>n kann. <strong>Die</strong>ser letzte Punkt gelte trotz <strong>de</strong>r Tatsache, daß beispielsweise Fliegengewohnheitsmäßig über einen längeren Zeitraum totenstill an o<strong>de</strong>r auf einem Gegenstandsitzen können. 19<strong>Die</strong>se in <strong>de</strong>r Einleitung dargelegten Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>Trompe</strong>-l‘œil und illusionistischerMalerei dienen <strong>de</strong>r Autorin, aus jener festgefügten Grenzziehung eine Geschichte<strong>de</strong>r illusionistischen Malerei zu entwickeln. In jenem Abschnitt, welcher sich <strong>de</strong>r Entstehung<strong>de</strong>s nie<strong>de</strong>rländischen Steckbretts widmet, versucht d’OTRANGE MASTAI 1975 einenweiteren Unterschied festzustellen. Hier grenzt sie das <strong>Trompe</strong>-l‘œil vom illusionistischenStilleben ab. Sie schließt in <strong>de</strong>r Gegenständlichkeit flüchtige Erscheinungen im Bild, wieTabakrauch, aus. Superlativ sollte das <strong>Trompe</strong>-l‘œil «in fact ‹out-still› the stillest of still lifes».20 In ihrer dann folgen<strong>de</strong>n Betrachtung <strong>von</strong> Steckbrettern, die auch Quod-libet-Bil<strong>de</strong>rgenannt wer<strong>de</strong>n, verfährt sie ikonographisch und verweist auf <strong>de</strong>n ‹disguised symbolism› inBil<strong>de</strong>rn <strong>von</strong> Edwart Collier. 21Demgegenüber ist Miriam Milmans Arbeit weniger historisch beschreibend, als vielmehr<strong>de</strong>n Darstellungen und dargestellten Dingen verpflichtet. Ohne auf die sieben Jahrezuvor erschienene Arbeit <strong>von</strong> d’OTRANGE MASTAI 1975 einzugehen, stimmt ihr Kriterienkatalog<strong>de</strong>nnoch in einigen Merkmalen <strong>de</strong>r spezifischen Qualität <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œils mit<strong>de</strong>r älteren Arbeit überein. Neben <strong>de</strong>n Parametern <strong>de</strong>r Lebensgröße <strong>de</strong>r Objekte und <strong>de</strong>rvollständigen Wie<strong>de</strong>rgabe ohne Beschneidung <strong>de</strong>rselben, schließt sie ebenfalls die Darstellung<strong>von</strong> leben<strong>de</strong>n Wesen aus. <strong>Trompe</strong>-l‘œils können darüber hinaus nur mit Ölfarben gemaltwer<strong>de</strong>n, weil nur diese Technik die exakte, feinmalerische Darstellung <strong>de</strong>r subtilenÜbergänge, Schattierungen und dingspezifischen visuellen Eigenschaften unter Vermeidungeiner persönlichen Handschrift erlaube. 22Bei<strong>de</strong> Auffassungen vermitteln <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s absoluten <strong>Trompe</strong>-l‘œils, sie unterschei<strong>de</strong>nsich aber in einigen wesentlichen Punkten. Hatte d’OTRANGE MASTAI 1975<strong>de</strong>m <strong>Trompe</strong>-l‘œil eine Ortsunspezifizität zugewiesen, so meint MILMAN 1982, daß dasGemäl<strong>de</strong> in einer bestimmten Situation perfekt eingepaßt sein muß, nämlich dort, wo diedargestellten Dinge ihren eigentlichen Platz im Alltagsleben haben. 23 Im vierten Punkt ihrersechs Aspekte umfassen<strong>de</strong>n Auflistung trompe-l‘œilspezifischer Kriterien weist MILMAN17 A. a. O.: S. 19. S. auch Trnek, Renate: <strong>Die</strong> holländischen Gemäl<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts. (=Kataloge <strong>de</strong>rGemäl<strong>de</strong>galerie <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Künste in Wien, Bd. 1). Wien, Köln, Weimar 1992, Nr. 80, S.239: «Das Wesen solcher trompe-l‘œil-Malerei liegt nun gera<strong>de</strong> darin, ihre Eigenschaft als Malerei vergessenzu lassen, um vorzugeben, ein Ausschnitt <strong>de</strong>r Wirklichkeit zu sein.»18 A. a. O., S. 21: «…: a trompe-l‘œil must have been conceived with the specific purpose in mind ofconvincing visual <strong>de</strong>lusion.»19 Einen <strong>de</strong>rartigen <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Effekt fin<strong>de</strong>t man auf einem merkwürdigen Bild <strong>von</strong> Carlo Crivelli (s. Abb.7: Madonna mit Kind, New York, The Metropolitan Museum of Art, s. Zampetti, Pietro: Carlo Crivelli.Mailand 1961) Das Bild glie<strong>de</strong>rt sich in drei tiefenräumliche Schichten. Der Ort <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s wird durch dieBrüstung mitsamt <strong>de</strong>m darauf sitzen<strong>de</strong>n Christuskind, das <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Madonna gestützt wird, mit <strong>de</strong>mRealraum verschleift. In unmittelbarer Nähe links vom Kind sitzt eine Fliege, unentscheidbar ob trompel‘œilhaftauf <strong>de</strong>m Firnis o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Brüstung. Damit ist die Realpräsenz einer Anwesenheit Christi in <strong>de</strong>rWelt überzeugend mittels eines kleinen aber höchst wirksamen Eingriffs dargestellt.20 A. a. O., d’OTRANGE MASTAI 1975, S. 156.21 A. a. O., S. 176. Zum Begriff <strong>de</strong>s disguised symbolism s. Panofsky, Erwin: Early netherlandish painting.Cambridge 1953, S. 131–148.22 MILMAN 1982, S. 36.23 A. a. O., S. 36: «Taking this argument to its conclusion, we have to face the fact that the trompel‘œil maysuffer from presentation in a museum, for its proper place is there where the object (or objects) that itreplaces should have been.»8


1982 auf das Problem einer intensiven perspektivischen Darstellung <strong>von</strong> Objekten mitgroßer tiefenräumlicher Aus<strong>de</strong>hnung hin. Intendiert ist dabei eine weitgehen<strong>de</strong> Unauffälligkeit<strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s. <strong>Die</strong>se resultiert, das belegte bereits BURDA 1969 , aus <strong>de</strong>r Verwendunghierzu beson<strong>de</strong>rs geeigneter flacher Gegenstän<strong>de</strong> wie Briefe auf Steckbrettern. 24Bei<strong>de</strong>n Autorinnen ist gemein, daß sie zwar spezifische Eigenschaften <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>l‘œil-Darstellungals notwendig zuschreiben, aber <strong>de</strong>nnoch im Einzelnen an <strong>de</strong>r ‹Oberfläche›<strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r, sprich <strong>de</strong>r Gegenständlichkeit, bleiben. Nach <strong>de</strong>r Festlegung eines normativenRegelkanons a posteriori für die Unterscheidung zwischen <strong>Trompe</strong>-l‘œil und Illusionismus,wechseln sie über zu ikonographischen Untersuchungen. Sie betrachten aber dieBil<strong>de</strong>r selbst kaum hinsichtlich ihrer bil<strong>de</strong>igenen Qualitäten. <strong>Die</strong> Geschichte <strong>de</strong>s Illusionismuswird – wie im Buch <strong>von</strong> d’OTRANGE MASTAI 1975 – nun weitererzählt und gelangtbis annähernd zur Gegenwart. Hervorgehoben wird dabei auch die zweite bzw. dritte Generation<strong>von</strong> <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Malern, die beson<strong>de</strong>rs in England und Amerika wirkte. Im Unterschiedzu diesen Nachfolgeformen, die in mancherlei Hinsicht eine konventionalisierte Artdieser Bildgattung darstellen, wer<strong>de</strong>n im folgen<strong>de</strong>n die Quod-libet-Gemäl<strong>de</strong> <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong><strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> im Vor<strong>de</strong>rgrund <strong>de</strong>r Untersuchung stehen.<strong>Die</strong> Vorstellung <strong>von</strong> einem absoluten <strong>Trompe</strong>-l‘œil in <strong>de</strong>r Definition <strong>von</strong> d’OTRAN-GE MASTAI 1975 und MILMAN 1982, also die Weise <strong>de</strong>r Darstellung <strong>von</strong> Dingen in einerradikalen, die Wirklichkeit simulieren<strong>de</strong>n illusionistischen Weise, einzig zum Zweck <strong>de</strong>sÜberlistens <strong>de</strong>s Betrachterauges, soll nun anhand <strong>de</strong>r Steckbretter <strong>de</strong>s Dordrechter Meistershinterfragt wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>se Arbeiten eignen sich <strong>de</strong>shalb so gut, weil <strong>Hoogstraten</strong> <strong>von</strong> Bild zuBild variieren<strong>de</strong> Darstellungsweisen verwen<strong>de</strong>t, und in seinem Werk läßt sich ein kontinuierlicherProzeß erkennen, welcher auf eine Vervollkommnung <strong>de</strong>r Bildform zielt. Darüberhinaus wer<strong>de</strong>n nach BURDA 1969 die Steckbretter zu Zeiten <strong>Hoogstraten</strong>s als eigenständigesSujet bildwürdig. Aus <strong>de</strong>n Datierungen <strong>de</strong>r bekannten Bil<strong>de</strong>r ergibt sich, daß um diefünfziger Jahre <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts diese Son<strong>de</strong>rform <strong>de</strong>s gemalten Steckbretts aufzutauchenbeginnt. 25Es wird zu untersuchen sein, warum überhaupt das <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett eine <strong>de</strong>rartproblematische bildliche Umsetzung <strong>von</strong> Wirklichkeit darstellt, die es <strong>de</strong>m Betrachter erschwert,das ‹Geschehen› sehend zu verstehen. <strong>Die</strong>s wird bildimmanent anhand <strong>de</strong>r innerbildlichenFlächenordnung, <strong>de</strong>r bildräumlichen Struktur, <strong>de</strong>r Größendimensionierung <strong>de</strong>rdargestellten Gegenstän<strong>de</strong> sowie <strong>de</strong>r Farbrhetorik und Bildlichtführung zu klären sein. <strong>Die</strong>ssetzt bereits voraus, daß ich <strong>de</strong>n <strong>Trompe</strong>l‘œil-Begriff <strong>von</strong> d’OTRANGE MASTAI 1975 undMILMAN 1982 zumin<strong>de</strong>st ansatzweise in Zweifel ziehe. Wenn ich bewußt <strong>von</strong> Farbrhetorikspreche, um nur ein Parameter aus <strong>de</strong>m Kanon <strong>de</strong>r Regeln herauszugreifen, so meine icheinen, <strong>de</strong>m Bild und seiner Struktur angemessenen Einsatz <strong>von</strong> Farbe, <strong>de</strong>r nicht unbedingtentgegen einer farblichen Deckungsgleichheit <strong>de</strong>r Darstellung mit <strong>de</strong>r Wirklichkeit steht.Vergleicht man diese Gemäl<strong>de</strong> mit einem Ereignisbild, ist in <strong>de</strong>n Steckbrettern <strong>de</strong>r Einsatz<strong>de</strong>r Farbe wegen <strong>de</strong>r zwar zahlenmäßig reichhaltigen, aber <strong>de</strong>nnoch sehr reduzierten Gegenstandsweltrelativ begrenzt. Doch gera<strong>de</strong> die Farbe funktioniert, wie die Bildanalysen beweisensollen, als ein Struktur stiften<strong>de</strong>s Medium, das wesentlich zu einem Bildsinn beiträgt,<strong>de</strong>r intensiver und genauer zu fassen ist, als es die rigorose Einschränkung durch einRegelwerk zuläßt. Damit erweist sich schon jetzt <strong>de</strong>r Begriff <strong>Trompe</strong>-l‘œil als erneut problematisch,da die herangezogenen Beispiele <strong>von</strong> d’OTRANGE MASTAI 1975 und auchMILMAN 1982 Elemente enthalten, die <strong>de</strong>m Kanon schlicht wi<strong>de</strong>rsprechen. 2624 S. BURDA 1969, S. 45 ff.25 S. BURDA 1969, S. 9: «<strong>Die</strong>se ersten uns bekannt gewor<strong>de</strong>nen trompe-l‘œil-Bil<strong>de</strong>r (die nächsten sind erst1658 zu datieren) zeigen eine Mischung aus <strong>de</strong>n später getrennten Typen Briefwand und Wandschrank…»BURDA 1969 waren vier Gemäl<strong>de</strong> <strong>Hoogstraten</strong>s bekannt. Neben <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Wiener Bil<strong>de</strong>rn (Kopf einesbärtigen Mannes im Fenster, 1653, BRUSATI 1995, Checklist 76, <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Schranktür, Checklist 79)waren es die Bil<strong>de</strong>r in Prag (Checklist 75) und Kromeriz (Checklist 77), s. Abb. 8, 6, 9, 10. S. auch Lexikon<strong>de</strong>r Kunst Bd. VII, Leipzig 1994, S. 425 Stichwort <strong>Trompe</strong>-l‘œil.26 Bei<strong>de</strong> Autorinnen ziehen die Steckbretter <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Gysbrechts als Beispiele für absolute <strong>Trompe</strong>l‘œils heran,doch es zeigt sich in <strong>de</strong>r Betrachtung, daß im Unterschied zu <strong>Hoogstraten</strong> diese Maler eine viel offen-9


Vor allem muß in diesem Zusammenhang untersucht wer<strong>de</strong>n, ob und inwieweit <strong>de</strong>rBegriff <strong>de</strong>r Komposition in diesen Bil<strong>de</strong>rn zum tragen kommt, <strong>de</strong>nn an ihm ermißt <strong>de</strong>r Betrachter<strong>de</strong>n Wirklichkeitsgehalt o<strong>de</strong>r Grad <strong>de</strong>r Simulation eines Gemäl<strong>de</strong>s. Daher soll anhand<strong>de</strong>r Analyse <strong>von</strong> Einzelwerken <strong>Hoogstraten</strong>s eine genaue Interpretation <strong>de</strong>r bildimmanentenStrukturen Aufschluß über diese bildhaften (im Unterschied zu reinwirklichkeitshaften) Momente geben. Dabei soll gezeigt wer<strong>de</strong>n, daß die Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Grad<strong>de</strong>r Simulation, also «fingieren, etwas zu haben, das man nicht hat», mit zunehmen<strong>de</strong>r Betrachtungsdauerund schwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>m Abstand zum Bild <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Vortäuschung <strong>von</strong> Wirklichkeithin zur Enttäuschung <strong>de</strong>s Scheins überführen. 27 Das klingt zunächst lapidar und eigentlichfür je<strong>de</strong>s Gemäl<strong>de</strong> geltend, das mit illusionistischen Mitteln agiert, doch gera<strong>de</strong> inseinen Quod-libet-Bil<strong>de</strong>rn entwickelt <strong>Hoogstraten</strong> eine beson<strong>de</strong>re Art und Weise <strong>de</strong>s malerischenKalküls, um <strong>de</strong>n Betrachter an sein Werk zu fesseln.In <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschsprachigen Literatur über das <strong>Trompe</strong>-l‘œil fin<strong>de</strong>t sich in Ansätzenhierzu eine tiefergehen<strong>de</strong> Beachtung eben jener innerbildlichen Eigenschaften <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>l‘œils,auch wenn <strong>de</strong>r Prozeß <strong>de</strong>r Betrachtung nicht direkt erläutert wird. BURDA 1969 undKERSTING 1979 beziehen sich konzentriert auf die je eigene Bildlichkeit dieses Sujets alsspezielle Weise malerischer Wirklichkeitsrepräsentation. Beson<strong>de</strong>rs BURDA 1969 kann in<strong>de</strong>r vielseitigen Untersuchung zum <strong>Trompe</strong>-l‘œil bezüglich <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rländischen Malerei alsgrundlegend gelten. Sie gibt einen Überblick über die wichtigsten Maler in <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts, die sich überhaupt mit <strong>de</strong>m <strong>Trompe</strong>-l‘œil auseinan<strong>de</strong>rgesetzt haben.Eine Typologie <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>-l‘œils erleichtert <strong>de</strong>n Überblick. Im zweiten Teil befaßtsich die Autorin mit <strong>de</strong>r formalen Struktur <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r. Dabei betrachtet sie die Beson<strong>de</strong>rheiten<strong>de</strong>r Raumprojektion, untersucht Relationen zwischen Bild und Umraum und analysiertdie Struktur <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>bene, <strong>de</strong>s Kolorits, <strong>de</strong>r Komposition usf. Dabei wird <strong>de</strong>r Betrachterstandortebenso berücksichtigt wie die Darstellungsmittel. In einem dritten Teil widmet siesich <strong>de</strong>n Gegenstän<strong>de</strong>n selbst, ihren emblematischen Be<strong>de</strong>utungen und generellen Intentionen<strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œil. Dabei kommt zugleich das Verhältnis zwischen Wirklichkeit undBildwirklichkeit zur Sprache. Der vorletzte Abschnitt beschäftigt sich mit einer ikonologischenDeutung <strong>de</strong>s Phänomens <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œil. In Form eines Exkurses schließt die Arbeitmit <strong>de</strong>r noch weiter gespannten, i<strong>de</strong>ologiekritischen Einbettung <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œil alsPhänomen <strong>de</strong>r holländischen Malerei «zwischen <strong>de</strong>r Polarisierung <strong>de</strong>r Ausdrucksformenbürgerlichen und feudalistischen Wirklichkeitsverständnisses». 28 Im Unterschied zu <strong>de</strong>n bisherzitierten Autorinnen entwickelt sie ihre Untersuchung nicht aus <strong>de</strong>m Begriffsgespann<strong>von</strong> Illusionismus und <strong>Trompe</strong>-l‘œil. In <strong>de</strong>r Arbeit fehlen jedoch m. E. genaue BildbeschreisichtlichereKomposition in ihren Bil<strong>de</strong>rn zeigen. Der Begriff <strong>de</strong>r Komposition, bezogen auch auf <strong>de</strong>nEinsatz <strong>de</strong>r Farbe, stellt sich <strong>de</strong>m Regelkanon in <strong>de</strong>n Weg. Wenn Spannungen in Bil<strong>de</strong>rn vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>nmüssen, wenn Wirklichkeit tatsächlich mit malerischem Einsatz in Deckung gebracht wer<strong>de</strong>n soll, dannwären Ordnungen in <strong>de</strong>n Schrägen <strong>von</strong> Vorhang, Briefen etc. wie sie in Gysbrechts Bil<strong>de</strong>rn auftauchen,vorordnen<strong>de</strong> Eingriffe in eine so nur unter äußerster Zufälligkeit anzutreffen<strong>de</strong> Situation, aber auszuschließenaus <strong>de</strong>r Bildform <strong>Trompe</strong>-l‘œil, <strong>de</strong>nn diese verlangt Unauffälligkeit anstelle <strong>von</strong> auffallen<strong>de</strong>r Bildordnung.Vgl. beispielsweise C. N. Gysbrechts Quodlibet, 1672, Statens Museum, Kopenhagen (s. Abb. 11).Hier das an Schrägen orientierte Rhythmisieren <strong>de</strong>r Bildfläche durch einen Wechsel <strong>von</strong> schrägem Dunkelfeld(Vi<strong>de</strong> Poche) über das Hellfeld, auf <strong>de</strong>m die Briefe in einem regelmäßigen Quadratraster aus Bän<strong>de</strong>rnangebracht sind, zum Vorhang, <strong>de</strong>r nach vorn hin eine geschwungene Abwärtsbewegung <strong>von</strong> links obennach rechts unten vollzieht und damit die Richtung <strong>de</strong>r Vi<strong>de</strong> Poche parallelführt, wodurch das Hellfeld <strong>de</strong>rartgerahmt, sprich nobilitiert wird. <strong>Die</strong>s ist ein rationaler Eingriff zugunsten einer Exposition besagter Bildteile,eine Blicklenkung, die keinesfalls zufällig ist.27 S. Baudrillard, Jean: Agonie <strong>de</strong>s Realen. Berlin 1978, S. 10. Der Begriff <strong>de</strong>r Simulation wird allerdings hiernicht im Sinne <strong>de</strong>r Medientheorie verwandt, da es in ihr immer um die Relation zweier Systeme geht, also<strong>de</strong>r Begriff viel weiter gefaßt ist. Zum Begriff <strong>de</strong>s Scheins und seiner Geschichte in <strong>de</strong>r Philosophie s. Bolz,Norbert: Eine kurze Geschichte <strong>de</strong>s Scheins. München 1991; speziell zur Relation zwischen Kunstwerk undSchein s. Oelmüller, Willi (Hg.): Kolloquium Kunst und Philosophie <strong>2.</strong> Ästhetischer Schein. Pa<strong>de</strong>rborn,München, Wien, Zürich 198<strong>2.</strong> Zu <strong>de</strong>n Grundlagen <strong>de</strong>r psychologischen Funktionsweise <strong>von</strong> suggestivemSchein s. GOMBRICH 1978, S. 301 ff., wo die Bewegung <strong>de</strong>s Betrachters vor <strong>de</strong>m Bild als eine <strong>de</strong>n Scheinnegieren<strong>de</strong> Aktion erklärt wird.28 BURDA 1969, Inhaltsverzeichnis Teil E.10


ungen, die qua intensiver Betrachtung <strong>von</strong> Einzelbil<strong>de</strong>rn nachprüfbare Belege für die Erkenntnissesehend erbringen können.KERSTING 1979 verfolgt das Ziel, in <strong>de</strong>n <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Darstellungen Gehalte aufzufin<strong>de</strong>n,die über die bloße Repräsentation <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> hinausgehen. Sie versucht dieFrage zu beantworten, wie und unter welchen Bedingungen die formale Präsentationsweiseselbst zum Be<strong>de</strong>utungsträger wird. Methodisch verfährt die Autorin zweigleisig. Zum einenuntersucht sie, induktiv vorgehend, Einzelbeispiele wie «The old cubboard door» <strong>von</strong> Harnett.29 Zum an<strong>de</strong>ren geht sie vergleichend vor und kontrastiert <strong>Trompe</strong>-l‘œils mit weiterenFormen illusionistischer Malerei, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r gattungsverschleifen<strong>de</strong>n Kunst Asams.Es soll damit die mögliche Vielfalt <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Malerei zum Ausdruck gebracht wer<strong>de</strong>n.KERSTING 1979 verzichtet auf eine koloristische Untersuchung, da sie voraussetzt,daß die Arbeiten wegen ihres wesenseigenen hohen Gra<strong>de</strong>s an mimetischer Darstellungstreuesowieso strikt an die Lokalfarbe <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> gebun<strong>de</strong>n sind. Wie bereits oben (S.10) erwähnt, wer<strong>de</strong> ich nachweisen, daß es sehr wohl Momente eines kalkulierten Einsatzes<strong>von</strong> Farbe gibt.29 KERSTING 1979, S. 58 ff.11


<strong>2.</strong> <strong>Die</strong> <strong>Trompe</strong>-l’œils <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>Noch 1969 wur<strong>de</strong>n <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> lediglich vier <strong>Trompe</strong>-l‘œils zugeschrieben.30 Nach ROSCAM ABBING/THISSEN 1993 31 malte <strong>Hoogstraten</strong> neun signierte <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Darstellungen,BRUSATI 1995 notiert in ihrer Checklist zwölf <strong>de</strong>rartige Gemäl<strong>de</strong>.32 Er beginnt mit dieser Bildform ungefähr zum Zeitpunkt seiner Wienreise. Das <strong>Trompe</strong>l‘œil-Steckbrett mit Rosenkranz datieren ROSCAM ABBING/THISSEN 1993 in die Jahre1651–55. In unregelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n schuf <strong>Hoogstraten</strong> bis zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r intensivenArbeit an <strong>de</strong>r INLEYDING, während <strong>de</strong>r er zu malen aufhörte, immer wie<strong>de</strong>r Steckbretter. 33Betrachtet man die zugeschriebenen Arbeiten mit einem typologisieren<strong>de</strong>n Blick, so fin<strong>de</strong>tman neben Steckbrettern, <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Schranktüren und Schaukästen, die eine gewissetiefenräumliche Dimension aufweisen, das Bildnis eines bärtigen Mannes im Fenster sowiedie Darstellung <strong>de</strong>s Wiener Hofburgplatzes. Letzteres läßt sich unter <strong>de</strong>n Typus <strong>de</strong>s illusioniertenKunstwerks fassen, jedoch ohne die Intention, die beispielsweise für die Darstellung<strong>von</strong> Zeichnungen o<strong>de</strong>r Druckgraphik im <strong>Trompe</strong>-l‘œil gilt. 34 Das Bildnis <strong>de</strong>s bärtigen Manneswie<strong>de</strong>rum stellt einen Son<strong>de</strong>rweg dar. Durch die malerische Wie<strong>de</strong>rgabe eines Menschenfällt es eigentlich aus <strong>de</strong>m oben beschriebenen Kanon <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>-l‘œils, <strong>de</strong>r ja verlangt,daß ein strenges <strong>Trompe</strong>-l‘œil gänzlich ohne Lebewesen zu sein hat.<strong>2.</strong>1. <strong>Die</strong> Interpretation <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>-l‘œils durch Celeste BrusatiAn dieser Stelle möchte ich genauer auf die Monographie über <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong><strong>von</strong> Celeste Brusati hinweisen, weil es die bislang erste und ausführliche Schrift dieserArt über <strong>de</strong>n Maler ist. <strong>Die</strong> Autorin beginnt die Besprechung <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>-l‘œils <strong>von</strong><strong>Hoogstraten</strong> mit <strong>de</strong>m Zeitraum, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Künstler ab 1651 am Wiener Hof <strong>de</strong>s HabsburgischenKaisers Ferdinand III. verbrachte. Das Unterkapitel, das sich mit <strong>de</strong>n Augenbetrügernauseinan<strong>de</strong>rsetzt, ist bezeichnen<strong>de</strong>r Weise mit <strong>de</strong>m paradoxen Kontrast <strong>von</strong> «Self-Effacementand Self-Display», also «Selbstauslöschung» und «Selbstzurschaustellung», überschrieben.Dabei ist nun Self-Effacement in <strong>de</strong>r angeführten wörtlichen Be<strong>de</strong>utung undnicht in <strong>de</strong>r übertragenen als «make oneself appear to be unimportant» gemeint. 35 Bereitsdiese Überschrift gibt <strong>de</strong>n Tenor <strong>de</strong>r Interpretation wie<strong>de</strong>r. Brusati <strong>de</strong>utet die <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Bil<strong>de</strong>r <strong>von</strong> <strong>Hoogstraten</strong> zunächst hauptsächlich aus <strong>de</strong>r Perspektive <strong>de</strong>r Konstruktion <strong>de</strong>r Individualitätund <strong>de</strong>r Karriere <strong>de</strong>s Künstlers.30 S. BURDA 1969, S. 11.31 Roscam Abbing, Michiel; Thissen, Peter: De schil<strong>de</strong>r en schrijver <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> 1627–1678.Eigentijdse bronnen en œuvre <strong>von</strong> gesigneer<strong>de</strong> schil<strong>de</strong>rijen. Lei<strong>de</strong>n 1993, im folg. zit. als ROSCAMABBING/THISSEN 1993.32 S. ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, Chronologische rangschikking <strong>van</strong> het gehele œuvre <strong>van</strong>gesigneer<strong>de</strong> schil<strong>de</strong>rijen, S. 99–170; BRUSATI 1995, Checklist of Paintings, Accepted Works, Still-lives and<strong>Trompe</strong>-l‘Œil Pieces, S. 361–364. Ich beschränke mich im Rahmen dieser Arbeit auf allgemein anerkannteZuschreibungen. Maßgeblich ist hierbei die oben genannte, jüngste Literatur.33 Zeitlich gesehen vom Prager Bild, Gemäl<strong>de</strong>galerie auf <strong>de</strong>r Prager Burg (s. Abb. 9), bis zum Gemäl<strong>de</strong> inKarlsruhe, Staatliche Kunsthalle, <strong>de</strong>m offenbar letzten <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>s (s.Abb. 1).34 <strong>Die</strong>se Darstellungen unterstreichen die Suprematie <strong>de</strong>r Malerei über die graphischen Medien. S. Lammers,Joseph: Innovation und Virtuosität, in: Stilleben in Europa, Hg.: Langemeyer, Gerhard; Peters, Hans-Albert,Ausst. Kat. Münster, Ba<strong>de</strong>n Ba<strong>de</strong>n 1979 S. 500.35 Hornby, A. S.; Cowie, A. P.: Oxford Ad<strong>van</strong>ced Learner’s Dictionary of Current English. Berlin, Oxford1980, S. 276. Denn während das Gesicht als I<strong>de</strong>ntifikationszeichen verschwin<strong>de</strong>t, sind es Gegenstän<strong>de</strong> dieauf <strong>de</strong>n Künstler verweisen. BRUSATI 1995, S. 80 faßt diese indirekte Weise <strong>de</strong>s Selbstporträts so: «Van<strong>Hoogstraten</strong>’s transparent pretense of self-effacement is, in fact, a witty exercise in literary self-display viahis fictional counterfeit.»12


