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<strong>BetrAV</strong> 1/<strong>2006</strong><br />
Betriebliche Altersversorgung<br />
Aus dem Inhalt<br />
Der Kommentar<br />
Ar<strong>bei</strong>tsgemeinschaft<br />
für betriebliche<br />
Altersversorgung e.V.<br />
61. Jahrgang<br />
31. Januar <strong>2006</strong><br />
ISSN 0005-9951<br />
Klak, Portabilitätswahn – Fortschritt, der keiner ist 1<br />
Abhandlungen<br />
Wolter, Aktuelle steuerliche Themen der betrieblichen Altersversorgung<br />
nach dem Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) 6<br />
Förster/Weppler, Aktuelle steuerliche Zweifelsfragen 10<br />
Brüggemann/Kasper, Das neue Näherungsverfahren für die Rente aus der<br />
gesetzlichen Rentenversicherung 16<br />
Thierer/Zwiesler, Bilanzierung von Pensionsrückstellungen – Gestaltungs-<br />
spielräume <strong>bei</strong>m Übergang von HGB zu IAS 19 27<br />
Hügelschäffer, Neue Vorschläge aus Brüssel zur Verbesserung der Portabilität –<br />
Eine Bewertung aus Sicht der Zusatzversorgung des öffentlichen und<br />
kirchlichen Dienstes 36<br />
Informationen<br />
Bewertung von Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG; Übergang auf die<br />
„Richttafeln 2005 G“ von Professor Klaus Heubeck<br />
BMF, Schreiben vom 16.12.2005 62<br />
Berücksichtigung von Renten aus der gRV <strong>bei</strong> der bilanzsteuerrechtlichen<br />
Bewertung von Pensionsverpflichtungen und <strong>bei</strong> der Ermittlung der als<br />
Betriebsausgaben abzugsfähigen Zuwendungen an Unterstützungskassen<br />
(sog. Näherungsverfahren), BMF, Schreiben vom 16.12.2005 64<br />
Bilanzsteuerliche Behandlung der Übernahme von Pensionsverpflichtungen<br />
gegen Entgelt; Beitritt eines Dritten in eine Pensionsverpflichtung<br />
(Schuld<strong>bei</strong>tritt), BMF, Schreiben vom 16.12.2005 69
<strong>aba</strong>-Tagungen <strong>2006</strong><br />
8.2.<strong>2006</strong> Tagung der Fachvereinigung Pensionskassen, Berlin<br />
3./4.5.<strong>2006</strong> <strong>aba</strong>-Jahrestagung, Fulda<br />
September <strong>2006</strong> Herbsttagung der Fachvereinigung Pensionsfonds,<br />
Ort wir noch bekannt gegeben<br />
September <strong>2006</strong> Herbsttagung der Fachvereinigung Direktversicherung,<br />
Ort wir noch bekannt gegeben<br />
26./27.10.<strong>2006</strong> Allgemeine <strong>aba</strong>-Herbsttagung, Hannover<br />
13.11.<strong>2006</strong> Herbsttagung der Fachvereinigung Mathematische Sachverständige,<br />
Nürnberg<br />
Tagung der Fachvereinigung Pensionskassen<br />
am 8. Februar <strong>2006</strong> in Berlin<br />
Programm<br />
Begrüßung der Fachvereinigungsleitung Joachim Schwind<br />
Informationspflichten des Ar<strong>bei</strong>tgebers <strong>bei</strong> Entgeltumwandlung –<br />
Aktuelle Rechtsprechung Meike Blumenstein<br />
Novellierung des VAG – Aktuelles aus der Versicherungsaufsicht Holger Linnenkämper<br />
Berücksichtigung von ethischen, sozialen und ökologischen<br />
Aspekten <strong>bei</strong> Kapitalanlagen Dr. Paschen von Flotow<br />
Pensions Fund Governance – Aktueller Stand der Diskussionen Stefan Oecking<br />
Risikomanagement in Versicherungsunternehmen Dr. Andreas Freiling<br />
REITS – eine neue Asset-Klasse stellt sich vor Dietrich Heidtmann<br />
Aktuelle Situation und Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung<br />
unter besonderer Berücksichtigung der Entgeltumwandlung Werner Sasdrich
Inhaltsverzeichnis<br />
Der Kommentar<br />
Klak, Portabilitätswahn – Fortschritt, der keiner ist 1<br />
Gehört – Gelesen – Notiert 4<br />
Abhandlungen<br />
Wolter, Aktuelle steuerliche Themen der betrieblichen<br />
Altersversorgung nach dem Alterseinkünftegesetz<br />
(AltEinkG) 6<br />
Förster/Weppler, Aktuelle steuerliche Zweifelsfragen 10<br />
Höfer/Früh, Rechnungszins <strong>bei</strong> internationalen<br />
Bewertungen von Versorgungsverpflichtungen<br />
zum Jahresende 2005 14<br />
Brüggemann/Kasper, Das neue Näherungsverfahren<br />
für die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung 16<br />
Thierer/Zwiesler, Bilanzierung von Pensionsrück-<br />
stellungen – Gestaltungsspielräume <strong>bei</strong>m Übergang<br />
von HGB zu IAS 19 27<br />
Sasdrich, Pensionsfonds für Deutschland –<br />
ein langer Weg 34<br />
Hügelschäffer, Neue Vorschläge aus Brüssel zur<br />
Verbesserung der Portabilität – Eine Bewertung aus<br />
Sicht der Zusatzversorgung des öffentlichen und<br />
kirchlichen Dienstes 36<br />
Vogel/Vieweg, Entgeltumwandlung zwischen<br />
Selbstverantwortung und Fürsorge 43<br />
Reichenbach/Rehpenn, § 16 Betriebsrentengesetz:<br />
Modifizierte Nettolohnanpassung – die zweitbeste<br />
Lösung 52<br />
Klemm, Weg frei für „Rentner-GmbHs“ 54<br />
Louis/Nowak, Unternehmensumwandlung:<br />
Schicksal von Versorgungsverbindlichkeiten<br />
gegenüber Betriebsrentnern 59<br />
Informationen<br />
Aus der Gesetzgebung<br />
Bewertung von Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG;<br />
Übergang auf die „Richttafeln 2005 G“ von<br />
Professor Klaus Heubeck<br />
BMF, Schreiben vom 16.12.2005 62<br />
Berücksichtigung von Renten aus der gesetzlichen<br />
Rentenversicherung <strong>bei</strong> der bilanzsteuerrechtlichen<br />
Bewertung von Pensionsverpflichtungen und <strong>bei</strong> der<br />
Ermittlung der als Betriebsausgaben abzugsfähigen<br />
Zuwendungen an Unterstützungskassen<br />
(sog. Näherungsverfahren)<br />
BMF, Schreiben vom 16.12.2005 64<br />
Bilanzsteuerliche Behandlung der Übernahme von<br />
Pensionsverpflichtungen gegen Entgelt; Beitritt eines<br />
Dritten in eine Pensionsverpflichtung (Schuld<strong>bei</strong>tritt)<br />
BMF, Schreiben vom 16.12.2005 69<br />
Vordruckmuster für die Anmeldung nach<br />
§ 90 Abs. 3 EStG<br />
BMF, Schreiben vom 15.11.2005 70<br />
Zeitpunkt der erstmaligen Übermittlung von<br />
Rentenbezugsmitteilungen<br />
BfF, Schreiben vom 5.12.2005 70<br />
Einkommensteuer-Richtlinien 2005 71<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 28.1.2004 71<br />
Hinweise der BaFin 71<br />
Aus der Politik<br />
Diskussionsentwurf zur Änderung des<br />
