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pdf, 1 MB - BZL Kommunikation und Projektsteuerung GmbH

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INDUSTRIEEMISSIONENExpertenanhörung imUmweltausschussFachleute nahmen Stellung zum Regierungsentwurf zurUmsetzung der EU-Industrieemissionsrichtlinie in deutsches RechtVon Harald Schönberger, Christian Tebert <strong>und</strong> Uwe LahlDr.-Ing.Harald SchönbergerInternationaler Experte fürindustriellen UmweltschutzAm 15. Oktober 2012 führte der Umweltausschuss des Deutschen B<strong>und</strong>estages eineExpertenanhörung zum Regierungsentwurf zur Umsetzung der europäischen IndustrieemissionenRichtlinie (IED) durch. Die wesentlichen Kritikpunkte am Regierungsentwurf,die anlässlich dieser Anhörung geäußert wurden, werden im folgendenBeitrag dargestellt, <strong>und</strong> der aktuelle Stand der Umsetzung (Januar 2013) erläutert.Dipl.-Ing.Christian TebertSenior Consultant beiÖkopol - Institut fürÖkologie <strong>und</strong> Politik<strong>GmbH</strong>, HamburgProf. Dr. rer. nat.habil. Uwe Lahl(Ministerialdirektor a.D.)Geschäftsführer <strong>BZL</strong><strong>Kommunikation</strong> <strong>und</strong><strong>Projektsteuerung</strong> <strong>GmbH</strong>1 EinleitungIm Hinblick auf das Umsetzungspaket zurEU-Industrieemissionsrichtlinie (2010/75/EU) wurden insbesondere in der zweitenMantelverordnung seit dem Referentenentwurf[1] bis hin zum Kabinettbeschluss am5. September 2012 einzelne Umweltschutzanforderungenweiter abgeschwächt. So istim Kabinettbeschluss für die Abfallmitverbrennungim Zementwerk weiterhin einGrenzwert für die NO X -Reduzierung von200 Milligramm pro Kubikmeter (mg/Nm 3 )enthalten, aber der hierzu korrespondierendeSchlupfgrenzwert für Ammoniakwurde gestrichen. Entfernt wurden auchAmmoniakbegrenzungen für Abfallverbrennungsanlagen<strong>und</strong> Kohlekraftwerkemit SNCR-Technik (SNCR =Selective Non-Catalytic Reduction), die im ersten Entwurfnoch enthalten waren. Die Grenzwerte warenals Beitrag zur Erreichung NationalerEmissionshöchstgrenzen vorgesehen <strong>und</strong>entsprachen den europäischen Festlegungenfür Beste verfügbare Technik (BVT).Am 14. Dezember 2012 hat der B<strong>und</strong>esratdie Wiederaufnahme mit einem von 10 bzw.15 auf 30 mg/Nm 3 erhöhten NH 3 -Wert vorgeschlagen.Den BVT-Festlegungen entsprachenauch die zunächst für Kohlenmonoxidvorgeschlagenen Grenzwerte fürSteinkohlekraftwerke, die in der B<strong>und</strong>estagsvorlagemit den vierfach höherenBraunkohlewerten gleich gesetzt wurden.Im Falle der Quecksilberemissionen ausKohlekraftwerken, Abfallverbrennungsanlagen<strong>und</strong> aus Abfall mitverbrennenden Zement-<strong>und</strong> Kalkwerken wurde die geplanteAbsenkung des Tagesmittelwertes gestrichen<strong>und</strong> es bleibt bei dem schon heute gültigenWert von 30 Mikrogramm je Kubikmeter(im Normalzustand, trocken), sowieeinem zusätzlichen Jahresmittelwert von10 Mikrogramm. Niedrigere Werte hat auchder B<strong>und</strong>esrat nicht beschlossen.Insgesamt wurde der Entwurf als handwerklichsolide, aber wenig ambitioniert ausSicht des Umweltschutzes dargestellt. Dieskann auch aus dem Umstand geschlussfolgertwerden, dass die Wirtschaftsvertreterauf dieser Anhörung keine große Klageüber zu hohe Anforderungen äußerten.2 Umsetzung der BVT-AnforderungenEin zentraler Punkt der Vorträge <strong>und</strong> Diskussionwar