„Was sind eigentlich Sonnentaler?“ - Bildungsnetz Berlin
„Was sind eigentlich Sonnentaler?“ - Bildungsnetz Berlin
„Was sind eigentlich Sonnentaler?“ - Bildungsnetz Berlin
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Veranstaltungsreihe<br />
„Wenn <strong>Berlin</strong> wüßte, was <strong>Berlin</strong> weiß<strong>“</strong><br />
<strong>„Was</strong> <strong>sind</strong> <strong>eigentlich</strong> <strong>Sonnentaler</strong>?<strong>“</strong><br />
Konzepte und Projekte zur Verbesserung der<br />
naturwissenschaftlichen Bildung<br />
Fachtagung - 23.09.2008<br />
wannseeFORUM <strong>Berlin</strong><br />
Dokumentation
<strong>Bildungsnetz</strong> <strong>Berlin</strong> - Veranstaltungsreihe:<br />
„Wenn <strong>Berlin</strong> wüßte, was <strong>Berlin</strong> weiß<strong>“</strong><br />
<strong>„Was</strong> <strong>sind</strong> <strong>eigentlich</strong> <strong>Sonnentaler</strong>?<strong>“</strong><br />
Konzepte und Projekte zur Verbesserung der<br />
naturwissenschaftlichen Bildung<br />
Fachtagung am 23.09.2008<br />
im wannseeFORUM <strong>Berlin</strong>
Impressum<br />
Herausgegeben von:<br />
LIFE e.V. | Dircksenstr. 47 | 10178 <strong>Berlin</strong><br />
030.308 798 - 12/ 14<br />
www.life-online.de<br />
<strong>Sonnentaler</strong> ist ein Kooperationsprojekt von LIFE e.V.<br />
und der Freien Universität <strong>Berlin</strong><br />
Redaktionelle Bearbeitung:<br />
Almut Borggrefe<br />
Gestaltung:<br />
IT depends | Miriam Asmus | <strong>Berlin</strong><br />
030.470 88 441 | kontakt@it-depends.de<br />
Druck:<br />
Grafische Werkstatt Franz Pruckner | <strong>Berlin</strong><br />
030.854 795 90<br />
Bildnachweis:<br />
© Metin Yilmaz, bis auf<br />
© Karin Ernst, S. 12-17<br />
© Nuffield Foundation (1967), S. 11<br />
© www.lamap.fr, www.sonnentaler.net, S. 18-21<br />
© Cover: www.sonnentaler.net, Karin Ernst<br />
Tagungsorganisation:<br />
Sabine Kallmeyer<br />
Die Dokumentation steht unter www.bildungnetz-berlin.de als<br />
PDF-Download bereit.<br />
© LIFE e.V., <strong>Berlin</strong>, September 2008<br />
Gefördert von der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft<br />
und Forschung und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds.
Inhalt<br />
Grußwort ..................................................................................................................... 2<br />
Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner,<br />
Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung im Land <strong>Berlin</strong><br />
Einführung ..................................................................................................................... 3<br />
Rita Eichelkraut, Geschäftsführerin LIFE e.V.<br />
Naturwissenschaften von und für Kinder von Anfang an ......................................... 5<br />
Prof. Dr. Brunhilde Marquardt-Mau, Universität Bremen<br />
Entdeckendes Lernen – gestern und heute ............................................................. 10<br />
Dr. Karin Ernst, LIFE e.V.<br />
<strong>Sonnentaler</strong> — La main à la pâte - ........................................................................ 18<br />
ein deutsch-französisches Projekt zum naturwissenschaftlichen Unterricht<br />
im Primarbereich<br />
Dr. Jenny Schlüpmann, Dr. Jens Thoms Törring,<br />
Freie Universität <strong>Berlin</strong>, Fachbereich Physik<br />
prima(r)forscher. Naturwissenschaftliches Lernen im Grundschulnetzwerk ....... 22<br />
Andreas Knoke, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, Ute Krümmel, kobra.net<br />
Naturwissenschaftliches Lernen in Kita und Grundschule ....................................... 26<br />
Podiumsdiskussion<br />
Kontaktadressen ........................................................................................................ 30<br />
1
2<br />
Grußwort<br />
Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner, Senator für Bildung, Wissenschaft und<br />
Forschung im Land <strong>Berlin</strong><br />
Die naturwissenschaftliche<br />
Bildung in der Elementar-<br />
und Primarstufe<br />
ist ein entscheidender<br />
Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner<br />
Eckpfeiler guter allgemeiner<br />
Bildung: Hier wird<br />
die Basis gelegt, damit<br />
sich die Schülerinnen und<br />
Schüler in den weiterführenden<br />
Schulen diesen<br />
Themen zuwenden können.<br />
Nicht zuletzt der<br />
Fachkräftemangel in der<br />
Industrie und in den Ingenieurwissenschaften<br />
verdeutlicht die besonders<br />
guten Perspektiven, die gute naturwissenschaftliche<br />
Bildung mit sich bringt. Zukünftig brauchen<br />
wir in diesen Bereichen viele exzellent ausgebildete<br />
junge Menschen. Deshalb ist es wichtig, schon bei<br />
den Kleinsten die Begeisterung für die Naturwissenschaften<br />
zu wecken.<br />
Im Elementarbereich erschließt sich das Kind<br />
ganzheitlich die Natur und baut darauf erste naturwissenschaftliche<br />
Erfahrungen und weiterführende<br />
Fragestellungen auf. Es geht von sinnlichen<br />
Erfahrungen mit den Grundelementen Erde, Wasser,<br />
Feuer und Luft, mit konkreten Dingen und deren<br />
spürbaren und beobachtbaren Eigenschaften<br />
aus. Es erkundet die Beschaffenheit von Oberflächen,<br />
stellt Betrachtungen an zu Unterschieden<br />
und Gemeinsamkeiten und stellt sich und anderen<br />
Menschen Fragen zu tausend Wundern seiner<br />
Welt. Viele Warum-Fragen des Kindes richten sich<br />
auf naturwissenschaftliche und technische Phänomene.<br />
Das Kind nimmt durch Beobachten, Beschreiben,<br />
Vergleichen und Bewerten seine belebte<br />
und unbelebte Umwelt wahr. Es streift durch die<br />
Fachdisziplinen der Biologie, Chemie, Physik und<br />
Technik, nach seiner eigenen Logik und ganz nach<br />
seinem Interesse. Die Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen<br />
und technischen Grunderfahrungen<br />
ist für Mädchen wie Jungen in gleicher<br />
Weise möglich und für beide Geschlechter notwendig.<br />
Wir ermutigen Erzieherinnen und Erzieher, sich<br />
naturwissenschaftlichen und technischen Phänomenen<br />
zu öffnen und gemeinsam mit den Kindern<br />
zu lernen. Denn in der Primarstufe bedeutet schulisches<br />
Lernen auch die Auseinandersetzung mit<br />
Grundfragen. Diese orientieren sich an beobacht-<br />
baren Phänomenen der Natur und Grundproblemen<br />
der Gesellschaft, wie z.B. der Technik und der<br />
Umwelt, Fragen des Zusammenlebens von Menschen,<br />
Fragen nach anderen Kulturen, zur kindlichen<br />
Lebenswelt, zu Verkehr und Mobilität sowie<br />
zur Gesundheit und zum Wohlbefinden.<br />
Für die <strong>Berlin</strong>er Schule haben wir für die Klassen<br />
1 bis 4 im Rahmenlehrplan für Sachkunde und für<br />
die Klassen 5 und 6 im Rahmenlehrplan für Naturwissenschaften<br />
Kompetenzen und Standards<br />
festgelegt, um allen <strong>Berlin</strong>er Schülerinnen und<br />
Schülern einen fundierten Zugang zu naturwissenschaftlichen<br />
Phänomenen zu eröffnen.<br />
Der Sachunterricht ermöglicht den Schülerinnen<br />
und Schülern in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 zunehmend,<br />
sich ihre Welt selbstständig zu erschließen<br />
und sich darin zurechtzufinden. Sie lernen,<br />
exemplarisch Ausschnitte der technischen und<br />
natürlichen Umwelt differenziert wahrzunehmen,<br />
gedanklich zu durchdringen, zu deuten, zu werten<br />
und eigenverantwortlich zu handeln. Der Sachunterricht<br />
legt die Basis für das erfolgreiche Weiterlernen<br />
im Unterricht der nachfolgenden Fächer ab<br />
Jahrgangsstufe 5. Wichtige Voraussetzungen hierfür<br />
<strong>sind</strong>, dass das Interesse der Schülerinnen und<br />
Schüler an der Natur und Technik erhalten bleibt<br />
und sie Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit gewinnen.<br />
Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Verlauf der<br />
Tagung.
Einführung<br />
Rita Eichelkraut, Geschäftsführerin LIFE e.V. <strong>Berlin</strong><br />
LIFE e.V. setzt sich seit 20 Jahren für Chancengleichheit,<br />
Umweltschutz und neue Lernkonzepte in der<br />
Bildung ein. Vor zwei Jahren erzählte mir Frau Prof.<br />
Keitel-Kreidt, Mathematikerin und Grundschuldidaktikerin<br />
und z.Zt. stellvertretende Präsidentin<br />
der Freien Universität (FU) <strong>Berlin</strong>, von einem erfolgreichen<br />
französischen Internet-Projekt zur Erneuerung<br />
des naturwissenschaftlichen Unterrichts,<br />
„La main à la pàtê<strong>“</strong>(LaMap) – was soviel heißt wie<br />
„die Hände im Teig<strong>“</strong>. Sie erzählte auch von einer<br />
engagierten Physikerin im Fachbereich Physik, die<br />
das Projekt gerne nach Deutschland übertragen<br />
würde. Die FU hatte schon zugesagt, einen Teil<br />
der Finanzierung zu übernehmen. Ich war sofort<br />
begeistert und bereit, diese Idee zu unterstützen.<br />
Die Initiative des Physikers und Nobelpreisträgers<br />
Georges Charpak, die er 1996 gemeinsam mit der<br />
französischen Akademie der Wissenschaften begründete,<br />
basiert auf dem Konzept des enquirybased<br />
learning. Auch bei LIFE e.V. gehört das Entdeckende<br />
Lernen seit langem zum Konzept. Die<br />
Umstände waren günstig, denn von 2001 bis 2007<br />
war, im Rahmen des Bundesprogramms Lernende<br />
Regionen – Förderung von Netzwerken –, <strong>Bildungsnetz</strong><br />
<strong>Berlin</strong> gefördert worden, mit LIFE e.V.<br />
als koordinierender Stelle. In diesem Zeitraum entstanden<br />
viele interessante Kooperationsprojekte,<br />
in denen neue Bildungsangebote entwickelt und<br />
erprobt wurden. Die FU <strong>Berlin</strong> gehörte von Anfang<br />
an zu den Partnern. Im Rahmen des Bundesprogramms<br />
konnten wir zusätzliche Mittel organisieren<br />
und so das Vorhaben der FU unterstützen.<br />
Im Juli 2006 konnte mit der Übertragung von La<br />
main à la pâte begonnen werden, Internetseite, Curricula<br />
für Lernprojekte und Hintergrundinformationen<br />
wurden übersetzt und an deutsche Verhältnisse<br />
angepasst. Die Akademie der Wissenschaften<br />
<strong>Berlin</strong>-Brandenburg und die französische Botschaft<br />
gehörten zu den Unterstützern ebenso wie die<br />
Deutsche Telekom, die ihre Übersetzungsabteilung<br />
zur Verfügung stellte. Im November 2007 ging die<br />
deutsche Version von LaMap mit dem Namen <strong>Sonnentaler</strong><br />
online. Als die Projektfinanzierung 2007<br />
endete, war uns klar, dass ein Internetangebot allein,<br />
noch dazu mit einem Lernkonzept, das wenig<br />
verbreitet ist, nicht von selbst Eingang in die<br />
Bildungspraxis von Kita und Grundschule finden<br />
wird. LIFE e.V. hat daher gemeinsam mit der FU<br />
<strong>Berlin</strong> erfolgreich einen Antrag bei der Senatsverwaltung<br />
für Bildung, Wissenschaft und Forschung<br />
gestellt, um das Projekt <strong>Sonnentaler</strong> zu verbreiten,<br />
die Internetseiten zu erweitern,<br />
Schulungen zu<br />
Lernkonzept und Nutzung<br />
von <strong>Sonnentaler</strong><br />
anzubieten und diese Tagung<br />
zu veranstalten.<br />
Eine Stärkung des naturwissenschaftlichen<br />
Unterrichts und die Heranführung<br />
von Kindern<br />
an Naturwissenschaften<br />
und Mathematik <strong>sind</strong><br />
Rita Eichelkraut<br />
bildungspolitisch gewollt<br />
und haben inzwischen Eingang in Lehr- und Bildungspläne<br />
der Länder gefunden, auch in <strong>Berlin</strong>.<br />
Die Frage ist nun: Lässt sich die Heranführung<br />
von Kindern an die Naturwissenschaften mit herkömmlichen<br />
Methoden und Vorstellungen von Unterricht<br />
erreichen? Unsere Antwort darauf ist ein<br />
überzeugtes „Nein<strong>“</strong>. Gerade für die Annäherung<br />
und ein nachhaltiges Verständnis der Vorgänge in<br />
unserer natürlichen und technischen Umwelt <strong>sind</strong><br />
andere Lernprozesse notwendig als sie Frontalunterricht<br />
und vorgegebene Aufgaben hervorbringen.<br />
Dies gilt natürlich auch für alle anderen Prozesse<br />
der Aneignung von Wissen und Erfahrung, auch<br />
für Sprache und Sozialverhalten. Wer also die naturwissenschaftliche<br />
Bildung verbessern möchte,<br />
kommt nicht darum herum, sich mit alternativen<br />
Lernkonzepten und Methoden auseinander zu setzen.<br />
Und wer will, dass Bildung in Deutschland gerechter<br />
wird und mehr Chancengleichheit erreicht,<br />
kommt ebenfalls um diese Auseinandersetzung<br />
nicht herum. Kinder, auch die einer Altersgruppe,<br />
<strong>sind</strong> verschieden, haben ein anderes Lerntempo,<br />
unterschiedliche Lernwege und Voraussetzungen,<br />
wie soziale Herkunft, Ethnie und Geschlecht. Im<br />
internationalen Vergleich bestimmt in Deutschland<br />
die soziale Herkunft in besonders hohem Maß den<br />
Bildungserfolg. Die vergleichenden Schulleistungsstudien<br />
wie PISA oder IGLU haben deutlich nachgewiesen,<br />
dass das Geschlecht neben der Schichtzugehörigkeit<br />
und dem ethnischen Hintergrund<br />
maßgeblich die Bildungschancen von Kindern und<br />
Jugendlichen beeinflusst.<br />
Wer also nicht will, dass Kinder benachteiligt werden,<br />
nur weil sie anders <strong>sind</strong>, muss sich mit dieser<br />
Diversität auseinander setzen. Eine Berücksichtigung<br />
der Unterschiedlichkeit von Kindern<br />
in Lernkonzepten ist notwendig. Dabei hilfte eine<br />
3
4<br />
andere Sichtweise: Verschiedenheit der Kinder als<br />
Vorteil statt als Hindernis zu verstehen. Zu Recht<br />
wehren sich Kita-Verantwortliche, die laut <strong>Berlin</strong>er<br />
Bildungsplan auch aufgefordert <strong>sind</strong>, den Kindern<br />
die Begegnung mit den Naturwissenschaften zu<br />
ermöglichen, gegen eine „Verschulung<strong>“</strong> ihrer Pädagogik.<br />
Möglicherweise tun sie damit den Grundschulen<br />
und den Lehrer/innen Unrecht, die bereits<br />
andere Lernwege gehen. Kein Wunder. In Deutschland<br />
<strong>sind</strong> Kita und Schule zwei unterschiedliche<br />
Systeme, die leider noch viel zu wenig Berührungspunkte<br />
haben. Vorurteile und überlieferte Bilder<br />
der Arbeit <strong>sind</strong> Ergebnisse dieser Parallelsysteme.<br />
Um hier zu den notwendigen Veränderungen zu<br />
kommen, wird neben dem Abbau von Vorurteilen<br />
und dem Aufbau einer vertrauensvollen Zusammenarbeit<br />
auf Augenhöhe die Einigung auf ein gemeinsames<br />
Lernverständnis künftig die wichtigste<br />
Aufgabe sein.<br />
Gestatten Sie mir noch einen kurzen Ausflug in die<br />
aktuelle Debatte: Die Bildungsverantwortlichen<br />
nehmen – so scheint mir – den Begriff Bildungsreform<br />
zu wörtlich. Sie konzentrieren sich dabei<br />
vor allem auf die Silbe FORM. In der aktuellen, öffentlichen<br />
Diskussion um Schulreformen wird fast<br />
ausschließlich über strukturelle Veränderungen<br />
gestritten – dreigliedriges Schulsystem versus Gemeinschaftsschule,<br />
Länge der Schulzeit etc. Viel<br />
seltener geht es um das Lernen selbst, um Lernkonzepte<br />
und Methoden. Dabei weisen alle Ergebnisse<br />
der Lernforschung und der Hirnforschung und der<br />
internationalen Schulleistungsvergleiche unmissverständlich<br />
darauf hin, dass Lernen in Deutschland<br />
sich verändern muss. Auch Bildungsziele verändern<br />
sich. Abfragbares, auf Vorrat gespeichertes<br />
Wissen war gestern, Kompetenz – die Fähigkeit,<br />
Wissen und Erfahrung in neuen Situationen sinnvoll<br />
anwenden zu können - ist heute wichtig. Das<br />
Lernkonzept, das hinter <strong>Sonnentaler</strong> steht, ist nicht<br />
neu, sondern hat schon eine längere Geschichte.<br />
Forschendes, Entdeckendes Lernen ist zurzeit überall<br />
im Aufwind, aber es gibt auch Unterschiede bei<br />
der Umsetzung. Wir möchten heute einige Konzepte,<br />
Ansätze und Projekte vorstellen, die das Ziel<br />
haben, Kindern die Naturwissenschaften näher zu<br />
bringen und dabei herkömmliche Lernformen zu<br />
verändern.<br />
Prof. Dr. Brunhilde Marquardt-Mau von der Universität<br />
Bremen wird über Naturwissenschaften<br />
für Kinder von Anfang an und ihre Erfahrungen<br />
und Forschungsergebnisse dazu sprechen und uns<br />
an ihren Ideen für die Zukunft teilhaben lassen. Wir<br />
finden es aber auch wichtig, einen Blick auf die Ge-<br />
schichte des Entdeckenden oder Forschenden Lernens<br />
zu werfen, auf die Erfolge und Niederlagen<br />
eines Lernkonzeptes, bei dem die Ergebnisse der<br />
Lernforschung zwar nahe legen, dass es anderen<br />
Lernformen überlegen ist, das in anderen Ländern<br />
auch erfolgreich genutzt wird und sich doch so<br />
schwer in die Strukturen unserer Bildungsinstitutionen<br />
und in die Diskussion um Bildungsreformen<br />
einbringen lässt. Wir haben daher Dr. Karin Ernst,<br />
Expertin für Entdeckendes Lernen und Leiterin<br />
des LIFE-Projektes „eXplorarium – eLearning in<br />
der Grundschule entdecken<strong>“</strong>, gebeten, uns einen<br />
Überblick über Entdeckendes Lernen gestern und<br />
heute zu geben.<br />
Nach dem Mittagsbuffet beantwortet die Physikerin<br />
Dr. Jenny Schlüpmann von der Freien Universität<br />
<strong>Berlin</strong> die Frage, was <strong>Sonnentaler</strong> <strong>sind</strong> und stellt<br />
Ihnen Konzept und Internetseite des Projektes <strong>Sonnentaler</strong><br />
vor. Sie berichtet auch über eine internationale<br />
Studie zum Forschenden, Entdeckenden<br />
Lernen. Anschließend stellen Ute Krümmel und<br />
Andreas Knoke das Projekt prima(r)forscher der<br />
Deutschen Telekom Stiftung und der Deutschen<br />
Kinder- und Jugendstiftung vor. prima(r)forscher<br />
hilft ausgewählten Grundschulen dabei, ihr naturwissenschaftliches<br />
Profil zu schärfen und eine<br />
kindgerechte Lernkultur zu entwickeln. Bei der<br />
abschließenden Podiumsdiskussion werden Gäste<br />
aus Politik, Verwaltung, Weiterbildung, Schule<br />
und Kita darüber diskutieren, was <strong>Berlin</strong> tun kann,<br />
um Lehrer/innen und Erzieher/innen bei der Integration<br />
fortschrittlicher Konzepte naturwissenschaftlichen<br />
Lernens zu unterstützen und die Zusammenarbeit<br />
der Akteurinnen und Akteure zu<br />
verbessern.
