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gt - Barbara Bierach

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lebenBugwelle statt Blattmachen: Wieein erfolgreiches Journalistenpaarden Ausstieg auf Zeit probte.Unser JahrFreiheitTEXT BARBARA BIERACHeines schönen Abends kurz vorder Jahrtausendwende kammein Mann nach Hause undfra<strong>gt</strong>e: „Sag mal, wie viele Schnitzelam Tag kann man eigentlich essen?“Ich, verblüfft: „Na ja, eines vielleicht,warum?“Er, seinerzeit stellvertretender Chefredakteurvon „Impulse“, verhandeltegerade über seine Rückkehr zur „WirtschaftsWoche“,wo er schon mal zehnJahre lange gewerkelt hatte, bevor erzu Gruner + Jahr wechselte. Mein Ehegesponshatte es ganz offenbar satt,um mehr Geld zu verhandeln, dasdann ohnehin weitgehend die Steuerfrisst. Er wollte mehr. Oder vielmehrMeer. Ein Boot kaufen und ein Jahr segeln,sein Lebenstraum.Also begann er, um Zeit zu pokernstatt um Geld. Bisher hatte es in derVerlagsgruppe Handelsblatt so einAnsinnen noch nicht gegeben, aberes klappte tatsächlich: Andreas Henrysollte mindestens drei Jahre als stellvertretenderChefredakteur Diensttun, um dann ein Jahr lang unbezahltenUrlaub zu machen. Danach sollteer eine Korrespondentenstelle kriegenoder einen Autorenvertrag. Ich - damalsRessortleiterin ebenfalls bei der„WirtschaftsWoche“, entschloss mich,zu kündigen, sobald es soweit wäre.Offiziell, um nach dem Törn Bücherzu schreiben und frei zu arbeiten, aberinsgeheim in der vagen Hoffnung,mich in irgendeine Mittelmeerinsel zu60 | medium magazin 11/2005barbara bierach waru. a. Ressortleiterin der„WirtschaftsWoche“, arbeitetseit 2003 als freie Journalistinund ist mehrfacheBuchautorin („Das dämlicheGeschlecht“)eMail: autor@mediummagazin.deverlieben und dort eine Pension aufzumachen.Zu jenem Zeitpunkt hatte ichnämlich die Nase gestrichen voll vonder absurden Logik einer Industriegesellschaft,die da lautet: „Wir arbeitenimmer angestren<strong>gt</strong>er in Jobs, die unsnicht erfüllen, um immer neue Dingezu kaufen, die wir nicht brauchen, nurum Menschen zu beeindrucken, diewir eigentlich nicht mögen.“neuer rhYthmus. Es kommt nicht daraufan, viele Dinge zu besitzen, sonderndie richtigen. Wir haben uns also eineSegelyacht gekauft. „Lady Blue“, einen37 Fuß langen Flitzer aus dem HauseBaltic. Mit ihr sind wir von Bremendurch den englischen Kanal, über dieBiscaya, durch die Straße von Gibraltarbis nach Sizilien gesegelt, über dieitalienischen Inseln bis ins toskanischeArchipel und über Frankreichund Spanien zurück auf die Balearen.Insgesamt rund 5500 Seemeilen.>>>Es kommt nicht darauf an, viele Dingezu besitzen, sondern die richtigen.


Den festen Job undBoden unter den Fü–ssen gaben sie auf fürein Jahr auf hoherSee: Andreas Henry und<strong>Barbara</strong> <strong>Bierach</strong> segeltenfast 5500 Seemeilen.Neidfaktor. Wochenlang Sommer,Sonne, Natur - mag sein, dass dieserLuxus für überzeu<strong>gt</strong>e Workaholicsschon wieder nach Langeweile klin<strong>gt</strong>.Doch an Herausforderungen fehlt esbeim Segeln wahrlich nicht. Es gilt,die gefährliche Einfahrt in eine besondersschöne Ankerbucht zu meisternoder das knifflige Anlegemanöver.>>>Ein Boot kaufen und ein Jahrsegeln – sein Lebenstraum.Wir erfuhren, wie unglaublich ruhigperfekte Stille ist.medium magazin 11/2005 | 61


leben>>>Chef, die Karriere, das Blatt,das Geld … und überhaupt, was passiertmit dem Hund?Knick & Kick. Die Bedenkenträgermögen Recht haben. Alles hat seinenPreis. Natürlich ist ein Sabbatjahr einKarriereknick, natürlich gibt es ehrgeizigeAnwärter für jeden herrenlosenJob, natürlich finden die eindimensionalgestrickten Controllertypenin jeder Firma, dass einer mit einemJahr Abwesenheit nur die eigeneRedundanz beweist. Hinzu kommenspätestens nach einem halben Jahrdie Ermüdungserscheinungen anBord: Es ist immer entweder zu vielWind oder zu wenig, die Enge an Bordstört die eheliche Harmonie und dasewige Geschaukel braucht irgendwieauch kein Mensch. Ein Königreich füreine vernünftige Zeitung und einenSchwatz mit intelligenteren Leuten alsdem Hafenmeister von Neapel! MitDover: Bitte BU.>>>Lieber lang und tief alsschnell und flach.Der innere Auftrag bleibt, mehr Lebenin den Alltag zu packen.

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