Small Number – Big Impact Schweizer Einwanderung in ... - NZZ Libro
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<strong>Small</strong><br />
<strong>Number</strong><br />
<strong>–</strong> <strong>Big</strong><br />
<strong>Impact</strong><br />
<strong>Schweizer</strong> <strong>E<strong>in</strong>wanderung</strong> <strong>in</strong> die USA<br />
Verlag Neue Zürcher Zeitung<br />
Herausgeber Vere<strong>in</strong> Migrationsmuseum Schweiz. Bruno Abegg und Barbara Lüthi<br />
Mit Beiträgen von<br />
Bruno Abegg, Bernard R. Bachmann, Mathias Braschler, Thomas Buomberger,<br />
Tiberio Cardu, Bänz Friedli, Grafilu, Erika Hebeisen, Anne Hoffmann,<br />
Annelise Leuenberger, Marius Leutenegger, Barbara Lüthi, Stephan Lütolf,<br />
Guido Magnaguagno, Roland Müller, Walter Niederberger,<br />
Barbara Rettenmund, He<strong>in</strong>er Ritzmann, Jacques Sandoz, Leo Schelbert,<br />
Jürg Schneider, Urs Widmer.
11 Vorwort. Samir und Markus Hodel<br />
13 Begleitwort. Bundesrät<strong>in</strong> Michel<strong>in</strong>e Calmy-Rey<br />
E<strong>in</strong>leitung<br />
17 Geschichten, die Geschichte schrieben. Barbara Lüthi<br />
Biografien<br />
29 Glaube und Tradition. Jakob Amman. Leo Schelbert<br />
35 Wunsch und Wirklichkeit. Christoph von Graffenried (1661−1743). Annelise Leuenberger<br />
41 Geld und Diplomatie. Albert Gallat<strong>in</strong> (1761<strong>–</strong>1849). Thomas Buomberger<br />
47 Aufstieg und Fall. Johann August Sutter (1803<strong>–</strong>1880). Bernard R. Bachmann<br />
53 Sozialismus und Utopie. Andreas Dietsch (1807<strong>–</strong>1845). Jürg Schneider<br />
59 Diskrim<strong>in</strong>ierung und Durchbruch. Guggenheim & Co. Barbara Rettenmund<br />
65 Käse und Konkurs. Niklaus Gerber (1836<strong>–</strong>1903). Bruno Abegg<br />
71 Forschung und Leidenschaft. Adolph F. Bandelier (1840<strong>–</strong>1914). Jürg Schneider<br />
77 Tempo und Technik. Louis Chevrolet (1878<strong>–</strong>1941). Stephan Lütolf<br />
85 Brücken und Visionen. Othmar H. Ammann (1879<strong>–</strong>1965). Urs Widmer<br />
91 Hartnäckigkeit und Hawaii-Gitarren. Adolph Rickenbacher (1887<strong>–</strong>1976). Bänz Friedli<br />
99 Natur und Unabhängigkeit. Mari Sandoz (1896<strong>–</strong>1966). Jacques Sandoz<br />
107 Wissenschaft und Weitsicht. Fritz Zwicky (1898<strong>–</strong>1974). Roland Müller<br />
113 Blockhütten und Politik. Yule Kilcher (1913<strong>–</strong>1998). Jürg Schneider<br />
119 Ambivalenz und Sehnsucht. Robert Frank (*1924). Guido Magnaguagno<br />
125 Tod und Tabu. Elisabeth Kübler-Ross (1926<strong>–</strong>2004). Erika Hebeisen<br />
133 Blues und Befremden. Walter L<strong>in</strong>iger (*1949). Bänz Friedli<br />
139 Davos und Hollywood. Marc Forster (*1969). Barbara Rettenmund<br />
145 E<strong>in</strong>e bittersüsse Schweiz. Walter Niederberger<br />
151 Amerika, Amerika! <strong>Schweizer</strong> Auswanderung <strong>in</strong> die Vere<strong>in</strong>igten Staaten. He<strong>in</strong>er Ritzmann<br />
163 Kurzbiografien. Bruno Abegg<br />
Insert. Ben Roethlisberger, Jewel Kilcher, Bello Nock, Renée Zellweger, Steve Ballmer<br />
Anhang<br />
169 Weiterführende Literatur<br />
170 Adressen / L<strong>in</strong>ks<br />
171 Mitwirkende<br />
172 Bildnachweis<br />
Inhaltsverzeichnis
Begleitwort<br />
«Let us be united, as two sister republics», schrieb Jean-Rodolphe Valltravers, e<strong>in</strong> Bieler Gelehrter,<br />
im April 1778 se<strong>in</strong>em Brieffreund Benjam<strong>in</strong> Frankl<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e schwesterliche Bande zwischen der Schweiz<br />
und den Ver e<strong>in</strong>igten Staaten von Amerika liess sich seither nicht nur <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samen konstitutionellen<br />
Elementen der amerikanischen Verfassung von 1787 und der schweizerischen Bundesverfassung<br />
von 1848 ausmachen. E<strong>in</strong>e weitere Parallele zwischen der Schweiz und den USA ist der Umstand,<br />
dass beide Länder stark mit ihrer Migrationsgeschichte gewachsen s<strong>in</strong>d.<br />
Die Schweiz liegt im Herzen Europas und entwickelte sich im Laufe der Zeit vom losen Staatenbund h<strong>in</strong><br />