<strong>Hoogstraten</strong> erreichte in Wien <strong>de</strong>n Zenit seiner Laufbahn mit <strong>de</strong>m Betrug <strong>de</strong>s Regentenpaaresin Anwesenheit eines Geistlichen, wie <strong>de</strong>r <strong>Hoogstraten</strong>-Schüler Arnold Houbrakenin seiner Groote Schouburgh erzählt. 36 Mit drei Gemäl<strong>de</strong>n stellte sich <strong>de</strong>r Maler vor.Neben einer Dornenkrönung Christi und <strong>de</strong>m Porträt eines E<strong>de</strong>lmanns, die hohe Beachtungerhielten, erwähnt sein Schüler und Biograph Houbraken auch ein «stil leven» 37 , aller Wahrscheinlichkeitein <strong>Trompe</strong>-l‘œilGemäl<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>m er großen Eindruck bei Ferdinand III.hinterließ. Der Regent fühlte sich <strong>de</strong>rart betrogen 38 , daß er <strong>Hoogstraten</strong> «bestrafte», in<strong>de</strong>mer das Bild einbehielt und ihm zugleich eine doppelreihige Kette mit einer Gna<strong>de</strong>nmedaille<strong>de</strong>s Kaisers schenkte, die einen Durchmesser <strong>von</strong> 40 mm hatte und elf Dukaten wog. 39 <strong>Die</strong>Gemäl<strong>de</strong>, <strong>von</strong> <strong>de</strong>nen die Anekdote berichtet, lassen sich nach herrschen<strong>de</strong>r Meinung unglücklicherweisenicht i<strong>de</strong>ntifizieren. 40<strong>Die</strong> Medaille fin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>n meisten seiner <strong>Trompe</strong>-l‘œils wie<strong>de</strong>r, ebenso in späterenGemäl<strong>de</strong>n. 41 Bereits in seinem Selbstbildnis <strong>von</strong> 1645 aus <strong>de</strong>r Sammlung <strong>de</strong>s Fürsten<strong>von</strong> Liechtenstein zeigt sich <strong>Hoogstraten</strong> als ernst schauen<strong>de</strong>n jungen Erwachsenen mit einerGoldkette. 42 <strong>Die</strong> Goldkette als Ehrenzeichen war ein bekanntes Symbol <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong>. 43Ripa schrieb sie in seiner Iconologia gleichermaßen als wichtigstes Attribut <strong>de</strong>r Pittura zu,mit <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Kette als Kontinuität <strong>de</strong>r künstlerischen Tradition und <strong>de</strong>m Gold alsVerpflichtung <strong>de</strong>s Künstlers, «<strong>de</strong>n hohen Rang <strong>de</strong>r Malerei aufrechtzuerhalten». 44<strong>Die</strong>se Arbeiten sind, wie Celeste Brusati darlegt, versteckte Selbstporträts. 45 Dennjene Bil<strong>de</strong>r repräsentieren mittels visueller Absenz <strong>de</strong>s Konterfeis <strong>de</strong>s Künstlers und <strong>de</strong>n<strong>de</strong>nnoch vorhan<strong>de</strong>nen vielfältigen Bezügen <strong>de</strong>s Inventars, sowohl literarisch als auch biographischin selbstbezüglicher Weise <strong>de</strong>n Künstler selbst. In <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n Bildbeschreibungensoll diese These bewiesen wer<strong>de</strong>n.Celeste Brusati fin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>n Gemäl<strong>de</strong>n neben <strong>de</strong>r Goldkette zahlreiche weitere Gegenstän<strong>de</strong>,die auf <strong>de</strong>n hohen Grad <strong>de</strong>r Selbstrepräsentation <strong>de</strong>s Künstlers schließen lassen.Ungeachtet <strong>de</strong>r eigentlichen Bildwirkung und <strong>de</strong>r formalästhetischen Gehalte <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>l‘œilssieht die Autorin in ihnen sichtbare Stellvertreter <strong>de</strong>s wachsen<strong>de</strong>n unternehmerischen36 ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, S. 18 ff. versammeln eine Anzahl rele<strong>van</strong>ter Textzitate über dieAuffassung Houbrakens über seinen Lehrer. Unter an<strong>de</strong>rem auch die berühmt gewor<strong>de</strong>ne Stelle über <strong>de</strong>nBetrug Ferdinands III., S. 19.37 ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, S. 19.38 Mit dieser Anekdote wird <strong>Hoogstraten</strong> in eine lange Reihe künstlerischer ‹Betrüger› aufgenommen, <strong>de</strong>renprominenteste frühe Vertreter Zeuxis und Parrhasios gewesen sind, so wie es in Plinius Historia NaturalisXXXV, 65 erzählt wird. Zeuxis betrügt mit seinen gemalten Trauben die Vögel, die sie als Nahrungaufnehmen wollen. Er selbst aber sitzt <strong>de</strong>m Täuschungsversuch seines Malerkollegen Parrhasios auf, <strong>de</strong>reinen Vorhang malte, <strong>de</strong>n Zeuxis beiseite geschoben wünscht, um ein vermeintliches Bild zu sehen.Beispiele und Deutung <strong>de</strong>r fortwähren<strong>de</strong>n Rezeption dieser antiken Anekdote fin<strong>de</strong>n sich in Kris, Ernst;Kurz, Otto: <strong>Die</strong> Legen<strong>de</strong> vom Künstler. Frankfurt/Main 1995, v. a. S. 89 ff. und Asemissen, HermannUlrich; Schweikhart, Gunter: Malerei als Thema <strong>de</strong>r Malerei. Berlin 1994, S. 12 f.39 S. Abb. 12: <strong>Die</strong> Umschrift lautet: FERDI: III: ROM: IM: SE: AU: GE: HU: BO: REX. (= Ferdinandus III.Dei Gratia Romanus Imperator Semper Augustus Germaniae Hungariae Bohemiae Rex), s. Vey, Horst:Jahrbuch <strong>de</strong>r Staatlichen Kunstsammlungen in Ba<strong>de</strong>n Württemberg 12, München, Berlin 1975, S. 282;ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, Quelle Nr. 29, S. 42 f., Abb. 11.; Hubbala, Erich: <strong>Die</strong> Kunst <strong>de</strong>s 17.Jahrhun<strong>de</strong>rts. (= Propyläen Kunstgeschichte Bd. 9) Berlin 1970, Abb. 401 a, Text S. 336. <strong>Die</strong> Medaille schufAlessandro Abondio (1580–1651) ungefähr 1643. Der Künstler lebte seit 1600 in Wien.40 ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, S. 28, Anm. 10.41 Vgl. das Gruppenporträt <strong>de</strong>r Dordrechter Münzmeister <strong>von</strong> 1674 (Abb. 13), Dordrechts Museum, BRUSATI1995, Checklist Nr. 7, S. 347, o<strong>de</strong>r die kleine Grisaille, welche die Vorstudie zum Frontispiz <strong>de</strong>rINLEYDING darstellt (Abb. 14), BRUSATI 1995, Checklist Nr. 5, S. 347.42 S. Abb. 15, BRUSATI 1995, Checklist Nr. 3, S. 347; ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, Nr. 3, S. 10<strong>2.</strong>43 S. BRUSATI 1995, S. 80: «Like most recipients of court <strong>de</strong>corations, he presumably wore Ferdinand’s IIIimperial medallion on his person as a constant, visible sign of the high esteem in which his artistry was heldby the emperor.»44 ten-Doesschate Chu, Petra (Hg.): Im Lichte Hollands. Holländische Malerei <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts aus <strong>de</strong>nSammlungen <strong>de</strong>s Fürsten <strong>von</strong> Liechtenstein und aus <strong>de</strong>r Schweiz. 1987 (=Kat. Kunstmuseum Basel, 14.6.–27.9.1987), S. 148.45 So schon vor BRUSATI 1995. Horst Vey <strong>de</strong>utet das Karlsruher Bild in dieser Weise; s. Jahrbuch <strong>de</strong>rStaatlichen Museen <strong>von</strong> Ba<strong>de</strong>n Württemberg. Nr. 12, 1975, S. 283.13


Ehrgeizes und die eigentliche Quelle <strong>de</strong>s Ruhms <strong>de</strong>s Malers. Der methodische Ansatz <strong>von</strong>Celeste Brusati genügt <strong>de</strong>r Darlegung ihres Ziels, das Verhältnis <strong>de</strong>s Biographischen zur allgemeinenhistorisch-soziologischen Situation <strong>de</strong>r Künstler <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong> zu ver<strong>de</strong>utlichen,um die Eigenheiten <strong>de</strong>s Künstlers innerhalb seiner Zeit zu beschreiben. Aber es bleibeninnerbildliche Aspekte ebenso unberührt, wie in <strong>de</strong>r bereits besprochenen Literatur. <strong>Die</strong>Charakteristika <strong>de</strong>r Bildform <strong>de</strong>s Quod-libet o<strong>de</strong>r Steckbretts in ihrer bildspezifischen Qualitätkommen nicht zur Sprache.14


3. Bildlichkeit als SinnträgerNach <strong>de</strong>r Besprechung <strong>de</strong>r Literatur zum <strong>Trompe</strong>-l‘œil im allgemeinen und <strong>de</strong>nen<strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>von</strong> BRUSATI 1995 soll die nun folgen<strong>de</strong> methodischeAuseinan<strong>de</strong>rsetzung Wege zu einem bislang unversuchten Verständnis <strong>de</strong>r Steckbretter<strong>de</strong>s Dordrechter Malers ebnen. Das Potential <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r selbst soll nun versprachlichtwer<strong>de</strong>n. Es soll zu<strong>de</strong>m Ausschau nach einer Möglichkeit <strong>de</strong>r Bestätigung <strong>de</strong>r ForschungsergebnisseBrusatis durch die Bildlichkeit <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbretter gehalten wer<strong>de</strong>n.So wird nun die folgen<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>ndarlegung mit anschließen<strong>de</strong>n Bildbeschreibungenund -analysen auf mögliche Relationen zwischen <strong>de</strong>n bil<strong>de</strong>igenen Qualitäten und <strong>de</strong>nBedingungen ihres Kontextes eingehen. Auslöser für das Augenmerk auf die Bildlichkeit<strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbretter ist die Feststellung, daß in <strong>de</strong>n bisherigen Analysen, die sichselten genug intensiver mit einem Einzelbild beschäftigen, zum einen, wie in <strong>de</strong>r Monographie<strong>von</strong> Brusati, besagte historisch-soziologische Aspekte im Vor<strong>de</strong>rgrund stehen. Zum an<strong>de</strong>renwird die Betonung auf das Feinmalerische <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r, ihre Qualität <strong>de</strong>r Darstellung<strong>von</strong> Gegenstän<strong>de</strong>n – d. h. <strong>de</strong>r höchstmöglichen Wirklichkeitstreue im Sinne eines absoluten<strong>Trompe</strong>-l‘œils – gelegt.Darüber hinaus dient oftmals <strong>de</strong>r Vergleich <strong>de</strong>r unterbewerteten Bil<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Konzept<strong>von</strong> <strong>Hoogstraten</strong>s INLEYDING und <strong>de</strong>r darin wie<strong>de</strong>rgegebenen Hierarchie <strong>von</strong> <strong>de</strong>nSujets <strong>de</strong>r Malerei nach klassischem Vorbild pejorativen Urteilen über die Fähigkeiten <strong>de</strong>sMalers. <strong>Die</strong>s ist ein kunstliterarischer Topos seit Houbraken, <strong>de</strong>r bis zu Sumowski führt. Ersollte auf seine Richtigkeit überprüft wer<strong>de</strong>n. 46 Hier ein wesentliches, aber unbeachtet gebliebenesMerkmal <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r: die in <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn konstatierte, vermeintlich so ungeordnete,sprich ‹natürlich› wirken<strong>de</strong> UnOrdnung <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> und die scheinbare Neutralität <strong>de</strong>sHintergrunds <strong>de</strong>r Steckbretter. So ist das Steckbrett lediglich ein Indiz für Meisterschaft <strong>de</strong>sMalers und seines Bestrebens, im Bild <strong>de</strong>r eigenen Person einen überpersönlichen Ausdruckzu verleihen, um die eigene Persönlichkeit in aufwerten<strong>de</strong>r Weise direkt an die hohe Kunst<strong>de</strong>r Malerei zu koppeln. Lediglich BURDA 1969 widmet <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>r Komposition einUnterkapitel und kommt zu <strong>de</strong>m Ergebnis:«Über die größten Variationsmöglichkeiten innerhalb <strong>de</strong>s vorgegebenen Grundschemasaus Vertikalen und Horizontalen verfügen auf Grund ihrer Zusammensetzungaus vielen kleineren Einzelelementen die Briefwän<strong>de</strong>.» 47Sie stellt weiterhin fest, «daß nahezu alle nur lose festgeklemmten Gegenstän<strong>de</strong> vomSchema <strong>de</strong>r streng vertikalen bzw. horizontalen Position abweichen.» Entschei<strong>de</strong>nd ist dieErkenntnis <strong>de</strong>r bildimmanenten Funktionen, die durch die Gegenstän<strong>de</strong> in ihrer jeweiligenErscheinung mit beispielsweise umgeknickten Ecken, anschaulich machen:46 S. SUMOWSKI 1983, Bd. 2, S. 1286: «<strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> war ein intelligenter Künstler, <strong>de</strong>r sich, alsDichter und Theoretiker, im Wort treffend zu äußern vermochte. In <strong>de</strong>r Malerei wirkte sich dasverstan<strong>de</strong>smäßige Moment seines Naturells problematisch aus: die Intelligenz verbot ihm schöpferischeNaivität, brachte ihn um <strong>de</strong>n Reiz <strong>de</strong>s Unmittelbaren. Seine Gestaltungsfähigkeit war begrenzt; ihm fehlteEigenart. Doch konnte er geschickt frem<strong>de</strong> Stile nachahmen, so wie man Fremdsprachen beherrscht.» DerAutor kritisiert indirekt, daß sich <strong>Hoogstraten</strong> schon bald nach seiner Lehrzeit vom Rembrandteskenabwandte, um sich einer an<strong>de</strong>ren Vorstellung <strong>von</strong> Malerei zu widmen. Vorbild ist hierfür Houbraken. S.hierzu: ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, S. 18 f.: In diesem Sinne vorbil<strong>de</strong>nd schil<strong>de</strong>rt Houbrakenseinen Lehrer als Nachahmer: «…en wat het ook wezen mocht, daar wist hy zig na te zetten en’t zig eygen temaken.» , um nur ein Beispiel dieser Relation zu nennen, die m. E. daraus resultiert, daß man <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rnbislang noch keine bildimmanente Analyse gewidmet hat. S. hierzu auch Thieme, Ulrich; Becker, Felix;Vollmer, Hans: Allgemeines Lexikon <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Künstler <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Antike bis zur Gegenwart. Leipzig1924, Bd. XVII, S. 463–465. In seinem Artikel zu <strong>Hoogstraten</strong> wertet Hofste<strong>de</strong> <strong>de</strong> Groot <strong>de</strong>n Künstler alskraftlos im Vergleich an<strong>de</strong>ren Rembrandtschülern. <strong>Die</strong> <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbretter wer<strong>de</strong>n nur am Ran<strong>de</strong>erwähnt, da sie als min<strong>de</strong>re Bildform gewertet wur<strong>de</strong>n.47 BURDA 1969, S. 81.15


«Es kann so ein kompliziertes Liniengefüge aus einan<strong>de</strong>r sich entsprechen<strong>de</strong>nSchrägen entstehen, welchem ein ausgewogenes formales Kompositionsgerüst zugrun<strong>de</strong>liegt.» 48Doch auch Burda erkennt das Problem <strong>de</strong>r relativen Unordnung, <strong>de</strong>s Zufälligen in <strong>de</strong>rAnordnung <strong>de</strong>r Dinge und begrün<strong>de</strong>t dies mit <strong>de</strong>m Unterschied <strong>de</strong>r Gattung zu tiefenräumlichenProjektionen sowie <strong>de</strong>r Wahrnehmungsweise, welche durch die Struktur <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>l‘œil-Steckbretterforciert wird. 49 Sie verneint allerdings die Notwendigkeit einer zusammenhängen<strong>de</strong>ninnerbildlichen Ordnungsstruktur und beläßt die Anordnung <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong>im Bereich <strong>de</strong>r reinen Zufälligkeit. <strong>Die</strong>s wird aber am einzelnen Gemäl<strong>de</strong> nicht verifiziert.Der Beweis einer offenen Zufälligkeit <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> im Einzelbild mittels einerkonzentrierten Bildbeschreibung ist noch nicht erbracht wor<strong>de</strong>n. Desweiteren stellt sich dieFrage, ob diese Verallgemeinerung zulässig ist, o<strong>de</strong>r ob nicht vielmehr konkrete Unterschie<strong>de</strong>anhand malerischer und struktureller Vorgehensweisen <strong>de</strong>s Künstlers im jeweiligen Einzelbildauszumachen sind.BRUSATI 1995, um ein Beispiel ihres Umgangs mit <strong>de</strong>r Bildlichkeit <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>l‘œils<strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> zu nennen, richtet ihr Augenmerk im vierten Kapitel aufdie Funktion <strong>de</strong>r Ehrenkette Ferdinands III. Sie belegt die sich im Verlauf <strong>de</strong>r Werkentwicklungverän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n malerischen Funktionen <strong>de</strong>r Präsentation <strong>de</strong>r Kette, allerdings wenigerbezogen auf <strong>de</strong>n anschaulichen Gehalt für <strong>de</strong>n Betrachter, als vielmehr für die Selbstformierung<strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>s Karriere und bettet <strong>de</strong>n Rang <strong>de</strong>r Täuschung in einengeistesgeschichtlichen Zusammenhang, in<strong>de</strong>m sie auf antike Autoren und <strong>de</strong>r zu <strong>Hoogstraten</strong>sZeit aktuellen philosophischen Lehre <strong>de</strong>s Empirismus nach Francis Bacon verweist.<strong>Die</strong> Autorin versucht in methodischer Verbindung <strong>von</strong> Bildbetrachtung und <strong>de</strong>r Übersetzungeines versteckten Symbolismus die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Goldkette zu erläutern. 50 In <strong>de</strong>r Reflexionüber das «<strong>Trompe</strong>-l‘œil-Bücherregal» 51 schil<strong>de</strong>rt sie:«In addition to showing his painting and poetry as <strong>de</strong>ceptive conquests, Van<strong>Hoogstraten</strong> suggests the power affor<strong>de</strong>d by mastery of these arts of representation.Just as the valorous <strong>de</strong>eds of military heroes keep their memory alive after <strong>de</strong>ath, sotoo does Van <strong>Hoogstraten</strong>’s art but…without battle and bloodshed. As representations,his books and pictures have a power surpassing that of heroic <strong>de</strong>eds to fix andpreserve men’s makings from the ravages of time.»Nach dieser allgemeinen Erklärung <strong>de</strong>s geistesgeschichtlichen Hintergrunds <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>sund <strong>de</strong>r Engführung <strong>de</strong>s Malerberufs mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Soldaten und <strong>de</strong>r daraus folgen<strong>de</strong>n,<strong>von</strong> <strong>Hoogstraten</strong> behaupteten Suprematie <strong>de</strong>r Malerei über alle Künste belegt sie:«He illustrates this graphically in the Feigned Bookshelf by connecting his medaillon,via the gol<strong>de</strong>n chain of honor, to a watch, an emblem of time’s passage,held still by virtue of its being caught in representation.»Lediglich die verklammern<strong>de</strong> Wirkung <strong>de</strong>r Ehrenkette zwischen Uhr und Medaille indiesem Bild wird hervorgehoben. 52 Daraus schließt die Autorin:48 A. a. O., S. 81.49 BURDA 1969, S. 81: «Wenn vor allem für die letzte Gruppe [die «Briefwän<strong>de</strong>» o<strong>de</strong>r Steckbretter; Anm. d.Verf.] trotz<strong>de</strong>m primär <strong>de</strong>r Eindruck eines relativ ungeordneten, mehr o<strong>de</strong>r weniger zufälligen Nebeneinan<strong>de</strong>rvorherrscht, so ist das nicht zuletzt zurückzuführen auf eine strukturbedingte Sehweise, die ein In-Erscheinung-Treten <strong>de</strong>s formalen Zusammenhangs erschwert.» Zu <strong>de</strong>n Ordnungskriterien die im Quod-libetgelten, schreibt sie (S. 82): «An die Stelle einer Bildordnung im Sinne einer innerbildlichen räumlichenOrdnung ist in <strong>de</strong>r trompe-l‘œil-Darstellung eine unter <strong>de</strong>m Aspekt optischer Gleichgewichtung undAusgewogenheit vorgenommene regelmäßige Verteilung <strong>von</strong> Gegenstän<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r Fläche getreten, eineZusammenordnung, die keineswegs als zwingend anzusehen ist in <strong>de</strong>m Sinne, daß nicht einzelne Gegenstän<strong>de</strong>darin ohne sichtbare Verschiebung <strong>de</strong>s Gesamtgefüges austauschbar wären.»50 Alle folgen<strong>de</strong>n Zitate in BRUSATI 1995, S. 166.51 S. Abb. 16; a. a. O. BRUSATI 1995: Checklist Nr. 82, S. 36<strong>2.</strong>52 S. Abb. 16.16


«In this way he not only shows how pictorial representations literally stop andconquer time, but also how his own artistic achievement, represented by the medaillon,confirms the maxim ars longa, vita brevis.»Neben dieser ohne Zweifel richtigen Einbettung <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n sozialen und ikonographischenKontext <strong>de</strong>s Künstlers gilt es m. E. das Augenmerk intensiver auf diejenigenQualitäten zu richten, die über <strong>de</strong>n Status <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s als «Dokument» hinausreichen und diegenuine Eigenschaft <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s als Erfahrungsangebot in <strong>de</strong>r Anschauung zur Sprache zubringen.Das sogenannte «sehen<strong>de</strong> Sehen» – im Unterschied zum wie<strong>de</strong>rerkennen<strong>de</strong>n Sehen –ist es, womit potentielle «ikonische» Gehalte <strong>de</strong>r Steckbretter versprachlicht und präsentwer<strong>de</strong>n können. <strong>Die</strong>ser Begriff <strong>de</strong>s sehen<strong>de</strong>n Sehens, wie er <strong>von</strong> Max Imdahl geprägt wur<strong>de</strong>,sei an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung gebracht. Eine ikonische Analyse <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>nBil<strong>de</strong>r kann zur Klärung <strong>de</strong>r vorab skizzierten These führen und auf einer an<strong>de</strong>renEbene möglicherweise die <strong>von</strong> BRUSATI 1995 erforschten ikonographischen,biographischen bzw. historischsoziologischen Erkenntnisse und <strong>de</strong>r erhellten Intentionen<strong>Hoogstraten</strong>s noch untermauern. Hierzu wird auf die Schriften <strong>von</strong> Max Imdahl zurückgegriffen.Insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r Untersuchung zu Giottos Arenafresken legt er präzise die Kriterienfür Bildlichkeit fest:«Als dieses simultane Anschauungsangebot besitzt das Bild eine gegenüber je<strong>de</strong>rsprachlichen Information und außerikonischen Sichtbarkeit einzigartige Qualität,welche ohne Form und ohne Komposition als <strong>de</strong>n Gegebenheiten eines nichtnur wie<strong>de</strong>rerkennen<strong>de</strong>n son<strong>de</strong>rn auch sehen<strong>de</strong>n Sehens nicht zu gewinnen ist.» 53<strong>Die</strong>se Vorstellung <strong>de</strong>r Bildlichkeit <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s und die beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeit, mit<strong>de</strong>r sich Imdahl <strong>de</strong>n bil<strong>de</strong>igenen Phänomenen widmete, führte letztlich zu seiner Theorie <strong>de</strong>rIkonik, die er <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Theorie <strong>de</strong>r Ikonographie und Ikonologie abgrenzt beziehungsweiseihre Vermittlerrolle zwischen bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlich macht:«Während aber Ikonographie und Ikonologie dasjenige aus <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn erschließen,was ihnen als Wissensinhalte vorgegeben ist, was vom Beschauer gewußtwer<strong>de</strong>n muß und sich durch Wissensvermittlung mitteilen läßt, sucht die Ikonikeine Erkenntnis in <strong>de</strong>n Blick zu rücken, die ausschließlich <strong>de</strong>m Medium <strong>de</strong>sBil<strong>de</strong>s zugehört und grundsätzlich nur dort zu gewinnen ist…<strong>Die</strong> Ikonik sucht zuzeigen, daß das Bild die ihm historisch vorgegebenen und in es eingegangenen Wissensgüterexponiert in <strong>de</strong>r Überzeugungskraft einer unmittelbar anschaulichen, dasheißt ästhetischen Evi<strong>de</strong>nz, die we<strong>de</strong>r durch die bloße Wissensvermittlung historischerUmstän<strong>de</strong> noch durch irgendwelche (fiktiven) Rückversetzungen in diese historischenUmstän<strong>de</strong> einzuholen ist.» 54<strong>Die</strong> ikonische Untersuchung Max Imdahls bezieht sich allerdings auf ein Ereignisbild,das grundsätzlich <strong>von</strong> <strong>de</strong>n <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Darstellungen verschie<strong>de</strong>n ist: Denn zumeinen liegt <strong>de</strong>r Malerei dort ein literarischer Text zugrun<strong>de</strong>, zum an<strong>de</strong>ren markiert die KunstGiottos historisch <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Renaissancemalerei, die einen gemalten Raum bedingttiefenräumlich im Sinne Albertis finestra aperta zeigt. 55In <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn sind szenische Darstellungen <strong>von</strong> Gestalten zu sehen, die <strong>de</strong>r Geschichte<strong>de</strong>r zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>n Texte entsprechend inszeniert agieren. <strong>Die</strong>s ist jedoch keinHin<strong>de</strong>rnis, um <strong>de</strong>nnoch Ereignisbil<strong>de</strong>r im sehen<strong>de</strong>n Sehen zu erfahren, da sich <strong>de</strong>r Betrachterim Vollzug <strong>de</strong>sselben seiner jeweiligen Aktualität und spezifischen Gegenwart bewußt53 Imdahl, Max: Giotto. Arenafresken. Ikonographie. Ikonologie. Ikonik. München 2 1988, im folg. zit. als:IMDAHL 2 1980, S. 95. S. v. a. Janhsen-Vukićević, Angeli: Mo<strong>de</strong>rne Kunst und Gegenwart, in: Imdahl,Max: Gesammelte Schriften Bd. 1: Zur Kunst <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne, Hg.: Janhsen-Vukićević, Angeli,Frankfurt/Main 1996, S. 7–31, im folg. zit. als .JANHSEN-VUKIĆEVIĆ 1996.54 A. a. O. S. 97.55 Zu <strong>de</strong>n Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>r Raum- und Perspektivproblematik im <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett s. BURDA 1969,S. 39–78 und KERSTING 1979, S. 61 ff.17


sein muß und die Bil<strong>de</strong>r – dies ist <strong>de</strong>r Hauptaspekt – in ihrer aktuellen Präsenz über <strong>de</strong>nSchriftsinn hinausgehend, o<strong>de</strong>r vor ihn zurück, als gegenwärtig ernst nimmt. 56Der Unterschied zwischen <strong>de</strong>m Ereignisbild und <strong>de</strong>n <strong>Trompe</strong>-l‘œils liegt im folgen<strong>de</strong>n:Aktionen, die Imdahl vor allem an Christi Gefangennahme hinsichtlich <strong>de</strong>r Kompositionund <strong>de</strong>r dargestellten Richtungswerte auf die erzählten Texte bezieht, um daraufhin diekühne Äquivalenz 57 aus <strong>de</strong>r Schräge im Bild und <strong>de</strong>m vermittelten Textgehalt zu ermitteln,fallen naturgemäß im <strong>Trompe</strong>-l‘œil weg. Denn hier ist es gera<strong>de</strong> nicht <strong>de</strong>r Fensterblick inein tiefenräumliches, szenisches Geschehen, son<strong>de</strong>rn ein Aus-<strong>de</strong>r-Fläche-Heraustreten <strong>de</strong>rBildgegenstän<strong>de</strong>, frei <strong>von</strong> jeglicher Narration. 58 Für das Ereignisbild Giottos fin<strong>de</strong>t Imdahldie «ikonische Qualität in einer Bildlichkeit, welche sowohl <strong>de</strong>n Anspruch auf eine formale,in sich selbst sinnvolle Ganzheitsstruktur erfüllt als auch…<strong>de</strong>n Sichtbarkeitsausdruck einerkomplexen szenischen Situation liefert». 59 Letzterer zeigt sich naturgemäß nicht im <strong>Trompe</strong>l‘œil.Dennoch erscheint die ansatzweise Anwendung <strong>de</strong>s methodischen Unternehmens <strong>de</strong>rIkonik auf die <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Gemäl<strong>de</strong> <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> sinnvoll zu sein. Auchohne textuelles Substrat vermitteln die Bil<strong>de</strong>r schließlich außerbildliche Sinnpotentiale wieBRUSATI 1995 darlegte. Bringt die Bildlichkeit <strong>de</strong>r Steckbretter nun einen Sichtbarkeitsausdruck<strong>de</strong>ssen zur Anschauung? In einer Vorstufe <strong>de</strong>r Anschauung vermittelt sich <strong>de</strong>mBetrachter ein Eindruck <strong>de</strong>s Ungeordneten, gar Chaotischen <strong>de</strong>r dargestellten Dinge auf einemorthogonalen Träger. <strong>Die</strong>s wür<strong>de</strong> im Prinzip zunächst einmal die Willkür <strong>de</strong>s Wirklichenbestätigen und auf einen radikalen Realismus hin<strong>de</strong>uten. Es entspräche zugleich <strong>de</strong>r‹betrügerischen› Absicht <strong>von</strong> <strong>Hoogstraten</strong>. 60 Nach einer intensiveren Betrachtung hingegenbeginnt sich allmählich dieser Eindruck zu verlieren, und es scheint sich die Erfahrung einerunspezifischen Ordnung zu vermitteln. Doch wird gera<strong>de</strong> diese immer wie<strong>de</strong>r gestört. Offenbargeschieht dies durch künstlerisches Kalkül mit <strong>de</strong>r Folge einer Notwendigkeit in einer– paradox formuliert – Invariabilität (o<strong>de</strong>r Konstanz) <strong>de</strong>r Variabilität zwischen <strong>de</strong>n PolenOrdnung und relativer Unordnung.3.1. <strong>Die</strong> Relation <strong>von</strong> Kontingenz und KompositorischemNach <strong>de</strong>r Erläuterung <strong>de</strong>s Erkenntnispotentials <strong>von</strong> Max Imdahls Ikonik und <strong>de</strong>r Vorerkenntniseiner partiell in <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn vermittelten Ordnung in <strong>de</strong>r allgemein trompe-l‘œilspezifischenUnordnung, sprich Lebensnähe <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r, wer<strong>de</strong>n im folgen<strong>de</strong>n Begriffsspezifizierungenvorgenommen, damit ein Handwerkszeug für eine genauere Untersuchung <strong>de</strong>rBil<strong>de</strong>r zur Verfügung steht. Der Begriff <strong>de</strong>r Ordnung in Bezug auf ein Werk <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nKunst verweist direkt auf <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Komposition. <strong>Die</strong> Definition <strong>von</strong> Komposition be-56 JANHSEN-VUKIĆEVIĆ 1996 S. 16: «Sehen ist immer gegenwärtige Erfahrung, das Kunstwerk ist erst imSehen präsent.» <strong>Die</strong> Terminologie Imdahls sowie die je spezifische Auffindung <strong>von</strong> bildimmanentenNotwendigkeiten verhelfen zur Auffindung <strong>de</strong>s «Unvor<strong>de</strong>nkliche[n], das nur am Kunstwerk <strong>de</strong>utlichwird…» (a. a. O. S. 19). Verbun<strong>de</strong>n ist hiermit auch eine mittlerweile recht lange Diskussion über Präsenzund Ereignishaftigkeit <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s sowie <strong>de</strong>r daraus resultieren<strong>de</strong>n Zeitstrukturen. S. Pochat, Götz: Bild –Zeit: Zeitgestalt und Erzählstruktur in <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kunst <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Anfängen bis zur frühen Neuzeit. Wien,Köln, Weimar 1996, im folg. zit. als POCHAT 1996, beson<strong>de</strong>rs die Einleitung S. 7–26 und Boehm,Gottfried: Bild und Zeit, in: Paflik, Hannelore(Hg.): Das Phänomen Zeit in Kunst und Wissenschaft.Weinheim 1987, im folg. zit. als BOEHM 1987, S. 1 – 24; <strong>de</strong>rs.: Augenblick und Ewigkeit. Bemerkungenzur Zeiterfahrung in <strong>de</strong>r Kunst <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne, in: Reijen, Willem <strong>van</strong> (Hg.): Allegorie und Melancholie.Frankfurt/Main 1992, S. 109–123, im folg. zit. als BOEHM 199<strong>2.</strong> Sehr umfangreiche kategorischeOrdnungen <strong>de</strong>s Zeitlichen in <strong>de</strong>r Kunst liefert Theissing, Heinrich: <strong>Die</strong> Zeit im Bild. Darmstadt 1987, imfolg. zit. als THEISSING 1987.57 Zum Begriff <strong>de</strong>r «kühnen Äquivalenz» s. IMDAHL 1980, S. 108: «Denn die ikonische Interpretationsmetho<strong>de</strong>…istgenötigt…auf sichtbare Koinzi<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>s sonst nicht Koinzidieren<strong>de</strong>n, sogar auf Sinntotalitäteneiner Übergegensätzlichkeit o<strong>de</strong>r auf kühne Äquivalenzen [zu reflektieren].»58 S. BURDA 1969, S. 45 f.59 A. a. O., IMDAHL 1980, S. 93 und Abb. 45.60 S. INLEYDING, S. 25: «Want een volmaekte Schil<strong>de</strong>ry is als een spiegel <strong>van</strong> <strong>de</strong> Natuer, die <strong>de</strong> dingen, dieniet en zijn, doet schijnen te zijn, en op een geoorlof<strong>de</strong> vermakeleijke en prijslijke wijze bedriegt.»18