die Frage, wie sich die verbindlichenBVT-Anforderungen (BVT = BesteVerfügbare Techniken) aus Sevilla beziehungsweiseBrüssel in deutsches Recht umsetzenlassen werden. Das Hauptziel derRichtlinie über Industrieemissionen bestehtdarin, dass für alle Industriebranchen neueAnforderungen an den einzuhaltendenUmweltschutz (Luft, Wasser, Boden, Ressourceneffizienz)erarbeitet werden. DieseAnforderungen werden in den kommendenJahren etappenweise erarbeitet <strong>und</strong>dann in einem speziellen Verfahren inBrüssel beschlossen. Der Kernbereich dieserBVT-Anforderungen (BVT-Schlussfolgerungen),beispielsweise die mit den BVTerreichbaren Emis sionswerte, ist dann für4 ReSource 4/2012


INDUSTRIEEMISSIONENReSource 4/2012alle Industrieanlagen in der EU verbindlich. Die jeweiligen Anforderungenmüssen in die nationalen Rechtssysteme eingeführt werden.Diese BVT-Anforderungen sind nach Artikel 21 Absatz 3 innerhalbvon vier Jahren einzuhalten. Wobei einzuhalten bedeutet, dassalle relevanten Industrieanlagen die neuen mit BVT assoziiertenEmissionswerte vier Jahre nach Verabschiedung der BVT-Schlussfolgerungen„fahren“ müssen. Die Zeitspanne von vier Jahren istkurz, wenn man bedenkt, dass nach der Einführung der Anforderungenins nationale Recht die einzelnen Genehmigungen angepasstwerden müssen <strong>und</strong> anschließend das Unternehmen dieNachrüstung kaufen, einbauen <strong>und</strong> in Betrieb nehmen muss.Kein W<strong>und</strong>er also, dass seit Jahren zwischen den Interessensvertreternin Deutschland ein latenter Konflikt über die Frage besteht,welche Zeit für die Gesetzgebung den Transfer ins nationale Rechtreserviert wird. Die Befürchtung: Wenn die Gesetzgebung mehrals ein Jahr benötigt, dann wird es Behörden <strong>und</strong> Unternehmenaufgr<strong>und</strong> der nachgelagerten Umsetzungsschritte sehr schwer fallen,diese Anforderungen dann noch fristgerecht umzusetzen.B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder haben daher 2009 ein informelles Verfahreneingeführt, das möglichst schlank ausfallen soll. Dazu hat das B<strong>und</strong>esumweltministeriumden TA Luft-Ausschuss (TALA) eingerichtet.Dieser verfügt über zehn stimmberechtigte Mitglieder, bestehendaus vier Länderbehördenvertretern, sowie jeweils zwei Vertreternvon Wissenschaft, Industrie <strong>und</strong> Umweltschutzorganisationen.Der TALA prüft BVT-Anforderungen <strong>und</strong> formuliert gegebenenfallsein Votum zur Aufhebung der Bindungswirkung der TALuft. Gleichzeitig wird eine nationale Vollzugsempfehlung ausformuliert,die der B<strong>und</strong>/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz(LAI) zur Beschlussfassung <strong>und</strong> Veröffentlichung vorgeschlagenwird. Der BMU prüft dann das Votum des TALA <strong>und</strong>veröffentlicht die Aufhebung der Bindungswirkung der TA Luft imAmtsblatt, wenn er das Votum teilt. Nun gibt es in Deutschland fürIndustrieanlagen bereits Anforderungen, die hauptsächlich in derTechnischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) niedergelegtsind. Da diese alten TA-Luft-Anforderungen häufig nichtmit den neuen BVT-Anforderungen übereinstimmen, muss jeweilsparallel mit der Aufhebung der Bindungswirkung der TALuft sichergestellt sein, dass die LAI die transformierten EU-BVT-Anforderungen bekannt gibt. Das Verfahren hat bereits bei zweiBVT-Merkblättern, die auf der Basis der IVU-Richtlinie