zu e<strong>in</strong>er multikulturellen föderalistischen Geme<strong>in</strong>schaft. Von den Kelten über die Römer bis zu den<br />
Österreichern und Franzosen, alle h<strong>in</strong>terliessen sie ihre kulturellen und demografischen Spuren.<br />
Heute beherbergt die Schweiz e<strong>in</strong>en Anteil von 21 Prozent Ausländer<strong>in</strong>nen und Ausländern. Zählen wir<br />
auch Mischehen, zweite und dritte Immigrantengenerationen dazu, hat fast die Hälfte der <strong>Schweizer</strong><br />
Bevölkerung e<strong>in</strong>en persönlichen Migrationsh<strong>in</strong>tergrund. Noch weit mehr s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong> Amerika.<br />
Seit dem frühen 18. Jahrhundert haben auch tausende unserer Bürger die Reise über den Atlantik<br />
angetreten, um <strong>in</strong> Amerika ihr Glück zu f<strong>in</strong>den; teils angespornt durch Neugierde, die Hoffnung auf<br />
e<strong>in</strong>e bessere Zukunft oder gezwungen durch die damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse <strong>in</strong> der<br />
Schweiz. Wir können stolz darauf se<strong>in</strong>, was Persönlichkeiten wie Albert Gallat<strong>in</strong>, Johann August<br />
Sutter oder Louis Chevrolet <strong>in</strong> der neuen Welt geleistet haben. Die neueste Geschichte zeigt zudem<br />
am Beispiel von Ben Roethlisberger, zu welchen Höhenflügen <strong>Schweizer</strong> Wurzeln verhelfen können<br />
... Er ist der jüngste Quarterback aller Zeiten, der dieses Jahr zu sammen mit se<strong>in</strong>em Team, den<br />
Pittsburgh Steelers, die Superbowl gewonnen hat!<br />
Im Gegenzug haben wir vieles unseren E<strong>in</strong>wanderern zu verdanken, die e<strong>in</strong>en enormen Beitrag zum<br />
Aufbau der modernen Schweiz geleistet haben. So waren es e<strong>in</strong> Engländer und e<strong>in</strong> Deutscher, die<br />
zusammen die Brown Boveri, die heutige ABB, gründeten, e<strong>in</strong> Franzose eröffnete die Chemiefabrik<br />
Ciba, und e<strong>in</strong> Deutscher gründete den Weltkonzern Nestlé. Die Liste liesse sich beliebig verlängern.<br />
Und doch hat bis heute e<strong>in</strong>e Kultur die Schweiz geprägt wie kaum e<strong>in</strong>e andere: Elvis Presley, Mickymaus<br />
und George Clooney s<strong>in</strong>d uns genauso geläufig wie Hamburger, Hotdog, Google und Starbucks.<br />
Der sprichwörtliche «American Way of Life» ist präsenter denn je.<br />
13
14<br />
Der Vere<strong>in</strong> Migrationsmuseum Schweiz organisiert zusammen mit den Partnern Präsenz Schweiz<br />
und dem <strong>Schweizer</strong>ischen Landesmuseum e<strong>in</strong>e Ausstellung zur <strong>Schweizer</strong> <strong>E<strong>in</strong>wanderung</strong> <strong>in</strong> die USA.<br />
«<strong>Small</strong> <strong>Number</strong> <strong>–</strong> <strong>Big</strong> <strong>Impact</strong>» wird während dreier Monate im New Yorker Ellis Island Museum gezeigt<br />
und anlässlich der diesjährigen Bundesfeier eröffnet. Dass diese Ausstellung im Rahmen des<br />
Projektes «swiss roots» stattf<strong>in</strong>det, kommt nicht von ungefähr. Ist doch die Vision von «swiss roots»,<br />
Amerikaner<strong>in</strong>nen und Amerikaner mit <strong>Schweizer</strong> Wurzeln mit dem Land ihrer Vorfahren zu verb<strong>in</strong>den<br />
und den Dialog zwischen zwei sich fremden und doch verwandten Kulturen zu fördern. Als Partner<br />
von «swiss roots» will der Vere<strong>in</strong> Migrationsmuseum Schweiz mit diesem Buch die Wahrnehmung<br />
dafür schärfen, <strong>in</strong> welchem Mass <strong>E<strong>in</strong>wanderung</strong>sländer durch den Zustrom von Immigranten profitieren<br />
können.<br />
In diesem S<strong>in</strong>ne begrüsse und unterstütze ich die Idee von «swiss roots» und damit auch die Ausstellung<br />
im renommierten <strong>E<strong>in</strong>wanderung</strong>smuseum auf Ellis Island. Ich freue mich, wenn möglichst viele<br />
Amerikaner<strong>in</strong>nen und Amerikaner mit und natürlich auch ohne <strong>Schweizer</strong> Wurzeln die Möglichkeit<br />
wahrnehmen, e<strong>in</strong> Stück ihrer Migrationsgeschichte kennen zu lernen.<br />