sagt, daß diese eine zielgerichtete Ordnung einer Menge <strong>von</strong> Einzelheiten zu einer Gesamtheitist. Das heißt, sie setzt sich zusammen aus Einzelheiten, die in ihrem Zusammenspielein Bezugssystem aus verschie<strong>de</strong>nen Parametern bil<strong>de</strong>n. 61 <strong>Die</strong>se Aufeinan<strong>de</strong>rbezogenheit<strong>de</strong>r Einzelheiten und Parameter wie Linien, Körper, Räumlichkeit, Farben etc. vermitteltsich in reziproker Weise: Vom Ganzen zum Einzelnen vice versa. Allerdings fungieren dieElemente immer auf jene Ganzheit hin. Das Ganze umklammert die Einzelheiten, die nur<strong>de</strong>r Gesamtheit dienen und nicht umgekehrt. Der Wegnahme eines Partikels <strong>de</strong>r Kompositionfiele dieselbe zum Opfer, sie funktionierte als solche nicht mehr. Eine Komposition istmithin unwirklich, künstlich erzeugt und zwangsläufig unbeliebig, einer immanenten Notwendigkeitfolgend.Kontingenz wird seit Kant als <strong>de</strong>utsche Entsprechung <strong>von</strong> Zufälligkeit <strong>de</strong>finiert bzw.übersetzt. Im philosophischen Sinn ist das Möglichsein im Gegensatz zur Notwendigkeitgemeint. 62 <strong>Die</strong>ser Begriff, angewandt auf die bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kunst, vermittelt die Be<strong>de</strong>utung füreine bildliche Darstellung als Bezug zum Wirklichen, Authentischen und <strong>de</strong>r Beliebigkeit.Das Begriffspaar verhält sich also polar zueinan<strong>de</strong>r, in <strong>de</strong>m Sinne, daß die Kompositioneinem I<strong>de</strong>al folgt, das Kontingenz <strong>von</strong> vornherein ausschließt. <strong>Die</strong> Begriffe, obzwar sieaus eigentlich verschie<strong>de</strong>nen Wissenschaften stammen, ergeben räumlich betrachtet einSpannungsfeld aus einer strikten, geplanten Ordnung (Komposition), das heißt einem i<strong>de</strong>alenund finalen Zustand, <strong>de</strong>r durch nichts verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n darf, ohne daß seine immanenteQualität als geschlossenes Bezugssystem auseinan<strong>de</strong>rfiele und einem, durch einen transitorischeno<strong>de</strong>r willkürlichen Akt hervorgerufenen Zustand, <strong>de</strong>r zwar komponiert erscheinenkann, diese aber nicht zum Ausdruck bringt.In seinem Aufsatz <strong>von</strong> 1970 «<strong>Die</strong> Momentfotografie und ‹Le Comte Lepic› <strong>von</strong> EdgarDegas» verwen<strong>de</strong>t Max Imdahl das Begriffspaar Kontingenz und Komposition, um <strong>de</strong>nspezifisch künstlerischen Gehalt <strong>de</strong>s Gemäl<strong>de</strong>s zur Sprache zu bringen. Um <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>rProvi<strong>de</strong>nz erweitert tauchen bei<strong>de</strong> sowohl im GiottoBuch <strong>von</strong> 1980 als auch in einem Vorabdruckaus <strong>de</strong>mselben Jahr wie<strong>de</strong>r auf. 63In <strong>de</strong>m Text zu <strong>de</strong>m Gemäl<strong>de</strong> <strong>von</strong> Edgar Degas ver<strong>de</strong>utlicht Imdahl die aus <strong>de</strong>r Anschauunggewonnenen Bezüge zwischen <strong>de</strong>m Kontingenten und Komponierten als bil<strong>de</strong>igenerSinn. Am Beispiel <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s <strong>von</strong> Degas meint dies <strong>de</strong>n bewußten Einsatz <strong>de</strong>r durch dieMomentfotografie ent<strong>de</strong>ckten Authentizität qua Kontingenz als dokumentarischer Qualitätzum Zweck <strong>de</strong>s genauen Gegenteils, nämlich «nicht als ein primär auf bildimmanente Kompositionskühnheiten,son<strong>de</strong>rn als ein auf <strong>de</strong>n Ausdruck <strong>von</strong> Kontingenz angelegtes Gemäl<strong>de</strong>».64 Doch <strong>de</strong>utet Imdahl dies nicht als einen formalen Selbstzweck <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s. <strong>Die</strong> Unauflöslichkeiteiner Relation momentaner, situativ gezeigter Befindlichkeiten <strong>de</strong>r im Bilddargestellten Menschen, <strong>de</strong>r Vereinzelung («Richtungsdivergenzen») als existentieller Befindlichkeit<strong>de</strong>r Dargestellten, wird trotz <strong>de</strong>r Tatsache, daß es sich um ein Familienbild han<strong>de</strong>lt,eben durch die ermittelte Kontingenzrepräsentation in kühner Komposition zum sinnstiften<strong>de</strong>n«ganzheitliche[n] System». 65<strong>Die</strong>se Begriffe können gleichermaßen dienlich sein, um sich <strong>de</strong>m spezifischen bil<strong>de</strong>igenenSinn <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>-l‘œils <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> zu nähern, sieht sich ihr Betrachterdoch zunächst mit einer Weise <strong>von</strong> Kontingenz konfrontiert, die <strong>de</strong>n betrügen<strong>de</strong>nEffekt <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r mitbestimmt. Daß hier nur die Steckbretter betrachtet wer<strong>de</strong>n und nichtdie trompe-l’œilhaften Bil<strong>de</strong>r wie das Wiener Rabbinerbild o<strong>de</strong>r das mit einem illusionier-61 IMDAHL 1980, S. 23; Anm. 46, S. 120.62 S. Historisches Wörterbuch <strong>de</strong>r Philosophie Bd. 4, I–K, Basel 1976, Sp. 1027–1038.63 S. Abb. 17. Imdahl, Max: <strong>Die</strong> Momentfotografie und «Le Comte Lepic» <strong>von</strong> Edgar Degas, Wie<strong>de</strong>rabdruckin: Gesammelte Schriften Bd. 1: Zur Kunst <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne, Hg.: Janhsen-Vukićević, Angeli, Frankfurt/Main1996, S. 181–193, im folg. zit. als IMDAHL 1996. IMDAHL 1980, S. 17–28. Imdahl, Max: Kontingenz –Komposition – Provi<strong>de</strong>nz. Zur Anschauung eines Bil<strong>de</strong>s <strong>von</strong> Giotto, Wie<strong>de</strong>rabdruck in: GesammelteSchriften Bd. 3: Reflexion, Theorie, Metho<strong>de</strong>, Hg.: Boehm, Gottfried, Frankfurt/Main 1996, S. 464–500.64 IMDAHL 1996, S. 188; Herv. v. Verf.65 A. a. O., S. 190.19


ten Rahmen versehene Gemäl<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hofburgplatzes <strong>von</strong> 1652 66 , liegt in <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Eigenart<strong>de</strong>r Steckbretter. Denn in ihnen kommt, wie die Bildbeschreibungen erweisen wer<strong>de</strong>n,ein über die bloße erste Anschauung hinausgehen<strong>de</strong>r Kontingenzbegriff zum tragen.Jener erste allerdings erlaubt es, die Differenz zwischen <strong>de</strong>n Wiener Bil<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>n Steckbretternzu ver<strong>de</strong>utlichen, <strong>de</strong>nn während diese wenige Gegenstän<strong>de</strong> exponieren – ein Porträtsowie ein Gemäl<strong>de</strong> – und somit kein Grund vorliegt, daß sie sich in irgen<strong>de</strong>iner Weise <strong>von</strong>einem Gemäl<strong>de</strong> ihrer auf sie bezogenen Gattung unterschei<strong>de</strong>n, so sind die Steckbretter eine– was zu belegen wäre – ganz eigene Bildform, die sich nicht durch einen illusionierten Zusatz,wie <strong>de</strong>r illusionistische Bil<strong>de</strong>rrahmen um das Hofburgbild, in <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Simulationbegeben.Damit ein Gemäl<strong>de</strong> wie <strong>de</strong>r Hofburgplatz als Illusion wirken kann, muß es zwangsläufigseinen abgebil<strong>de</strong>ten, o<strong>de</strong>r illusioniert exponierten Gegenstand, nämlich die Illusioneines Gemäl<strong>de</strong>s, möglichst wirklichkeitsgetreu wie<strong>de</strong>rgeben. Da nun aber <strong>de</strong>mzufolge perse kein augenscheinlicher Unterschied zwischen <strong>de</strong>m gemalten Hofburgplatz und einer Darstellungdieses Gemäl<strong>de</strong>s bestehen muß, ist die Art und Weise <strong>de</strong>s Augenbetrugs wenigerselbstreflexiv als die <strong>de</strong>r Steckbretter. Es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Maler bewirkt eine offene, die Täuschungim Ansatz verhin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Kenntlichmachung <strong>de</strong>s Gemäl<strong>de</strong>s als Darstellung eines Gemäl<strong>de</strong>smittels einer beson<strong>de</strong>ren Lasur o<strong>de</strong>r Firnis, o<strong>de</strong>r qua Auflage eines illusionierten Insekts.67 Das heißt, die Beschäftigung mit bildimmanenten Daten läuft ins Leere, wenn sich<strong>de</strong>r Betrachter darüber klar wer<strong>de</strong>n will, in welcher Weise die illusionierten Dinge ein sinnmachen<strong>de</strong>sSpiel <strong>von</strong> Zueinan<strong>de</strong>r und Gegeneinan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bildwirklichkeit und <strong>de</strong>r Wirklichkeitselbst bil<strong>de</strong>n. Das Bild zerfällt wie ein herkömmliches Gemäl<strong>de</strong> in zwei Teile: Rahmenund Darstellung. Es wird <strong>de</strong>r Rahmen als Illusion erkannt, aber es ist dasGegenstandssehen, das diese Illusion evoziert. In einem Steckbrett funktioniert ein an<strong>de</strong>rerBegriff <strong>von</strong> Illusion, <strong>de</strong>r nicht zu trennen ist <strong>von</strong> je spezifischen Ordnungen und Bildunordnungenund ihrer Relation.Wie bereits ange<strong>de</strong>utet sind diese Steckbretter ein intellektuelles Spiel mit <strong>de</strong>m Betrachter.Daß es ein solches ist, läßt sich als eine <strong>de</strong>m Bild innewohnen<strong>de</strong> Qualität zuschreiben,die sowohl aus <strong>de</strong>m sehen<strong>de</strong>n Sehen als auch <strong>de</strong>m Gegenstandssehen gewonnen wird.Man kann sagen, daß es nicht lediglich um eine bloße Illusion, einen Betrug <strong>de</strong>s Betrachtersgeht, son<strong>de</strong>rn um spezifische Bil<strong>de</strong>igenheiten und Relationen zwischen besagter Ordnungund Unordnung. Im Karlsruher wie im Dordrechter Bild fin<strong>de</strong>n sich Chaos und Ordnungbzw. Kontingenz und Kompositorisches – so meine These – in einem je spezifischen Verhältniszueinan<strong>de</strong>r. <strong>Die</strong>ses macht sich an <strong>de</strong>n dargestellten Dingen und am Gegenstand <strong>de</strong>sSteckbretts als Träger im Gemäl<strong>de</strong> selbst fest. So fungieren <strong>de</strong>rart unscheinbare Gegenstän<strong>de</strong>wie die Nägel, mit <strong>de</strong>nen die rückwärtigen Flächen und die Le<strong>de</strong>rriemen auf die gemaltenHolzbretter aufgebracht sind, als <strong>de</strong>r Relation <strong>von</strong> Kontingenz und Kompositorischemdienen<strong>de</strong>, kalkulierte Funktionsträger im Bild selbst. Trotz <strong>de</strong>r Vielzahl <strong>de</strong>r dargestelltenDinge wer<strong>de</strong>n kompositorische Momente sichtbar, und die im ersten Anschein unüberschaubarenDarstellungen sind keineswegs willkürlich <strong>de</strong>komponiert. <strong>Die</strong> Analyse <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r sollbelegen, daß <strong>Hoogstraten</strong> diese kompositorischen Momente in eine geglückte Relation zueiner Kontingenz im Bild setzt, die bislang immer <strong>de</strong>n <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Gemäl<strong>de</strong>n als einzigsinnstiften<strong>de</strong> Qualität unterstellt wor<strong>de</strong>n ist. In <strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r ist also m. a. W.eine Anzahl möglicher kompositorischer Lesarten zu ent<strong>de</strong>cken, die sich gegenseitig relativieren.Es fin<strong>de</strong>t sich ein Ineinan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r einzelnen Zusammenhänge <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> auf<strong>de</strong>r Bildfläche, die in <strong>de</strong>r Makrostruktur <strong>de</strong>n Eindruck <strong>de</strong>s Unzusammenhangs hervorrufen.<strong>Die</strong> Bildbetrachtung ist natürlich ein Prozeß innerhalb eines unspezifischen, vom Betrachterselbst gesetzten zeitlichen Rahmens. Erst innerhalb jener Zeitlichkeit wird das sukzessive,66 Kopf eines Bärtigen Mannes, 1653, BRUSATI 1995, Checklist Nr. 76, S. 361; ROSCAM ABBING/THISS-EN 1993, Nr. 14, S. 113, s. Abb. 8. <strong>Trompe</strong>-l‘œil eines Gemäl<strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>m Wiener Hofburgplatz, 1652,BRUSATI 1995, Checklist Nr. 74, S. 361; ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, Nr. 11, S. 110, s. Abb. 18.67 Vgl. Carlo Crivelli (zugeschr.): <strong>Die</strong> Heiligen Katharina <strong>von</strong> Alexandrien und Maria Magdalena, ca. 1480–85,London, National Gallery, s. Abb. 19.20


je unterschiedliche Sehen und Erkennen dieser mikrostrukturellen Partialgefüge, diese anteiligeRealisation <strong>von</strong> Ordnungen, mittelbar einsichtig.Dagegen steht die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s lebensweltlichen Korrelats <strong>de</strong>s Dargestellten. DasSteckbrett als Gegenstand <strong>de</strong>s alltäglichen Lebens zeichnet sich <strong>von</strong> seiner Funktion im Lebens-und Arbeitszusammenhang als eine – bildlich gesprochen – Durchgangsstation fürverschie<strong>de</strong>ne Dokumente, gegebenenfalls <strong>de</strong>m Arbeitsbereich eines Kontors zugehörigeDinge, aus. Auch wenn die Flächigkeit <strong>de</strong>r Erscheinung und Rahmung ein Bild sozusagenorthogonal erinnert, so liefert es doch nicht <strong>de</strong>ssen Eigenart. Briefe und Dokumente wer<strong>de</strong>nhinter die Le<strong>de</strong>rriemen je nach zeitlicher sowie situativer Notwendigkeit und Abfolge o<strong>de</strong>rhierarchischer Wichtigkeit gesteckt. Dabei wird keineswegs zwangsläufig auf die Größedieser Dinge als Ordnungskriterium acht gegeben. Zu<strong>de</strong>m können im Alltag die Zettel undRechnungen verrutschen. Ein geöffnetes Fenster, ein Windstoß genügen, um eine momentaneOrdnung zu zerstören. <strong>Die</strong>se gibt es gar nicht o<strong>de</strong>r sie ergibt sich nur aus <strong>de</strong>n Notwendigkeiten<strong>de</strong>s Alltagsbetriebs eines Kontors o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r jeweiligen Situation im Privathaushalt.68 Daher eignet sich ja das Steckbrett in seiner Allanwesenheit und Nebensächlichkeitbeson<strong>de</strong>rs als <strong>Trompe</strong>-l‘œil, sieht man einmal <strong>von</strong> <strong>de</strong>m zusätzlichen, verstärken<strong>de</strong>n Faktor<strong>de</strong>r Flächigkeit <strong>de</strong>r Dinge ab, die <strong>de</strong>r Illusion äußerst dienlich ist. 69 Der Betrug gelingt durchdie Unaufmerksamkeit, die <strong>de</strong>m Gegenstand wegen seiner Alltäglichkeit entgegengebrachtwird.<strong>Die</strong> Darstellung dieses Alltagsgegenstands ist somit auch ein Beleg für Svetlana AlpersThese <strong>von</strong> <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rländischen Kunst als beschreiben<strong>de</strong>. 70 Daß es sich aber nur bedingtso verhält, zeigen die Steckbretter <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>s. Im folgen<strong>de</strong>n soll durch die Beschreibung<strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r aus Karlsruhe, Dordrecht, Prag, San <strong>Die</strong>go, einer französischenPrivatsammlung und Cambridge genau diese Wechselwirkung <strong>von</strong> Ordnung und Unordnunguntersucht wer<strong>de</strong>n.3.<strong>2.</strong> Bildbeispiel 1: Das Karlsruher SteckbrettAls erstes Bildbeispiel soll ein Steckbrett <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>s eingehend betrachtetwer<strong>de</strong>n, das sich heute in <strong>de</strong>r Sammlung <strong>de</strong>r Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe befin<strong>de</strong>t.Von <strong>de</strong>n überlieferten und zugeschriebenen Bil<strong>de</strong>rn ist es das am besten erhalteneWerk. 71 Das Inventar <strong>de</strong>s Museums verzeichnet es unter <strong>de</strong>r Nummer 2620. Im folgen<strong>de</strong>nwird das Gemäl<strong>de</strong> sowohl <strong>von</strong> <strong>de</strong>r inhaltlichen als auch <strong>de</strong>r formalen Gestaltung her untersucht.<strong>Die</strong> Provenienz <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s ist lei<strong>de</strong>r nur bis in die jüngste Vergangenheit zurückzuverfolgen.We<strong>de</strong>r ein historischer Auftraggeber noch ein Käufer lassen sich nachweisen.Nach<strong>de</strong>m es um 1973/74 <strong>von</strong> <strong>de</strong>m Hannoveraner Kunsthändler Flotow angeboten wor<strong>de</strong>nwar, erwarb <strong>de</strong>r Schweizer Kunsthändler Sil<strong>van</strong>o Lodi aus Campione d’Italia das Gemäl<strong>de</strong>.Im Oktober 1974 erschien die Annonce <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s mit Abbildung im Burlington Magazine(S. LXII). Daraufhin aquirierte es Horst Vey <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe für68 Ein Beispiel für die Integration eines «Steckbretts» in <strong>de</strong>n Arbeitszusammenhang <strong>von</strong> Kaufleuten zeigt HansHolbein d. J. in seinem Berliner Porträt <strong>de</strong>s Kaufmanns Gihsze, s. Abb. 20.69 Hahn, Andreas: “…dat zy <strong>de</strong> aanschouwers schynen te willen aanspreken» Untersuchungen zur Rolle <strong>de</strong>sBetrachters in <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rländischen Malerei <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts. München 1996, S. 188: «Bei einemflachen Bildfeld ist die perspektivisch/illusionistische Wirkung <strong>de</strong>s Gegenstan<strong>de</strong>s <strong>von</strong> Aug- und Standpunkt<strong>de</strong>s Betrachters weitgehend unabhängig, eine Täuschung ist also leichter möglich.»70 Alpers, Svetlana: Kunst als Beschreibung. Holländische Malerei <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts. Köln 1985, S. 147 ff..71 S. Abb. 1. BRUSATI 1995, Checklist Nr. 83; ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, Nr. 44., Jahrbuch <strong>de</strong>rStaatlichen Museen <strong>von</strong> Ba<strong>de</strong>n Württemberg. Nr. 12, 1975, S. 282–283; Staatliche Kunsthalle Karlsruhe.Neuerwerbungen für die Gemäl<strong>de</strong>galerie 1972–1984. 1984. S. 42 Nr. 2620, Abb. 2<strong>2.</strong> S. a. DE ZICHTBAREWERELT 1992, S. 103. Dort schreibt Celeste Brusati über dieses Bild darüber hinaus, daß es «technisch hetmeest opmerkelijk[e]» sei.21


das Museum. Das <strong>Trompe</strong>-l‘œil entstand wahrscheinlich im Zeitraum zwischen 1666 und1678. <strong>Die</strong>se Datierung ist nur aus <strong>de</strong>n Daten im Bild induktiv erschlossen wor<strong>de</strong>n. 72 <strong>Die</strong> Annahmenstützen sich auf Bildinhalte, die weiter unten erläutert wer<strong>de</strong>n.Das Gemäl<strong>de</strong> ist 63 mal 79 Zentimeter groß und wur<strong>de</strong> mit Öl auf Leinwand gemalt.Gerahmt ist es mit einem schlichten Profil, das auf Veranlassung <strong>von</strong> Horst Vey <strong>de</strong>m gemaltenRahmen im Bild nachempfun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>. Dabei wur<strong>de</strong> darauf geachtet, daß selbst dieBildlichtführung <strong>de</strong>s bei <strong>de</strong>r Farbe <strong>de</strong>s Rahmens Berücksichtigung fand. Am oberen Randist das Profil dunkler als unten. 73Signiert ist es auf einem Lackabdruck rechts oben mit «S v H», wobei «v» und «H»ineinan<strong>de</strong>r laufen. Weitere mehr o<strong>de</strong>r weniger offen <strong>de</strong>utbare Gegenstän<strong>de</strong> verweisen auf<strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>. Am oberen linken Rand <strong>de</strong>s unteren rechten Bildgevierts fin<strong>de</strong>tsich ein grünlich-blaues Siegel mit <strong>de</strong>m Wappen <strong>de</strong>r Familie <strong>Hoogstraten</strong>. 74 Im oberen rechtenBildgeviert ist ein Manuskript mit einem Lobgedicht zu sehen. <strong>Die</strong>ses benennt und ehrt<strong>Hoogstraten</strong> als Nachfolger und Überwin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Zeuxis bezüglich <strong>de</strong>r malerischen Leistung.Desweiteren verweisen Buchtitel auf die Urheberschaft <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>s. Dasin rotes Le<strong>de</strong>r gebun<strong>de</strong>ne Werk mit <strong>de</strong>m Titel «Dorothee, Treurspel» bezieht sich auf einTrauerspiel, das <strong>Hoogstraten</strong> 1666 unter <strong>de</strong>m Titel <strong>Die</strong>ryk en Dorothé. Of <strong>de</strong> Verlossing <strong>van</strong>Dordrecht veröffentlicht hat. Mit diesem Datum ist <strong>de</strong>r früheste mögliche Zeitpunkt für dieEntstehung gegeben, <strong>de</strong>nn es stellt das letzte datierbare schriftliche Werk im Bild dar. Unterhalb<strong>de</strong>s Lobgedichts auf <strong>de</strong>n Künstler verrät die umgeknickte Ecke einer Broschur einenweiteren Hinweis auf die Autorschaft <strong>Hoogstraten</strong>s. [INA] und [PEL.] sind dort hinter <strong>de</strong>mEselsohr zu lesen. Es han<strong>de</strong>lt sich hierbei um einen weiteren Verweis auf das literarischeWerk <strong>de</strong>s Künstlers: Gemeint ist das Theaterstück Roomsche Paulina, ofte bedrooge Kuisheit.Een Treurspel, das 1660 in Schoonhoven veröffentlicht wor<strong>de</strong>n ist. 75 Ein weiteresDruckwerk kann nicht exakt bestimmt wer<strong>de</strong>n, da nicht mehr als ein Buchstabe zweifelsfreizu i<strong>de</strong>ntifizieren ist. Ein ‹A› am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r ersten Titelzeile könnte natürlich auf eine erneuteDarstellung <strong>de</strong>r Paulina verweisen, was allerdings wegen <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rholung unwahrscheinlichwäre. Ein an<strong>de</strong>rer Titel aus <strong>de</strong>n Veröffentlichungen <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> mit einem‹A› am En<strong>de</strong> ist nicht gegeben. 76 Aber ein zusätzlicher, etwas hypothetischer Hinweisauf die Autorschaft fin<strong>de</strong>t sich. Eine gedrechselte Elfenbeinkapsel ist, leicht nach links <strong>von</strong><strong>de</strong>r Bildmittelachse versetzt, in <strong>de</strong>n unteren horizontalen Le<strong>de</strong>rriemen gesteckt. <strong>Die</strong>se könntemöglicherweise das Porträt <strong>de</strong>s Künstlers tragen. 77 Im Besitz <strong>Hoogstraten</strong>s ist allerdingsein <strong>de</strong>rartiges Kleinod nicht nachgewiesen. 78 Eine weitere versteckte ‹Signatur› Hoogstra-72 <strong>Die</strong> Datierung stammt <strong>von</strong> Horst Vey und wird allgemein anerkannt. S. Jahrbuch <strong>de</strong>r Staatlichen Museen<strong>von</strong> Ba<strong>de</strong>n Württemberg. Nr. 12, 1975, S. 283: «<strong>Die</strong> Entstehungszeit <strong>de</strong>s Gemäl<strong>de</strong>s ist einstweilen nichtgenauer bestimmbar als durch das Erscheinungsjahr <strong>de</strong>s jüngeren Schauspiels und <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>s Künstlers:1666–1678.» <strong>Die</strong> im folgen<strong>de</strong>n nacherzählte Zuschreibung muß zwangsweise auf die Inventarisierung <strong>de</strong>rBildgegenstän<strong>de</strong> vorgreifen, da die ‹Signaturen› nicht als Auflage im Bild erscheinen, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n dargestelltenGegenstän<strong>de</strong>n beigegeben sind.73 Für die Detailangaben bezüglich <strong>de</strong>s Gemäl<strong>de</strong>s danke ich Herrn Dr. <strong>Die</strong>tmar Luedke <strong>von</strong> <strong>de</strong>r StaatlichenKunsthalle Karlsruhe.74 ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, S. 39, 43.75 Unverständlicherweise datiert Brusati in DE ZICHTBARE WERELT 1992, S. 203 und BRUSATI 1995, S.363 das Karlsruher Steckbrett ins Jahr 1669 aufgrund eines Irrtums bezüglich <strong>de</strong>s Erscheinens <strong>de</strong>r RoomschePaulina. In ihrer Bibliographie, <strong>de</strong>nn bei ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, S. 55 und S. 85 wird das Jahr1660 als Datum <strong>de</strong>r Drucklegung <strong>de</strong>s Trauerspiels angegeben.76 BRUSATI 1995, S. 325 f.77 Ein sehr ähnliches Stück ist in <strong>de</strong>r Staatlichen Kunsthalle unter <strong>de</strong>r Inventarnummer 2763 (erworben 1985)verzeichnet. <strong>Die</strong>se zweiteilige Miniaturkapsel (s. Abb. 21) schuf Wolfgang Heimbach (ca 1600/10–ca.1678). Der Künstler war in Italien, Prag, Övelgönne, Kopenhagen und Münster tätig. <strong>Die</strong> Arbeit ausgedrechseltem Elfenbein zeigt das Porträt eines Herrn <strong>de</strong>r Bremer Familie Blum. Im Deckel innen ist einPaar in einer Landschaft zu sehen, außen prangt das Wappen <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>s Herrn. Für <strong>de</strong>n Hinweis dankeich Herrn Dr. <strong>Die</strong>tmar Luedke <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. S. Jahrbuch <strong>de</strong>r StaatlichenKunstsammlungen in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, Bd. 23, München, Berlin 1986, S. 150 ff..78 S. ROSCAM ABBING/THISSEN 1993.22


