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Die Geschichte des Rabbi und die 4 Phasen - Gemeinschaftsbildung

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das geschieht darüber, dass gruppenmitglieder versuchen, einander zu bekehren, zuheilen, auszuschalten oder ansonsten für vereinfachte organisatorische regelneinzutreten. es ist ein ärgerlicher <strong>und</strong> irritierender, gedankenloser,maschinengewehrmäßiger <strong>und</strong> oft lärmender prozess, bei dem es nur um sieger <strong>und</strong>verlierer geht <strong>und</strong> der zu nichts führt. wenn <strong>die</strong> gruppe <strong>die</strong>se unerfreuliche situationdurchstehen kann, ohne sich selbst zu zerstören oder in <strong>die</strong> pseudogemeinschaftzurückzufallen, dann tritt sie allmählich in <strong>die</strong> „leere” ein. <strong>die</strong>s ist ein stadium sehr, sehrharter arbeit, eine zeit, in der <strong>die</strong> mitglieder daran arbeiten, alles beiseite zu räumen, waszwischen ihnen <strong>und</strong> der gemeinschaft steht. <strong>und</strong> das ist eine menge. vieles von dem,was mit integrität aufgegeben <strong>und</strong> geopfert werden muss, sind universell menschlicheeigenschaften: vorurteile, vorschnelle urteile, starre erwartungen, der wunsch zubekehren, zu heilen oder auszuschalten, der drang zu siegen, <strong>die</strong> angst, sich zum narrenzu machen, das bedürfnis, <strong>die</strong> kontrolle über alles zu haben. andere dinge mögenausgesprochen persönlicher art sein: ein verborgener kummer, abscheu oder tiefe angstvor etwas, <strong>die</strong> öffentlich eingestanden werden müssen, bevor das individuum für <strong>die</strong>gruppe völlig „präsent” sein kann. es ist eine zeit, <strong>die</strong> risikobereitschaft <strong>und</strong> mut verlangt,<strong>und</strong> wenn man sich auch oft erleichtert fühlt, so fühlt man sich doch oft auchsterbenselend.der übergang von chaos zur leere läuft selten dramatisch ab <strong>und</strong> dauert häufig qualvolllange. ein oder zwei gruppenmitglieder gehen vielleicht das risiko ein, ihre seelebloßzulegen, nur um zu erleben, dass ein anderes, das den schmerz nicht ertragen kann,plötzlich das thema zu irgendetwas völlig unsinnigem wechselt. <strong>die</strong> gruppe als ganzesist noch nicht offen genug, um wirklich zuzuhören. sie fällt in das zeitweilige chaoszurück. schließlich aber wird sie doch so leer, dass eine art w<strong>und</strong>er geschehen kann.an <strong>die</strong>sem punkt spricht ein mitglied sehr präzise <strong>und</strong> authentisch etwas an. <strong>die</strong> gruppescheut nicht davor zurück, sondern sitzt schweigend da <strong>und</strong> nimmt alles in sich auf. dannsagt ein zweites mitglied ganz ruhig etwas ebenso authentisches. es handelt sichvielleicht nicht einmal um eine antwort auf das erste mitglied, aber man hat auch nicht dasgefühl, es ist ignoriert worden. vielmehr herrscht eher <strong>die</strong> empfindung vor, das zweitemitglied sei vorgetreten <strong>und</strong> habe sich neben dem ersten auf den altar gelegt. wiederkehrt stille ein, aus der heraus sich ein drittes mitglied ebenso präzise <strong>und</strong> eloquentäußert. <strong>die</strong> gemeinschaft ist geboren. der wechsel zur gemeinschaft tritt oft sehrplötzlich <strong>und</strong> dramatisch ein. <strong>die</strong> veränderung ist deutlich zu spüren. ein geist <strong>des</strong>friedens durchdrängt den ganzen raum. es herrscht mehr schweigen, doch es wirdbedeutungsvolleres gesagt. es ist wie musik. <strong>die</strong> menschen arbeiten mit einem präzisenzeitgefühl zusammen, so als seien sie ein fein eingestimmtes orchester unter der leitungeines unsichtbaren himmlischen dirigenten. viele spüren tatsächlich <strong>die</strong> anwesenheitgottes im raum. handelt es sich um eine gruppe vormaliger fremder, <strong>die</strong> sich in einemöffentlichen workshop versammelt haben, dann kann man eigentlich nichts weiter tun, alssich an <strong>die</strong>sem geschenk freuen. handelt es sich aber um eine organisation, dann ist <strong>die</strong>gemeinschaft nun bereit, sich oft mit phänomenaler leistungsfähigkeit <strong>und</strong> effektivität an<strong>die</strong> arbeit zu machen, also entscheidungen zu treffen, zu planen, zu verhandeln <strong>und</strong> soweiter.”ein laboratorium für persönliche abrüstungzum ende einer 2-tägigen gemeinschaftserfahrung im jahr 1984 kündigte eine damemittleren alters der gruppe an: „ich weiß, dass scotty sagte, wir sollten nicht aussteigen,aber als mein mann <strong>und</strong> ich gestern abend nach hause kamen dachten wir genau daran.ich schlief letzte nacht nicht gut <strong>und</strong> wäre heute morgen beinah nicht gekommen. doch


