Die Kulturdimensionen - EU-Community des DAAD
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<strong>Die</strong> <strong>Kulturdimensionen</strong><br />
Ein erprobtes Modell zum weltweiten<br />
Kulturvergleich
<strong>Kulturdimensionen</strong><br />
Das Modell der <strong>Kulturdimensionen</strong> bildet ein verbreitetes<br />
Orientierungssystem für den breitgefächerten Vergleich von<br />
Kulturen in Studium und Arbeitsleben.<br />
Einer der Pioniere der interkulturellen Forschung, der<br />
Niederländer Geert Hofstede, entwickelte viele der noch<br />
heute verwendeten <strong>Kulturdimensionen</strong>.<br />
Seine Forschungen begannen vor mehr als 30 Jahren und<br />
wurden in der Zwischenzeit mehrfach erweitert und<br />
aktualisiert. Sie stellen bis heute die anerkannteste<br />
Grundlage für weltweite interkulturelle Vergleiche dar.<br />
Geert Hofstede
Einführung - <strong>Kulturdimensionen</strong><br />
Selbstverständlich können die verwendeten Dimensionen nicht die<br />
ganze Bandbreite menschlichen Handelns abdecken, aber sie<br />
erleichtern das Verständnis von kulturellen Unterschieden, bieten eine<br />
wissenschaftliche Einordnung und nicht zuletzt ein neutrales Vokabular<br />
zur Beschreibung einer Kultur.<br />
Vergessen Sie nie:<br />
Kultur ist immer „nur“ eine kollektive Prägung. Jeder Mensch ist<br />
individuell und darf nicht ausschließlich über seine<br />
Gruppenzugehörigkeit beurteilt werden!<br />
Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über die <strong>Kulturdimensionen</strong>,<br />
mit denen wir im Rahmen <strong>des</strong> Kurses arbeiten.
Kommunikation<br />
“Man kann nicht nicht kommunizieren” (Paul Watzlawik)
''Misunderstandings don't exist,<br />
only the failure to communicate exists''.<br />
Südostasiatisches Sprichwort
Kommunikation<br />
Kommunikation ist ein zentraler Aspekt sämtlicher zwischenmenschlicher<br />
Interaktion.<br />
In der interkulturellen Forschung sind dabei vor allem zwei<br />
Ausprägungen der Kommunikation von Interesse: das Verhältnis von<br />
direkter zu indirekter Kommunikation und die Unterschiede von hohem<br />
bzw. niedrigem Kontextbezug. <strong>Die</strong>se beiden Aspekte werden im<br />
Folgenden näher beleuchtet.
Direkte versus indirekte Kommunikation<br />
Menschen, die an direkte Kommunikation gewöhnt sind, geben<br />
Anweisungen oder Informationen eher explizit und deutlich weiter. Es<br />
wird erwartet, klare Positionen zu beziehen und offen sowohl Kritik als<br />
auch Zustimmung zu äußern, selbst wenn man dadurch eine soziale<br />
Konfrontation riskiert.<br />
Konflikte werden sogar als nützlich angesehen, wenn sie zu mehr<br />
Wahrheit und Klarheit führen.<br />
Mitglieder von Kulturen, die indirekt kommunizieren, geben<br />
Botschaften eher verschlüsselt und implizit weiter. Direkte<br />
Stellungnahmen werden vermieden, vor allem aus dem Bedürfnis<br />
heraus, andere nicht anzugreifen und die soziale Harmonie zu wahren.
<strong>Die</strong> direkte Gesprächsstrategie<br />
Verbale Aspekte,<br />
Inhaltliche Information<br />
Was wird gesagt?<br />
Kontext ist unwichtig<br />
Offene Kritik
<strong>Die</strong> indirekte Gesprächstrategie<br />
Nonverbale Aspekte,<br />
Subtile Kommunikation<br />
Wie wird etwas gesagt?<br />
Kontext ist wichtig<br />
Soziale<br />
Harmonie
<strong>Die</strong> direkte Gesprächsstrategie<br />
Es werden Gespräche geführt, um ein<br />
definiertes Ziel zu erreichen. Damit der<br />
Gesprächspartner sich darauf einstellen<br />
kann und um keine Zeit zu<br />
verschwenden, wird dazu meist ein<br />
sehr direkter Weg gewählt. („Ich bin<br />
gekommen, weil ich mit Ihrem Produkt<br />
nicht zufrieden bin.“)<br />
Zielführend
<strong>Die</strong> indirekte Gesprächsstrategie<br />
Umgarnen<br />
Man nähert sich dem<br />
Gesprächsgegenstand gern über<br />
Umwege, „umgarnt“ den<br />
Gesprächspartner und entwickelt<br />
das Gesprächsziel eher beiläufig<br />
und indirekt. <strong>Die</strong> Kommunikation<br />
ist unverbindlich, sehr formell<br />
und liefert wenige Fakten.
Indirekte Kommunikation in Deutschland?<br />
Auch in Deutschland gibt es einen Bereich (im Arbeitsleben), in dem<br />
sehr indirekt kommuniziert wird.<br />
Wissen Sie welcher Bereich gemeint ist?<br />
Lösung: Das Arbeitszeugnis. Bestimmte Formulierungen implizieren<br />
bestimmte Botschaften, die man nur entziffern kann, wenn man den<br />
„Code“ kennt. Das geschriebene Wort beinhaltet eine andere Botschaft<br />
als es nach außen hin vermittelt.