Bundesrät<strong>in</strong> Michel<strong>in</strong>e Calmy-Rey<br />
Vorsteher<strong>in</strong> des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten
Tempo und Technik<br />
Louis Chevrolet (1878<strong>–</strong>1941)<br />
Stephan Lütolf<br />
Alles begann mit e<strong>in</strong>er Autopanne. Diese Panne, die sich im Frühjahr 1896 oder 1897 ereignet hatte, war der<br />
Auslöser für die Auswanderung und den Aufstieg von Louis Chevrolet, so erzählt es die Legende. In dieser<br />
Zeit war der junge Chevrolet als Hilfsarbeiter bei e<strong>in</strong>em Velomechaniker <strong>in</strong> Beaune im Burgund tätig. E<strong>in</strong><br />
reicher Amerikaner, der mit e<strong>in</strong>em der ersten Autos unterwegs war, soll <strong>in</strong> der Gegend durch e<strong>in</strong>e Panne gestoppt<br />
worden se<strong>in</strong>. Nur dem herbeigerufenen Louis Chevrolet gelang es, den Motor zu reparieren. Zur Belohnung<br />
bekam er neben e<strong>in</strong>em Tr<strong>in</strong>kgeld auch die Visitenkarte des Amerikaners mit der Empfehlung, <strong>in</strong><br />
die USA zu kommen. Dort könne man Mechaniker wie ihn gut gebrauchen. Der Amerikaner soll e<strong>in</strong> Nachkomme<br />
von Cornelius Vanderbilt gewesen se<strong>in</strong>, der mit Eisenbahnen und Schiffen e<strong>in</strong> riesiges Vermögen<br />
gemacht hatte.<br />
Von den vielen Legenden über Louis Chevrolet komme diese der Wahrheit am nächsten, ist Jacques Chevalley,<br />
Verfasser e<strong>in</strong>er Biografie über Chevrolet, überzeugt. Drei E<strong>in</strong>wohner aus Beaune bestätigten, dass der junge<br />
Chevrolet den Wagen e<strong>in</strong>es Gastes repariert hatte. Dass dieser aus den USA stammte, dafür gibt es ke<strong>in</strong>e<br />
H<strong>in</strong>weise. Chevalley glaubt, dass die Geschichte um Vanderbilt erst nach der Auswanderung von Chevrolet <strong>in</strong><br />
die USA der Legende h<strong>in</strong>zugefügt wurde. Sicher ist, dass der erste Anblick e<strong>in</strong>es Autos Ende des 19. Jahrhunderts<br />
beim jungen Louis Chevrolet e<strong>in</strong>e grosse Leidenschaft für das neue Transportmittel geweckt hatte.<br />
Vom Jura <strong>in</strong> den Burgund<br />
Louis-Joseph Chevrolet kam am 25. Dezember 1878 <strong>in</strong> La Chaux-de-Fonds als zweiter Sohn des armen Uhrmachers<br />
Joseph Félicien Chevrolet zur Welt. Vater und Mutter, Marie-Anne Angél<strong>in</strong>e, geborene Mahon, stammten<br />
aus dem heutigen Kanton Jura. Dort, <strong>in</strong> Bonfol und Beurnevés<strong>in</strong>, verbrachte Louis Chevrolet se<strong>in</strong>e ersten<br />
Lebensjahre. Die Familie wuchs <strong>in</strong> dieser Zeit auf fünf K<strong>in</strong>der an, die Armut wurde dadurch nicht kle<strong>in</strong>er.<br />
E<strong>in</strong>e Krise <strong>in</strong> der Uhren<strong>in</strong>dustrie war wahrsche<strong>in</strong>lich der Auslöser, dass die Familie Chevrolet im April 1887<br />
nach Frankreich auswanderte. Warum sie ihr Glück gerade im burgundischen Städtchen Beaune versuchte,<br />
bleibt unklar. Vater Joseph Félicien eröffnete e<strong>in</strong>e Uhrmacherei, die mittlerweile neunköpfige Familie lebte<br />
aber auch <strong>in</strong> Frankreich <strong>in</strong> Armut. Die K<strong>in</strong>der wurden bereits mit elf Jahren aus der Schule genommen, um<br />
zum Unterhalt der Familie beitragen zu können. Louis war ab etwa 1889 <strong>in</strong> der mechanischen Werkstätte<br />
Robl<strong>in</strong> <strong>in</strong> Beaune tätig. An se<strong>in</strong>em ersten Arbeitsort wurde se<strong>in</strong>e Begeisterung für Motoren geweckt.<br />
Nach Aussagen von C.W. Van Ranst, e<strong>in</strong>em Mitarbeiter und Freund des Autopioniers, soll Chevrolet erstmals<br />
um 1893 e<strong>in</strong>en Motor <strong>in</strong> den Händen gehalten haben: Der 14-Jährige brachte e<strong>in</strong> motorisiertes Dreirad se<strong>in</strong>es<br />
Arbeitgebers wieder zum Laufen. Bei Robl<strong>in</strong>, der auch Velos verkaufte, entdeckte Chevrolet se<strong>in</strong>e Leidenschaft<br />