erstelltwurden, dazu geführt, dass die Bindungswirkung der TA Luft aufgehobenwurde. Zeitgleich hat die LAI am 15. September 2011Vollzugsempfehlungen auf ihrer Internetseite veröffentlicht [2].Sowohl Vertreter der Wirtschaft als auch die Vertreter von Umweltschutzbelangenkritisierten dieses Verfahren. Beispielsweisewerden die ansonsten für die Rechtsetzung vorhandenen Beteiligungs-<strong>und</strong> Transparenzanforderungen aufgehoben. Da die BVT-Anforderungen erwartungsgemäß eine gewisse Bandbreite aufweisenwerden, ist die Umsetzung in nationales Recht auch immer miteiner politischen Abwägung verb<strong>und</strong>en, die ohne Beteiligung derÖffentlichkeit erfolgt. Auch rechtlich erscheint dieses Verfahrenproblematisch, da quasi im Behördenverfahren Normen aufgehobenwerden, die von der B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> vom B<strong>und</strong>esrat beschlossenwurden.Weiter wurde kritisiert, dass hiermit die TA Luft in ihrer Bedeutungnachhaltig geschwächt wird <strong>und</strong> ein Flickenteppich an Anforderungen<strong>und</strong> Aufhebungen entsteht, der dann erwartungsgemäßvon den B<strong>und</strong>esländern unterschiedlich vollzogen wird.Man muss zur Ehrenrettung des kritisierten Verfahrens noch daraufhinweisen, dass vorgesehen ist, die TA Luft alle paar Jahre zunovellieren. Erfahrungsgemäß würde diese Novelle jede zweite Legislaturperiodebeziehungsweise etwa alle zehn Jahre erfolgen.Zwar würden hierdurch wieder einheitliche Verhältnisse hergestellt,aber im darauf folgenden Jahr ginge dann das Spiel wiedervon vorne los.Da die BVT-Anforderung in der IED aus dem Vorsorgebereichherausgehoben wurde <strong>und</strong> eine eigenständige Gr<strong>und</strong>pflicht „BVT-Anforderung werden angewandt“ normiert wird (Artikel 11 Absatzb) <strong>und</strong> damit eine Parallellagerung zur Gefahrenabwehr eintritt(Artikel 11 Absatz c <strong>und</strong> g, siehe auch Diehl [3]) kann die EU-Kommission eine Umsetzung in Form von Vollzugsempfehlungender LAI kaum akzeptieren. Unser Vorschlag war daher, die TA Luftzu straffen <strong>und</strong> in den Verordnungsrang zu heben. Die transformiertenBVT-Anforderungen sollten dann als technische Anhängezur Verordnung aufgenommen werden. Die neue Aufnahme oderÄnderung eines technischen Anhangs wäre innerhalb einer Jahresfristmöglich (vergleich § 7a WHG). Mit diesem Vorschlag würdenalle Zweifel beseitigt, dass die Umsetzung der BVT-Anforderungenin Deutschland verbindlich erfolgt <strong>und</strong> damit auch von den Umweltverbändeneinklagbar sind. Weiter wäre die TA Luft selbst aufgewertet,der heute zu beklagenden Erosion wäre entgegengewirkt<strong>und</strong> alle vorhandenen Anforderungen an Transparenz <strong>und</strong> Beteiligungkönnten vollständig gewahrt werden.Da aber die Vertreter der Länder im Umweltausschuss des B<strong>und</strong>esratessehr gut mit dem oben beschriebenen informellen Behördenverfahrenleben können, war nicht zu erwarten, dass dieseszweifelhafte Verfahren im B<strong>und</strong>esrat verändert werden wird. Eswird wohl darauf ankommen, was in Brüssel vom „deutschenWeg“ gedacht wird <strong>und</strong> wie die Gerichte in den nächsten Jahrenentscheiden werden, wenn es zu Streitfällen kommt.3 Gr<strong>und</strong>pflicht Energie- beziehungsweiseRessourceneffizienz2007 wurde die Gr<strong>und</strong>pflicht „Energieeffizienz“ aus § 5 