Hoher versus geringer Kontextbezug<br />
In einer Kultur mit hohem Kontextbezug ergibt sich ein Großteil der<br />
Kommunikation aus dem Kontext, d.h. aus dem impliziten Wissen der<br />
Gesprächspartner.<br />
Eine Botschaft wird dadurch verständlich, dass man weiß, wer sie<br />
wann, wem und in Gegenwart von wem übermittelt hat. Möglich wird<br />
dies durch umfassende soziale Netzwerke in Privat- und Berufsleben, in<br />
denen ein ständiger Informationsaustausch stattfindet.<br />
Im Gegensatz setzen Mitglieder von Kulturen mit niedrigem<br />
Kontextbezug nur ein geringes Vorwissen bei ihren Gesprächspartnern<br />
voraus. Der Sprecher muss alle nötigen Informationen liefern, damit er<br />
verstanden wird.
Kommunikation in Kulturen mit hohem<br />
und niedrigem Kontextbezug<br />
Botschaft<br />
Niedriger Kontextbezug<br />
TEXT<br />
KONTEXT<br />
Botschaft<br />
Hoher Kontextbezug
Nonverbale Kommunikation<br />
ca. 80% der zwischenmenschlichen Kommunikation verläuft nonverbal!<br />
• Gestik<br />
• Mimik<br />
• Augenkontakt<br />
• Körperliche Nähe<br />
• Schweigen
Gestik<br />
Gesten können generell in unwillkürliche (z.B. Niesen), begleitende<br />
kommunikative (z.B. Kopfnicken bei Zustimmung) oder ritualisierte<br />
Gesten (z.B. Hän<strong>des</strong>chütteln zur Begrüßung) unterteilt werden.<br />
<strong>Die</strong> Ausführung oder Handhabung von Gesten ist von zu Kultur zu<br />
Kultur abhängig.<br />
– So gilt es in China als unfein und unhygienisch, in Anwesenheit<br />
<strong>des</strong> Gesprächpartners laut zu Niesen und anschließend seine<br />
Nase geräuschvoll zu putzen, während das Nasehochziehen und<br />
lautstarke Ausspucken als zulässig und normal erachtet werden.<br />
– Ebenso können bestimmte Gesten gegensätzliche Bedeutungen<br />
haben: Ein Kopfschütteln in Deutschland bedeutet Ablehnung,<br />
ist in Bulgarien aber ein Zeichen für Zustimmung.<br />
– Während in Deutschland zur Begrüßung die Hände geschüttelt<br />
werden, geben sich in Russland nur die Männer die Hände,<br />
Frauen werden mit einem Kopfnicken begrüßt.
Mimik<br />
Der Gesichtsausdruck wird durch den bewussten und unbewussten<br />
Muskeleinsatz erzeugt. Er spiegelt Emotionen und Gedanken wider und<br />
liefert Informationen über den Gesprächspartner.<br />
Weltweit ähnlich sind fünf Grundemotionen: Freude, Traurigkeit, Wut,<br />
Abscheu, Skepsis.<br />
Aber: <strong>Die</strong> Bedeutung der mimischen Signale und die Art und Weise wie<br />
intensiv man sie zeigen darf, sind von Kultur zu Kultur unterschiedlich:<br />
– Ein Lächeln in Deutschland bedeutet meist Freude und Zufriedenheit ,<br />
manchmal kann es auch Zweifel (skeptisches Lächeln) oder<br />
Feindseligkeit (bösartiges Lächeln) implizieren, mit Traurigkeit wird es<br />
aber meist nicht verbunden<br />
– In Japan hingegen hat das Lächeln eine Vielzahl von Bedeutungen und<br />
wird dazu genutzt sein Gesicht zu wahren und wenig Emotionen<br />
preiszugeben. Daher ist es möglich, dass eine Person lächelt bzw.<br />
verstärkt lächelt wenn Sie traurig, verwirrt oder wütend ist. Wenn eine<br />
japanische Sekretärin, die gerade ein Glas Wasser über wichtige<br />
Unterlagen ihres Chefs gekippt hat, mit einem breiten Lächeln reagiert,<br />
sorgt das in der Regel für Verwirrung auf deutscher Seite.
Augenkontakt<br />
In engem Zusammenhang mit dem Gesichtsausdruck steht das<br />
Blickverhalten: <strong>Die</strong> Dauer, Häufigkeit, und Richtung <strong>des</strong> Augenkontakts<br />
sind entscheidend ob der Gesprächspartner als ehrlich, aggressiv,<br />
unaufrichtig oder unaufmerksam beurteilt wird.<br />
Eine deutsche Hausherrin, die erst seit kurzem in Indien lebt und den<br />
gesenkten Blick ihrer indischen Angestellten als Unehrlichkeit oder<br />
Schuldbewusstsein deutet, ist sich wahrscheinlich nicht bewusst, dass<br />
diese sich aus indischer Sicht respektvoll gegenüber einer ihr<br />
höhergestellten Personen verhält.
