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Biofeedback und Elektrostimulation in der Therapie der ...

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FORTBILDUNG + KONGRESS<br />

442<br />

UROGYNÄKOLOGIE<br />

<strong>Biofeedback</strong> <strong>und</strong> <strong>Elektrostimulation</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>der</strong> Beckenbodenschwäche<br />

<strong>Elektrostimulation</strong> <strong>und</strong> EMG-gestützte <strong>Biofeedback</strong>tra<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Beckenbodentherapie – Interdiszipl<strong>in</strong>äres Expertentreffen<br />

zur konservativen, nicht-medikamentösen <strong>Therapie</strong><br />

<strong>der</strong> Beckenboden-Dysfunktion <strong>und</strong> Inkont<strong>in</strong>enz am<br />

15./16. Januar 2010 <strong>in</strong> Frankfurt/Ma<strong>in</strong><br />

D. Adler-Koch, T. Hagemeier, E. Heßdörfer, D. Marschall-Kehrel,<br />

R. Lange, G. Naumann, K. Saulheimer, W. Theurer<br />

Die Effizienz von Physiotherapie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Behandlung <strong>der</strong> Harn<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz<br />

ist h<strong>in</strong>reichend belegt (Cochrane-Analyse). Während<br />

<strong>in</strong> praxi Reizstrom- <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> <strong>Biofeedback</strong>geräte von vielen Experten<br />

bei Problemen <strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur primär <strong>und</strong><br />

erfolgreich e<strong>in</strong>gesetzt werden, wird <strong>der</strong> zusätzliche Benefit dieser<br />

Verfahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur une<strong>in</strong>heitlich gesehen. Der MDK<br />

schlägt oft erst die alle<strong>in</strong>ige <strong>Therapie</strong> mit Beckenbodengymnastik<br />

ohne unterstützendes Gerät vor. Ziel dieses Expertenmeet<strong>in</strong>gs<br />

war es, e<strong>in</strong>en Konsensus zu f<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> welchen Fällen<br />

Reizstrom- o<strong>der</strong> <strong>Biofeedback</strong>geräte rezeptiert werden sollten.<br />

Idealerweise wird die Behandlung von<br />

Patienten mit Harn- <strong>und</strong> Stuhl<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz<br />

von spezialisierten Physiotherapeuten<br />

begleitet. Je nach Beckenbodenbef<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> Motivation, Zeit<br />

<strong>und</strong> Intellekt <strong>der</strong> Patienten kann e<strong>in</strong><br />

re<strong>in</strong>es <strong>Elektrostimulation</strong>sgerät zur<br />

Wahrnehmungsschulung <strong>und</strong> Aktivierung<br />

<strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden. Bei schwachem bzw.<br />

mäßigem Beckenbodenkontraktionsbef<strong>und</strong><br />

ist auch e<strong>in</strong> komb<strong>in</strong>iertes Reizstrom-/<strong>Biofeedback</strong>gerät<br />

s<strong>in</strong>nvoll. Je<br />

besser die Kontraktionsfähigkeit des<br />

Beckenbodenmuskels, desto eher ist<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz von <strong>Biofeedback</strong>geräten<br />

<strong>in</strong>diziert. Wo ke<strong>in</strong>e Physiotherapie mit<br />

Spezialisierung <strong>in</strong> die <strong>Therapie</strong> e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en<br />

werden kann, s<strong>in</strong>d Arzt <strong>und</strong><br />

gegebenenfalls entsprechend weitergebildetes<br />

Praxispersonal verstärkt<br />

gefragt.<br />

Diagnostik <strong>der</strong> Funktionali tät<br />

<strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur<br />

Erfor<strong>der</strong>lich <strong>und</strong> berechtigt von manchen<br />

Kassen gefor<strong>der</strong>t ist die diffe-<br />

FRAUENARZT n 51 (2010) n Nr.5<br />

renzierte Diagnostik <strong>der</strong> Kontraktilität<br />

<strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur. Hier<br />

stehen dem Gynäkologen/Urologen<br />

neben <strong>der</strong> Tastuntersuchung die Darstellung<br />

<strong>der</strong> Cranioanteversionsbewegung<br />

des Blasenhalses <strong>in</strong> <strong>der</strong> Per<strong>in</strong>ealsonographie<br />