für Wettkämpfe. Ab 1895 nahm er mit Erfolg an regionalen Velorennen teil. Die über e<strong>in</strong> Dutzend Siege<br />
brachten ihm neben Ehre auch Geld e<strong>in</strong>.<br />
1899 verliess Louis Chevrolet Beaune, zog <strong>in</strong> die Region von Paris und arbeitete <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Betrieb, der soeben<br />
damit begonnen hatte, Autos zu produzieren. Den 20-Jährigen hielt es aber nicht mehr <strong>in</strong> Europa, und er<br />
77
78<br />
sparte Geld für die Überfahrt nach Nordamerika. Über die Motive der Auswanderung kann nur spekuliert<br />
werden. Chevrolet g<strong>in</strong>g vermutlich davon aus, dass die Zukunft des Automobils <strong>in</strong> den USA lag. Zudem stand<br />
er <strong>in</strong> Briefkontakt mit zwei Freunden, die bereits früher <strong>in</strong> die USA ausgewandert waren. Mit e<strong>in</strong>em Kolleg en<br />
erreichte Louis Chevrolet im Jahr 1900 Montreal. Die Sprache dürfte der Hauptgrund gewesen se<strong>in</strong>, dass die<br />
beiden Auswanderer zuerst nach Kanada zogen. In Montreal arbeiteten sie als Chauffeure und Mechaniker.<br />
Louis Chevrolet merkte aber rasch, dass se<strong>in</strong>e Chancen <strong>in</strong> den USA besser waren. Im April 1901 traf er <strong>in</strong><br />
New York e<strong>in</strong> und fand <strong>in</strong> Brooklyn e<strong>in</strong>e Stelle <strong>in</strong> der Werkstatt von William Walter, der ursprünglich aus Biel<br />
stammte.<br />
Der tollkühne «Franzose»<br />
Louis Chevrolet etablierte sich als Mechaniker. 1901 trat er <strong>in</strong> die Dienste des damals berühmten französischen<br />
Autoherstellers De Dion-Bouton, 1902 folgte der Wechsel zu Fiat. Im gleichen Jahr starb Chevrolets<br />
Vater <strong>in</strong> Frankreich. Nach dessen Tod wanderten auch die Mutter und die drei jüngsten Geschwister Arthur,<br />
Marthe und Gaston <strong>in</strong> die USA aus. Die beiden älteren Schwestern Fanny und Berthe zogen auf Wunsch von<br />
Louis bereits e<strong>in</strong> Jahr zuvor zu ihrem Bruder nach New York und fanden dort Arbeit als Schneider<strong>in</strong>nen. Nur<br />
Alfred, der Älteste der sieben Geschwister, blieb <strong>in</strong> Frankreich.<br />
Im Jahr 1905 erfolgte der Durchbruch. Der junge Mechaniker war als talentierter Autofahrer aufgefallen, und<br />
am 20. Mai kam es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er umgebauten Pferderennbahn <strong>in</strong> New York zum grossen Auftritt des Louis Chevrolet.<br />
Er siegte gleich bei se<strong>in</strong>er ersten Teilnahme an e<strong>in</strong>em Autorennen und stellte mit dem Fiat e<strong>in</strong>en neuen Welt-
Brücken und Visionen<br />
Othmar H. Ammann (1879<strong>–</strong>1965)<br />
Othmar Hermann Ammann ist als «der» Brückenbauer von New York <strong>in</strong> die Geschichte e<strong>in</strong>gegangen. Im Jahre<br />
1964 überreichte ihm Präsident Lyndon B. Johnson als erstem Bau<strong>in</strong>genieur, kurz vor se<strong>in</strong>em Tod, die «National<br />
Medal of Science». Gewissermassen als Krönung se<strong>in</strong>es Lebenswerkes. Doch der gebürtige <strong>Schweizer</strong><br />
hatte sich mit se<strong>in</strong>en kühnen Entwürfen längst e<strong>in</strong> Denkmal gesetzt.<br />
Ammann wurde am 26. März 1879 <strong>in</strong> Feuerthalen bei Schaffhausen geboren. Hier verbrachte er auch se<strong>in</strong>e<br />
ersten Lebensjahre, bis die Hutfabrik se<strong>in</strong>es Vaters und damit auch der Wohnsitz der Familie 1887 nach dem<br />
zürcherischen Bendlikon/Kilchberg verlegt wurden. Nach Absolvierung der Industrieschule <strong>in</strong> Zürich immatrikulierte<br />
er sich an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH). Hauptfach: Bau<strong>in</strong>genieurwesen.<br />
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums (1902) konnte Ammann se<strong>in</strong>e erste Stelle bei der <strong>Schweizer</strong><br />
Stahlbaufirma Wartmann & Valette antreten: Er wurde für die Konzeption der Mont-Blanc-Brücke <strong>in</strong> Genf e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Kurz darauf wechselte er zur Baufirma Buchheim und Heistler <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. In Deutschland<br />