Körperliche Nähe und Berührungen<br />
Welche Assoziation ruft dieses Bild der beiden Männer bei Ihnen<br />
hervor?
Körperliche Nähe<br />
Obwohl das Distanzverhalten selten bewusst wahrgenommen wird, hat<br />
es großen Einfluss auf die Kommunikation.<br />
<strong>Die</strong> optimale Distanz, die zwischen zwei Personen eingenommen wird,<br />
entspricht kulturellen Regeln und Konventionen und kann je nach<br />
Kultur länger oder kürzer definiert werden.<br />
Eine Verletzung dieser optimalen Distanz wird in der Regel als<br />
unangenehm und irritierend empfunden.
Körperliche Berührungen<br />
Wie häufig man wen und wann berührt ist von Kultur zu Kultur<br />
unterschiedlich.<br />
Dabei wird in der Forschung zwischen „touching cultures“ und „nontouching<br />
cultures“ unterschieden.<br />
Wozu gehört Ihrer Meinung nach Deutschland? Schreiben Sie Ihre<br />
Meinung ins Forum!
Körperliche Berührungen<br />
Im Bereich der körperlichen Berührungen beeinflussen zusätzlich zu<br />
den kulturspezifischen Konventionen noch geschlechtsspezifische die<br />
Kommunikation zwischen zwei Menschen.<br />
– So lösen Bilder in den Medien von Zusammentreffen zwischen<br />
westlichen und arabischen Staats- und Regierungschefs, die<br />
Hand in Hand spazieren gehen, immer wieder Schmunzeln und<br />
Verwunderung bei der westlichen Bevölkerung aus.<br />
– Während arabische Männer häufig Hand in Hand durch die<br />
Straßen gehen, ist dieses Verhalten zwischen einem<br />
unverheirateten Paar untersagt. Ersteres drückt innige<br />
Freundschaft aus und ist nicht sexuell begründet.
Sach- vs. Beziehungs-<br />
Orientierung
Das Treffen zur Vorbereitung <strong>des</strong> Referats<br />
Francesco: Ciao Manfredo, schön dass du den Weg zu mir nach Hause<br />
gefunden hast!<br />
Manfred: Ja, das war wirklich nicht so einfach zu finden, aber ich habe es ja<br />
geschafft.<br />
Francesco: Oh, das musst du mir gleich erzählen. Meine Mutter hat uns auch<br />
schon eine Kleinigkeit zu Essen vorbereitet.<br />
Manfred: Das ist sehr nett, aber du weißt, ich muss in einer Stunde<br />
wieder weg. Ich habe noch einen anderen Termin und wir<br />
haben nicht mehr viel Zeit bis zum unserem Referatstermin.<br />
Francesco: Ja, ja. Aber jetzt komm doch erst einmal herein.<br />
Manfred: Aber natürlich.<br />
Welche Hinweise gibt der Dialog über die Annahmen und Erwartungen der<br />
beiden Gesprächspartner? Welche Missverständnisse ergeben sich daraus?
Kommentar zur Referatsvorbereitung<br />
Aus Manfreds Sicht steht bei dem Treffen mit Francesco die Erarbeitung<br />
<strong>des</strong> Referats im Vordergrund. Er geht davon aus, dass bei einer<br />
Verabredung, wo es um die Erarbeitung eines Referats geht, der Fokus<br />
auf der Aufgabe liegt. Da er zudem noch einen weiteren Termin hat,<br />
möchte er die Zeit möglichst effektiv für die Referatserstellung nutzen.<br />
Francesco hingegen möchte Manfred zuerst in seinem Haus<br />
willkommen heißen und ihn seiner Familie vorstellen. Um die<br />
Atmosphäre so angenehm wie möglich zu gestalten, hat seine Mutter<br />
auch schon eine Kleinigkeit zu Essen vorbereitet. Aus Francescos Sicht<br />
ist es selbstverständlich, dass man sich erst einmal zusammensetzt, ein<br />
bisschen plaudert und sich persönlich noch besser kennenlernt; erst<br />
dann ist die Basis für eine gute Vorbereitung innerhalb der<br />
Arbeitsgruppe gelegt. Den Hinweis auf Manfreds weiteren Termin<br />
nimmt er zwar wahr, misst ihm aber keine größere Bedeutung bei. Um<br />
die Dringlichkeit <strong>des</strong> Termins gegenüber Francesco deutlich zu machen,<br />
hätte ….
Sach- vs. Beziehungsorientierung<br />
Ist es wichtig, in einem Gespräch eine angenehme Atmosphäre zu<br />
schaffen oder legt man Wert darauf, sachlich zu diskutieren und schnell<br />
zum Punkt zu kommen?<br />
In manchen Kulturen ist es nicht wichtig, für den Aufbau von<br />
Geschäftsbeziehungen auch eine persönliche Bindung aufzubauen.<br />
Statt<strong>des</strong>sen herrscht eine strikte Trennung zwischen Berufs- und<br />
Privatleben (Sachorientierung).<br />
Auf der anderen Seite stehen Kulturen, in denen Geschäftspartner erst<br />
dann zusammen arbeiten, wenn vorher eine persönliche Beziehung<br />
aufgebaut wurde. Berufliches und Privates wird bewusst vermischt, um<br />
eine Vertrauensbasis zwischen den Partnern zu schaffen.<br />
(Beziehungsorientierung).
