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Gedanken zur neuzeitlichen Entwicklung der ... - Kunstlexikon Saar

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1<br />

Martin Klewitz<br />

<strong>Gedanken</strong> <strong>zur</strong> <strong>neuzeitlichen</strong> <strong>Entwicklung</strong> <strong>der</strong> Hospitalbauten<br />

am Beispiel des Universitätsklinikums in Homburg /<strong>Saar</strong><br />

Widmung<br />

Im Frühjahr 1948 stellte Professor Dr. Oskar Schürer mich, den jungen Diplom-Ingenieur, ein<br />

als seinen zweiten Assistenten an das Kunsthistorische Institut <strong>der</strong> Technischen Hochschule<br />

Darmstadt. Der erste Assistent war damals Dr. J. A. Schmoll genannt Eisenwerth. Auf ihm<br />

lag, da Prof. Schürer schwer erkrankt war, die wesentliche Last <strong>der</strong> Vorlesungs- und<br />

Seminartätigkeit, und ich habe mich unter seiner Anleitung in meine neue Aufgabe<br />

eingearbeitet. Damit begann eine durch eineinhalb Jahrzehnte währende Zusammenarbeit,<br />

<strong>der</strong> ich ungewöhnlich viel zu verdanken habe, ja, recht besehen, alle wesentlichen<br />

Weichenstellungen meines beruflichen Werdeganges. Als nach dem Tode von Prof. Oskar<br />

Schürer 1949 Prof. Dr. Hans Gerhard Evers die Nachfolge auf dem Lehrstuhl antrat, konnte<br />

Dr. Schmoll g. E. seine Habilitation mit Energie vorantreiben. Die neu gegründete Universität<br />

<strong>Saar</strong>brücken berief ihn, und er baute dort das kunstgeschichtliche Institut auf. Er war es, <strong>der</strong><br />

mich nach meiner Promotion in Darmstadt empfahl für die Assistentenstelle am Staatlichen<br />

Konservatoramt des <strong>Saar</strong>landes. Ich habe bei ihm in den ersten vier Jahren neben dieser<br />

Tätigkeit noch Vorlesungen und Seminare belegt und so Wissen und Schauen vertieft. Ich war<br />

sein Schüler. Er war es, <strong>der</strong> mir in diesen Jahren persönlich und fachlich <strong>zur</strong> Seite stand, als<br />

ich die schwierigen Aufgaben des denkmalpflegerischen Wie<strong>der</strong>aufbaues im kriegszerstörten<br />

Lande zu bewältigen hatte, zunächst als Assistent, dann als Abteilungsleiter und ab 1964 als<br />

Landeskonservator. Es waren schöne Jahre, in denen ich reifte. Schön, denn es war nicht<br />

einfach das Verhältnis Lehrer und Schüler, es war freundschaftliche Verbundenheit <strong>der</strong><br />

Familien. 1962 folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl für Kunstgeschichte an <strong>der</strong> Technischen<br />

Universität München. Die enge Zusammenarbeit konnte nicht bleiben, die freundschaftliche<br />

Verbundenheit aber blieb. Und sie war da, jedes Mal, wenn wir uns begegneten.<br />

Für die lange treue Verbundenheit danke ich Ihnen, lieber Herr Professor Dr. Schmoll gen.<br />

Eisenwerth von Herzen. Ich verbinde diesen Dank mit guten Wünschen für das vor Ihnen<br />

liegende Lebensjahrzehnt.<br />

Die pfälzische Heil- und Pflegeanstalt und das Landeskrankenhaus Homburg /<strong>Saar</strong><br />

Das Universitätsklinikum <strong>der</strong> Universität <strong>Saar</strong>brücken entstand nach dem zweiten Weltkrieg<br />

in Homburg auf dem Gelände des dortigen Landeskrankenhauses. Die Geschichte dieser<br />

Anstalt spiegelt in ihren Bauten ein Stück neuzeitliche Gesundheitsgeschichte wi<strong>der</strong>.<br />

Das Hospitalwesen des Abendlandes war im Mittelalter religiös und nicht medizinisch<br />

begründet. Krankheiten waren eine Schickung und Prüfung durch Gott. In <strong>der</strong> Krankheit<br />

konnte man seine Standfestigkeit im Glauben beweisen, bis in den Tod. So war die Pflege von<br />

Kranken ein Gott wohlgefälliges Werk. Die Adligen und das reiche Bürgertum wetteiferten<br />

im Stiften von Hospitälern und Altenhospizen. Es sind zum Teil große und aufwendige<br />

Anlagen, berühmt unter den erhaltenen Anlagen, etwa das Hospital in Beaune (Burgund) und<br />

die Fuggerei in Augsburg. Orden nahmen sich <strong>der</strong> Krankenpflege an. Die Kreuzritter machten<br />

sich auch die Krankenpflege zu ihrer Aufgabe. Die Deutschritter-Kommende in <strong>Saar</strong>brücken<br />

hatte in ihrer Burganlage ein solches Hospital, das sich erhalten hat, die sogenannte


2<br />

„Deutschherrenkapelle“ 1 . Wichtigstes Ausstattungsstück eines solchen mittelalterlichen<br />

Krankensaales war <strong>der</strong> Altar. Die Aussicht, gesund zu werden im Hospital, war in den<br />

meisten Fällen gering. Die ärztliche Kunst war minimal und die Kenntnis des Körpers durch<br />

das religiöse Verbot anatomischer Studien sehr eingeschränkt. Die Diagnose ergab <strong>der</strong><br />

Augenschein, als Heilmittel hatte man Pülverchen, Kräutersude und Kräutersalben, Bä<strong>der</strong>,<br />

Inhalationen und auch Amputationen. Kranke gingen in ein Hospital zumeist nicht in <strong>der</strong><br />