Naturwissenschaften von und für Kinder von Anfang an<br />
Prof. Dr. Brunhilde Marquardt-Mau, Universität Bremen<br />
Scientific literacy als Ziel einer naturwissenschaftlichen<br />
Grundbildung gilt als Schlüsselkompetenz<br />
für eine verständige und verantwortungsvolle<br />
Teilhabe am Leben unserer Gesellschaft und muss<br />
bereits früh initiiert werden (vgl. Marquardt-Mau<br />
2004). Für den Elementarbereich liegen inzwischen<br />
Bildungspläne und Projekte zur naturwissenschaftlichen<br />
Frühförderung vor; im Alltag vieler Kindertagesstätten<br />
stellen solche Bildungsangebote<br />
jedoch noch eine Ausnahme dar. Auch die bisherige<br />
Praxis des Sachunterrichts der Grundschule ist<br />
vielfach durch das Fehlen naturwissenschaftlicher<br />
Inhalte insbesondere aus den Bereichen Physik,<br />
Chemie sowie adäquater experimenteller und entdeckender<br />
Lehr- Lernformen gekennzeichnet (vgl.<br />
Strunk et al. 1998). Zudem verbleiben mit etwa 16<br />
Prozent zu viele Kinder, insbesondere Mädchen<br />
und Kinder mit Migrationshintergrund, am Ende<br />
der Grundschulzeit auf einem niedrigen Niveau einer<br />
naturwissenschaftlichen Kompetenz, die kaum<br />
über das Alltagswissen hinausgeht ( vgl. Prenzel et<br />
al. 2003).<br />
In einer angemessenen naturwissenschaftlichen<br />
Grundbildung von Anfang an gilt es, sowohl den<br />
Anforderungen seitens der Kinder, ihren Interessen<br />
und Zugängen als auch den Ansprüchen einer<br />
Wissensgesellschaft Rechnung zu tragen.<br />
Voraussetzungen und Anforderungen<br />
seitens der Kinder<br />
Sind naturwissenschaftliche Erkenntnisse nicht<br />
viel zu komplex, als dass sie bereits mit Kindern erörtert<br />
werden können? Müssen sie deswegen nicht<br />
auf das Niveau der Kinder, quasi kindgerecht, also<br />
spielerisch verpackt, zugeschnitten oder heruntergebrochen<br />
werden? Der Physikdidaktiker Martin<br />
Wagenschein (1990) hat diesem recht resistenten<br />
Missverständnis die These gegenüber gestellt, dass<br />
Kinder „von sich aus wissenschaftsorientiert <strong>sind</strong><strong>“</strong><br />
und damit den Blick in eine wichtige Richtung gewiesen.<br />
Kinder <strong>sind</strong> in Bezug auf Naturwissenschaften<br />
keine Anfänger, sondern in gewisser Weise Experten,<br />
wenn sie in den Kindergarten oder in die<br />
Schule kommen (vgl. Koerber & Sodian 2007; Lück<br />
& Risch 2007). Sie bringen Neugierde, Experimentierfreude<br />
und das Erstaunen über Phänomene der<br />
belebten und unbelebten<br />
Natur mit. Einstein hat<br />
einmal das Staunen als<br />
den Beginn der Naturwissenschaften<br />
bezeichnet.<br />
Versteht man Naturwissenschaft<br />
als Wissen, das<br />
man durch Beobachtung,<br />
Untersuchung und Experiment<br />
erlangt, dann ist<br />
es das, um was sich vieles<br />
im Leben eines Kindes<br />
dreht, selbst wenn es Prof. Dr. B. Marquardt-Mau<br />
noch jung ist (vgl. Sherwood<br />
et al. 2001). Wer einmal Kinder beim Spielen<br />
am Strand, an einem Bach oder aber auch in der<br />
Badewanne beobachtet hat, sieht, dass das Gießen<br />
von Wasser aus einer Gießkanne in ein gebuddeltes<br />
Sandloch oder aber in die Badewanne eine ungeheure<br />
Faszination auslöst. Es wird immer und<br />
immer wieder wiederholt. Beim Spielen erwirbt<br />
das Kind auch offensichtlich die Vorstellung von<br />
Wasser als Prototypen eines flüssigen Stoffs oder<br />
davon, was flüssig bedeutet. Alles was man gießen<br />
kann oder was fließt, ist dann für die Kinder ein<br />
Kriterium für „flüssig<strong>“</strong>. Sand oder Erdboden im<br />
Spieleimer verrührt ergibt beispielsweise die ersten<br />
Erfahrungen mit Gemischen.<br />
Diese frühkindliche und offensichtlich für den<br />
Wissenserwerb besonders sensible, von Elsbeth<br />
Stern als „windows of opportunities<strong>“</strong> bezeichnete<br />
Lebensphase gilt es zu nutzen und an den Vorerfahrungen<br />
und dem Vorwissen der Kinder anzuknüpfen.<br />
Bereits am Ende des ersten Lebensjahres<br />
<strong>sind</strong> die Konzepte von Säuglingen wissensbasiert;<br />
ihre Begriffe entwickeln sich in größeren Systemen<br />
begrifflichen Wissens, sogenannten Domänen, die<br />
man verschiedenen Wissensbereichen zuordnet<br />
wie dem des physikalischen, psychologischen, biologischen<br />
und metabegrifflichen Wissens. Die intuitiven<br />
oder „naiven<strong>“</strong> Theorien der Kinder erfüllen<br />
nicht die Kriterien wissenschaftlicher Theorien und<br />
stimmen oftmals nicht damit überein, gleichwohl<br />
<strong>sind</strong> diese „naiven<strong>“</strong> Theorien der Kinder in sich<br />
konsistent und besitzen eine gewisse innere Logik<br />
und für die Kinder subjektive Stimmigkeit, die es<br />
ihnen ermöglicht, leistungsfähige Deutungen ihres<br />
Alltags vorzunehmen. Innerhalb dieser Theorien<br />
können die Kinder grundsätzliche Unterscheidungen<br />
zwischen Begriffen (z.B. belebt, unbelebt)<br />
5
6<br />
sowie kausale Zusammenhänge (Ursache-Wirkungs-Mechanismen)<br />
vornehmen und nutzen. Im<br />
Grundschulalter besitzen die Kinder - neueren<br />
Ergebnissen der entwicklungspsychologischen<br />
Forschung zur Folge - bereits die Fähigkeit zu<br />
wissenschaftlichem Denken und <strong>sind</strong> in der Lage,<br />
anschlussfähige wissenschaftliche (Vor-)Konzepte<br />
aufzubauen und sich naturwissenschaftliche Sachverhalte<br />
verstehend zu erschließen (vgl. Koerber&<br />
Sodian, 2007; Möller 2002).<br />
Es ist wichtig, diese alltäglichen Erfahrungen der<br />
Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter zu<br />
bestärken und zu erweitern, und sie ausgehend<br />
von ihren Präkonzepten durch gut geplante Aktivitäten,<br />
quasi vom „Sandkasten zum Experiment<strong>“</strong>, zu<br />
ergänzen (vgl. Sherwood et al. 2001). Zudem legen<br />
die Ergebnisse der geschlechtsspezifischen Sozialisation<br />
nahe, dass dabei auch die unterschiedlichen<br />
Anforderungen von Mädchen und Jungen an eine<br />
naturwissenschaftliche Grundbildung Berücksichtigung<br />
finden müssen (vgl. Hoffmann et al. 1997;<br />
Beermann et al. 1992). Bereits am Ende der Grundschulzeit<br />
bildet sich ein deutlicher Interessen- und<br />
Kompetenzvorsprung der Jungen im Vergleich zu<br />
den Mädchen heraus (vgl. Prenzel et al. 2003).<br />
Anforderungen an Konzeptionen einer<br />
naturwissenschaftlichen Grundbildung<br />
Die Frage, ob Naturwissenschaften für Kinder<br />
von Bedeutung <strong>sind</strong>, scheint inzwischen positiv<br />
beschieden zu sein. Allzu emsige Reformbemühungen<br />
allein <strong>sind</strong> jedoch nicht ausreichend, um<br />
eine angemessene Konzeption einer naturwissenschaftlichen<br />
Grundbildung von Anfang an zu entwickeln.<br />
In einer Analyse der naturwissenschaftlichen Themen<br />
in den Bildungsplänen der einzelnen Bundesländer<br />
im Elementarbereich kommt Blaseio (2009)<br />
zu dem Ergebnis, dass vor allen Dingen den Dimensionen<br />
Natur erleben, pflegen und erforschen<br />
ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Auch Dimensionen<br />
wie Natur kennen, über Natur philosophieren,<br />
der Natur emotional begegnen, die Natur<br />
verantworten und mit Natur gestalten <strong>sind</strong> in einzelnen<br />
Bildungsplänen vorhanden.<br />
Auffällig ist jedoch in den Bildungsplänen auch<br />
ein ausgeprägter Bezug zu der von Lück (2003)<br />
entwickelten fachorientierten Konzeption einer<br />
naturwissenschaftlichen Grundbildung mit Experimenten<br />
zu Themen aus der unbelebten Natur<br />
(vgl. Pilster 2005). In dieser Konzeption geht es um<br />
angeleitetes Experimentieren mit einem fachsystematischen<br />
Aufbau. Als wichtige Kriterien nennt<br />
Lück die eigenständige Durchführbarkeit der Experimente,<br />
deren Alltagsbezug und das zuverlässige<br />
Gelingen.<br />
Einen anderen Zugang zur naturwissenschaftlichen<br />
Bildung stellen situationsorientierte Lernangebote<br />
oder Projekte dar. Die Auswahl der Themen<br />
folgt nicht einer gewissen Fachsystematik, sondern<br />
diese nehmen ihren Ausgang bei relevanten<br />
Lebens- und Alltagssituationen (Aktionsanlässe)<br />
bzw. Fragen der Kinder, zu deren Erschließung<br />
bzw. Beantwortung Erkundungen, Beobachtungen<br />
oder Experimente durchgeführt werden. Im Konzept<br />
„Natur-wissen schaffen<strong>“</strong> (vgl. Fthenakis 2008)<br />
wird naturwissenschaftliche Bildung als „ko-konstruktiver<br />
Prozess<strong>“</strong> der Kinder verstanden, bei dem<br />
vor allen Dingen der Analyse und der pädagogischen<br />
Begleitung der Kommunikationsprozesse<br />
der Kinder untereinander ein zentraler Stellenwert<br />
zukommt. Dieser auf einer „Metaebene<strong>“</strong> mit den<br />
Kindern reflektierte Kommunikationsprozess ist<br />
zunächst unabhängig von einer spezifischen Domäne.<br />
In der Lernpsychologie ist es üblich, Wissen<br />
auf verschiedenen Ebenen zu beschreiben, nämlich<br />
neben domänenspezifischem Wissen (deklaratives<br />
Wissen; Wissen über Sachverhalte), das prozedurale<br />
Wissen (Wissen, auf dem Fertigkeiten beruhen),<br />
strategisches Wissen (Heuristiken und Problemlösestrategien)<br />
und das metakognitive Wissen<br />
(Kontrolle und Steuerung von Lern- und Denkprozessen).<br />
Dort werden vor allen Dingen das strategische<br />
und metakognitive Wissen geschult.<br />
In einem anderen Ansatz einer frühkindlichen<br />
Förderung wird Bildung als Eigenaktivität eines<br />
kompetenten Kindes zur Aneignung seiner Welt
verstanden. Bei der naturwissenschaftlichen<br />
Grundbildung geht es dann also vor allen Dingen<br />
um die Unterstützung der Bemühungen eines Kindes<br />
in der Auseinandersetzung mit Phänomenen<br />
der belebten und unbelebten Natur.<br />
Einen anderen Stellenwert erhält die naturwissenschaftliche<br />
Grundbildung in der Arbeit von Waldkindergärten<br />
(vgl. Miklitz 2007). Die Natur bzw. ein<br />
Wald, ein Feld oder eine Wiese werden als Spiel-<br />
und Aufenthaltsort, als Ausgangspunkt für Prozesse<br />
des Erlebens von Stille, des Erkundens dieser<br />
Lebensräume genutzt. In den inzwischen über<br />
200 bei uns existierenden Waldkindergärten findet<br />
der Kindergarten quasi unter freiem Himmel statt.<br />
Die Kinder können sich selbständig draußen ohne<br />
Zeitdruck und Einengung bewegen und die Natur<br />
in ihrer großen Vielfalt kennen und lieben lernen.<br />
In diesen kurz skizzierten Ansätzen einer naturwissenschaftlichen<br />
Frühförderung für den Elementarbereich<br />
spiegeln sich auch wesentliche Denkfiguren<br />
innerhalb fachdidaktischer Debatten auch<br />
des Primarbereichs wider. Es geht um die Fragen,<br />
welchen Polen eine herausragende Bedeutung zuwächst<br />
und in welchem Spannungsfeld sie zueinander<br />
stehen: dem Pol der Fachorientierung oder<br />
dem Pol der Lebenswelt von Kindern, konstruktiven<br />
oder ko-konstruktiven Aneignungsprozessen<br />
von Kindern oder der Rolle von Natur und Umwelt<br />
in Bildungsprozessen von Kindern (vgl. Giest<br />
et al. 2009).<br />
Scientific literacy von Anfang an<br />
Das Konzept der scientific literacy, dem angelsächsischen<br />
Kontext entstammend, bezieht sich auf naturwissenschaftliche<br />
Bildungsprozesse ausgehend<br />
vom Kindergarten bis zur Oberstufe und versucht<br />
Wissenschaftsorientierung und die Orientierung<br />
an den Vorstellungen von Kindern in einen produktiven<br />
Dialog zu bringen. Mit der Metapher<br />
der literacy soll angedeutet werden, dass Kinder<br />
ohne die Kenntnisse grundlegender Konzepte, Methoden<br />
und Sichtweisen der Naturwissenschaften<br />
nicht über eine für das Leben in einer Wissensgesellschaft<br />
zentrale „Kulturtechnik<strong>“</strong> verfügen. Charakteristisch<br />
für diese Konzeption ist die konstruktivistische<br />
Ausrichtung.<br />
Ausgehend von den vorhandenen Präkonzepten<br />
der Kinder zu Phänomenen aus der belebten und<br />
unbelebten Natur müssen Lernsituationen gestaltet<br />
werden, die das eigene Entdecken und Experi-<br />
mentieren (hands on) sowie eigenständige Denkprozesse<br />
(minds on) der Kinder ermöglichen. Erst<br />
durch diese Auseinandersetzung ist es möglich,<br />
dass die Kinder ihre Vorerfahrungen wissenschaftlichen<br />
Vorstellungen annähern können. Es geht<br />
also nicht um die bloße Vermittlung von naturwissenschaftlichen<br />
Fakten, sondern um den Aufbau<br />
von Interesse, um ein Verständnis erster elementarer<br />
naturwissenschaftlicher Methoden und Konzepte<br />
sowie des Wesens der Naturwissenschaften<br />
(nature of science) und deren kultureller und gesellschaftlicher<br />
Bedeutung (vgl. Marquardt-Mau<br />
2004; Möller 2002). Grundlegend ist also, inwieweit<br />
es gelingt, an dem Vorwissen und den jeweiligen<br />
Entwicklungsständen der Kinder anzuknüpfen,<br />
um sie auf dem Wege zum Verstehen der Welt begleiten<br />
zu können.<br />
Scientific literacy konkret<br />
An der Universität Bremen findet seit dem Wintersemester<br />
2005/06 eine an dem Konzept der scientific<br />
literacy orientierte gemeinsame Ausbildung von<br />
künftigen Erzieher/innen und Grundschullehrkräften<br />
statt. In zwei Laboren der besonderen Art,<br />
dem ELISA-Lab (ELISA = entdeckendes Lernen im<br />
Sachunterricht) und dem KIGA-Lab (Kindergarten<br />
Labor), lernen Studierende und Kinder gemeinsam.<br />
Die einen begeben sich auf Forschungsreisen<br />
in die Universität und entdecken Phänomene der<br />
belebten und unbelebten Natur. Die anderen begleiten<br />
die Kinder aus dem Kindergarten oder der<br />
Grundschule, entwickeln und erproben Spiel- und<br />
Experimentierangebote und machen konkrete Erfahrungen<br />
für ihre spätere berufliche Praxis. Dabei<br />
lernen die Studierenden, wie ein Verständnis erster<br />
elementarer naturwissenschaftlicher Methoden<br />
und Konzepte bei Kindern unterschiedlichen Al-<br />
7
8<br />
ters und mit jeweils unterschiedlichen Lernvoraussetzungen<br />
und Zugangsweisen angebahnt werden<br />
kann (vgl. Marquardt-Mau et al. 2009).<br />
In den von den Studierenden geplanten und erprobten<br />
Kursangeboten für Kindergarten- oder<br />
Grundschulkinder lernen sie, wichtige Bausteine<br />
des scientific-literacy-Konzeptes zu realisieren. Im<br />
Kurs Planetenglibber beispielsweise setzen sich<br />
die Grundschulkinder mit den besonderen Eigenschaften<br />
eines für sie unbekannten Stoffes auseinander<br />
und lernen gleichzeitig über die Fragestellung<br />
<strong>„Was</strong> bedeutet forschen?<strong>“</strong> zu reflektieren.<br />
Planetenglibber sieht grün aus, lässt sich für kurze<br />
Zeit in der Hand festhalten, bevor es zwischen<br />
den Fingern zerrinnt. In einer kurzen Einführung<br />
wird den Kindern als fiktiver Fundort dieses Stoffes<br />
(Maisstärke, Wasser, grüne Lebensmittelfarbe)<br />
ein Planet genannt. Die Kinder erhalten den Forschungsauftrag,<br />
die besonderen Eigenschaften<br />
dieses Stoffes herauszufinden. Für die Untersuchungen<br />
stehen ihnen verschiedene Alltagsmaterialien<br />
wie Sieb, Filter, Lupen und Schälchen zum<br />
Erhitzen von „Planetenglibber<strong>“</strong> zur Verfügung.<br />
Vor allen Dingen reizt es aber, diesen Stoff intensiv<br />
mit den Händen zu untersuchen. Den Abschluss<br />