tens ist die Ehrenkette, die er im Jahre 1651 vom Habsburger Kaiser Ferdinand III. erhaltenhat, die dann auch in fast allen <strong>Trompe</strong>-l‘œils auftaucht. 793.<strong>2.</strong>1. Das Inventar <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>sIn <strong>de</strong>r Interpretation <strong>de</strong>s Steckbretts <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> soll zunächst imSinne Panofskys das tatsachenhafte primäre Sujet <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s Gegenstand <strong>de</strong>r Betrachtungsein. 80 Dabei wer<strong>de</strong>n die dargestellten Dinge in ihrer primären Be<strong>de</strong>utung, wie sie aus <strong>de</strong>mlebensweltlichen Gebrauch heraus erkennbar ist, mit ihren jeweiligen Koordinaten auf <strong>de</strong>rBildfläche erfaßt. Das Steckbrett besteht aus einem gemalten zweiteiligen Holzbrett mit einemillusionierten, schmalen Holzrahmen. <strong>Die</strong> Verfugung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Bretter ist an <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>näußeren vertikalen Rän<strong>de</strong>rn sichtbar. Verbin<strong>de</strong>t man die vorgegebene lineare Teilungdurchgängig, so ist diese imaginäre Linie mit geringer Abweichung die Bildmittelwaagerechte.Am unteren rechten Rand unterbricht ein gemaltes Astloch das Regelmaß <strong>de</strong>r Maserung<strong>de</strong>s Holzes. Darauf befin<strong>de</strong>t sich ein, im Verhältnis zur gesamten Bildfläche, rund 11/2fach kleineres, le<strong>de</strong>rnes Tuch, das als schützen<strong>de</strong>r Grund für die eigentlichen Bildgegenstän<strong>de</strong>dient. <strong>Die</strong>ses Tuch ist mit unregelmäßig verteilten Nägeln auf <strong>de</strong>n Rahmen gebracht.An <strong>de</strong>r oberen Kante teilen vier Nägel die Fläche in Drittel. Unten markieren lediglich dreiNägel dieselbe, wobei <strong>de</strong>r mittlere zugleich auch annähernd die Breite <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s halbiert.Zwei waagerechte rote Le<strong>de</strong>rriemen unterteilen die Fläche in drei annähernd gleichgroßeTeile. Sie sind an je unterschiedlichen Stellen auf <strong>de</strong>n Grund genagelt (s. Abb. 22 a, b).Im einzelnen stellte <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> folgen<strong>de</strong> Dinge im Bild dar. In <strong>de</strong>n oberenLe<strong>de</strong>rriemen sind nachstehen<strong>de</strong> Dinge gesteckt: Eine zusammengerollte Broschur mitblau-rot marmoriertem Umschlag, eine Schere, ein kunstvoll spiralartig gedrehtes Blatt Papier,eine Kamee mit <strong>de</strong>m Brustbild eines Mannes, ein Fe<strong>de</strong>rkiel, ein Messer, ein Buch mitLe<strong>de</strong>reinband mit <strong>de</strong>m Titel «Dorothé», ein Stift Siegellack, Augengläser, ein versiegelterBrief, <strong>de</strong>r die Signatur und die Datierung <strong>de</strong>s Gemäl<strong>de</strong>s trägt und ein Manuskript, auf <strong>de</strong>mein größtenteils lesbares Gedicht geschrieben steht:Ihr die (ihr) zweyfelt dass <strong>de</strong>s Zeuxis Meisterhanddie Vögel hab geteuscht durch flache farben-trauben?dass Ihm die Meisterschafft ein Edler (streyd ?) konnt raubendurch zärttern Pinsels fleiss und weisses Ma()-gewand?kommt schaut <strong>de</strong>n Hoochstraet an! Der Herrscher aller Welttdurch seines Pinsels Kunst in gleichen irrthum fällt.J. W. Herr <strong>von</strong> StoebenberchWien 16-- 81Neben diesen, im Bild lokal <strong>de</strong>finierten Gegenstän<strong>de</strong>n, die meist eine Fläche o<strong>de</strong>r eingeometrisch bestimmtes, geringes Volumen bil<strong>de</strong>n, schlängelt sich eine gol<strong>de</strong>ne, doppelglie-79 ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, S. 42 f., Quelle Nr. 29, S. 43, Abb. 11, s. o. Anm. 37.80 PANOFSKY 1978, S. 38 f.81 Ich habe die Transkription <strong>von</strong> Vey in: Jahrbuch <strong>de</strong>r Staatlichen Museen <strong>von</strong> Ba<strong>de</strong>n Württemberg. Nr. 12,1975, S. S. 282 übernommen. Verän<strong>de</strong>rt habe ich lediglich die schließen<strong>de</strong>n Satzzeichen <strong>de</strong>r zweiten undvierten Zeile zu Fragezeichen. Unsicher ist m. E. Das Wort «Mal-gewand» am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r vierten Zeile. Trotzeingehen<strong>de</strong>r Betrachtung ist es nicht zu entziffern. Zum Autor <strong>de</strong>s Gedichts s. Rausch, Thomas: JohannWilhelm Stubenberg (1618–1663). Wien 1949 (= Diss Wien 1949).23


drige Kette mal offen, mal ver<strong>de</strong>ckt, über die halbe Breite <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s; <strong>von</strong> links am zweitenNagel <strong>de</strong>s oberen Le<strong>de</strong>rriemens beginnend, bis zum vorletzten Nagel rechts. Es ist ein Teil<strong>de</strong>s erwähnten Geschenks <strong>von</strong> Ferdinand III. an <strong>Hoogstraten</strong>. Darüber hinaus befin<strong>de</strong>n sichdrei Stoffschleifen im Bild. <strong>Die</strong> blaue links trägt die Kamee, eine blau-rötliche scheint <strong>de</strong>nroten Le<strong>de</strong>reinband zu verschließen und schließlich eine rote, in <strong>de</strong>r rechten Bildhälfte, welchedie Ehrenmedaille mit <strong>de</strong>m Porträt Ferdinands III. trägt.In <strong>de</strong>m unteren Le<strong>de</strong>rriemen befin<strong>de</strong>n sich ein zylindrisches Gefäß aus glänzen<strong>de</strong>mMetall, ein Pinsel, ein bernsteinfarbener Kamm, ein nicht zu i<strong>de</strong>ntifizieren<strong>de</strong>s Druckwerk inrot-beige marmoriertem Umschlag, ein Umschlag aus Le<strong>de</strong>r, möglicherweise ein Buch mitFamiliendokumenten, da es direkt mit einem blaugrünen Doppel-Siegel <strong>de</strong>r Familie<strong>Hoogstraten</strong>s verbun<strong>de</strong>n ist und eine Elfenbeinkapsel, ein Rasiermesser, ein weiterer Kammmit langen, gröberen Zähnen. Darunter zeigt sich eine beschädigte, gedruckte Broschursichtbar: die «[Roomsche Paul]ina, [ofte Bedrooge Kuisheit. Eeen Treurs]pel.» 82Bereits in <strong>de</strong>r Inventarisierung <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> im Bild wird <strong>de</strong>utlich, daß es nichtnur unter <strong>de</strong>r reinen, augenbetrügen<strong>de</strong>n Absicht gemalt wur<strong>de</strong>. Zu vielfältig sind die Bezüge<strong>de</strong>r Dinge auf die Person <strong>Hoogstraten</strong>s. Neben dieser Deutung <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s als verstecktesSelbstporträt besitzen die Gegenstän<strong>de</strong> aber noch ein hinweisen<strong>de</strong>s Potential. So läßt sich<strong>de</strong>r Brief mit <strong>de</strong>m Gedicht <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>s Malers zuordnen. Während die Bücher vielmehreine an<strong>de</strong>re Fähigkeit rühmen, nämlich die Schriftstellerei. Damit <strong>de</strong>finiert sich <strong>de</strong>rKünstler über seine alle Tätigkeiten und nicht nur in seiner Funktion als Urheber <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s.3.<strong>2.</strong><strong>2.</strong> <strong>Die</strong> Parallelisierung <strong>de</strong>r Bildgegenstän<strong>de</strong> und ihre ‹Zeigefunktionen›Was in <strong>de</strong>r gegenständlichen Betrachtung, mit <strong>de</strong>m wie<strong>de</strong>rerkennen<strong>de</strong>n Sehen also,auffällt, nach<strong>de</strong>m die Dinge i<strong>de</strong>ntifiziert sind, ist eine in mannigfaltiger Weise vorgenommeneParallelisierung bestimmter Gegenstän<strong>de</strong>. D. h. diese sind in Funktion o<strong>de</strong>r Form o<strong>de</strong>raber bei<strong>de</strong>m teilweise zu Paaren einan<strong>de</strong>r zuzuordnen. Von <strong>de</strong>n 27 Gegenstän<strong>de</strong>n – einschließlich<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n roten Le<strong>de</strong>rriemen, welche die Dinge halten – lassen sich neun <strong>de</strong>rartigerPaare bil<strong>de</strong>n. 83 Immerhin ca. 67 Prozent sind also in einen Bezug zueinan<strong>de</strong>r gebracht.Offensichtlichstes Beispiel hierfür ist die Doppelung <strong>von</strong> Porträts. Zu sehen ist zum einendie Bildnismedaille Ferdinands III., zum an<strong>de</strong>ren die Kamee. Desweiteren sind zwei Kämmesowie zwei Messer, je zwei gerollte Papiere, zwei mit marmoriertem Papier eingeschlageneDruckwerke dargestellt; <strong>de</strong>m Siegel mit <strong>de</strong>m <strong>Hoogstraten</strong>schen Familienwappen istdas Briefsiegel mit <strong>de</strong>r Bildnissignatur beigeordnet. In formaler Hinsicht läßt sich zu<strong>de</strong>mdie Brille <strong>de</strong>r Schere zuordnen, da sie bei<strong>de</strong> eine ähnliche Reihung zweier Kreisformen zeigen.Ausnahmen bil<strong>de</strong>n die drei verschie<strong>de</strong>nfarbigen Schleifen, wobei mittels Farbe <strong>von</strong>einem Hellblauton über einen Mischton zu Rot vermittelt wird. Einzeln erscheinen lediglich<strong>de</strong>r Le<strong>de</strong>rumschlag, das Siegelwachs, <strong>de</strong>r Pinsel (wobei dieser noch mit <strong>de</strong>r zylindrischenMetallform zusammengesehen wer<strong>de</strong>n könnte), <strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>rkiel und das Buch <strong>Die</strong>rick en Dorothé.Funktional erfüllen diese Parallelisierungen einen mehrfachen Zweck. Zum einen individualisierensie die Dinge und spielen auf die Mannigfaltigkeit <strong>de</strong>r Welt an. Der Betrachterwird im näheren Hinschauen gera<strong>de</strong>zu gedrängt Vergleiche zu ziehen. Bei gleicher o<strong>de</strong>rähnlicher abstrakter Form und relativ i<strong>de</strong>ntischer Funktion, beispielsweise <strong>de</strong>r Kämme, wird<strong>de</strong>ren virtuelle Verschie<strong>de</strong>nheit im Konkreten <strong>de</strong>r bildlichen Erscheinung manifest. Zum an-82 Zur I<strong>de</strong>ntifikation <strong>de</strong>r dargestellten Publikationen <strong>Hoogstraten</strong>s s. o. Abschnitt 3.<strong>2.</strong>1.83 Ich zähle die Riemen <strong>de</strong>shalb dazu, weil sie nicht zwangsläufig in dieser Weise angeordnet sein müssen.<strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbretter besitzen oft eine verschie<strong>de</strong>n hohe Anzahl <strong>de</strong>rartiger Bän<strong>de</strong>r. Zu<strong>de</strong>m gibt es sichüberkreuzen<strong>de</strong> Bän<strong>de</strong>r (s. Abb. 23, 24). Quadratische Raster fin<strong>de</strong>n sich in mehreren Briefhaltern (1668;1671, bei<strong>de</strong> Statens Museum for Kunst, Kopenhagen) <strong>von</strong> Cornelis Norbertus Gysbrechts. MehrereBildbeispiele auch in: Ljungström, Lars: Contoirsstycket. Äldre svenska quod libet-stilleben och meningenmed <strong>de</strong>m, in Konsthistorisk Tidskrift LVII, 1988 S. 3045.24


<strong>de</strong>ren fin<strong>de</strong>t in dieser Ebene <strong>de</strong>r Betrachtung bereits – wie später in <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>r planimetrischenStruktur noch <strong>de</strong>utlicher wird – eine das additive Sehen for<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Verklammerung<strong>de</strong>r Dinge zur Überbrückung <strong>von</strong> Distanzen im Bild statt. Damit ist gemeint, daß <strong>de</strong>rBeschauer in <strong>de</strong>r Betrachtung angehalten ist, jene Paarungen und die drei Schleifen als jeweilszusammengehörig zu sehen, diese aber im sukzessiven Sehvollzug nacheinan<strong>de</strong>r erfährt,zuungunsten eines geschlossenen, harmonischen Gesamteindrucks, so wie es die klassischeKomposition for<strong>de</strong>rt. 84 Ein dritter Aspekt, <strong>de</strong>r zu<strong>de</strong>m auf einer symbolischen Ebeneangesprochen wird, ist <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Sehens allgemein. Darauf <strong>de</strong>utet die Darstellung <strong>de</strong>r Brillehin, die «die Abbreviatur <strong>de</strong>s Gesichtssinns und ein häufiges Abzeichen <strong>de</strong>s Malers [ist].» 85Desgleichen fungieren einige Gegenstän<strong>de</strong> zum Zweck <strong>de</strong>s Hinweisens auf an<strong>de</strong>re (s.Abb. 22 h). <strong>Die</strong>se sind nicht zufällig beson<strong>de</strong>rs exponiert. Da ist zum einen die Kamee, aufdie mittels <strong>de</strong>r direkt zeigen<strong>de</strong>n Klinge <strong>de</strong>s Messers zur Zuschneidung <strong>von</strong> Fe<strong>de</strong>rkielen sowie<strong>de</strong>r Längsachse <strong>de</strong>r Elfenbeinkapsel und <strong>de</strong>r Verlängerung <strong>de</strong>r Borstenen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Pinsels,die eine glatte Kante bil<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Richtung durch das zweite gerollte Papier <strong>von</strong> linksaufgenommen wird, beson<strong>de</strong>rs hingewiesen wird. Eine ähnliche Funktion übernehmen dasnicht i<strong>de</strong>ntifizierte Schriftstück, <strong>de</strong>ssen Oberkante zusammen mit <strong>de</strong>m Oberteil <strong>de</strong>s Rasiermesserseine Linie bil<strong>de</strong>t, und die Zähne <strong>de</strong>s Hornkamms rechts. Sie weisen auf die Ehrenmedaille.3.<strong>2.</strong>3. <strong>Die</strong> planimetrische Struktur <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>sIn einem Sehen, das additiv vorgehend, die dargestellten Dinge im Bild zu einer Makrostrukturzusammenfaßt, nimmt <strong>de</strong>r Beschauer aus <strong>de</strong>r zunächst unstrukturiert wirken<strong>de</strong>nVielfalt eine waagerecht liegen<strong>de</strong>, Ballung <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m Grund wahr, die – ineiner unregelmäßigen Rundform – einem Crescendo gleich <strong>von</strong> links nach rechts anschwillt.Man kann jedoch nicht <strong>von</strong> einem klassischen Kompositionsschema, geschweige <strong>von</strong> einerrelationalen Bildordnung, <strong>de</strong>ren Sinn in einer Gesamtheit <strong>de</strong>r Einzelobjekte liegt, sprechen.Vielmehr fin<strong>de</strong>n sich Momente linearer Bezüge, die <strong>de</strong>n Eindruck <strong>von</strong> Ordnung lediglichpartiell vermitteln. <strong>Die</strong>se können durch zeichnerische Vereinfachung in Skizzen ver<strong>de</strong>utlichtwer<strong>de</strong>n. 86 In <strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>r Bilddinge hinsichtlich ihrer linearen Beschaffenheit undDisposition interagieren sie mehrfach und ineinan<strong>de</strong>r verzahnt in je verschie<strong>de</strong>nen Auffächerungen,Staffelungen und Parallelisierungen. Wegen <strong>de</strong>r Staffelung und <strong>de</strong>s Verzahnensmehrerer solcher Momente entsteht wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>r Eindruck <strong>de</strong>s Ungeordneten. So ordnete<strong>Hoogstraten</strong> eine Staffelung <strong>de</strong>r Oberkanten bzw. Seitenkante <strong>de</strong>s Stubenberggedichts, <strong>de</strong>sroten Le<strong>de</strong>reinbands, <strong>de</strong>r nicht i<strong>de</strong>ntifizierbaren Schrift in <strong>de</strong>m rot-marmorierten Umschlagund <strong>de</strong>m beige-le<strong>de</strong>rnen Heft mit <strong>de</strong>n grünen Siegeln zu einer Viertelkreisbewegung an (s.Abb. 22 c, grüne Linien). Wobei zu<strong>de</strong>m noch <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Unterkanten ein geometrischer Bezugzu <strong>de</strong>m Astloch rechts im hölzernen Grund hergestellt wird, da es erscheint, als sei dieses<strong>de</strong>r Mittelpunkt eines imaginären Kreises, auf <strong>de</strong>m die besagten Kanten teilweise auf Radien<strong>de</strong>s imaginären Kreises liegen. Eine weitere Staffelung wird aus <strong>de</strong>n Längsachsen <strong>de</strong>r zusammengerolltenBroschur im blau marmorierten Einband, <strong>de</strong>r weißen rechts daneben, <strong>de</strong>mMesser zur Zuschneidung <strong>von</strong> Fe<strong>de</strong>rkielen, <strong>de</strong>r rechten Seite <strong>de</strong>s Trauerspiels <strong>Die</strong>rick enDorothé und <strong>de</strong>m Griff <strong>de</strong>s großen Hornkamms (s. Abb. 22 d, rote Linien) gebil<strong>de</strong>t. <strong>Die</strong>sesKreissegment stellt eine Gegenbewegung zur ersten gesehenen Ordnung dar. Verbin<strong>de</strong>t mansehend die Längsachse <strong>de</strong>r zusammengerollten Broschur im linken oberen Bildgeviert mit84 <strong>Die</strong>ser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, daß das Buch mit <strong>de</strong>m Trauerspiel <strong>Die</strong>rick en Dorothée auf<strong>de</strong>m Kopf stehend dargestellt ist.85 Becker, Jochen: Das Buch im Stilleben – Das Stilleben im Buch, in: Stilleben in Europa, Hg.: Langemeyer,Gerhard; Peters, Hans-Albert, Ausst. Kat. Münster, Ba<strong>de</strong>n Ba<strong>de</strong>n 1979, S. 468.86 S. Anhang Abbildungsteil. Im Fließtext wird durch Numerierung <strong>de</strong>r Abbildungen in Klammern auf dieentsprechen<strong>de</strong> Skizze hingewiesen.25


<strong>de</strong>m Pinsel und <strong>de</strong>m unteren Nagel, <strong>de</strong>r mittig das Le<strong>de</strong>rtuch auf <strong>de</strong>m Holzbrett befestigt, soerkennt man ebenfalls eine rundförmige Richtungsangabe (s. Abb. 2<strong>2.</strong> c, blaue Linien).Neben <strong>de</strong>n Auffächerungen auf imaginären Radien sowie <strong>de</strong>m kaska<strong>de</strong>nartigen Aufsteigenbzw. Abfallen <strong>de</strong>r Kanten <strong>de</strong>r Dinge, sind die Längsachsen folgen<strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong>parallel geführt. Zusammengesehen wer<strong>de</strong>n in dieser Weise die Längsachsen <strong>de</strong>s kleinenKamms mit <strong>de</strong>m Metallzylin<strong>de</strong>r, die Elfenbeinkapsel mit <strong>de</strong>m Pinsel, das Papiermesseroben mit <strong>de</strong>r Schrägrichtung, die <strong>de</strong>r blauen Schleife gegeben ist, welche die Kamee trägt,<strong>de</strong>r Oberkante <strong>de</strong>s großzahnigen Kamms und die <strong>de</strong>s Stubenberggedichts (s. Abb. 22 d).Jene Anordnung <strong>de</strong>r Kanten <strong>de</strong>utet annäherungsweise auf die Diagonale <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s undnimmt damit Bezug zur Fläche <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s als Ganzes. Damit wäre ein Kriterium <strong>de</strong>s klassischenKompositionsbegriffs erfüllt.<strong>Die</strong> Schere, das Rasiermesser, die Längsachse <strong>de</strong>r Kamee, die rote Schleife an <strong>de</strong>r dieEhrenmedaille hängt und das Siegelwachs stehen zwar nicht parallel zueinan<strong>de</strong>r, aber <strong>de</strong>nnochparallel zu <strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s. Zu<strong>de</strong>m formieren das gelbe Band an <strong>de</strong>m das grüne<strong>Hoogstraten</strong>sche Wappen hängt, das Rasiermesser, die rote Schleife und <strong>de</strong>r Stift Siegelwachseine relativ regelmäßige Aufwärtstaffelung <strong>von</strong> Senkrechten (s. Abb. 22 f). Jene Staffelungspaltet in ihrer Zusammenschau die rektangulären Formen <strong>de</strong>s Le<strong>de</strong>reinbands vomTrauerspiel <strong>Die</strong>rick en Dorothé <strong>von</strong> <strong>de</strong>m groben, bernsteinfarbenen Kamm. Desweiteren erscheinenGegenstän<strong>de</strong>, die als an einer Achse ‹gespiegelt› betrachtet wer<strong>de</strong>n können. <strong>Die</strong>sesZusammensehen ergibt sich wegen <strong>de</strong>r geometrisch-formalen Ähnlichkeit, ihrer nur unwesentlichverschie<strong>de</strong>nen Größe sowie ihrer Lage, die in <strong>de</strong>r Verlängerung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n sich zugewandtenSeiten einen spitzen Winkel bil<strong>de</strong>n (Abb. 22 g). Der Scheitelpunkt liegt im linkenunteren Bildgeviert, knapp oberhalb <strong>de</strong>s inneren Rahmens. Hier ist keine Weisungsfunktionerkennbar, wie es beim Astloch rechts als Mittelpunkt <strong>de</strong>r Fall war.Im sehen<strong>de</strong>n Sehen ergeben sich diese Zustän<strong>de</strong> <strong>von</strong> Kompositorischem in einer relativunfixierten Weise. <strong>Die</strong> Zueinan<strong>de</strong>rgruppierung einiger weniger Gegenstän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Mannigfaltigkeit<strong>de</strong>r Bildgesamtheit zu flüchtigen ‹Kompositionssplittern› verhin<strong>de</strong>rt ein Stillstehen<strong>de</strong>s Betrachterauges. Fortwährend ist <strong>de</strong>r Betrachter am Zug Ordnungen zukonstituieren, die aber nicht <strong>von</strong> einem übergeordneten Gesamtzusammenhang bestätigtwer<strong>de</strong>n. Zwar kann man zurück zu <strong>de</strong>r Anschauung <strong>de</strong>s gesamten Bildinventars als Ballung,da diese jedoch keinem kompositorisch ein<strong>de</strong>utigen Prinzip unterliegt, bestätigt sich <strong>de</strong>rEindruck allgemeiner Kontingenz als relative.3.<strong>2.</strong>3.1. <strong>Die</strong> bildimmanente Funktion <strong>de</strong>r NägelWie bereits beschrieben ist die Vernagelung <strong>de</strong>s Le<strong>de</strong>rtuchs und <strong>de</strong>r Le<strong>de</strong>rriemen auf<strong>de</strong>m Steckbrett nicht einer regelmäßigen, handwerklichen Ordnung entsprechend ausgeführt.Unabhängig <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Funktion auf <strong>de</strong>m Steckbrett – ob als Fixierung <strong>de</strong>s Le<strong>de</strong>rtuchso<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Riemen – stellt <strong>Hoogstraten</strong> zwei Sorten Nägel dar. <strong>Die</strong> einen besitzeneinen messingfarbenen, die an<strong>de</strong>ren einen stahlfarbenen Kopf. Damit bricht <strong>de</strong>r Künstlerdas strenge waagerechte Ordnungsgefüge auf, welches die orthogonale Struktur <strong>de</strong>s Gegenstandsmit sich bringt. <strong>Die</strong>s hat zu Folge, daß <strong>de</strong>r Betrachterblick, welcher <strong>de</strong>r Flächigkeit<strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s folgend, eher in Leserichtung, also <strong>von</strong> links nach rechts schaut, in einem ‹Aufund-ab›über die Bildfläche geführt wird.<strong>Die</strong> Abbildung 22 a. zeigt einen Wechsel zwischen Ordnung und Unordnung. Ziehtman eine Diagonale <strong>von</strong> links oben nach rechts unten, so ist das linke Dreieck bestimmtdurch <strong>de</strong>n gleichmäßigen Wechsel <strong>von</strong> Messing und Stahlnägeln, das rechte hingegen zeigtnur eine Unterbrechung <strong>de</strong>r Stahlnagelreihe. Auch Abbildung 22 b. ver<strong>de</strong>utlicht die Unterstreichung<strong>de</strong>s Kontingenten mittels <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Darstellung <strong>de</strong>r Nägel. Hier, auf <strong>de</strong>nbei<strong>de</strong>n Horizontalen, ist keinerlei Regelmaß gegeben.26


3.<strong>2.</strong>4. <strong>Die</strong> Ordnung <strong>de</strong>r Bildfläche ohne die dargestellten DingeBetrachtet man nun die Fläche selbst, unabhängig <strong>von</strong> <strong>de</strong>n dargestellten Gegenstän<strong>de</strong>nund ihrer Anordnung auf <strong>de</strong>r Fläche, so sind es eigentlich zwei übereinan<strong>de</strong>r lagern<strong>de</strong>Rechtecke. Das eine ist das Le<strong>de</strong>r bzw. <strong>de</strong>r tiefgrüne Stoff als Schutzunterlage für die Dingeund das an<strong>de</strong>re ist das Holz als eigentlicher Träger. Zieht man Diagonalen durch das innereund das äußere Rechteck, so erhält man zwar <strong>de</strong>nselben Mittelpunkt als Bildmittelpunkt,doch das innere ist in seinem Verhältnis <strong>von</strong> Höhe zu Breite nicht proportional zur äußerenFläche. <strong>Die</strong>s könnte nun ein Ergebnis <strong>de</strong>r extrem flachen Perspektivkonstruktion sein, dieim Steckbrett aufgrund <strong>de</strong>r Beschaffenheit <strong>de</strong>r Dinge notwendig ist. Doch auch wenn mandie Diagonalen <strong>de</strong>s Holzbretts aus <strong>de</strong>n Punkten bil<strong>de</strong>t, die nicht erhaben wie <strong>de</strong>r Rahmendie Ecken bil<strong>de</strong>n, so bleibt die geringfügige Aproportionalität erhalten. <strong>Die</strong>se Abweichung<strong>von</strong> einer strikt konstruierten Verschachtelung zweier Rechtecke läßt sich als Erweiterungund Verstärker <strong>de</strong>s kontingenten Potentials <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s <strong>de</strong>uten.3.<strong>2.</strong>5. Ansätze einer FarbrhetorikDas Bild zeigt in <strong>de</strong>r Hauptsache Rot-, Gelbbeige-, Braun- und Weißtöne, die abgesehenvom dominieren<strong>de</strong>n Rot nur selten unvermischt auftreten. Dazu sieht man das dunkleGrün <strong>de</strong>s Tuchs als Mittel zur Exposition <strong>de</strong>r Lokalfarben <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong>, welches insschwarze tendiert und links durch kaum merkliche Hellung eine Wölbung markiert. Eineher metallisches Grün charakterisiert die bei<strong>de</strong>n Siegel am le<strong>de</strong>rnen Hefteinband unter <strong>de</strong>rElfenbeinkapsel. Zu<strong>de</strong>m fin<strong>de</strong>n sich Anteile Blau in <strong>de</strong>r Marmorierung <strong>de</strong>r linken oberenBroschur sowie auf <strong>de</strong>m Einband <strong>de</strong>r Paulina und verschie<strong>de</strong>ne Mischfarben. Damit wärenzumin<strong>de</strong>st in Mischtönen alle Grund- und Sekundärfarben indirekt präsent. <strong>Die</strong> Lokalfarben<strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> können so <strong>de</strong>r Wirklichkeit entsprechen. Doch bereits in <strong>de</strong>r Farbgestaltung<strong>von</strong> so kleinen Dingen wie <strong>de</strong>n drei Schleifen erkennt man ein malerisches Kalkül. <strong>Die</strong>linke, kameetragen<strong>de</strong> Schleife, erstrahlt als heller Lichtträger in einem ins Weiße changieren<strong>de</strong>nBlauton. In hartem Kontrast dazu stün<strong>de</strong> das tiefe Rot <strong>de</strong>r Medaillenschleife. Hiervermittelt die mittlere Schleife durch ein zartes Blauviolett, welche das Buch verschließt.Problematischer allerdings als das Erkennen <strong>von</strong> evi<strong>de</strong>nten Richtungswerten ist <strong>de</strong>nnoch dieAnalyse <strong>von</strong> Farbbeziehungen innerhalb <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s. Auch hier läßt sich <strong>von</strong> einer zunächstrasterhaften Ordnung sprechen. Da wäre die innere Rahmengebung durch <strong>de</strong>n roten Rand<strong>de</strong>s Tuchs zu nennen. Zu gleichen Teilen dritteln die zwei roten horizontalen Le<strong>de</strong>rriemendie Fläche. <strong>Die</strong>se Ordnung entspringt aber <strong>de</strong>r Notwendigkeit <strong>de</strong>r Erscheinung <strong>de</strong>s Steckbrettsals temporärer Aufbewahrungsort. Für <strong>de</strong>n Alltagsgegenstand gilt in <strong>de</strong>n meisten Fälleneine Unterteilung <strong>de</strong>r Fläche mittels roter Le<strong>de</strong>rbän<strong>de</strong>r, wenn auch nicht unbedingt mit<strong>de</strong>m roten Rahmen. 87Im einzelnen ist das Karlsruher Bild farblich so geordnet, daß die weißen und blauenTöne meistens an <strong>de</strong>n vertikalen Rän<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r oberen Bildhälfte orientiert sind. <strong>Die</strong> gelben,roten und braunen bzw. beigegelben Töne sammeln sich in überwiegen<strong>de</strong>r Zahl mittig undin <strong>de</strong>r unteren Bildhälfte. Aber es sind gera<strong>de</strong> die Ausnahmen, die vermeintliche Ordnungsempfindungenstören. Irritierend wirkt das Papiermesser mit seinem ‹gelben› Griff. Desgleichenüber<strong>de</strong>ckt <strong>de</strong>r grobzahnige Kamm die Paulina und schränkt so die Möglichkeit <strong>de</strong>s addieren<strong>de</strong>nSehens mit <strong>de</strong>r gerollten blauen Broschur links oben hin zu einer betonen<strong>de</strong>n,diagonalen Richtung ein. Relativ <strong>de</strong>utlich und gleichermaßen die formale Ordnung stützend,wie sie bereits unter 3.<strong>2.</strong>3. mit Bezug auf die Abb. 22 f beschrieben wur<strong>de</strong>, sieht man jeneStaffelung, die vom rechten unteren Bildgeviert bis zum rechten oberen reicht. Rot sind hier87 Selbst in einem so kleinen Gemäl<strong>de</strong> wie <strong>de</strong>m Steckbrett <strong>von</strong> Cornelis <strong>van</strong> <strong>de</strong>r Meulen (s. Abb. 24, Öl/Lw.,26 x 33,5 cm, Kungl. Husgerådskammaren, Stockholm, in: Cavalli-Björkman, Görel; Nilsson, Bo: Stilleben.Stockholm 1995, S. 168), in welchem nur ein Le<strong>de</strong>rriemen die Fläche teilt, ist dieser rot.27


