Gemeindebrief - der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde ...
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Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
Direkt vor unserem Haus<br />
eine Schafherde.<br />
Das erinnert mich an<br />
meine Kindheit, mit<br />
Schafen bin ich aufgewachsen.<br />
Wir Kin<strong>der</strong><br />
haben uns gern mit ihnen<br />
beschäftigt. Ein Spiel<br />
hatten wir erfunden: Schöne schwarze und<br />
weiße Schafe gab es da, und wir wollten sie<br />
sortieren. Die Weißen sollten oben rechts<br />
stehen auf <strong>der</strong> Wiese und die Schwarzen<br />
unten links. So versuchten wir die Weißen<br />
nach oben zu bugsieren, – die Schwarzen<br />
nach unten. Ein Stück harte Arbeit war das.<br />
Und doch: Es machte auch großen Spaß,<br />
die ausgebüchsten Schafe wie<strong>der</strong> in die<br />
richtige Ecke zu treiben. Wir rannten hin<br />
und her, trieben die Schafe, kamen außer<br />
Atem. Es war allermeist so, dass die Schafe<br />
gewannen. Sie ließen sich nur ganz schwer<br />
auseinan<strong>der</strong>dividieren.<br />
Und: Bei manchen von ihnen war es auch<br />
nicht klar, wohin sie gehörten, weil sie gefleckt<br />
waren o<strong>der</strong> eine Mischfärbung hatten.<br />
Schafe – in <strong>der</strong> Bibel kommen sie oft vor,<br />
auch als Symbole.<br />
Jesus selbst ist mit einem Lamm verglichen,<br />
ja sogar „Gottes Lamm“ genannt worden.<br />
Wenn er ein Lamm war, war er eigentlich<br />
ein schwarzes o<strong>der</strong> weißes Schaf in seiner<br />
Zeit o<strong>der</strong> war er eine Mischung, irgendwo<br />
mittendrin? Für die einen war er wohl weiß<br />
– heiß ersehnt und <strong>der</strong> Hoffnungsträger<br />
schlechthin. Für die an<strong>der</strong>en war er eher ein<br />
schwarzes Schaf – ein unerwünschter<br />
Quertreiber, <strong>der</strong> viel zuviel in Frage stellte<br />
und an<strong>der</strong>s handelte, als „man es sollte.“<br />
Schon die ganze Zeit wurde er angeschwärzt,<br />
weil er nicht reinpasste, sich für<br />
Menschen einsetzte, über die an<strong>der</strong>e<br />
Ein Wort zuvor<br />
Seite 2<br />
nur die Nase rümpften und schließlich, einem<br />
Opferlamm gleich, sogar sein Leben<br />
hergab ohne groß aufzubegehren.<br />
Was ist das für ein Leben in <strong>der</strong> Nachfolge<br />
dieses Lamm Gottes? Eines ist klar: Ein Leben,<br />
das uns in weiße und schwarze Schafe<br />
trennt, ist das jedenfalls nicht Jesus hat oft<br />
sehr klare auch harte Worte gewählt – er<br />
benennt sehr deutlich, wo sich Menschen<br />
von Gott trennen, er scheut sich nicht anzusprechen,<br />
wenn Menschen auf dem falschen<br />
Weg sind. Und doch ist sein Ziel<br />
nicht zu trennen, nicht zu verurteilen, son<strong>der</strong>n<br />
zu verstehen: „Ihr richtet nach Menschen<br />
Art, doch ich richte niemand. Wenn<br />
ich aber dennoch richte, ist mein Richten<br />
gerecht.“ (Johannes 8, 15-16)<br />
Jesus lehnt sich auf, wenn Menschen meinen<br />
an<strong>der</strong>e beurteilen und verurteilen zu<br />
können. Wenn Menschen meinen, letztgültig<br />
zu wissen, wer schwarz ist und wer<br />
weiß, mitleidig lächelnd auf die vermeintlich<br />
Schwarzen sehen und sich zudem noch<br />
einbilden, auch Gott trenne sich von ihnen<br />
ab. Wenn Menschen meinen, nur sie selbst<br />
seien weiß. Wenn Jesus richtet, dann Menschen,<br />
die trennen statt zu verbinden. Doch<br />
sein Richten ist ein Zurechtbringen, denn er<br />
will sie verbinden mit sich selbst und mit<br />
an<strong>der</strong>en.<br />
Wäre Jesus damals mit auf <strong>der</strong> Schafweide<br />
gewesen, hätte er uns, so stelle ich mir das<br />
vor, zu Recht zurückgepfiffen. Wir hätten<br />
nicht über die Weide rennen sollen, um die<br />
Schafe zu trennen. Wir hätten unsere Gemeinschaft<br />
genießen können, gemeinsam<br />
mit den Schafen <strong>der</strong> einen großen und bunten<br />
Herde – mit uns menschlichen Schafen<br />
mittendrin. Viele verbindliche und verbindende<br />
Erfahrungen in diesem Frühling<br />
wünscht ihnen<br />
Ihre Pfarrerin Karin Jordak