BImSchGgestrichen, das heißt für die Anlagen, die dem Emissionshandelunterliegen. In der Expertenanhörung zum Regierungsentwurfwurde vorgeschlagen, diese Gr<strong>und</strong>pflicht wieder einzuführen <strong>und</strong>auszugestalten.Aus dem Richtlinientext der IED wird deutlich, dass die Nationalstaatendie rechtliche Möglichkeit hätten, den Emissionshandelüber ein zusätzliches ordnungsrechtliches Instrument zu ergänzen.Dass ordnungsrechtliche Handlungsmöglichkeiten sinnvoll seinkönnen, zeigt das Beispiel des Emissionshandels, wo aufgr<strong>und</strong> der„Leakage-Problematik“ kein Emissionshandel im klassischen Sinnstattfindet, sondern für die dritte Handelsperiode eine Benchmark-Regelungeingeführt wurde. Diese Regelung, übrigens selbstein Systembruch im Emissionshandel, steuert viel zu pauschal <strong>und</strong>inflexibel <strong>und</strong> ist wenig ambitioniert ausgefallen. Somit fehlt fürden Kernbereich der industriellen Produktion ein Instrument, umKlimaschutz <strong>und</strong> Energieeffizienz umzusetzen.In der Anhörung wurde problematisiert, dass nach heutigerRechtslage im BImSchG es explizit ausgeschlossen ist, Effizienzanforderungenan Industrieanlagen (die dem Emissionshandel unterliegen)stellen zu können; es somit rechtlich problematisch sei,derartige Anforderungen, die mit Sicherheit von Brüssel als BVT-Anforderungen kommen werden, im oben genannten Verfahrennational umzusetzen. Es könnte also rechtlich zumindest merkwürdigsein, wenn etwas, das im Gesetz explizit ausgeschlossen ist,auf untergesetzlicher Ebene dann doch gemacht wird.Über die Einführung einer Gr<strong>und</strong>pflicht könnte zur Konkretisierungeine Verordnungsermächtigung ins Gesetz aufgenommenwerden, die die Handlungsschwerpunkte <strong>und</strong> die Anforderungen5


INDUSTRIEEMISSIONENAbbildung 4: NO X -Grenzwerte (Tagesmittel) für bestehende Kohlekraftwerke (ab 300 MW)gemäß bisher gültiger 13. BImSchV im Vergleich mit dem Regierungsentwurf <strong>und</strong> demBVT-Bereich des EU-Merkblatts von 2006 für bestehende Groß feuerungsanlagenStickstoff mindern, ist laut der UBA-Studie durch SNCR-Anlagenein Jahresmittel von 120 mg/Nm 3 realistisch. Das würde bei Kraftwerkenmit einer Leistung von mehr als 300 Megawatt (MW) zu einerHalbierung der NO X -Emissionen <strong>und</strong> einer Minderung um31,3 kt führen, allerdings bei einem ungünstigeren Kosten-Nutzen-Verhältnisals bei Steinkohlekraftwerken [5].In der Anhörung wurde festgestellt, dass der Regierungsentwurftrotz dringend notwendiger Minderungsmaßnahmen <strong>und</strong> dervom Umweltb<strong>und</strong>esamt aufgezeigten hohen Potenziale für bestehendegroße Kohlekraftwerke (größer 300 MW) weder eine Senkungdes aktuellen NO X -Tagesmittelwertes von 200 mg/Nm 3 nocheinen emissionsmindernden Jahresmittelwert vorsieht.Dabei zeigen die Angaben des europäischen BVT-Merkblattesfür Großfeuerungsanlagen, dessen Datengr<strong>und</strong>lagen schon zehnJahre alt sind, dass in bestehenden Anlagen Emissionswerte von 50beziehungsweise 90 mg/Nm 3 (je nach Feuerungstechnik) zur bestenverfügbaren Technik zählen (siehe Abbildung 4). Wenn der bereits2006 dokumentierte Stand der Technik als Grenzwert in bestehendenAnlagen gefordert würde, könntendie Emissionen um circa 70 Prozent gemindertwerden.Die Anhörung machte deutlich, dass sichdie Betreiber der großen Kohlekraftwerkebei dem Regierungsentwurf zur Novelle