<strong>de</strong>r Rand <strong>de</strong>s Tuchs, <strong>de</strong>r Siegellackstift und die hängen<strong>de</strong> Schlaufe. Ohne krassen Übergangläßt sich zu<strong>de</strong>m noch unten das Rasiermesser hinzu<strong>de</strong>nken.<strong>Die</strong> Beschreibung hat gezeigt, daß sich also auch in <strong>de</strong>r Farbgebung kompositorischeMomente ausmachen lassen. <strong>Die</strong>se stimmen zu<strong>de</strong>m teilweise mit <strong>de</strong>n Ordnungen aus <strong>de</strong>rformalen Struktur überein und stützen sie durch ihre je verschie<strong>de</strong>ne Farbgebung. Das heißt,daß Farbe als Bildsinn stiften<strong>de</strong>s Parameter gleichermaßen für die spezifische Qualität <strong>de</strong>sSteckbretts <strong>von</strong> Be<strong>de</strong>utung ist und keineswegs einer absoluten Kontingenz gehorcht. Damitist auch die Wichtigkeit <strong>de</strong>r Betrachtung farblicher Ordnungen zum Verständnis <strong>de</strong>s Gemäl<strong>de</strong>serwiesen.Weitere Bildbeispiele sollen nun zeigen, daß sich die ersehenen Qualitäten nicht nurauf dieses eine Bild beschränken, son<strong>de</strong>rn auch konstitutiv für die früheren Arbeiten <strong>Samuel</strong><strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>s aufzeigen lassen.3.3. Bildbeispiel 2: Das Dordrechter <strong>Trompe</strong>-l‘œilEin zweites Bild <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>-l‘œils <strong>von</strong> <strong>Hoogstraten</strong> soll zur Untermauerung <strong>de</strong>r Thesendienen, wie sie in <strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>s Karlsruher Bil<strong>de</strong>s durch die beschriebenen Bilddatenund Relationen bewiesen wur<strong>de</strong>n. Im Inventar <strong>de</strong>s Dordrechts Museum befin<strong>de</strong>t sichein <strong>Trompe</strong>-l‘œil <strong>Hoogstraten</strong>s, das sich im Unterschied zum Karlsruher Bild exakt datierenläßt. Gleich zwei Mal hinterläßt <strong>de</strong>r Maler ein<strong>de</strong>utige Hinweise auf das Entstehungsjahr.Zum einen fin<strong>de</strong>n sich Datierung und Signatur auf <strong>de</strong>m Dokument, das zusammengefaltetunter einem roten Siegel in <strong>de</strong>r Bildmitte <strong>de</strong>r unteren Bildhälfte zwischen zwei Bän<strong>de</strong>rnklemmt. Zum an<strong>de</strong>ren ist wie<strong>de</strong>rum ein Le<strong>de</strong>reinband zu sehen. Hier ist es jedoch keinDruckwerk <strong>Hoogstraten</strong>s, son<strong>de</strong>rn ein Tagebuch mit <strong>de</strong>m Titel «Anno 1664». Weiterhinmalte <strong>Hoogstraten</strong> auch hier wie<strong>de</strong>r das kaiserliche Medaillon mit Ehrenkette offen sichtbar.Das Gemäl<strong>de</strong>, das mit Ölfarben auf Leinwand gemalt wur<strong>de</strong>, mißt 45,5 zu 57,5 cm,ist also flächenmäßig etwas mehr als halb so groß wie das Karlsruher Bild. Auch hier wirdin <strong>de</strong>r Literatur die Herkunft nicht weiter zurückverfolgt, als bis in die jüngste Vergangenheit.Als eine Zuschreibung an Edwaert Collier wird es 1989 in London versteigert. DerLondoner Kunsthändler Johnny <strong>van</strong> Haeften vermittelt das Bild 1992 an das DordrechtsMuseum. 883.3.1. Das Inventar <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>sIm Unterschied zum Karlsruher Bild unterteilen hier drei rote Le<strong>de</strong>rriemen anstelle<strong>von</strong> zweien die Fläche <strong>de</strong>s Steckbretts. In <strong>de</strong>r sich durch die Teilung ergeben<strong>de</strong>n waagerechtenReihen sind folgen<strong>de</strong> Gegenstän<strong>de</strong> <strong>von</strong> links nach rechts und oben nach unten zu sehen.Auch in diesem Gemäl<strong>de</strong> tauchen wie<strong>de</strong>r die Ehrenmedaille Ferdinands III. und die dazugehörigeGoldkette auf. Erstere hängt an einer hellblauen Schleife, die am oberen Le<strong>de</strong>rriemen<strong>de</strong>s Steckbretts befestigt ist. Daneben fin<strong>de</strong>n sich ein Rasiermesser, eine rote Schleife, dieeine Perlenkette hält. Ein Brieföffner o<strong>de</strong>r Messer zum Anspitzen <strong>von</strong> Fe<strong>de</strong>rkielen mit einemverzierten Griff folgt daneben. Direkt rechts da<strong>von</strong> wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Gegenstand eineSchreibfe<strong>de</strong>r zugeordnet. <strong>Die</strong> obere Reihe schließt mit einem metallenen, länglichen Gegenstandab, <strong>de</strong>r in einer Kapsel nach oben hin auswächst. 8988 S. Abb. 2; BRUSATI 1995, Checklist Nr. 81, S. 362; ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, Nr. 29 S. 128;DE ZICHTBARE WERELT 1992 Nr. 47, S. 203 ff..89 S. DE ZICHTBARE WERELT 1992, S. 205. Im Text zum Bild vermutet Celeste Brusati, daß es sich umeine Hutna<strong>de</strong>l han<strong>de</strong>lt.28


Der darunter befindliche Le<strong>de</strong>rriemen enthält folgen<strong>de</strong> Gegenstän<strong>de</strong>: Ein Zwirnfa<strong>de</strong>nist am linken Nagel <strong>de</strong>s mittleren Le<strong>de</strong>rriemens befestigt. Er schlängelt sich in einer langgezogenenEllipse abwärts und bezeichnet einen Bogen, <strong>de</strong>r in einem Fingerloch einer Schereen<strong>de</strong>t. Ein zusammengefaltetes Dokument mit umgeknickter rechter Ecke liegt auf <strong>de</strong>r unterstenEbene direkt auf <strong>de</strong>m tragen<strong>de</strong>n Grund. Der große Hornkamm, <strong>de</strong>r später auch imKarlsruher Steckbrett erscheint, be<strong>de</strong>ckt teilweise die obere Reihe. Direkt an einem Nagelist eine dreifarbige Schleife befestigt. Sie trägt eine Kamee, <strong>de</strong>ren Fassung mit roten E<strong>de</strong>lsteinenjener aus <strong>de</strong>m Karlsruher Bild sehr ähnlich ist. Ein als Dokument erkennbares, gefaltetesPapier schließt sich rechts an und trägt Signatur und Datum <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s. In <strong>de</strong>r darüberliegen<strong>de</strong>n Ebene erhebt sich ein rotes Siegel an einem breiten weißem Band. <strong>Die</strong>sesverschließt das zuvor beschriebene Schriftstück. Rechts daneben ist ein in Le<strong>de</strong>r gebun<strong>de</strong>nesTagebuch mit <strong>de</strong>m Titel «Anno 1664» eingesteckt, das an <strong>de</strong>r linken Seite oben und unten<strong>von</strong> je einer blauen Schleife verschlossen wird. Am rechten Bildrand schließt die Reihemit einem zusammengerollten broschierten Text ab. 90<strong>Die</strong> dritte Reihe beginnt links mit einem Na<strong>de</strong>lkissen, das vor <strong>de</strong>m Le<strong>de</strong>rriemenhängt und nur <strong>von</strong> einer Na<strong>de</strong>l getragen wird, durch <strong>de</strong>ren Öhr <strong>de</strong>r Zwirn als tragen<strong>de</strong>s Elementläuft. Es folgen ein kleiner bernsteinfarbener Kamm und die bereits erwähnten Dinge:die Schere, die Kamee und die blaue Schleife, die das Tagebuch verschließt.3.3.<strong>2.</strong> <strong>Die</strong> Parallelisierung <strong>de</strong>r Bildgegenstän<strong>de</strong>In einer gänzlich an<strong>de</strong>ren Weise als im Karlsruher Bild ordnete <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>in seinem Dordrechter Bild die Gegenstän<strong>de</strong> zu Gruppen zusammen. Hier sind es nichtausschließlich die paarweisen Zuordnungen <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong>, welche <strong>de</strong>n Blick auf die Dinge<strong>de</strong>r Welt qua vergleichen<strong>de</strong>m Sehen schärfen. Von <strong>de</strong>n 24 Objekten, zählt man das roteSiegel am weißen Band und die bei<strong>de</strong>n Tagebuchschleifen als Einzeldinge, ergeben sich folgen<strong>de</strong>Ähnlichkeitsgruppen. Zunächst gibt es wie<strong>de</strong>rum die Paarung zweier in Größe undGestalt differieren<strong>de</strong>r Kämme sowie zwei Messer unterschiedlicher Funktion. <strong>Die</strong> Körpermit <strong>de</strong>r größten Volumenaus<strong>de</strong>hnung in <strong>de</strong>n Betrachterraum sind das Na<strong>de</strong>lkissen und diegerollte Broschur. Zwei Ketten differenzieren <strong>de</strong>n unterschiedlichen Materialeindruck <strong>de</strong>sFamilienbegriffs. Da ist die Perlenkette, die vornehm leuchtend in <strong>de</strong>r Bildmitte hängt. Eherim Hintergrund überbrückt die Ehrenkette in einem seichten Schwung annähernd zwei Drittel<strong>de</strong>s Bildgrun<strong>de</strong>s. Es erscheinen drei quadratische Schriftstücke, die in beinahe voller Flächenaus<strong>de</strong>hnungmit annähernd gleicher Oberfläche dargestellt sind. Medaille, Kamee undSiegel bil<strong>de</strong>n eine Trias <strong>de</strong>r Rundformen. Drei längliche Gegenstän<strong>de</strong>, die am oberen En<strong>de</strong>breit auslaufen, sprich Schere, Fe<strong>de</strong>r und Hutna<strong>de</strong>l, geben eine vergleichbare Form vor. <strong>Die</strong>größte Anzahl familienähnlicher Gegenstän<strong>de</strong> stellen die fünf Schleifen im Bild dar. Siespiegeln in sich ein Verhältnis zwischen Dreizahl und Doppelung, <strong>de</strong>nn während die zwei,das Tagebuch verschließen<strong>de</strong>n blauen Schleifen eher poveren Charakters sind, so prunkendie übrigen drei. Ihr Zusammenhang wird durch ihre je verschie<strong>de</strong>ne Farbigkeit und Erscheinung<strong>de</strong>utlich. Es scheint ein innerer Wettbewerb um die größte Schönheit und Vielfaltzu sein, wenn die üppige blaue links oben in Kontrast zur roten gesetzt ist, jedoch die in <strong>de</strong>rTrias <strong>de</strong>r Grundfarben gemalte, feine, aber wesentlich komplizierter ausgeführte Schleife,welche die Kamee trägt, alle an<strong>de</strong>ren zu überragen scheint.Daraus ergibt sich folgen<strong>de</strong> Struktur im Unterschied zum zuvor analysierten Steckbrett:Es wird offenbar, daß bis auf die Nähna<strong>de</strong>l und <strong>de</strong>n Zwirn alle Objekte gruppiert sind,90 <strong>Die</strong> Broschur stößt offensichtlich hart an <strong>de</strong>n gemalten schwarzen Rahmen. Stellt man sich die zusammengerollteSchrift formal abstrahiert als einen Zylin<strong>de</strong>r vor, so ist auffällig, daß <strong>de</strong>r obere Abschluß mit <strong>de</strong>mBildrand parallel geführt ist, <strong>de</strong>r Winkel, mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gegenstand im Le<strong>de</strong>rriemen steckt, aber zu wenigstumpf ist, um nicht irritierend zu wirken. <strong>Die</strong>se Irritation qua augenscheinlicher ‹Überdrehtheit› <strong>de</strong>rBroschur wird ein wenig gemil<strong>de</strong>rt durch die angemalten Beschädigungen <strong>de</strong>s Deckblatts und die Eselsohren.29


also viel mehr, als es die 67 Prozent <strong>de</strong>s Karlsruher Bil<strong>de</strong>s sind. Zu<strong>de</strong>m halten sich ZweierundDreiergruppen die Waage, <strong>de</strong>nn bis auf die Ähnlichkeit durch die Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>s Volumensim Na<strong>de</strong>lkissen sowie <strong>de</strong>r Broschur existiert hier keine formale bzw. funktionaleÄhnlichkeit. Eine Son<strong>de</strong>rgruppe bil<strong>de</strong>n die fünf im Bild dargestellten Schleifen. Hier läßtsich intern noch die Unterscheidung zwischen einer Dreier- und einer Zweiergruppe bil<strong>de</strong>n.Während die zwei kleinen, das Tagebuch verschließen<strong>de</strong>n Bän<strong>de</strong>r einen untergeordnetenRang einnehmen, sind die drei an<strong>de</strong>ren durch Farbigkeit, räumliche Aus<strong>de</strong>hnung und Ausführungals Dreiergruppe exponiert. Stellt man sich nun die Frage nach <strong>de</strong>r Funktion jenesleichten Übergewichts zugunsten <strong>de</strong>r Dreierkonstellationen, so kommt <strong>de</strong>r Beschauer nichtumhin, die Basis <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s zu betrachten, sprich das Steckbrett selbst. Auch hier hilft einvergleichen<strong>de</strong>r Blick auf die Arbeit in Karlsruhe weiter. Bot nämlich dort die tragen<strong>de</strong> Flächezwei Le<strong>de</strong>rriemen zum Einstecken <strong>de</strong>r Dinge, so sind es hier drei Bän<strong>de</strong>r, welche dieFläche in Viertel teilen. <strong>Die</strong> gesehenen kompositorischen Momente sind somit <strong>von</strong> größerersichtbarer Evi<strong>de</strong>nz als im Karlsruher Bild. Der ordnen<strong>de</strong> Eingriff scheint größeren Anteilgehabt zu haben. Im übrigen gelten dieselben Strategien wie schon im an<strong>de</strong>ren Bild: die erklären<strong>de</strong>Mannigfaltigkeit aus einer Form bzw. Funktionsfamilie, die formale Verklammerung<strong>de</strong>r Bildfläche und die Verweisfunktion auf das Sehen selbst, als ein unterschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s,selektieren<strong>de</strong>s und ordnen<strong>de</strong>s Wahrnehmen.Im übrigen wird hier nur die Kamee durch hinweisen<strong>de</strong> Linien exponiert. So zeigendie etwas ver<strong>de</strong>ckte rechte Seite <strong>de</strong>s Dokuments mit <strong>de</strong>m Eselsohr und die linke Seite <strong>de</strong>sBriefs winkelartig auf <strong>de</strong>n Gegenstand. Das direkte Liegen auf <strong>de</strong>m unteren Le<strong>de</strong>rriemenermöglicht ebenfalls <strong>de</strong>ssen Deutung als Richtungswert <strong>von</strong> bei<strong>de</strong>n Seiten hin zu <strong>de</strong>r Kostbarkeit.Doch wird ein solch hoher Komplexitätsgrad wie im Karlsruher <strong>Trompe</strong>-l‘œil nichterreicht. Das Bild wird zurecht früher datiert.3.3.3. <strong>Die</strong> planimetrische StrukturTrotz einer nie<strong>de</strong>rgradigen Komplexität <strong>de</strong>r dargestellten Dinge, welche sich nichtnur aus <strong>de</strong>m früheren Entstehungsdatum erklärt, son<strong>de</strong>rn auch wegen <strong>de</strong>r geringeren Größeim Verhältnis zum Karlsruher Steckbrett, lassen sich im Dordrechter Bild innerbildlicheOrdnungen fin<strong>de</strong>n, die in <strong>de</strong>r Wahrnehmung <strong>de</strong>s Beschauers ähnlich wie im ersten Bildfunktionieren. Im Unterschied zu jenem stellt sich im Dordrechter <strong>Trompe</strong>-l‘œil zunächstein All-over Effekt im Sinne einer relativ gleichmäßigen Verteilung aller Dinge auf <strong>de</strong>rBildfläche ein. <strong>Die</strong>se Makrostruktur löst sich im Verlauf <strong>de</strong>r Betrachtung zu einer Parabel.Sie wird in <strong>de</strong>r Hauptsache durch die drei rechteckigen Formen <strong>de</strong>r Schriftstücke gebil<strong>de</strong>tund schließt mit <strong>de</strong>r gerollten, blau-rot marmorierten Broschur.Nach einer ersten Betrachtung <strong>de</strong>r Mikrostruktur zerfällt <strong>de</strong>r nur relative Eindruck <strong>de</strong>rMakrostruktur schon bald in die differenzierte Wahrnehmung <strong>von</strong> rektangulären und regelmäßigenFormen wie Kämme und Schriftstücke, welche eher im Hintergrund liegen sowie<strong>de</strong>r unregelmäßigen und run<strong>de</strong>n Formen wie Schleifen, Kamee und Siegel, die zumeist vorgelagertsind. Allerdings ist zu beachten, daß in <strong>de</strong>r Abfolge <strong>de</strong>r rektangulären Formen einestringente Zunahme <strong>de</strong>s Volumens <strong>de</strong>r Körper in <strong>de</strong>n Betrachterraum gezeigt wird. <strong>Die</strong>sesÜberkragen in <strong>de</strong>n Raum geschieht in Leserichtung <strong>von</strong> links nach rechts. Allein das Na<strong>de</strong>lkissensowie die gerollte Broschur erheben sich noch über das Tagebuch.Unabhängig <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>r Dinge auf <strong>de</strong>n flachen Tiefenschichten fällt auf, daßnicht etwa je<strong>de</strong>s Ding einen individuellen Winkel zur Bildwaagerechten einnimmt. ZahlreicheObjekte wer<strong>de</strong>n mit ihren Längsseiten bzw. -achsen parallel geführt (s. Abb. 25 a). Sobil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r kleine bernsteinfarbene Kamm, das Rasiermesser, das siegeltragen<strong>de</strong> helle Bandund <strong>de</strong>r große Hornkamm, das gelbe Band in <strong>de</strong>r vielfarbigen Schleife sowie die Gera<strong>de</strong> in<strong>de</strong>r roten Schleife mittig, die sich aus <strong>de</strong>m Zusammensehen <strong>de</strong>r linken oberen Schlaufe mitihrem Band rechts unten ergibt, einen Richtungswert, <strong>de</strong>r in annähernd gleichem Winkel30


<strong>von</strong> links oben nach rechts unten weist (grüne Linien). <strong>Die</strong>ser Richtungsangabe wer<strong>de</strong>nzahlreiche Senkrechten (rote Linien) entgegengestellt. So das blaue Band <strong>de</strong>r linken Schleife,die Mittelachse <strong>de</strong>s Na<strong>de</strong>lkissens, die Kamee, <strong>de</strong>r Brieföffner und die Hutna<strong>de</strong>l. Vermittelndzwischen <strong>de</strong>m rechten Winkel <strong>de</strong>r Senkrechten und <strong>de</strong>m eher spitzen Winkel <strong>de</strong>r zuerstbeschriebenen, parallelgeführten Dinge liegen das Schriftstück mit <strong>de</strong>m Eselsohr, dieSchere, das Tagebuch und <strong>de</strong>r ausgerissene Rand <strong>de</strong>r marmorierten Broschur (blaue Linien)in einem stumpfen Winkel zur Bildwaagerechten. <strong>Die</strong> Fläche <strong>de</strong>s versiegelten Briefs, <strong>de</strong>rFe<strong>de</strong>rkiel und die Mittelachse <strong>de</strong>r marmorierten Broschur formulieren eine Gegenbewegung<strong>von</strong> rechts oben nach links unten (gelbe Linien).Auffällig erscheint beson<strong>de</strong>rs die Parallelführung zweier spitzer Winkel, die jeweilsaus <strong>de</strong>m Brieföffner und <strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>r sowie <strong>de</strong>r Hutna<strong>de</strong>l und <strong>de</strong>r Broschur gebil<strong>de</strong>t sind. <strong>Die</strong>seformale Übereinstimmung <strong>de</strong>r Gegenstandsgruppierung wird zu<strong>de</strong>m durch die alternieren<strong>de</strong>Farbgebung unterstrichen. So bleibt unentschie<strong>de</strong>n, ob es sich um zwei gegeneinan<strong>de</strong>rgesetzte Parallelen aus Braun- und Weißtönen o<strong>de</strong>r zwei spitze Winkel han<strong>de</strong>lt. Desweiterenformulieren auch hier Achsen einiger Gegenstän<strong>de</strong> eine Aufwärtsstaffelung <strong>von</strong> links untennach rechts oben (s. Abb. 25 b).Entgegen dieser eher vektorgleichen Richtungen stehen rundförmige, parabelartigeWerte (s. Abb. 25 c). So ist <strong>de</strong>r Schwung <strong>de</strong>s Zwirnfa<strong>de</strong>ns (links unten) in <strong>de</strong>r Perlenkette(mitte oben) wie<strong>de</strong>r aufgenommen. Doch nicht nur in <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>s Einzeldings, son<strong>de</strong>rnauch in <strong>de</strong>m Zusammensehen ergeben sich <strong>de</strong>rartige Bögen, die sich zum Teil über die gesamteBildfläche erstrecken (Abb. 25 c, gelbe Linien). Daraus resultiert, wie im KarlsruherBild, eine Irritation <strong>de</strong>s Betrachterauges . Auch hier ist festzustellen, daß die Relation zwischen<strong>de</strong>n vielen, auf verschie<strong>de</strong>nen formalen Ebenen (linear vs. parabelartig, Rundform vs.rektangulärer Form etc.) geordneten Teilen im Zusammensehen <strong>de</strong>rselben zum Eindruck <strong>de</strong>sUngeordneten führt. Doch im Dordrechter Bild ist ein wesentlicher Unterschied auszumachen.Es dominiert eine Richtungsvorgabe durch die kompositorischen Momente zum rechtenBildrand hin.3.3.4. <strong>Die</strong> bildimmanente Funktion <strong>de</strong>r Nägel<strong>Hoogstraten</strong> probierte bereits im Dordrechter Bild die Auswirkung <strong>de</strong>r Darstellungunterschiedlicher Nägel, welche die Le<strong>de</strong>rriemen halten, für <strong>de</strong>n Gesamteindruck <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>saus. Offen sichtbar sind hier lediglich sechs Metallstifte. Sie befin<strong>de</strong>n sich zum einen linksan <strong>de</strong>n äußeren Seiten <strong>de</strong>r unteren Riemen, mittig bis rechts nebeneinan<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m oberenund am rechten Rand, sowie übereinan<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n zwei unteren Le<strong>de</strong>rbän<strong>de</strong>rn. Damit wirdhier ein <strong>de</strong>utlicher Unterschied zum Karlsruher Bild offensichtlich. Der bisweilen arhythmischeWechsel <strong>von</strong> Messing- zu Stahlnagel zum Zweck <strong>de</strong>r Dynamisierung <strong>de</strong>r Bildfläche,mit <strong>de</strong>r Folge <strong>de</strong>s Beunruhigens <strong>de</strong>s Betrachterblicks, existiert hier nicht. Vielmehr folgt<strong>Hoogstraten</strong> hier einem klaren Prinzip. Er läßt die mittleren bei<strong>de</strong>n Nägel kaum merklichdunkler bzw. heller erscheinen als die äußeren und erzielt damit einen kontinuierlichenÜbergang in <strong>de</strong>r Leserichtung. <strong>Die</strong>s unterstreicht zusätzlich die Richtung <strong>de</strong>s Lichteinfalls<strong>von</strong> links. Jene Struktur unterstreicht die zuvorige Erkenntnis nach <strong>de</strong>r Zueinan<strong>de</strong>rgruppierung<strong>de</strong>r Dinge. Auch die harmonischere Kontinuität, welche aus <strong>de</strong>r gleichmäßigen Stufenfolge<strong>de</strong>r Nägel resultiert, verstärkt die eher einheitliche Wirkung <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s und ist hinsichtlich<strong>de</strong>r Relation <strong>von</strong> Kompositorischem und Kontingenten ein weiteres Argument fürdie These, daß es als eine Vorstufe zum Karlsruher Quodlibet zu sehen ist.31


3.3.5. <strong>Die</strong> Ordnung <strong>de</strong>r Bildfläche ohne die Gegenstän<strong>de</strong>An<strong>de</strong>rs als im Karlsruher Bild ist <strong>de</strong>r Hintergrund <strong>de</strong>s Dordrechter Gemäl<strong>de</strong>s gleichförmig.Hier ist das viel dunklere Tuch nicht auf-, son<strong>de</strong>rn in einen gemalten schwarzenRahmen eingespannt. Schlanke Weißhöhungen geben Lichtreflexe auf <strong>de</strong>r unteren und rechtenRahmenleiste an. Ansonsten ist <strong>de</strong>r Rahmen gleichfarbig schwarz. Aus <strong>de</strong>r Nahsicht erscheintdie Höhung wie aufgelegt: ein Indiz für die intendierte Fernwirkung <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s alsAugenbetrüger. 91 Jene Irritation durch das Aufeinan<strong>de</strong>rlegen zweier ungleich großer Rechtecke,wie im Karlsruher Steckbrett ist nicht gegeben. <strong>Die</strong> exponierten Dinge sind <strong>von</strong> größererWichtigkeit, als die Einbettung <strong>de</strong>rselben in eine Aproportionalität. Damit ist auch <strong>von</strong><strong>de</strong>r Fläche aus betrachtet ein geringerer Komplexitätssgrad gegeben.3.3.6. Ansätze einer FarbrhetorikDer gezielte Einsatz <strong>von</strong> Farbe fin<strong>de</strong>t sich auch in diesem Gemäl<strong>de</strong>. Ebenfalls fin<strong>de</strong>nsich hier keine unvermischten Farben. Der Gesamtklang <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s ist noch einheitlicher,als <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Karlsruher Quodlibets. Sehr helle, großflächige Weißpartien, wie sie dort beispielsweiseauf <strong>de</strong>m Papier <strong>de</strong>s Stubenberggedichts auftauchen, sind hier vermie<strong>de</strong>n. Rottönedominieren das Bild. <strong>Die</strong> Lokalfarbe <strong>de</strong>r Le<strong>de</strong>rriemen, <strong>de</strong>r roten Schleife sowie <strong>de</strong>s Siegelsheben sich <strong>von</strong> <strong>de</strong>m beige-braunfarbigen tonsur-ton nur insofern ab, als daß sie einenkraftvollen Kontrast zu <strong>de</strong>m gemalten schwarzen Rahmen bil<strong>de</strong>n. Betrachtet man die dreigegenstandstragen<strong>de</strong>n Schleifen links bis zur Bildmitte, so erkennt man wie<strong>de</strong>rum ein vermitteln<strong>de</strong>sMoment in Leserichtung. <strong>Die</strong>ses ist erheblich <strong>de</strong>utlicher vorgegeben, als im zuerstbesprochenen Gemäl<strong>de</strong>. Allein formal erscheinen die Schleifen wegen ihrer prächtigerenAusführung nobilitierter. <strong>Die</strong> mittlere, kameetragen<strong>de</strong> Schleife vermittelt nun nichtdurch einen Mischton zwischen <strong>de</strong>r linken Blauen und <strong>de</strong>r rechten Roten. Vielmehr besitztsie verschie<strong>de</strong>nfarbige Bän<strong>de</strong>r. Sie vereinigt durch ein rotes und ein blaues Band, erweitertum ein gelbes, so daß die Trias <strong>de</strong>r Grundfarben gegeben ist und <strong>de</strong>n Stellenwert <strong>de</strong>s Objektszusätzlich unterstreicht. Ein weiterer Unterschied zum vorherigen Bild ist das gänzlicheFehlen <strong>von</strong> Grüntönen. Wie bereits in <strong>de</strong>r Untersuchung <strong>de</strong>r Gruppierung <strong>de</strong>r Dinge zuVergleichsordnungen festgestellt, dominiert die Zahl drei auch in <strong>de</strong>r Farbigkeit das Bild. Eserscheint als ein malerisches Kalkül, daß <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> hier auch mittels Farbeeinen ordnen<strong>de</strong>n Eingriff unternommen hat.Abschließend kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, daß das Dordrechter Bild in <strong>de</strong>r Ausführungaller untersuchter Parameter weniger komplex strukturiert ist, als das Karlsruher Bild. DerGrad <strong>de</strong>r Ordnungen ist weitaus höher, zumal das Bild an einer Dreizahligkeit orientiert ist.So ist dieser Aspekt zumin<strong>de</strong>st ein Hinweis auf einen höheren Grad an Ordnung, auch wenn<strong>von</strong> direkten Hinweisen auf eine konkrete Zahlensymbolik keine Spur zu fin<strong>de</strong>n ist.91 Und zugleich eine letzte Reminiszenz an die Lehrzeit bei Rembrandt bzw. an seine Auffassung überFarbwirkungen <strong>de</strong>r Malerei. Im Sinne <strong>de</strong>s Begriffs <strong>de</strong>r «Kenlijkheyt» vermittelt diese Höhung Plastizität, diedie Dinge nah erscheinen läßt. S. <strong>van</strong> <strong>de</strong> Wetering, Ernst: Rembrandts Malweise: Technik im <strong>Die</strong>nst <strong>de</strong>rIllusion, in: Brown, Christopher; Kelch, Jan; Thiel, Pieter <strong>van</strong> (Hg.): Rembrandt. Der Meister und seineseine Werkstatt. Bd. <strong>2.</strong> Gemäl<strong>de</strong>. (= Kat. Berlin, 1<strong>2.</strong>9.–10.11.1991; Amsterdam, 4.1<strong>2.</strong>1991 – 1.3.1992;London, 26.3.1992–24.5.1992). München, Paris, London 1991, S. 33.32