Betriebsrentengesetzes 71<br />
Weichenstellung für eine Verbesserung der<br />
Beschäftigungschancen Älterer 73<br />
Das ändert sich <strong>2006</strong> 74<br />
Nachhaltige Reformen statt notdürftiger<br />
Reparaturen 76<br />
Europa<br />
<strong>aba</strong>-Bewertung des Richtlinienvorschlags zur<br />
Verbesserung der Portabilität von Zusatzrenten-<br />
ansprüchen 76<br />
Herbstgeneralversammlung der EFRP in der Schweiz 86<br />
Solidarität in der 2. Säule 88<br />
Umbau der schweizerischen Altersvorsorge 89<br />
Vertag der Solidarität zwischen den Generationen<br />
in Belgien 90<br />
Rentenreform in Norwegen beschlossen 91<br />
Rechtsprechung<br />
Verfassungsbeschwerde gegen Vorschriften<br />
des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 abgewiesen<br />
BVerfG, Urteil vom 27.9.2005 (LS) 91<br />
Bemessung von Beiträgen aus Versorgungsbezügen<br />
nach dem vollen Beitragssatz verfassungsgemäß<br />
BSG, Urteil vom 24.8.2005 91<br />
Wahl des Versicherungsträgers <strong>bei</strong> Entgeltumwandlung<br />
BAG, Beschluß vom 19.7.2005 96<br />
Anspruchszeitraum der Eintrittspflicht des PSVaG<br />
LAG Köln, Urteil vom 16.3.2005 97<br />
Unwirksamkeit der Ausgliederung laufender<br />
Pensionsverbindlichkeiten<br />
LG Hamburg, Beschluß vom 8.12.2005 98<br />
Literatur<br />
Buchbesprechungen<br />
Höfer, Kommentar zum <strong>BetrAV</strong>G, Bd. II – Steuerrecht,<br />
4. Auflage 100<br />
Kasper/Kasper, Betriebliche Altersversorgung,<br />
2.Auflage 102<br />
Boßmann/Küpper, Was ich von der Zusatzversorgung<br />
wissen muß 102<br />
Richardi (Hrsg.) Betriebsverfassungsgesetz, 10. Auflage 102<br />
Stief/Contenius, Nur wer mitgestaltet, überlebt 102<br />
Birg, Die ausgefallene Generation – Was die<br />
Demographie über unsere Zukunft sagt 103<br />
Peters-Lange, Sozialrecht in der Insolvenz 103<br />
Literaturhinweise 103<br />
Nachrichten<br />
GPM-Forum Alterssicherung <strong>2006</strong> 104<br />
Betriebliche Altersversorgung 1/<strong>2006</strong><br />
I
Der Kommentar<br />
Dr. Alexander Klak, Sulzbach<br />
Portabilitätswahn – Fortschritt,<br />
der keiner ist<br />
Die Europäische Kommission hat am 20.<br />
Oktober 2005 den Richtlinienvorschlag<br />
zur Verbesserung der Portabilität von<br />
Zusatzrentenansprüchen verabschiedet.<br />
Das Europäische Parlament kommt erst<br />
in den politischen Willensbildungsprozeß,<br />
wenn der Rat sich mit dem Vorschlag<br />
beschäftigt hat. In den kommenden<br />
Monaten sind die Europa-Abgeordneten<br />
gefordert. Federführend für die<br />
Richtlinie ist der Ausschuß für Beschäftigung<br />
und soziale Angelegenheiten des<br />
Europäischen Parlaments. Der Binnenmarktausschuß<br />
dürfte sicherlich auch<br />
einen Bericht abgeben.<br />
Zu begrüßen sind daher alle Maßnahmen<br />
und Aktionen seitens der Verbände,<br />
der Interessensgemeinschaften und<br />
der Wirtschaft, das Thema Portabilität<br />
auf die Radarschirme der Europa-Abgeordneten<br />
zu bringen. So hat die Bundesvereinigung<br />
der Deutschen Ar<strong>bei</strong>tgeberverbände<br />
(BDA) eine ausführliche<br />
Stellungnahme erstellt. Ebenso liegt eine<br />
umfassende Bewertung des Richtlinienvorschlags<br />
von der Ar<strong>bei</strong>tsgemeinschaft<br />
für betriebliche Altersversorgung (<strong>aba</strong>)<br />
vor 1 . Beide Papiere sind in den europäischen,<br />
aber auch in den innerdeutschen<br />
Prozeß der weiteren Erörterung des Vorschlags<br />
eingebracht.<br />
Europa befindet sich in einem Prozeß<br />
der Wandlung<br />
Vision – Mission – Werte der Europäischen<br />
Union sind in Diskussion. Der<br />
Zug „Europäische Verfassung“ ist vorläufig<br />
ins Stocken geraten; von einem<br />
Scheitern auszugehen wäre überzogen.<br />
Der Lissabon-Prozeß ist „auf Grund<br />
gelaufen“ und die erst jüngst erzielte<br />
Einigung <strong>bei</strong> den Finanzen wurde teuer<br />
erkauft – von einem Ruhmesblatt zu<br />
reden, dürfte der Sachlage nicht gerecht<br />
werden. Das Fahrtenbuch Europa wäre<br />
1 <strong>BetrAV</strong> <strong>2006</strong> S. 76.<br />
Kommentar<br />
unvollständig, ohne die Differenzen in<br />
der Handelspolitik und zur Globalisierungsdebatte<br />
sowie die Unterschiede<br />
zwischen der Ar<strong>bei</strong>tsebene der EU-Kommission,<br />
dem Europäischen Parlament<br />
und der „politischen EU-Kommission“<br />
zu erwähnen.<br />
In diesem europapolitisch geprägten<br />
Umfeld unterschiedlichster Meinungs-<br />
und Willensbildungskräfte vollzieht sich<br />
seit mehreren Jahren die Debatte, Hindernisse<br />
abzuschaffen, wenn Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
innerhalb der Europäischen Union<br />
eingesetzt werden. Genau genommen<br />
geht die Initiative der EU-Kommission<br />
zur Portabilität auf eine Forderung der<br />
Wirtschaft zurück. In der Ende Mai<br />
2002 erstmals gestarteten Sozialpartner-<br />
Konsultation wurde die Initiative von<br />
UNICE befürwortet, zugleich wurde eine<br />
Beschränkung auf grenzüberschreitende<br />
Mobilität eingefordert und die Harmonisierung<br />
nationaler Systeme abgelehnt.<br />
Die zweite Runde begann im September<br />
2003. UNICE* lehnte die Aufnahme von<br />
* Vereinigung der Industrie- und Ar<strong>bei</strong>tgeberverbände<br />
in Europa.<br />
Verhandlungen im Sozialen Dialog ab,<br />
zeigte bereits damals schon die große<br />
Bedeutung der Steuersysteme auf und<br />
– dies ist zu betonen – warnte vor<br />
Eingriffen in die nationalen Zusatzrentensysteme<br />
durch Mindestregelungen.<br />
UNICE erklärte sich bereit, gemeinsame<br />
Bewertungskriterien für den Prozeß der<br />
Übertragung zu suchen.<br />
Anders fiel der Standpunkt des europäischen<br />
Gewerkschaftsverbandes ETUC<br />
aus. Die ETUC forderte gesetzliche<br />
Schritte von der EU-Kommission ein, die<br />
vornehmlich die Bereiche Steuern, Kapitalverkehr<br />
betrafen und Verhandlungen<br />
der EU-Sozialpartner über alle Tatbestände<br />
der betrieblichen Altersversorgungssysteme<br />
einschließlich deren Umsetzung<br />
auf nationaler Ebene ausmachten.<br />