konnte der aufstrebende Ingenieur praktische Erfahrungen auf dem Gebiet des Eisenbetonbaus sammeln.<br />
Doch schon bald zog es ihn weiter. Der ETH-Professor Karl E. Hilgard, lange Zeit Brückenbau<strong>in</strong>genieur für<br />
Northern Pacific Railroad, erzählte se<strong>in</strong>em ehemaligen Studenten von den Vere<strong>in</strong>igten Staaten, und genau<br />
dorth<strong>in</strong> wanderte der karrierebewusste Ammann im Jahr 1904 aus.<br />
Anlässlich e<strong>in</strong>es <strong>Schweizer</strong> Urlaubs 1905 heiratete er se<strong>in</strong>e Jugendfreund<strong>in</strong> Lilly Wehrli. Geme<strong>in</strong>sam hatten sie<br />
drei K<strong>in</strong>der: 1906 kam der älteste Sohn Werner auf die Welt, e<strong>in</strong>ige Jahre später folgte Georg Andrew und<br />
1922 wurde die Tochter Margot geboren. Nach dem Tod se<strong>in</strong>er ersten Frau im Jahre 1933 vermählte sich<br />
Othmar Ammann 1935 mit Kläry Nötzli, der Witwe e<strong>in</strong>es ebenfalls <strong>in</strong> die USA ausgewanderten Bau<strong>in</strong>genieurs.<br />
Gigantische Projekte<br />
Urs Widmer<br />
Die amerikanischen Städte verändern sich rasant: In Chicago werden Wolkenkratzer hochgezogen, <strong>in</strong> New<br />
York wird die erste U-Bahn gebaut (1904), und <strong>in</strong> San Francisco vernichten e<strong>in</strong> Erdbeben und das anschliessende<br />
Grossfeuer weite Teile der Stadt. In diese aufregende Zeit fällt die Ankunft des 25-jährigen Othmar<br />
Ammann. Schnell f<strong>in</strong>det er e<strong>in</strong>e Anstellung im Ingenieurbüro von Joseph Meyer am New Yorker Broadway.<br />
Hier hört er auch erstmals von den Plänen, den mehr als e<strong>in</strong>en Kilometer breiten Hudson zwischen Man hattan<br />
und den Wohngebieten New Jerseys mit e<strong>in</strong>er Brücke zu überspannen. Die Ende des 19. Jahrhunderts e<strong>in</strong>geleitete<br />
Motorisierung veränderte das Leben <strong>in</strong> der Agglomeration New Yorks komplett, und die nahezu 20<br />
Fährverb<strong>in</strong>dungen über den Hudson können das ansteigende Verkehrsaufkommen von Jahr zu Jahr schlechter<br />
bewältigen. In e<strong>in</strong>er autobiografischen Aufzeichnung schreibt Ammann 1955, dass se<strong>in</strong> Interesse für die<br />
Überbrückung des Hudsons kurz nach se<strong>in</strong>er Ankunft <strong>in</strong> New York geweckt wurde. Bei e<strong>in</strong>em Ausflug zu den<br />
Palisades Cliffs hätte er die Idee e<strong>in</strong>er kühnen Brückenkonstruktion entwickelt: e<strong>in</strong> Bauwerk mit 3000 Fuss<br />
Spannweite (über 900 Meter), nahezu das Doppelte der bis anh<strong>in</strong> längsten existierenden Spannweite. Diese<br />
Vision lässt ihn fortan nicht mehr los. Mit grösstem Interesse verfolgt er die Entwicklungen im Brückenbau.<br />
85
Tod und Tabu<br />
Elisabeth Kübler-Ross (1926<strong>–</strong>2004)<br />
Erika Hebeisen<br />
1969: Der erste Mann landet auf dem Mond <strong>–</strong> und e<strong>in</strong>er Frau gel<strong>in</strong>gt es, das Tabu Sterben zu durchbrechen.<br />
Wie jeden Mittwoch während des Semesters folgen zahlreiche Mediz<strong>in</strong>- und Theologiestudenten, Krankenschwestern,<br />
Seelsorger und Sozialarbeiter<strong>in</strong>nen im Auditorium des Chicagoer Bill<strong>in</strong>gs Hospital e<strong>in</strong>em universitären<br />
Lehrgespräch. Auf dem Podium unterhält sich die Ärzt<strong>in</strong> und Psychiater<strong>in</strong> Elisabeth Kübler-Ross<br />
h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>seitig transparenten Glaswand mit e<strong>in</strong>er 22-jährigen, an Leukämie erkrankten Frau über das<br />
Sterben. Was beschäftigt die Patient<strong>in</strong> im Angesicht des Todes? Wie gehen ihre Angehörigen und das Spitalpersonal<br />
mit ihrer Wut, ihren Ängsten, ihren Hoffnungen um? Es ist wie jeden Mittwoch, nur dass diesmal e<strong>in</strong><br />
Journalist und e<strong>in</strong> Fotograf dem «Sterbesem<strong>in</strong>ar» beiwohnen. Die siebenseitige Reportage wird am 21. November<br />