Erwartung, gesund zu werden, son<strong>der</strong>n um selig zu sterben in <strong>der</strong> Nähe des Altares. Die<br />

<strong>Entwicklung</strong> <strong>der</strong> Heilkunst seit <strong>der</strong> Renaissance ging langsam, sie zog sich über Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

und das Hospitalwesen än<strong>der</strong>te sich kaum.<br />

Keine Heilungsmöglichkeiten gab es für Geisteskranke. Für sie gab es keine Hospitäler. Sie<br />

wurden zu Hause versorgt. In manchen Städten gab es Narrenhäuser, in denen die<br />

Geisteskranken unter Verschluss gehalten wurden. Erst in <strong>der</strong> französischen Revolution erließ<br />

das Directoire in Paris die Anordnung, dass es Aufgabe des Staates sei, auch für die Irren<br />

menschenwürdig zu sorgen. Auf Grund dieser Anordnung entstand 1809 – 1811 in<br />

Frankenthal das erste Irrenhaus in <strong>der</strong> Pfalz, dem damaligen Departement Mont tonnere. Dort<br />

bestand eine Mehrzweckeinrichtung, das „Depot de Medicité“. Es war eine Art Armenhaus<br />

o<strong>der</strong> Obdachlosenheim. Die Insassen wurden dort zwangsverwahrt, und die Einrichtung<br />

unterstand <strong>der</strong> Polizei. Die Gebäude waren Teile des ehemaligen Franziskanerklosters und <strong>der</strong><br />

ehemaligen Porzellanmanufaktur des Kurfürsten Karl Theodor. Hierhin kamen nun auch die<br />

Geisteskranken, die Irren und Wahnsinnigen. Die sanitären Verhältnisse waren schlecht, die<br />

für die Polizei schriftlich festgelegten Heilmethoden waren „Ordnung, Zucht, Arbeit und<br />

Hunger“. Ordnung, Zucht und Arbeit sind immerhin verständlich, aber wieso Hunger? Man<br />

ernährte die Irren ganz knapp, damit sich ihr Geist immer nur darauf ausrichtete, wie<strong>der</strong> etwas<br />

zu essen zu bekommen, und sie dadurch von ihren Wahnvorstellungen ferngehalten würden.<br />

Natürlich hatte man auch Gewaltmittel <strong>zur</strong> Verfügung: Zwangsjacken, Fesselungen ans Bett.<br />

So also fing die menschenwürdige Betreuung <strong>der</strong> Geisteskranken in <strong>der</strong> Pfalz an. Hier muss<br />

allerdings gesagt werden, dass diese Regelung nur zehn Jahre Bestand hatte. Dann wurde für<br />

die Leitung <strong>der</strong> Anstalt ein Arzt eingesetzt. Dieser wies auf die gesetzliche Grundlage <strong>der</strong><br />

Verwahrung hin, auf jenen Beschluss des Directoire, <strong>der</strong> die Respektierung <strong>der</strong><br />

Menschenwürde verlangte. Er ersetzte die vorgenannten Grundsätze <strong>der</strong> Pflege durch<br />

„Ordnung, Milde, Reinlichkeit und Arbeit“. Die Kreispflegeanstalt Frankenthal war die<br />

einzige Einrichtung dieser Art in <strong>der</strong> nunmehr bayerischen Pfalz bis 1857. In dieser Zeit nahm<br />

die Zahl <strong>der</strong> Pflegeinsassen ständig zu. Die Obdachlosen und Vagabunden wurden<br />

an<strong>der</strong>weitig versorgt. Es wurden ergänzende und erweiternde Bauten hinzugefügt. Aber es<br />

blieb sehr schwierig. Überfüllung mit Patienten und eine zu geringe Zahl von Pflegern blieb<br />

das Problem.<br />

1857 konnte in Klingenmünster eine zweite Anstalt ihre Türen offnen. Es war ein Neubau,<br />

und er war von vornherein auf die Bedürfnisse <strong>der</strong> Geisteskranken eingerichtet. In<br />

landschaftlich sehr schöner Lage in den Weinbergen am Hang des Pfälzer Waldes bot <strong>der</strong><br />

Neubau den Patienten genügend Raum zum Leben und zu Beschäftigungen. Es war die Zeit,<br />

in <strong>der</strong> man die Geisteskranken nun als Menschen achten wollte. Es sei nur daran erinnert, dass<br />

in Frankfurt <strong>der</strong> Arzt Heinrich Hoffman neue Grundsätze entwickelte und dort eine<br />

entsprechende Einrichtung leitete. Er wurde bekannt als Verfasser des ersten wirklichen<br />

Kin<strong>der</strong>buches, <strong>der</strong> „Struwwelpeter“. So entstanden in jenen Jahren um 1860 in vielen<br />

deutschen Län<strong>der</strong>n Landessheilanstalten. Preußen errichtet damals in <strong>der</strong> Rheinprovinz<br />

mehrere solche Anstalten. Zu ihnen gehört in unserer Region die Landesheilanstalt in Merzig<br />

(<strong>Saar</strong>) 1872 - 1876 2 . Es war eine von fünf gleichzeitig und nach völlig gleichartigen<br />

1 Hierzu Martin Klewitz: „das Deutschherrenhaus in <strong>Saar</strong>brücken“ in „<strong>Saar</strong>brücken – 50 Jahre Großstadt“<br />

im Selbstverlag <strong>der</strong> Stadt <strong>Saar</strong>brücken 1959 S. 60 f.<br />

2 Hierzu Unterlagen beim Staatlichen Konservatoramt (unveröffentlicht).


3<br />

Grundgedanken entworfenen und erbauten Kliniken 3 . Für uns Heutige erinnert <strong>der</strong> Typus<br />

wohl nicht zufällig an Militärkasernen. Von dort hatte man Erfahrungen, einer größeren<br />