eschlüsse zu fassen.der ausdruck „ein kamel ist ein pferd, das von einem komitee erschaffen wurde“ heißtnicht, dass gruppenentscheidungen notwendigerweise plump <strong>und</strong> unvollkommen sind, esheißt, dass komitees praktisch nie gemeinschaften sind.1983 stand ich vor einigen wichtigen entscheidungen für mein leben, so schwierig,dass ich wusste, ich war nicht intelligent genug, sie – selbst mit beratung von experten –alleine zu treffen. als ich um hilfe bat, kamen 28 frauen <strong>und</strong> männer aus dem ganzenland. <strong>die</strong> ersten 80 prozent der drei tage, <strong>die</strong> wir zusammen arbeiteten, verbrachten wirin der tat damit gemeinschaft aufzubauen. erst <strong>die</strong> letzten paar st<strong>und</strong>en wandten wir unsunserem eigentlichen thema <strong>und</strong> den dazu anstehenden entscheidungen zu. wir trafensie mit leichtigkeit <strong>und</strong> in win<strong>des</strong>eile.eine der schönsten eigenschaften von gemeinschaft ist was ich als „fließende führung“bezeichne. dank <strong>die</strong>ses fließens konnte unsere gemeinschaft damals, 1983, anstehendeentscheidungen so schnell <strong>und</strong> effizient treffen. <strong>und</strong> weil ihre mitglieder sich frei fühltensich wirklich auszudrücken, war es, als würden ihre individuellen gaben im richtigenaugenblick, als <strong>die</strong> entscheidungen fällig waren, angeboten. ein paar mitglieder hattenvorschläge für teil a der lösung. <strong>und</strong> da <strong>die</strong> gemeinschaft <strong>die</strong> weisheit <strong>die</strong>ser gabeerkannte, konnten alle sie annehmen, so dass augenblicklich <strong>und</strong> wie durch ein w<strong>und</strong>erein zweites mitglied sich frei fühlte mit seinem vorschlag für teil b der lösung vorzutreten.<strong>und</strong> so floss es weiter durch den versammlungsraum.der fluss von führung ist routine in gemeinschaften. <strong>die</strong>ses phänomen hat einegroße tragweite für jeden, der versucht entscheidungsprozesse auf organisatorischerebene zu verbessern – im geschäftsleben, in der regierung oder anderswo. aber dassetzt voraus, dass zuvor sich gemeinschaft entwickelt hat. traditionelle hierarchischemuster müssen, wenigstens vorerst, beiseite gelegt werden. kontrolle muss abgegebenwerden. denn in <strong>die</strong>ser neuen situation ist der geist der gemeinschaft das leitendeelement <strong>und</strong> nicht ein einzelnes individuum.ein geistgemeinschaft ist ein geist – aber nicht das, was wir landläufig unter „gemeinschaftsgeist“verstehen. für <strong>die</strong> meisten von uns beinhaltet das konkurrenzgeist, ein chauvinistischesangebertum wie es fußballteams, <strong>die</strong> ein spiel gewonnen haben zur schau stellen, oder<strong>die</strong> bürger einer stadt, auf <strong>die</strong> sie so stolz sind. „unsere stadt ist besser als eure stadt“,mag ein typischer ausdruck <strong>die</strong>ser art von cliquenorientiertem gemeinschaftsgeist sein.aber <strong>die</strong>ses verständnis von gemeinschaftsgeist ist irreführend <strong>und</strong> oberflächlich. nurin einer hinsicht ist er stimmig: <strong>die</strong> mitglieder einer gruppe, <strong>die</strong> zu einer echtengemeinschaft geworden sind, haben große freude an ihrem kollektiv. sie wissen, dasssie gemeinsam etwas gewonnen haben, dass sie einen wert entdeckt haben. aber da hört<strong>die</strong> ähnlichkeit bereits auf. in einer echten gemeinschaft gibt es zum beispiel keinkonkurrenzverhalten. im gegenteil – eine gruppe, <strong>die</strong> von konkurrenzgeist beherrschtwird ist per definition keine gemeinschaft. konkurrenzgeist ist immer ausschließend,echte gemeinschaft ist aber einschließend. wenn eine gemeinschaft feinde hat, hat sieangefangen, den geist von gemeinschaft zu verlieren, sofern sie ihn je besessen hatte.der geist echter gemeinschaft ist der geist <strong>des</strong> friedens. oft fragen menschen imanfangsstadium der gemeinschaftsbildenden workshops, „wie erkennen wir, dass wir einegemeinschaft geworden sind?“ <strong>die</strong>s ist eine überflüssige frage. sowie eine gruppe insgemeinschaftsstadium eintritt, findet eine drastische veränderung statt. ein neuer geist istbeinahe greifbar. er kann nicht übersehen werden. keiner, der je <strong>die</strong>se erfahrung gemachthat, wird je wieder <strong>die</strong>se frage stellen.noch wird je jemand daran zweifeln, dass ein geist <strong>des</strong> friedens vorherrscht, wenn

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