der13. BImSchV zurücklehnen können. Auf derAnhörung wurde bemängelt, dass die Betreiberdamit für viele weitere Jahre eine Verschmutzungslizenzbei einem Schadstoff erhalten,dessen Minderung in Deutschlandaus Ges<strong>und</strong>heitsschutzgründen <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong>der EU-Verpflichtungen oberstes Gebotsein sollte[6]. Dabei könnte eine Verteuerungder Kohleverstromung auch ein Betragzur Energiewende sein, da sich effizientereGaskraftwerke eher lohnen würden. Die besserregelbaren Kraftwerke würden wieder attraktiver,<strong>und</strong> Deutschland würde erheblicheStromexporte aus klima- <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsschädlichenQuellen abbauen, die in diesemJahr während hoher Einspeiseraten von regenerativerzeugtem Strom entstanden sind,weil Kohlekraftwerke unverändert weiter betriebenwurden [7].Abbildung 5: Verursacheranteile der Feinstaub-Emissionen in Deutschland in2000 <strong>und</strong> 2007Abbildung 6: Entwicklung der Feinstaub(PM10)-Emissionen aus der Energiewirtschaft1995 – 20105 FeinstaubIn der Anhörung wurde hervorgehoben, dassin Deutschland nicht nur die Langzeitgrenzwerteder Europäischen Union, sondern auchdie Kurzzeitwerte für ges<strong>und</strong>heitsschädlichenFeinstaub an zahlreichen Messpunkten regelmäßigüberschritten werden. Wie bei Stickoxidenist auch hier keine Besserung in Sicht– im Gegenteil: Die Überschreitungen schwankenje nach Wetterlage <strong>und</strong> können schnell –wie in 2003 – zu Extremen führen [8].Hauptverursacher für Feinstaub-Emissionen(siehe Abbildung 5) sind die in der TALuft geregelten Industrieprozesse, der Verkehr,Güterumschlag <strong>und</strong> die Landwirtschaft.Die Energiewirtschaft war in den vergangenenJahren für einen Anteil von 5 bis 6Prozent verantwortlich. In 2010 lagen die Feinstaub-Emissionenbei 11.500 Tonnen.Vor 15 Jahren sind die Feinstaub-Emissionen der Energiewirtschaftum circa 50 Prozent gesunken. Seit zwölf Jahren sind jedochnahezu keine Minderungen mehr zu verzeichnen (Abbildung 6).Es wurde betont, dass bei den Feinstaub-Emissionen aus Kohlekraftwerkenzu beachten ist, dass diese auch mit der Emissionkrebserzeugender Stoffe wie Cadmium, Nickel <strong>und</strong> PAK (polyaromatischeKohlenwasserstoffe) einhergeht. Allein die wenigen Kohlekraftwerke,die 2008 Schwermetalle im Emissionsregister PRTRabschätzen <strong>und</strong> berichten mussten, nannten mehr als 2800 KilogrammNickel- <strong>und</strong> mehr als 150 kg Cadmium-Emission [9].Eine weitere Minderung wurde daher nicht nur bezogen aufFeinstaub als ein wichtiger Beitrag zum Ges<strong>und</strong>heitsschutz gesehen.Allerdings plant die Regierungsvorlage zur 13.BImSchV-Novellefür alle bestehenden Kraftwerke ab 100 MW Leistung, denderzeitigen Grenzwert von 20 mg/Nm 3 im Tagesmittel für dasnächste Jahrzehnt zu belassen. Auch hier konnte dargelegt werden,ReSource 4/20127