Personenzahl übersichtlich Wohnraum für längere Zeit zu schaffen; und „Ordnung“ gehört ja<br />

in beiden Bereichen zu den Grundsätzen. Es sind Bauten, die sich bis in die Gegenwart<br />

bewährt haben. Klingenmünster ist bis heute voll in Nutzung, Merzig noch in einem Teil.<br />

Auch Klingenmünster war bald voll belegt, obwohl Frankenthal weiter bestand. Und – bei<br />

wachsenden Bevölkerungszahlen – waren beide Landeskliniken auch bald wie<strong>der</strong> weit<br />

überbelegt.<br />

Eine weitere Anstalt war von Nöten. 1903 wird beschlossen, in <strong>der</strong> bayerischen Pfalz neben<br />

Frankenthal und Klingenmünster eine dritte Landespflegeanstalt ein<strong>zur</strong>ichten. Man studiert<br />

die neueren <strong>Entwicklung</strong>en in Bayern und in an<strong>der</strong>en deutschen Staaten und sucht nach einem<br />

geeigneten Gelände: es soll genügende Größe haben, sodass ein Gutshof für die Arbeit <strong>der</strong><br />

Patienten geplant werden kann, landschaftlich schön gelegen. Es soll möglichst im Westen<br />

<strong>der</strong> Pfalz gelegen sein, da für die Vor<strong>der</strong>pfalz ja Frankenthal und Klingenmünster vorhanden<br />

sind. So fällt 1904 die Wahl auf Homburg 4 . Das Gelände schenkt die Stadt Homburg dem<br />

Staat Bayern für diesen Zweck. Man hält Ausschau nach einem geeigneten Architekten für<br />

das große Vorhaben. Immerhin soll die Anstalt für 1000 Patienten eingerichtet werden, wobei<br />

davon ausgegangen wird, dass die neue Anlage in Homburg aus den überfüllten Anstalten in<br />

Frankenthal und Klingenmünster etwa 500 – 600 Patienten übernehmen wird. Den Auftrag<br />

erhält <strong>der</strong> damalige Regierungsbauassessor, später Regierungsbauamtmann Heinrich Ullmann<br />

in Speyer. Für den eigentlichen Bereich <strong>der</strong> Pflegebauten stehen 30 Hektar <strong>zur</strong> Verfügung.<br />

Für den Arbeitsbereich <strong>der</strong> Patienten, den Gutshof stehen <strong>zur</strong> Verfügung 220 Hektar Wald,<br />

70 Hektar Acker, 20 Hektar Wiesen und 4 Hektar für die Gärtnerei. Das große Areal,<br />

insgesamt 350 Hektar, das auf diese Weise <strong>der</strong> damaligen Heil- und Pflegeanstalt Homburg<br />

<strong>zur</strong> Verfügung stand, ist damit Grundlage für die Entfaltung des heutigen<br />

Universitätsklinikum geblieben.<br />

Die Konzeption von Heinrich Ullmann<br />

Aufgelockert in die hügelige Landschaft und in die Grünanlagen sieht Ullmann insgesamt 49<br />

Gebäude vor (Abb. 1 Plan des Geländes mit <strong>der</strong> gegenwärtigen Bebauung und Abb. 1a<br />

Legende am Schluss des Aufsatzes). Wesentliches Anliegen ist es, den Patienten ein<br />

menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Schon <strong>der</strong> Begriff „Heil- und Pflegeanstalt“ lässt<br />

erkennen, dass es nicht um Verwahrung geht son<strong>der</strong>n auch um Heilen und Helfen. Gedacht ist<br />

dabei an Langzeitpatienten, bei denen die Heilung nicht schnell vonstatten geht. Es ist nicht<br />

nur an psychisch Kranke gedacht, son<strong>der</strong>n auch an an<strong>der</strong>e Pflegepatienten, Gelähmte,<br />

Taubstumme. Sie sollen alle, wenn nicht heilbar, so doch ein zufriedenes Leben haben<br />

können. Arbeit soll ihnen ermöglicht werden. Auch die Arbeit gehört für Ullmann <strong>zur</strong><br />

Menschenwürde. Wie richtig das war, erfahren wir gegenwärtig angesichts <strong>der</strong> Millionenzahl<br />

unserer Langzeitarbeitslosen. Zur Menschenwürde gehört das Recht auf einen nützlichen<br />

Platz in <strong>der</strong> Gesellschaft. So ist <strong>der</strong> große Gutshof dafür bestimmt, den Patienten die<br />

Möglichkeit zu bieten, angemessen erfolgreiche Arbeit zu leisten.<br />

3 Auch die Landesklinik in Bonn gehörte zu dieser Gruppe. Ein Ärztin aus Merzig erzählte mir , wenn sie<br />

in Bonn zu tun habe, sei sie jedes Mal beeindruckt, wie gleichartig die Kliniken in Merzig und Bonn<br />

konzipiert seien, sodass sie dort keine Orientierungsschwierigkeiten habe.<br />

4 Zur Gründung <strong>der</strong> Landespflegeanstalt in Homburg (mit ausführlicher Baubeschreibung): „Denkschrift<br />

<strong>zur</strong> Errichtung <strong>der</strong> Pfälzischen Heil und Pflegeanstalt“, herausgegeben vom Kreise Pfalz, Speyer 1916.<br />

Nachdruck durch die Universitätskliniken des <strong>Saar</strong>landes .1989


4<br />

Abb.2 Geb. 93 Wohnheim<br />

Die Wohnbauten für die Patienten sind Landhäuser – getrennt für „ruhige“ und für „unruhige“<br />