1969 im Life-Magaz<strong>in</strong> veröffentlicht und machte Elisabeth Kübler-Ross auf e<strong>in</strong>en Schlag berühmt.<br />
Ihren Durchbruch als Sterbeforscher<strong>in</strong> besiegelte das fast zeitgleich ersche<strong>in</strong>ende Buch On Death and Dy<strong>in</strong>g.<br />
Es avancierte zum Bestseller, wurde <strong>in</strong> 26 Sprachen übersetzt und trug der Autor<strong>in</strong> zahlreiche Ehrendoktortitel<br />
e<strong>in</strong>.<br />
Mit ihrer Forschung zu Sterben und Tod rührte Kübler-Ross zwar an e<strong>in</strong>em gesellschaftlichen Tabu. Gleichzeitig<br />
eröffnete sie aber auch therapeutische Perspektiven und war damit, nicht zufällig, vorerst <strong>in</strong> den USA<br />
erfolgreich. Die amerikanischen Universitäten zogen <strong>in</strong> den 1960er und 1970er Jahren viele <strong>in</strong>novative Forscher<strong>in</strong>nen<br />
und Forscher an. Hier konnten sie unkonventionelle Methoden entwickeln und neue Wissensgebiete<br />
erschliessen. Zudem war e<strong>in</strong>e breite Öffentlichkeit für solche Forschung zu begeistern. So schaffte<br />
die ambitionierte Kübler-Ross <strong>in</strong> nur zehn Jahren den Sprung von der namenlosen <strong>Schweizer</strong> Immigrant<strong>in</strong><br />
mit mediz<strong>in</strong>ischem Staatsexamen zur profilierten Sterbeforscher<strong>in</strong>. Über die Chancen, die ihr <strong>in</strong> den USA<br />
geboten wurden, schreibt Kübler-Ross im Nachwort zur 1980 von Derek Gill publizierten Biografie: «Me<strong>in</strong>e<br />
Bestimmung musste ich <strong>in</strong> diesem Land verwirklichen, wo ich die Freiheit hatte, me<strong>in</strong>e eigene Arbeit, me<strong>in</strong>e<br />
Forschung und me<strong>in</strong>e Art des Unterrichts zu entwickeln, was mir <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er anderen Nation dieser Welt möglich<br />
gewesen wäre. Hier habe ich durch me<strong>in</strong>en Unterricht, durch me<strong>in</strong>e eigenen Methoden und den Glauben<br />
an me<strong>in</strong>e Arbeit, nicht nur mit den Sterbenden, sondern auch mit so genannt hoffnungslosen Schizophrenen,<br />
mit bl<strong>in</strong>den und geistig beh<strong>in</strong>derten K<strong>in</strong>dern, schliesslich e<strong>in</strong>e Heimat gefunden.»<br />
Heimat und Emanzipation<br />
Elisabeth Kübler kam 1926 <strong>in</strong> Zürich als Drill<strong>in</strong>g zur Welt. Wie sie immer wieder betonte, gab man ihr, dem<br />
knapp e<strong>in</strong> Kilogramm schweren Baby, kaum Überlebenschancen. Doch die Kübler-Drill<strong>in</strong>ge gediehen bestens.<br />
Sie wuchsen geme<strong>in</strong>sam mit e<strong>in</strong>em älteren Bruder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gutbürgerlich-protestantischen Familie auf <strong>–</strong> die<br />
ersten vier Jahre <strong>in</strong> der Stadt, danach <strong>in</strong> der Landgeme<strong>in</strong>de Meilen am Zürichsee. Elisabeth fühlte sich während<br />
ihrer K<strong>in</strong>dheit vor allem <strong>in</strong> der naturnahen Umgebung ihres Elternhauses und bald auch <strong>in</strong> den Bergen<br />
zu Hause. Ihr Vater nahm sie zum Wandern mit. Er lehrte sie Skifahren und brachte ihr das Klettern bei.<br />
Zudem wartete er die «Fürlegi», e<strong>in</strong>e Berghütte oberhalb von Amden. Der Ort wurde zur emotionalen Heimat,<br />
125
Davos und Hollywood<br />
Marc Forster (*1969)<br />
Barbara Rettenmund<br />
Über Marc Forster s<strong>in</strong>d bisher noch ke<strong>in</strong>e Bücher geschrieben worden, die Öffentlichkeit nimmt ihn erst seit<br />
etwa fünf Jahren war. Wer herausf<strong>in</strong>den will, wer Marc Forster ist und woher er kommt, sieht sich mit zahlreichen<br />
Informationen aus dem Internet konfrontiert, die nicht immer den Tatsachen entsprechen. Zunächst<br />
wird er genauso oft Foster wie Forster genannt. Manchmal ist er <strong>Schweizer</strong>, manchmal Deutscher. Aufgewachsen<br />
ist er wahlweise «<strong>in</strong> den Bündner Bergen», <strong>in</strong> Davos oder <strong>in</strong> Klosters.<br />
Die ergiebigste Quelle, um etwas über den erfolgreichen Hollywoodregisseur zu erfahren, ist der Dokumentarfilm<br />