Die weitere Entwicklungsgeschichte<br />
vollzog sich sehr stark angelehnt an die<br />
Forderungen der Gewerkschaften. Erste<br />
Überlegungen einer Richtlinie deuteten<br />
auf umfassende Eingriffe in nationale<br />
Systeme hin, eine Differenzierung der<br />
Durchführungswege betrieblicher Altersversorgung<br />
wurde nahezu vernachlässigt.<br />
Erst massiver Protest der Wirtschaft sorgte<br />
für eine umfassende Überar<strong>bei</strong>tung<br />
des „Rohlings einer Richtlinie“. Aber<br />
auch der jetzt auf dem Tisch liegende<br />
Richtlinienentwurf in der Fassung vom<br />
20.10.2005 ist abzulehnen. In weiten<br />
Teilen sind die Mängel nicht behoben<br />
und kontraproduktive Regelungsinhalte<br />
mißgestalten die Materie.<br />
Wie geht es weiter? Der Vorschlag der<br />
EU-Kommission fußt auf Artikel 42 und<br />
94 des EG-Vertrages. Damit gilt Artikel<br />
251. Das Europäische Parlament und<br />
der Rat müssen der Richtlinie zustimmen.<br />
Bei Meinungsverschiedenheit ist<br />
grundsätzlich ein Vermittlungsverfahren<br />
vorgesehen, nicht jedoch, wenn der Rat<br />
den Vorschlag einstimmig billigt. In den<br />
Folgemonaten werden sich Ausschüsse<br />
Betriebliche Altersversorgung 1/<strong>2006</strong><br />
1
auf europäischer Ebene und auf nationaler<br />
Ebene mit der Vorlage auseinandersetzen.<br />
Das Europäische Parlament<br />
dürfte sich zur Jahresmitte hin mit der<br />
Richtlinie beschäftigen. Parallel wird<br />
sich eine Ratsar<strong>bei</strong>tsgruppe der Themen<br />
annehmen.<br />
In dieser Phase ist das Vorhaben noch<br />
formbar und gestaltbar. Sie gilt es zu nutzen.<br />
Erste Schritte sind mit den bereits<br />
erwähnten Stellungnahmen gesetzt.<br />
Weitere Schritte müssen folgen. Noch<br />
besteht Hoffnung auf Besserung. Denn<br />
bisher haben wir die Richtlinie nicht.<br />
Wie noch näher aufzuzeigen ist, sind<br />
die Änderungen <strong>bei</strong> weitem nicht ausreichend.<br />
Von einem großen Wurf in der<br />
betrieblichen Altersversorgung sind wir<br />
meilenweit entfernt. Im Gegenteil: Käme<br />
die Richtlinie so, wie sie aktuell aussieht,<br />
würde die betriebliche Altersversorgung<br />
als 2. Säule der sozialen Sicherung im<br />
Alter schwer beschädigt. Schon jetzt läßt<br />
sich festhalten, daß die EU-Kommission<br />
mit dieser Richtlinie rund 40% der<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer in der EU der Chance<br />
beraubt, zu einer zusätzlichen Betriebsrentenzusage<br />
zu kommen.<br />
Die betriebliche Altersversorgung<br />
bleibt auf der Strecke<br />
Die sachgerechte Lösung der vielschichtigen<br />
Fragen zur Portabilität ist gewiß<br />
im Interesse aller. Unstreitig ist auch die<br />
Schaffung eines europäischen Binnenmarktes<br />
Aufgabe der EU. Ebenso unstreitig<br />
ist die Heterogenität bestehender<br />
nationaler Systeme zur Altersvorsorge.<br />
Im Zuge der Freizügigkeits- und Mobilitätsdebatte<br />
wird verstärkt eine Behinderung<br />
darin gesehen, daß es zum einen<br />
grenzüberschreitende Einrichtungen<br />
betrieblicher Altersversorgungssysteme<br />
bislang nicht gab und daß zum anderen<br />
die Barrieren <strong>bei</strong> bestehenden Betriebsrentensystemen<br />
in den EU-Mitgliedsländern<br />
für den Wechsel des Ar<strong>bei</strong>tgebers<br />
im Land selbst, aber erst recht über<br />
die Landesgrenzen hinweg, oftmals als<br />
mobilitätserschwerend bezeichnet werden,<br />
zumindest aber als hinderlich empfunden<br />
werden.<br />
Internationale Konzerne haben auf diesem<br />
Gebiet langjährige Erfahrungen<br />
gesammelt und konzernintern Instrumente<br />
entwickelt, um Lösungen für<br />
dieses personalpolitische Anliegen zu<br />
setzen. Gerade weil die Portabilität von<br />
Versorgungsrechten ein so komplexer<br />
Tatbestand ist, tun sich kleine und mittelständische<br />
Unternehmungen schwer.<br />
Daran hat auch die europäische Pensionsfonds-Richtlinie<br />
nichts geändert<br />
und auch nichts verbessert. Das Spannungsfeld<br />
mit seinen unterschiedlichsten<br />
Kräften, dem die betriebliche Alters-<br />
2 Betriebliche Altersversorgung 1/<strong>2006</strong><br />
versorgung ausgesetzt ist, hat sich nicht<br />
grundlegend geändert. Vielmehr wird<br />
die Portabilitätsrichtlinie den negativen<br />
Druck ansteigen lassen.<br />
Der Traum von einer barrierefreien flächendeckenden<br />
betrieblichen Altersversorgung,<br />
der sich mit dem Begriff<br />
„Portabilität“ verbindet, rückt in weite<br />
Ferne. Anders als in der Informationstechnologie,<br />
wo Portierbarkeit bezogen<br />
auf die Eigenschaft von Computerprogrammen<br />
es heute weltweit erlaubt und<br />
ermöglicht, Programme ohne oder mit<br />
nur geringen Anpassungen unter einem<br />
anderen Betriebssystem und auf anderen<br />
Geräten einsetzen zu können, verspielt<br />
die EU-Kommission die Chance, diesen<br />
Freiraum praxisgerecht mit dem Entwurf<br />
zu öffnen und voranzubringen.<br />
Betriebliche Altersversorgung ist eine<br />
freiwillige Leistung<br />
Betriebliche Altersversorgungssysteme im<br />
Unternehmen sind keine Selbstverständlichkeit.<br />
Die Betriebsrente entspricht der<br />
uralten Idee unternehmerischer Verantwortung<br />
für die Unternehmensgemeinschaft:<br />
Ergänzende soziale Absicherung<br />
im Alter. Betriebliche Altersversorgung<br />
hatte nie den Anspruch und das Ziel, die<br />
gesetzliche Rentenleistung zu ersetzen.<br />
Demzufolge finden wir in den Mitgliedstaaten<br />
die Bausteine der nationalen<br />
Altersversorgungskonzepte unterschiedlich<br />
stark ausgeprägt und gewichtet.<br />
Diese Risikoaufteilung und Risikozuteilung<br />
gilt es zu beachten, wenn wir über<br />
Lösungen nachdenken, die grenzüberschreitende<br />
Mobilität von Ar<strong>bei</strong>tnehmern<br />
innerhalb der EU zu fördern.<br />
Auch wenn wir von der wachsenden<br />
Bedeutung des europäischen Ar<strong>bei</strong>tsmarktes<br />
in hohen Tönen sprechen,<br />
spielt sich die Beschäftigung weiterhin<br />
innerhalb der nationalen Ar<strong>bei</strong>tsmärkte<br />
ab. Das dem so ist, ist aber kein<br />