Patienten (Abb. 2), für Taubstumme, für Gelähmte. Es sind Bauten für den Direktor, die<br />

Ärzte, die Beamten und das Pflegepersonal da. Es gibt eine Kirche, einen Festsaal,<br />

Verwaltungsgebäude, Behandlungseinrichtungen, einen Friedhof mit Aussegnungskapelle,<br />

sodann geson<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Gutshof mit Stallungen, Scheunen und allem was dazu gehört, eine<br />

Gärtnerei, schließlich Versorgungsbetriebe wie etwa eine Großküche und eine Großdampfwäscherei.<br />

Es war ein kleiner in sich autarker Kosmos, und, wie gesagt, etwa 1000 Patienten<br />

lebten hier. Welch ein gewaltiger Fortschritt, auch gegenüber den Einrichtungen aus <strong>der</strong> Mitte<br />

des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts! 1922 wurde im Gelände <strong>der</strong> Anstalt ein Landeskrankenhaus zusätzlich<br />

für allgemeine Erkrankungen errichtet und die Heil- und Pflegeanstalt, Teil des<br />

Landeskrankenhauses. Mit <strong>der</strong> Gründung des <strong>Saar</strong>landes übernahm 1947 dann das<br />

Landeskrankenhaus in Merzig die Versorgung <strong>der</strong> psychisch Kranken des Landes.<br />

Zur baugeschichtlichen Einordnung <strong>der</strong> Bauten von Ullmann 5 : In dem als repräsentativer Bau<br />

des Ensembles erstellten Festhalle verwendet er Jugendstilformen (Abb. 3).<br />

Abb. 3 Geb. 34 Festhalle (heute Bibliothek)<br />

5 Ausführlich beschäftigt sich mit den Bauten von Ullmann, ihren Stilformen und dem Denkmalschutz<br />

<strong>der</strong> erhaltenen Gebäude Volkmar Dietsch: „Architektur und Denkmalpflege. Der Campus Homburg <strong>der</strong><br />

Universität des <strong>Saar</strong>landes“ in „Kunst im öffentlichen Raum“ Bd. 2 Universität des <strong>Saar</strong>landes 1945 –<br />

1999, Herausgegeben von Jo Enzweiler, Institut für aktuelle Kunst im <strong>Saar</strong>land an <strong>der</strong> Hochschule für<br />

bildende Künste <strong>Saar</strong>. S.75 ff.


5<br />

Sie ist ein ansprechendes, aber kein herausragendes Gebäude, den Detailformen mangelt die<br />

Eleganz. Der zweite wichtige Bau, die Anstaltskirche ist kein Jugendstilbau, sie ist<br />

Historismus (Abb.4).<br />

Abb.4 Geb. 55 Kirche<br />

Für sie gilt das gleiche: auch die Kirche ist kein herausragendes Beispiel des Historismus.<br />

Und die Wohnbauten sind we<strong>der</strong> Jugendstil noch Historismus, es sind einfache ländliche<br />

Gebäude. Man wird mit diesen Stileinordnungen <strong>der</strong> Anlage im ganzen nicht gerecht. Aber<br />

damit ist sie gerade charakteristisch für das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, in <strong>der</strong> sich<br />

sehr Verschiedenes zusammendrängt. Es ist die Zeit des auslaufenden Historismus, die vor<br />

allem in den Monarchien Deutschlands als offizielle Staatskunst vertreten wird, wie in<br />

Preußen und Bayern etwa. Charakteristisch ist für diese Spätphase, das nun auch das Barock<br />

als historisch wertvolle Formensprache Eingang findet. Man baut nicht mehr säuberlich<br />

gotisch, renaissance o<strong>der</strong> barock, son<strong>der</strong>n man mischt Formen aus verschiedenen Epochen zu<br />

einem eigenwilligen Historismus. Dabei ist zu beobachten, dass auch Regionales Eingang<br />

findet, etwa durch Verwendung des in <strong>der</strong> Landschaft üblichen Fachwerks. Dietsch spricht<br />

vom „Altdeutschen Stil“ 6 . Für diese Richtung wird neuerdings <strong>der</strong> Begriff des „Heimatstil“<br />

vorgeschlagen 7 . Ich meine das, was dieser Begriff beinhaltet, deckt gut die Gesinnung aus <strong>der</strong><br />

Ullmann seine Heil- und Pflegeanstalt gestaltet. So löst er seine große Bauaufgabe in kleine<br />

gefällige Bauten auf, eingeschmiegt ins Gelände. Das Bemühen, den Langzeitpatienten <strong>der</strong><br />

Nervenkliniken dort ein Heimatgefühl zu vermitteln ist nicht nur spürbar son<strong>der</strong>n sicher auch<br />

wirksam geworden. Der sich so ausdrückende Gestaltungswillen ist auch eine geistige<br />

Strömung jener Zeit, die weit ins 20. Jahrhun<strong>der</strong>t hinein gewirkt hat: die Neuromantik, die<br />

damals entstehende Wan<strong>der</strong>vogelbewegung, die Reformkleidung, mit <strong>der</strong> man versuchte, den<br />

6 Dietsch a.a.O. S.78. Er weist für die Einbindung <strong>der</strong> Bauten in die Landschaft auf englische Vorbil<strong>der</strong><br />

und die Dresdener Gartenstadt.<br />

7 Niels Wilcken: „Architektur im Grenzraum. Das öffentliche Bauwesen in Elsaß-Lothringen 1871 –<br />

1918.“ Veröffentlichungen des Institutes für Landeskunde im <strong>Saar</strong>land., Bd. 38. Der Verfasser<br />

verwendet den Begriff mehrfach und ausführlich, z. B. im Abschnitt 15.8 „Der Heimatstil in<br />

Lothringen“ S. 238 ff.