bildet die Präsentation der Beobachtungen und<br />
die ersten Ergebnisse der Kinder auf einer „Forschungskonferenz<strong>“</strong>.<br />
Es geht darum, eine Diskussion<br />
über die besonderen Eigenschaften des Stoffes<br />
sowie eine Reflektion über ihre Arbeitsweisen zu<br />
entfachen. Ähnlich wie „echte<strong>“</strong> Forscher und Forscherinnen<br />
hatten die Kinder zu Beginn des Experiments<br />
eine Fragestellung, eine Vermutung, was<br />
bei dem jeweiligen Experiment geschehen könnte.<br />
Sie haben experimentiert, genau beobachtet, die<br />
Ergebnisse aufgeschrieben, in einem Team gearbei-<br />
tet und die ersten Ergebnisse auf einer Konferenz<br />
ausgetauscht und teilweise wieder neue Fragen für<br />
weitere Experimente entwickelt.<br />
Resümee<br />
In Zeiten gesellschaftlicher Umbruchs- und ökonomischer<br />
Krisensituationen gerät auch stets die Qualität<br />
der naturwissenschaftlichen Ausbildung in die<br />
Diskussion. Vieles aus der derzeitigen Diskussion<br />
lässt ein déjà-vu-Erleben aufkommen. Vorschulische<br />
Lernprogramme und Unterrichtskonzeptionen,<br />
insbesondere für die mathematische, naturwissenschaftliche<br />
Förderung, mit klar definierten<br />
Lernzielen und erwarteten outcomes waren die<br />
Folge einer Diskussion um einen Bildungsnotstand<br />
Anfang der 70er Jahre. Dank des Situationsansatzes<br />
und der Orientierung am offenen Unterricht sollten<br />
sie sehr bald wieder zur Bedeutungslosigkeit herabsinken.<br />
Anders als in den Siebzigern ist heute die<br />
Notwendigkeit frühkindlicher Bildung nicht mehr<br />
umstritten und entsprechende Maßnahmen stellen<br />
alle früheren Reformbemühungen in den Schatten:<br />
Bildungspläne für den Elementarbereich liegen in<br />
allen Bundesländern vor, Stiftungen wie z.B. die<br />
Robert Bosch- (2008) oder die Deutsche Telekom<br />
Stiftung investieren in Förderprogramme zur naturwissenschaftlichen<br />
Grundbildung.<br />
Bei Reformen gibt es stets auch Anzeichen dafür,<br />
dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.<br />
Manche Konzeptionen zur naturwissenschaftlichen<br />
Grundbildung in Förderprogrammen oder<br />
Bildungsplänen lassen leicht vergessen, dass der<br />
Elementarbereich ebenso wie der Primarbereich<br />
ein eigenständiger Bildungsbereich <strong>sind</strong>. Kindheit,<br />
als eigenständige Lebensphase, läuft Gefahr, aus<br />
dem Blick zu geraten. Ein vorverlegter Fachunterricht<br />
- nunmehr bereits in den Kindergarten - kann<br />
ebenso wenig Ziel sein, wie die starke Ausrichtung<br />
der naturwissenschaftlichen Bildung in Hinblick<br />
auf eine spätere Tätigkeit in einem naturwissenschaftlichen<br />
Beruf. Es geht vielmehr darum, Kindern<br />
eine individuelle Entfaltung auf dem Wege<br />
zum Verstehen der Welt zu ermöglichen und sie<br />
auch auf sinnvolle Ansprüche der Wirtschafts- und<br />
Arbeitswelt vorzubereiten.<br />
Naturwissenschaftsdidaktische Konzeptionen sollten<br />
ihren Blick auf die Kinder und fachliche bzw.<br />
domänenspezifische Perspektiven richten. Während<br />
die Orientierung am „Kind<strong>“</strong> den Blick auf ihr
Vorwissen und ihre möglichen Interessen und je<br />
eigenen Lerntempi richtet, bringen die fachlich akzentuierten<br />
Perspektiven die Anforderungen und<br />
Angebote der „Sache<strong>“</strong> ins Spiel. Beide Blickrichtungen<br />
<strong>sind</strong> notwendig: die „fachliche Brille<strong>“</strong> kann<br />
das Risiko verringern, dass sich die Spiel und Lernsituationen<br />
im Kindergarten oder in der Grundschule<br />
im Kreis von Alltagswissen und Banalitäten<br />
drehen, die „Brille für die Kinder<strong>“</strong> kann das Risiko<br />
minimieren, die Lernsituationen in Kindergarten<br />
und Schule zum Erlernen erfahrungsleerer Begriffe<br />
oder Merksätze verkommen zu lassen.<br />
Naturwissenschaftliche Bildung von Anfang an<br />
muss bei den Kindern also eine Verbindung herstellen<br />
von einer Welt der Magie und des Unvorhersehbaren<br />
zu einer Welt von Wissen und gemeinsamen<br />
Wegen des Wissenserwerbs.<br />
Literatur<br />
Beermann, I.; Heller, K. ; Kurt, A. & Menacher, P. (1992): Begabung<br />
und Geschlecht am Beispiel von Mathematik, Naturwissenschaft<br />
und Technik. Bern, Huber.<br />
Blaseio, B. (2009): Natur in den Bildungsplänen des Elementarbereichs.<br />
In: Giest, H.; Lauterbach, R.; Marquardt-Mau, B.<br />
(Hrsg.): Lernen und kindliche Entwicklung- Elementarbildung<br />
und Sachunterricht. Bad Heilbrunn, Klinkhardt.<br />
Fthenakis, G.W. (2008): Natur-Wissen schaffen.<br />
Hoffmann, L.; Häußler, P. & Peters-Haft, S. (1997): An den Interessen<br />
von Mädchen und Jungen orientierter Physikunterricht.<br />
Kiel: IPN.<br />
Giest, H.; Lauterbach, R.; Marquardt-Mau, B. (2009) (Hrsg.):<br />
Lernen und kindliche Entwicklung- Elementarbildung und<br />
Sachunterricht. Bad Heilbrunn, Klinkhardt.<br />
Koerber, S.& Sodian, B. (2007): Kognitive Entwicklung und Anfangsunterricht.<br />
In: Gläser, E. (Hrsg.): Sachunterricht im<br />
Anfangsunterricht. Schneider Verlag: Baltmannsweiler, S.<br />
63-79.<br />
Landwehr, B. (2002): Distanzen von Lehrkräften und Studierenden<br />
des Sachunterrichts zur Physik. Eine qualitativ empirische<br />
Studie. <strong>Berlin</strong>: Logos.<br />
Lück, G. (2003): Handbuch der naturwissenschaftlichen Bildung.<br />
Freiburg<br />
Lück, G. & Risch, B. (2007): Naturwissenschaftlicher Unterricht<br />
im Anfangsunterricht. In: Gläser, E. (Hrsg.): Sachunterricht<br />
im Anfangsunterricht. Schneider Verlag: Baltmannsweiler,<br />
S. 80-96.<br />
Marquardt-Mau, B. (2004): Ansätze zur Scientific literacy. Neue<br />
Wege für den Sachunterricht. In: Kaiser, A.& Pech, D.<br />
(Hrsg.): Basiswissen Sachunterricht. Bd. 2. Hohengehren:<br />
Schneider, S. 67-83.<br />
Marquardt-Mau, B.; Rohen-Bullerdiek, C. (2009) : Naturwissenschaften<br />
für Kinder in der Ausbildung von ErzieherInnen<br />
und Grundschullehrkräften an der Universität Bremen. In:<br />
Giest, H.; Lauterbach, R.; Marquardt-Mau, B. (Hrsg.): Lernen<br />
und kindliche Entwicklung- Elementarbildung und<br />
Sachunterricht. Bad Heilbrunn, Klinkhardt.<br />
Miklitz, I. (2007): Der Waldkindergarten. Dimensionen eines<br />
pädagogischen Ansatzes. <strong>Berlin</strong>, Cornelsen.<br />
Möller, K. (2002): Anspruchsvolles Lernen in der Grundschule-<br />
am Beispiel naturwissenschaftlich-technischer Inhalte. In:<br />
Pädagogische Rundschau 56, 4, S. 411-435.<br />
Prenzel, M.; Geiser, H.; Langeheine, R. & Lobemeier, K.<br />
(2003): Das naturwissenschaftliche Verständnis am Ende<br />
der Grundschule. In: Bos, W.; Lankes, E-M.; Prenzel, M.;<br />
Schwippert, K.; Walther, G.& Valtin, R. (Hrsg.): Erste Ergebnisse<br />
aus IGLU. Münster: Waxmann, S. 143-187.<br />
Robert Bosch Stiftung (Hrsg.) (2008): Frühpädagogik Studieren-<br />
ein Orientierungsrahmen für Hochschulen.<br />
Sherwood, E.; Williams, R. & Rockwell, R. (2001): Vom Sandkasten<br />
zum Experiment. Lichtenau. AOL.<br />
Strunk, U.; Lück, G. & Demuth, R. (1998): Der naturwissenschaftliche<br />
Sachunterricht in Lehrplänen, Unterrichtsmaterialien<br />
und Schulpraxis – Eine quantitative Analyse der<br />
Entwicklung in den letzten 25 Jahren. In: Zeitschrift für Didaktik<br />
der Naturwissenschaften. Jg. 4, Heft 1, S. 69-80.<br />
Wagenschein, M. (1990): Kinder auf dem Wege zur Physik.<br />
Weinheim<br />
9
0<br />
Entdeckendes Lernen – gestern und heute<br />
Dr. Karin Ernst, LIFE e.V.<br />
0<br />
„Children are people.<br />
They grow into tomorrow<br />
only as they live today.<strong>“</strong><br />
John Dewey<br />
Was ist Entdeckendes<br />
Lernen?<br />
Entdeckendes Lernen<br />
ist eine Konzeption von<br />
Unterricht, die auf For-<br />
Dr. Karin Ernst schungen zur kindlichen<br />
Entwicklung und zum<br />
Lernen zurückgreift, aber die praktische Realisierung<br />
im normalen Schulalltag in den Mittelpunkt<br />
stellt. Historisch gesehen ist Entdeckendes Lernen<br />
vor allem mit der Curriculum-Forschung im Bereich<br />
des naturwissenschaftlichen Lernens in englischsprachigen<br />
Ländern verbunden. Reformpädagogische<br />
Grundgedanken wie die vielen Spielarten<br />
kindorientierten und problembezogenen, aktiven<br />
Lernens <strong>sind</strong> darin wieder zu finden. Oft ist eine<br />
Betonung von Unterrichtsideen, die sich dem Spektrum<br />
des Entdeckenden Lernens zuordnen lassen,<br />
mit allgemeinen gesellschaftlichen Reformbewegungen<br />
verbunden.<br />
Entdeckendes Lernen ist keine „Pädagogik<strong>“</strong> mit<br />
einem festen Set von Materialien und Regeln und<br />
einer Leitfigur, wie z.B. die Montessori-Pädagogik,<br />
und keine abgeschlossene didaktische Theorie, die<br />
man in einem Handbuch einfach nachlesen und<br />
danach anwenden kann. Viele Forscher/innen,<br />
Entwickler/innen und Schulpraktiker/innen tragen<br />
zum besseren Verständnis und zur Weiterentwicklung<br />
bei. Und trotz der vielen Unterrichtsmaterialien,<br />
die das Wort „entdecken<strong>“</strong> im Titel tragen, ist<br />
Entdeckendes Lernen im <strong>eigentlich</strong>en Sinne nicht<br />
der pädagogische Mainstream oder gar in Deutschland<br />
verbreitet.<br />
Vom Namen her ist Entdeckendes Lernen die Übersetzung<br />
von „Discovery Learning<strong>“</strong>, einer Bezeichnung,<br />
die in den 1960er Jahren besonders in den<br />
USA (J. Bruner) verbreitet war. Vor allem dort wird<br />
jedoch seit den 1980er Jahren von „Inquiry based<br />
education<strong>“</strong> oder schlicht „Inquiry<strong>“</strong> gesprochen.<br />
Der Grund: „Discovery Learning<strong>“</strong> lege zu sehr<br />
nahe, dass etwas Neues entdeckt werde, „Inquiry<strong>“</strong><br />
hingegen beschreibe den Prozess des Herausfindens,<br />
1 In England oft „Enquiry<strong>“</strong><br />
der – besonders bei Kindern – eher ein Wiederentdecken<br />
und Weiterdenken vorhandener Erkenntnisse<br />
als die Entdeckung von etwas ganz Neuem<br />
sei. Im deutschsprachigen Raum gibt es keine neue<br />
Bezeichnung, was manchmal zu dem Schluss führt,<br />
Entdeckendes Lernen sei längst überholt.<br />
Das Verhältnis zur konstruktivistischen Pädagogik,<br />
die man als moderne Variante Entdeckenden<br />
Lernens begreifen könnte, ist verzwickt und kann<br />
hier, wie so vieles andere, nur angedeutet werden.<br />
Konstruktivistische Theorien lassen sich bereits<br />
in den frühen 1980er Jahren in wissenschaftlichen<br />
Studien zum kindorientierten, aktiven Lernen finden<br />
(z.B. in „Inquiry into Meaning<strong>“</strong> , einer großen<br />
Untersuchung zum Lesen lernen). Neuere Unterrichtstheorien<br />
und Praxisbeispiele, die sich auf den<br />
modernen Konstruktivismus berufen, erscheinen<br />
jedoch oft konstruiert und glatt, so als fehle ihnen<br />
die umfangreiche Erfahrung, die die Inquiry-orientierten<br />
Curricula aus der alltäglichen und differenzierten<br />
Auseinandersetzung mit tatsächlichen<br />
kindlichen Lernprozessen reflektieren. Auch bemühen<br />
sich seit den 1990er Jahren viele Vertreter/innen<br />
des Entdeckenden Lernen, ihr Verhältnis<br />
zum Konstruktivismus zu bestimmen, den sie als<br />
theoretischen Rahmen begrüßen, der die Vielfalt<br />
ihrer Denkansätze und die Differenziertheit ihrer<br />
Ergebnisse aber nicht wahrnimmt. 4<br />
Ein Blick in die Geschichte und in andere<br />
Länder<br />
Für mich beginnt Entdeckendes Lernen in England<br />
mit „Nuffield Junior Science<strong>“</strong> (1964-67), einem der<br />
ersten Curriculum-Projekte der Nuffield Foundation,<br />
das international großen Einfluss hatte und in<br />
Auszügen auch auf Deutsch erschienen ist .<br />
2 E. Chittenden, A. Bussis, M. Amarel, E. Klausner: Inquiry<br />
into Meaning. An Investigation of Learning to Read. Hillsdale<br />
1985<br />
3 z.B. Catherine T. Fosnot: Enquiring teachers, enquiring<br />
learners. A constructivist approach for teaching. New York/<br />
London 1989<br />
4 Relevante Artikel wurden in den 1990er Jahren vom<br />
„Institute for Inquiry<strong>“</strong> des Exploratoriums in San Francisco<br />
zusammengetragen:<br />
www.exploratorium.edu/IFI/resources/index.html<br />
www.nuffieldcurriculumcentre.org/go/minisite/<br />
OurHistory/Introduction.html<br />
6 vgl. E. Klewitz/H. Mitzkat (Hrsg.): Praxis des naturwissenschaftlichen<br />
Unterrichts. Protokolle aus den Klassen 1-6.<br />
Stuttgart 1979
In England, wie auch in anderen westlichen Ländern,<br />
hatte der „Sputnik-Schock<strong>“</strong> den Ruf nach<br />
einer besseren naturwissenschaftlichen Bildung<br />
laut werden lassen. Doch war dieses Ereignis nur<br />
der Anlass, um Reformideen deutlich zu machen,<br />
die aus der Kritik von Naturwissenschaftlern an<br />
der Art des schulischen Wissenserwerbs, genauso<br />
aber auch aus den veränderten Sozialisationsbedingungen<br />
in der Nachkriegszeit und der damit<br />
verbundenen Sorge um das Wohl armer Kinder<br />
und Kinder aus Einwandererfamilien erwuchsen.<br />
Hinzu kam ein stetig wachsendes Interesse an der<br />
Lehr- und Lernforschung. Die Nuffield Foundation<br />
setzte Ende der 1950er Jahre eine ganze Reihe von<br />
Projekten zur Entwicklung modernen Unterrichts<br />
in Gang, schwerpunktmäßig in Mathematik und<br />
Naturwissenschaften.<br />
In den Lehrerhandbüchern<br />
von Nuffield<br />
Junior Science finden<br />
wir Hinweise auf<br />
folgende Merkmale<br />
modernen Unterrichts,<br />
die sich später<br />
in anderen Projekten<br />
ebenfalls wiederfinden:<br />
� Die Kinder lernen<br />
aktiv durch Experimentieren,Ausprobieren,<br />
Herstellen.<br />
Sie arbeiten in kleinen<br />
Gruppen zur selben Zeit an unterschiedlichen<br />
Aktivitäten.<br />
� Die Lehrkräfte bemühen sich, den aktuellen<br />
Entwicklungstand der Kinder wahrzunehmen und<br />
sie individuell zu fördern. Sie orientieren sich dabei<br />
oft an der Entwicklungspsychologie von Jean<br />
Piaget, die in England früh rezipiert und mit eigenen<br />
Forschungen (Susan und Nathan Isaacs) verbunden<br />
wurde.<br />
� Die Klassenräume haben sich in Lernlandschaften<br />
mit verschiedenen Arbeitsecken verwandelt.<br />
Man findet Regale mit Materialien und<br />
Büchern, ein Wasserbecken mit Experimentiergeräten,<br />
möglicherweise Bausteine, Werkzeuge, Staffeleien.<br />
� Es wird in der Regel alltägliches Material verwandt<br />
und recycelt, nicht nur, um Geld zu sparen,<br />
sondern um eine Brücke vom Alltagsleben zur<br />
genaueren, wissenschaftlichen Untersuchung zu<br />
schlagen.<br />
� Die Unterrichtsplanung zeigt - und das werden<br />
wir als Muster später immer wieder finden - ein<br />
„Spider Web<strong>“</strong> ähnlich einer Mindmap, um deutlich<br />
zu machen, dass verschiedene Lernwege möglich<br />
<strong>sind</strong>, das Thema einen komplexen Zusammenhang<br />
bildet und in viele Richtung fortgeführt<br />
werden kann.<br />
Liest man die Unterrichtsprotokolle aus diesem<br />
Projekt, die zu diesem Zeitpunkt Ergebnis und Anleitung<br />
zugleich <strong>sind</strong>, dann erscheint es ganz natürlich,<br />
� dass dieses Lernen viel sinnvoller ist als das traditionelle<br />
� dass Lehrer/innen es aufgrund der Beispiele<br />
guter Praxis in ihrem eigenen Kontext realisieren<br />
können<br />
� dass sich Kinder<br />
darauf gerne einlassen<br />
