02.12.2012 Aufrufe

Zeitung der Clara schumann Musikschule - Margret von Conta

Zeitung der Clara schumann Musikschule - Margret von Conta

Zeitung der Clara schumann Musikschule - Margret von Conta

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

38<br />

In <strong>der</strong> Dorfschule<br />

(nach einer Zeichnung<br />

<strong>von</strong> Sun<strong>der</strong>mann,<br />

1863)<br />

Mit freundlicher Genehmigung<br />

des Bildarchivs<br />

Preußischer<br />

Kulturbesitz, Berlin<br />

Peter Haseley<br />

In <strong>der</strong> Dorfschule<br />

Brav ist dieses Bild nur auf den ersten Blick. Brav sind<br />

nur die zwei Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> ersten Reihe, die mit ihrer Haltung<br />

und dem konzentrierten Blick in ihr Lie<strong>der</strong>heft die<br />

Erwartung <strong>der</strong> Erwachsenen bei <strong>der</strong> Ergebnispräsentation ihres<br />

Musikunterrichts erfüllen. Schon in <strong>der</strong> zweiten Reihe fällt<br />

die lässige Haltung des Jungen als Gegensatz zum Anlass<br />

auf: Beine übereinan<strong>der</strong> geschlagen, an die Schulbank angelehnt,<br />

Hand in die Hosentasche gesteckt. Die Kin<strong>der</strong> in<br />

den hinteren Reihen sind offensichtlich an<strong>der</strong>weitig beschäftigt<br />

und singen gar nicht mit.<br />

Trotz <strong>der</strong> Vielzahl realistischer Details eines ärmlichen<br />

Schulraumes ist das Ereignis vom Künstler für die Betrachter<br />

wie auf einer Theaterbühne inszeniert und gewinnt mit<br />

<strong>der</strong> Platzierung <strong>der</strong> Darsteller an Spannung. Der dominierende,<br />

streng blickende Lehrer spielt gar nicht auf seiner<br />

Geige, er begleitet den Gesang <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> nicht, son<strong>der</strong>n<br />

setzt seinen Bogen als Takt- o<strong>der</strong> sogar Schlagstock ein. Sein<br />

langer Rock und Zylin<strong>der</strong> zeigen, dass <strong>der</strong> Schulrat links im<br />

Bilde in einer ganz an<strong>der</strong>en Welt zu Hause ist und nur selten<br />

zu Besuch in das Klassenzimmer kommt. Seine Haltung<br />

beim Lauschen des Gesangs, zurückgelehnt mit Schnupftabakdöschen<br />

in <strong>der</strong> Hand, mit halb geschlossenen Augen,<br />

verrät, dass er die Situation nicht wahrnimmt, in <strong>der</strong> er sich<br />

befindet. Was hier <strong>von</strong> einer Handvoll Kin<strong>der</strong>n vorgetragen<br />

wird, ist sicherlich kein Genuss für die Ohren. So blendet die<br />

verantwortliche Person die Mängel <strong>der</strong> Erziehung auf dem<br />

Lande einfach aus. Viel bequemer ist die Selbsteinbildung,<br />

eine friedlich singende Schulgemeinschaft in <strong>der</strong> dörflichen<br />

Idylle vorzufinden.<br />

Wir erleben in diesem Genrebild eine Alltagsszene aus<br />

<strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Schule vor mehr als 150 Jahren irgendwo in <strong>der</strong><br />

tiefen deutschen Provinz. Die Darstellung gibt eine Situation<br />

wie<strong>der</strong>, mit <strong>der</strong> sich alle Betrachter identifizieren<br />

können. Das Typische, das Allgemeine sollen wir hier<br />

wie<strong>der</strong>finden. Denn das Genrebild als Gattung <strong>der</strong> Kunst<br />

spricht das breite Publikum direkt an. Das Individuum im<br />

entscheidenden Augenblick einer schicksalsbestimmenden<br />

Krise zu porträtieren, wo Helden o<strong>der</strong> Märtyrer entstehen,<br />

ist hier nicht beabsichtigt.<br />

Der Künstler lenkt durch seine Inszenierung unsere Gedanken<br />

und führt uns das Missverhältnis <strong>von</strong> Anspruch und Wirklichkeit<br />

im damaligen Schulalltag vor unsere Augen. Zeitgenossen<br />

berichten, dass das, was hier dargestellt wird, das<br />

Lehren <strong>von</strong> vaterländischen o<strong>der</strong> religiösen Lie<strong>der</strong>n durch<br />

stumpfsinnigen Drill, ohne auf Qualität <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>stimmen<br />

zu achten, wegen ihrer erbaulichen Wirkung auf die<br />

Moral <strong>der</strong> jungen Menschen ihren Platz in <strong>der</strong> Schule hatte.<br />

Gleichwohl sollten durch das Singen das Atmen trainiert<br />

und die sittlichen Gefühle beim Kirchengesang gepflegt<br />

werden.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!