6<br />

unnatürlichen Einschnürungen damaliger Mode ein Ende zu bereiten. Vom Jugendstil und<br />

Historismus unterscheidet sich <strong>der</strong> Heimatstil durch den schlichteren Anspruch. Ullman hat in<br />

dieser Formensprache ein einmaliges Ensemble geschaffen, ein Zusammenklingen von<br />

Zweck und Gestalt. Ich wüsste kein Vergleichbares zu nennen.<br />

Die Versorgung und Pflege psychisch Kranker nach 1947<br />

Bevor ich auf die Gründung des Universitätsklinikums in Homburg eingehe, seien einige<br />

<strong>Gedanken</strong> über die <strong>Entwicklung</strong> <strong>der</strong> Versorgung psychisch Kranker nach dem zweiten<br />

Weltkrieg in dem Westpfälzischen Raum geäußert. Wie erwähnt, wurde nach Gründung des<br />

<strong>Saar</strong>landes als selbständiges Gebiet, die Langzeitbetreuung im Landeskrankenhaus Merzig,<br />

<strong>der</strong> früheren preußischen Provinzialanstalt zusammengeführt. Die Homburger Anstalt wurde<br />

Universitätsklinikum. Innerhalb dieses Klinikums gibt es eine Psychiatrie, die jedoch keine<br />

Langzeitpflegeaufgaben hatte, und für diese wurde eine den verän<strong>der</strong>ten Aufgaben<br />

entsprechende Klinik auf dem Gelände errichtet (Abb. 5).<br />

Abb. 5 Geb. 90 Nervenklinik<br />

Diese Zuständigkeiten blieben auch nach Rückkehr des <strong>Saar</strong>landes in die Bundesrepublik. In<br />

den siebziger Jahren wurden umfangreiche Untersuchungen <strong>zur</strong> Situation und Therapie<br />

psychisch Kranker bundesweit durchgeführt, die „Psychiatrie-Enquete“. In <strong>der</strong> Folge wurden<br />

neue Zielvorstellungen entwickelt, um zu besseren Ergebnissen zu kommen. Die<br />

Notwendigkeit <strong>der</strong> großen Landeskliniken wurde in Frage gestellt. Die wohnortnahe<br />

Versorgung möglichst im Kontakt mit den Angehörigen war das Ziel und damit ein<br />

zufriedeneres und damit menschenwürdigeres Leben <strong>der</strong> Patienten in ihrem überkommenen<br />

sozialen Umfeld. In diesen Zielsetzungen wird deutlich, wie weit ärztliches Können und das<br />

Ausschöpfen pflegerischer Betreuung uns voran gebracht haben, in welchem Umfang es<br />

möglich ist, auf Verschluss und Zwang zu verzichten. Allerdings – es setzt voraus, dass die<br />

Angehörigen nun ihrerseits einbezogen werden in die Betreuung. Bisher ist das <strong>Saar</strong>land das<br />

einzige Bundesland, das diesen Wege konsequent zu Ende gegangen ist. Es eine Leistung des<br />

leitenden Direktors des Merziger Landeskrankenhauses Prof. Dr. W. Werner, dass seine<br />

Patienten heute familiennah in regionalen Krankenhäusern leben und versorgt werden. Einst<br />

hatte Merzig 1400 Betten, jetzt befinden sich fast nur noch die forensisch eingewiesenen<br />

Patienten dort. Die Klinikgebäude im Ganzen haben an<strong>der</strong>e Aufgaben erhalten. Heute haben<br />

nun mehrere Krankenhäuser Abteilungen für die Betreuung <strong>der</strong> psychisch Kranken. Aber das<br />

ist nur ein Teil einer neuen Aufgabe, durch das Älterwerden <strong>der</strong> Menschen wächst ein neuer<br />

riesiger Pflegebereich heran. Es sind eine große Zahl neuer Pflegeeinrichtungen im Entstehen,


7<br />

Pflegeeinrichtungen nicht in staatlicher o<strong>der</strong> kommunaler Trägerschaft. Sie werden betrieben<br />

von kirchlichen Institutionen, Verbänden und privaten Unternehmen. Eine Vielzahl von<br />

abgestuften und differenzierten Pflegeeinrichtungen entsteht: Sie reichen von <strong>der</strong> ambulanten<br />

Betreuung zuhause Wohnen<strong>der</strong>, vom „barrierefreien Wohnen“ (für Körperbehin<strong>der</strong>te) über<br />

das betreute Wohnen bis zu Seniorenheimen, Seniorenresidenzen, Pflegeheimen für chronisch<br />

leidende Kranke und schließlich Pflegeheime für demenzkranke Menschen. Und damit sind<br />

wir wie<strong>der</strong> bei einem Personenkreis, <strong>der</strong> früher in Landespflegeanstalten versorgt wurden. Die<br />

neue Situation führte <strong>zur</strong> Schaffung eine gesetzlichen Pflichtpflegeversicherung, die<br />

Wirtschaft (auch die Bauwirtschaft) erkannte einen kommenden Markt mit<br />

Milliardenumsätzen. Neue Pflegeeinrichtungen werden nicht mehr als autarke Inseln in die<br />

grüne Landschaft gesetzt, so wie die Landespflegeanstalt in Homburg es war. Sie entstehen<br />

vorwiegend im Stadtinneren, wo die Bewohner, soweit es ihnen möglich, teil haben können<br />

am Stadtleben, o<strong>der</strong> – für einen gehobenen Bedarf – in alten Heilbä<strong>der</strong>orten, auch dort <strong>zur</strong><br />