und mehr und<br />
motivierter lernen<br />
als früher<br />
�<br />
dass es den Kindern,<br />
aber auch den<br />
gesellschaftlichen<br />
Erfordernissen entspricht.<br />
Zur selben Zeit setzt<br />
sich in England eine<br />
umfassende Reform<br />
der frühkindlichen<br />
Bildung (Infant<br />
School, 5-7-jährige)<br />
und der Grundschule durch, die im Plowden Report<br />
„Children and their Primary Schools<strong>“</strong>, 1967,<br />
umfassend dokumentiert wird. 7<br />
Charakteristisch für diesen Ansatz, der als „Informal<br />
Education<strong>“</strong> oder „Integrated Day<strong>“</strong> beschrieben<br />
wird, ist die Orientierung am individuellen<br />
Entwicklungsstand der Kinder, das Schaffen von<br />
Situationen aktiven Lernens, in dem die Kinder beobachtet<br />
und beraten werden können, die Rhythmisierung<br />
des Schultages anstelle der Aufteilung<br />
in feste Unterrichtsstunden und die Bereitschaft<br />
der Lehrkräfte, selbst weiter zu lernen und ihre Tätigkeit<br />
auch ein Stück weit als Alltagsforschung zu<br />
begreifen. 8<br />
7 vgl. Children and their Primary Schools. London: HMSO<br />
1976. Auszugsweise in Deutsch: Kinder, Schule, Elternhaus.<br />
Hrsg. v. H. Belser, P.-M.Roeder, H. Thomas. Frankfurt/M.,<br />
<strong>Berlin</strong>, München 1972<br />
8 Dieser Ansatz wird später in Projekten für „Enquiring<br />
Teachers<strong>“</strong> ausgebaut.<br />
11
Entdeckendes Lernen in seiner naturwissenschaftlichen<br />
Ausrichtung wird in diesem Setting zu<br />
einem Teilbereich aktiven Lernens - anders gesagt,<br />
auch Lesen und Schreiben lassen sich entdecken,<br />
Erkenntnisse aus entdeckenden Lernprozessen in<br />
freien Texten zum Ausdruck bringen.<br />
Die Pädagogische<br />
Reform beeinflusst<br />
den Schulbau und<br />
setzt sich in Raumplänen<br />
um („Open<br />
Plan School<strong>“</strong>), bei<br />
denen Klassen nicht<br />
mehr voneinander<br />
abgegrenzt <strong>sind</strong>,<br />
sondern sich als<br />
halboffene „Home<br />
Bases<strong>“</strong> um große,<br />
für alle zugängliche<br />
und in Aktivitätszonen<br />
gegliederte<br />
A r b e i t s b e r e i c h e<br />
gruppieren.<br />
Dies alles geschah unter den Alltagsbedingungen<br />
der öffentlichen Schule in Klassen, die in der Regel<br />
mehr als 30 Kinder hatten. Die Reformprogramme<br />
wurden besonders in Arbeitervierteln und in Gegenden<br />
mit vielen armen und Immigrantenfamilien<br />
umgesetzt. Zu den Zielen gehörte es auch, den<br />
Kindern Bedingungen gesunden Aufwachsens zu<br />
bieten, denn der gesundheitliche Zustand der Kinder<br />
aus den Sozialbau-Siedlungen erschien bedauerlich<br />
schlecht. Lichtdurchflutete Klassenräume<br />
und Arbeits- und Spielmöglichkeiten draußen in<br />
geschützten und teilweise überdachten Innenhöfen<br />
oder Terrassenflächen waren selbstverständlich. 9<br />
Entdeckendes und informelles Lernen waren staatlich<br />
gewollte Reformen, die zunächst mit Mitteln<br />
einer privaten Stiftung in Gang kamen, aber zunehmend<br />
auch aus anderen Quellen unterstützt<br />
wurden.<br />
Den Nuffield-Projekten folgten bis in die 1980er<br />
Jahre weitere Projekte, die weit über die Beschreibung<br />
von guten Praxisbeispielen hinausgingen,<br />
so das Curriculum „Science 5/13<strong>“</strong>, vielfältige Unterrichtsmaterialien,<br />
Lerneinheiten für die Lehrerausbildung,<br />
ein Fernstudienprogramm zur Fortbildung<br />
und wissenschaftliche Detailstudien.<br />
9 Zu den Bedingungen der englischen Grundschulreform<br />
vgl. ausführlich Lillian Weber: The English Infant School and<br />
Informal Education. Englewood Cliffs 1972, S. 62-137<br />
2<br />
In anderen englischsprachigen Ländern gab es parallele<br />
Entwicklungen. In den USA orientierte sich<br />
das Curriculum „Elementary Science Study<strong>“</strong> ebenfalls<br />
am fragenden, forschenden Lernen der Kinder<br />
einerseits, an den Anregungen, die man aus der Piagetschen<br />
Entwicklungspsychologie für die Schule<br />
gewinnen konnte, auf der anderen Seite. Durch<br />
Entwicklungshilfe-Programme wurden die Ansätze<br />
in das Afrika der nachkolonialen Zeit gebracht<br />
(„African Primary Science Program<strong>“</strong>).<br />
Obwohl besonders die Nuffield- und Science-<br />
5/13-Materialien zum Teil ins Deutsche übersetzt<br />
wurden und in Rahmenplan-Präambeln gerne<br />
vom Entdeckenden Lernen und der individuellen<br />
Förderung von Kindern die Rede war, wurde der<br />
grundlegende Ansatz des Entdeckenden Lernens<br />
in Deutschland kaum rezipiert. Mögliche Gründe<br />
dafür könnten sein:<br />
die Hinwendung zum einzelnen Kind im Lernprozess<br />
und das Anknüpfen an seinem beobachtbaren<br />
Entwicklungsstand widersprach den damals<br />
wirksamen Vorstellungen progressiver Erziehung,<br />
scheinbar aber auch der angestrebten Verwissenschaftlichung<br />
des Grundschulunterrichts 0 �<br />
,<br />
� die vorhandene Schul- und Unterrichtsstruktur<br />
und insbesondere die Vorstellungen der Lehrkräfte<br />
vom Lehren ließen sich nicht so schnell verändern<br />
,<br />
� es wurde nur selten erkannt, dass auch Lehrer/<br />
innen anders hätten lernen müssen,<br />
�<br />
die Sprachbarriere wirkte sich auf die differenzierte<br />
Rezeption hemmend aus.<br />
In Deutschland, gerade auch in <strong>Berlin</strong>, verbreitete<br />
sich die Idee des „Offenen Unterrichts<strong>“</strong>, wodurch<br />
die Schultage informeller strukturiert wurden und<br />
den Kindern mehr Wahlmöglichkeiten und individuellere<br />
Lernweisen zugebilligt wurden. Doch<br />
wurde die Idee des strukturierten „Lehrens<strong>“</strong> in<br />
Form von Wochenplänen, später auch Lernstationen<br />
weitgehend aufrecht erhalten.<br />
Die Leitideen des Entdeckenden Lernens wurden in<br />
der Lernwerkstatt an der TU <strong>Berlin</strong> aufgenommen<br />
und in engem Austausch mit Partnereinrichtungen<br />
in den USA und Kollegen/innen aus einigen deutschen<br />
Lernwerkstätten und aus anderen Ländern<br />
weiter entwickelt. Inzwischen werden sie auch<br />
durch den Verein „Entdeckendes Lernen e.V.<strong>“</strong> ge-<br />
0 Einige Hinweise finden sich in der Einleitung zur deutschen<br />
Fassung des Plowden Reports, S. 9ff.<br />
vgl. ein Beispiel in E. Klewitz / H. Mitzkat: Entdeckendes<br />
Lernen und Offener Unterricht. Braunschweig 1977, S. 229-240<br />
Informationen und eine Digitale Bibliothek auf der Website:<br />
www.entdeckendes-lernen.de
pflegt und in neue Arbeitszusammenhänge eingebracht.<br />
Seit den 1990er Jahren gibt es neue Curriculum-Projekte,<br />
die auf den inzwischen erarbeiteten Erkenntnissen<br />
der Lernforschung, vor allem auch zur Veränderung<br />
von Alltagsvorstellungen („Conceptual<br />
Change<strong>“</strong>) aufbauen, so „Nuffield Primary Science<strong>“</strong><br />
in England (SPACE-Project) und „Insights<strong>“</strong> in den<br />
USA .<br />
Anregungen aus der Lernforschung<br />
Welche Erkenntnisse aus der Lernforschung es inzwischen<br />
sinnvoll erscheinen lassen, Entdeckendes<br />
Lernen als ein zukunftsträchtiges Konzept von Unterricht<br />
neu in den Blick zu nehmen, habe ich an<br />
anderer Stelle ausführlicher dargestellt. 14 Hier nur<br />
eine kurze Skizze wesentlicher Aussagen:<br />
� Sinn des Lernens ist die Entwicklung und Veränderung<br />
von Konzepten (Denkstrukturen) in Auseinandersetzung<br />
mit der Umwelt. „Conceptual<br />
Change<strong>“</strong> findet im Leben immer wieder statt, da<br />
immer wieder neue Erfahrungen integriert werden<br />
müssen.<br />
� Anlass für Veränderungen in den Denkstrukturen<br />
<strong>sind</strong> „Irritationen<strong>“</strong>. Sie entstehen, wenn eine<br />
Erklärung, die man einmal für etwas gefunden hat,<br />
nicht mehr so richtig zu neuen Erfahrungen und<br />
Informationen passt. Deshalb muss eine Umorganisation<br />
im eigenen Denksystem stattfinden.<br />
� Konzeptentwicklung findet nur in authentischen<br />
Lernprozessen statt, d.h. Lernprozessen,<br />
die für den Menschen in seiner jeweiligen Situation<br />
Sinn machen und nötig <strong>sind</strong>. Hier gibt es eine<br />
Brücke zum „natürlichen Lernen<strong>“</strong>, das im Alltag<br />
jenseits der Schule stattfindet. Authentische Lernprozesse<br />
<strong>sind</strong> aber im organisierten Unterricht<br />
durchaus möglich.<br />
� Konzeptentwicklung enthält als Komponente<br />
immer auch eine Deutung der Welt. Diese ist persönlich,<br />
muss aber nicht auch richtig oder auch nur<br />
angemessen sein. Deshalb gibt es eine Verständigung<br />
über Deutungen in der sozialen Gruppe bzw.<br />
im größeren kulturellen Zusammenhang.<br />
Vgl. ausführlich zu diesen neuen Entwicklungen: Karin<br />
Ernst: Lernen mit Sinn und Verstand. www.entdeckendes-lernen.de/3biblio/theorie/Sinn.pdf<br />
14 vgl. ebda. Dort <strong>sind</strong> auch die Grafiken zu finden, die ich<br />
in der Präsentation gezeigt habe.<br />
� Konzepte beziehen sich auf Erkenntnisse. Informationen<br />
(Fakten) können an Konzepte angelagert<br />
werden und sie ausformen, ohne sie zu verändern.<br />
�<br />
Konzepte, die in einer bestimmten Situation<br />
entwickelt und gewonnen wurden (konkrete Operationen)<br />
können durch Transfer auf ähnliche Situationen<br />
übertragen werden. Hierdurch entstehen<br />
allmählich Abstraktionen.<br />
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass für<br />
den einzelnen Menschen in vielen Erkenntnisbereichen<br />
gleichzeitig Entwicklungsbedarf besteht.<br />
Deshalb können auch Irritationen zum Zwecke<br />
organisierten Lernens arrangiert werden, um die<br />
Konzeptentwicklung anzuregen – es kann Unterricht<br />
geplant werden. Die Entscheidung darüber,<br />
aus einer solchen Anregung aktiv etwas zu<br />
machen, liegt jedoch bei dem/der einzelnen Lernenden.<br />
Nicht immer liegt der dringendste Konzeptentwicklungsbedarf<br />
vielleicht gerade dort, wo<br />
die Provokation stattgefunden hat. Eigentlich sollte<br />
es dann dem/der Lernenden möglich sein, an etwas<br />
anderem zu arbeiten. Das macht herkömmliches<br />
Unterrichten, in dessen Mittelpunkt ein bestimmter<br />
Inhalt steht, nicht gerade einfach.<br />
Eine besondere Problematik entsteht dadurch, dass<br />
die Umorganisation von Deutungsmustern anstrengend<br />
und risikoreich ist, so dass es eine starke<br />
Tendenz gibt, an vorhandenen Mustern festzuhalten.<br />
Aus dieser Beobachtung und vielen darauf<br />
fußenden empirischen Studien ist die Forschung<br />
im Bereich der Veränderung von Konzepten („Conceptual<br />
Change<strong>“</strong>) entstanden.<br />
Bruce Watson und Richard Kopnicek illustrieren<br />
die Wirksamkeit vorhandener Konzepte und die<br />
Schwierigkeiten ihrer Veränderung eindrucksvoll<br />
am Beispiel einer Unterrichtssequenz zum Thema<br />
„Wärme<strong>“</strong> in einer 3. Klasse :<br />
Als eigene Erfahrungen brachten die Kinder in<br />
den Unterricht mit, dass sie sich, wenn es draußen<br />
kalt ist, „warm anziehen<strong>“</strong> müssen. Daraus<br />
schlossen sie, dass der Pullover, die Mütze<br />
oder die warme Decke die Wärmequelle sei.<br />
Die Lehrerin schlug ihnen vor, ihre Ideen zu überprüfen,<br />
statt sie ihnen auszureden. Die Kinder wickelten<br />
deshalb ein Thermometer in eine Mütze ein und<br />
vgl. B. Watson/R. Kopnicek: Unterricht für und durch<br />
‚conceptual change‘: Auseinandersetzung mit kindlichen<br />
Konzepten in Lernprozessen. In: Phi Delta Kappa, Mai 1990,<br />
Seite 680-684, www.entdeckendes-lernen.de/3biblio/theorie/<br />
conceptualchange.htm Über das Beispiel hinaus ist der Artikel<br />
insgesamt sehr lesenswert.<br />
13
sagten voraus, dass die Temperatur steigen würde.<br />
Leider war das nicht der Fall. Sie vermuteten, dass<br />
läge an den Löchern in der Mütze, durch die die<br />
Wärme wieder entweichen würde. Deshalb wickelten<br />
sie das Thermometer nicht nur in die Mütze, sondern<br />
auch in Schlafsäcke, Teppiche und vieles andere<br />
ein, von dem sie glaubten, es würde „wärmen<strong>“</strong>.<br />
Auch verlängerten sie die Zeit, warteten über das<br />
Wochenende oder eine ganze Woche lang. Trotzdem<br />
stieg auf keinem Thermometer die Temperatur an.<br />
Erst jetzt waren die meisten von ihnen bereit, dem<br />
Deutungsvorschlag der Lehrerin zu folgen, dass alles,<br />
was warm halte, die vorhandene Wärme daran<br />
hindere, zu entweichen, es also der eigene Körper sei,<br />
der die Wärme produziere.<br />
Das SPACE -Curriculum der Nuffield Foundation<br />
bietet leicht nachvollziehbare Beispiele, wie man<br />
Unterricht entwickeln kann, der Kinder dabei unterstützt,<br />
ihre Ideen in angemessene Erkenntnisse<br />
über die Welt zu verwandeln. Das „Insights<strong>“</strong>-Projekt<br />
in den USA ist einen ähnlichen Weg gegangen.<br />
Die Anregungen aus der Lernforschung möchte<br />
ich folgendermaßen zusammenfassen:<br />
� Lernen ist ein Akt der individuellen Konstruktion<br />
von Erkenntnis und Sinn<br />
� Lernen findet in konkreten - sozialen, kulturellen<br />
und materiellen - Kontexten statt<br />
� ein Teil des Lernens besteht im Aufbau von kognitiven<br />
Strukturen, an die aktuelles Wissen angelagert<br />
wird<br />
� diese Strukturen <strong>sind</strong> nur aktiv und durch Erfahrungen,<br />
Konflikte und Irritationen zu verändern<br />
� Lernende brauchen dabei oft Unterstützung,<br />
um mit den Unsicherheiten und Risiken, die in<br />
Science Processes and Concept Exploration Project, frühe<br />
1990er Jahre<br />
4<br />
einem wirklichen Lernprozess liegen, umgehen zu<br />
können.<br />
Was bedeutet das für Entdeckendes Lernen<br />
heute?<br />
Allgemeine Grundlagen<br />
Wer Entdeckendes Lernen noch nicht praktisch erfahren<br />
hat, neigt dazu, es mit Mythen zu umgeben.<br />
Oft gibt es die Vorstellung, dass „alles aus den Kindern<br />
selbst kommen<strong>“</strong> müsse. Wird ein Gespräch in<br />
der gesamten Lerngruppe beobachtet oder erklärt<br />
die Lehrerin oder der Lehrer etwas für alle, kommt<br />
Enttäuschung auf, der dann oft ein gewisses Gefühl<br />
der Befriedigung folgt: Es funktioniert eben<br />
doch nicht, der bisherige Unterricht ist letztlich erfolgreicher<br />
und realistischer, Entdeckendes Lernen<br />
etwas für die Projektwoche.<br />
Entdeckendes Lernen ist komplex und enthält viele<br />
verschiedene Elemente. Ich versuche, drei wichtige<br />
Merkmale herauszustellen, die den grundlegenden<br />
Unterschied zum traditionellen Unterricht ausmachen.<br />
1. Lernen ist keine Weitergabe von Wissen, sondern<br />
ein aktiver Prozess, den die Lernenden selbst<br />
gestalten müssen. Sie haben dabei die Möglichkeit,<br />
eigene Fragen und Sichtweisen zu thematisieren,<br />
sie dürfen in der Gruppe unterschiedliche Wege<br />
gehen und sie finden aktive und wertschätzende<br />
Unterstützung durch andere. Das wichtigste Merkmal<br />
der Lerntätigkeit ist der Dialog - mit Sachen<br />
und mit anderen Menschen.<br />
2. Ziel ist nicht so sehr die Aneignung von Informationen<br />
(„Faktenwissen<strong>“</strong>), sondern die Erarbeitung<br />
der begrifflichen Grundstruktur eines Lerngegenstandes.<br />
Dabei entstehen Deutungsmuster für Fakten<br />
und Erfahrungen, Erkenntnisse über die Welt.<br />
