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D' Luz - Perchten Kirchseeon

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liche, warme Atmosphäre. Wenn ich mich in meinerVorstellung ein paar Jahrhunderte zurückversetze ineine Zeit ohne elektrische Beleuchtung und Zentralheizung,in der das winterliche Auskommen im ländlichenBereich vielleicht auch noch etwas mehr vonder Ernte des vergangenen Jahres abhing, dannkommt mir diese Zwiespältigkeit gar nicht mehr solächerlich vor. Und wenn das Lichte und Strahlendein dieser Zeit nur noch von der Geburt des Christuskünden darf, dann müssen die vorchristlichen GeistundSeelengestalten in die Dunkelheit weichen. Dasseine umgehende Mittwinterfrau, die vielleicht göttlicherAbstammung ist, dann zur böswilligen Hexe undzum Kinderschreck wird, wundert mich nicht.Typisch MittwinterfrauMit der „besonders grantigen Zwillingsschwester“der Frau Percht meinte ich jaauch nichts anderes als die typische Mittwinterfrau,die in verchiedenen Gegendenjeweils unter anderem Namen umgeht:Perchta, Holle, Herke, Gode, Wode, Free,Frick, Murawa. Nach allem, was ihrnachgesagt wird, ist die <strong>Luz</strong> niemandanderes als die Frau Percht unter einemanderen lichtvollen Namen, die ihre eigene lichtvolleSeite aber weitgehend eingebüßt hat:beide gehen zur Zeit der Wintersonnwende um,und wo sie einkehren können sie durch eine angeboteneSpeise gütig gestimmt werden;beide möchten geordnete Haushalte vorfinden,in denen die Arbeit getan ist und ruht. Andernfallsreagieren sie mit verärgerten Aktionen wie Spindelverwirrenoder mit drastischen „erzieherischen Maßnahmen“wie Bauchaufschneiden. Böse Folgen kannes auch haben, wenn man ihnen zu später Stundenoch im Freien begegnet (sie eignen sich also nichtnur vorzüglich als Kinderschreck sondern veranlassenvielleicht auch die Männer dazu, im eigenen Hauszu bleiben);wie sie erscheinen und wie man ihnen begegnethat eine Bedeutung fürs kommende Jahr. Ihre Nächtegelten als wichtige Losnächte, in denen Schicksalsentscheidungenfallen oder durch Orakel erkennbargemacht werden können.beide sind zweigesichtig. Die Frau Percht kennenwir als alte „zwiederne“ Vettel, die man auf garkeinen Fall erzürnen sollte, aber auch als die gütige,mütterliche und Segen bringende Strahlende. Die <strong>Luz</strong>erscheint „schiach“, garstig und dämonisch, aber amTag ihres Erscheinens wird auch eine heilige Luciaangerufen.Aber woher hat die <strong>Luz</strong> ihren lateinischen Namen?Bringt sie ihn etwa schon aus einer römisch beeinflussten,aber noch vorchristlichen Vergangenheitmit? <strong>Luz</strong>ia – „die Leuchtende“ oder „die bei TagesanbruchGeborene“ – könnte der Bedeutung nach jaeine lateinische Übersetzung der Percht darstellen.Oder hat sie ihn von einer „zugewanderten“ christlichenHeiligen übernommen? Das würde dann anBefana, die italienische Verwandte der Percht, erinnern,die den christlichen Namen ihres AuftrittstagesEpiphania (6. Januar) angenommen hat; auchdie Percht lässt sich ja mit der Pracht der Epiphanie– perahtun naht – in Verbindung bringen.Die Heilige LuciaWer ist aber nun die andere, die heilige Lucia? Das istdie christliche Märtyrerin aus Syrakus, die zu Beginndes 4. Jahrhunderts n. Chr. während der DiokletianischenChristenverfolgung hingerichtet wurde. EinerLegende zufolge war es ein erfolgloserVerehrer, der sich über ihr gottgeweihtesLeben ärgerte und sie beim römischenPräfenkten als Christin hinhängte, dieihre Habe armen Leuten schenkte statt sieden römischen Göttern zu opfern. VerschiedeneFoltermethoden konnten ihrnichts anhaben, und auch das Schwert,das ihr durch die Kehle gestoßen wurde,konnte sie nicht umbringen bevor sie einletztes Mal die Heilige