Unterschiedliche Auffassungen von<br />
Geschäftsbeziehungen<br />
Geschäftsbeziehung<br />
Geschäftsbeziehung
Sach- vs. Beziehungsorientierung<br />
Viele westliche Kulturen, wie z.B. die deutsche weisen eine deutliche<br />
Abschlussorientierung auf. Das bedeutet, dass das Ziel von<br />
Verhandlungen in erster Linie der möglichst schnelle Abschluss z.B.<br />
eines Vertrages, eines Geschäfts oder eines Projektes ist.<br />
In anderen Kulturen dienen Verhandlungen besonders dem<br />
gegenseitigen Kennenlernen. Denn es gilt: "Ohne gemeinsame Basis<br />
keine gemeinsamen Geschäfte." Eine gemeinsame Basis wird z.B.<br />
geschaffen durch häufige Treffen, durch viele Besprechungen und unter<br />
Umständen auch dem Austausch von Privatem.
Sach- vs. Beziehungsorientierung<br />
In sachorientierten Kulturen, wie Deutschland, gilt häufig das Prinzip,<br />
dass Berufliches und Privates nicht miteinander vermischt werden. Es<br />
gilt das Sprichwort: "Schnaps ist Schnaps und <strong>Die</strong>nst ist <strong>Die</strong>nst." Das<br />
Verhältnis zwischen Kollegen oder Geschäftspartnern ist eher<br />
sachlicher Natur. Oftmals spielen für eine gute Zusammenarbeit<br />
persönliche Sympathien oder Antipathien keine große Rolle.<br />
Andererseits gilt in beziehungsorientierten Kulturen: "Wenn wir uns gut<br />
verstehen, dann arbeiten wir auch gut zusammen." Verhandlungen,<br />
Besprechungen oder Meetings werden in beziehungsorientierten<br />
Kulturen nicht nur als Mittel zum Abschluss gesehen, sondern dienen<br />
im wesentlichen dem Kennenlernen. Es gilt: "Der Weg ist das Ziel."
Sach- vs. Beziehungsorientierung<br />
Geschäftsbeziehungen für die<br />
Dauer eines Projekts<br />
Dauer der Geschäftsbeziehungen<br />
Geschäftsbeziehungen auf<br />
sachlicher Basis<br />
Schnaps ist Schnaps und<br />
<strong>Die</strong>nst ist <strong>Die</strong>nst<br />
Trennung von Arbeit und<br />
Privatem<br />
Wenn Du gut arbeitest,<br />
dann mag ich Dich<br />
Langfristige<br />
Geschäftsbeziehungen<br />
Sach- vs. Beziehungsorientierung<br />
Private Treffen<br />
Wenn ich Dich mag, dann<br />
arbeiten wir gut zusammen<br />
Geschäftsbeziehungen an<br />
Personen gebunden<br />
Abschlussorientierung<br />
vs. Kennenlernprozess<br />
Ohne gemeinsame Basis keine<br />
gemeinsamen Geschäfte<br />
Privater Austausch<br />
Geschäfte nur mit Jemandem,<br />
den man kennt<br />
Schneller Abschluss als Ziel<br />
Viele mündliche Besprechungen<br />
Häufige Treffen
Hierarchiedenken
Ein vielversprechender Messeauftritt? - Erläuterungen<br />
1. <strong>Die</strong> Präsentation von Herrn Schneider beinhaltete so viele Fehler, dass Herr Al Kindi<br />
mit seiner Verabschiedung eine höfliche Ablehnung der weiteren Zusammenarbeit zu<br />
verstehen gab.<br />
<strong>Die</strong>se Antwort trifft eher nicht zu. Es ist davon auszugehen, dass Herr Schneider als<br />
einer der besten Mitarbeiter <strong>des</strong> deutschen Unternehmens eine sehr gut<br />
ausgearbeitete und fehlerlose Präsentation vorbereitet hat. Zudem ist er sich<br />
bewusst, dass die arabischen Geschäftskontakte von großer Bedeutung für sein<br />
Unternehmen sind. Fehler in der Präsentation wird er sich demzufolge nicht<br />
leisten.<br />
2. <strong>Die</strong> Scheiche waren von vornherein nicht an den ausgestellten Produkten interessiert.<br />
Sie unterhielten sich nur der Höflichkeit halber mit den beiden Geschäftsführern.<br />
<strong>Die</strong>se Antwort trifft eher nicht zu. Small Talk und eine höfliche Umgangsweise mit<br />
Geschäftspartnern sind eine äußerst wichtige Komponente im arabischen<br />
Geschäftsalltag. Allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass sich die Beteiligten<br />
kannten oder an einer Zusammenarbeit interessiert waren. Deswegen ist es auch in<br />
der arabischen Welt nicht üblich und notwendig, dass sich zwei Geschäftsmänner,<br />
die sich nicht kennen und keine Interesse an einer Zusammenarbeit haben auf<br />
einer Messe nur der Höflichkeit halber unterhalten. Außerdem hätte es auch keinen<br />
Grund gegeben sich bei Desinteresse am Produkt noch mal mit Herrn Schneider zu<br />
treffen.