In jedem Erkenntnisprozess ist persönliche Bedeutung<br />
aufgehoben.<br />
3. Trotzdem lässt sich Unterricht planen. Er beginnt<br />
möglicherweise mit einer interessanten Ausgangsfrage,<br />
die dazu einlädt, eigene Vermutungen zu<br />
überprüfen. Die unterschiedlichsten Ideen und Erklärungsansätze<br />
können diskutiert und überprüft<br />
werden. Es ist normal, zunächst eine „falsche Vorstellung<strong>“</strong><br />
zu haben, sie wird ernst genommen, aber<br />
auch hinterfragt. Nicht immer kommen alle Ler-
nenden im abgesteckten zeitlichen Rahmen zu adäquaten<br />
Erkenntnissen. Die Lernbegleitung bleibt<br />
hier auf der Spur.<br />
Elemente im Prozess Entdeckenden Lernens<br />
Seit den ersten Unterrichtsprotokollen aus dem<br />
Nuffield Projekt <strong>sind</strong> Entdeckende Lernprozesse<br />
immer wieder beschrieben und genauer unter die<br />
Lupe genommen worden. Ich gebe im Folgenden<br />
einen Überblick über die einzelnen Stadien und<br />
ihre Bedeutung.<br />
Der Beginn<br />
Entdeckendes Lernen erfordert, wie jedes andere<br />
Lernen auch, einen Beginn, eine Einführung, eine<br />
Konzentration auf das Thema. In der Schule muss<br />
der Prozess in der Regel gestartet werden. Dazu<br />
gibt es eine Reihe von Möglichkeiten: ein einführendes<br />
Gespräch, einen Anregungstisch mit interessanten<br />
Materialien und Büchern oder auch eine<br />
herausfordernde Aufgabe, bei der die Lösung nicht<br />
gleich auf der Hand liegt.<br />
Erste Aktionen der Lernenden<br />
Die Lernenden nehmen Kontakt mit der Sache auf:<br />
durch eine Frage, die sie interessiert, wenn vielleicht<br />
auch nur vage, durch die gestellte Aufgabe,<br />
durch Stöbern im Material, durch eigene Erinnerungen.<br />
Sie wundern sich vielleicht über etwas an<br />
der Sache, <strong>sind</strong> irritiert, denken nach, usw.<br />
Nun <strong>sind</strong> sie aufgefordert, selbst einen Einstieg in<br />
das Thema zu finden. Dabei hilft ein individuelles<br />
oder gemeinsames Brainstorming oder ein Schreibgespräch,<br />
vielleicht auch die Erkundung des Anregungstisches,<br />
unterstützt durch ein begleitendes<br />
Gespräch.<br />
Die Wuselphase oder „Messing about...<strong>“</strong><br />
Um der Frage nachzugehen, der Herausforderung<br />
zu begegnen, ist in der Regel eine assoziative „Wuselphase<strong>“</strong><br />
(„Messing about<strong>“</strong> nach David Hawkins<br />
1970) nötig, in der alles Mögliche ausprobiert und<br />
wieder verworfen wird, Zugänge und Hypothesen<br />
getestet werden, Material erkundet wird. Diese<br />
Phase erfordert intensive, aber auch sensible und<br />
zurückhaltende Lernbegleitung. Manche Lernende<br />
müssen überhaupt erst in Kontakt mit dem Thema<br />
kommen, andere haben schnell eine zündende<br />
Idee, wieder andere beginnen mit etwas, aber lassen<br />
es liegen.<br />
Ziel der Wuselphase ist es, den Kontakt mit der Sache<br />
tragfähig zu machen und möglichst viele persönliche<br />
„Bremsen<strong>“</strong> auszuschalten. Manche Lernende<br />
machen in der neuen Lernsituation zuerst<br />
einmal etwas, das sie schon können, um sich besser<br />
zu verorten. Andere brauchen besonders viel<br />
Ermutigung, wieder andere eine erste konkrete<br />
Aufgabe, die ihnen überhaupt einen Zugang zum<br />
Thema ermöglicht.<br />
Die Wuselphase ist chaotisch, anstrengend, erfordert<br />
Geduld und Gespräche, Beobachtung, Unterstützung,<br />
Distanz, Ermutigung, usw. Sie führt im<br />
Idealfall zum „Passen<strong>“</strong> zwischen Lerngegenstand<br />
und Lernendem/r, verbindet mit dem, was man<br />
schon weiß oder denkt, und produziert Material,<br />
das sich zu ordnen lohnt. In der Wuselphase entsteht<br />
die „eigene Frage<strong>“</strong>.<br />
Die „eigene Frage<strong>“</strong><br />
Mindestens seit dem Nuffield Projekt ist die eigene<br />
Frage, die den Lernprozess antreibt, Ankerpunkt<br />
und Rätsel zugleich. Viele Dokumentationen von<br />
Lernprozessen zeigen ihre Kraft und Berechtigung<br />
17 . Ob Hubert Dyasi nun meinte, es sei „like<br />
falling in love with the question<strong>“</strong> oder Martin<br />
Wagenschein konstatiert, dass „die Sache trägt<strong>“</strong> -<br />
immer geht es um die Motivation, die von innen<br />
kommt und die oft einen Prozess hoher Konzentration<br />
und Einsicht in Zusammenhänge einleitet.<br />
Doch schafft die Suche nach der eigenen Frage<br />
auch Probleme:<br />
�<br />
Sie zeigt sich nicht immer sofort und klar.<br />
� Sie kann sich aus Irritationen, Unklarheiten und<br />
Handlungen heraus kristallisieren.<br />
� Sie verschwindet oft, wenn sie sich zu früh zeigen<br />
soll.<br />
�<br />
�<br />
Sie braucht Zeit, um überzeugend zu sein.<br />
Sie ist ein sehr unschulisches Konzept.<br />
17 Außer in den Unterrichtsbeispielen, die in den verschiedenen<br />
Curricula dokumentiert <strong>sind</strong>, <strong>sind</strong> eigene Fragen auch<br />
in den Dokumentationen der Lernwerkstatt-Fachtagung zu<br />
finden.<br />
Siehe www.entdeckendes-lernen.de/5verein/webshop.htm<br />
15
Deshalb gibt es gute Unterrichtsmaterialien wie<br />
die Kartei „Learning through Science<strong>“</strong>, die Fragen<br />
in den Raum stellen, an denen man mit seinen eigenen<br />
Vermutungen andocken kann, und die erste<br />
Wege aufzeigen, wie man diesen Fragen erfolgreich<br />
nachgehen kann.<br />
Re-Formulierung der eigenen Frage, Arbeitsplanung<br />
Nach der Wuselphase ist es möglich, die Frage neu<br />
und besser zu stellen bzw. die Aufgabe oder das<br />
Problem für sich zu strukturieren. Es kommt zur<br />
Planung eines geordneteren Vorgehens. Material<br />
und Werkzeuge werden bereit gelegt, evtl. auch<br />
erst besorgt. Die Anfangsidee oder Ausgangsfrage<br />
wird „kleiner<strong>“</strong> oder konkreter. Zeit und Raum werden<br />
in Betracht gezogen. Es wird klar, dass es um<br />
eine konkrete Untersuchung mit eigenen Mitteln<br />
und Methoden geht, nicht nur um das Zusammentragen<br />
von Informationen.<br />
Untersuchung, Experiment, Erkundung<br />
Die Methoden, mit denen nun gearbeitet wird,<br />
können sehr unterschiedlich sein, müssen aber<br />
natürlich zur Aufgabe passen. Es geht um „Originalbegegnung<strong>“</strong>.<br />
Nur dadurch entsteht ein Kontakt<br />
zwischen den bisherigen Vorstellungen der Lernenden<br />
über das Problem und neuen Erkenntnissen,<br />
die sie bei ihrer Untersuchung erwerben.<br />
Die Erkenntnisse anderer werden einbezogen. Das<br />
Lesen von Büchern kann aus vielen Gründen sinn-<br />
6<br />
voll sein, sollte aber nicht die einzige Auseinandersetzung<br />
mit dem Thema darstellen. Lesen hilft<br />
z.B., die Relevanz des Themas einzuordnen, eine<br />
geeignete Untersuchungsmethode zu finden, auf<br />
Fragen zu stoßen, die auch für andere offen <strong>sind</strong>,<br />
Grundinformationen oder weiterführende Informationen<br />
zu sammeln, die nicht selbst erkundet<br />
werden können.<br />
Reflexion und Lernbegleitung<br />
Zwischendurch ist es immer wieder wichtig, zu<br />
ordnen, was man herausgefunden hat, und über<br />
den eigenen Weg nachzudenken, denn in der Regel<br />
ist noch vieles unklar.<br />
Bei der Reflexion hilft die Lernbegleitung durch<br />
verschiedene Methoden:<br />
� Sie lässt sich die bisherigen Untersuchungen<br />
und Gedanken berichten. Das allein trägt oft zum<br />
Ordnen der Gedanken bei. Weiter hilft dabei das<br />
Nachfragen und spiegelnde Ordnen. "Du hast also<br />
zuerst... und dann... Und du wolltest..."<br />
� Wenn die Lernenden ratlos <strong>sind</strong>, kann die Begleitung<br />
einen Weg vorschlagen, der sich aus dem<br />
bisherigen ergibt. Sie kann aus ihrer größeren<br />
Sachkenntnis meist beurteilen, ob ein eingeschlagener<br />
Weg gänzlich in die Irre führt, oder ob vielleicht<br />
nur zu schnell Ergebnisse erwartet werden,<br />
und deshalb Frust aufgekommen ist.<br />
�<br />
Sie kann modellhaft ein Stück weiterarbeiten.<br />
�<br />
Sie kann einfach mithelfen, etwas halten, etwas<br />
suchen usw. und auf diese Weise ihre Unterstützung<br />
deutlich machen. Dabei entstehen oft informellere<br />
Gespräche auf gleicher Ebene, die der Reflexion<br />
und Problemlösung auf die Sprünge helfen.<br />
Die Reflexion sollte in Stichworten festgehalten<br />
werden. Bei der Reflexion sollten auch die Irrwege<br />
und falschen Vermutungen notiert werden,<br />
denn sie verweisen auf Anknüpfungspunkte in der<br />
bisherigen Konzeptstruktur, die nun neu sortiert<br />
werden muss. Später, wenn eine neue tragfähige<br />
Struktur entstanden ist, werden die Fehler oft vergessen,<br />
kommen aber vielleicht wieder hoch, wenn<br />
die neue Struktur durch etwas anderes angetastet<br />
wird. Bei der Reflexion helfen auch die Gruppengespräche<br />
und die informellen Kontakte untereinander.<br />
Reflexion findet öfter statt, sie ist keine einzelne,<br />
einmalig vorkommende Phase.
Dokumentation<br />
Durch die Dokumentation des Arbeits-, Lern- und<br />
Problemlösungsprozesses wird das konkrete Vorgehen<br />
noch einmal geordnet und ein Stück weit abstrahiert<br />
und in eine Symbolstruktur eingebunden.<br />
D.h. es wird aufgeschrieben, gezeichnet, fotografiert,<br />
um das Geschehen für andere nachvollziehbar<br />
zu machen. Dabei <strong>sind</strong> andere Fähigkeiten und<br />
Methoden nötig als beim Untersuchen. Manche<br />
Lernende blühen hierbei erst auf, weil sie mehr gestalterische<br />
als untersuchende Fähigkeiten haben.<br />
Präsentation<br />
Die Präsentation stellt das (vorläufige) Ende einer<br />
Projekteinheit dar. Es geht hierbei darum, dass andere<br />
das Lernen nachvollziehen können. Zeigen<br />
und Erläutern von Produkten, Versuchsgeräten<br />
und -aufbauten, Zwischenergebnissen usw. ist dabei<br />
interessant. Allerdings sollte die Präsentation<br />
auf das Publikum ausgerichtet sein und vorher gut<br />
strukturiert werden. Es <strong>sind</strong> wieder andere Fähigkeiten<br />
gefragt als beim Untersuchen und Dokumentieren:<br />
Vor einer größeren Gruppe reden, sich<br />
darstellen, illustrieren, spannend erzählen, klar erzählen,<br />
usw.<br />
Offene und neue Fragen<br />
Es bleiben auf jeden Fall offene Fragen und ungelöste<br />
Probleme übrig. Sie sollten benannt werden.<br />
Vielleicht <strong>sind</strong> sie Anknüpfungspunkt für andere?<br />
Außerdem bleibt oft nur das, was noch ungelöst<br />
ist, im Gedächtnis und führt zu neuen Untersuchungen.<br />
All dies macht Entdeckendes Lernen komplex, herausfordernd,<br />
wandlungsfähig, anstrengend, befriedigend,<br />
zukunftsträchtig.<br />
Aktuelle Chancen für Entdeckendes Lernen<br />
Seit 2005 gibt es neue Rahmenlehrpläne für die<br />
<strong>Berlin</strong>er Schulen, in denen der Wissenserwerb<br />
nicht mehr im Mittelpunkt steht, sondern in denen<br />
vielfältige Kompetenzen beschrieben werden, die<br />
es zu erwerben gilt. Erkenntnisse moderner Lerntheorien<br />
wurden aufgenommen, Chancen für eine<br />
andere Art der Unterrichtsgestaltung zeigen sich.<br />
Auch naturwissenschaftliches Lernen nimmt einen<br />
hohen Stellenwert ein. Das <strong>sind</strong> förderliche Bedingungen,<br />
um Entdeckendes Lernen endlich Praxis<br />
werden zu lassen.<br />
Das Projekt „eXplorarium<strong>“</strong> - www.explorarium.de<br />
- in dem eLearning mit moderner Pädagogik verbunden<br />
und im Schulalltag erprobt wird, zeigt, wie<br />
es gelingen kann.<br />
Literatur<br />
H. Belser u.a. (Hrsg.): Kinder, Schule, Elternhaus. Frankfurt/M.,<br />
<strong>Berlin</strong>, München 1972.<br />
E. Chittenden u.a.: Inquiry into Meaning. Hillsdale 1985<br />
K. Ernst: Lernen mit Sinn und Verstand. www.entdeckendeslernen.de/3biblio/theorie/Sinn.pdf<br />
C. T. Fosnot: Enquiring teachers, enquiring learners. New York/<br />
London 1989<br />
E. Klewitz / H. Mitzkat: Entdeckendes Lernen und Offener Unterricht.<br />
Braunschweig 1977<br />
E. Klewitz/H. Mitzkat (Hrsg.): Praxis des naturwissenschaftlichen<br />
Unterrichts. Stuttgart 1979<br />
B. Watson/R. Kopnicek: Unterricht für und durch ‚conceptual<br />
change‘. http://www.entdeckendes-lernen.de/3biblio/theorie/conceptualchange.htm<br />
L. Weber: The English Infant School and Informal Education.<br />
Englewood Cliffs 1972.<br />
http://www.exploratorium.edu/IFI/resources/index.html<br />
http://www.nuffieldcurriculumcentre.org/go/minisite/OurHistory/Introduction.html<br />
17
<strong>Sonnentaler</strong> — La main à la pâte - ein deutsch-französisches Projekt<br />
zum naturwissenschaftlichen Unterricht im Primarbereich<br />
Dr. Jenny Schlüpmann, Dr. Jens Thoms Törring, Freie Universität <strong>Berlin</strong>, Fachbereich<br />
Physik<br />
Seit fast einem Jahr ist � Bildung einer engeren<br />
die Internetplattform Gemeinschaft zwischen<br />
„<strong>Sonnentaler</strong><strong>“</strong> (www. Wissenschaftler/innen,<br />
sonnentaler.net), das Lehrenden und Schüler/<br />
deutschsprachige Pen- innen<br />
Dr. Jenny Schlüpmann<br />
dant zu La main à la pâte,<br />
nun online zu erreichen.<br />
Die in Frankreich sehr erfolgreiche<br />
Initiative erfreut<br />
sich auch im deutschsprachigen<br />
Raum einer wachsenden<br />
Beliebtheit und<br />
gibt Erzieher/innen und<br />
Lehrenden in Kindergar-<br />
� Hilfestellungen für<br />
Grundschullehrer/innen<br />
und Erzieher/innen<br />
� Heranführen junger<br />
Menschen an naturwissenschaftliche<br />
und technikorientierte<br />
Karrieren<br />
und<br />
Dr. Jens Thoms Törring<br />
ten und Schule bis Klasse 6 Hilfestellungen und<br />
Anregungen, um Naturwissenschaften didaktisch<br />
durchdacht und spannend zu unterrichten.<br />
� Überwindung von Sprach- und Kulturbarrieren<br />
durch das Beobachten von allgemein gültigen Phänomenen<br />
Die Ziele von „La main à la pâte<strong>“</strong><br />
La main à la pâte hat in Frankreich in den letzten<br />
zwölf Jahren sehr viel zur Förderung und Erneuerung<br />
des naturwissenschaftlichen Unterrichts im<br />
Primarbereich beigetragen. Bei La main à la pâte<br />
sollen die Kinder mit Hilfe einer aktiven Pädagogik,<br />
die das eigene Erkunden in den Vordergrund<br />
stellt, an die Naturwissenschaften herangeführt<br />
werden (engl. inquiry-based learning,<br />
franz. méthode d’investigation, dtsch.<br />
untersuchendes, entdeckendes oder<br />
forschendes Lernen). La main à la pâte<br />
wurde 1996 auf gemeinsame Initiative<br />
des Physiknobelpreisträgers Georges<br />
Charpak, der französischen Académie<br />
des sciences und des französischen<br />
Bildungsministeriums gegründet.<br />
Die wichtigsten Ziele von <strong>Sonnentaler</strong><br />
/ La main à la pâte <strong>sind</strong>:<br />
� Förderung und Erneuerung des<br />
naturwissenschaftlichen Unterrichts<br />
im Primarbereich<br />
� Entwicklung der sprachlichen<br />
Kompetenzen – sowohl mündlich als<br />
auch schriftlich<br />
� Erziehung der Kinder zu verantwortungsbewussten,<br />
logisch argumentierenden<br />
und kritischen Mitbürger/innen<br />
8<br />
Warum schreiben?<br />
Für sich<br />
aufschreiben,<br />
im Hinblick auf...<br />
Für andere<br />
aufschreiben, im<br />
Hinblick auf...<br />
� Kontinuität zwischen Kindergarten und Grundschule<br />
(Übergangsmanagement)<br />
Im Zusammenhang mit der Förderung der sprachlichen<br />
Kompetenzen spielt das Versuchsheft eine<br />