Von Davos nach Hollywood von Fritz Muri. Produziert wurde der Film vom <strong>Schweizer</strong> Fernsehen. In der<br />
Schweiz ist man stolz auf den berühmten Sohn, auch wenn er e<strong>in</strong>en deutschen Pass hat. Marc Forster spricht<br />
Englisch, Hochdeutsch und <strong>Schweizer</strong>deutsch, doch se<strong>in</strong> Dialekt hört sich überhaupt nicht bündnerisch an,<br />
eher wie Zürichdeutsch.<br />
Sorglose Jugend <strong>in</strong> der Schweiz<br />
Aufgewachsen ist Marc Forster als Sohn reicher Eltern <strong>in</strong> Davos. Dieses war auch <strong>in</strong> den 1970er Jahren schon<br />
längst ke<strong>in</strong> Bauerndorf mehr. Der W<strong>in</strong>tersportort lebte damals genau wie heute <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie vom Tourismus<br />
und verfügte schon früh über städtische Strukturen. Der Vater von Marc Forster war Arzt und Besitzer e<strong>in</strong>es<br />
Pharmaunternehmens. Geme<strong>in</strong>sam mit se<strong>in</strong>en zwei älteren Brüdern erlebte er e<strong>in</strong>e Jugend, <strong>in</strong> der Geld ke<strong>in</strong>e<br />
Rolle zu spielen schien. Ferien auf Motorjachten und <strong>in</strong> Fünf-Sterne-Hotels gehörten genauso dazu wie das<br />
luxuriöse Haus <strong>in</strong> Davos oder das Landgut bei Luzern mit Park und Hallenbad. Wenn die Eltern alle<strong>in</strong>e unterwegs<br />
waren, kümmerte sich das Dienstpersonal um die drei Söhne.<br />
Im Alter von zwölf Jahren, so will es die Legende, schlich sich Marc zum ersten Mal <strong>in</strong>s K<strong>in</strong>o. Er sah den<br />
Film Apocalypse Now von Francis Ford Coppola mit Marlon Brando <strong>in</strong> der Hauptrolle. Von diesem Moment an<br />
wusste er, dass er Filmregisseur werden wollte.<br />
Bereits als K<strong>in</strong>d, weiss Bruder Peter Forster, hat Marc se<strong>in</strong>en Spielkameraden Rollen zugewiesen und ihnen<br />
gesagt, h<strong>in</strong>ter welchem Baum sie warten und wann sie <strong>in</strong> das Spiel e<strong>in</strong>greifen sollten. «Marc hat immer gesagt:<br />
‹Ich mache Filme; etwas anderes mache ich nicht.›» Wie es sich für Söhne aus wohlhabendem Elternhaus<br />
gehörte, verbrachte Marc Forster sechs Jahre im Internat Montana auf dem Zugerberg. Dort traf er<br />
andere Söhne reicher Eltern aus der halben Welt. Geblieben s<strong>in</strong>d ihm Freundschaften mit Menschen aus<br />
unterschiedlichsten Kulturkreisen, «die so auch me<strong>in</strong> Denken bee<strong>in</strong>flussten», sagt Marc Forster. Er soll im<br />
Internat jeweils Pläne ausgeheckt haben, um die strengen Lehrer zu h<strong>in</strong>tergehen. Trotzdem ist Marc Forster<br />
nicht unangenehm aufgefallen <strong>–</strong> er wirkte eher scheu und verträumt.<br />
E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Notwendigkeit<br />
Der Jugendfreund Carl von Malaise, mit dem Marc Forster die Internatsjahre verbracht hatte, erzählt, dass<br />
dieser immer von se<strong>in</strong>em Traumberuf Regisseur gesprochen habe: «Es war für ihn e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Notwendigkeit.»<br />
139
<strong>Schweizer</strong> Auswanderung <strong>in</strong> die Vere<strong>in</strong>igten Staaten (1816<strong>–</strong>1968)<br />
Amerika, Amerika!<br />
He<strong>in</strong>er Ritzmann<br />
Die Schweiz kannte bereits im Mittelalter und <strong>in</strong> der frühen Neuzeit e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Auswanderung, deren Ziele<br />
sich aber zum allergrössten Teil im europäischen Ausland befanden. Im 18. Jahrhundert sollen e<strong>in</strong>er älteren<br />
Schätzung zufolge etwa 25 000 <strong>Schweizer</strong> nach Nordamerika ausgewandert se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e erste grössere Auswanderungswelle<br />
ist für die Jahre 1709<strong>–</strong>1711 überliefert; zu weiteren Wellen kam es 1734<strong>–</strong>1744, 1771<strong>–</strong>1772 und<br />
1778<strong>–</strong>1783. Das Quellgebiet dieser frühen Auswanderungsströme lag <strong>in</strong> der nördlichen Deutschschweiz, das<br />