INDUSTRIEEMISSIONENdass dies nicht dem Stand der Technik entspricht.Schon im europäischen BVT-Merkblattwurde auf Basis von inzwischen zehnJahre alten Daten dokumentiert, dass bestehendeAnlagen Emissionswerte von 5 mg/Nm 3 mit ökonomisch zumutbarem Aufwanderreichen können. Ein entsprechenderGrenzwert kann im Tagesmittelwert mit Gewebefilternsicher eingehalten werden.Zwar plant die B<strong>und</strong>esregierung, einen zusätzlichenJahresmittelwert von 10 mg/Nm 3einzuführen. Wir haben darauf hingewiesen,dass die Festlegung eines Grenzwertes von 5mg/Nm 3 als Tagesmittelwert entsprechenddem Stand der Technik die Feinstaubemission aus bestehendenKohlekraftwerken um 50 Prozent mindern könnte - wobei erhöhterGes<strong>und</strong>heitsschutz auch daraus resultieren würde, dass die mitFeinstaub einhergehenden krebserzeugenden Substanzen gemindertwürden.6 QuecksilberWie ausgeführt, wurden alle geplanten Absenkungen der Kurzzeitgrenzwerte(Halbst<strong>und</strong>enmittelwert, Tagesmittelwert) für Quecksilberim Verlauf der regierungsinternen Verhandlungen gestrichen<strong>und</strong> sind im Kabinettbeschluss nicht mehr enthalten. Folglichnahm die Diskussion zum Komplex Quecksilber auf der Anhörungeinen breiten Raum ein. Und es war erkennbar, dass gewisseErkenntnisfortschritte eingetreten sind. So ist mittlerweile unstreitig,dass es in den USA für Kraftwerke sehr strenge Anforderungenvon beispielsweise nur 1,5 Mikrogramm je Kubikmeter (im Normalzustand,trocken, bei 6 Volumenprozent Sauerstoff) gibt, dieim Bestand bis 2016 einzuhalten sind. Es gab zwar wieder den Versuch,die in den USA gebräuchliche energiebezogene Einheit (lbHg/TBtu) als Unterschied zu problematisieren. Es konnte aber gezeigtwerden, dass man mit Hilfe einfacher Umrechnungen (Dreisatz)<strong>und</strong> der höchst exakten Kohleelementaranalyse (Gehalte anC, H, S, N <strong>und</strong> O) schulmäßig eine Berechnung des Kohlebrennwertswie auch des spezifischen Abgasvolumens bei entsprechenderO 2 -Konzentration vornehmen kann <strong>und</strong> somit zu dem Ergebniskommt, dass der US-Grenzwert für existierende Kohlekraftwerkein der in Europa üblichen Einheit 1,5 Mikrogramm jeKubikmeter (im Normalzustand, trocken, bei 6 VolumenprozentSauerstoff) beträgt. Der Grenzwert ist als Monatsmittelwert (gleitendes30-Tage-Mittel) festgelegt, weil das Regelungsziel eine Absenkungder emittierten Fracht ist <strong>und</strong> einzelne Konzentrationsspitzenkeine herausragende Bedeutung haben.Weiter ist auch klar geworden, dass es zur Einhaltung diesesGrenzwertes in den USA eine ganze Toolbox an verfügbaren Technologienwie die Activated Carbon Injection (ACI) <strong>und</strong>/oder dieBoiler Bromide Addition (BBA) gibt <strong>und</strong> dass in den USA mittlerweileeine beachtliche Anzahl an Kraftwerken diesen Grenzwertbereits im Routinebetrieb einhält (vergl. Tabelle1 <strong>und</strong> Vosteen et al.) [10].Regelmäßig wird kritisiert, man könnediese niedrigen Konzentrationen nicht mehrmessen. Für den oben genannten Grenzwertvon 1,5 Mikrogramm je Kubikmeter für bestehende,mit Steinkohle befeuerte Anlagentrifft diese Behauptung nicht zu. In den USAunterliegt die Gesetzgebung einer sehr starkenöffentlichen Beteiligung <strong>und</strong> Kontrolle.Abbildung 7: Grenzwerte für Feinstaub(PM10)-Emissionen aus Kohlekraftwerken mit m100 MW Leistung gemäß bisheriger 13.BImSchV sowie Regierungsentwurf mit Tages- <strong>und</strong>Jahresmittelwert im Vergleich mit BVT-Werten von 2006.Wie soll dort ein Grenzwertvorschlag bestehen können, den mannicht messtechnisch überwachen kann? Aus Sicht der Technik isthinzuzufügen, dass es Verfahren gibt, mit denen man sicher bis hinunterzu 0,1 Mikrogramm je Kubikmeter messen kann, bei vertretbarerFehlerbreite. Allerdings sind für diese Nachweisgrenzendann längere Probenahmezeiten erforderlich. Und natürlich würdeman bei einer Absenkung der