Verschulden nationaler betrieblicher<br />
Altersversorgungssysteme. Wer dies als<br />
Ursache nicht gelebter Mobilität der<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer aufführt, verdreht die Realität.<br />
Übersehen wird allzu gerne, daß die<br />
Debatte über Portabilität in der Altersversorgung<br />
nur 60% der Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
in der EU potentiell erfaßt, denn 40%<br />
haben keinerlei Betriebsrentenzusagen.<br />
Also haben wir auch hier das Phänomen<br />
derer, die einen Anspruch haben<br />
und derer, die gar nichts haben. Wenn<br />
Stimmen laut werden und insoweit von<br />
einem „Luxusproblem“ sprechen, verschließt<br />
sich einem diese Einschätzung<br />
nicht ganz.<br />
Auch sei an dieser Stelle die Anmerkung<br />
gestattet, daß die Übertragung von<br />
Verbraucherschutzgedanken auf dem<br />
Gebiet der betrieblichen Altersversorgung<br />
kein guter Ratgeber ist. Verbrau-<br />
cherschutz und Betriebsrenten haben<br />
nichts gemein. Und dies sollte auch so<br />
bleiben.<br />
Das Anliegen der EU-Kommission trifft<br />
auf eine Vielfalt größtenteils freiwilliger<br />
betrieblicher Altersversorgungssysteme<br />
in den Mitgliedstaaten. Ein einheitliches<br />
Betriebsrentenmodell gibt es nicht. Ein<br />
Umstand, der leider zu wenig oder nahezu<br />
gar nicht Beachtung gefunden hat.<br />
Um was geht es?<br />
In fast allen EU-Mitgliedstaaten ist die<br />
betriebliche Altersversorgung in der Privatwirtschaft<br />
– klammern wir die umlagefinanzierten<br />
Zusatzversorgungskassen<br />
des Bundes und der Länder einmal aus,<br />
die ebenfalls in erheblichem Umfang<br />
von der Richtlinie belastet werden – eine<br />
freiwillige Sozialleistung, die überwiegend<br />
kollektivrechtlich und kapitalgedeckt<br />
ist. Betriebliche Altersversorgung<br />
ist weder staatliche Vorsorge noch private<br />
Vorsorge. Sie ist ein eigenständiger<br />
Baustein und hat die Wurzeln im freien<br />
Unternehmertum.<br />
Weil betriebliche Altersversorgung so<br />
unterschiedlich ist, sind die Auswirkungen<br />
der vorgeschlagenen Richtlinie zur<br />
Portabilität von Land zu Land unterschiedlich.<br />
Die Betroffenheit und damit<br />
die Einwirkung auf die Durchführungswege<br />
der betrieblichen Altersversorgung<br />
in den Unternehmungen geht von<br />
wenig bis erheblich. So dürfte die Betroffenheit<br />
von Unternehmen in Ländern,<br />
deren betriebliche Altersversorgung ausschließlich<br />
über externe Versorgungsträger<br />
erfolgt und in denen <strong>bei</strong>tragsorientierte<br />
Systeme dominieren, eine andere<br />
sein als dort, wo interne Finanzierung<br />
und Leistungszusagen im Vordergrund<br />
stehen.<br />
Betriebliche Altersversorgung lebt vom<br />
Anreiz. Betriebliche Altersversorgung<br />
sind Kosten, und damit verbunden stellt<br />
sich die Frage, unter welchen flankierenden<br />
Rahmenbedingungen sich diese<br />
Investition rentiert. Machen wir uns<br />
nichts vor: Betriebliche Altersversorgung<br />
ist eine andere Art von Investition bezogen<br />
auf die Zukunft und auf die Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
der Unternehmung. Zwischen<br />
den Polen Treue und Einsatz, Belohnung<br />
und Sicherheit bewegt sich die Betriebsrentenzusage<br />
des Ar<strong>bei</strong>tgebers. Bei Familienunternehmen<br />
ist die Bindungsebene<br />
intensiver als <strong>bei</strong> anonymen Kapitalgesellschaften,<br />
wo nüchterne Zweckorientierung<br />
mit Finanzrisiken einhergeht.<br />
Für die europäischen Entscheidungsträger<br />
muß unumstößlich der Forderungskanon<br />
nach weiterer Vereinfachung,<br />
nach Entbürokratisierung und nach<br />
Abbau von Steuerhemmnissen heißen.<br />
Kostensteigernde Regelungen, wie sie<br />
momentan in dem Richtlinienentwurf<br />
Kommentar
an vielen Stellen vorzufinden sind wie<br />
„Bedingungen für den Erwerb von<br />
Rentenansprüchen“ und „Wahrung<br />
ruhender Rentenansprüche“, schädigen<br />
die betriebliche Altersversorgung. Die<br />
Chance für jene Ar<strong>bei</strong>tnehmer, zu einer<br />
Betriebsrentenzusage zu kommen, wird<br />
deutlich gemindert.<br />
Klim<strong>aba</strong>rometer für die betriebliche<br />
Altersversorgung in Deutschland<br />
erhellt sich<br />
Die Regelungen der Richtlinie in ihrer<br />
aktuellen Ausprägung werden das positiv<br />
aufhellende Klima gegenüber der betrieblichen<br />
Altersversorgung in Deutschland<br />
deutlich eintrüben. Der dringende<br />
Ausbau der Betriebsrentenkomponente<br />
dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
ausfallen, käme die Richtlinie. Dies ist<br />
um so mehr zu bedauern, als die neuen<br />
statistischen Erhebungen zum Verbreitungsgrad<br />
betrieblicher Altersversorgung<br />
in Deutschland erfreulich ausfallen.<br />
Ein Wachstumstrend ist auszumachen,<br />
gleichwohl noch in vielen Teilen der<br />
Privatwirtschaft ein Zuwarten und ein<br />
Abwarten vorherrschen.<br />
Die Rahmenbedingungen sind gewiß in<br />
jüngster Zeit in Deutschland verbessert<br />
worden. Handlungsbedarf besteht fort.<br />
So z.B. in der Fortschreibung der steuer-<br />
und <strong>bei</strong>tragsfreien Entgeltumwandlung<br />
in der Altersvorsorge. Gleichzeitig sollten<br />
sich alle Kräfte darauf konzentrieren,<br />
den erreichten Status quo in der<br />
betrieblichen Altersversorgung nicht in<br />
Frage zu stellen. Der Richtlinienentwurf<br />
wäre ein Rückschlag für die deutschen<br />
Bestrebungen, eine weitgehend flächendeckende<br />
betriebliche Altersversorgung<br />
zu erreichen. Allein der Umstand, daß<br />
die Regelungen der Richtlinie Unternehmenstreue<br />
vollkommen unbeachtet lassen,<br />
führt dazu, daß „nicht betriebstreue<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer“ genauso gestellt werden<br />
wie „betriebstreue Ar<strong>bei</strong>tnehmer“. Aus<br />
personalpolitischer Sicht ist dies mehr als<br />
problematisch. Betriebstreue ist ein Wert,<br />
der in Zukunft wieder an Bedeutung<br />
gewinnen dürfte. In der betrieblichen<br />
Altersversorgung hat Betriebstreue stets<br />