3.4. An<strong>de</strong>re Steckbretter <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>Betrachtet man die an<strong>de</strong>ren Steckbretter <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>, so fällt ein zunehmen<strong>de</strong>rGrad an Komplexität <strong>de</strong>r Arbeiten in zeitlicher Progression hin zum Endpunktim Karlsruher Bild auf. Als reine Steckbretter verzeichnen ROSCAM ABBING/THISSEN1993 drei weitere Bil<strong>de</strong>r, BRUSATI 1995 zählt zu<strong>de</strong>m ein Bild, das Wallerant Vaillant abgeschriebenwor<strong>de</strong>n ist, hinzu. 92 <strong>Die</strong> Autoren geben folgen<strong>de</strong> Datierungen für die Bil<strong>de</strong>r an:ROSCAM ABBING/THISSEN 1993:a. Nr. 15: ca. 1651–55, Prager Schloß, Gemäl<strong>de</strong>galerieb. Nr. 18: ca. 1656–57, Privatsammlung, Frankreichc. Nr. 30: ca. 1666–67, University of CambridgeBRUSATI 1995:a. Nr. 75: –, Prager Schloß, Gemäl<strong>de</strong>galerie (Abb. 9)b. Nr. 80: ca. 1657, Privatsammlung, Frankreich (Abb. 28)c. Nr. 78: ca. 1655–60, San <strong>Die</strong>go, San <strong>Die</strong>go Museum of Art (Abb. 27)d. Nr. 85: ca. 1662–67, University of Cambridge (Abb. 29)In einer vergleichen<strong>de</strong>n Betrachtung <strong>de</strong>r oben aufgelisteten Gemäl<strong>de</strong> soll <strong>de</strong>utlich gemachtwer<strong>de</strong>n, daß es ein Weg <strong>de</strong>r Versuche zu einer Optimierung <strong>de</strong>r Bildform gewesen ist,welcher <strong>Hoogstraten</strong> letztendlich zu <strong>de</strong>m beson<strong>de</strong>ren, paradigmatischen Bild aus Karlsruhegeführt hat, in <strong>de</strong>m die aufgefun<strong>de</strong>ne Relation zwischen Kompositorischem und Kontingenteneine sinnkonstituieren<strong>de</strong> Entsprechung sowohl in einem gewan<strong>de</strong>lten Mimesiskonzeptals auch in <strong>de</strong>m soziohistorischen Kontext einer beson<strong>de</strong>ren Art <strong>de</strong>r Karrierebildung imGol<strong>de</strong>nen Zeitalter fin<strong>de</strong>t. Hier soll im folgen<strong>de</strong>n ver<strong>de</strong>utlicht wer<strong>de</strong>n, daß die verschie<strong>de</strong>nenAspekte <strong>de</strong>s Erarbeitens einer instabilen Ordnung, wie man das Verhältnis <strong>de</strong>s Kompositorischenzum Kontingenten auch nennen kann, in <strong>de</strong>n zuvor entstan<strong>de</strong>nen Gemäl<strong>de</strong>n zumTeil bereits anklingen, aber erst in <strong>de</strong>m vermutlich letzten Gemäl<strong>de</strong> <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong><strong>Hoogstraten</strong> voll und ganz ausgespielt wer<strong>de</strong>n.An dieser Stelle seien noch einmal die verschie<strong>de</strong>nen Momente kompositorischerVorgehensweise genannt, die im Karlsruher Bild zum tragen kommen. Da wäre zunächstauf <strong>de</strong>r gegenständlich-formalen und -funktionalen Ebene das Gruppieren <strong>von</strong> Dingen zuPaaren bzw. Dreiergruppen. Desweiteren wur<strong>de</strong> eine ‹Zeigefunktion› <strong>von</strong> Gegenstän<strong>de</strong>nfestgestellt. Auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Makrostruktur fand sich in Karlsruhe wie Dordrecht eine relativeGeschlossenheit. Mikrostrukturell, hinsichtlich <strong>de</strong>r linearen Anordnung <strong>de</strong>r Seitenund Längsachsen <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong>, wur<strong>de</strong>n Staffelungen, bogenförmige Bewegungen, Parallelführungenfestgestellt. Einzelne Momente wie die Bezugnahme <strong>von</strong> nah beieinan<strong>de</strong>rliegen<strong>de</strong>n Gegenstän<strong>de</strong>n gleicher Form auf einen weiter entfernten (s. z. B. die Funktion <strong>de</strong>sAstlochs im Karlsruher Bild) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r verklammern<strong>de</strong> Effekt zweier formal gleicher Gegenstän<strong>de</strong>sind weitere Aspekte. Zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> ein kalkulierter Einsatz <strong>de</strong>r Nägel im Bild festgestellt.Das unproportionale Verhältnis <strong>von</strong> äußerem und innerem Rahmen verursachteebenfalls <strong>de</strong>n Eindruck <strong>de</strong>r Kontingenz. Aus diesem Katalog <strong>von</strong> zehn möglichen, formalenOrdnungskriterien und -störungen wer<strong>de</strong>n diejenigen, welche die im folgen<strong>de</strong>n besprochenenBil<strong>de</strong>r bestimmen, erläutert und beschrieben.Schon in <strong>de</strong>m frühesten Bild <strong>de</strong>r Reihe, das sich in <strong>de</strong>r Gemäl<strong>de</strong>galerie im PragerSchloß befin<strong>de</strong>t (s. Abb. 9, 26), fin<strong>de</strong>n sich Ansätze eines kompositorischen Eingreifens <strong>von</strong><strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>. <strong>Die</strong> Anlage <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s ist aber eine an<strong>de</strong>re, als diejenigen <strong>de</strong>r späterenBil<strong>de</strong>r. Es scheint, als erfülle das Steckbrett zu<strong>de</strong>m die Funktion einer Tafel, da auf <strong>de</strong>r92 ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, Nr.: 15, 18, 30; BRUSATI 1995, Checklist Nr.: 75, 78, 80, 85.33


unteren Leiste <strong>de</strong>s hellen, zweiteiligen Rahmens ein Stück Krei<strong>de</strong> liegt. Zwei schmale Le<strong>de</strong>rriementeilen nun nicht die Fläche in gleichgroße Teile, son<strong>de</strong>rn formulieren einen eigenenBildteil im Bildmittelgrund. Weiterhin auffällig ist die sehr geringe Anzahl dargestellterObjekte im Verhältnis zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gemäl<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m fehlen die charakteristischen persönlichenAttribute wie Ehrenmedaille und literarische Werke <strong>von</strong> <strong>Hoogstraten</strong>. Lediglich<strong>de</strong>r kleine bernsteinfarbene Kamm, <strong>de</strong>r bis auf das Bild in <strong>de</strong>r französischen Privatsammlung,in je<strong>de</strong>r Arbeit auftaucht, könnte als Hinweis auf die persönliche Habe <strong>de</strong>s Künstlersgesehen wer<strong>de</strong>n. Beachtenswert sind allerdings die erkennbaren kompositorischen Elemente.Da wäre zunächst einmal im Negativen die nicht vorhan<strong>de</strong>ne ‹All-over-Struktur› <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong>.Das heißt, daß <strong>de</strong>r Komplexitätsgrad weitaus geringer ist, als in <strong>de</strong>n bisher besprochenenGemäl<strong>de</strong>n. Schon hier fin<strong>de</strong>t sich aber eine Gruppierung <strong>de</strong>r Dinge zu einzelnenKompositionsmomenten. Beson<strong>de</strong>rs auffällig ist die Zuordnung <strong>de</strong>r hellen, flächigen Gegenstän<strong>de</strong>zu einem Parabelsegment (s. Abb. 26, rote Linien). <strong>Die</strong>se wird durch die Senkrechtenaus Rosenkranz, <strong>de</strong>m buschigen, breiten Pinsel und <strong>de</strong>m gedrechselten Elfenbeinstiftrelativiert (blaue Linien). <strong>Die</strong> Parallelisierung <strong>de</strong>r Längsachse <strong>de</strong>s Fe<strong>de</strong>rkiels, <strong>de</strong>rHerzspielkarte (grüne Linien) sowie <strong>de</strong>r Verbindung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n äußerst rechten Nägel stelltein weiteres Moment dar. Einen beson<strong>de</strong>ren Effekt erzielt ein kleiner, aber kaum zu übersehen<strong>de</strong>rHolzspan, <strong>de</strong>r scheinbar zufällig vom oberen Rahmenholz abgehobelt ist. Zusammenmit <strong>de</strong>m linken En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>m Krei<strong>de</strong>stück rechts ergibt sich ein rahmen<strong>de</strong>s Dreieck(gelb markiert). Am unteren Rahmenrand fin<strong>de</strong>t sich ein ebensolcher Span, <strong>de</strong>r aufgrundseiner gegenständlichen Gleichheit mit <strong>de</strong>m oberen auch zusammen gesehen wer<strong>de</strong>nkann und das senkrechte Bildzentrum somit negiert. Über die Repräsentation <strong>de</strong>r Fähigkeiten<strong>de</strong>r Malerei hinaus Oberflächen und Gegenstandsqualitäten darzustellen, markiert dasangeschnittene Astloch im Rahmen rechts oben <strong>de</strong>utlich die äußere obere Bil<strong>de</strong>cke in betonen<strong>de</strong>rWeise. Ähnliches gilt für das Astloch in <strong>de</strong>r unteren Leiste, welches durch das leichteVersetzen aus <strong>de</strong>r Mittelachse <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s nach rechts <strong>de</strong>m Bild eine Zentriertheit nimmt.Darüber hinaus reflektiert die schwunghaft nach links und rechts unten auslaufen<strong>de</strong> Maserung<strong>de</strong>n ebenso schwungvoll zu bei<strong>de</strong>n Seiten sich verbreitern<strong>de</strong>n Pinsel (weiße Dreiecke).Aus <strong>de</strong>n 50er Jahren <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts stammt das einzige hochformatige Steckbrett<strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> (s. Abb. 27). Es wur<strong>de</strong> bislang Wallerant Vaillant zugeschrieben.Bei ROSCAM ABBING/THISSEN 1993 ist es noch nicht aufgeführt. ErstBRUSATI 1995 nennt die Arbeit in ihrer Checklist. 93 Untypisch ist nicht allein das Hochformat,son<strong>de</strong>rn darüber hinaus auch die Auswahl <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong>, die zumeist keinen Schlußauf das bislang zu erwarten<strong>de</strong> Inventar zulassen. Bis auf das Augenglas erscheinen keinecharakteristischen Dinge, wie beispielsweise die bei<strong>de</strong>n Kämme. Ebenso fehlen jene Persönlichkeitsattributewie Ehrenkette, Medaille o<strong>de</strong>r direkte Verweise auf Schriftstücke<strong>Hoogstraten</strong>s, wie sie in <strong>de</strong>m Dordrechter und Karlsruher Bild dargestellt sind. <strong>Die</strong> Abkürzung«Den Hoogt» und <strong>de</strong>r Name Dirck als Hinweis auf <strong>de</strong>n Vater <strong>de</strong>s Künstlers, <strong>de</strong>uten aufdie Urheberschaft <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>s. M. E. ist <strong>de</strong>r höchst komplexe Bildaufbau einzusätzliches Indiz hierfür. 94 Das Bild ist mit einem schmalen Holzrahmen versehen. DerHintergrund ist ebenfalls hölzern. Drei schmale rote Le<strong>de</strong>rriemen unterteilen das Steckbrettin unregelmäßige Viertel. Es ist eine große Anzahl <strong>von</strong> Gegenstän<strong>de</strong>n in einer Beinahe-Allover-Strukturwie<strong>de</strong>rgegeben (Abb. 27 a). Hierbei überwiegen Papiere, versiegelte Briefeund Broschüren. <strong>Die</strong> Dinge entstammen in <strong>de</strong>r Hauptsache einem Kontor o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schreibstubeeines Gelehrten. <strong>Die</strong>ses Bild könnte als ein Durchspielen formaler Möglichkeiten gesehenwer<strong>de</strong>n, in welchem die Komplexität <strong>de</strong>s Bildaufbaus als Thema vor <strong>de</strong>r Selbstrepräsentation<strong>de</strong>s Künstlers im Vor<strong>de</strong>rgrund stand. Der Künstler schil<strong>de</strong>rt bereits hier sehrkunstvoll das Verhältnis zahlreicher kompositorischer Momente in relationalem Verhältniszur Kontingenz. Da wäre zunächst die Makrostruktur, die aus einer Ballung <strong>de</strong>r Dinge zurBildmitte hin gebil<strong>de</strong>t wird. Mit <strong>de</strong>m Brief oben links, <strong>de</strong>n auffälligen bei<strong>de</strong>n großen Rund-93 S. BRUSATI 1995, Checklist Nr. 78, S. 361 f.94 BRUSATI 1995, S. 362 <strong>de</strong>utet zu<strong>de</strong>m die Ähnlichkeit <strong>de</strong>r Machart und Palette <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>r«Vorgetäuschten Kabinettür» aus <strong>de</strong>r Wiener Aka<strong>de</strong>miesammlung (Checklist Nr. 79) aus <strong>de</strong>m Jahr 1655 alsIndiz <strong>de</strong>r Urheberschaft <strong>Hoogstraten</strong>s.34


formen mittig und <strong>de</strong>m dunklen, durch zwei Schleifen verschlossenen Tagebuch untenrechts wird das Kreishafte <strong>de</strong>r Makrostruktur auf die Bilddiagonale <strong>von</strong> links oben nachrechts unten hin erweitert.<strong>Die</strong> Vielzahl <strong>de</strong>r Dinge erschwert das Sehen <strong>von</strong> Zusammenhängen. Doch nach einerlängeren Betrachtung fallen die typischen fallen<strong>de</strong>n und steigen<strong>de</strong>n Staffelungen <strong>de</strong>r Seiten<strong>de</strong>r Dokumente umso <strong>de</strong>utlicher auf (s. Abb. 27 b, weiße und farbige Linien). VierHauptrichtungen sind dabei zu erkennen. Sie bewegen sich, wie die Skizze ver<strong>de</strong>utlichensoll, gegenläufig, überkreuzen und relativieren sich in dieser Weise gegenseitig. Währendaber in <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gemäl<strong>de</strong>n immer wie<strong>de</strong>r die Längsachsen bzw. Seiten einiger Dingeparallel geführt sind, so läßt sich dieser ordnen<strong>de</strong> Eingriff im San <strong>Die</strong>go-Steckbrett nichtnachweisen. Hier besitzt je<strong>de</strong>s einzelne Ding seine eigene Winkelgröße zu <strong>de</strong>n Bildrän<strong>de</strong>rn.Geht man <strong>von</strong> einer progressiven Optimierung <strong>de</strong>r Bildform aus, erweist sich das Gemäl<strong>de</strong>damit als später entstan<strong>de</strong>n, als das Prager Gemäl<strong>de</strong>.Ein weiteres Gemäl<strong>de</strong> (Abb. 28), welches sich heute in einer französischen Privatsammlungbefin<strong>de</strong>t, zeigt in seiner Anlage bereits die wichtigsten Momente, die imDordrechter bzw. Karlsruher Bild zur vollen Geltung kommen. Hier ist es ein reines Steckbrettin <strong>de</strong>m für <strong>Hoogstraten</strong> typischen Muster. Das Querformat besitzt mit 53,5 x 69,5 Zentimeterneine Zwischengröße zwischen <strong>de</strong>m Dordrechter und <strong>de</strong>m Karlsruher Bild. ZweiLe<strong>de</strong>rriemen teilen die Bildfläche in Drittel. Erkennbar sind hier nun die Elemente <strong>de</strong>r<strong>Hoogstraten</strong>schen Selbstrepräsentation qua Absenz <strong>de</strong>s eigenen Konterfeis. So erscheinendie Ehrenmedaille und das Manuskript <strong>de</strong>s Handbuchs zur Selbstdarstellung, das <strong>Samuel</strong><strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> Den Eerlyken Jongeling nannte. 95 Ein neues Element, das in <strong>de</strong>n späterenGemäl<strong>de</strong>n nicht mehr auftaucht, ist <strong>de</strong>r Malpinsel, welcher im oberen Riemen zur Bildmittehin zwischen das erwähnte Manuskript und einem leicht aufgefächerten Kartenspiel eingestecktist. Im Unterschied zu <strong>de</strong>n späteren Bil<strong>de</strong>rn mißt <strong>Hoogstraten</strong> <strong>de</strong>r ordnen<strong>de</strong>n Funktionmehrerer Schleifen noch keine Be<strong>de</strong>utung zu. Es fin<strong>de</strong>t sich lediglich eine große, an welcherdie Ehrenmedaille befestigt ist und eine sehr kleine Schleife, die einen Siegelstempelhält. Weitere typische Gegenstän<strong>de</strong> sind die charakteristische Schreibfe<strong>de</strong>r rechts oben, einegerollte Broschur, die mit <strong>de</strong>r Richtung <strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>r parallel geführt ist sowie <strong>de</strong>r grobzahnige,große Hornkamm.<strong>Die</strong>ses Bild ist in seiner planimetrischen Struktur <strong>de</strong>utlich ausgeführter als das PragerGemäl<strong>de</strong>. Zu sehen ist das charakteristische Angefülltsein <strong>de</strong>r Bildfläche mit Gegenstän<strong>de</strong>n.In <strong>de</strong>r Makrostruktur ersieht man zunächst eine grobe V-Form, die aus <strong>de</strong>n flächigen Objektengebil<strong>de</strong>t wird (s. Abb.: 28 a). <strong>Die</strong> untere Spitze <strong>de</strong>s umständlich doppelt geknicktenBriefs im Bildzentrum markiert die untere Spitze <strong>de</strong>r Makrostruktur, welche dann nach obenhin aus <strong>de</strong>r gerollten Broschur rechts und <strong>de</strong>m Manuskript <strong>de</strong>s Eerlyken Jongeling linksweiter gebil<strong>de</strong>t wird.Auch hier sind es die bereits als charakteristisch erkannten Parallelführungen <strong>von</strong> Linien,die als Richtungswerte aus <strong>de</strong>r formalen Struktur <strong>de</strong>r dargestellten Dinge abgeleitetwer<strong>de</strong>n können (s. Abb. 28 b), welche <strong>de</strong>m Bild <strong>de</strong>n charakteristischen Eindruck <strong>von</strong> kontingenterRelation momentaner Ordnung beigeben. Allen voran die nahezu senkrecht dargestelltenGegenstän<strong>de</strong> wie das Band mit <strong>de</strong>r Ehrenmedaille, die Kette mit <strong>de</strong>r run<strong>de</strong>n Kapsel,die linken Seiten <strong>de</strong>r Falten in <strong>de</strong>m zentralen Schriftstück, bis hin zum Band mit <strong>de</strong>r daranbefestigten Schere (rote Linien). Von rechts oben nach links unten kippen die Broschur sowie<strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>rkiel parallel (grüne Linien). Dagegen steht eine Richtung aus <strong>de</strong>m Pinsel, <strong>de</strong>roben liegen<strong>de</strong>n Spielkarte, <strong>de</strong>m über die Fe<strong>de</strong>r gelegten Brieföffner und <strong>de</strong>n kleinen Faltenin bei<strong>de</strong>n Schriftstücken (gelbe Linien). Der äußerst linke Nagel, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n unteren Le<strong>de</strong>rriemenhält, kann als imaginärer Mittelpunkt für eine radiale Ordnung aus <strong>de</strong>r linken Seite <strong>de</strong>sEerlyken Jongeling, <strong>de</strong>r oberen Kante <strong>de</strong>s grobzahnigen Kamms und <strong>de</strong>s Briefs sowie <strong>de</strong>munteren Le<strong>de</strong>rriemen und <strong>de</strong>r Unterkante <strong>de</strong>s Kamms gesehen wer<strong>de</strong>n (s. Abb. 28 c, rote Li-95 S. BRUSATI 1995, S. 78 ff..35


nien). Staffelungen aus kippen<strong>de</strong>n Linien fin<strong>de</strong>n sich ebenso (violette und gelbe Linien) wiekreisbogenförmige Gruppierungen <strong>de</strong>r Rundformen im Bild (weiße Linien).Eins <strong>de</strong>r späteren Arbeiten ist das Gemäl<strong>de</strong> (Abb. 29) das BRUSATI 1995 als Nr. 85in ihrer Checklist führt. 96 Klarer als bisher wird ein großer Teil <strong>de</strong>rjenigen Parameter ersichtlich,welche in Vollendung das Karlsruher Bild prägen. Zunächst han<strong>de</strong>lt es sich umeine annähernd quadratische Arbeit mit <strong>de</strong>n Maßen 54 x 59 Zentimetern. Das Steckbrett istmit einem ornamental reich verzierten, gemalten Rahmen versehen. Der Grund ist aus Holz.Auf ein aufgespanntes Tuch wur<strong>de</strong> verzichtet. Aus gegenständlicher Sicht fin<strong>de</strong>n sich ebensowie im Karlsruher und Dordrechter Bild die Dinge in einem zahlenmäßig gleichen Verhältnis,im Unterschied zu <strong>de</strong>m Bild in San <strong>Die</strong>go, das ein Schwergewicht zugunsten <strong>de</strong>rSchriftstücke aufweist. Zu sehen ist ebenfalls eine Kamee mit Rubinkranz, ähnlich <strong>de</strong>nen imKarlsruher und Dordrechter Bild. Weitere Übereinstimmungen zum ersten Gemäl<strong>de</strong> sind <strong>de</strong>rannähernd i<strong>de</strong>ntische Le<strong>de</strong>reinband am linken unteren Bildrand, die bei<strong>de</strong>n Kämme, dieSchere und das Rasiermesser. In ähnlicher Weise wie im Dordrechter Bild wird im rechtenoberen Bildgeviert <strong>de</strong>r obere Teil <strong>de</strong>r Schreibfe<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Rasiermesser parallelgeführt (s.Abb. 29 a, rote Linien). Als Gegenbewegung zu dieser Richtung lassen sich die Seiten <strong>de</strong>sgroßen Kamms, <strong>de</strong>r Comedy-Broschur und <strong>de</strong>r Griff <strong>de</strong>r Lupe zusammensehen (gelbe Linien).Zwischen diesen relativ extrem gegenläufigen Richtungen bil<strong>de</strong>n die Seiten <strong>de</strong>s Einbandsund die obere, kleine Falz <strong>de</strong>r Comedy-Broschur (blaue Linien) mit <strong>de</strong>n parallelenRichtungen aus <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>s versiegelten Briefs, <strong>de</strong>r Längsachse <strong>de</strong>s länglich-dicken Zylin<strong>de</strong>rs(violette Linien) und <strong>de</strong>m Kiel <strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>r ein vermitteln<strong>de</strong>s Moment. Aufgehoben wer<strong>de</strong>nbei<strong>de</strong> Richtungen in einer in <strong>de</strong>r Hauptsache in <strong>de</strong>r Mitte befindlichen Parallelisierung<strong>von</strong> Senkrechten (grüne Linien). Es sind dies das Band, an <strong>de</strong>m die Kamee hängt, <strong>de</strong>r großeKnick in <strong>de</strong>r Comedy, die Perlenkette und <strong>de</strong>r große Schlüssel.Verbin<strong>de</strong>t man die untere Seite <strong>de</strong>s Le<strong>de</strong>reinban<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>s Briefes mit <strong>de</strong>r <strong>Hoogstraten</strong>-Signatur,die rechte Seite <strong>de</strong>s versiegelten Briefs daneben und eine <strong>de</strong>r Spielkarten, sovollziehen diese eine Aufwärtsbewegung, die <strong>von</strong> links unten nach rechts oben bogenförmigverläuft (s. Abb. 29 b, gelbe Linien). In entgegengesetzter Richtung verläuft ein Bogen, <strong>de</strong>ndie linke Seite <strong>de</strong>r Broschur in <strong>de</strong>r Zusammensicht mit <strong>de</strong>r oberen Seite <strong>de</strong>s <strong>Hoogstraten</strong>briefsbzw. <strong>de</strong>r unteren Seite <strong>de</strong>s versiegelten Schriftstücks und <strong>de</strong>r Richtung <strong>de</strong>r Schlüsselbärtebil<strong>de</strong>n (rote Linien). Daneben verklammern beispielsweise die Rundformen <strong>de</strong>r Schereund die <strong>de</strong>r Schlüssel die Bildfläche. Gleichermaßen lassen sich die schräggestelltenschmalen Dinge wie Schere und Fe<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Hauptsache an <strong>de</strong>n linken und rechten Rän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>s Steckbretts ausmachen. Auch dies führt zu einem rahmen<strong>de</strong>n Effekt, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Betrachterblickauf das Bildzentrum konzentriert. Ebenso ist in diesem Gemäl<strong>de</strong> die unregelmäßigeVerteilung <strong>de</strong>r Nägel auf <strong>de</strong>n Le<strong>de</strong>rriemen auffällig. Zwei verschie<strong>de</strong>nfarbigeMetallstifte markieren auf <strong>de</strong>m unteren Streifen <strong>de</strong>ssen äußere En<strong>de</strong>n. Nur ein Nagel direktrechts neben <strong>de</strong>r Perlenkette hält <strong>de</strong>n Riemen an einer Stelle außerhalb seiner Mittelachse.In <strong>de</strong>r mittleren Reihe sind es drei Stifte, die in verschie<strong>de</strong>n großen Abstän<strong>de</strong>n kurz aufeinan<strong>de</strong>rfolgen, wobei sie so das rechte untere Bildgeviert dynamisieren. Während im linkendie Dinge die Nägel zu einem großen Teil ver<strong>de</strong>cken. Letzteres gilt für beinahe die gesamteBreite <strong>de</strong>s oberen Riemens, auf <strong>de</strong>m nur ein Nagel ganz links sichtbar ist. Damit ist ein Regelmaßvermie<strong>de</strong>n. Der Grad an Komplexität <strong>de</strong>s Aufbaus wird mit diesem Mittel erhöht.Aber wenn auch in diesem Gemäl<strong>de</strong> viele <strong>de</strong>r oben aufgezählten Parameter bereits ausgearbeitetsind, so erreicht es nicht die Fülle evi<strong>de</strong>nter Bildsinne wie das Bild aus Karlsruhe.96 BRUSATI 1995, S. 363 f.; ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, Nr. 30, S. 129.36