<strong>und</strong> das Vag<strong>in</strong>al-<br />

EMG zur Verfügung, dessen Summationspotenzial<br />

e<strong>in</strong> gutes Kriterium<br />

für die Anzahl <strong>der</strong> kontraktilen Fibrillen<br />

des Levators ist. Voraussetzung<br />

hierfür ist die Kontrolle, dass<br />

ke<strong>in</strong>e Umgebungsmuskulatur angespannt<br />

wird.<br />

Lei<strong>der</strong> können die Messwerte unterschiedlicher<br />

Geräte nicht verglichen<br />

werden, da die Hersteller unterschiedliche<br />

Skalierungen verwenden.<br />

Neuere Studien haben gezeigt, dass<br />

die Hypofunktionalität <strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur<br />

nicht durch Schwangerschaft<br />

<strong>und</strong> Partus akquiriert, son<strong>der</strong>n<br />

eher angeboren ist. Die Beckenbodengymnastik<br />

ist also <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie ke<strong>in</strong>e Reedukation, son<strong>der</strong>n<br />

das Erlernen bisher nicht o<strong>der</strong> nur<br />

schwach gekonnter Kontraktionen.<br />

Hier kann <strong>Elektrostimulation</strong> nicht<br />

nur die Aktivierung <strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur,<br />

son<strong>der</strong>n vor allem e<strong>in</strong>e<br />

Wahrnehmungsschulung bewirken.<br />

Anschließendes <strong>Biofeedback</strong>-gestütztes<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g sorgt dafür, dass die<br />

„neu lokalisierten“ Muskelgruppen<br />

funktional richtig kontrahiert werden.<br />

Aufgabe <strong>der</strong> Physiotherapie ist nicht<br />

nur, die Kontraktilität <strong>der</strong> Becken -<br />

bodenmuskulatur zu evaluieren, son<strong>der</strong>n<br />

auch festzustellen, ob diese <strong>in</strong><br />

verschiedenen Belastungssituationen<br />

korrekt e<strong>in</strong>gesetzt wird. Erst durch<br />

diese Untersuchung kann letztlich<br />

festgelegt werden, welches zusätzliche<br />

Verfahren (<strong>Biofeedback</strong>/ <strong>Elektrostimulation</strong>)<br />

werden soll. Hieraus<br />

ergibt sich die Schlussfolgerung, dass<br />

für die Beckenbodengymnastik nur<br />

e<strong>in</strong>e subspezialisierte Krankengymnast<strong>in</strong><br />

geeignet ist. Entsprechende<br />

Weiterbildungen werden von <strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Gynäkologie Geburtshilfe<br />

Urologie Proktologie (AG<br />

GGUP) im Deutschen Verband für Physiotherapie<br />

(ZVK) angeboten.<br />

Elektrotherapie bei<br />

Belastungs<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz<br />

Die Effizienz e<strong>in</strong>er Pessartherapie bei<br />

<strong>der</strong> Belastungs<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz ist h<strong>in</strong>reichend<br />

belegt <strong>und</strong> wurde <strong>in</strong> die Leitl<strong>in</strong>ien<br />

<strong>der</strong> DGGG <strong>und</strong> <strong>der</strong> DGU aufgenommen.<br />

Unklar ist <strong>der</strong> Nutzen weiterer<br />

mediz<strong>in</strong>ischer Hilfsmittel wie<br />

<strong>Biofeedback</strong>geräte <strong>und</strong> <strong>Elektrostimulation</strong><br />

des Beckenbodens. Diese werden<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur kontrovers diskutiert.<br />

Dabei zeigen die meisten Arbeiten<br />

vier wesentliche Bias:<br />

n Die Kontraktionsfähigkeit <strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur<br />

ist sehr<br />

unterschiedlich ausgeprägt. Die<br />

wenigsten Arbeiten achten auf


die Ausgangslage <strong>der</strong> Funktionalität<br />

<strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur<br />

<strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen, meist kle<strong>in</strong>en<br />

Kollektiven.<br />

n Die Harn<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz ist e<strong>in</strong>e<br />

multikausale Erkrankung, die<br />

Funktionalität <strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur<br />

ist nur e<strong>in</strong>er von<br />

mehreren Faktoren <strong>und</strong> nicht <strong>der</strong><br />

wesentlichste. Trotzdem haben<br />

viele Studien als Endpunkt die<br />

Reduktion <strong>der</strong> Harn<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz.<br />