Kommunion empfangenhatte.Einer anderen Legende nach riß sie sich die eigenenAugen aus und ließ sie auf einer Schale einemheidnischen Verehrer überbringen, der Lucia ihrerschönen Augen wegen begehrte, während sie dochgelobt hatte, Jungfrau zu bleiben. Die Muttergottesselbst soll ihr daraufhin noch schönere Augen gegebenhaben.Der Kult ihrer Verehrung als Heiliger kam wohlspätestens gegen Ende des 10. Jahrhunderts zusammenmit einigen ihrer Reliquien vom Süden her in dieLänder nördlich der Alpen. Ihr Jahrestag, der 13.Dezember, war im 14. und 15 Jahrhundert durch daszunehmende Verrutschen des Julianischen Kalendersetwa 130 Jahre lang tatsächlich der Tag der Wintersonnwende.Was liegt näher, als dass die neu zugezogeneHeilige und die einheimische Mittwinterfrauin Konkurrenz miteinander geraten? Vermutlichwaren die Verkünder des neuen Glaubens sogar aktivdarum bemüht, die Mittwinterfrau durch die Heiligezu verdrängen. Ihr Name Lucia eignet sich bestenszur Anknüpfung an die Symbolik der Wintersonnwende.Die Heilige ist also ins Mittwinterbrauchtum eingegangen,die alte Vettel hat ihrerseits vielleicht geradedadurch den Namen der Heiligen vereinnahmenkönnen – wer weiß. Christentum und vorchristlicherGlaube haben sich jedenfalls auch hier vermischt. Diegütig-strahlende Schöne und die bedrohlich-düstereHäßliche bleiben im Fall der <strong>Luz</strong> zwar etwas weitervoneinander getrennt als bei der zwielichtigen, zwiegesichtigenFrau Percht, gehören aber trotzdemzusammen. So leicht lassen sich kollektive religiöseSeeleninhalte nicht umkrempeln und austauschen,also kommt es zu solchen Vermischungen und Vermengungen,zum Synkretismus 4 .— 2 —


Nicht nur den Namen hat die <strong>Luz</strong> von der Heiligen,sondern auch einige ihrer Insignien. Lucia wirdgerne mit einem Palmzweig, einem Buch oder aucheiner Laterne dargestellt, vor allem aber mit demSchwert, das ihr einst durch den Hals fuhr, und miteinem Schälchen in der Hand, auf dem zwei Augäpfelliegen. Die <strong>Luz</strong> führt in der Regel ein langes Schlachtermesseroder eine Sichel mit sich und verlangt nacheinem „Mölterl 5 voll Bluat“ undeinem „Schwingerl 6 voll Därm“. Siereißt sich ja nicht die Augen aussondern schlitzt bösen Kindern denBauch auf. Aber was Blutiges würdesie auf alle Fälle gerne in einem geeignetenSchüsselchen mitnehmen.„Lichtvolle“ Lucienbräuche sindvor allem aus Schweden bekannt,wo die Luciennacht noch heute alsMitwinternacht gefeiert wird. Dawerden schon am Vorabend schöneMädchen zu „Lucienbräuten“ gewähltund mit Lichterkränzen gekrönt.Die ziehen dann von Haus zuHaus und verteilen kleine Geschenke.Es gilt jedoch als sicher, dassdieses Brauchtum erst im 19. Jahrhundertins Land gekommen istund sich mit verwandten Überlieferungenverband.Nicht weit von uns, in Fürstenfeldbruck, pflegtman am Lucientag das „Lichterschwemmen“. KleineHäusermodelle aus ölgetränktem Papier auf einemBrettchen, von innen mit einer Kerze beleuchtet, werdenzuerst bei einer Messe gesegnet und dann auf derAmper ausgesetzt, wo sie ins Dunkel davontreiben.Angeblich geht dieser Brauch auf ein Gelöbnis ausdem 18 Jahrhundert zurück, mit dem die Hochwasserführende Amper besänftigt werden sollte. Wiederbelebtund neu eingeführt wurde er dann 1949 voneinem heimatkundlich beschlagenen Schulrektor –da haben wir es also mit einem ähnlichen Vorgang zutun wie bei den <strong>Perchten</strong> in <strong>Kirchseeon</strong>: Alte, nur inBruchstücken weitererzählte Erinnerungen werdengesammelt und zu einem neuen „alten Brauch“ geformt.Das ist ja vermutlich typisch für Traditionen:Die Erzählungen aus der Kinderzeit werden an dieeigenen Kinder weitergegeben, immer rudimentärer,langsam verblassend. Aber manchmal werden