Zielgebiet <strong>in</strong> Carol<strong>in</strong>a und Pennsylvania, wo württembergische E<strong>in</strong>wanderer Siedlungen gegründet hatten.<br />
Während der durch die Französische Revolution ausgelösten Wirren <strong>in</strong> Kont<strong>in</strong>entaleuropa versiegte die Nordamerikawanderung<br />
weit gehend und lebte erst nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Kaiserreichs<br />
wieder auf.<br />
Der Abschluss des Wiener Kongresses um 1816, der das neue Zeitalter der Restauration e<strong>in</strong>läutete, und die<br />
Jugendrevolte von 1968 markieren den Anfang und das Ende e<strong>in</strong>es anderthalb Jahrhunderte umspannenden<br />
Zeitraums, für den sich der Verlauf der schweizerischen Überseeauswanderung relativ zuverlässig rekonstruieren<br />
lässt. Am genauesten dürfte die Zahl der Auswanderer <strong>in</strong> den Jahren 1882<strong>–</strong>1939 erfasst worden<br />
se<strong>in</strong>. Damals wertete e<strong>in</strong> Eidgenössisches Auswanderungsbureau die von den Auswanderungsagenturen e<strong>in</strong>gesandten<br />
Fichen aus und veröffentlichte die Resultate <strong>in</strong> Gestalt e<strong>in</strong>er kommentierten Jahresstatistik. In<br />
den Jahren 1868<strong>–</strong>1881 hatte sich der Bund noch damit begnügen müssen, aus dem von den Kantonen abgelieferten<br />
Zahlenmaterial Überblickstabellen anzufertigen. Vor 1868 liegen der Schätzreihe die Statistiken<br />
e<strong>in</strong>zelner Kantone, e<strong>in</strong>e vom schweizerischen Konsul <strong>in</strong> Le Havre geführte Ausschiffungsstatistik, die amerikanische<br />
<strong>E<strong>in</strong>wanderung</strong>sstatistik sowie Angaben <strong>in</strong> der Sekundärliteratur zugrunde.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Schifffahrtsgesellschaften und Auswanderungsagenturen vom aufkommenden<br />
Flugverkehr konkurrenziert, der aus der e<strong>in</strong>st so gefahrvollen Überquerung der Ozeane e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>derspiel<br />
machte. Die erleichterten Reisebed<strong>in</strong>gungen trugen auch dazu bei, dass die Rückwanderungsquote,<br />
die <strong>in</strong> der Zwischenkriegszeit bei 10 bis 15 Prozent gelegen haben dürfte, nach oben schnellte. Gemäss e<strong>in</strong>er<br />
auf Meldungen konsularischer Vertretungen basierenden Statistik betrug der Anteil der Rückwanderer an der<br />
schweizerischen Auswanderung <strong>in</strong> die Vere<strong>in</strong>igten Staaten im Mittel der Jahre 1958<strong>–</strong>1968 fast 70 Prozent.<br />
Infolge der lückenhaften Statistik der Auswanderungsagenturen und der hohen Rückwanderungsquote<br />
nimmt die Qualität der Schätzreihe ab Mitte der 1950er Jahre wieder ab.<br />
151
Kt. Uri<br />
Schaffhausen, W<br />
Berner Oberland<br />
Laufental<br />
Kt. Glarus<br />
Kt. Schwyz<br />
Graubünden, N<br />
Tess<strong>in</strong>, N<br />
St. Gallen, S<br />
Berner Seeland<br />
Graubünden, W<br />
Schaffhausen, E<br />
Kt. Solothurn<br />
Kt. Appenzell AI<br />
Kt. Appenzell AR<br />
Kt. Basel-Stadt<br />
Kt. Thurgau<br />
Kt. Luzern<br />
Kt. Obwalden<br />
Kt. Baselland<br />
Kt. Nidwalden<br />
Aargau, N<br />
St. Gallen, N<br />
Ganze Schweiz<br />
Kt. Zürich<br />
Kt. Neuenburg<br />
Berner Mittelland<br />
Aargau, S<br />
Engad<strong>in</strong>, Misox<br />
Berner Jura<br />
Kt. Zug<br />
Kt. Jura<br />
Kt. Waadt<br />
Kt. Genf<br />
Kt. Wallis<br />
Kt. Freiburg<br />
Tess<strong>in</strong>, S<br />
E= Osten<br />
N= Norden<br />
S= Süden<br />
W= Westen<br />
Regionale Auswanderung <strong>in</strong> die Vere<strong>in</strong>igten Staaten 1868<strong>–</strong>1913<br />
(<strong>in</strong> Prozent der Gesamtauswanderung aus der jeweiligen Region)<br />
96.0<br />
95.5<br />
95.0<br />
94.0<br />
93.5<br />
93.3<br />
93.0<br />
92.5<br />
92.0<br />
90.0<br />
89.0<br />
87.7<br />
87.3<br />
86.5<br />
86.0<br />
85.8<br />
85.6<br />
85.4<br />
85.2<br />
85.0<br />
84.5<br />
83.5<br />
82.0<br />
80.7<br />
80.5<br />
80.3<br />
80.0<br />
79.5<br />
79.0<br />
77.0<br />
74.5<br />
73.0<br />
63.0<br />
52.7<br />
44.8<br />
38.5<br />
31.0<br />
% 30 34 38 42 46 50 54 58 62 66 70 74 78 82 86 90 94 98<br />
159