Nur wenige Autoren messen die<br />

Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Muskelkontraktilität.<br />

n Im Gegensatz zu pharmakologischen<br />

Studien werden den Patient<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> diesen Studien<br />

physiotherapeutische Übungen<br />

von e<strong>in</strong>er Person gezeigt. Variablen<br />

s<strong>in</strong>d also die Methode <strong>und</strong><br />

die Physiotherapeut<strong>in</strong>.<br />

n Beschrieben wurden nur Kontraktionsübungen.<br />

Aber auch bei guter<br />

Funktionalität <strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur<br />

gibt es Frauen, die<br />

die Beckenbodenmuskulatur nicht<br />

richtig e<strong>in</strong>setzen, obwohl sie diese<br />

gut kontrahieren können.<br />

Um mit den gängigen Studiendesigns<br />

e<strong>in</strong>e valide Aussage treffen zu können,<br />

wären große Kollektive notwendig.<br />

Studien, die sowohl die Ausgangslage<br />

<strong>der</strong> Funktionalität <strong>der</strong> Beckenbodenmuskulaturberücksichtigen<br />

als auch als Endpunkte nicht nur<br />

die Harn<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enzsymptomatik haben,<br />

son<strong>der</strong>n an<strong>der</strong>e Symptome, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

die Funktionalität <strong>der</strong><br />

Beckenbodenmuskulatur, konnten<br />

zeigen, dass die Physiotherapie bessere<br />

Ergebnisse h<strong>in</strong>sichtlich des Miktionsverhaltens<br />

(Miktionsfrequenz)<br />

liefert, <strong>Elektrostimulation</strong> <strong>und</strong> <strong>Biofeedback</strong><br />

aber die Kontraktilität mehr<br />

för<strong>der</strong>n. Über die Hyperkontraktilität<br />

<strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur wird<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur extrem wenig berichtet.<br />

In praxi hat sich die Behandlung<br />

durch Physiotherapeut<strong>in</strong>nen<br />

mit Zusatzqualifikation auf diesem<br />

Gebiet <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit <strong>der</strong><br />

begleitenden Anwendung von <strong>Biofeedback</strong>-<br />

<strong>und</strong> <strong>Elektrostimulation</strong>sgeräten<br />

bewährt.<br />

Die häufigste Form <strong>der</strong> Physiotherapie<br />

bei <strong>der</strong> Belastungs<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz ist<br />

<strong>in</strong> Deutschland das Aushändigen von<br />

Broschüren, <strong>in</strong> denen Übungen für die<br />

Beckenbodenmuskulatur beschrieben<br />

werden. Viele dieser Broschüren lassen<br />

vermuten, dass die Autoren noch<br />

nie die Funktionalität <strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur<br />

untersucht, noch nie<br />

vag<strong>in</strong>al exploriert haben. In <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Literatur konnte gezeigt<br />

werden, dass dieses unspezifische<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g e<strong>in</strong>er professionellen<br />

Anleitung e<strong>in</strong>deutig unterlegen ist<br />

<strong>und</strong> z.T. sogar schädigende E<strong>in</strong>flüsse<br />

auf den Beckenboden hat.<br />

Elektrotherapie<br />

bei überaktiver Blase<br />

Die konservative, nicht-medikamentöse<br />

<strong>Therapie</strong> <strong>der</strong> überaktiven Blase<br />

(OAB) umfasst Verhaltenstherapie,<br />

<strong>Elektrostimulation</strong> bzw. Magnetfeldtherapie<br />

sowie Kont<strong>in</strong>enzhilfen. Neben<br />

Lifestyle-Interventionen (wie<br />

z.B.Tr<strong>in</strong>kmengenanpassung) <strong>und</strong> Blasentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

ist das Beckenbodentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

e<strong>in</strong> wichtiger Bestandteil <strong>der</strong><br />

Verhaltenstherapie; durch willkürliche<br />

Kontraktion des Beckenbodens


FORTBILDUNG + KONGRESS<br />

444<br />

können Detrusorkontraktionen gehemmt<br />

werden, wie Burgio bereits<br />

1985 anhand von Studien zeigen<br />

konnte. Mithilfe richtig ausgeführter<br />

Beckenbodenkontraktionen ist es<br />

möglich, die Unterdrückung bzw. Beherrschung<br />

des Harndrangs zu erlernen.<br />

Laut evidenzbasierter Mediz<strong>in</strong><br />

(International Consultation on Incont<strong>in</strong>ence<br />

ICI, 2008) ist Beckenbodentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

besser als ke<strong>in</strong>e <strong>Therapie</strong>,<br />

Plazebo o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e nicht-aktive<br />