mühsamerinnerte Überlieferungsfragmente plötzlich zueinem wieder als wertvoll erachteten „Kompost“, ausdem ein neues Brauchtumspflänzchen hervorwächst.Gute Raunächt‘ 2010/11 wünscht EuchEuer Ernst WeeberUnd jetzt kommen noch ein paarZitateAndreastag und Thomastag waren seit alters her die„Wunschtage“ für das Gesinde, der Lucientag aberwar der „Wunschtag“ der Bäuerin. Für ihre Lucienbeschwörungenzum Schutz und zur Legefreudigkeitder Hühner galten allerlei magische Regeln, bei derenAusübung sie nicht angesprochen werden durfte.Als das „Lutscherl“ trat Lucia auch in Bayern gelegentlichals Gabenbringerin der Kinder auf, zuweileneng verbunden mit dem terminlich nahen Nikolaus.Noch bis zum Beginn des Ersten Weltkriegsbetete man in Niederbayern zur heiligen Lucia umgute Aussaat, noch 1929 wurdenihr im Vilstal Getreidebüschel geopfert.Am Lucientag wurde mancherortsGetreide auf einen Tellermit feuchter Erde gesät, in der warmenStube quollen die Körner aufund hatten bis Weihnachten grüneTriebe. Diese Luciensaat symbolisiertTod und Wiedergeburt wieder Lucientag das Ende des altenund den Beginn des neuen Jahres.(WERNER/WERNER 1999)Die jungen Mädchen, die in Sattelbogenbei Cham noch als <strong>Luz</strong>iaumgehen, in Gruppen zu sechst,sind entweder ganz weiß oderganz schwarz gekleidet. Alle tragenKopftücher, wetzen die Sichelmit einem Wetzstein und habeneinen Topf dabei „zum Blutrühren“.Die Anregung zum „Luciagehen“ haben die Mädchenvon einer Lehrerin bekommen. Früher war die Luciaauch hier ein Bursch, in gelbes Roggenstroh gekleidet,mit einem bizarren Strohhut und der langenHühnerfeder drauf. Er hat aufgegeben, weil dieKinder immer sein Strohkostüm angezündet haben.Und weil es auch kein langes Stroh mehr gibt fürdiesen Zweck. Der Mähdrescher wirft nur ganz kurzhalmigesStroh aus.“ (AIBLINGER 1980)Im deutschen Sprachraum finden wir Lucia alsGabenbringerin vor allem in Österreich, Bayern undBöhmen. In Österreich trat die Heilige schon im 19.Jahrhundert in Begleitung des Nikolaus oder am 13.Dezember als weißgekleidete „Lutscherl“ auf. MitKerze, Kreuz und Kochlöffel erschien sie in den Häusern.Fand sie dort Schmutz vor, schlug sie mit demKochlöffel um sich. Wo jedoch Ordnung herrschte,verteilte sie Nüsse und Süßigkeiten. – In Dalmatienund Slawonien, wo die Heilige bis heute besondereVerehrung genießt, hatte Lucia für die Mädchen eineähnliche Aufgabe wie Nikolaus für die Jungen. Siebrachte ihnen Geschenke und Süßigkeiten, wenn sieam Vorabend ihre Schuhe aufs Fensterbrett gestellthatten.Zwar galt bereits im 11. Jahrhundert SvetaLucija in vielen Regionen des Balkans als eine „helle,freundliche und freudenspendende Mittwinterfrau“.Doch andernorts traf der Lucienkult auf vorchristlicheGlaubensvorstellungen im Umkreis von Hexen,der Frau Perchta, der Frau Holle oder der wildenJagd. Daraus erklären sich die widersprüchlichenErscheinungsformen des Lucienbrauchtums.(SCHELKLE 1998)Anmerkungen und Literatur— 3 —


Perschtenbund Soj – ARBEITS85614 <strong>Kirchseeon</strong>E-Mail: info@perchten-kirchseeon.dewww.perchten-kirchseeon.deRBEITSKREISREISAnmerkungen (1) Weitling, Weidling, Weigling: große irdene Schüsselin der Form eines sich nach oben stark weitenden Konus, früherzur Rahmgewinnung oder zum Stockenlassen der Milch verwendet.(2) Gred: erhöhte gepflasterte (früher auch hölzerne) breite Stufeoder Antrittsfläche an der vorderen Längsseite des bäuerlichen Wohnhauses.