Zeitung der Clara schumann Musikschule - Margret von Conta
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In <strong>der</strong> Dorfschule<br />
(nach einer Zeichnung<br />
<strong>von</strong> Sun<strong>der</strong>mann,<br />
1863)<br />
Mit freundlicher Genehmigung<br />
des Bildarchivs<br />
Preußischer<br />
Kulturbesitz, Berlin<br />
Peter Haseley<br />
In <strong>der</strong> Dorfschule<br />
Brav ist dieses Bild nur auf den ersten Blick. Brav sind<br />
nur die zwei Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> ersten Reihe, die mit ihrer Haltung<br />
und dem konzentrierten Blick in ihr Lie<strong>der</strong>heft die<br />
Erwartung <strong>der</strong> Erwachsenen bei <strong>der</strong> Ergebnispräsentation ihres<br />
Musikunterrichts erfüllen. Schon in <strong>der</strong> zweiten Reihe fällt<br />
die lässige Haltung des Jungen als Gegensatz zum Anlass<br />
auf: Beine übereinan<strong>der</strong> geschlagen, an die Schulbank angelehnt,<br />
Hand in die Hosentasche gesteckt. Die Kin<strong>der</strong> in<br />
den hinteren Reihen sind offensichtlich an<strong>der</strong>weitig beschäftigt<br />
und singen gar nicht mit.<br />
Trotz <strong>der</strong> Vielzahl realistischer Details eines ärmlichen<br />
Schulraumes ist das Ereignis vom Künstler für die Betrachter<br />
wie auf einer Theaterbühne inszeniert und gewinnt mit<br />
<strong>der</strong> Platzierung <strong>der</strong> Darsteller an Spannung. Der dominierende,<br />
streng blickende Lehrer spielt gar nicht auf seiner<br />
Geige, er begleitet den Gesang <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> nicht, son<strong>der</strong>n<br />
setzt seinen Bogen als Takt- o<strong>der</strong> sogar Schlagstock ein. Sein<br />
langer Rock und Zylin<strong>der</strong> zeigen, dass <strong>der</strong> Schulrat links im<br />
Bilde in einer ganz an<strong>der</strong>en Welt zu Hause ist und nur selten<br />
zu Besuch in das Klassenzimmer kommt. Seine Haltung<br />
beim Lauschen des Gesangs, zurückgelehnt mit Schnupftabakdöschen<br />
in <strong>der</strong> Hand, mit halb geschlossenen Augen,<br />
verrät, dass er die Situation nicht wahrnimmt, in <strong>der</strong> er sich<br />
befindet. Was hier <strong>von</strong> einer Handvoll Kin<strong>der</strong>n vorgetragen<br />
wird, ist sicherlich kein Genuss für die Ohren. So blendet die<br />
verantwortliche Person die Mängel <strong>der</strong> Erziehung auf dem<br />
Lande einfach aus. Viel bequemer ist die Selbsteinbildung,<br />
eine friedlich singende Schulgemeinschaft in <strong>der</strong> dörflichen<br />
Idylle vorzufinden.<br />
Wir erleben in diesem Genrebild eine Alltagsszene aus<br />
<strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Schule vor mehr als 150 Jahren irgendwo in <strong>der</strong><br />
tiefen deutschen Provinz. Die Darstellung gibt eine Situation<br />
wie<strong>der</strong>, mit <strong>der</strong> sich alle Betrachter identifizieren<br />
können. Das Typische, das Allgemeine sollen wir hier<br />
wie<strong>der</strong>finden. Denn das Genrebild als Gattung <strong>der</strong> Kunst<br />
spricht das breite Publikum direkt an. Das Individuum im<br />
entscheidenden Augenblick einer schicksalsbestimmenden<br />
Krise zu porträtieren, wo Helden o<strong>der</strong> Märtyrer entstehen,<br />
ist hier nicht beabsichtigt.<br />
Der Künstler lenkt durch seine Inszenierung unsere Gedanken<br />
und führt uns das Missverhältnis <strong>von</strong> Anspruch und Wirklichkeit<br />
im damaligen Schulalltag vor unsere Augen. Zeitgenossen<br />
berichten, dass das, was hier dargestellt wird, das<br />
Lehren <strong>von</strong> vaterländischen o<strong>der</strong> religiösen Lie<strong>der</strong>n durch<br />
stumpfsinnigen Drill, ohne auf Qualität <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>stimmen<br />
zu achten, wegen ihrer erbaulichen Wirkung auf die<br />
Moral <strong>der</strong> jungen Menschen ihren Platz in <strong>der</strong> Schule hatte.<br />
Gleichwohl sollten durch das Singen das Atmen trainiert<br />
und die sittlichen Gefühle beim Kirchengesang gepflegt<br />
werden.