Grenzwerte in Deutschland beziehungsweiseEuropa auch die heutigen bei uns geltenden Messvorschriftenanpassen müssen.Ein Schwerpunkt der Argumentation der Wirtschaft war die Unterschiedlichkeitder Kraftwerke in Deutschland <strong>und</strong> den USA. Sosoll der Anteil der Kraftwerke mit Gewebefiltern in den USA höhersein. Hierzu ist jedoch festzustellen, dass auch die Steinkohlekraftwerkemit Elektrofiltern, die es in den USA ebenfalls gibt, denQuecksilbergrenzwert von 1,5 Mikrogramm je Kubikmeter einhaltenmüssen. In der Diskussion wurde auch darauf hingewiesen,dass die behördlich zugelassene Ausnahmemöglichkeit für solcheEinzelfälle besteht, bei denen mit der genannten Toolbox der US-Grenzwert nicht einhaltbar ist.Ein beachtenswertes Argument ist die mit einer verbessertenQuecksilberabscheidung verb<strong>und</strong>ene Verlagerung in die Reststoffe(Flugstaub <strong>und</strong> Gips). Die Quecksilbereinbindung in den Flugstaubist an die Gegenwart von kohlestämmigen Sorbentien geb<strong>und</strong>en(Rest-C aus der Kohleverbrennung beziehungsweise injizierteAktivkohle). Wenn die Kohle gut ausbrennt (wenig Restkohlenstoff)<strong>und</strong> keine Aktivkohle injiziert wird, ist auch der Quecksilber-Eintragin die Flugasche sehr gering. Im Übrigen ist dieQuecksilber-Bindung an die kohlestämmigen Sorbentien thermischsehr stabil, so dass normalerweise kaum eine Freisetzung zubefürchten wäre. Eine verstärkte Einbringung in den Gips kannmittels neu entwickelter Verfahren nachweislich weitgehend unterdrücktwerden, so zum Beispiel durch Zugabe <strong>und</strong> Wiederabtrennunggeringer Mengen an Aktivkohle in den REA-Wäscher.Man kann also mit relativ einfachen technischen Ergänzungen dasQuecksilber aus den Reststoffen der REA abtrennen <strong>und</strong> gesondertabscheiden <strong>und</strong> dadurch einen getrennten kleinen Abfallstromschaffen, der alle Schadstoffe hochkonzentriert aussondert,die dann zu deponieren sind.Tabelle 1: Übersicht über Kraftwerke, die erfolgreich ihre Emissionen an Quecksilber (Hg)durch ACI <strong>und</strong> BBA gesenkt haben [13]8 ReSource 4/2012


INDUSTRIEEMISSIONENAbbildung 8: 3-Jahres-Ganglinie der TOC-Tagesmittelwerte eines Zementwerks, dasAbfall mit mehr als 60 % der Feuerungswärmeleistung mitverbrenntAbbildung 9: Korrelation von TOC- <strong>und</strong> CO-Emissionen einesZementwerks, das Abfall mit mehr als 60 Prozent der Feuerungswärmeleistungmitverbrennt, klassierte Tagesmittelwerte aus einemmehrjährigen ZeitraumAbbildung 10: TOC- <strong>und</strong> CO-Anteile aus dem natürlichen Rohstoff<strong>und</strong> aus der Abfallmitverbrennung; Auswertung der Tagesmittelwerteüber einen mehrjährigen Zeitraum7 AbfallmitverbrennungBei der Abfallmitverbrennung wurde insbesondere die Mitverbrennungin Zementwerken thematisiert. Die vollständige Angleichungder Mitverbrennung an die Monoverbrennung steht in der17. BImSchV noch aus. Die bisherigen Ausnahmen für die SchadstoffeSchwefeldioxid <strong>und</strong> organische Schadstoffe (bestimmt alsGesamtkohlenstoff TOC) sollen beibehalten werden. Beim TOCwird immer noch davon ausgegangen, dass Konzentrationen überdem Grenzwert der 17. BImSchV in Höhe von 10 MilligrammKohlenstoff pro Kubikmeter (mg C/Nm 3 ) ausschließlich rohstoffbedingtsind. Diese Annahme trifft in vielenFällen jedoch nicht zu. Vielmehr ist die Verbrennungin der Sek<strong>und</strong>ärfeuerung von