Ein vielversprechender Messeauftritt? - Erläuterungen<br />
3. <strong>Die</strong> beiden Scheiche waren enttäuscht und irritiert, dass die beiden sympathischen<br />
Geschäftsführer nicht mehr als Ansprechpartner zur Verfügung standen. Hatten Sie sich<br />
doch auf der Messe schon kennengelernt und gut miteinander unterhalten.<br />
<strong>Die</strong>se Antwort erklärt das Verhalten der Araber nur zum Teil. Sympathie und persönliche<br />
Beziehungen sind in den arabischen Ländern von großer Bedeutung und eine zentrale<br />
Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Daher wird viel Zeit in den Aufbau<br />
und die Pflege von Beziehungen investieret. Vertrauen wird dabei zu einer Person<br />
aufgebaut und nicht zu einer Sache. Deswegen ist es wichtig, dass Personen, zu denen<br />
schon einmal persönliche Kontakte geknüpft worden sind, nicht einfach durch andere und<br />
ohne Begründung ersetzt werden. Es gibt jedoch noch eine bessere Erklärung für das<br />
Verhalten der Araber.<br />
4. <strong>Die</strong> beiden Scheiche sehen in Herrn Schneider keinen gleichwertigen Verhandlungspartner,<br />
<strong>des</strong>wegen kommt ein Treffen mit ihm einer vergebenen Zeitinvestition gleich.<br />
<strong>Die</strong>se Antwort erklärt das Verhalten der Araber am besten. <strong>Die</strong> arabische Gesellschaft ist<br />
durch eine starke Hierarchiestruktur geprägt. Arabische Geschäftsmänner sind sehr<br />
statusorientiert und es ist von großer Bedeutung, dass der Geschäftspartner vom Rang her<br />
die gleiche Stellung hat wie sein Gegenüber. <strong>Die</strong> beiden Scheiche waren zu hochrangig, als<br />
dass sie sich mit Herrn Schneider, einem untergebenen Mitarbeiter, den sie zudem nicht<br />
persönlich kennengelernt haben, beschäftigen würden. Der abrupte und kommentarlose<br />
Wechsel <strong>des</strong> Ansprechpartners wird von den Arabern eher mit mangelndem Interesse an<br />
einer weiteren Zusammenarbeit verstanden. Zudem haben die Araber keine persönlichen<br />
Anknüpfungspunkte zu Herrn Schneider. <strong>Die</strong> Versuche von Herrn Al Kindi einen<br />
gemeinsamen Bezugspunkt zu etablieren, indem er sich nach dem Befinden der beiden<br />
Geschäftsführer von Herrn Schneider erkundigt, wurden ignoriert.
Hierarchiedenken<br />
Es gibt in jeder Kultur Menschen, die viel Macht besitzen, und andere,<br />
die wenig oder gar keine haben. Ungleichheit ist eine Erscheinung, die<br />
praktisch überall zu beobachten ist, jedoch bestehen große<br />
Unterschiede darin, wie man jeweils damit umgeht.<br />
Kulturen mit geringem Hierarchiedenken versuchen, Unterschiede zu<br />
minimieren und streben Gleichberechtigung an.<br />
Dagegen werden in Kulturen mit ausgeprägtem (hohem)<br />
Hierarchiedenken Unterschiede vor allem von Personen mit niedriger<br />
Stellung akzeptiert.
Hierarchiedenken<br />
Visitenkarten sind in vielen asiatischen Kulturen aufwändig gestaltet:<br />
Der Einsatz goldfarbener Verzierungen, silberfarbener Schriftzüge oder<br />
bronzefarbener Hintergründe unterstreicht die Position <strong>des</strong> Mitarbeiters<br />
in der Unternehmenshierarchie.<br />
<strong>Die</strong> Visitenkarte wird als „Verlängerung der Person“ betrachtet und<br />
muss <strong>des</strong>halb mit dem nötigen Respekt behandelt werden. Dazu gehört<br />
nicht nur die korrekte Übergabe, sondern auch die angemessene<br />
Würdigung: Wenn man eine Visitenkarte bekommt ist es wichtig, sie<br />
eine Weile zu betrachten, erst danach kann sie an einem dafür<br />
vorgesehenen Ort verstaut werden.
Hierarchiedenken<br />
Eine Verbeugung in Asien ist ein Zeichen der<br />
Ehrerbietung. Komplizierte gesellschaftliche Regeln<br />
bestimmen, wann man sich verbeugt, und vor allem, wie<br />
tief man sich verbeugt. Ganz allgemein lässt sich<br />
feststellen, dass die Person, deren sozialer Rang niedriger<br />
ist, sich tiefer verbeugt als ihr Gegenüber. Zum Beispiel<br />
verbeugt sich der Verkäufer tiefer als der Käufer und der<br />
Schüler tiefer als der Lehrer
Erläuterungen zum Quiz<br />
Verbesserungsvorschläge gegenüber<br />
höher Gestellten ist erwünscht und<br />
werden honoriert.<br />
Statussymbole sind verbreitet und<br />
werden erwartet.<br />
Lehrer und Professoren sind nicht zu<br />
hinterfragen.<br />
Kontroverse Diskussionen werden<br />
gefördert und als konstruktiver Prozess<br />
in der Entscheidungsfindung gesehen.<br />
Genaue Anweisungen und<br />
regelmäßige Kontrolle vom Chef<br />
werden erwartet und geben Sicherheit.<br />
schwach ausgeprägtes Hierarchiedenken –<br />
Personen zeigen durch fachliches Wissen ihre<br />
Kompetenz.<br />
stark ausgeprägtes Hierarchiedenken –<br />
Hierarchische Strukturen werden nach außen<br />
demonstriert.<br />
stark ausgeprägtes Hierarchiedenken–<br />
Autoritätspersonen muss Respekt<br />
entgegengebracht werden.<br />
schwach ausgeprägtes Hierarchiedenken -<br />
jeder hat die Möglichkeit seine Meinung zu<br />
äußern und zu begründen.<br />
stark ausgeprägtes Hierarchiedenken – nur der<br />
Vorgesetzte hat Entscheidungsbefugnis.