einen fest verankerten Platz gehabt.<br />
Die Bundesregierung wäre gut beraten,<br />
jene einzelnen Maßnahmen des Richtlinienentwurfs<br />
zu Fall zu bringen, zumindest<br />
in ihrer Qualität zu verbessern,<br />
damit die Verbreitung der betrieblichen<br />
Altersversorgung in Deutschland weiter<br />
vorangeht. Das gesetzliche Obligatorium<br />
ist kein Ausweg. Vielmehr ist<br />
die Bundesregierung gefordert, sich auf<br />
EU-Ratsebene dafür einzubringen, dem<br />
Vormarsch der betrieblichen Altersversorgung<br />
langfristig zum Erfolg zu verhelfen.<br />
Die Richtlinie verfehlt dieses Ziel<br />
<strong>bei</strong> weitem.<br />
Kommentar<br />
Betriebliche Altersversorgung kostet<br />
Geld – birgt Risiken<br />
Die Regelungsvorschläge zur „Qualitätsverbesserung“,<br />
wie sie in den Artikeln<br />
4 und 5 der Richtlinie zu finden sind,<br />
haben ihren Preis. Für den Ar<strong>bei</strong>tgeber<br />
wird die betriebliche Altersversorgung<br />
teurer. Die Regelung erweitert den Dotierungsrahmen<br />
unangemessen hoch.<br />
Mehrkostenschätzungen – losgelöst und<br />
unabhängig vom Plantyp der betrieblichen<br />
Altersversorgung – betreffend die<br />
Verkürzung der Unverfallbarkeitsfristen<br />
von fünf auf zwei Jahre bewegen sich<br />
<strong>bei</strong> Unternehmen mit einer hohen Fluktuation<br />
zwischen 15 und 20 Prozent – so<br />
die Ar<strong>bei</strong>tsgemeinschaft für betriebliche<br />
Altersvorsorge (<strong>aba</strong>). Die übrigen Unternehmen<br />
müßten sich auf Mehrkosten<br />
von ca. fünf Prozent einrichten. Sogenannte<br />
„Vergangenheitskosten“, die<br />
einmalig befristet anfallen, sind da<strong>bei</strong><br />
nicht berücksichtigt. Die Mehrkosten im<br />
Zuge der Dynamisierungsregel bewegen<br />
sich sogar <strong>bei</strong> ca. 30 Prozent (weitere<br />
<strong>aba</strong>-Kostenschätzung). Die Auswirkungen<br />
auf die Versorgungswerke der<br />
Unternehmen sind kaum absehbar. Eine<br />
weitere Kostenbelastung käme auch über<br />
den Beitragssatz zur Insolvenzsicherung.<br />
Denn durch die Verkürzung der Unverfallbarkeitszeiten<br />
steigt die Zahl insolvenzpflichtiger<br />
Anwartschaften, was<br />
zu höheren Kosten durch den Pensions-Sicherungsverein<br />
der betrieblichen<br />
Altersversorgung (PSV) führt.<br />
Allein die Kostenbetrachtung führt<br />
zu dem Befund, daß die betrieblichen<br />
Altersversorgungen in den Unternehmen<br />
„auf den Kopf gestellt“ würden. Es<br />
muß unterstellt werden, daß die Unternehmen<br />
über Neuordnungen ihrer Pensionssysteme<br />
nachdenken werden. In<br />
jedem Fall würden die höheren Aufwendungen<br />
mittelfristig auch zu geringeren<br />
Versorgungsleistungen für die Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
führen.<br />
Kommen wir zurück zur Anwartschaftsdynamisierung.<br />
Besonders betroffen<br />
wären Festbetragszusagen, Endgehaltszusagen<br />
und Gesamtversorgungszusagen.<br />
Aber auch Systeme, die mit der<br />
individuellen Gehaltsentwicklung des<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmers verknüpft sind, dürften<br />
erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt<br />
sein. Die angezeigte Zurückhaltung des<br />
deutschen Gesetzgebers <strong>bei</strong> Regelungen,<br />
die über die Sicherung erdienter Anwartschaftsansprüche<br />
hinausgehen, verläßt<br />
die EU-Richtlinie. Somit dürften Streitigkeiten<br />
in den Unternehmen mit ehemaligen<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmern vorprogrammiert<br />
sein, wenn es um die Bemessung der<br />
Faktoren geht, die <strong>bei</strong> der Anwartschaftsdynamisierung<br />
eine Rolle spielen wie<br />
z.B. Gehaltssteigerungen. Eine Rückbesinnung<br />
auf das Wesentliche täte der<br />
EU gut.<br />
Ein weiterer Regelungsblock der Richtlinie<br />
(Artikel 7) beschäftigt sich mit Informationspflichten<br />
des Ar<strong>bei</strong>tgebers. Auch<br />
in diesem Teil argumentiert die EU-<br />
Kommission ausschließlich aus Ar<strong>bei</strong>tnehmersicht<br />
– der Ar<strong>bei</strong>tnehmer als Verbraucher.<br />
Nicht nur, daß die hier eingeforderte<br />
Informationspflicht gegenüber<br />
dem Ar<strong>bei</strong>tnehmer um ein Vielfaches<br />
über dem liegt, was die Pensionsfonds-<br />
Richtlinie in Artikel 11 festschreibt und<br />
über dem deutschen Niveau, welches<br />
§ 4a <strong>BetrAV</strong>G vorschreibt; die Richtlinie<br />
verschärft die Haftungsrisiken des Ar<strong>bei</strong>tgebers<br />
beträchtlich. Verknüpft man die<br />
Auskunftspflicht mit den Regelungen<br />
der Artikel 4 und 5, dann läßt sich erahnen,<br />
welche Risiken auf den Ar<strong>bei</strong>tgeber<br />
zukommen, um den Tatbestand Information<br />
„in leicht verständlicher Form“<br />
auch nur annähernd zu erfüllen.<br />
Deshalb kann hier nur die Forderung lauten:<br />
Auskunftsrecht nur dann, wenn ein<br />
berechtigtes Interesse <strong>bei</strong>m Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
gegeben ist. Grundsätzlich genügt<br />
der Ar<strong>bei</strong>tgeber seiner Auskunftsobliegenheit<br />
dadurch, daß er über die Höhe<br />
des Übertragungswertes den Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
informiert – und nicht mehr.<br />
Konzentration auf das Wesentliche<br />
– Rückbesinnung auf den Grundsatz<br />
der Subsidiarität ist förderlich<br />
Der Richtlinienentwurf behebt nicht<br />
Mobilitätshindernisse, sondern schafft<br />
sie erst. Der Entwurf ist in der jetzigen<br />
Fassung abzulehnen. Der Schaden,<br />
den der Entwurf der 2. Säule zufügt,<br />
ist beträchtlich. Die Kostenexplosion in<br />
den Systemen der betrieblichen Altersversorgung<br />
dürfte mitunter dazu führen,<br />
daß die flächendeckende Verbreitung<br />
der betrieblichen Altersversorgung ausbleibt.<br />
Vielleicht ziehen sich Unternehmen<br />
auch aus der betrieblichen Altersversorgung<br />
zurück. Opfer werden die<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer sein, weil mißverstandene<br />
Detailliebe und falsch gelebte Fürsorge<br />
auf EU-Ebene die Verbreitung der<br />
