14________________ SCW-NOSTALGIE “50 Jahre West<strong>de</strong>utsche Meisterschaft“_Bilduntertitel: HERNE bringt immer neue Internationale hervor. Nach Harpers (früher Sodingen, jetzt <strong>Fortuna</strong>) und Sawitzki (früherSodingen, jetzt VfB Stuttgart) stehen jetzt (von links) Helmut Benthaus, Alfred Pyka und Hans Tilkowski (alle Westfalia) imAufgebot gegen das Län<strong>de</strong>rspiel gegen Bulgarien. Läufer Benthaus soll dabei zum ersten Mal das Nationaltrikot tragen.
SCW-NOSTALGIE_ “50 Jahre West<strong>de</strong>utsche Meisterschaft“_____________15Von Niehage zum Nil!Der Westfalia-Express rollte anno 1958. Auch dietristen Dezembertage konnten <strong>de</strong>m Tabellenführer<strong>de</strong>r Oberliga West die anstehen<strong>de</strong> Weihnachtslaunenicht ver<strong>de</strong>rben. Die Schlagzeilen <strong>de</strong>r Sportpressegehörten je<strong>de</strong>nfalls <strong>de</strong>r einstigen „grauen Maus“:„Westfalia auf und davon: 5:0 Kantersieg gegenOberhausen“, „Benthaus und Kraskewitz spielten mitSchwung: 3:0 über STV Horst“, „Überragen<strong>de</strong>rTilkowski rettete Sieg: 1:0 über Duisburg“ und„Münster schwärmt: Fußballfest – GerechtesUnentschie<strong>de</strong>n gegen Westfalia“.Am 7. Dezember 1958 weilte BorussiaMönchengladbach am Schloss Strünke<strong>de</strong> undbekam richtig eingeschenkt. 5:0 lautete <strong>de</strong>rEndstand für <strong>de</strong>n SCW, und die WAZ sprachprosaisch von einem Spiel, „das einem Wettlaufzwischen braven Kaltblut-Ackergäulen undfeinnervigen Araberpfer<strong>de</strong>n glich“. Gästetrainer FritzPliska, <strong>de</strong>r eine Deka<strong>de</strong> später selbst am Schlossanheuern sollte, urteilte: „Die Westfalen spieltenteilweise ‚blind’. Das Verständnis unter <strong>de</strong>n Spielernist ohne Ta<strong>de</strong>l. Ich müsste ein Brett vor <strong>de</strong>n Augenhaben, wenn ich <strong>de</strong>n Herner Sieg als ungerechtbezeichnen wollte.“ Dreifacher Torschütze <strong>de</strong>sSpiels war Gerd Clement, <strong>de</strong>r unlängst seinen 70.Geburtstag feierte. Sein jahrelanger WeggefährteAlfred Pyka erinnert sich an die Qualitäten <strong>de</strong>s„Brechers“ im Sturm: „Gerd war schwer zu stoppen.Im Training habe ich immer gegen ihn gespielt, daswar eine harte Nuss. Und vorm Tor war er abgeklärt.Fritz Ewert vom 1.FC Köln hat er mal so richtigverarscht: Mehrmals einen Schuss angetäuscht, undEwert flog immer, und dann <strong>de</strong>n Ball locker in dieEcke geschoben. Da hat <strong>de</strong>r Ewert ihn angeschrien:‚Wenn Du das noch einmal machst, kriegst Du wasauf die Fresse!’ So war das damals.“Zum „blin<strong>de</strong>n Verständnis“ <strong>de</strong>r SCW-Spieleruntereinan<strong>de</strong>r liefert <strong>de</strong>r frühere Herner FotografGünter Jendrny, <strong>de</strong>r viele Trainingseinheiten <strong>de</strong>sSCW verfolgte, eine plausible Erklärung: „FritzLangner hatte vor versammelter Mannschaft erklärt,dass sie keinen Spieler hätten, <strong>de</strong>r über vierzigMeter zentimetergenaue Pässe schlagen könnte.Also müsste eine an<strong>de</strong>re Taktik her: dasKurzpassspiel. Das wur<strong>de</strong> fortan bei je<strong>de</strong>m Traininggebolzt und auch die Ban<strong>de</strong>nwerbung miteingesetzt. Beim Training schrie einer zum Beispiel‚Richtung Niehage!’ Damit war die Ban<strong>de</strong>nwerbunggemeint, und je<strong>de</strong>r Spieler wusste aus <strong>de</strong>m Effeff, inwelche Richtung er aus einem Getümmel herauspassen musste.“Zum Abschluss <strong>de</strong>r Hinrun<strong>de</strong> gastierte Westfaliaam 14. Dezember 1958 an <strong>de</strong>r Castroper Straße imbenachbarten Bochum. Über 30.000 Zuschauersäumten <strong>de</strong>n Platz, und „seit Jahr und Tag hat es inBochum nicht mehr ein Spiel von solcher Rasse undKlasse gegeben“, stellte die WAZ fest. Durch zweispäte Bochumer Treffer unterlag <strong>de</strong>r SCW zwar mit0:2, konnte aber trotz<strong>de</strong>m die„Halbzeitmeisterschaft“ feiern.An <strong>de</strong>s Westens neuem Wun<strong>de</strong>rkind kam auchNationaltrainer Sepp Herberger nicht vorbei. HansTilkowski hatte bereits 1957 im Nationaldress<strong>de</strong>bütiert, am 21. Dezember 1958 beim Län<strong>de</strong>rspielgegen Bulgarien folgte dann <strong>de</strong>r Philosophie-Stu<strong>de</strong>ntHelmut Benthaus. Mit <strong>de</strong>m Stuttgarter GüntherSawitzki, von Rasensport Holthausen kommend,stand sogar ein weiterer Herner Junge auf <strong>de</strong>mPlatz.Bun<strong>de</strong>strainer Sepp Herberger zu Gast am Schloss Strünke<strong>de</strong>Zu einer wirklichen Sternstun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herner Sportskam es dann En<strong>de</strong> Dezember 1958 im Schatten <strong>de</strong>rägyptischen Pyrami<strong>de</strong>n. Beim Vergleich mit <strong>de</strong>n„Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Nils“, ein Spiel von eher diplomatischer<strong>de</strong>nn sportlicher Be<strong>de</strong>utung, liefen mit HansTilkowski, Helmut Benthaus und Alfred Pyka dreiSpieler von Westfalia Herne im Trikot <strong>de</strong>rNationalmannschaft auf. „Auch im Fußball gibt esviele Dinge, die sich än<strong>de</strong>rn und wie<strong>de</strong>r kommen.Aber das Westfalia noch einmal das Gerüst <strong>de</strong>rFußball-Nationalmannschaft stellt, das glaube ichwirklich nicht“, so Alfred Pyka. WestfaliasRekordspieler wird mit seiner Prognose vermutlichRecht behalten – und nicht nur, weil man damals mit1:2 verlor. (rp)Nostalgie pur: Fotos aus Westfalias Erfolgssaison1958/59 <strong>de</strong>mnächst als Bil<strong>de</strong>rstream auf <strong>de</strong>rVereinshomepage unter www.westfalia-herne.<strong>de</strong>Und für alle, die unterNostalgie lei<strong>de</strong>n und nochein Weihnachtsgeschenksuchen:Ralf Piorr (Hg.):FUSSBALLTAGE IMWESTEN. Die OberligaWest 1947 bis 1963 imBild, 240 Seiten,Großformat, KlartextVerlag, ISBN 978-3-89861-928-8, EUR 29,90.Eine fotografische Reise indas Herz <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sNRW und in die Geschichte <strong>de</strong>s Fußballs!
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