Zeit
Zeit<br />
«Es gibt zwei Arten, wie Menschen mit der Zeit umgehen. <strong>Die</strong> einen teilen<br />
sie ein, die anderen zerteilen sie. Menschen, die Zeit einteilen, verrichten<br />
jeweils nur eine Tätigkeit; Menschen die Zeit nicht einteilen, sondern im<br />
Gegenteil zerteilen, können viele Dinge gleichzeitig tun. »<br />
(nach Hall 1984)
Monochrone versus polychrone Zeitplanung<br />
„Immer eins nach dem anderen“ – besser könnte man die monochrone<br />
Zeiteinteilung kaum beschreiben. Gemäß diesem Zeitverständnis geht<br />
man einer Beschäftigung nach und beginnt erst dann mit der nächsten,<br />
wenn die erste abgeschlossen ist. Zeit dient dazu, den Alltag zu ordnen<br />
und in strukturierte Bahnen zu lenken.<br />
In polychronen Gesellschaften hingegen werden viele Dinge gleichzeitig<br />
erledigt, d.h. neue Aufgaben werden angefangen, ohne die alten vorher<br />
abgeschlossen zu haben. Der Schwerpunkt liegt nicht auf der<br />
Einhaltung von Terminen, sondern auf der Kommunikation mit<br />
Menschen und der Erledigung von Aufgaben.<br />
Auch in der polychronen Arbeitsweise wird versucht Deadlines<br />
einzuhalten. Wichtig ist dabei: die polychrone Arbeitsweise ist nicht<br />
weniger effizient als die monochrone Arbeitsweise! Am Anfang wird<br />
weniger Output produziert, bis zum Ende <strong>des</strong> Projekts jedoch sind<br />
die Aufgaben jedoch alle erledigt.
Zeit<br />
Monochrone Kulturen stellen sich den Verlauf von Zeit mit Hilfe eines<br />
Zeitstrahls vor, an <strong>des</strong>sen einzelnen Punkten jeweils nur eine Aufgabe<br />
erledigt werden kann.<br />
Kulturen mit einem polychronem Zeitverständnis sehen Zeit als einen<br />
relativ flexiblen Raum, der dehnbar ist, je nachdem welche und wie viele<br />
Aufgaben erledigt werden.<br />
Wenn Vertreter einer monochronen Kultur (z.B. Deutsche) mit<br />
Vertretern einer polychronen Kultur (z.B. Franzosen)<br />
zusammenarbeiten, kann dies zu Missverständnissen führen.
Zeit<br />
Der idealtypische Arbeitsverlauf eines Deutschen sieht etwa so aus:<br />
Abgeschlossene<br />
Teilaufgaben <strong>des</strong> Projekts<br />
Zeit
Zeit<br />
Der französische, polychrone, Arbeitsverlauf in etwa so:<br />
Abgeschlossene<br />
Teilaufgaben <strong>des</strong> Projekts<br />
Zeit
Zeit<br />
Treffen sich die beiden nun zum Beispiel nach der Hälfte der Projektdauer,<br />
sieht es so aus, dass der Deutsche bis zu diesem Zeitpunkt schneller oder<br />
gar fleißiger ist.<br />
Tatsächlich kann es sein, dass der Franzose einfach nur mit mehreren<br />
Aufgaben zugleich begonnen hat, wodurch sein Output zum Ende <strong>des</strong><br />
Projekts gleich oder sogar größer sein wird. Er ist also keineswegs fauler<br />
oder weniger effizient.<br />
Abgeschlossene<br />
Teilaufgaben <strong>des</strong> Projekts<br />
Zeit
Erläuterungen zum Quiz<br />
Eine Stunde Wartezeit ist ein Affront. Monochron - Pünktlichkeit ist ein Wert – Unpünktlichkeit<br />
wird als unhöflich erachtet<br />
Man kann viele Dinge auf einmal erledigen. Polychron – Verschiedene Dinge können gleichzeitig<br />
bearbeitet werden. Ein Springen zwischen den<br />
verschiedenen Handlungssträngen ist möglich und<br />