betrieblichen Altersversorgung hemmt,<br />
anstatt sie „barrierefrei“ zu gestalten.<br />
Selbstbeschränkung wäre hilfreich. Gerade<br />
vor dem Hintergrund der notwendigen<br />
Planungssicherheit in der betrieblichen<br />
Altersversorgung wäre ein Weniger<br />
an Regelungsflut ein Gewinn für alle:<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer und Ar<strong>bei</strong>tgeber. Noch<br />
ist Zeit und Raum, das Dilemma aufzulösen.<br />
Dr. Alexander Kalk,<br />
Geschäftsführer der Clariant<br />
Verwaltungsgesellschaft mbH,<br />
Sulzbach<br />
Betriebliche Altersversorgung 1/<strong>2006</strong><br />
3
Gehört –<br />
Gelesen –<br />
Notiert<br />
Nikolaus Bora<br />
Wenn es in den Gremien der EU um<br />
betriebliche Altersversorgung geht, tun<br />
sich die Beteiligten schwer. Nur Experten<br />
kennen sich wirklich aus. Die Interessen<br />
der Kommission und die der Nationalstaaten<br />
sind meist nicht deckungsgleich.<br />
Und weil die betrieblichen Versorgungssysteme,<br />
wenn überhaupt vorhanden, in<br />
den einzelnen Ländern unterschiedlich<br />
sind, ergeben sich weitere Komplikationen.<br />
Auch die Dolmetscher sind oft<br />
überfordert. Beispielsweise ist der deutsche<br />
„Pensionsfonds“ nicht identisch<br />
mit dem britischen „pension fund“, und<br />
wenn der deutsche Begriff „Unverfallbarkeit“<br />
ins Portugiesische übersetzt wird,<br />
kann der Vertreter Portugals damit gar<br />
nichts anfangen. In der betrieblichen<br />
Altersversorgung seines Landes kennt<br />
man keine Unverfallbarkeit.<br />
Da überrascht es nicht, daß die Ar<strong>bei</strong>tsgruppe<br />
Sozialfragen nicht groß vorangekommen<br />
ist, als sie am 16. Januar die<br />
sogenannte Portabilitätsrichtlinie beraten<br />
hat. „Über die Knackpunkte haben<br />
wir gar nicht diskutiert“, berichtete ein<br />
Teilnehmer. Deutsche und Luxemburger<br />
haben also ihre Bedenken gegen den<br />
Kommissionsentwurf noch nicht vortragen<br />
und unter anderem noch nicht<br />
erläutern können, warum die geplante<br />
Richtlinie den Durchführungswegen<br />
Direktzusage und Unterstützungskasse<br />
schaden würde. Ob das <strong>bei</strong>m nächsten<br />
Treffen am 7. und 8. Februar geschehen<br />
wird, ist unklar. Deutlich geworden ist<br />
jedoch, daß die neuen EU-Mitglieder, die<br />
über keine betriebliche Altersversorgung<br />
verfügen, den Wert einer zweiten Säule<br />
für die Altersversorgung erkannt haben.<br />
Im übrigen stimmen die Mitglieder der<br />
Ar<strong>bei</strong>tsgruppe darin überein, daß die<br />
Richtlinie, so sie denn überhaupt einmal<br />
in Kraft treten wird, völlig anders aussehen<br />
wird als das von der Kommission<br />
vorgelegte Papier.<br />
In der Koalitionsvereinbarung haben<br />
sich Union und SPD darauf verständigt,<br />
Wohneigentum in die staatlich geförderte<br />
Altersvorsorge einzubeziehen. Mit<br />
dieser Frage beschäftigt sich bereits seit<br />
längerem die Projektgruppe „Altersvorsorge<br />
und Wohneigentum“, die im Juli<br />
2004 von den Beteiligten des Strategiedialogs<br />
Bau gegründet worden ist. Als<br />
sich abzeichnete, daß die Eigenheimzulage<br />
auf Dauer keinen Bestand haben würde,<br />
meinten der Hauptverband der deut-<br />
schen Bauindustrie, der Zentralverband<br />
des deutschen Baugewerbes, die Industriegewerkschaft<br />
Bauen-Agrar-Umwelt,<br />
das Bundesministerium für Wirtschaft<br />
und Ar<strong>bei</strong>t und das Bundesministerium<br />
für Verkehr, Bau und Wohnungswesen,<br />
dann müsse die Wohneigentumsförderung<br />
eben mit der privaten und der<br />
betrieblichen Altersvorsorge verzahnt<br />
und so gesichert werden.<br />
Daß das nicht ganz einfach sein würde,<br />
merkten einige Teilnehmer der Projektgruppe<br />
erst relativ spät. In einer Notiz<br />
vom 12. Dezember 2005 heißt es: „Im<br />
Rahmen der Projektgruppe wiesen Baugewerkschaft<br />
und Bauverbände auf die<br />
Schwierigkeiten einer Einbeziehung<br />
des Wohneigentums in die betriebliche<br />
Altersvorsorge hin. Bei den internen<br />
Durchführungswegen Direktzusage und<br />
Unterstützungskasse erscheine eine Verknüpfung<br />
nicht möglich, aber auch <strong>bei</strong><br />
den externen Formen sei sie schwierig zu<br />
bewerkstelligen.“<br />
Diese Schwierigkeiten hat auch die Beratungsgesellschaft<br />
empirica erkannt, die<br />
im Auftrag der Bundesar<strong>bei</strong>tsgemeinschaft<br />
der Familienverbände (BAG) am<br />
25. Januar das Gutachten „Integration<br />
der Wohnimmobilie in die staatlich<br />
geförderte Altersvorsorge“ vorgelegt<br />
hat. Der empirica-Vorschlag beschränkt<br />
sich darauf, Wohneigentum mit der<br />
Riester-Rente zu verknüpfen. Um die<br />
erforderliche nachgelagerte Besteuerung<br />
zu ermöglichen, soll ein „Kapitalstock<br />
zur Kalkulation der nachgelagerten persönlichen<br />
Einkommensbesteuerung“<br />
(KaNaPE) gebildet werden. Die Bemessungsgrundlage<br />
für die Besteuerung soll<br />
von der zentralen Stelle kalkuliert werden.<br />
Dazu wird der dem Riester-Vermögen<br />
entnommene Betrag jedes Jahr<br />
mit einem festgelegten Zinssatz verzinst.<br />
Das Ergebnis soll dem Sparer mitgeteilt<br />
werden, zusammen mit den jährlichen<br />
Informationen zu seinen Ansprüchen an<br />
die gesetzliche Rentenversicherung. So<br />
wisse der Sparer immer, welche Steuerlast<br />
mit Renteneintritt auf ihn zukomme,<br />
heißt es im empirica-Gutachten.<br />
Ob dieses Modell auch mit der betrieblichen<br />
Altersversorgung verknüpft werden<br />
könne, müsse später geprüft werden,<br />
sagte Dr. Reiner Braun, einer der Verfasser<br />
der Studie, zu <strong>BetrAV</strong>. Doch das werde<br />
ganz sicher nicht mehr in dieser Legislaturperiode<br />
geschehen. Herbert Rische,<br />
der Präsident der Deutschen Rentenversicherung<br />
Bund, hält nicht viel von dem<br />
Vorhaben, Wohneigentum in die geförderte<br />
Altersversorgung einzubeziehen. In<br />
einem Interview äußerte er: „Ich bin<br />
skeptisch, ob es hier überhaupt vernünftige<br />
Lösungen geben kann.“<br />
Union und SPD wollen Rentenkürzungen<br />
