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Small Number – Big Impact Schweizer Einwanderung in ... - NZZ Libro

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Tod und Tabu<br />

Elisabeth Kübler-Ross (1926<strong>–</strong>2004)<br />

Erika Hebeisen<br />

1969: Der erste Mann landet auf dem Mond <strong>–</strong> und e<strong>in</strong>er Frau gel<strong>in</strong>gt es, das Tabu Sterben zu durchbrechen.<br />

Wie jeden Mittwoch während des Semesters folgen zahlreiche Mediz<strong>in</strong>- und Theologiestudenten, Krankenschwestern,<br />

Seelsorger und Sozialarbeiter<strong>in</strong>nen im Auditorium des Chicagoer Bill<strong>in</strong>gs Hospital e<strong>in</strong>em universitären<br />

Lehrgespräch. Auf dem Podium unterhält sich die Ärzt<strong>in</strong> und Psychiater<strong>in</strong> Elisabeth Kübler-Ross<br />

h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>seitig transparenten Glaswand mit e<strong>in</strong>er 22-jährigen, an Leukämie erkrankten Frau über das<br />

Sterben. Was beschäftigt die Patient<strong>in</strong> im Angesicht des Todes? Wie gehen ihre Angehörigen und das Spitalpersonal<br />

mit ihrer Wut, ihren Ängsten, ihren Hoffnungen um? Es ist wie jeden Mittwoch, nur dass diesmal e<strong>in</strong><br />

Journalist und e<strong>in</strong> Fotograf dem «Sterbesem<strong>in</strong>ar» beiwohnen. Die siebenseitige Reportage wird am 21. November<br />

1969 im Life-Magaz<strong>in</strong> veröffentlicht und machte Elisabeth Kübler-Ross auf e<strong>in</strong>en Schlag berühmt.<br />

Ihren Durchbruch als Sterbeforscher<strong>in</strong> besiegelte das fast zeitgleich ersche<strong>in</strong>ende Buch On Death and Dy<strong>in</strong>g.<br />

Es avancierte zum Bestseller, wurde <strong>in</strong> 26 Sprachen übersetzt und trug der Autor<strong>in</strong> zahlreiche Ehrendoktortitel<br />

e<strong>in</strong>.<br />

Mit ihrer Forschung zu Sterben und Tod rührte Kübler-Ross zwar an e<strong>in</strong>em gesellschaftlichen Tabu. Gleichzeitig<br />

eröffnete sie aber auch therapeutische Perspektiven und war damit, nicht zufällig, vorerst <strong>in</strong> den USA<br />

erfolgreich. Die amerikanischen Universitäten zogen <strong>in</strong> den 1960er und 1970er Jahren viele <strong>in</strong>novative Forscher<strong>in</strong>nen<br />

und Forscher an. Hier konnten sie unkonventionelle Methoden entwickeln und neue Wissensgebiete<br />

erschliessen. Zudem war e<strong>in</strong>e breite Öffentlichkeit für solche Forschung zu begeistern. So schaffte<br />

die ambitionierte Kübler-Ross <strong>in</strong> nur zehn Jahren den Sprung von der namenlosen <strong>Schweizer</strong> Immigrant<strong>in</strong><br />

mit mediz<strong>in</strong>ischem Staatsexamen zur profilierten Sterbeforscher<strong>in</strong>. Über die Chancen, die ihr <strong>in</strong> den USA<br />

geboten wurden, schreibt Kübler-Ross im Nachwort zur 1980 von Derek Gill publizierten Biografie: «Me<strong>in</strong>e<br />

Bestimmung musste ich <strong>in</strong> diesem Land verwirklichen, wo ich die Freiheit hatte, me<strong>in</strong>e eigene Arbeit, me<strong>in</strong>e<br />

Forschung und me<strong>in</strong>e Art des Unterrichts zu entwickeln, was mir <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er anderen Nation dieser Welt möglich<br />

gewesen wäre. Hier habe ich durch me<strong>in</strong>en Unterricht, durch me<strong>in</strong>e eigenen Methoden und den Glauben<br />

an me<strong>in</strong>e Arbeit, nicht nur mit den Sterbenden, sondern auch mit so genannt hoffnungslosen Schizophrenen,<br />

mit bl<strong>in</strong>den und geistig beh<strong>in</strong>derten K<strong>in</strong>dern, schliesslich e<strong>in</strong>e Heimat gefunden.»<br />

Heimat und Emanzipation<br />

Elisabeth Kübler kam 1926 <strong>in</strong> Zürich als Drill<strong>in</strong>g zur Welt. Wie sie immer wieder betonte, gab man ihr, dem<br />

knapp e<strong>in</strong> Kilogramm schweren Baby, kaum Überlebenschancen. Doch die Kübler-Drill<strong>in</strong>ge gediehen bestens.<br />

Sie wuchsen geme<strong>in</strong>sam mit e<strong>in</strong>em älteren Bruder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gutbürgerlich-protestantischen Familie auf <strong>–</strong> die<br />

ersten vier Jahre <strong>in</strong> der Stadt, danach <strong>in</strong> der Landgeme<strong>in</strong>de Meilen am Zürichsee. Elisabeth fühlte sich während<br />

ihrer K<strong>in</strong>dheit vor allem <strong>in</strong> der naturnahen Umgebung ihres Elternhauses und bald auch <strong>in</strong> den Bergen<br />

zu Hause. Ihr Vater nahm sie zum Wandern mit. Er lehrte sie Skifahren und brachte ihr das Klettern bei.<br />

Zudem wartete er die «Fürlegi», e<strong>in</strong>e Berghütte oberhalb von Amden. Der Ort wurde zur emotionalen Heimat,<br />

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