zentrale Rolle. In dieses Versuchsheft schreibt und<br />
zeichnet jedes Kind mit seinen eigenen Worten und<br />
kontinuierlich während seiner gesamten Grundschulzeit,<br />
seine Experimente auf: seine Überlegungen<br />
und Annahmen, seine Beobachtungen und<br />
Schlussfolgerungen.<br />
handeln<br />
speichern<br />
verstehen<br />
vermitteln<br />
ausfragen<br />
erklären<br />
zusammenfassen<br />
� eine Versuchsanordnung präzisieren<br />
� Ergebnisse und benötigtest Material antizipieren<br />
� planen<br />
Beobachtungen, Nachforschungen und<br />
Gelesenes festhalten<br />
auf vorangegangene Arbeiten zurückkommen<br />
Ergebnisse verfügbar machen<br />
(vgl. www.sonnentaler.net/dokumentation/paed/wie/grundschule/nawi-Schule.html)<br />
�<br />
�<br />
�<br />
� umorganisieren, sortieren, strukturieren<br />
� einen Zusammenhang zu früheren Niederschriften<br />
herstellen<br />
� gemeinsame Niederschriften neu formulieren<br />
� was man verstanden hat, eine Schlussfolgerung,<br />
eine Gesamtdarstellung<br />
� eine andere Klasse, eine/n Wissenschaftler/in<br />
� was man gemacht hat<br />
� was man verstanden hat<br />
� worauf man sich bezieht<br />
� hierarchisieren, Zusammenhänge bilden
Zu den Zielen von <strong>Sonnentaler</strong> / La main à la pâte<br />
und der Handhabung des Versuchsheftes finden<br />
Sie ausführliche Texte unter www.sonnentaler.net/<br />
dokumentation/paed/.<br />
Wie fange ich an?<br />
Wie leitet man das Experimentieren mit den Kindern<br />
ein? Wie kommt man zu einer Fragestellung,<br />
die durch ein Experiment beantwortet werden<br />
kann? Am Beispiel der Ausgangsfrage wird im Folgenden<br />
das pädagogische Konzept von La main à<br />
la pâte eingeführt.<br />
Die Ausgangsfrage sollte für die Kinder sinnvoll<br />
sein, aus ihrer Umgebung gegriffen sein, dem Alter<br />
der Kinder angemessen und vor allen Dingen<br />
breit genug gefasst sein, um mehrere Stunden darauf<br />
aufbauen zu können. Im Idealfall passt die Fragestellung<br />
zu den Lehrplänen oder fügt sich in ein<br />
Schulprojekt ein (z.B. Verschönerung des Schulhofes,<br />
Bau einer Wetterstation,...). Sie sollte erfolgversprechend<br />
sein, spielerisch und handlungsorientiert,<br />
sie sollte neugierig machen, zum Erkunden<br />
reizen, Freude am Entdecken wecken und entsprechend<br />
den Ressourcen vor Ort gewählt werden.<br />
Wichtig ist auch, dass die/der Lehrende den Anfangsvorstellungen<br />
der Kinder sorgfältig zuhört.<br />
Diese helfen ihr/ihm, die Argumentationslinien der<br />
Kinder besser zu verstehen und solche Fragen zu<br />
stellen, die die Aktivitäten in die „richtige<strong>“</strong> Richtung<br />
lenken. Zum Schluss kann sie/er auch besser<br />
überprüfen, ob die Kinder die eingeführten Konzepte<br />
und Begriffe verstanden haben.<br />
Die/der Lehrende wählt nach einer einführenden<br />
Diskussion eine fruchtbare Frage aus. Anschließend<br />
wird im Rahmen der gesamten Klasse besprochen,<br />
wie vorgegangen werden soll. Dabei ist<br />
es wichtig, auseinandergehende Ansichten einander<br />
gegenüberzustellen, damit sich die ganze Klasse<br />
das Problem zu eigen machen kann.<br />
Fruchtbare Fragen <strong>sind</strong> zum Beispiel: Welche Unterschiede/Ähnlichkeiten<br />
seht ihr zwischen diesen<br />
beiden Gegenständen/Situationen...? Warum ist es<br />
mehr/weniger als im vorherigen Experiment? Findet<br />
ihr einen Weg, um...? Was würde eurer Meinung<br />
nach passieren, wenn...? Wie könnten wir das<br />
machen, dass...? Wie könnt ihr erklären, dass...?<br />
Die Internetplattform www.sonnentaler.net<br />
Die Internetplattform www.sonnentaler.net unterstützt<br />
— wie das französische Original www.lamap.<br />
fr — Grundschullehrer/innen und Erzieher/innen<br />
bei der Durchführung naturwissenschaftlicher<br />
Aktivitäten. Die Übersetzung bzw. Übertragung<br />
aus dem Französischen ist inzwischen schon relativ<br />
weit gediehen. Neben den zahlreichen — nach<br />
Altersstufe sortierten — Unterrichtseinheiten und<br />
-modulen zu elf Themengebieten - Akustik, Astronomie,<br />
Biologie, Elektrizität, Energie, Humanbiologie,<br />
Materie und Stoffe, Mechanik, Messungen,<br />
Ökologie und Technologie - gibt es eine ausführliche<br />
Dokumentation für die Bereiche Astronomie,<br />
Biologie, Elektrizität und Humanbiologie sowie<br />
eine umfassende pädagogische Dokumentation<br />
mit zahlreichen Ratschlägen zur Implementierung<br />
der pädagogischen Methode.<br />
Die Internetplattform ist interaktiv, so dass Lehrende,<br />
Erzieher/innen und Schüler/innen Fragen<br />
stellen können, die in der Regel innerhalb von zwei<br />
bis drei Tagen von Experten/innen beantwortet<br />
werden. Die wichtigsten Beiträge finden Eingang<br />
in das Fragenarchiv. In nächster Zeit soll auf www.<br />
sonnentaler.net zudem ein Forum installiert werden,<br />
über das sich Lehrende und Erzieher/innen<br />
untereinander oder mit Wissenschaftler/innen und<br />
Pädagog/innen austauschen können. Auf der französischen<br />
Internetseite existiert solch ein Forum<br />
bereits.<br />
Besonders spannend <strong>sind</strong> die interdisziplinären<br />
Kooperationsprojekte, von denen zwei, „Auf den<br />
Spuren des Eratosthenes<strong>“</strong> und „Leben mit der Sonne<strong>“</strong>,<br />
bereits ins Deutsche übertragen wurden. Anfang<br />
2009 wird ein weiteres hinzukommen: „Das<br />
Klima, mein Planet und ich!<strong>“</strong>. Diese Projekte erstrecken<br />
sich über einen längeren Zeitraum (von<br />
einigen Wochen bis zu einem Jahr).<br />
Bei dem Projekt „Auf den Spuren des Eratosthenes<strong>“</strong><br />
kommen die Kinder, häufig auf spielerische<br />
Weise, mit zahlreichen Wissensgebieten in Berührung<br />
— von Geschichte und Erdkunde, über Astronomie<br />
und Physik bis zu Mathematik — und können<br />
sich dadurch vielfältige Kenntnisse aneignen<br />
(wovon viele Teil der Rahmenlehrpläne <strong>sind</strong>). Auf<br />
den Spuren des Eratosthenes messen die Schüler/<br />
innen den Umfang der Erde, genauso wie es vor<br />
über 2200 Jahren der griechische Naturforscher<br />
Eratosthenes bereits getan hat. Das Prinzip des<br />
Experiments lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen:<br />
Man stellt einen Stab senkrecht an ei-<br />
19
00<br />
nen von der Sonne beschienenen Ort auf und misst<br />
die Länge seines Schattens, und zwar genau dann,<br />
wenn die Sonne am höchsten steht. Anschließend<br />
bestimmt man den Winkel, den die Sonnenstrahlen<br />
mit der Senkrechten bilden und tauscht den herausgefundenen<br />
Wert für den Winkel mit einer auf<br />
einem anderen Breitengrad liegenden Partnerschule<br />
aus. Aus dem selbst gemessenen Wert und dem<br />
der Partnerschule kann man auf zeichnerischem<br />
Wege oder mittels des Dreisatzes den Erdumfang<br />
berechnen.<br />
Der Austausch mit einer (oder mehreren) Schule(n)<br />
im In- und/oder Ausland — über das Internet, per<br />
E-Mail — ist Voraussetzung, um zu einem Wert für<br />
den Erdumfang zu kommen.<br />
Auszug aus dem Unterrichtsmodul „Auf den<br />
Spuren des Eratosthenes<strong>“</strong><br />
vgl. www.sonnentaler.net/aktivitaeten/astronomie/himmelerde/eratos/<br />
Das Kooperationsprojekt „Leben mit der Sonne<strong>“</strong><br />
für Schüler/innen der 4. bis 6. Klasse ist seit August<br />
2008 online. Es verbindet Naturwissenschaften mit<br />
Gesundheitserziehung und fördert gleichzeitig das<br />
Verantwortungsbewusstsein der Kinder. Die Kinder<br />
werden im Laufe der einzelnen Unterrichtseinheiten<br />
über die Risiken starker, lang anhaltender<br />
Sonneneinstrahlung aufgeklärt und lernen vorbeugende<br />
Verhaltensweisen. Im Rahmen dieses Projektes<br />
kooperiert <strong>Sonnentaler</strong> mit dem Bundesamt<br />
für Strahlenschutz (BfS), der Arbeitsgemeinschaft<br />
für dermatologische Prävention (ADP) und den<br />
französischen Partnern La main à la pâte und der<br />
Association Sécurité Solaire. Unser gemeinsames Ziel<br />
ist es, bereits bei Kindern ein Bewusstsein für die<br />
Gefährdungen durch übermäßige Sonneneinstrahlung<br />
zu entwickeln.<br />
In vier Unterrichtseinheiten (insgesamt zehn Unterrichtsstunden)<br />
machen sich die Kinder mit den<br />
(positiven und negativen) Auswirkungen der Sonne<br />
auf die Gesundheit vertraut. Sie identifizieren<br />
die UV-Strahlen als Bestandteil des Sonnenlichts<br />
und untersuchen die Schwankungen der UV-Strahlung<br />
in Abhängigkeit von der Tageszeit, dem Ort,<br />
der Jahreszeit, dem Wetter usw. Die Kinder entdecken<br />
die verschiedenen Schutzmöglichkeiten<br />
für die Augen und die Haut, indem sie mehrere<br />
Methoden zum Schutz vor UV-Strahlung in verschiedenen<br />
Situationen testen. Zum Schluss wird<br />
ein Poster erstellt, eine Charta, ein Spiel entworfen<br />
oder ein Spruch kreiert, sodass die Kinder ihrerseits<br />
in ihren Familien und bei anderen Schulkindern<br />
Präventionsarbeit leisten können.<br />
Auszüge aus dem Unterrichtsmodul „Leben mit<br />
der Sonne”<br />
www.sonnentaler.net/aktivitaeten/humanbio/gesundheit/leben_mit_der_sonne
Was <strong>sind</strong> <strong>eigentlich</strong> <strong>Sonnentaler</strong>?<br />
Namensgeber unseres Projektes <strong>sind</strong> <strong>Sonnentaler</strong>,<br />
die runden oder elliptischen Lichtflecken, die man<br />
zum Beispiel auf dem Boden im Schatten eines<br />
Baumes sehen kann, wenn die Sonne durch kleine<br />
Öffnungen im Blätterdach scheint. Diese Flecken<br />
haben nicht die Form der Öffnungen zwischen<br />
den Blättern, sondern sie <strong>sind</strong> rund und tatsächlich<br />
nichts anderes als Abbilder der Sonne. Eine genauere<br />
Erklärung des Phänomens der <strong>Sonnentaler</strong><br />
finden Sie auf der Seite www.sonnentaler.net/info/<br />
was_<strong>sind</strong>_sonnentaler.html<br />
<strong>Sonnentaler</strong> <strong>sind</strong> ein ganz alltägliches Naturphänomen,<br />
das man aber nur dann bemerkt, wenn man<br />
seine Umgebung sorgfältig beobachtet ... ganz im<br />
Sinne von <strong>Sonnentaler</strong> / La main à la pâte.<br />
Startseite von www.sonnentaler.net<br />
Partner und Finanzierung<br />
Das Projekt wird finanziert durch die Freie Universität<br />
<strong>Berlin</strong>, die auch die Internetplattform beherbergt.<br />
In den letzten zwei Jahren wurden wir<br />
weiterhin durch das <strong>Bildungsnetz</strong> <strong>Berlin</strong>, LIFE<br />
e.V., finanziert, mit dem wir auch insbesondere im<br />
Rahmen der Fortbildungen eng kooperieren, und<br />
durch den Europäischen Sozialfonds. Die Schirmherrschaft<br />
des Projektes teilen sich die französische<br />
Académie des sciences, die <strong>Berlin</strong>-Brandenburgische<br />
Akademie der Wissenschaften und die Freie<br />
Universität <strong>Berlin</strong>.<br />
21
prima(r)forscher. Naturwissenschaftliches Lernen im Grundschulnetzwerk<br />
Andreas Knoke, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung<br />
Ute Krümmel, kobra.net<br />
Was ist<br />
prima(r)forscher?<br />
rer der prima(r)forscher-<br />
Grundschulen im Schuljahr<br />
2007/ 2008 damit<br />
begonnen, die materiellen<br />
und organisatorischen<br />
Voraussetzungen<br />
für forschendes Lernen<br />
zu schaffen und naturwissenschaftlicheBildungsangebote<br />
– z.B.<br />
Forscherwerkstätten,<br />
Experimentierecken,<br />
Wie können die Lust am<br />
Lernen und die Neugier<br />
von Kindern erhalten<br />
und das Zutrauen in<br />
ihre eigenen Fähigkeiten<br />
gestärkt werden? Wie<br />
lassen sich naturwissenschaftliche<br />
Phänomene<br />
Ute Krümmel<br />
anschaulich und kindgerecht<br />
vermitteln? Wie Arbeitsgemeinschaften Andreas Knoke<br />
gelingt es, forschendes oder fächerübergreifende<br />
und entdeckendes Lernen fest in den Schulalltag Forschungsprojekte – zu etablieren. Um voneinan-<br />
von Grundschulen zu integrieren? Diese Fragen der und miteinander zu lernen, tauschen sie sich<br />
bilden den Ausgangspunkt für prima(r)forscher, regelmäßig schulübergreifend in einem Qualitäts-<br />
eine Kooperation der Deutsche Telekom Stiftung netzwerk aus. Bei regionalen Netzwerktreffen – ein<br />
und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Mal im Jahr auch überregional – reflektieren die<br />
prima(r)forscher wurde als ein offenes Schulent- Lehrkräfte ihre Entwicklungsarbeit, erhalten kollewicklungsvorhaben<br />
konzipiert, durch das im engen giale Rückmeldungen, neue Anregungen und bil-<br />
Dialog mit unterschiedlichen Fachexperten und den sich gemeinsam fort. Innerhalb der Netzwerke<br />
Lehrkräften an zunächst zwölf Grundschulen neue werden zudem gegenseitige Unterstützungsange-<br />
(praxis-)wirksame Ansätze naturwissenschaftbote, Hospitationen oder Treffen zwischen einzellicher<br />
Bildung entwickelt und erprobt werden. nen Schulen verabredet, um Entwicklungsthemen<br />
Der Fokus liegt dabei nicht auf einer Vermittlung<br />
theoretischer Konzepte oder isolierter Unterrichtsmethoden,<br />
sondern bei der Frage, wie forschendesentdeckendes<br />
Lernen im Schullalltag erfolgreich<br />
umgesetzt und verankert werden kann.<br />
gemeinsam zu bearbeiten.<br />
Seit Herbst 2007 unterstützt prima(r)forscher jeweils<br />
vier ausgewählte Projekte in Baden-Württemberg,<br />
Nordrhein-Westfalen und Brandenburg,<br />
ihr naturwissenschaftliches Bildungsangebot zu<br />
profilieren und eine Lehr- und Lernkultur zu etablieren,<br />
bei der nicht fertige und abstrakte Modellvorstellungen<br />
von der Welt Ausgangspunkt für naturwissenschaftliches<br />
Lernen <strong>sind</strong>, sondern eigene<br />
Beobachtungen und Fragen aus der konkreten, erlebten<br />
Umwelt der Kinder. Von der Grundschule<br />
im sozialen Brennpunkt bis zur kleinen Dorfschule,<br />
von der Halbtagsschule ohne explizite Vorerfahrungen<br />
beim naturwissenschaftlichen Lernen bis<br />
zur Ganztagsschule in freier Trägerschaft bringen<br />
die Schulen sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen<br />
mit und haben sich jeweils mit konkreten<br />
Entwicklungsvorhaben für eine Teilnahme beworben.<br />
Unterstützt durch drei regionale Moderatorinnen<br />
und Fachexperten haben die Lehrerinnen und Leh-<br />
2<br />
Damit perspektivisch auch andere Grundschulen<br />
von den Erfahrungen und vom Wissen aus<br />
prima(r)forscher profitieren können und Anregungen<br />
bekommen, ihr naturwissenschaftliches<br />
Bildungsangebot zu verbessern, soll eine Praxistipp-,<br />
Material- und Methodensammlung entstehen.<br />
Um die Erkenntnisse zu überprüfen und in<br />
Modellwissen zu überführen, wird das Projekt<br />
darüber hinaus durch die Internationale Akademie<br />
für innovative Pädagogik, Psychologie und Ökonomie<br />
(INA gGmbH) an der Freien Universität extern<br />
evaluiert.<br />
Voraussichtlich im Sommer 2009 wird das<br />
prima(r)forscher-Netzwerk um ca. 24 weitere<br />
Grundschulen erweitert. Sie werden in Schulbündnissen<br />
von den jetzigen Pilotschulen bei ihrer<br />
Entwicklungsarbeit gecoacht und begleitet. Die<br />
Grundlage dafür bilden Qualitätskriterien, die im<br />
Schuljahr 2008/ 09 von den prima(r)forscher-Schulen<br />
gemeinsam entwickelt werden und ihnen bei<br />
der naturwissenschaftlichen Profilierung als Orientierung<br />
dienen.