verursacht keinen Stress!<br />
Termine können kurzfristig verschoben<br />
werden, wenn Freunde und Familie zu<br />
Besuch kommen.<br />
Einmal fertig gestellte Pläne werden ungern<br />
verändert.<br />
Polychron – Termine werden nicht als verbindlich<br />
angesehen<br />
Monochron – Planvorgaben sind wichtig<br />
Zeit ist Geld. Monochron – Man kann Zeit gewinnen, sparen oder<br />
verschwenden, Zeit wird als materielle Substanz betrachtet<br />
Kurzfristige Einladungen zum Geburtstag<br />
oder zu Veranstaltungen (z.B. einer<br />
Hochzeit) sind unüblich.<br />
Mit einer strukturierten Vorgehensweise<br />
erreicht man das Ziel schneller und besser.<br />
Monochron – Geburtstage oder Hochzeiten werden lange<br />
im Voraus geplant, eine spontane Einladung dazu würde<br />
den Eindruck vermitteln man wurde vergessen<br />
Monochron – Stukturen und Meilensteine erleichtern die<br />
Arbeit, fehlende Struktur wird mit Chaos gleichgesetzt<br />
Erst das Eine, dann das Andere. Monochron – Aufgaben werden nacheinander erledigt.<br />
Störungen und Unterbrechungen vermeidet man.<br />
Es wird ungerne im Voraus geplant. Polychron – <strong>Die</strong> Zukunft ist unvorhersehbar. Daher muss es
Individualismus vs.<br />
Gemeinschaftsorientierung
Individualismus vs. Gemeinschaftsorientierung<br />
<strong>Die</strong> Rolle <strong>des</strong> Individuums gegenüber der Gruppe kann ganz<br />
unterschiedlich definiert werden:<br />
In individualistischen Kulturen haben Persönlichkeit, Unabhängigkeit und<br />
Privatsphäre <strong>des</strong> Einzelnen einen hohen Stellenwert; Selbstverwirklichung<br />
gilt als eines der höchsten Ziele.<br />
Dagegen ist in gemeinschaftsorientierten Kulturen das Wohl <strong>des</strong> Einzelnen<br />
dem der Gruppe untergeordnet. Jeder definiert sich über geschlossene Wir-<br />
Gruppen, die Schutz und Unterstützung bieten, aber auch große Loyalität<br />
fordern.<br />
Stets geht es um das gleiche Ziel, nämlich das Wohl aller zu erreichen.<br />
Nach dem individualistischen Modell geht es der Gemeinschaft gut,<br />
wenn es allen Einzelpersonen gut geht. Gemeinschaftsorientierung<br />
hingegen begreift das Wohl der Gruppe als Schlüssel zum Wohl der<br />
Einzelnen.
Individualismus vs. Gemeinschaftsorientierung<br />
<strong>Die</strong> Verleihung <strong>des</strong> Titels „Employee of the Month“ stellt ganz<br />
bewusst die Leistungen <strong>des</strong> Einzelnen in den Vordergrund.<br />
<strong>Die</strong> Auszeichnung Einzelner entspricht der individualistischen<br />
Prägung der Mitarbeiter; so werden Motivation und Ansporn<br />
vermittelt.
Individualismus vs. Gemeinschaftsorientierung<br />
Im Gegensatz dazu, ist es in einer gemeinschaftsorientierten Gesellschaft<br />
üblich die Leistungen eines gesamten Teams hervorzuheben. Der einzelne<br />
Mitarbeiter erfährt eine Ehrung, in dem er zu dem ausgezeichneten Team<br />
gehört.<br />
<strong>Die</strong>s lässt sich beispielsweise im südostasiatischen Kulturraum beobachten;<br />
hier wird in sämtlichen Lebensbereichen die Gemeinschaft über das<br />
Individuum gestellt. So kommt es, dass nicht nur Kritik, sondern auch Lob<br />
äußerst selten direkt an eine einzelne Person gerichtet wird.