Teilhabe am Lebensangebot ausgerichtet.<br />

Das Universitätsklinikum<br />

Das Ende des zweiten Weltkrieges mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches brachte<br />

entscheidende Verän<strong>der</strong>ungen in allen Lebensbereichen. Neue Grenzen, die Schaffung eines<br />

neuen autonomen politischen Staates, des <strong>Saar</strong>landes. Dieses Land brauchte eine neue<br />

politische Ordnung, und zu dieser gehörte eine Neuordnung des Gesundheitswesens und auch<br />

die Errichtung einer Universität. Von all diesem war auch Homburg und das<br />

Landeskrankenhaus mit <strong>der</strong> Heil- und Pflegeanstalt betroffen. Die Neuordnung brauchte<br />

gesetzliche Beschlüsse und Zeit für ihre Umsetzung.<br />

Das <strong>Saar</strong>land hatte zwei Landespflegeanstalten. Das war für das kleine Land nicht notwendig,<br />

nur die Anstalt in Merzig sollte bestehen bleiben. In dem in Homburg verbleibenden<br />

Landeskrankenhaus installierte man ab 1946 ein Universitätsklinikum mit erstem Lehrbetrieb<br />

- obwohl noch gar keine Universität vorhanden war. Es arbeitete als „Außenstelle“ des<br />

Klinikums <strong>der</strong> Universität Nancy. Es war <strong>der</strong> Beginn <strong>der</strong> Universität des <strong>Saar</strong>landes. 1946<br />

wurde bereits <strong>der</strong> medizinische Lehrbetrieb aufgenommen. Vorlesungen aus an<strong>der</strong>en<br />

Fachgebieten folgten. Die neue Universität wurde gegründet und es bildeten sich Fakultäten.<br />

Die nichtmedizinischen Fakultäten wurden nach <strong>Saar</strong>brücken verlegt. Es war eine<br />

<strong>Entwicklung</strong> in Stufen, die sich bis 1949 hinzog. Das Konzept <strong>der</strong> alten Heil- und<br />

Pflegeanstalt hatte in Homburg keinen Sinn mehr. Es war ausgerichtet auf Langzeitpatienten,<br />

denen es ein Leben in Menschenwürde gewähren sollte. Ein Universitätsklinikum ist<br />

ausgerichtet auf Lehre und Forschung. Langzeitpatienten zu pflegen ist nicht seine Aufgabe.<br />

Lehre und Forschung haben ein an<strong>der</strong>es Verhältnis zu den Patienten. Die Patienten sind<br />

Objekte für die Forschung und für die Lehre. Selbstverständlich darf das ihre Menschenwürde<br />

nicht verletzen, aber diese ist nicht in gleicher Weise Ziel, wie bei den Langzeitpatienten <strong>der</strong><br />

Pflegeeinrichtungen. Wenn ein Patient, soweit dies möglich, therapiert ist, wird er vom<br />

Universitätsklinikum, wenn dies erfor<strong>der</strong>lich ist, an eine Pflegeeinrichtung abgegeben.<br />

Langzeitpflege ist nicht Gegenstand von Lehre und Forschung, jedenfalls bis jetzt.<br />

Für das neue Klinikum musste gebaut werden. Man brauchte Kliniken für die verschiedenen<br />

ärztlichen Fachbereiche, Lehrbereiche für die grundlegenden medizinischen Kenntnisse, wie<br />

die Anatomie, Hörsäle und Versorgungsbereiche für die Studenten, Wohnheim und Mensa,<br />

auch Park- und Verkehrsflächen. Hier stellten sich Aufgaben, die es zuvor nicht gab, o<strong>der</strong> in<br />

dem Ausmaß nicht gab. Es ist in <strong>der</strong> Folge durch Jahrzehnte gebaut worden. Was wir heute<br />

im Ergebnis haben ist etwas neues, ein funktionierendes Universitätsklinikum (Abb. 6).


8<br />

Abb. 6 Luftaufnahme Universitätsklinikum<br />

Ich nenne einige Neubauten 8 : In den fünfziger Jahren gehörte zu den ersten Bauten die<br />

Pneumologie und die Klinik für Köperbehin<strong>der</strong>te. Beide wurden vom Architekten Weber in<br />

Homburg-Beeden errichtet und beide wurden später erweitert durch den Architekten<br />

Schönecker, St. Ingbert. Von Architekt Weber stammt auch, in den sechziger Jahren erbaut,<br />

die alte Chirurgie. Sodann folgte ebenfalls in den sechziger Jahren die Innere Medizin I, die<br />

Poliklinik durch Architekt Henne, <strong>der</strong> später als Professor an <strong>der</strong> Universität Kaiserslautern<br />

lehrte, er schrieb ein Lehrbuch über das „Flachdach“. Die Hals-, Nasen- und Ohrenklinik und<br />

die Urologie entstanden 1986 nach Plänen des beamteten Architekten Wingertzahn. Wichtig<br />

sind die Bauten des Architekten Conny Schmitz: In den siebziger Jahren baute er zunächst die<br />

Anatomie, später in den achtziger Jahren die Chirurgie mit <strong>der</strong> Notaufnahme, schließlich, von<br />

ihm 1988 fertiggestellt die Frauen- und die Kin<strong>der</strong>klinik. Die Zusammenstellung ist lediglich<br />

eine Auswahl aus den Klinikbauten. Gar nicht sind erwähnt die Wirtschafts- und<br />

Verwaltungsbauten, nicht erwähnt die Bauten für die Studenten, die Mensa, die<br />

Verkehrsbauten, die Parkhäuser, die Wohnbauten für Schwestern, Ärzte und sonstiges<br />

Personal, Bauten für Post, Läden und Gastronomie. Es ist ein funktionierendes Ganzes, auch<br />

heute noch ein durch Schranken abgeschlossener Bereich wie einst, allerdings kaum mehr als<br />

verkehrsberuhigt zu bezeichnen. Diese Geschlossenheit des Gesamtbereiches ist es ein<br />