in dieser Legislaturperiode vermeiden.<br />
Bundessozialminister Franz Müntefering<br />
(SPD) hat am 18. Januar ein „Gesetz<br />
zur Vermeidung von Rentenkürzungen“<br />
angekündigt. Es soll verhindern, daß die<br />
Bezüge der rund 20 Millionen Rentner<br />
<strong>bei</strong> der am 1. Juli anstehenden jährlichen<br />
Rentenanpassung gekürzt werden müssen.<br />
Das wäre nach der geltenden Rentenformel<br />
unvermeidbar, weil die Renten<br />
an die Bruttolöhne gekoppelt und die<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmereinkommen zurückgegangen<br />
sind. Die geltende Sicherungsklausel,<br />
die im vergangenen Jahr verhindert<br />
hat, daß die Altersbezüge herabgesetzt<br />
wurden, greift nur, wenn eine Kürzung<br />
wegen des Nachhaltigkeitsfaktors oder<br />
des Riester-Faktors nötig wäre. Mit diesen<br />
werden die steigende Alterung der<br />
Gesellschaft und die private Altersvorsorge<br />
berücksichtigt.<br />
In Zeiten stärkeren Wirtschaftswachstums<br />
und steigender Reallöhne sollen die<br />
unterlassenen Rentenabschläge durch<br />
die Einführung des „Nachholfaktors“<br />
nachgeholt werden. Das werde aber, so<br />
Müntefering, nicht vor 2010 geschehen.<br />
Bis zum Ende der Legislaturperiode sollen<br />
auch die Beiträge nicht über 19,9 Prozent<br />
steigen. Damit liegt das Risiko möglicher<br />
neuer Löcher in der Rentenkasse<br />
<strong>bei</strong> Bundesfinanzminister Peer Steinbrück<br />
(SPD). Er wird den Bundeszuschuß zur<br />
Rentenkasse, den er ursprünglich einfrieren<br />
wollte, von derzeit jährlich knapp 80<br />
Milliarden Euro erhöhen müssen.<br />
Die Ansprüche künftiger Generationen<br />
seien bereits beschnitten worden,<br />
kommentierte die FINANCIAL TIMES<br />
DEUTSCHLAND am 19. Januar, den<br />
Rentnern dagegen gehe es immer noch<br />
recht gut: „Durch den sogenannten<br />
Riester-Abschlag und einen Nachhaltigkeitsfaktor<br />
wird ihr Rentenanstieg zwar<br />
gedämpft. Schon jetzt gilt aber, daß diese<br />
Faktoren nicht zur Kürzung laufender<br />
Renten führen dürfen. Diese Klausel griff<br />
zuletzt auch. Die Rentenfinanzen liegen<br />
deshalb bereits wieder unter dem<br />
langfristigen Plan. Das einzige Restrisiko<br />
einer Kürzung, das die heutigen Rentner<br />
bisher tragen, ist das immanente Risiko<br />
eines Systems, das Rentner am allgemeinen<br />
Lohnzuwachs teilhaben lassen will:<br />
Sinken die Löhne einmal, dann dürfen,<br />
ja dann müssen, auch die Renten sinken.<br />
Daß eine Minusrunde <strong>bei</strong> den Lohnempfängern<br />
auch das Portemonnaie der<br />
Rentner belastet, findet Schwarz-Rot<br />
nun unzumutbar. Seit einst Norbert Blüm<br />
Plakate klebte, war Rentenpolitik nicht<br />
mehr so populistisch.“<br />
Nach Ansicht der Bundesvereinigung der<br />
Deutschen Ar<strong>bei</strong>tgeberverbände (BDA)<br />
ist die Entscheidung der Bundesregierung<br />
falsch. Der Deutsche Industrie- und<br />
Handeskammertag (DIHK) warnte, das<br />
Gesetz zur Vermeidung von Rentenkürzungen<br />
werde zu höheren Beitragssätzen<br />
4 Betriebliche Altersversorgung 1/<strong>2006</strong> Gehört – Gelesen – Notiert
führen. „Das würde erneut Jobs gefährden,<br />
weil die bereits jetzt zu hohen<br />
Lohnzusatzkosten nochmals steigen“,<br />
sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin<br />
Wansleben. Über weitere Reaktionen<br />
informierte die Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung am 20. Januar: „Der Sozialverband<br />
Deutschland hält den von der Bundesregierung<br />
geplanten ,Nachholfaktor’<br />
<strong>bei</strong> der Rente für verfassungsrechtlich<br />
bedenklich… Mit dem Nachholfaktor<br />
drohten den Rentnern dauerhafte Nullrunden,<br />
erklärte der Verband in Berlin.<br />
Er verwies auf eine Entscheidung des<br />
Bundesverfassungsgerichts von 2002,<br />
nach der die Eigentumsgarantie des<br />
Grundgesetzes verletzt sei, wenn Rentenanpassungen<br />
trotz steigender Löhne<br />
dauerhaft unter der Inflationsrate lägen.<br />
Die Rentenversicherer lobten derweil die<br />
Entscheidung der Bundesregierung, den<br />
Bundeszuschuß zur Rente nicht auf der<br />
derzeitigen Höhe von knapp 80 Milliarden<br />
Euro ,einzufrieren’, wie noch im<br />
Koalitionsvertrag angekündigt.“<br />
Immer mehr Bundesbürger erkennen,<br />
daß sie zusätzlich fürs Alter vorsorgen<br />
müssen. Die Allianz, Marktführer im<br />
Versicherungsbereich, meldet für das<br />
Jahr 2005 knapp 200.000 neue Verträge<br />
zur Riester-Rente. Doch damit liegt sie<br />
nicht mehr an der Spitze. Mit Union<br />
Investment, der Fondsgesellschaft der<br />
Volks- und Raiffeisenbanken, hat erstmals<br />
eine Fondsgesellschaft die Versicherungsunternehmen<br />
überrundet. Union<br />
Investment hat nach eigenen Angaben<br />
im vergangenen Jahr 245.000 Neukunden<br />
für die Riester-Rente gewonnen. Die<br />
anderen Fondsgesellschaften aber sind<br />
weit hinter dieser Zahl zurückgeblieben.<br />
Von den bisher insgesamt rund fünf<br />
Millionen abgeschlossenen Riester-Verträgen<br />
entfallen darum lediglich um die<br />
zehn Prozent auf die Fondsbranche.<br />
Daß die Zahl der Vorsorgeverträge steigt,<br />
sehen auch die Politiker. Doch sie meinen<br />
– zu Recht –, es könnten noch<br />
erheblich mehr Abschlüsse sein. Hinter<br />
den Kulissen wird darum weiter über ein<br />
Obligatorium und immer häufiger auch<br />
über verschiedene sogenannte Opting-<br />
Out-Modelle diskutiert. Es sei vernünftig,<br />
darüber nicht vor 2007 zu entscheiden,<br />
meinte der Präsident der Deutschen Rentenversicherung<br />
Bund, Herbert Rische, in<br />
einem Zeitungsinterview.<br />
Die Europäische Kommission hat<br />
Deutschland aufgefordert, die Rechtsvorschriften<br />
über die Riester-Förderung<br />
zu ändern. Denn nach ihrer Auffassung<br />
sind drei Beschränkungen für die Gewährung<br />
der Zulage nicht mit dem Gemeinschaftsrecht<br />
vereinbar:<br />
– Zulageberechtigt ist nur, wer in<br />
Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig<br />
ist. Gebietsfremde Ar<strong>bei</strong>tnehmer,<br />