Kontrolltherapie <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>der</strong><br />

überaktiven Blase. Des Weiteren ist<br />

Beckenbodentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g besser als Oxybutyn<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> First-L<strong>in</strong>e-<strong>Therapie</strong> <strong>der</strong><br />

überaktiven Blase.<br />

Da m<strong>in</strong>destens 30% aller Frauen nicht<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, ihren Beckenboden<br />

richtig anzuspannen, reicht beim Blasentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

e<strong>in</strong>e schriftliche Anleitung<br />

zum Beckenbodentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ebenso wenig<br />

aus wie e<strong>in</strong>e Krankengymnastik<br />

ohne vag<strong>in</strong>ale Palpation. E<strong>in</strong>e zusätzliche<br />

Rückmeldung zur Qualität <strong>der</strong><br />

Muskelkontraktion – sei es mittels Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gshilfe<br />

o<strong>der</strong> Vag<strong>in</strong>al-EMG – ist für<br />

die Frauen hilfreich, da damit <strong>der</strong> <strong>Therapie</strong>effekt<br />

von <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong> selbst<br />

kontrolliert werden kann. Je nach Beckenbodenkontraktionskraft<br />

ist für<br />

jeden Patienten e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles Be-<br />

FRAUENARZT n 51 (2010) n Nr.5<br />

ckenbodenaufbauprogrammaufzustellen (vgl. Kapitel „Elektrotherapie<br />

bei Belastungs<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz“).<br />

Neben <strong>der</strong> Verhaltenstherapie ist bei<br />

<strong>der</strong> überaktiven Blase als Alternative<br />

zur medikamentösen <strong>Therapie</strong> aber<br />

auch e<strong>in</strong>e vag<strong>in</strong>ale Elektrostimula tion<br />

als e<strong>in</strong>fachste Form <strong>der</strong> Neuromodulation<br />

ohne implantierbare Elektroden<br />

möglich. Hier hat sich laut ICI<br />

e<strong>in</strong>e Frequenz von 4–10 Hz 2x20 m<strong>in</strong><br />

pro Tag über 9–12 Wochen bewährt,<br />

wobei die Stromstärke so hoch wie<br />

maximal tolerabel e<strong>in</strong>gestellt werden<br />

sollte. Bei gutem Ansprechen ist e<strong>in</strong>e<br />

Erhaltungstherapie s<strong>in</strong>nvoll. Die<br />

<strong>Therapie</strong>ergebnisse s<strong>in</strong>d bei Frauen<br />

<strong>und</strong> Männern vergleichbar <strong>und</strong> gelten<br />

auch für die <strong>Therapie</strong> <strong>der</strong> Misch -<br />

<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz.<br />

Elektrotherapie bei<br />

Blasenentleerungsstörung<br />

Die Häufigkeit <strong>und</strong> die Folgen von<br />

Blasenentleerungsstörungen werden<br />

häufig unterschätzt. Neurogene Blasenentleerungsstörungen(Blasenhals-<br />

<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Sph<strong>in</strong>kter-Detrusor-<br />

Dys synergie) f<strong>in</strong>den sich häufig bei<br />

Diabetes mellitus (Cave: Auch bei<br />

leichten, diätetisch e<strong>in</strong>stellbaren For-<br />

men!). Die habituelle Form hat ihre<br />

Ursache <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sph<strong>in</strong>kter-Detrusor-<br />

Dyskoord<strong>in</strong>ation durch e<strong>in</strong> falsches<br />

Miktionsverhalten im K<strong>in</strong>desalter. Etwa<br />

60% <strong>der</strong> enuretischen K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben<br />

e<strong>in</strong>e Blasenentleerungsstörung.<br />

Die (oft Jahrzehnte später sichtbaren)<br />

Folgen s<strong>in</strong>d Stakkatomiktion, erhöhter<br />

Restharn mit rezidivierenden<br />

Harnwegs<strong>in</strong>fektionen, sek<strong>und</strong>äre<br />

überaktive Blase, chronische Obstipation,<br />

aber auch Pelvic-Pa<strong>in</strong>-Syndrom.<br />

In diesen Fällen hat sich die <strong>Therapie</strong><br />

mit <strong>Biofeedback</strong>-Tra<strong>in</strong>ern zur Relaxation<br />

<strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur<br />

bestens bewährt. Häufig wird die Tatsache<br />

wenig beachtet, dass viele Patient<strong>in</strong>nen<br />

(<strong>und</strong> Patienten!) mit Belastungs<strong>in</strong>kont<strong>in</strong>enz<br />