prima(r)forscher – konkret. Erfahrungen aus<br />
Brandenburg<br />
Schon in der Bewerbungsphase waren die Schulen<br />
aufgefordert, für die Mitarbeit bei prima(r)forscher<br />
eine Steuer- bzw. Planungsgruppe zu bilden und<br />
Überlegungen zu ihrer Arbeitsweise anzustellen.<br />
Die besondere Aufmerksamkeit der Moderatorin<br />
gilt – neben Unterrichtshospitationen und der Begleitung<br />
von schulinternen Fortbildungen – der<br />
Zusammenarbeit mit dieser Gruppe.<br />
Die Mitglieder der Steuergruppen informieren die<br />
Kollegien, planen und schlagen Aktivitäten vor<br />
und <strong>sind</strong> vor allem selbst aktive „Vormacher/innen<strong>“</strong>.<br />
Die Zusammensetzung, das Selbstverständnis<br />
und die Arbeitsweisen der Steuergruppen <strong>sind</strong><br />
an den Schulen sehr unterschiedlich. Zwar <strong>sind</strong> in<br />
allen Steuergruppen Mitglieder der Schulleitungen<br />
vertreten, hinsichtlich der weiteren Akteure/innen<br />
spiegeln die Steuergruppen jedoch die jeweilige<br />
Schwerpunktsetzung der Brandenburger<br />
prima(r)forscher-Schulen wider.<br />
Zusammensetzung<br />
der Steuergruppe<br />
Lehrkräfte aus den Bereichen:<br />
Flexible Eingangsphase,Jahrgänge,<br />
AGs, Hort<br />
Lehrkräfte der Fächer:<br />
Sachunterricht,<br />
Naturwissenschaften,<br />
Mathematik, Deutsch,<br />
Musik ...<br />
an Schule beteiligte<br />
Akteure: Lehrkraft,<br />
Erzieherin, Elternvertreterin,<br />
Schüler<br />
Arbeitsschwerpunkt<br />
In allen organisatorischen<br />
Bereichen finden<br />
sich Aktivitäten<br />
im prima(r)forscher-<br />
Zusammenhang<br />
Fächerverbindende,<br />
fächerübergreifende<br />
Projekte werden bearbeitet<br />
Vertiefte, exemplarischeUnterrichtsentwicklung<br />
an einzelnen<br />
Themenkomplexen<br />
Zwischen den Planungsgruppen in den Schulen<br />
und der Moderatorin entwickelte sich im ersten<br />
Jahr der Zusammenarbeit ein stabiles Arbeitsbündnis.<br />
Dieses Arbeitsbündnis beruht auf der Offenheit<br />
der Schulen, einer großen Kooperationsbereitschaft<br />
und einer hohen Motivation, prima(r)forscher gemeinsam<br />
mit zu gestalten. Die Steuerungsinstrumente<br />
für die Profilierung der Schule, wie z.B. Zielvereinbarungen<br />
und Meilensteinpläne, wurden als<br />
unterstützende Elemente der Schul- und Unterrichtsentwicklung<br />
angenommen und eingesetzt,<br />
so dass smart-formulierte Ziele und Erfolg<strong>sind</strong>ikatoren<br />
vorliegen, die zu festgelegten Zeitpunkten<br />
bei Auswertungstreffen bilanziert und überprüft<br />
werden können.<br />
Die Ziele konzentrieren sich in drei Bereichen:<br />
� Gestaltung und Nutzung von Lernumgebungen:<br />
Forscherwerkstatt, Forscherecke<br />
� Erarbeitung von naturwissenschaftlichen Themenkomplexen:<br />
Kraft, Magnetismus, „Mein Körper<strong>“</strong><br />
� prima(r)forscher-Aktivitäten im weiteren Schulleben:<br />
Exkursionen, Elternabend, Schulfest<br />
An zwei prima(r)forscher-Schulen wurden im vergangenen<br />
Schuljahr naturwissenschaftliche Forscherwerkstätten<br />
eingerichtet. Die Entwicklung<br />
von Konzepten zur Nutzung, die Organisation<br />
und fachliche Einbindung stellten eine große Herausforderung<br />
dar, die in den Schulen nach wie vor<br />
auf der Tagesordnung stehen, denn noch werden<br />
die Räume eher unsystematisch von einigen Kolleginnen<br />
und Kollegen genutzt. An drei der vier<br />
Brandenburger Grundschulen gibt es zudem Forscherecken<br />
in den Klassenräumen und flexible Forscherwagen.<br />
Diese Angebote werden in den Phasen<br />
von Frei- und Stationenarbeit eingesetzt.<br />
Intensive Unterrichtsentwicklung findet bei der Bearbeitung<br />
von Themenkomplexen im Rahmen von<br />
Projektunterricht statt. Zum Beispiel wurde in einer<br />
Schule ein Projekt zum Thema „Kraft<strong>“</strong> in zwei<br />
Bereichen durchgeführt. In den Jahrgängen 4 und<br />
5 erarbeiteten die Schüler/innen im „Sachfach<strong>“</strong> Hebelgesetze<br />
und die Funktionsweise einfacher Maschinen<br />
problemorientiert mit Hilfe von Modellen<br />
unter freiem Himmel und im Klassenraum. Darüber<br />
hinaus wurde aber auch in einem jahrgangsübergreifenden<br />
Tanzprojekt das Phänomen „Kraft<strong>“</strong><br />
für die Schülerinnen und Schüler sinnlich erfahrbar<br />
und die Aufführung der Tanzperformance war<br />
ein Höhepunkt für die gesamte Schule.<br />
Ein anderes zentrales Entwicklungsprojekt des<br />
gesamten Kollegiums dieser Schule war die Projektarbeit<br />
zum Thema „Mein Körper<strong>“</strong> für die<br />
Jahrgänge 1 bis 5. Es entstand u.a. ein Modell des<br />
menschlichen Skeletts, das weitestgehend auf den<br />
Untersuchungen und Erkundungen der Kinder beruht.<br />
Wie an vielen anderen Schulen ist auch hier die<br />
Einbindung der Eltern in die schulischen Aktivitäten<br />
ein wichtiges Thema. Eine besonders originelle<br />
Idee wurde von einer Schule verwirklicht.<br />
23
Dort fand ein prima(r)forscher-Elternabend statt,<br />
für den die Eltern statt einer Einladung einen „Gutschein<strong>“</strong><br />
erhielten, durch den sie die Gelegenheit bekamen,<br />
sich selbst an vorbereiteten Stationen zum<br />
Forschen anregen zu lassen und abschließend über<br />
ihre Erfahrungen, Verunsicherungen, Irrwege und<br />
Erkenntnisse bei der Arbeit zu berichten.<br />
Die Netzwerkarbeit<br />
Wie entsteht ein Netzwerk? Die entscheidenden<br />
Aktivitäten zum Zusammenwachsen eines stabilen<br />
Netzwerkes <strong>sind</strong> regelmäßige Treffen. Bei der<br />
Konzeption der Netzwerktreffen wird ein besonderes<br />
Augenmerk darauf gelegt, dass Fachinput<br />
und Aktivitäten der Teilnehmer/innen aufeinander<br />
bezogen, in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander<br />
und von Treffen zu Treffen aufeinander<br />
aufbauend <strong>sind</strong>.<br />
Die prima(r)forscher-Netzwerkarbeit in Brandenburg<br />
verfolgte bisher die Schwerpunkte<br />
� Austausch, Voneinander-Lernen, Hospitationen,<br />
Feedback<br />
� gemeinsames Verständnis von forschend-entdeckendem<br />
Lernen entwickeln<br />
� Prozessqualität der Unterrichtsphasen forschend-entdeckenden<br />
Lernens in den Blick nehmen.<br />
Nach einem ersten Treffen, in dem das gegenseitige<br />
Kennenlernen im Mittelpunkt stand, war das<br />
zweite bereits ein intensives Arbeitstreffen, bei<br />
dem der Unterrichtsansatz, Lernen von den Fragen<br />
der Kinder her zu gestalten, ins Zentrum trat. Die<br />
folgenden Schwerpunkte wurden an zwei Tagen<br />
gemeinsam bearbeitet:<br />
� Erfahrungsaustausch über forschend-entdeckendes<br />
Lernen im (eigenen) Unterricht: Unterrichtsbeispiele<br />
� Begriffliche Klärung und Vertiefung der Konzepte<br />
von forschend-entdeckendem Lernen: Dr.<br />
Ansari: Das Denken der Kinder lehrt uns das Lehren<br />
� Unterrichtsentwicklung praktisch: Erste Entwürfe<br />
für Phasen forschend-entdeckenden Lernens<br />
�<br />
Qualitätszirkel und Prozessqualität<br />
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten zunächst<br />
in ihren Schulteams die Gelegenheit, konkrete<br />
Unterrichtsphasen zu planen und erhielten<br />
4<br />
dabei Unterstützung vom Referenten Dr. Salman<br />
Ansari, bevor sie in einen Austausch zwischen den<br />
Schulteams eintraten.<br />
Um die Qualitätskriterien für die Prozessebene in<br />
den Blick zu nehmen, bearbeiteten die Lehrkräfte<br />
zwei Fragestellungen:<br />
� Woran erkenne ich, dass die Schülerinnen und<br />
Schüler forschend-entdeckend lernen, dass die<br />
Lehrkraft das forschend-entdeckende Lernen befördert?<br />
� Was tun die Lehrkräfte, was tun die Schülerinnen<br />
und Schüler beim geglückten forschendentdeckenden<br />
Lernen?<br />
Lehrkraft Schüler<br />
.<br />
Ansatzpunkt aus der Erfahrungswelt<br />
Raum für selbstständiges<br />
Vorgehen lassen<br />
Individualität berücksichtigen<br />
Material anbieten, nicht<br />
vorgeben<br />
.<br />
unterstützt, gibt Impulse<br />
bei Stillstand, fordert Präsentation<br />
ein<br />
.<br />
lässt Tun und Produkt begründen<br />
.<br />
Fragen stellen, Neugier<br />
steigt<br />
Material/Medien nutzen<br />
Arbeit planen (Gewichtung<br />
der Schrittfolge erkennen)<br />
.<br />
aus Misserfolgen lernen,<br />
neue Wege suchen<br />
im Team arbeiten können<br />
(vom Ich zum Wir), Individualität<br />
akzeptieren und<br />
nutzen<br />
.<br />
erkennen Wichtigkeit der<br />
Versprachlichung und<br />
Verschriftlichung ihres<br />
Tuns<br />
entwickeln eigene Problemlösungsstrategien<br />
und wenden sie an<br />
Kinder Erkenntnis gewinnen:<br />
Es gibt Fragen, Probleme. Es gibt aber auch Lösungen.<br />
„Ich muss nur danach suchen.<strong>“</strong><br />
Lebensvorbereitung<br />
Als Fazit nach dem ersten Jahr der Arbeit im<br />
prima(r)forscher-Netzwerk kann formuliert werden,<br />
dass<br />
� zukünftige Unterrichtsentwicklung darauf zielen<br />
muss, das Verstehen naturwissenschaftlicher
Zusammenhänge und die Entwicklung von Kompetenzen<br />
zu fördern, und<br />
� dabei die Entwicklung von Aufgabenformaten<br />
und die Erarbeitung einer veränderten Lehrerrolle<br />
im Zentrum stehen.<br />
Herausforderungen und Lösungsansätze<br />
Zwei zentrale Herausforderungen, die sich im ersten<br />
prima(r)forscher-Jahr abgezeichnet haben, <strong>sind</strong><br />
der Transfer in die Kollegien und eine schrittweise<br />
Veränderung des Unterrichts.<br />
Transfer in die Kollegien: Eine der grundlegenden<br />
Fragen der Netzwerkarbeit ist, wie es gelingt,<br />
dass die gemeinsam erarbeiteten Positionen in<br />
den Schulen angekommen und wirksam werden.<br />
Dies ist bisher nur unzureichend gelungen. Während<br />
bei den Netzwerktreffen beispielsweise große<br />
Einigkeit darüber besteht, dass die Durchführung<br />
von Experimenten noch kein Verstehen naturwissenschaftlicher<br />
Zusammenhänge sicherstellt,<br />
wird der inhaltliche Diskurs in drei Brandenburger<br />
prima(r)forscher-Schulen doch noch wesentlich<br />
um die Organisation von Gelegenheiten zum<br />
Experimentieren geführt. Andere Beispiele <strong>sind</strong><br />
die Verständigung über die Entwicklung von befördernden<br />
Einstiegen und Aufgabenstellungen<br />
in forschendes Lernen oder eine gute, im Schüler-<br />
Lehrer-Dialog sich realisierende Lernwegsbegleitung,<br />
die bei den Treffen herausgearbeitet wurden,<br />
von den Steuergruppen in den Schulen aber noch<br />
nicht als eigene, schulintern zu bearbeitende Arbeitsfelder<br />
formuliert wurden.<br />
Wir wissen, dass Schulentwicklung Zeit braucht<br />
und dass die Lehrkräfte und auch die Mitglieder<br />
der Steuergruppen mit vielen Themen in ihrem<br />
schulischen Alltag beschäftigt <strong>sind</strong>, so dass im<br />
Netzwerk diskutierte und für richtig erkannte Positionen<br />
noch einen langen Weg in den Schul- und<br />
Unterrichtsalltag vor sich haben. Der Ergebnistransfer<br />
in die Schulen und die Kommunikation<br />
innerhalb der Schulen müssen daher weiterhin gut<br />
begleitet werden. Auch scheinen entsprechende<br />
externe und schulinterne Fortbildungen geeignet,<br />
die Wege in die Kollegien zu öffnen.<br />
Unterricht verändern: Eine besondere Herausforderung<br />
für die Moderatorin besteht darin, die Lehrkräfte<br />
bei der Unterrichtsentwicklung zu begleiten<br />
und zu unterstützen. Die Umgestaltung von Unterricht<br />
gelingt nicht von heute auf morgen, da sich<br />
eingeübte Handlungsmuster nur schrittweise ver-<br />
ändern lassen. Unterrichtsentwicklung trifft deshalb<br />
selbst in prinzipiell aufgeschlossenen, zu Innovationen<br />
bereiten Schulen auf subtile Widerstände,<br />
sobald es um die Reflektion der Lehrerrolle oder<br />
eingeschliffener Routinen und Überzeugungen<br />
geht, die der Gesamtpersönlichkeit zugehören.<br />
Eine Schule hat aus diesem Grund damit begonnen,<br />
in ihren Dienstbesprechungen an Stationen zu<br />
experimentieren, und damit eine innovative Form<br />
gefunden, um Kollegen/innen an naturwissenschaftliche<br />
Fragestellungen heran zu führen und<br />
die Anforderungen an forschendes Lernen wiederholt<br />
zu erleben.<br />
25
6<br />
Naturwissenschaftliches Lernen in Kita und Grundschule<br />
Podiumsdiskussion<br />
Podiumsgäste (v. l. n. r.):<br />
Renate Jakobs, Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut<br />
<strong>Berlin</strong>-Brandenburg<br />
Regine Schallenberg-Diekmann, Ina.Kinder.Garten.gGmbH<br />
Sascha Steuer, CDU, MdA<br />
Christian Lindenberg, Senatsverwaltung für Bildung,<br />
Wissenschaft und Forschung<br />
Anke Kuhlmann, Maria-Montessori-Schule<br />
Gabriele Mansfeld, Senatsverwaltung für Wirtschaft,<br />
Technologie und Frauen<br />
Moderation: Petra Schwarz (3. v. l.)<br />
Petra Schwarz (P.S.): Was sollte <strong>Berlin</strong> tun, um naturwissenschaftliches<br />
Lernen in Kita und Grundschule<br />
zu fördern, Lehrer/innen und Erzieher/innen<br />
zu unterstützen und die Zusammenarbeit der<br />
AkteurInnen zu verbessern? Diesen drei Fragen<br />
wollen wir hier nachgehen. Ich beginne mit Anke<br />
Kuhlmann, Lehrerin an der Maria-Montessori-<br />
Grundschule in <strong>Berlin</strong>-Tempelhof. Sie bilden auch<br />
Lehrer/innen in Sachunterricht und Deutsch für<br />
den vorfachlichen Unterricht aus.<br />
Anke Kuhlmann: Ich befinde mich an der Schnittstelle<br />
zwischen Schularbeit und Schulausbildung<br />
und finde, dieser naturwissenschaftliche Anteil des<br />
Sachunterrichts muss ein wesentlicher Bestandteil<br />
der Lehrer/innen-Ausbildung werden, und daran<br />
habe ich persönlich in den letzten drei Jahren kräftig<br />
gearbeitet. Wir haben viele naturwissenschaftliche<br />
Kleinstprojekte in unseren Fachseminaren<br />
gewinnbringend realisiert, haben außerschulische<br />
Lernorte aufgesucht. Wir haben Konzepte entwickelt<br />
und die Anwärter/innen haben sie ausprobiert<br />
und praktiziert. Und es gibt diese spannenden und<br />
faszinierenden Konzepte, wie wir sie heute gehört<br />
haben. Die schreien nach weiteren Fortbildungen,<br />
und zwar in dem Sinne, was Karin Ernst in ihrem<br />
Vortrag gesagt hat. Es sollten solche Fortbildungen<br />
sein, die an exemplarischen Themen eben dieses<br />
Learning-by-doing, diesen Workshop-Approach<br />
praktizieren.<br />
P.S.: Die Frage gebe ich gleich an den nächsten Gesprächspartner<br />
zu meiner Linken, Christian Lindenberg<br />
von der Senatsverwaltung für Bildung,<br />
Wissenschaft und Forschung, weiter, Sie waren<br />
selbst viele Jahre bis 1997 Lehrer.<br />
Christian Lindenberg: Ich bin immer noch Lehrer.<br />
Das verliert man nicht.<br />
P.S.: Sie <strong>sind</strong> seit 2003 in der Senatsverwaltung für<br />
Bildung, Wissenschaft und Forschung. Können<br />
Lehrer/innen wegkommen vom Erklären wollen?<br />
Christian Lindenberg: Dies wäre eine Fragestellung,<br />
die sie an jeden einzelnen Lehrer stellen<br />
müssten. Ich habe im Laufe des Vormittags gehört,<br />
dass es Ängste gibt, die von Kolleginnen und Kollegen<br />
entwickelt werden, wenn sie sich dem Fach<br />
NaWi zuwenden sollen. Da müsste man mal ran<br />
gehen. Aber das ist schwierig über eine Verwaltungsvorschrift<br />
oder Gesetzesvorlage.<br />
P.S.: Zentrale Kompetenzen entwickeln, weniger<br />
Erfüllung von Rahmenplänen. Lässt das das <strong>Berlin</strong>er<br />
Schulgesetz zu?<br />
Christian Lindenberg:<br />
Ja. Die Rahmenlehrpläne<br />
sagen ganz eindeutig, 0<br />
Prozent der Unterrichtszeit<br />
<strong>sind</strong> verpflichtend an<br />
den Plänen zu orientieren,<br />
40 Prozent der Unterrichtszeit<br />
<strong>sind</strong> in die<br />
individuelle Gestaltung<br />
der einzelnen Lehrerpersönlichkeit<br />
gestellt. Dieser<br />
Freiraum ist von den<br />
Lehrerpersönlichkeiten Christian Lindenberg<br />
akzeptiert, aufgegriffen<br />
und dafür genutzt worden. Es gibt den etwas älteren<br />
Kollegen, so wie ich auch, also Mitte 50 geboren,<br />
die haben noch Zeiten kennen gelernt, da<br />
gab es Unterrichtsfächer, die hießen Werken, oder
TNU. Die hatten überhaupt keine Probleme, mit<br />
NaWi umzugehen.<br />
P.S.: Frau Schallenberg-Diekmann ist Geschäftsführerin<br />
der Ina.Kinder.Garten gGmbH, ein gemeinnütziger<br />
Träger von Kindertageseinrichtungen in<br />
<strong>Berlin</strong>.<br />
Regine Schallenberg-<br />
Diekmann: Wir <strong>sind</strong> ein<br />
Träger, der als erste Kita<br />
in Deutschland die Plakette<br />
„Haus der kleinen<br />
Forscher<strong>“</strong> bekommen hat,<br />
und auch andere von unseren<br />
Kitas <strong>sind</strong> „Häuser<br />
der kleinen Forscher<strong>“</strong>. In<br />
fast jeder Kita steht eine<br />
Experimentierkiste. Es ist<br />