4. Bildsinn, Ordnung und BildzeitNach <strong>de</strong>r Literaturanalyse, <strong>de</strong>r Erhellung <strong>de</strong>s methodischen Vorgehens und <strong>de</strong>r Betrachtung<strong>de</strong>r Steckbretter <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> läßt sich nun <strong>de</strong>r oben als Theseformulierte Bezug <strong>von</strong> Kompositorischem zu Kontingenten anhand <strong>de</strong>r erschlossenen Bilddatenzusammenfassen. Ein Steckbrett sollte sich nach <strong>de</strong>n Punkten <strong>de</strong>r oben besprochenenAutorinnen durch das 1:1-Verhältnis <strong>von</strong> Darstellung und Wirklichkeit auszeichnen. JeneFor<strong>de</strong>rung erfüllen die Bil<strong>de</strong>r. Das Kriterium einer weitgehen<strong>de</strong>n Verneinung <strong>de</strong>r persönlichenHandschrift ist ebenso gegeben, wie die Abbildung ausschließlich toter Materie. <strong>Die</strong>Bil<strong>de</strong>r sind auch in <strong>de</strong>r gefor<strong>de</strong>rten Technik gemalt, die Farben <strong>de</strong>r Dinge können als entsprechend<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r außerbildlichen Wirklichkeit angesehen wer<strong>de</strong>n, und <strong>Hoogstraten</strong> hatDarstellungen <strong>von</strong> flüchtigen Erscheinungen wie Rauch vermie<strong>de</strong>n. 97 Festgestellt wur<strong>de</strong>naber vielfältig ordnen<strong>de</strong> Eingriffe <strong>Hoogstraten</strong>s. <strong>Die</strong> in <strong>de</strong>r Bildbetrachtung aufge<strong>de</strong>ckte instabileRelation zwischen Kontingenz und kompositorischen Partien in einer als kontingenterfahrenen Struktur erscheint in einer vorläufigen Auslegung wie ein Wi<strong>de</strong>rspruch zur Definition<strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œil. Unter an<strong>de</strong>rem auch farbkompositorische Zusammenhänge un<strong>de</strong>ine bewußt getroffene Auswahl an Objekten, die offenbar <strong>de</strong>n Wunsch <strong>de</strong>s Malers nachSelbstrepräsentation stützen. Es sei noch einmal in Erinnerung gebracht, daß es für einSteckbrett, welches sich in <strong>de</strong>r lebensweltlichen Arbeits- o<strong>de</strong>r Privatsphäre befin<strong>de</strong>t, nichtselbstverständlich ist, daß wertvolle Preziösen wie Kameen, Goldketten und Ehrenmedaillonsin einem solchen Gegenstand aufbewahrt wer<strong>de</strong>n. Desweiteren scheint sich dieses Ergebnisnicht mit <strong>de</strong>r Auffassung <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>s zu <strong>de</strong>cken, die Natur so abzubil<strong>de</strong>n,wie sie sei. 98 <strong>Die</strong>se Intention <strong>de</strong>s Künstlers entspräche allerdings <strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rungen <strong>von</strong>d’OTRANGE MASTAI 1975 und MILMAN 198<strong>2.</strong>Festzuhalten ist darüber hinaus die Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r Perspektive <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r. Umeinen möglichst hohen illusionistischen Effekt zu erzielen ist das Malen einer <strong>Trompe</strong> l‘œil-Darstellung einer Infragestellung <strong>de</strong>r perspectiva artificialis, <strong>de</strong>r Zentralperspektive unterworfen.Während die Zentralperspektive <strong>de</strong>m Betrachter ein relativ kleines Feld möglicherBewegung vor <strong>de</strong>m Bild zur Optimierung <strong>de</strong>r Wirkung <strong>de</strong>r gemalten Tiefenillusion bietet,ist die uneinheitliche Perspektive im <strong>Trompe</strong>-l‘œil gera<strong>de</strong> so angelegt, daß sie im günstigstenFall aus je<strong>de</strong>r Entfernung und möglichst je<strong>de</strong>m Blickwinkel die dargestellten Gegenstän<strong>de</strong>mit voller bildrhetorischer Kraft zeigt. 99 <strong>Die</strong>s wur<strong>de</strong> gewährleistet, in<strong>de</strong>m die Zentralperspektiveaufgehoben wur<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r Bildraum als ein nach außen gestülpter sichzeigt. Wegen <strong>de</strong>r Flächigkeit <strong>de</strong>r gemalten Dinge ist kaum Raumtiefe vorgegeben, welchezu Verkürzungen nötigt. <strong>Die</strong>se nämlich fixieren <strong>de</strong>n Betrachterstandpunkt je nach Maßgabeihres Fluchtpunkts. Auch <strong>Hoogstraten</strong>s Arbeiten weisen diese Eigenheiten <strong>de</strong>r flächigen, uneinheitlichenPerspektive auf.Es ergibt sich aber noch ein weiteres Problem hinsichtlich <strong>de</strong>r Selbstporträteigenschaften<strong>de</strong>r Steckbretter. Wenn das Medium als Sinnträger und -vermittler benutzt wird, sokann schwerlich <strong>von</strong> einer simulativen Abbildlichkeit <strong>de</strong>r Werke gesprochen wer<strong>de</strong>n, es sei<strong>de</strong>nn – spekulativ formuliert –, die Bil<strong>de</strong>r vermittelten Philosophien, wie zum Beispiel eineDeterminationslehre o<strong>de</strong>r eine kosmologische Ordnung <strong>de</strong>r Welt, die sich auf die Bildformelbringen ließe, daß die sichtbare Welt mit <strong>de</strong>m kosmologischen I<strong>de</strong>al <strong>de</strong>ckungsgleichsei. Für die Steckbretter <strong>Hoogstraten</strong>s kann <strong>von</strong> <strong>de</strong>rartigen Implikaten nicht die Re<strong>de</strong> sein.Antworten auf Fragen zur Bildordnung gibt <strong>de</strong>r Künstler ansatzweise selbst in <strong>de</strong>rINLEYDING. In dieser Künstlerschrift vermittelt <strong>Hoogstraten</strong> oberflächlich <strong>de</strong>n Eindruck97 Außer acht lasse ich hier <strong>de</strong>n Punkt <strong>de</strong>r site-specificity, in welchem sich d’OTRANGE MASTAI 1975 undMILMAN 1982 konträr äußern und <strong>de</strong>r im Rahmen meiner Untersuchung keine Rolle spielt.98 INLEYDING, S. 25.99 S. BURDA 1969, S. 53 f.37


eines <strong>von</strong> <strong>de</strong>r italienischen Kunst und Kunstschriftstellerei und Rhetorik, sprich vom Klassizismus,geprägten Denkers sowie als getreuer Interpret <strong>van</strong> Man<strong>de</strong>rs. 100 Er schreibt <strong>de</strong>mGenre <strong>de</strong>s Stillebens eine, <strong>de</strong>m klassischen Aka<strong>de</strong>mismus folgen<strong>de</strong> nie<strong>de</strong>re Wertigkeit zu,obschon er ja selbst intensiv <strong>de</strong>n Illusionismus in Form seiner Perspektivboxen und natürlichauch <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Darstellungen untersuchte. 101 <strong>Hoogstraten</strong> hat in seiner INLEY-DING auch ein Kapitel <strong>de</strong>r Komposition gewidmet. 102 <strong>Die</strong> Lektüre dieses Lehrtraktats gestaltetsich unter <strong>de</strong>n hier verfolgten Voraussetzungen zwar schwierig, da sich <strong>Hoogstraten</strong>immer an <strong>de</strong>n herkömmlichen aka<strong>de</strong>mischen Hierarchien <strong>de</strong>r Bildgattungen orientiert,sprich <strong>de</strong>m Gefälle <strong>von</strong> Historienmalerei oben, als höchster Aufgabe <strong>de</strong>s Malers, bis zu Stilleben,als niedrigster Bildgattung, was ihm angesichts seines Lebenswerks, in <strong>de</strong>m die Historienbil<strong>de</strong>rnur einen geringen Teil ausmachen, <strong>von</strong> Houbraken bis Sumowski <strong>de</strong>n Vorwurfeines zwar intelligenten aber einfallslosen Malers einbrachte und gleichermaßen die IN-LEYDING selbst mißkreditierte. Aber wie schon BRUSATI 1995 erkannte, gilt es <strong>de</strong>n Traktatgenauer zu lesen und die Be<strong>de</strong>utungen in Nebensätzen gera<strong>de</strong> angesichts seines Werksan<strong>de</strong>rs einzuschätzen, als das bislang unternommen wor<strong>de</strong>n ist. So schreibt er beispielsweiseganz im Sinne <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung einer gelungenen Historienmalerei:«Aen een bequaeme vinding in’t ordineeren hangt het geluk of ongeluk <strong>van</strong> hetgansche werk: want wat zoudt u lusten veel arbeyts in <strong>de</strong> byzon<strong>de</strong>re <strong>de</strong>elen te bestee<strong>de</strong>n,waneer u’t geheele bestek mishaegt? In tegen<strong>de</strong>el, waneer u’t geheel vernoegt,zoo zal u geen <strong>de</strong>el voorkomen, hoe zwaer het ook zy, of <strong>de</strong> lust zal’er udoor red<strong>de</strong>n.» 103<strong>Die</strong>se Betonung <strong>de</strong>r «ordineeren» als Begriff für die Komposition erscheint für dasHistorienbild zwangsläufig und unabdingbar. Sie sind nach bestimmten «regels» auszuführen.Das Erstaunliche daran ist, daß er diese gleichermaßen in <strong>de</strong>r sichtbaren Welt am Werksieht:«En <strong>de</strong>ze regels moeten niet alleen waergenomen wor<strong>de</strong>n in beel<strong>de</strong>n of stillevens,maer ook in gebouwen en landschappens.» 104Und in einem weiteren Abschnitt fin<strong>de</strong>t sich ein Hinweis, <strong>de</strong>r ver<strong>de</strong>utlicht, das dieseOrdnungen im Bild auf eine spezifische Weise gestört wer<strong>de</strong>n können. Er legt dar, daß eseine Kunst ist, mit <strong>de</strong>m Zufälligen zu arbeiten:«Het geeft somtijts een schijn <strong>von</strong> gevoeglijkheit, als eenige dingen in een welgestoffeert huis als verzuimelijk verstroit leggen, en gelijk lekkere spijze somtijtsdoor’t toedoen <strong>van</strong> eenige zerpicheit in <strong>de</strong> sause smakelijker gemaekt wort, zoohelpt het tot <strong>de</strong> bevallijkheit in’t ordineeren, als men’er een schijn <strong>van</strong> losse onachtsaemheitin kan brengen; daer een te gemaekte or<strong>de</strong>ning die gevoeglijkheitmist. Maer <strong>de</strong>ze onachtsaemheit moet door een kunstgreep verbon<strong>de</strong>n zijn, of menzouw geheel buiten’t spoor geraken.» 105Verlangt <strong>Hoogstraten</strong> ein Quentchen kunstmäßig inszenierter Unordnung in Ereignisbil<strong>de</strong>rn,so kann diese For<strong>de</strong>rung in Umkehrung auch für Bil<strong>de</strong>r zutreffen, die sich zunächstdurch das genaue Gegenteil auszeichnen. Auch wenn sich für diesen interpretierten Chiasmuskeine textuelle Entsprechung in <strong>de</strong>r INLEYDING fin<strong>de</strong>t, so eignet sich die Rocha<strong>de</strong>doch zumin<strong>de</strong>st als heuristisches Mittel, um die These eines Zusammenhangs <strong>von</strong> Kontingenzund Kompositorischem als innerbildliche Stützen <strong>de</strong>s außerbildlichen, biographischenSinns <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Bereich bloßer Spekulation hin zu einer zutreffen<strong>de</strong>n Aussage zubeför<strong>de</strong>rn.100Hahn, Andreas: “…dat zy <strong>de</strong> aanschouwers schynen te willen aanspreken» Untersuchungen zur Rolle <strong>de</strong>sBetrachters in <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rländischen Malerei <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts. München 1996, S. 66 ff..101S. INLEYDING, S. 218.102INLEYDING, S. 173 – 213.103S. INLEYDING, S. 180.104A. a. O., S. 189.105A. a. O., S. 190.38


Nach wie vor ist <strong>de</strong>r Beweis für meine These in <strong>de</strong>r Anschauung <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r selbst zufin<strong>de</strong>n. Ordnet man die Arbeiten unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt einer Chronologie, so erscheinteine, nur aus <strong>de</strong>n Bilddaten gewonnene zeitliche Abfolge ungefähr <strong>de</strong>rjenigen Datierungenzu gleichen, welche die bisherige Literatur vorgibt. Wie oben beschrieben, han<strong>de</strong>lt es sichum einen Weg <strong>von</strong> einem eher komponierten, also weniger komplexen Gemäl<strong>de</strong> (Prag) zueinem Steckbrett, in <strong>de</strong>m eine hohe Anzahl an Parametern eben jene Komplexität in Relation<strong>von</strong> Komposition und Kontingenz verwirklicht. In einem Beispiel (San <strong>Die</strong>go) wird Gewichtauf ein Einzelparameter gelegt, welches die Staffelungen <strong>de</strong>r gegenstandsbegrenzen<strong>de</strong>nSeiten in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund <strong>de</strong>rselben rückt. <strong>Die</strong> an<strong>de</strong>ren Arbeiten realisieren jeweilsverschie<strong>de</strong>ne Momente wie die Parallelisierung <strong>de</strong>r Gegenstandsseiten und Längsachseno<strong>de</strong>r ihre formale und funktionale Ähnlichkeit. Auffällig ist aber in allen diesen Ordnungsmomentendie Mehrwertigkeit eines je<strong>de</strong>n Gegenstands hinsichtlich seiner Bildfunktion alsordnungstiften<strong>de</strong>s Element. So dient einmal eine Seite als Parallele zu einer nächsten, einan<strong>de</strong>res Mal als Teil einer Staffelung. So beispielsweise im Bild aus Cambridge, wo <strong>de</strong>rGriff <strong>de</strong>r Lupe parallel zum kleinen, oberen Knick <strong>de</strong>r Comedy zu sehen ist. Letzterer formuliertzu<strong>de</strong>m mit <strong>de</strong>m kleinen Kamm und <strong>de</strong>m versiegelten Brief eine abwärts fallen<strong>de</strong>Staffelung. <strong>Die</strong>s ist oftmals <strong>de</strong>r Fall, so daß es sich um ein beson<strong>de</strong>res Charakteristikum <strong>de</strong>rSteckbretter han<strong>de</strong>lt, welches auf <strong>de</strong>n Betrachtungsprozeß entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Wirkung ausübt.Der Betrachter sieht sich mit einem vexatorischen Moment konfrontiert, in welchem seinBlick niemals zur Ruhe kommt. Das Steckbrett als Bildform ist genau daraufhin angelegt.In <strong>de</strong>r Ordnungsstiftung in <strong>de</strong>r Mikrostruktur und <strong>de</strong>r Polyfunktionalität <strong>de</strong>r Dinge innerhalbdieser Ordnungen liegt <strong>de</strong>r Kern <strong>de</strong>s Kontingenzbegriffs. <strong>Die</strong> Dinge und ihre Lage sowiedie Anordnung zu Funktionseinheiten, welche im Betrachterblick realisiert wer<strong>de</strong>n, manifestierensich immer nur augenblickshaft. Eine Repräsentation <strong>von</strong> Dauer gibt es nicht. Eswird immer nur je ein Moment wahrgenommen, und ein neues Ordnungsverhältnis gerinntanschließend für einen ebensolchen Augenblick. Dabei sind die Gegenstän<strong>de</strong> nur teilweisein einer formalen Hierarchie sich gegenseitig unter- bzw. übergeordnet. <strong>Die</strong>ser Aspekt ist imKarlsruher Bild durch eine gezielte Weisungsfunktion – beispielsweise <strong>de</strong>s länglichen Messersauf die Kamee mit <strong>de</strong>m Rubinkranz hin – verwirklicht. <strong>Die</strong>s ist aber nur eine Ausnahme.Ansonsten erscheinen die dargestellten Objekte als gleichrangig und innerhalb ihrerordnungsstiften<strong>de</strong>n Funktion aufgehoben.Der Begriff <strong>de</strong>r Kontingenz hängt also eng mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Zeitlichkeit zusammen. Wiefestgestellt, formulieren die Bil<strong>de</strong>r permanent Teilordnungen, die sich im Sehen sukzessiveverfestigen und wie<strong>de</strong>r verflüchtigen. <strong>Die</strong>se temporären Ordnungsmomente verleihen <strong>de</strong>nBil<strong>de</strong>rn, vom einzelnen Moment aus betrachtet, einen Aspekt <strong>de</strong>r Instabilität. <strong>Die</strong> Eigenart<strong>de</strong>r Steckbretter, sprich das Verhältnis aus Ordnungshaftem in Kontingenz als permanenterWechsel, konstituiert eine Erfahrung <strong>von</strong> Zeit auf innerbildlicher Ebene. <strong>Die</strong>se ist <strong>von</strong> doppelterBe<strong>de</strong>utung. Denn nicht nur <strong>de</strong>r Betrachtungsprozeß als solcher ist dann in formalerHinsicht mit <strong>de</strong>r Kategorie <strong>de</strong>s Transitorischen zu fassen, son<strong>de</strong>rn auch die Absicht <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r,Selbstporträts ohne Konterfei zu sein, so wie sie <strong>von</strong> BRUSATI 1995 formuliert wur<strong>de</strong>.Es wäre nun zu fragen, in welchem Zusammenhang Selbstrepräsentation und spezifischeZeitlichkeit in <strong>de</strong>n Steckbrettern stehen. In <strong>de</strong>n bisherigen Untersuchungen zur Bildzeitwur<strong>de</strong> zumeist darauf hingewiesen, daß Arbeiten vor <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> zur Mo<strong>de</strong>rne auf einer explizitenDarstellung zeitlicher Abläufe fixiert sind, mit <strong>de</strong>m Ziel einer Realisation <strong>von</strong> Vorzeitigkeitund Zukünftigkeit im Kairos, als geglücktem Moment <strong>de</strong>r augenblickshaften Dauer.106 <strong>Die</strong>s betrifft die Bildzeit, welche <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Betrachtungszeit zu unterschei<strong>de</strong>n ist. 107 Sounternimmt Gottfried Boehm die Analyse <strong>de</strong>s Betrachtungsprozesses und schil<strong>de</strong>rt ihn alseine Abfolge und einen stetigen Wechsel <strong>von</strong> Simultaneität und Sukzessivität während <strong>de</strong>sSehvollzugs vor <strong>de</strong>m Bild. Das Sehen <strong>von</strong> Bil<strong>de</strong>rn wird allgemein als ein Prozeß beschrieben,welcher sich in <strong>de</strong>n Momenten <strong>de</strong>s Simultanen und Sukzessiven entfaltet. 108 Hierin106S. BOEHM 1987; BOEHM 1992 und THEISSING 1987.107THEISSING 1987, S. 26–35, S. 44 ff. S. 38: «<strong>Die</strong> Zeiterfahrung haftet nicht primär am Gegenstand, son<strong>de</strong>rnan <strong>de</strong>r Zeitform, welche die Bildgestalt sichtbar macht.»108S. BOEHM 1987, S. 2<strong>2.</strong>39


liegt die Dynamik <strong>de</strong>s Sehens selbst. Zwischen bei<strong>de</strong>n Erfahrungselementen bestehtzwangsläufig ein Wechselverhältnis, da Simultaneität nicht <strong>von</strong> Dauer ist, und – im Sinne<strong>de</strong>r Sukzessivität – das Auge nach einer Simultanerfahrung einzelne Bildteile nacheinan<strong>de</strong>rzu sehen beginnt. Der Betrachter erfährt aus diesem Wechselverhältnis die Möglichkeit <strong>de</strong>sdynamischen Sehens statischer Kunstwerke in ihrer je eigenen Fähigkeit, weil ihn gera<strong>de</strong>diese ikonische Differenz daran hin<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>n Betrachtungsprozeß zu been<strong>de</strong>n. Jene Endlosigkeit,die in formaler Hinsicht aus <strong>de</strong>n Zwischenräumen, an <strong>de</strong>n Nahtstellen <strong>von</strong> figürlichenBe<strong>de</strong>utungsträgern in ihrem Nebeneinan<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Bildfläche ersehen wird, erfährt<strong>de</strong>r Betrachter im Historienbild zusammen mit <strong>de</strong>n Richtungswerten, welche die Figurenselbst vorgeben. 109 So erklärt BOEHM 1987, daß die extremen Richtungsdivergenzen ausgehobenem Arm <strong>de</strong>s Herkules und <strong>de</strong>m zum Angriff zurückgeneigtem Kopf <strong>de</strong>r Hydra inPollaiuolos «Herkules Kampf mit <strong>de</strong>r lernäischen Hydra» ein bildverklammern<strong>de</strong>s Spannungsfeldproduzieren, welches in <strong>de</strong>r Betrachtererfahrung <strong>de</strong>n Eindruck <strong>von</strong> Bewegungentstehen läßt. 110 Damit ist die Bildzeit als Produkt <strong>de</strong>s hierarchischen Bildaufbaus zu verstehen.Sie ist auf ein dauerhaftes Erleben eines Augenblicks fixiert, wogegen BOEHM1987 in <strong>de</strong>r Malerei Monets einen Kontrast zur Historienmalerei fin<strong>de</strong>t, weil hier die einzelnenPinselschwünge <strong>von</strong>einan<strong>de</strong>r isolierte Einheiten für sich bil<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>se touches stehenals Einzelphänomene unhierarchisch, gleichwertig nebeneinan<strong>de</strong>r. Je<strong>de</strong>r ist nur mit sichselbst i<strong>de</strong>ntisch, verbindungslos zum an<strong>de</strong>ren. 111 Der Betrachter produziert damit also dasBild in einem additiven Verfahren.<strong>Die</strong> Zeitlichkeit <strong>de</strong>r Steckbretter <strong>Hoogstraten</strong>s kann nun anhand <strong>de</strong>s Begriffs <strong>de</strong>r ikonischenDifferenz <strong>von</strong> Sukzessivität und Simultaneität bestimmt wer<strong>de</strong>n. Es han<strong>de</strong>lt sichhierbei nicht nur um ein Spannungsmoment, das Bewegung darstellt und <strong>de</strong>n Augenblick ineiner dauerhaften Weise fixiert. Desweiteren ist es auch nicht die extreme, aus <strong>de</strong>r Addition<strong>de</strong>r selbstgenügsamen touches, entspringen<strong>de</strong> Dauer. Dennoch ähnelt die Bildzeit <strong>de</strong>r Steckbretter<strong>de</strong>rjenigen impressionistischer Malerei. Wie die Bildanalysen gezeigt haben, fin<strong>de</strong>nsich eine Vielzahl unterschiedlicher Richtungsangaben, die sich zu je verschie<strong>de</strong>nen, temporärenOrdnungen zusammenfin<strong>de</strong>n. Im Vollzug <strong>de</strong>s Sehens kann keine ein<strong>de</strong>utige Festlegungeines einzigen kompositorischen Moments erfahren wer<strong>de</strong>n. Es wechseln sich die gesehenenOrdnungen permanent miteinan<strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>n Bedingungen <strong>de</strong>r Simultaneität undSukzessivität ab. Damit ist Bildzeit nicht als glücklicher Moment dargestellt, <strong>de</strong>r in sich ruhen<strong>de</strong>in dauerhaftes Jetzt bil<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn formiert sich auf formaler Ebene in <strong>de</strong>n ersehenenParametern. Ein Argument, das zu<strong>de</strong>m für diese Theorie spricht, ist die Flächigkeit <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong>.Der Tiefenraum besteht ja aus wenigen, sehr flachen Raumschichten. In diesenBil<strong>de</strong>rn gibt es kein dargestelltes Vor und Danach. Der <strong>von</strong> <strong>de</strong>n einzelnen Ordnungen verschie<strong>de</strong>naffizierte Sehsinn wan<strong>de</strong>rt sozusagen haltlos über die Fläche <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s. <strong>Die</strong> Bildzeitartikuliert sich in <strong>de</strong>r Abfolge <strong>de</strong>r ersehenen Strukturen aus formalen Richtungswertenals Dauer. <strong>Die</strong>se Erfahrung <strong>von</strong> Dauer ist <strong>de</strong>utlich <strong>von</strong> <strong>de</strong>rjenigen zu trennen, die in <strong>de</strong>r Anschauung<strong>von</strong> Historienmalerei erfahren wird. In <strong>de</strong>n <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrettern wechselnsich m. a. W. verschie<strong>de</strong>ne Jetztpunkte miteinan<strong>de</strong>r ab, ohne daß sie gesteuert o<strong>de</strong>r hierarchischgeordnet wären.Nach <strong>de</strong>r Erkenntnis, daß die besprochenen Gemäl<strong>de</strong> <strong>von</strong> <strong>Hoogstraten</strong> in ihrer Anlageals Relationen aus kontingenten, kompositorischen Momenten eine Zeitstruktur <strong>de</strong>r Dauerevozieren, muß nun gefragt wer<strong>de</strong>n, ob es eine Entsprechung dieser eigenen Bildlichkeit mit<strong>de</strong>n Themen <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r gibt. Hier trifft sich die Intention <strong>de</strong>s Steckbretts als Augenbetrügermit <strong>de</strong>r Funktion <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r als Selbstrepräsentation und bestätigt sich durch die Bildlichkeitselbst. Der preisenswerte Betrug verdankt sich nämlich zunächst <strong>de</strong>m Eindruck <strong>de</strong>s Ungeordneten<strong>de</strong>r mit Gegenstän<strong>de</strong>n angefüllten Fläche. <strong>Die</strong>ser wie<strong>de</strong>rum bleibt wegen <strong>de</strong>r sukzessivenKontingenz möglicher Teilordnungen erhalten, welche im Fortgang <strong>de</strong>r Bildbetrachtungin stetigem Wechsel einen spezifischen Zeiteindruck produzieren. Er wird im109S. THEISSING, S. 130: «Denn nicht Bewegungsmotive erzeugen <strong>de</strong>n Eindruck <strong>von</strong> Bewegung, son<strong>de</strong>rn ihreFormen, Richtungen und Helligkeitswerte…».110S. BOEHM 1987, S. 17 f., BOEHM 1992, S. 113.111 A. a. O. BOEHM 1987, S. 23.40


Betrachtungsprozeß in seiner Zeitlichkeit als Dauer erfahren. So fin<strong>de</strong>t sich hier auch dasgeeignete Mittel, um paradoxerweise ohne die eigene Physiognomie einzubringen, einenEindruck <strong>de</strong>s Selbst als Ewigkeit tragen<strong>de</strong>s wie<strong>de</strong>rzugeben. Denn die Kontingenz <strong>de</strong>r Sichtbarwerdungkompositorischer Momente sorgt zum einen für <strong>de</strong>n Eindruck <strong>de</strong>r Zufälligkeitund Lebensnähe <strong>de</strong>r <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbretter, zum an<strong>de</strong>ren erfüllt sich das Bild strukturellals dauern<strong>de</strong>s, ewiges Selbstporträt in Anwesenheit <strong>de</strong>r Leistungen <strong>de</strong>s Malers unter Abwesenheit<strong>de</strong>s Bildnisses, so wie es BRUSATI 1995 in ihrer Monographie darlegt. Hierin liegt<strong>de</strong>r ikonische Gehalt <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r, eine Leistung, die nur so und nicht an<strong>de</strong>rs, als im Medium<strong>de</strong>r Malerei zu erbringen ist. Als reine Simulationen <strong>von</strong> Wirklichkeit sind diese Arbeitenkeineswegs zu verstehen. Zwar sieht sich <strong>de</strong>r Betrachter in <strong>de</strong>r ersten (und auch wie<strong>de</strong>rholten)Anschauung aus einer gewissen Distanz getäuscht. Das Wichtige im Prozeß <strong>de</strong>r Betrachtungist aber die Fesselung und Dynamisierung durch oben beschriebene bildimmanenteQualitäten. 112 <strong>Die</strong> Arbeiten erweisen sich als eine übersteigerte Form <strong>de</strong>rWirklichkeitsrepräsentation – als relatives <strong>Trompe</strong>l‘œil – und nicht als stupen<strong>de</strong> Nachbildungirgen<strong>de</strong>iner zufällig gegebenen Situation. Das komplexe Gegebene <strong>de</strong>r Bildlichkeitund <strong>de</strong>r soziohistorische Hintergrund <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r, wie ihn BRUSATI 1995 nacherzählt,schließen sich nicht aus, son<strong>de</strong>rn tragen sich gegenseitig. In einem übertragenen Sinn liegteine «kühne Äquivalenz» zwischen Außenfaktoren und Bilddaten vor.112Daher ist m. E. die Feststellung <strong>von</strong> BURDA 1969, S. 53 f. bezüglich <strong>de</strong>r Vielansichtigkeit aus verschie<strong>de</strong>nenEntfernungen und Winkeln zumin<strong>de</strong>st zu relativieren. Befin<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Beschauer erst einmal in einerrelativ nahen Entfernung zum Bild, sieht er sich getäuscht und <strong>de</strong>r oben skizzierte Betrachtungsprozeß setztein.41


5. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>Nach <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>r bildlichen Leistungen <strong>de</strong>r Steckbretter <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong><strong>Hoogstraten</strong> wird sich das nun folgen<strong>de</strong> Kapitel <strong>de</strong>m Leben und Wirken <strong>de</strong>s Künstlers widmen.<strong>Die</strong>se Betrachtungen sollen ver<strong>de</strong>utlichen und umrahmen, daß die Bedingungen, unterwelchen <strong>Hoogstraten</strong> seinen künstlerischen Wer<strong>de</strong>gang formierte, ihren adäquaten Ausdruckin <strong>de</strong>n Steckbrettern fan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren bil<strong>de</strong>igene Qualitäten eine Doppelfunktion aus Selbstrepräsentation<strong>de</strong>s Künstlers und relativer Wirklichkeitsillusion gleichermaßen zur Anschauungbringen.Dokumente zur Familiengeschichte <strong>de</strong>s Künstlers fin<strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>tailliert recherchiertsowie mit Transkriptionen <strong>de</strong>r Quellentexte in Form einer Chronik in ROSCAM ABBING/THISSEN 1993 und wer<strong>de</strong>n, soweit sie für dieses Kapitel <strong>von</strong> Belang sind, in Betracht gezogen.113<strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> wur<strong>de</strong> am <strong>2.</strong>8.1627 in Dordrecht als ältestes <strong>von</strong> sieben Kin<strong>de</strong>rngeboren und starb am 19.10.1678 ebenda. <strong>Die</strong> <strong>Hoogstraten</strong>s waren Mennoniten ausAntwerpen, die im späten 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt nach Dordrecht emigrierten. Nach eigenen Angabenerlernte <strong>de</strong>r Künstler das Malen zuerst bei seinem Vater Dirck <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>. 114 Nach<strong>de</strong>ssen Tod im Jahre 1640 blieb er zunächst bei <strong>de</strong>r Mutter und Großmutter in De Olifant in<strong>de</strong>r Weeshuisstraat in Dordrecht. 1642 sie<strong>de</strong>lte er nach Amsterdam über und fand dort in <strong>de</strong>rWerkstatt Rembrandts eine neue Lehrstelle, da <strong>de</strong>ssen Ruf als Lehrer und Künstler zu dieserZeit seinen Höhepunkt erreicht hatte. Dazu führt BRUSATI 1995 an:«This choice, which undoubtedly reflected Van <strong>Hoogstraten</strong>’s ambitions, probablyalso respon<strong>de</strong>d to the concerns of his family, particularly his uncle who …urged him to pursue a career which promised greater economic security than painting.Studying with a master of Rembrandt’s stature was certainly one way of increasingthe chances for a successful career.» 115Zu seinen Mitschülern zählten Carel Fabritius, Abraham Furnerius, Constantijn <strong>van</strong>Renesse. Der Augenblick seines Eintritts in das Atelier <strong>de</strong>s Meisters konnte nicht günstigergewählt sein, da Rembrandt zu dieser Zeit hoch geschätzt wur<strong>de</strong> und <strong>de</strong>ssen Studio florierte.116 Schon früh offenbarte <strong>Hoogstraten</strong> beson<strong>de</strong>ren Fleiß, so daß seine Stellung im AtelierRembrandts bald über <strong>de</strong>n Status eines herkömmlichen Schülers hinausging und er zu einerArt Assistent <strong>de</strong>s Meisters arrivierte. So soll er zur Korrektur <strong>de</strong>r Zeichnungen jüngerer Mitschülerbeauftragt wor<strong>de</strong>n sein. 117 In diesen Jahren entstan<strong>de</strong>n Arbeiten in <strong>de</strong>r typischen Manier<strong>de</strong>s Lehrers. Bis 1648 verblieb <strong>Hoogstraten</strong> im Atelier Rembrandts. Sowohl aus <strong>de</strong>rWahl <strong>de</strong>s Ausbil<strong>de</strong>rs als auch <strong>de</strong>s Verhaltens und Sich-Bewährens im Atelier Rembrandtsläßt sich <strong>de</strong>r Schluß ziehen, daß <strong>Hoogstraten</strong> <strong>von</strong> Anfang seiner Laufbahn an darauf bedachtwar, seinen Lebensweg hin zu Erfolg und Wohlhabenheit zu gestalten. BRUSATI 1995 fin<strong>de</strong>tdarüber hinaus im Vergleich <strong>de</strong>r Selbstporträts <strong>von</strong> Rembrandt mit <strong>de</strong>nen <strong>Hoogstraten</strong>s,daß letzter niemals Selbstdarstellungen in Phantasiekostümen malte, und sich – wie seinLehrer – in die Gestalt eines Bettlers vollkommen hineindachte, um so eine weite Spannbreite<strong>von</strong> Emotionen im malerischen Selbstversuch auszuprobieren, son<strong>de</strong>rn immer nurdarauf bedacht war, sich selbst in nobilitieren<strong>de</strong>r Höflingstracht zu zeigen. Ehrenkette undHermelinkragen sprechen hierfür. An solchen Anzeichen wird das frühe Bemühen um eine,<strong>de</strong>n eigenen Stand überschreiten<strong>de</strong> Darstellungsform <strong>de</strong>r Selbstrepräsentation ersichtlich. 118113S. ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, S. 31–8<strong>2.</strong>114S. INLEYDING, S. 11.115BRUSATI 1995, S. 24 f.116A. a. O., S. 26.117A. a. O., S. 31.118A. a. O., S. 39 ff.42