(3) Altane: säulengestützter Balkon oder äußerer Umgangam oberen Stockwerk. (4) Synkretismus: Vermischung verschiedenerReligionen, Konfessionen oder philosophischer Lehren, meistohne innere Einheit. (5) Mölterl, Multer, Moltern: flaches, länglichesGefäß für die Zubereitung von Teig. (6) Schwingerl: die Schwingeoder der Schwingel ist ein flacher, ovaler Korb mit zwei Tragegriffen;Redewendung in Niederbayern: a Schwingerl voi Glück; ein Schwingerlkann auch ein Töpfchen oder eine Kanne mit Tragehenkel sein(vgl. Bitschn, z.B. Milibitscherl = Milchkanne)LiteraturAIBLINGER Simon, Vom echten bayerischen Leben, München 1980HAGER Franziska, HEYN Hans, Drudenhax und Allelujawasser.Volksbrauch im Jahreslauf, Rosenheim 1975; verwendete Ausgabe:3. Auflage 1988SCHELKLE Edgar, Rauhnächte und <strong>Luz</strong>ientag – Die Bräuche umeine vorweihnachtliche Heilige. DBZ/SE 25/1998SCHWEIGGERT Alfons, Winter- und Weihnachtsgeister in Bayern,Dachau 1996WERNER Paul, WERNER Richilde, Weihnachtsbräuche in Bayern.Kulturgeschichte des Brauchtums von Advent bis Heilig Dreikönig,Berchtesgaden 1999Wetter — Bauernregeln — LostageDEZEMBER13. Kommt die Hl. <strong>Luz</strong>ia, istdie Kälte auch schon da.18. Um den Tag des Wunibald,da wird es meistens richtigkalt.26.Kommt weißeWeihnacht, derWinter lang undhart.JANUAR1. Neujahrsnacht still und klardeutet auf ein gutes Jahr.9. St. Julian bricht das Eis,oder er bringt's mit vonseiner Reis'.30.Bringt Martina Sonnenschein,hofft man auf vielFrücht' und WeinSchwendtage: 2.,3.,4.,18FEBRUAR12. St. Eulalia Sonnenschein,bringt viel Obst und gutenWein.21. Der St. Felix zeiget an, was40 Tag wir für Wetter han.26.Alexander und Leanderbringen Märzluft miteinander.Schwendtage: 3.,6.,8.,16Advents- und NeujahrsbräucheSeit vielen Jahrhunderten sind zahlreiche Bräuche erhalten und werdenauch noch oder wieder praktiziert.Die Äpfel erinnern an des verlorene Paradies, bei den Nüssen steht dieharte Schale für die Krippe und der Kern für Christus.Die heutigen Platzerl und Weihnachtsbäckereien gehen auf die Zeit derGebildbrote zurück. Sie enstanden aus Opfergaben und stammen überwiegendaus der vorchristlichen Zeit.Die Gebildbrote sind (meist freihändig) geformte Festagsgebäcke aussüßem oder salzigem Teig (Kringerl, Brezen, Kipferl, Striezel u.s.w.), dieursprünglich Opferspeisen waren. Sie wurden zu verschiedenen Anlässengefertigt und verzehrt, um die Götter und Geister versöhnlich zu stimmen.Sie symbolisieren Wünsche, Gelübde und Beschwörungen.Aus dem Germanischen kommt der Name Stollen und bedeutet Stützeoder Pfosten, der zopfartige Stollen wurde als Opfer gebacken um die Götter,die für die Stabilität von Gebäuden zuständig waren, wohlgesinnt zustimmen. Im christlichen steht der Christstollen als Sinnbild für in das inWindeln gewickelte Jesuskind.Das Kletzenbrot („Kletzen“ sind gedörrte Birnen), dass aus dem bäuerlichenBereich stammt, ist noch weit verbreitet in bayerischen, österreichischenund schwäbischen Raum , es ist eines der ältesten Weihnachtsgebäckeund gilt als Fruchtbarkeitssymbol . Vielerorts als glücksbringendgelten die Früchtebrote und Neujahrsbrote, in die einzelne Münzen eingebackenwerden.Um an den Weihnachtstagen genügend frisches Fleisch zu haben, schlachtetenfrüher die Bauern die Mettensau, auch „Weihnachter“ genannt.Dabei entstand vielerorts der Brauch des Weihnachterklauens.Um diesen (straffreien) Diebstahl zu verhindern, soll sich deshalbmancher Bauer neben seine Mettensau in den Stall gelegt haben.Als regelrechter Glücksbringer gilt das Schweinefleisch in weitenTeilen Europas, in der süßen Variante verzehrt man‘s als Marzipanschweinderl.So soll auch am Neujahrstag der Genuss von Sauerkraut,Möhren, Erbsen und Linsen das Geld im neuen Jahr nie ausgehen lassen.Auf keinen Fall sollte man zu Neujahr Geflügel verzehren, da einem sonstdas Glück davonfliegt.„A guads neis Jahr!“ Johanna Killi<strong>Luz</strong>i, <strong>Luz</strong>i, es Ïchneidt Ïcho beÏÏa!

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