kompensatorisch<br />

ihre Beckenbodenmuskulatur permanent<br />

anspannen <strong>und</strong> daher zusätzlich<br />

e<strong>in</strong>e Blasenentleerungsstörung entwickeln.<br />

Bei Belastung s<strong>in</strong>d sie dann<br />

nicht mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Kontraktionssteigerung<br />

hervorzubr<strong>in</strong>gen. Die üblicherweise<br />

angewandte Beckenbodentherapie mit<br />

Anspannungsübungen ist hier geradezu<br />

kontra<strong>in</strong>diziert. Dies kann erst<br />

erfolgen, wenn die Patienten gelernt<br />

haben, ausreichend zu relaxieren.


Geräteanwendung<br />

Die E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> den Gebrauch <strong>der</strong><br />

Geräte sollte idealerweise durch e<strong>in</strong>e<br />

subspezialisierte Krankengymnast<strong>in</strong><br />

erfolgen. Auch speziell weitergebildetes<br />

Personal <strong>der</strong> Arztpraxis kann<br />

diese Aufgabe zeitnah bei Diagnosestellung<br />

übernehmen. Die E<strong>in</strong>weisung<br />

durch Mitarbeiter <strong>der</strong> Vertriebsfirmen<br />

kann nur e<strong>in</strong>e Notlösung se<strong>in</strong>, da hierbei<br />

lediglich die Kontraktilität <strong>und</strong><br />

nicht die komplexe Funktionalität <strong>der</strong><br />

Beckenbodenmuskulatur berücksichtigt<br />

wird. Es sollten <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

Geräte zur Heimanwendung rezeptiert<br />

werden. E<strong>in</strong>en Vorteil bieten Geräte,<br />

die die Anwendungen aufzeichnen,<br />

sodass e<strong>in</strong>e Supervision des Heimtra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />

möglich ist.<br />

Fazit<br />

n Die Physiotherapie muss dem<br />

komplexen pathophysiologischen<br />

Geschehen <strong>der</strong> Inkont<strong>in</strong>enz durch<br />

Verhaltenstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Kontraktilität <strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong>en differenzierte<br />

Anwendung <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Alltagssituationen gerecht<br />

werden.<br />

n Hierzu ist primär e<strong>in</strong>e subtile<br />

Diagnostik <strong>der</strong> Funktionalität <strong>der</strong><br />

Beckenbodenmuskulatur durch<br />

den behandelnden Gynäkologen/Urologen<br />

mittels Palpation,<br />

Per<strong>in</strong>ealsonographie <strong>und</strong> ggf. Vag<strong>in</strong>al-EMG<br />

nötig.<br />

n Neben e<strong>in</strong>er vag<strong>in</strong>alen Evaluation<br />

muss die Krankengymnast<strong>in</strong><br />

den richtigen E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur<br />

selbst<br />

durch vag<strong>in</strong>ale Exploration diagnostizieren.<br />

n <strong>Biofeedback</strong>- <strong>und</strong> <strong>Elektrostimulation</strong>sgeräte<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e wertvolle<br />

Ergänzung <strong>der</strong> komplexen konservativen<br />

<strong>Therapie</strong> <strong>der</strong> Inkont<strong>in</strong>enz<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>er Blasenentleerungsstörungen.<br />

Sie haben sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Praxis bei Hyper-, Hypo- <strong>und</strong><br />

Akontraktilität <strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur<br />

bewährt.<br />

n Bei normaler Kontraktionsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Beckenbodenmuskulatur<br />

s<strong>in</strong>d sie nicht <strong>in</strong>diziert.<br />

n Ob primär <strong>Biofeedback</strong>, Elektro -<br />

stimulation o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>a -<br />

tion bei<strong>der</strong> <strong>Therapie</strong>n angewandt<br />

werden sollte, kann am besten<br />

durch den behandelnden<br />

Arzt/Physiotherapeuten entschieden<br />

werden.<br />

Literatur bei<br />

den Autoren<br />

Für die Autoren<br />

Dr. med.<br />

Ra<strong>in</strong>er Lange<br />

Gynäkologische Praxis<br />

Lange-Kiefer-Gollai-Hagen-<br />

Hauser & Kollegen<br />

Bleichstr. 1<br />

55232 Alzey<br />

FORTBILDUNG + KONGRESS<br />

FRAUENARZT n 51 (2010) n Nr.5 445

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