also ein großes Interes-<br />
R. Schallenberg-Diekmann se an diesen Aktivitäten.<br />
Wir sehen eher das Problem<br />
im Moment an einer anderen Stelle, dass wir<br />
eine Personalsituation haben, die gar nicht mehr<br />
erlaubt, die Mitarbeiter/innen zur Fortbildung zu<br />
schicken. Wir haben Elternbeschwerden, zu Recht,<br />
weil die Personalsituation so eng ist, dass wir kaum<br />
noch jemand zur Fortbildung schicken. Also da ist<br />
für uns das größere Problem.<br />
P.S.: Frau Mansfeld von der Senatsverwaltung für<br />
Wirtschaft, Technologie und Frauen - es muss was<br />
passieren, damit Mädels ran kommen an die Naturwissenschaften.<br />
All die Konzepte, die wir heute<br />
hier gehört haben, <strong>sind</strong> bestimmt dazu angetan.<br />
Aber wie schaffen wir das gesamtgesellschaftlich,<br />
Mädels mehr heran zu führen?<br />
Gabriele Mansfeld: Im Moment ist es so, dass die<br />
Grundvoraussetzungen <strong>eigentlich</strong> sehr gut <strong>sind</strong>.<br />
Bildung ist mehr im gesellschaftlichen Diskussionsprozess.<br />
Naturwissenschaft und Technik kommen<br />
vermehrt ins Gespräch. Im Rahmen der Vergleichsstudien<br />
werden die Ergebnisse geschlechterdifferenziert<br />
ausgewiesen. Wir hier in der Frauenabteilung<br />
<strong>sind</strong> ja schon seit Jahren dabei, Konzepte<br />
zu entwickeln, wie Mädchen und junge Frauen<br />
Wege beschreiten können in beruflicher Richtung,<br />
die technische und naturwissenschaftliche Berufe<br />
einbeziehen. Ich denke, Frau Eichelkraut hat das<br />
heute auf einen ganz guten Punkt gebracht, sie hat<br />
gesagt, in <strong>Berlin</strong> ist die Papierlage gut. Das würde<br />
ich auch so sehen. Sie haben es schon gesagt, in Bildungsprogrammen,<br />
in Kita-Bildungsprogrammen<br />
ist die naturwissenschaftliche und mathematische<br />
Grundbildung enthalten. Da wird Geschlecht als<br />
Differenzierungskriterium aufgeführt. Wir haben<br />
in den Grundschulen den naturwissenschaftlichen<br />
Unterricht auf vier Wochenstunden in der 5. und<br />
6. Klasse ausgeweitet. Wir haben im Schulgesetz<br />
auch Geschlecht als Kategorie, die berücksichtigt<br />
werden muss. Leider mangelt es noch an der Umsetzung.<br />
Geschlecht hat ja nicht nur was mit dem<br />
Genderbeauftragten zu tun, sondern das muss ja<br />
<strong>eigentlich</strong> in allen Bereichen mit gedacht werden.<br />
Das heißt, die Lehrkräfte, die Erzieher/innen müssen<br />
auch über ein gerüttelt Maß an Genderbewusstsein<br />
verfügen, um sensibel im einzelnen Unterricht<br />
damit umgehen zu können.<br />
Christian Lindenberg: Ich glaube, dass der<br />
Gendergedanke schon vielmehr Raum gegriffen<br />
hat, als viele Leute glauben. Und wenn Sie mit den<br />
Praktiker/innen vor Ort in den Schulen oder Kitas<br />
diskutieren, dann werden Sie merken, dass es<br />
schon vehemente Standpunkte zu der einen oder<br />
anderen Seite gibt.<br />
P.S.: Wir kommen zu Frau Jakobs vom Sozialpädagogischen<br />
Fortbildungsinstitut <strong>Berlin</strong>-Brandenburg.<br />
Frage: Muss es immer nur Fortbildung für<br />
Erzieher/innen sein?<br />
Renate Jakobs: Erzieher/innen<br />
und Lehrer/innen<br />
<strong>sind</strong> nicht dagegen,<br />
naturwissenschaftlich<br />
mit Kindern zu arbeiten,<br />
aber sie <strong>sind</strong> noch nicht<br />
sensibel genug. Es gibt<br />
viele Ansätze dazu. Was<br />
uns beschäftigt, ist die<br />
Nachhaltigkeit der Fortbildung.<br />
Wenn man von<br />
Fortbildung kommt, dann<br />
ist man meistens sehr euphorisch,<br />
dieser Flitter-<br />
Renate Jakobs<br />
wochen-Effekt, aber wie sieht es nach sechs oder<br />
acht Wochen aus. Wir versuchen Fortbildungsformate<br />
zu entwickeln, die die Nachhaltigkeit unterstützen<br />
können und die Erzieher/innen zu Lernbegleiter/innen<br />
machen. Das heißt, wir kommen<br />
immer wieder mit ihnen zusammen, reflektieren<br />
die Praxisaufgaben und das Rollenverständnis. Wir<br />
diskutieren, welche neuen Formate braucht es, um<br />
das umzusetzen? Welche didaktisch-methodischen<br />
Formen <strong>sind</strong> in der Umsetzung günstiger? Und -<br />
da kann ich mich nur Frau Diekmann anschließen<br />
– wir müssen dafür sorgen, dass Erzieher/innen<br />
die Zeit haben, Fortbildungen zu besuchen.<br />
27
8<br />
P.S.: Da kommen wir jetzt zu einem ganz großen<br />
Problem und ich wende mich an Herrn Steuer.<br />
Sascha Steuer ist Mitglied der CDU, Mitglied des<br />
Abgeordnetenhauses und bildungspolitischer<br />
Sprecher seiner Fraktion seit 2006. Und Sie <strong>sind</strong><br />
dabei, einen Masterplan Bildung in <strong>Berlin</strong> aufzustellen.<br />
Vielleicht können wir einiges von diesen<br />
Stichworten mal aufgreifen. Wie sieht der aus?<br />
Sascha Steuer: Die Frage<br />
rückt so ein bisschen aus<br />
dem Blickfeld, was machen<br />
wir mit den Schüler/<br />
innen, jenseits der Strukturdebatten?<br />
Deshalb finde<br />
ich, sollte ins Zentrum<br />
der Debatten die Unterrichtsqualität<br />
gehören.<br />
Der neue Schulinspektionsbericht<br />
kommt zu<br />
dem Ergebnis, <strong>eigentlich</strong><br />
Sascha Steuer<br />
haben alle Schulen Computer,<br />
<strong>sind</strong> gut ausgestattet,<br />
aber eingesetzt werden im Unterricht 12<br />
Prozent. Das ist ungefähr die Zahl. An dieser Fachtagung<br />
hier nehmen 60 Leute teil, 60 von mehreren<br />
tausend Lehrer/innen und Erziehe/innen in <strong>Berlin</strong>,<br />
also aus einer riesigen Größenordnung ein Miniausschnitt,<br />
der am Ende kaum dazu kommt, das<br />
umzusetzen. Das ist nicht in Ordnung.<br />
P.S.: Ist das mit den Lehrern so? Gehen die nicht<br />
zur Fortbildung, Herr Lindenberg?<br />
Christian Lindenberg: Wir haben in <strong>Berlin</strong> keine<br />
Verpflichtung für die Lehrer/innen ausgesprochen,<br />
Fortbildungen zu besuchen. Es wäre durchaus eine<br />
Überlegung wert, ob man nicht auch Schulen, die<br />
sich besonders um die Fortbildung ihres Kollegiums<br />
bemühen, mit entsprechender Wertschätzung<br />
ausstattet. Wir <strong>sind</strong> ja dabei, durch das Multiplikatorensystem<br />
dezentral die Fortbildung zu organisieren.<br />
Aber die Wertschätzung für die Fortbildung<br />
ist, glaube ich, eine Kultur, die sich in der Erzieher-<br />
und Lehrerschaft noch nicht richtig verbreitet hat.<br />
Regine Schallenberg-Diekmann: Auf die Erzieher/innen<br />
bezogen stimmt das nicht. Erzieher/innen<br />
in Deutschland gehören zu den fortbildungsfreudigsten<br />
Menschen. Das würde ich gerne hier<br />
mal festhalten. Ich würde da noch gerne etwas<br />
nachschieben. Warum fängt man nicht endlich an,<br />
mehr interdisziplinär zu arbeiten. Und was wir uns<br />
jetzt wünschen würden für den Kita-Bereich wäre<br />
in der Situation, wo demnächst schätzungsweise<br />
65 000 Erzieher/innen fehlen, darüber nachzuden-<br />
ken, die Regularien dafür zu lockern, wen man<br />
einstellen kann. Da würde ich mir beispielsweise<br />
auch wünschen, dass man da vielleicht naturwissenschaftlich<br />
vorgebildete Leute einstellen könnte.<br />
Anke Kuhlmann: Ich sage jetzt grundsätzlich mal<br />
ja. Aber auf der anderen Seite muss ich als Methodikerin<br />
und Didaktikerin auch ganz klar sagen,<br />
dass so eine methodisch-didaktische Grundausbildung<br />
wichtig ist. Deshalb können wir jetzt nicht<br />
sagen, wir gehen zurück in die Anfänge des 0.<br />
Jahrhunderts und nehmen quasi jemand von der<br />
Straße und gucken, damit er die Kinder in den<br />
Klassen bespaßt.<br />
Renate Jacobs: Was wir uns erlauben sollten, ist,<br />
beides zu denken. Die Erfahrung habe ich im Kita-<br />
Bereich und auch im Grundschulbereich gemacht,<br />
dass Lehrer/innen, Erzieher/innen es als sehr hilfreich<br />
empfinden, wenn Spezialisten/innen in die<br />
Kita kommen. Dass wir auch versuchen, Vernetzungen<br />
herzustellen. Vernetzungen, nicht nur mit<br />
Bildungsinstitutionen, sondern mit Kobra-Net, mit<br />
dem Exploratorium in Potsdam, wo beides verbunden<br />
wird. Das Leben ist vielfältig und wir sollten<br />
diese Vielfalt auch in die Institutionen Kita und<br />
Schule rein bringen.<br />
Anke Kuhlmann: Da<br />
stimme ich zu: Auf der<br />
einen Seite die feste Säule<br />
durch die Ausbildung,<br />
auf der anderen Seite,<br />
wie Sie sagen, Netzwerke<br />
knüpfen und Leute rein<br />
holen. Wir machen es im<br />
Deutschunterricht z.B.<br />
durch die Lesepaten/innen.<br />
Man könnte das auch<br />
weiter führen und sagen,<br />
wir bilden Leute als Lernpaten/innen<br />
aus.<br />
Anke Kuhlmann<br />
Christian Lindenberg: Expertise von außen, Unterstützung<br />
im Unterricht, ist völlig klar. Aber wir<br />
können die Profession von Lehrer/innen und Erzieher/innen<br />
nicht beliebig ersetzen durch irgendwelche<br />
Experten. Es muss ausgebildet, qualifiziert<br />
werden und dann können wir die Stellen besetzen.<br />
Anders ist die Lösung in meinen Augen nicht möglich.<br />
Regine Schallenberg-Diekmann: Ich glaube, wir<br />
<strong>sind</strong> da gar nicht auf unterschiedlicher Seite. Aber<br />
wir dürfen beispielsweise qualifizierte Leute nicht<br />
einstellen aus der Schweiz, aus Österreich und so
weiter. Da brauchen wir eine Lockerung, und wir<br />
brauchen kleine Schlupflöcher an verschiedenen<br />
Stellen, damit beispielsweise Menschen mit naturwissenschaftlicher<br />
Zusatzausbildung in die Kita<br />
kommen.<br />
P.S.: Mehr und anders miteinander kooperieren<br />
– das ist ja auch eine Fragestellung für diese Podiumsdiskussion,<br />
wie kann <strong>Berlin</strong> die Zusammenarbeit<br />
der Akteure/innen verbessern? Frau Mansfeld,<br />
haben sie eine Idee?<br />
Gabriele Mansfeld: Wir<br />
arbeiten ja schon seit<br />
2007 am gleichstellungspolitischenRahmenprogramm,<br />
das Erziehung,<br />
Bildung, Ausbildung,<br />
Beschäftigung, soziale<br />
Gerechtigkeit und Migration<br />
als Handlungsfelder<br />
hat. Und die einzelnen<br />
Verwaltungen <strong>sind</strong> jetzt<br />
aufgerufen, Masterpläne<br />
Gabriele Mansfeld zu erstellen. Also auch<br />
die Bildungsverwaltung<br />
ist aufgerufen, in Bezug auf das gleichstellungspolitische<br />
Rahmenprogramm sich zu überlegen, was<br />
für wichtige Ziele und Maßnahmen sie ergreifen<br />
wird. In dem Zusammenhang ist der Girls‘Day mit<br />
seiner naturwissenschaftlich-technischen Ausrichtung<br />
in der Berufsorientierung von unserer Seite<br />
mit verankert. Ich bin von Seiten der Senatsverwaltung<br />
für Wirtschaft, Technologie und Frauen<br />
für die Umsetzung des Girls‘Day im Land <strong>Berlin</strong><br />
zuständig. Da geht es um die Frage: Wie kriegen<br />
wir Mädchen und junge Frauen in diese Berufsfelder?<br />
Der Girls‘Day initiiert insgesamt einen Bewusstseinsprozess<br />
innerhalb unserer Gesellschaft.<br />
Die Mädchen haben von der 5. bis zur 10. Klasse jeweils<br />
einmal im Jahr die Gelegenheit, in solche Berufe<br />
rein zu schnuppern, unter Umständen Frauen<br />
zu erleben, die in diesen Bereichen arbeiten. Das<br />
muss natürlich vernetzt werden, mit der Erziehung<br />
im Kindergarten, mit der naturwissenschaftlichen<br />
Bildung in Schulen, und es muss weitergehen auch<br />
in der Hochschulbildung.<br />
Sascha Steuer: Überlegen Sie auch anders herum,<br />
wie man Jungen für Berufe wie Erzieher und<br />
Grundschulpädagogik begeistern kann?<br />
Gabriele Mansfeld: Wir haben die Forderung auch<br />
im Rahmen der Berufsorientierung mit gedacht,<br />
dass es mehr Jungen in erzieherische und pflege-<br />
rische Berufe ziehen soll. Wir denken es mit. Wir<br />
haben es auch mit formuliert.<br />
Anke Kuhlmann: Ein anderes Beispiel für gute<br />
Vernetzung und Umsetzung <strong>sind</strong> die TransKiGs.<br />
Ich habe vor gut einem Jahr eine erste Klasse gehabt<br />
in Kooperation mit einer Kollegin, die für den<br />
Bereich Mathematik zuständig war und die gleichzeitig<br />
Koordinatorin an unserer Schule für dieses<br />
Projekt TransKiGs ist. Wir wurden von Claudia<br />
Summ von LIFE e.V. angesprochen und haben zusammen<br />
eine Wasserforschungswerkstatt entwickelt<br />
und sie mit Kindern der ersten Klasse und aus<br />
den umliegenden Kitas in Tempelhof-Schöneberg<br />
durchgeführt. Solche Projekte <strong>sind</strong> machbar. Ich<br />
finde, wir sollten nicht von oben nach unten denken,<br />
sondern von unten nach oben. Dafür möchte<br />
ich Sie auch motivieren und Mut machen. Es gibt<br />
genügend Kooperationspartner/innen hier in dieser<br />
Stadt und professionelle Unterstützung für<br />
diejenigen, die nicht aus dieser naturwissenschaftlichen<br />
Ausbildung kommen.<br />
P.S.: Wir wollen damit unsere Schlussrunde eröffnen.<br />
Gabriele Mansfeld: Ich hoffe, dass wir es schaffen,<br />
den Geschlechterblick in die Bildung mit aufzunehmen<br />
und Konzepte sowohl für Jungen als auch<br />
für Mädchen zu entwickeln. Mit welchen Methoden<br />
gehen wir da dran und mit welcher Didaktik.<br />
Renate Jakobs: Ich werde bald ein längeres Curriculum<br />
zur Lernbegleiterin anbieten. Und wir werden<br />
nochmal die Frage „Mädchen und Jungen<strong>“</strong> mit<br />
rein nehmen.<br />
Christian Lindenberg: Ich möchte die praktischen<br />
Ansätze zwischen Kita und Schule weiter fördern.<br />
Regine Schallenberg-Diekmann: Wir werden uns<br />
weiterhin darum bemühen, mehr Männer in die<br />
Kitas zu kriegen. Wir <strong>sind</strong> ein Träger mit etwa drei<br />
Prozent männlicher Erzieher. Damit stehen wir im<br />
Vergleich sehr gut da, was erschreckend ist.<br />
Sascha Steuer: Ich denke, was in das Abgeordnetenhaus<br />
nochmal gehört, ist die Frage, welche<br />
Hemmnisse es gibt für Lehrer/innen und Erzieher/<br />
innen, an Fortbildungen teilzunehmen, und auf der<br />
anderen Seite, wie können wir dies verbindlicher<br />
machen, das würde ich gerne machen.<br />
P.S.: Ich darf mich herzlich bedanken.<br />
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0<br />
Kontaktadressen<br />
Rita Eichelkraut<br />
LIFE e.V.<br />
Dircksenstr. 47, 10178 <strong>Berlin</strong><br />
eichelkraut@life-online.de<br />
Prof. Dr. phil. Brunhilde Marquardt-Mau<br />
Universität Bremen, Fachbereich Erziehungs- und<br />
Bildungswissenschaften<br />
Bibliothekstraße GW 2, 28359 Bremen<br />
bmm@uni-bremen.de<br />
Dr. Karin Ernst<br />
LIFE e.V.<br />
Dircksenstr. 47, 10178 <strong>Berlin</strong><br />
ernst@life-online.de<br />
Dr. Jenny Schlüpmann<br />
Projekt <strong>Sonnentaler</strong>/La main à la pâte,<br />
Fachbereich Physik, Freie Universität <strong>Berlin</strong><br />
Arninmllee 14, 14195 <strong>Berlin</strong><br />
jenny@zedat.fu-berlin.de<br />
Dr. Jens Thoms Törring<br />
Projekt <strong>Sonnentaler</strong>/La main à la pâte,<br />
Fachbereich Physik, Freie Universität <strong>Berlin</strong><br />
Arnimallee 14, 14195 <strong>Berlin</strong><br />
jt@toerring.de<br />
Andreas Knoke<br />
Deutsche Kinder- und Jugendstiftung,<br />
Projekt prima(r)forscher<br />
Tempelhofer Ufer 11, 10963 <strong>Berlin</strong><br />
andreas.knoke@dkjs.de<br />
Ute Krümmel<br />
kobra.net<br />
Benzstr. 8-9, 14482 Potsdam<br />
kruemmel@kobranet.de<br />
Anke Kuhlmann<br />
Maria Montessori-Grundschule, <strong>Berlin</strong>-Tempelhof<br />
Friedrich-Wilhelm-Str. 72-74, 12103 <strong>Berlin</strong><br />
info@maria-montessori-grundschule.de<br />
Renate Jakobs<br />
Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut <strong>Berlin</strong>-<br />
Brandenburg (SFBB)<br />
Königstr. 36b, 14109 <strong>Berlin</strong><br />
renate.jakobs@sfbb.berlin-brandenburg.de<br />
0<br />
Gabriele Mansfeld<br />
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und<br />
Frauen<br />
Martin-Luther-Str. 105, 10825 <strong>Berlin</strong><br />
Gabriele.Mansfeld@senwtf.berlin.de<br />
Christian Lindenberg<br />
Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und<br />
Forschung<br />
Beuthstr. 6-8, 10117 <strong>Berlin</strong><br />
christian.lindenberg@senbwf.berlin.de<br />
Regine Schallenberg-Diekmann<br />
Ina.Kinder.Garten gGmbH<br />
Karl-Marx-Straße 71, 12043 <strong>Berlin</strong><br />
r.schallenberg@inakindergarten.de<br />
Sascha Steuer<br />
CDU-Fraktion, Abgeordnetenhaus von <strong>Berlin</strong><br />
Niederkirchnerstr. , 0 <strong>Berlin</strong><br />
steuer@cdu-fraktion.berlin.de<br />
Petra Schwarz<br />
Moderation<br />
Schwalbacher Str. 5, 12161 <strong>Berlin</strong><br />
petra.schwarz@berlin.de<br />
LIFE e.V.<br />
Dircksenstr. 47, 10178 <strong>Berlin</strong><br />
www.life-online.de<br />
wannseeFORUM<br />
Wannseeheim für Jugendarbeit<br />
Hohenzollernstr. 14, 14109 <strong>Berlin</strong><br />
www.wannseeforum.de
www.bildungsnetz-berlin.de