Im April 1648 119 kehrte er nach Dordrecht zurück, wo er bis 1651 blieb. In dieser Zeitentstan<strong>de</strong>n die ersten literarischen Versuche, so die Schoone Rosalin. Desgleichen publizierteer 1648 ein Plakat mit einem Lobgedicht auf <strong>de</strong>n Westfälischen Frie<strong>de</strong>n und zu Ehren <strong>de</strong>sHerrscherhauses Oranien. 120 Um 1650 än<strong>de</strong>rte <strong>Hoogstraten</strong> seine Malweise. Der expressiveDuktus mit einem starken HellDunkel wich <strong>de</strong>r Feinmalerei, die fortan für das Werk charakteristischsein sollte. 1651 wur<strong>de</strong> er vor ein Anhörungskommitee <strong>de</strong>r mennonitischen Glaubensgemeinschaftzitiert, da er <strong>de</strong>ren Regeln (wie das Verbot Waffen zu tragen) verletzt hatte.121 Es läßt sich vermuten, daß <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> aufgrund dieses sozialen Drucksim selben Jahr eine Reise nach Wien antrat. Am Hof <strong>de</strong>s dortigen Kaisers Ferdinand III.blieb er mit einer einjährigen Unterbrechung – Aufenthalte in Rom und Regensburg sindnachgewiesen – bis 1654. <strong>Die</strong>se Zeit am Hof <strong>de</strong>r Habsburger wird immer wie<strong>de</strong>r als Zenit<strong>de</strong>s Lebens <strong>von</strong> <strong>Hoogstraten</strong> ge<strong>de</strong>utet, was auf die Houbrakensche Anekdote und zahlreicheAnspielungen in <strong>de</strong>r INLEYDING zurückzuführen ist. Ein weiteres, wichtiges Argumenthierfür ist <strong>de</strong>r Erhalt <strong>de</strong>r Ehrenmedaille, die in zahlreichen Gemäl<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Künstlers auftauchtund mit <strong>de</strong>r er sich in die Reihe <strong>de</strong>r großen, malen<strong>de</strong>n Betrüger nach Zeuxis einordnete.122 Während <strong>de</strong>r Reisen nach Rom und Regensburg machte <strong>Hoogstraten</strong> die Bekanntschaftmit verschie<strong>de</strong>nen Intellektuellen und Künstlern. In Rom wur<strong>de</strong> er Mitglied einerGesellschaft nie<strong>de</strong>rländischer Rombesucher, <strong>de</strong>r Benteveughels. <strong>Die</strong>se ‹Zugvögel› zähltenzu <strong>de</strong>n Bamboccianti. 123 Sie tauften <strong>Hoogstraten</strong> während eines dionyschen Rituals als ‹Batavier›.124 En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahres 1654 ist ein weiterer Aufenthalt in Dordrecht belegt, <strong>de</strong>r bis August1662 andauerte. 1656 wur<strong>de</strong> er durch eigenen Münzschlag Meister <strong>de</strong>r DordrechterMünze. Der Platz in <strong>de</strong>r Gil<strong>de</strong> <strong>de</strong>r rechtmäßigen Geldpräger, <strong>de</strong>r per Erbrecht vergebenwur<strong>de</strong>, sicherte ihm zum einen Ansehen, zum an<strong>de</strong>ren aber auch zahlreiche steuerliche Vorteile,so z. B. die Befreiung <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Branntweinsteuer.Im selben Jahr heiratete er Sara Balen, <strong>de</strong>ren Familie nicht <strong>de</strong>n Mennoniten angehörte.Durch diese Beziehung erhielt <strong>Hoogstraten</strong> die Möglichkeit weitere Gelehrte <strong>de</strong>r Stadtkennenzulernen, da u. a. <strong>de</strong>r Onkel Geschichtsschreiber <strong>von</strong> Dordrecht war. <strong>Die</strong> prominenteDordrechter Familie sicherte ihm zu<strong>de</strong>m einen höheren gesellschaftlichen Stand als bisher.<strong>Die</strong> Liaison führte allerdings zum endgültigen Zerwürfnis mit <strong>de</strong>n Mennoniten, <strong>de</strong>nen esuntersagt war, Partner außerhalb <strong>de</strong>r Glaubensgemeinschaft zu heiraten. Im darauffolgen<strong>de</strong>nJahr trat er einer Gemeinschaft <strong>von</strong> Romreisen<strong>de</strong>n bei. Alles in allem steigerte sich zusehendsdie gesellschaftliche Position <strong>de</strong>s Künstlers. 125 Zu<strong>de</strong>m entstan<strong>de</strong>n in dieser Zeit zahlreichePorträts angesehener Bürger <strong>de</strong>r Stadt, ein Indiz für die gesteigerte Wertschätzung<strong>de</strong>r Arbeit <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>s. Er grün<strong>de</strong>te darüber hinaus eine eigene Kunstschule.In diesen Jahren begann <strong>Hoogstraten</strong> sich mit Perspektivarbeiten zu beschäftigen.Im September <strong>de</strong>s Jahres 1662 reiste <strong>de</strong>r Künstler zusammen mit seiner Frau nachLondon und suchte dort <strong>de</strong>n Kontakt zur Royal Society wegen ihrer bevorzugten Beschäftigungmit naturwissenschaftlichen Phänomenen, unter an<strong>de</strong>rem <strong>de</strong>r Optik. Der Charakterseiner Malerei än<strong>de</strong>rte sich hier. So kommt BRUSATI 1995 zu folgen<strong>de</strong>r Unterscheidung,die folgerichtig erscheint, wenn man sein Streben nach sozialem Aufstieg berücksichtigt:119BRUSATI 1995 nennt diese Daten. ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, S. 34 begrenzen <strong>de</strong>n Zeitraum aufdie Jahre zwischen 1643 und 1646, obwohl sie selbst in ihrer Chronik für <strong>de</strong>n frühesten Zeitpunkt <strong>de</strong>rRückkehr <strong>Hoogstraten</strong>s nach Dordrecht eine Quelle (S. 36, Nr. 13) mit einem Gedicht <strong>von</strong> <strong>Hoogstraten</strong> aus<strong>de</strong>m Jahr 1648 anführen.120S. BRUSATI 1995, S. 48; ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, S. 36, Quelle Nr. 14.121S. ROSCAM ABBING/THISSEN 1993, S. 41, Quelle Nr. 27.122Zur Anekdote über <strong>de</strong>n Betrug <strong>de</strong>s Kaisers mittels eines <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Gemäl<strong>de</strong>s s. o. Anm 38.123Einen Überblick über Kunst und Aktivitäten <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlän<strong>de</strong>r in Rom gibt: Bud<strong>de</strong>, Rainer; Ex, Sjarel: IBamboccianti. Nie<strong>de</strong>rländische Malerrebellen im Rom <strong>de</strong>s Barock. Mailand 1991 (= Ausst. Kat. Köln,Wallraf-Richartz-Museum, 28. August–17. November 1991; Utrecht, Centraal Museum, 6. Dezember 1991bis 9. Februar 1992).124S. BRUSATI 1995, S. 74 ff.125S. BRUSATI 1995, S. 79: «Thanks to his marriage, his civic office, and his new religious affiliation, Van<strong>Hoogstraten</strong> had access to several of the city’s key networks of social and political power.»43


«The English perspectives no longer show the quiet domestic spaces of Dutchhomes, but present instead the sumptous galleries and cortyards of aristocratic leisure.»126In England konnte <strong>Hoogstraten</strong> zwar nicht an die Erfolge, die er in Wien hatte, anknüpfen,doch die Wertschätzung seitens <strong>de</strong>r englischen Aristokratie war ihm gewiß, wiezahlreiche Porträtaufträge und Perspektiven belegen. Schließlich wur<strong>de</strong> er sogar in Abwesenheit<strong>von</strong> seinen Freun<strong>de</strong>n und Verwandten in Lobgedichten gefeiert. 1271668 ließ er sich in Den Haag nie<strong>de</strong>r. Dort trat er im Januar 1668 <strong>de</strong>r MalervereinigungPictura bei, einer Konkurrenzorganisation zur Lukasgil<strong>de</strong>. 128 Doch kehrt er bald daraufnach Dordrecht zurück. 1673 wur<strong>de</strong> er einer <strong>de</strong>r zwei Vorsteher <strong>de</strong>r Münze, was seiner Reputationeinen weiteren positiven Vorschub leistete. Jetzt begann <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>mit <strong>de</strong>r Arbeit an seiner INLEYDING, die kurz vor seinem Tod im Jahr 1678 veröffentlichtwur<strong>de</strong>.Zusammenfassend läßt sich sagen, daß <strong>Hoogstraten</strong> unter <strong>de</strong>n Malern <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>bzw. auch in Dordrecht selbst, bezogen auf wirtschaftliche Erfolge, kein Großverdienergewesen ist, son<strong>de</strong>rn eher stetig und beharrlich an <strong>de</strong>r Verbesserung seiner Lebensverhältnissegearbeitet hat. Auch war er nie einer <strong>de</strong>r hochbezahlten Künstler, wie Statistiken belegen.129 <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> war aber in mehrfacher Hinsicht eine beson<strong>de</strong>re Persönlichkeit<strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rländischen Kunst <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts. Er verkörperte nicht<strong>de</strong>n geläufigen Typus <strong>de</strong>s handwerklich begabten Spezialisten, <strong>de</strong>r gewöhnlich mit <strong>de</strong>m Begriff«Kleinmeister» 130 bezeichnet wur<strong>de</strong>, ein Künstler also, <strong>de</strong>r in seiner Stadt und Gil<strong>de</strong>ein Leben lang blieb, um die Bedürfnisse <strong>de</strong>s aufstreben<strong>de</strong>n Bürgertums nach bildlicher Repräsentationzu befriedigen. Betrachtet man sein Œuvre mittels gattungsspezifischer Kriterien,so fällt die Vielfalt verschie<strong>de</strong>ner Tätigkeitsfel<strong>de</strong>r im Laufe seiner Vita auf. Der Künstlerwar eine Mehrfachbegabung. <strong>Hoogstraten</strong> malte, betätigte sich als Literat und verfaßte zu<strong>de</strong>m<strong>de</strong>n Traktat über die Malerei. Desweiteren zählte er zu <strong>de</strong>n wenigen Künstlern <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>seiner Zeit, die weit gereist waren und darüberhinaus versuchten, in höfische<strong>Die</strong>nste einzutreten. Insgesamt zehn Jahre seiner 35jährigen Karriere als Künstler und Intellektuellerverbrachte er außer Lan<strong>de</strong>s. 131 Daher ist es nur richtig, daß man ihn als pictor doctustypisiert. 132Das Eigentümliche seiner Person liegt aber auch in <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Einstellung zu Lebenund Kunst, wie BRUSATI 1995 bewiesen hat. Ihr Buch stellt einen beson<strong>de</strong>ren Zug <strong>de</strong>sLebens <strong>de</strong>s Künstlers in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund, nämlich sein persönliches Geschick, die Begabungenzu nutzen und in all seiner Arbeit künstlerische Selbstrepräsentation zu betreiben. Inihrem Fazit kommt die Autorin zu <strong>de</strong>m Schluß, daß <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> seinen sozialenStatus mit allen Werken zu überwin<strong>de</strong>n suchte, daß er die Marktplatzkunst gegen eine am126A. a. O., S. 97.127A. a. O., S. 109.128A. a. O., S. 11<strong>2.</strong>129S. Loughman, John: Een stad en haar kunstconsumptie: openbare en privé-verzamelingen in Dordrecht1620–1719, in: DE ZICHTBARE WERELT 1992, S. 34–64, darin die publizierte Statistik zu <strong>de</strong>n ammeisten bekannten Malern (S. 48), in <strong>de</strong>r <strong>Hoogstraten</strong> innerhalb eines Fel<strong>de</strong>s <strong>von</strong> 15 Künstlern alsviertletzter rangiert. Seine Bil<strong>de</strong>r erzielten mit einem Durchschnittswert <strong>von</strong> 20 Gul<strong>de</strong>n mittelwertige Preise(S. 50).130Der Begriff <strong>de</strong>s «Kleinmeisters» ist ohnehin umstritten. S. Eduard Hüttinger: «Loof <strong>de</strong>r Schil<strong>de</strong>rKonst»Notizen zu Theorie, Praxis und Geschichte <strong>de</strong>r holländischen Malerei <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts, in: ten-Doesschate Chu, Petra (Hg.): Im Lichte Hollands. Holländische Malerei <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts aus <strong>de</strong>nSammlungen <strong>de</strong>s Fürsten <strong>von</strong> Liechtenstein und aus <strong>de</strong>r Schweiz. 1987 (=Kat. Kunstmuseum Basel, 14.6.–27.9.1987), Zürich 1987, S. 12, v. a. Anm. 6.131<strong>Die</strong> biographischen Angaben und die Auslegung seiner Karriere wer<strong>de</strong>n explizit in BRUSATI 1995beschrieben. <strong>Die</strong> Autorin schreibt zusammenfassend: «Relatively few of these artists ever wrote poetry,plays or treatises on art, held government positions, travelled to foreign courts, or produced a diverse bodyof pictures in several media and a range of genres. Even fewer Dutch artists could claim, as Van <strong>Hoogstraten</strong>could, to have accomplished all these ‹things›.», S. 4.132SUMOWSKI 1983, Bd. 2 S. 1286.44


höfischen I<strong>de</strong>al orientierte tauschen wollte, daß Malerei insbeson<strong>de</strong>re ein ehrwürdiges Fachist, das unter <strong>de</strong>n Künsten <strong>de</strong>n höchsten Stellenwert einzunehmen hat.<strong>Die</strong> Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r Künstlerperson als peintre philosophe, <strong>de</strong>r hohe Ehrgeiz, <strong>de</strong>raus seinem Lebenslauf und <strong>de</strong>n Schriften spricht, fin<strong>de</strong>t ein anschauliches Pendant in <strong>de</strong>rBildlichkeit und Dinglichkeit <strong>de</strong>r Steckbretter. In <strong>de</strong>r Schrift vom Eerlyken Jongeling parallelisiert<strong>Hoogstraten</strong> sich selbst mit <strong>de</strong>m Protagonisten auf seinem Weg zum Ehrenmann.Der A<strong>de</strong>l im Leben spiegelt sich im preisenswerten Betrug <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r.45


Abschließen<strong>de</strong> BemerkungNach <strong>de</strong>n oben unternommenen Literaturuntersuchungen, Bildbeschreibungen und<strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>s Lebens <strong>de</strong>s Dordrechter Malers <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> sollte die alsproblematisch erkannte Bildform <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbretts genauer zu erfassen sein undin ihrer Be<strong>de</strong>utung erkannt wer<strong>de</strong>n. Es wur<strong>de</strong> aufgezeigt, daß sich die Kunstgeschichte bislangnur wenig mit <strong>de</strong>r phänomenalen Seite dieser Arbeiten auseinan<strong>de</strong>rgesetzt hat. Desweiterenerschien auch <strong>de</strong>r taxinomieren<strong>de</strong> Versuch amerikanischer Autorinnen, das <strong>Trompe</strong>l‘œilmittels eines <strong>de</strong>zidierten Katalogs <strong>von</strong> Charakteristika greifbar zu machen, als lückenhaftin Bezug auf <strong>de</strong>n hier zu Grun<strong>de</strong> gelegten Untersuchungsgegenstand.<strong>Die</strong> Betrachtung <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r in einem Vorgang <strong>de</strong>s sehen<strong>de</strong>n Sehens, welche <strong>de</strong>n Kern<strong>de</strong>r Arbeit darstellt, wi<strong>de</strong>rlegte einige <strong>von</strong> d’OTRANGE MASTAI 1975 und MILMAN1982 gefor<strong>de</strong>rte Parameter. Es wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn ein je unterschiedliches Verhältnis ausOrdnungsmomenten und Unordnung ent<strong>de</strong>ckt, das als movens für die Betrachtung dient unddie Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r Bildzeit ausmacht. <strong>Die</strong>se Ordnungen dürften nach <strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rungskatalogen<strong>de</strong>r Autorinnen nicht auftauchen. Desweiteren wur<strong>de</strong> die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Farbe undihrer Verwendung im Bild als strukturbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Mittel erkannt, welches eine spezifischeFunktion innerhalb <strong>de</strong>r planimetrischen Struktur <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r übernimmt. <strong>Die</strong>se besteht unteran<strong>de</strong>rem darin, die formalen Richtungswerte durch Farbzusammenhänge zu stützen. Auch<strong>de</strong>r Einsatz <strong>von</strong> Farbe als Be<strong>de</strong>utungsträger im <strong>Trompe</strong>-l‘œil ist bislang abgelehnt wor<strong>de</strong>n.Darüber hinaus hat die Betrachtung <strong>de</strong>s Karlsruher Bil<strong>de</strong>s ergeben, daß eigentlich kein Phänomenohne Kalkül erscheint. Der Bildsinn, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m sehen<strong>de</strong>n Sehen <strong>de</strong>n Gemäl<strong>de</strong>n abgerungenwur<strong>de</strong>, zeigte sich als ein vielfältig verschachteltes Gefüge <strong>von</strong> Teilordnungen, diein je unterschiedlicher Weise die abgebil<strong>de</strong>ten Dinge in zeitlich transitorische Bezüge zueinan<strong>de</strong>rsetzen. <strong>Die</strong> gefor<strong>de</strong>rte reine Kontingenz <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r wich einer kunstmäßig inszeniertenKontingenz <strong>de</strong>s Erscheinens dieser Ordnungen.Für <strong>de</strong>n Betrachtungsprozeß be<strong>de</strong>utet dies zweierlei. Zum einen tritt nur in <strong>de</strong>r erstenAnschauung <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r aus einer weiteren Entfernung <strong>de</strong>r reine <strong>Trompe</strong>l‘œil-Effekt zutage,da erst die zumeist unübersichtliche Makrostruktur und die feinmalerisch dargebotenen Gegenstandsqualitätenins Auge fallen. <strong>Die</strong>se ziehen <strong>de</strong>n Betrachter zum Bild. Zum an<strong>de</strong>rendynamisieren die kompositorischen Momente das Sehen <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r. Der Blick wird gebun<strong>de</strong>n,da immer neue Ordnungen ersichtlich wer<strong>de</strong>n. Das Produkt dieser sukzessiven Seherfahrungstützt auf einer mittlerer Ebene zwischen Ordnung durch Komposition und gänzlicherUnordnung die Intention <strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œil als betrügerischer Schein, ohne jedoch reineMimesis zu sein. <strong>Die</strong> <strong>von</strong> d’OTRANGE MASTAI 1975 vom <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett gefor<strong>de</strong>rteDuplizierung <strong>de</strong>r Wirklichkeit fin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> tatsächlichnicht statt. <strong>Die</strong> Erzeugung einer bil<strong>de</strong>igenen Wirklichkeit, so zeigte es das sehen<strong>de</strong>Sehen <strong>de</strong>r Steckbretter, ist komplexer. Zugleich ist terminologisch erwiesen, daß <strong>de</strong>r Begriff<strong>de</strong>s <strong>Trompe</strong>-l‘œil, sofern <strong>de</strong>nn die Steckbretter <strong>von</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> unter ihn zusubsumieren sind, in seinem Absolutheitsanspruch zu relativieren ist. Im Werk <strong>de</strong>sDordrechter Meisters gibt es keine absoluten, son<strong>de</strong>rn nur relative <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbretter.Es ergab sich, daß <strong>de</strong>r Maler in einer bildlichen Versuchsreihe zu einer Bildlösungfand, die sowohl <strong>de</strong>m preisenswerten Betrug, als Potential <strong>de</strong>r Malerei Rechnung tragenkann, als auch <strong>de</strong>m persönlichen Interesse einer überzeitlichen Repräsentation <strong>de</strong>s eigenenLebenswerks genügt. Mittels <strong>de</strong>r Rückkopplung <strong>de</strong>r Bilddaten an <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Bildzeitund <strong>de</strong>r daraus resultieren<strong>de</strong>n Findung jener als Präsentation einer Dauer ließ sich das beson<strong>de</strong>reVerhältnis zwischen dargestellter Dinglichkeit und gefor<strong>de</strong>rter Täuschungsabsichtkonkret fassen. <strong>Die</strong> Wi<strong>de</strong>rsprüche zwischen einer Momentaneität eines betrügerischenWirklichkeitspotentials, das per se Kontingenz for<strong>de</strong>rt, und <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Künstlerindi-46


viduums nach dauerhaftem, ehrenmännischem Status innerhalb <strong>de</strong>r Geschichte, so wie sieauf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Gegenständlichkeit in Ehrenmedaille und Zeuxis-Gedicht formuliert wur<strong>de</strong>n,lösen sich in <strong>de</strong>r aufgefun<strong>de</strong>nen Bildwirklichkeit, als einer Kontingenz zweiter Ordnungaus sukzessive wahrgenommenen Teilordnungen in einer bildzeitlichen Dauer, zu einemgeglückten Sowohl-als-auch.Damit erweist sich, daß Bildlichkeit in diesem Fall das Ineinsfallen <strong>von</strong> zunächst unvereinbarenBe<strong>de</strong>utungssphären sichtbar macht. Auch bestätigen die Bilduntersuchungenrückblickend die Vorstellungen über Status und Rolle <strong>de</strong>s Malers, wie sie durch BRUSATI1995 ausführlich beschrieben wor<strong>de</strong>n sind. Im Karlsruher Bild zeigte sich auf komplexe Artund Weise eine visuelle Darbietung <strong>de</strong>r <strong>von</strong> BRUSATI 1995 <strong>Hoogstraten</strong> zugeschriebenenMaxime ars longa, vita brevis.Das Verhältnis <strong>von</strong> Wirklichkeit zu Bildwirklichkeit in <strong>de</strong>n Steckbrettern ist – wie gezeigt– untrennbar an <strong>de</strong>n Betrachtungsprozeß gebun<strong>de</strong>n. Es fin<strong>de</strong>t sich im ersten Sehen <strong>de</strong>rMoment <strong>de</strong>s Betrachterbetrugs und somit eine enorme Nähe zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Sphären.Im Verlauf <strong>de</strong>r weiteren Betrachtung verliert sich diese in ihr Gegenteil und spielt die Leistungen<strong>de</strong>r Malerei als artifizielles Medium <strong>de</strong>r Selbstrepräsentation voll aus. Daß dieseSinnstiftung nur in <strong>de</strong>r Anschauung <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r geschieht und nicht zu substituieren ist, solldie Arbeit <strong>de</strong>utlich gemacht haben.47


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Abbildungsverzeichnis1. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, ca. 1666–1678, Karlsruhe, StaatlicheKunsthalle<strong>2.</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, ca. 1664, Dordrecht, DordrechtsMuseum3. Rembrandt: <strong>Die</strong> Heilige Familie mit <strong>de</strong>m Vorhang, 1646, Kassel, StaatlicheGemäl<strong>de</strong>sammlungen4. Tizian: Porträt eines Mannes, ca. 1507, Washington, National Gallery of Art, <strong>Samuel</strong> H.Kress Collection5. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: Sicht in einen Korridor, 1662, Gloucestershire, Dyrham Park,Sammlung Blathwayt (The National Trust)6. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Schranktür, ca 1655, Wien, Gemäl<strong>de</strong>galerie <strong>de</strong>rAka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Künste7. Carlo Crivelli: Madonna mit Kind, The Metropolitan Museum of Art8. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: Kopf eines bärtigen Mannes, 1653, Wien, KunsthistorischesMuseum9. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett mit Rosenkranz, ca. 1651–55, Prag,Gemäl<strong>de</strong>galerie <strong>de</strong>r Prager Burg10. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil mit Prunkschrank, ca. 1653–54, Kromeriz,Schloß11. Cornelis Norbertus Gysbrechts: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, 1672, Kopenhagen, StatensMuseum1<strong>2.</strong> Alessandro Abondio: Ehrenmedaille für Ferdinand III, ca. 164313. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: Gruppenporträt <strong>de</strong>r Dordrechter Münzmeister, 1674,Dordrecht, Dordrechts Museum14. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: Selbstporträt, Grisaille-Studie zum Frontispiz <strong>de</strong>rINLEYDING, vor 1677, Dordrecht, Dordrechts Museum15. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: Selbstporträt mit Medaillon, 1654, Vaduz, Slg. d. Fürsten <strong>von</strong>Liechtenstein16. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil mit vorgetäuschtem Bücherregal,Privatsammlung17. Edgar Degas: Le Comte Lepic. Place <strong>de</strong> la Concor<strong>de</strong>, 1876, verm. zerstört18. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil eines Gemäl<strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>m Wiener Hofburgplatz,1652, Wien, Kunsthistorisches Museum19. Carlo Crivelli: <strong>Die</strong> Heiligen Katharina <strong>von</strong> Alexandrien, ca. 1480–85, London, NationalGallery20. Hans Holbein d. J.: Das Bildnis <strong>de</strong>s Kaufmanns Gihsze, 1532, Berlin, Gemäl<strong>de</strong>galerieDahlem21. Wolfgang Heimbach, Bildnisminiatur mit Deckel, 1636, Karlsruhe, StaatlicheKunsthalle51


2<strong>2.</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, ca. 1666–1678, Karlsruhe, StaatlicheKunsthalle, Skizzen:a: <strong>Die</strong> Verteilung <strong>de</strong>r Nägel in <strong>de</strong>r Randbefestigung <strong>de</strong>s Le<strong>de</strong>rtuchsb: <strong>Die</strong> Verteilung <strong>de</strong>r Nägel auf <strong>de</strong>n Le<strong>de</strong>rriemenc. <strong>Die</strong> Bildung <strong>von</strong> Kreissegmentformen durch staffeln<strong>de</strong>s Abkippen <strong>de</strong>r Dinged. Hauptstaffelungskreissegmente. Parallelisierung <strong>de</strong>r Längsachsen und Seitenf. Staffelung <strong>de</strong>r Senkrechten <strong>de</strong>r dargestellten Dinge in Bezug zu <strong>de</strong>n Seitenvertikaleng. Staffelung und Zusammenschau vom Kamm mit <strong>de</strong>m Le<strong>de</strong>reinbandh. Zeige- bzw. Weisungsfunktionen23. Wallerant Vaillant: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, Berlin, Staatliche Museen24. Cornelis <strong>van</strong> <strong>de</strong>r Meulen: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, ca. 1979, Stockholm, kungl.Husgerådskammaren25. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, ca. 1664, Dordrecht, DordrechtsMuseum, Skizzena. Parallelenb. Aufwärtsstaffelungc. Parabelförmige Richtungswerte26. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong> <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett mit Rosenkranz, ca. 1651–55, Prag,Gemäl<strong>de</strong>galerie <strong>de</strong>r Prager Burg, Skizze27. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, ca. 1655–60, San <strong>Die</strong>go, San <strong>Die</strong>goMuseum of Arta. Makrostrukturb. Fallen<strong>de</strong> und steigen<strong>de</strong> Staffelungen28. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, ca. 1657, Privatsammlung,Frankreicha. Makrostrukturb. Parallele Richtungswertec. Radialordnungen und gekippte Linien29. <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, ca. 1662–67, University ofCambridgea. Parallelführungenb. Bogenförmige BewegungenNachweise© Konstruktionszeichnungen: Matthias WeißSonst. Abbildungen: Archiv52


Abbildung 1: Steckbrett, Staatliche Kunsthalle KarlsruheAbbildung 2: Steckbrett, Dordrechts Museum53


Abbildung 3: Rembrandt: <strong>Die</strong> Heilige FamilieAbbildung 4: Tizian: Porträt eines Mannes54


Abbildung 6: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>:<strong>Trompe</strong>-l‘œil-SchranktürAbbildung 5: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>:Sicht in einen KorridorAbbildung 7: Carlo Crivelli:Madonna mit Kind55


Abbildung 8: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: Kopf einesbärtigen MannesAbbildung 9: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: Steckbrett mitRosenkranz56


Abbildung 10: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œilmit PrunkschrankAbbildung 11: Cornelis N. Gysbrechts: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett57


Abbildung 12: Alessandro Abondino:Ehrenmedaille für Ferdinand III.Abbildung 13: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: Gruppenporträt <strong>de</strong>r Dordrechter Münzmeister58


Abbildung 14: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: Selbstporträt,Grisaille, Vorstudie zum Frontispiz <strong>de</strong>r INLEYDINGAbbildung 15: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>:Selbstporträt mit Medaillon59


Abbildung 16: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil mit vorgetäuschtem BücherregalAbbildung 17: Edgar Degas: Le Comte Lepic60


Abbildung 18: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil eines Gemäl<strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>mWiener HofburgplatzAbbildung19b. DetailAbbildung 19: Carlo Crivelli:Hl. Katharina <strong>von</strong> Alexandrien(s. a. 19 b, re. Detail)61


Abbildung 20: Hans Holbein d.J.: Das Bildnis <strong>de</strong>sKaufmanns GihszeAbb. 21: Wolfgang Heimbach: Bildnisminiatur mit Deckel (Datei nicht vorhan<strong>de</strong>n)62


Abbildung 22a: <strong>Die</strong> Verteilung <strong>de</strong>r Nägel in <strong>de</strong>r Randbefestigung <strong>de</strong>sLe<strong>de</strong>rtuchs (m=Messing, s=Stahl)Abbildung 22b: <strong>Die</strong> Verteilung <strong>de</strong>r Nägel auf <strong>de</strong>n Le<strong>de</strong>rriemen63


Abbildung 22c-h: Mikrostrukturen64


Abbildung 23: Wallerant Vaillant: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-SteckbrettAbb. 24: Cornelis <strong>van</strong> <strong>de</strong>r Meulen: <strong>Trompe</strong>-l`oeil-Steckbrett (keine Datei vorhan<strong>de</strong>n)65


Abbildung 25a-27b (v.l.n.r.): Mikro-/Makrostrukturen in verschie<strong>de</strong>nen Steckbrettern66


Abbildung 27: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, San <strong>Die</strong>go67


Abbildung 28: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, Privatsammlung, Frankreich68


Abbildung 28a-29b (v.l.n.r.): Mikrostrukturen in verschie<strong>de</strong>nen Steckbrettern69


Abbildung 29: <strong>Samuel</strong> <strong>van</strong> <strong>Hoogstraten</strong>: <strong>Trompe</strong>-l‘œil-Steckbrett, Cambridge70

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