die weniger als 90 Prozent ihres<br />
Gehört – Gelesen – Notiert<br />
Familieneinkommens in Deutschland<br />
verdienen, können keine Zulage erhalten,<br />
obwohl sie Sozialversicherungs<strong>bei</strong>träge<br />
in Deutschland entrichten.<br />
– Das durch die Zulage geförderte Kapital<br />
darf nur für den Erwerb selbstgenutzten<br />
Wohneigentums verwendet<br />
werden, wenn dieses in Deutschland<br />
liegt. Dies bedeutet, daß Grenzgänger<br />
mit ihrem Sparkapital kein Wohneigentum<br />
in ihrem Wohnsitzland<br />
erwerben dürfen.<br />
– Wenn die unbeschränkte Steuerpflicht<br />
endet, muß die Zulage zurückgezahlt<br />
werden. Dies ist in der Regel der Fall,<br />
wenn Wanderar<strong>bei</strong>ter nach dem Ausscheiden<br />
aus dem Erwerbsleben in ihr<br />
Heimatland zurückkehren. Es kann<br />
aber auch Deutsche betreffen, die als<br />
Rentner im Ausland leben.<br />
Komme man den Wünschen der Kommission<br />
nach, laufe es darauf hinaus, daß<br />
Deutschland fördere und andere Staaten<br />
später die Steuern kassierten, verlautet<br />
aus dem Bundesfinanzministerium. Darum<br />
werde nichts geändert. Es wird also<br />
zu einem Prozeß vor dem Europäischen<br />
Gerichtshof kommen.<br />
Im Juni vergangenen Jahres hat der Deutsche<br />
Bundestag mit rot-grüner Mehrheit<br />
das Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet.<br />
Weil der vom Bundesrat angerufene<br />
Vermittlungsausschuß zu keinem<br />
Ergebnis gekommen ist, ist die Vorlage<br />
der Diskontinuität anheim gefallen. Jetzt<br />
haben die Grünen ihren Gesetzentwurf<br />
zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien<br />
erneut in den<br />
Bundestag eingebracht. Die Wochenzeitung<br />
Das Parlament schrieb darüber am<br />
16. Januar: „Die Fraktion betont, der<br />
Entwurf nähere sich dem gesetzlichen<br />
Diskriminierungsschutz ,sehr zurückhaltend’,<br />
er bewege sich in seinen Instrumenten<br />
am ,unteren Rand dessen, was<br />
durch die vier EU-Richtlinien gegen Diskriminierung<br />
vorgegeben’ sei. Die Bündnisgrünen<br />
weisen in diesem Zusammenhang<br />
darauf hin, die Interessenverbände,<br />
die sich in diesem Bereich engagierten,<br />
forderten vielfach weitergehende Regelungen<br />
ein.“<br />
Der Entwurf der Grünen geht weit über<br />
die Brüsseler Vorgaben hinaus. Dem werde<br />
sie nicht zustimmen, hat die Union<br />
bereits im vergangenen Jahr erklärt. In<br />
der Bundestagsdebatte am 20. Januar<br />
hat sich der CDU-Abgeordnete Jürgen<br />
Gehb erneut für eine „möglichst enge<br />
Umsetzung“ der Europäischen Vorgaben<br />
ausgesprochen. Da die Sozialdemokraten<br />
derzeit noch an dem alten rot-grünen<br />
Entwurf festhalten, werden die Koalitionspartner<br />
schnell nach einer Lösung<br />
suchen müssen. Die Zeit drängt, denn<br />
die Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinien<br />
ist abgelaufen und Deutschland<br />
drohen Strafzahlungen.<br />
Nach Berechnungen der Wiesbadener<br />
Unternehmensberatung Dr. Dr. Heissmann<br />
sind die Pensionslasten der<br />
30 Dax-Unternehmen von zuletzt über<br />
200 Milliarden Euro im Geschäftsjahr<br />
2005 um sieben bis zehn Prozent gestiegen.<br />
Denn in die Berechnungen müsse<br />
ein niedrigerer Zinssatz einfließen als<br />
2004.<br />
Zwei Drittel der Dax-Unternehmen<br />
haben übrigens ihre Pensionslasten<br />
bereits ausgegliedert, weil die großen<br />
Rating-Agenturen wie Standard & Poor’s,<br />
Moody’s oder Fitch in den Pensionsverpflichtungen<br />
einen Malus für die Bewertung<br />
sehen. Am 16. Januar meldete die<br />
FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND,<br />
auch die genossenschaftliche DZ Bank<br />
plane, die Betriebsrenten auszulagern<br />
und hoffe auf ein besseres Rating. Bei<br />
dem in Frage stehenden Volumen gehe<br />
es um einen Betrag in der Größenordnung<br />
von 1 Milliarde Euro: „In der Branche<br />
gilt es als wahrscheinlich, daß die DZ<br />
Bank <strong>bei</strong> der Auslagerung ihrer Pensionsverpflichtungen<br />
eine Treuhandlösung,<br />
ein sogenanntes Contractual Trust Agreement<br />
(CTA) wählen wird. Die Alternative<br />
wäre ein Pensionsfonds… Mit der Verlagerung<br />
der Pensionsverpflichtungen<br />
gegenüberstehenden Vermögenswerte in<br />
den Treuhandfonds wäre die DZ Bank<br />
zwar wirtschaftlich entlastet, aber nicht<br />
von der Haftung für die Einhaltung der<br />
Pensionszusagen freigestellt. Sollte der<br />
Fonds nicht die zur Bedienung der Pensionszusagen<br />
notwendige Rendite erzielen,<br />
müßte die Bank nachschießen.“<br />
Mitte Januar gab die Frankfurter BHF-<br />
Bank ebenfalls bekannt, sie gliedere ihre<br />
Pensionsverpflichtungen in einen Treuhandfonds,<br />
ein CTA, aus. Da<strong>bei</strong> geht<br />
es, wie ein Sprecher der Bank sagte, um<br />
165 Millionen Euro. Frankfurt Trust, die<br />
Fondstochter der Bank, wird 160 Millionen<br />
Euro davon verwalten.<br />
Bei diesen Auslagerungen bleiben die<br />
Ansprüche der Mitar<strong>bei</strong>ter erhalten, und<br />
in der Regel ändert sich auch an der<br />
Höhe künftiger Betriebsrenten nichts.<br />
Anders sieht es <strong>bei</strong> IBM Deutschland aus.<br />
Die deutsche Zentrale des Computerkonzerns<br />
verhandelt mit dem Betriebsrat über<br />
eine Kürzung der betrieblichen Altersvorsorge.<br />
Bereits erworbene Ansprüche<br />
für aktive und ehemalige Mitar<strong>bei</strong>ter<br />
blieben unberührt, versicherte die Unternehmensleitung.<br />
Betroffen sind darum<br />
rund 11.000 Mitar<strong>bei</strong>ter, also etwa die<br />
Hälfte der derzeit Aktiven. Ihre künftigen<br />
Ansprüche sollen niedriger ausfallen. Das<br />
deutsche Tochterunternehmen folgt dem<br />
amerikanischen Mutterkonzern. Der hat<br />
angekündigt, sein 48 Milliarden Dollar<br />
teures Pensionsprogramm im Jahr 2008<br />
einzufrieren und den derzeit 117.000<br />
Mitar<strong>bei</strong>tern Lohnzuschläge für ihre private<br />
Altersvorsorge zu zahlen.<br />
Betriebliche Altersversorgung 1/<strong>2006</strong><br />
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