Umgang mit Ungewissheit
Umgang mit Ungewissheit<br />
„Keiner weiß, was morgen sein wird.“ <strong>Die</strong>se Ungewissheit ist allen<br />
bewusst, doch wird sie von manchen Kulturen als Bedrohung<br />
aufgefasst, von anderen hingegen nicht. Dementsprechend<br />
verschieden ist der Umgang mit Ungewissheit:<br />
Werden ungewisse oder unbekannte Situationen als Bedrohung<br />
empfunden, so versucht man, sich mit möglichst klaren<br />
Strukturierungen und Regeln Abhilfe zu schaffen. (hohe<br />
Unsicherheitsvermeidung)<br />
Im Gegensatz dazu steht die Überzeugung, dass eine ungewisse<br />
Zukunft durchaus positiv ist. So bleibt immer Spielraum für<br />
spontane Veränderungen; man begegnet Neuem und Fremdem mit<br />
Offenheit und Neugier. (niedrige Unsicherheitsvermeidung)
Umgang mit Ungewissheit<br />
Ausweispflicht<br />
Schriftlichkeit:<br />
Verträge,<br />
Protokolle etc.<br />
Organigramme<br />
Exakte Zielsetzungen,<br />
Detaillierte Aufgaben,<br />
Genaue Lösungen<br />
Pünktlichkeit<br />
Präzision und<br />
Wissen<br />
Zeitpläne<br />
Was anders ist,<br />
ist gefährlich<br />
Ungewöhnliches<br />
Verhalten<br />
wird sanktioniert<br />
Nicht mehr Regeln<br />
als unbedingt<br />
notwendig<br />
Zeit als<br />
Orientierungsrahmen<br />
Lockere Regeln<br />
für Kinder<br />
Was anders ist,<br />
ist interessant<br />
Toleranz,<br />
Offenheit<br />
Flexibilität,<br />
Intuition<br />
Originalität<br />
Vage<br />
Zielsetzungen, weit<br />
gefasste Aufgaben
Hohe Unsicherheitsvermeidung<br />
Das Leben ist unsicher. Manche Kulturen empfinden dies als ständige<br />
Bedrohung, die es zu bekämpfen gilt. Dort herrscht die Auffassung: "Was<br />
anders ist, ist gefährlich".<br />
Mit Zeitplänen versucht man, die Zukunft in geregelte Bahnen zu lenken.<br />
Natürlich setzt das voraus, dass sie möglichst genau eingehalten werden.<br />
Unerlässlich ist dabei Pünktlichkeit, die sowohl im beruflichen, wie auch<br />
privaten Leben erwartet wird.<br />
Man möchte oder kann sich nicht auf die rein mündliche Kommunikation<br />
verlassen, am besten ist es, alles "schwarz auf weiß" zu haben. Deshalb werden<br />
Verträge oder Protokolle zu Besprechungen stets schriftlich verfasst. Auch<br />
außerhalb <strong>des</strong> geschäftlichen Umfelds vertraut man lieber auf Schriftlichkeit:<br />
Beispielsweise sind Beipackzettel zu Medikamenten sehr lang und ausführlich.<br />
Selbst als Person ist man davon betroffen, denn es besteht die Pflicht, sich stets<br />
durch ein schriftliches Dokument ausweisen zu können; eine Ausweispflicht<br />
gibt es interessanterweise nur in jenen europäischen Ländern, die zur<br />
Vermeidung von Unsicherheit neigen.
Hohe Unsicherheitsvermeidung<br />
Das allgemeine Bedürfnis nach informellen Regeln und formellen<br />
Gesetzen wirkt sich z.B. auf die Arbeitswelt aus: sämtliche Rechte und<br />
Pflichten von Arbeitnehmern wie Arbeitgebern sind genau geregelt. Auf<br />
der Unternehmensebene etwa werden Zuständigkeiten mit Hilfe von<br />
Organigrammen genau festgelegt und voneinander abgegrenzt.<br />
In der Schule, später aber auch im Studium oder im Arbeitsleben mag<br />
man strukturierte Lernsituationen, das heißt detaillierte Aufgaben, auf<br />
die es eine exakte Antwort gibt. Damit hängt auch zusammen, dass<br />
Präzision und Wissen hoch geschätzt werden.<br />
Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass Gesellschaft mit hoher<br />
Unsicherheitsvermeidung andersartiges Verhalten eher sanktionieren,<br />
um so Ordnung und Struktur aufrecht zu erhalten.
Niedrige Unsicherheitsvermeidung<br />
Dagegen steht die Einstellung, dass Ungewissheit eine normale<br />
Erscheinung im Leben ist, und so wird sie täglich hingenommen. Man<br />
ist der Überzeugung, dass "Was anders ist, interessant oder vielleicht<br />
auch seltsam ist".<br />
Hier dient Zeit lediglich als Orientierungsrahmen; beispielsweise<br />
werden Zeit- und Stundenpläne oft als überflüssig, sogar lästig erachtet.<br />
<strong>Die</strong> emotionale Abneigung gegen Regeln führt dazu, dass sie nur da<br />
aufgestellt werden, wo es absolut notwendig ist, z.B. ob im<br />
Straßenverkehr rechts oder links gefahren wird. Man ist stolz darauf,<br />
viele Probleme auch ohne formelle Regeln lösen zu können.
Niedrige Unsicherheitsvermeidung<br />
In der Schule und später werden weit gefasste Aufgaben und vage<br />
Zielsetzungen bevorzugt, denn diese lassen Spielraum für Originalität,<br />
Flexibilität und Intuition. Dementsprechend hoch ist die Wertschätzung<br />
dieser Qualitäten.<br />
Aus diesen Überzeugungen und Vorstellungen heraus ergeben sich<br />
automatisch abweichende und innovative Gedanken sowie<br />
Verhaltensweisen. <strong>Die</strong>sen begegnet man aufgeschlossen und mit<br />
Toleranz.
Literaturliste<br />
Argyle, Michael (1992): Körpersprache und Kommunikation. Paderborn.<br />
Hall, Edward T. (1959): The Silent Language. New York.<br />
Hofstede Geert (2006): Lokales Denken, Globales Handeln. Interkulturelle<br />
Zusammenarbeit und globales Management. 3. Auflage. München.<br />
Kumbier, Dagmar und Friedemann Schulz von Thun (Hrsg. ) (2006):<br />
Interkulturelle Kommunikation: Methoden, Modelle, Beispiele. Hamburg.<br />
Maletzke, Gerhard (1996): Interkulturelle Kommunikation. Opladen.<br />
Thomas, Alexander (Hrsg.) (1991): Kulturstandards in der internationalen<br />
Begegnung. Saarbrücken.