Glücksfall, verglichen mit so mancher alten deutschen Universitätsstadt, in <strong>der</strong> sich die<br />

Kliniken im Stadtbereich verteilen. Aber ist es ein Ensemble, wie einst die Heil- und<br />

Pflegeanstalt von Ullmann? Nein. Der Patient o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Student, <strong>der</strong> ins Klinikum kommt,<br />

erhält ein Führungsheft mit einem anschaulichen Plan <strong>der</strong> Gebäude (Abb. 1) . Aber selbst die<br />

beigefügte Legende lässt ihn oft genug ratlos. Eine sinnvolle Ordnung ist nicht zu finden. Am<br />

ehesten ist vielleicht noch die Verkehrsführung erkennbar, eine Art Hauptstraße, die ihn<br />

rundherum führt, aber nur ein kleiner Teil Bauten ist wirklich an dieser Straße gelegen und<br />

die Eingänge liegen im Gelände <strong>zur</strong>ück. Es gibt einsichtige Gründe dafür. Es war eben nicht<br />

ein Architekt <strong>der</strong> das Ganze plante, wie einst Ullmann. Ich habe einige Kliniken und ihre<br />

Architekten genannt. Sie haben in <strong>der</strong> Region und über diese hinaus einen Namen und ihren<br />

eigenen Stil. Auch die Professoren haben den Wunsch, dass die Bedeutung ihrer Fachrichtung<br />

auch architektonischen Ausdruck findet. Es ist reizvoll diesen Dingen nachzuspüren bei<br />

einem Rundgang, die einzelnen Bauten sind interessante Zeugnisse <strong>der</strong> Architektur <strong>der</strong><br />

Gegenwart, aber dies ist nicht Gegenstand meines Beitrages. Mich interessiert das<br />

8 Für freundliche Auskünfte zu den Objekten, den Daten und den Architekten danke ich dem Bauamt<br />

des Universitätsklinikums.


9<br />

Funktionieren des Ganzen. Was ist geblieben vom alten, was ist nicht mehr da? Warum gibt<br />

es den Eindruck des Ungeordneten? Was ist neu und gut? Gibt es Wünsche für eine Zukunft?<br />

Mehr als ein halbes Jahrhun<strong>der</strong>t ist vergangen seit die Universität gegründet wurde. Sie und<br />

ihr Klinikum sind nicht mehr im Aufbau, ja sie sind fast schon ein wenig alt geworden. Man<br />

kann das Erreichte betrachten, schon Ausschau halten nach neuen Ufern. Den Stand <strong>der</strong><br />

Fakultät in Lehre und Forschung zu beurteilen, kann nicht meine Aufgabe sein, ich bin nicht<br />

vom Fach. Aber ich darf sagen, an dem Ruf und dem Ansehen, das die Universität<br />

<strong>Saar</strong>brücken in Deutschland und in <strong>der</strong> Welt gewonnen hat, hat die Medizinische Fakultät<br />

ihren Anteil geleistet. Und ich darf fragen: Wie steht es mit dem Heilen? Wie erleben die<br />

Patienten das Klinikum? Die Kliniken sind, wie es Kranken erleben, Bettenburgen (Abb. 7).<br />

Abb. 7 Geb. 40 Innere I u. III<br />

Die Räume in denen sie untergebracht sind, entsprechen dem Standard. Sie müssen gut sauber<br />

zu halten sein, weiße Wände, keine Gardinen, son<strong>der</strong>n Sonnenschutzlamellen, die Betten auf<br />

gute Handhabung durch die Pfleger konstruiert, das sonstige Inventar knapp, die<br />

Sanitäreinrichtungen hygienisch, damit keine Krankheitsüberträger sich einnisten können.<br />

Das alles ist notwendig, es geschieht im Interesse <strong>der</strong> Patienten. Für diesen aber ist es schon<br />

eine Einschränkung <strong>der</strong> Lebensqualität. Er erlebt sich als bettlägerig, er kann nicht handeln, er<br />

wird „behandelt“, er wird Objekt für das Handeln von Arzt und Pfleger. Für eine kurze Zeit<br />

kann das durchaus positiv empfunden werden. Es ist schön, in schwieriger Situation einmal<br />

nicht Handeln<strong>der</strong> sein zu müssen, an<strong>der</strong>e einmal handeln zu lassen, sich in guten Händen zu<br />

wissen. Ich schreibe dies, um deutlich zu machen, die Klinik ist etwas ganz an<strong>der</strong>es als die<br />

Pflegeeinrichtung von einst. Keiner <strong>der</strong> Architekten kam auf die Idee, dass <strong>der</strong> Patient sich in<br />

seinem Krankenzimmer behaglich und heimelig fühlen solle. So sind die Ullmannschen<br />

Pflegewohnbauten völlig ungeeignet für den Patientenbetrieb. Auch die, die bis heute erhalten<br />

blieben, sind als Funktionsbauten in an<strong>der</strong>er Verwendung. Ich fand in einem Vermerk des<br />

Konservatoramtes die Notiz, die alte Pflegeanstalt als Ensemble sei durch das neue Klinikum<br />

zerstört worden. Die Feststellung ist lei<strong>der</strong> in erheblichem Umfang richtig. Richtig ist, das alte<br />

Konzept ist etwas so an<strong>der</strong>es, gänzlich unbrauchbar für die heutigen Aufgaben. Das Ensemble<br />

ist zerstört. Aber an<strong>der</strong>erseits stehen noch erstaunlich viele <strong>der</strong> alten Bauten und auch noch in