Zementwerkenwegen zu kurzer Aufenthaltszeiten,zu geringer Temperatur, unvollständigerVermischung <strong>und</strong> zu großer Stückigkeit derAbfälle (die als sog. alternative Brennstoffeeingesetzt werden) unvollständig mit der Folgeerhöhter Emissionen an organischen Stoffen(TOC) <strong>und</strong> Kohlenmonoxid (CO). MitAbbildung 8 wurde im Rahmen der Anhörunganhand einer 3-Jahresganglinie einesZementwerkes gezeigt, dass der TOC-Grenzwertder 17. BImSchV permanent überschrittenwurde <strong>und</strong> am Ende sogar drastisch ansteigt.Dies kann nicht mit Emissionen ausden natür lichen Rohstoffen, sondern nurdurch den Abfalleinsatz erklärt werden.Circa 90 Prozent der deutschen Zementwerkenehmen die Befreiungsmöglichkeit der 17. BImSchV vomTOC-Grenzwert in Anspruch. Die Befreiung kann nur ausgesprochenwerden, wenn die erhöhten TOC-Frachten aus den natürlichenRohstoffen entstammen. Dabei fällt auf, dass für circa einDrittel der Zementwerke laut ihren Genehmigungsbescheiden keineTOC-Emissionsgrenzwerte festgelegt wurden, was ganz eindeutignicht verordnungskonform ist. Beim CO ist es noch eklatanter;hier haben zwei Drittel der Zementwerke keinen Grenzwerteinzuhalten. Zum Teil werden in den Genehmigungen sehr hoheCO-Konzentrationen von bis zu 3000 mg/Nm 3 zugelassen. MitAbbildung 9 wird gezeigt, dass CO <strong>und</strong> TOC korrelieren <strong>und</strong> dieerhöhten Emissionen durch die Abfallmitverbrennung bedingtsind (Abbildung 10).Die TOC- <strong>und</strong> CO-Emissionen stammen immer auch aus dennatürlichen Rohstoffen, doch übersteigen die TOC-Emissionenaus dieser Quelle in der Regel die 30 mg/Nm 3 -Marke kaum [1], derRest ist daher bedingt durch den Einsatz von Abfällen. Mit demAustreibtest [11, 12] steht eine Methodik zur Verfügung, mit derder TOC- <strong>und</strong> CO-Anteil aus den natürlichen Rohstoffen (im sogenanntenRohmehl) bestimmt <strong>und</strong> damit von dem Anteil aus derMitverbrennung unterschieden werden kann. In der Anhörungwurde vorgeschlagen, diesen Test in die Verordnung einzuführen,um hier den Vollzug entscheidend zu qualifizieren. Abbildung 10illustriert diesen Zusammenhang; während um die 20 mg/Nm 3 derTOC-Emissionskonzentration Rohstoff-bedingt sind, wird durchdie Mitverbrennung von Abfall über die Sek<strong>und</strong>ärverbrennung dieKonzentration deutlich erhöht.Bei Mono-Abfallverbrennungsanlagen findet dagegen eine nahezuvollständige Oxidation der organischen Stoffe statt. Dortwird der 10 mg/Nm 3 -TOC-Grenzwert sogar deutlich unterschritten.In der Praxis werden Werte um 1 mg/Nm 3 erreicht <strong>und</strong> zumTeil auch deutlich darunter. So fährt die MVA Bielefeld-Herfordschon seit vielen Jahren mit einer TOC-Konzentration im Reingasim Bereich von 0,1 mg/Nm 3 .Im Hinblick auf Quecksilberemissionen aus Zementwerkenwurde bei der Anhörung betont, dass diese durch eine Reihe vonMaßnahmen signifikant reduziert werden können. Dabei handeltes sich in erster Linie um produktionsintegrierte Maßnahmen <strong>und</strong>erst in zweiter Linie um Reinigungstechniken, mit denen für Altanlagenmindestens ein Grenzwert von 10 Mikrogramm proNormkubikmeter (Tagesmittelwert, 10 Prozent Bezugssauerstoff)eingehalten werden kann <strong>und</strong> sollte. Bei den produktionsintegriertenMaßnahmen handelt es sich um eine Kombination aus zusätz-ReSource 4/20129

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