10<br />

zusammenhängenden Komplexen, das es noch erlebbar ist 9 . Das ist eine Kostbarkeit, die <strong>der</strong><br />

denkmalpflegerischen Bewahrung wert ist, gerade deshalb, weil heute alles an<strong>der</strong>s ist 10 .<br />

Das Universitätsklinikum ist kein Ensemble. Es ist eine Zusammenstellung von Kliniken und<br />

sonstigen Bauten, die in mehr o<strong>der</strong> weniger zufälliger zeitlicher Reihung entstanden sind. In<br />

dieser Reihung ist durchaus eine <strong>Entwicklung</strong> erkennbar. Die frühen Bauten sind nach dem<br />

Kriege in wirtschaftlich bedrängter Lage eilig und unter Hinnahme von Mängeln errichtet<br />

worden. Ergänzungen und Verbesserungen wurden sehr bald notwendig. Die Bauten <strong>der</strong><br />

sechziger und siebziger Jahre gewannen mehr und mehr an Profil und Richtung. Ziel und<br />

Richtung war Forschung, Lehre und gute Arbeitsmöglichkeiten von Ärzten und<br />

Pflegepersonal. Dafür waren die neuen Bauten geplant. Die Kommunikation zwischen den<br />

isolierten Kliniken war nachrangig. Auch darin spiegelt sich das ärztliche Denken in<br />

damaliger Zeit. Je<strong>der</strong> Patient hatte seine Krankheit und fand dafür seine Spezialklinik und<br />

seinen Facharzt. Der Patient war für den forschenden Arzt ein Fall. Dieser erforschte die<br />

Ursachen und suchte den Weg <strong>der</strong> Heilung. Leicht kommt so <strong>der</strong> Blick auf den Patienten als<br />

ganze Persönlichkeit aus dem Blickfeld. Erkrankung eines Organs ist oft nicht etwas isoliert<br />

zu Sehendes, son<strong>der</strong>n eine Erkrankung des ganzen Menschen. Die Zusammenarbeit<br />

verschiedener Fachärzte war nicht vordringlich im Bauprogramm.<br />

Solche Folgerungen abzulesen aus <strong>der</strong> Isolierung <strong>der</strong> Klinikbauten voneinan<strong>der</strong>, mag etwas<br />

verwegen sein. So will ich statt kritischer Deutungen an das Ende meiner Beobachtungen<br />

einige Sätze über den spätesten <strong>der</strong> Klinikbauten in meiner obigen Reihe schreiben, über die<br />

Frauen- und Kin<strong>der</strong>klinik (Abb. 8).<br />

Abb. 8 Geb. 9 Frauen- und Kin<strong>der</strong>klinik<br />

9 Meine Frau lag in einer Homburger Klinik. Wenige Wochen vor ihrem Tode, an einem warmen<br />

Spätsommertag brachte ich sie in einem Rollstuhl aus ihrem Krankenzimmer heraus in das alte Gelände<br />

zwischen den Ullmannschen Wohnbauten. Wir saßen unter einem <strong>der</strong> alten schattigen Bäume und<br />

sprachen über viele Dinge. Als ich sie <strong>zur</strong>ück brachte, sagte sie: „das war schön, heute“. Ich möchte die<br />

Erinnerung an diesen Nachmittag nicht missen.<br />

10 Bei Dietsch a.a.O. S.81 f. Eine Beschreibung <strong>der</strong> unter Denkmalschutz stehenden Objekte


11<br />

Hier ist alles etwas an<strong>der</strong>s. Die Anlage besteht aus zwei Flügeln: In dem einen Flügel ist die<br />

Frauenklinik untergebracht, in dem an<strong>der</strong>en die Kin<strong>der</strong>klinik. In <strong>der</strong> Achse, dort wo sich die<br />

beiden Trakte verbinden, liegen die Funktionsräume: die Kreißsäle. Noch klarer kann sich <strong>der</strong><br />

Wille zu gemeinsamen Tun nicht bekunden: Weiß man schon vor einer Geburt, dass das Kind<br />

mit einem Schaden <strong>zur</strong> Welt kommen wird, kann es sofort nach <strong>der</strong> Geburt in die Versorgung<br />

durch den Kin<strong>der</strong>arzt abgegeben werden. Ist es bei <strong>der</strong> Geburt gesund, kommt es mit <strong>der</strong><br />

Mutter auf die Frauenstation. Wie sehr kommt schon in <strong>der</strong> Architektur des Baues die<br />

Ganzheit des menschlichen Vorganges zum Ausdruck! Im Eingangsteil hat <strong>der</strong> Bau nicht nur<br />

eine farbig bunte Halle mit Sitzgelegenheiten, wo sich Patienten und Angehörige zusammen<br />

setzen können, es ist sogar eine Cafeteria dort. Außen vor dem Eingang im Winkel zwischen<br />

den beiden Gebäudeflügeln ist ein flaches Wasserbecken mit mobilen Geräten, gestaltet von<br />

<strong>der</strong> Künstlerin Margret Lafontaine. Hier können die Kin<strong>der</strong> planschen und spielen. Wir haben<br />

in <strong>der</strong> neuen Bebauung ein Novum: endlich ein Klinikensemble. Es ist in <strong>der</strong> Sicht auf die<br />

ärztliche Arbeit mehr als ein Schritt in <strong>der</strong> richtigen Richtung, nämlich Zeugnis guter<br />

Zusammenarbeit, und aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Patientinnen: Sie dürfen guter Hoffnung sein.<br />

Abbildungsnachweise:<br />

Die Abb. 1 und 1a entnommen Klinikum Patientenratgeber,<br />

Abb. 2-5 und 7-8 Fotos: Rüdiger Koop,<br />

Abb. 6 Foto: Fotostudio Duppe<br />

Abb. 1a Legende zu Abb.1


12<br />

Abb. 1 Lageplan des Universitätsklinikum

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