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Was bedeutet eigentlich integrative Stimmbildung?

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<strong>Was</strong> <strong>bedeutet</strong> <strong>eigentlich</strong><strong>integrative</strong> <strong>Stimmbildung</strong>?Einfach nur ein Titel.Die Bezeichnung „<strong>integrative</strong> <strong>Stimmbildung</strong>“ ist zunächst einmal der Titel, den ich meinerArbeit als Gesanglehrer, Chorleiter und Sänger gegeben habe. Als ich 1999 dieStimmwerkstatt gründete, ging es mir darum, mit dem Untertitel „Institut für<strong>integrative</strong> <strong>Stimmbildung</strong>“ meine Arbeitsweise griffig zu charakterisieren – zumindestden Aspekt, der mir in meiner Arbeit besonders wichtig ist.Es handelt sich also nicht um einen Begriff, der eine bestimmte Gesangschule odergesangspädagogische Tradition bezeichnet, sondern vielmehr um einen Hinweis auf denAnspruch, den ich selbst an meine Arbeit habe.Wie kam es zu der Bezeichnung?Das Wort „Integration“ kommt vom lateinischen „integer“ bzw. vom griechischen„entagros“ (= unberührt, unversehrt, ganz) und <strong>bedeutet</strong> auf Deutsch soviel wie„Herstellung eines Ganzen“.Gesangunterricht berührt immer den ganzen Menschen, zumindest dann, wenn Schülerund Lehrer erlauben, dass dies geschieht. Ich selbst war deshalb in meinemGesangstudium schon sehr bald daran interessiert, auch andere „Disziplinen“ für meinesängerische Entwicklung zu nutzen. Besonders wertvoll und inspirierend waren für michErfahrungen aus den Bereichen Körperarbeit, Psychotherapie und Spiritualität. Ich warund bin noch immer fasziniert davon, wenn sich in einem bestimmten ZusammenhangGesetzmäßigkeiten herauskristallisieren, die auch in einem anderen ZusammenhangGültigkeit haben. Ich kann also im Umgang mit Musik und Stimme auch etwas für meinLeben lernen. Und umgekehrt: Wenn ich eine wichtige Erkenntnis für mein Lebengewinne, ist diese oft auch im sängerischen Kontext anwendbar.Ich integriere in meinen Unterricht also ganz bewusst Erkenntnisse und zum Teil auchTechniken aus anderen Disziplinen und lade meine Gesangschüler/innen dazu ein, es mirgleich zu tun. Integrative <strong>Stimmbildung</strong> zielt darauf ab, das Singen in einenganzheitlichen Zusammenhang zu stellen.Eine der wesentlichen universalen Gesetzmäßigkeiten, die mir im Laufe meines(Sänger)Lebens bewusst wurden, betrifft den Umgang mit allem, was uns unwert,störend oder auch hinderlich erscheint. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob essich dabei um individuell abgelehnte Klangbilder (z.B. Schrillheit) oder um persönliche,


charakterliche Schwächen (z.B. Arroganz) oder auch um körperliche Symptome (z.B.Hautausschlag) handelt. Anstatt im Widerstand gegen diese Unzulänglichkeiten Kraft zuvergeuden, ist es immer sinnvoll sich der jeweiligen Thematik aufmerksam zuzuwenden,die darin gebundene Energie wieder in Fluss zu bringen und sie damit wieder in dasSystem bzw. den Prozess zu integrieren. Dies ist ein Grundprinzip der Homöopathie, derGestalttherapie und vieler anderer Ansätze und es ist auch ein charakteristischesMerkmal meines Gesangunterrichts. Der Dichter Rainer Maria Rilke drückt dies so aus:„Wolle nie irgendeine Beunruhigung, irgendein Weh, irgendeine Schwermut von deinemLeben ausschließen, da du doch nicht weißt, was diese Zustände an dir arbeiten.“Der dritte wesentliche Umstand, der mich seinerzeit dazu veranlasst hatte, meine Arbeitals integrativ zu bezeichnen, war der, dass es mein erklärtes Ziel war und ist,Gemeinschaft zu stiften. Ich möchte mit meiner Arbeit einen Raum schaffen, in demBegegnung und das Erleben von Verbundenheit möglich wird.Begegnung mit dem integralen Modell von Ken Wilber.Im Jahr 2000 hatte ich meine erste Begegnung mit den Schriften von Ken Wilber, einemUS-amerikanischen Bewusstseinsforscher und Philosophen. Dieser Mann bot mir genaudas, was ich schon immer gesucht hatte: eine sogenannte „Theorie von Allem“. KenWilber formuliert mit großer Klarheit und sprachlicher Verständlichkeit eine Art Code mitdenen die Grundprinzipien des Kósmos entschlüsselt werden können. Dieser Code istunabhängig vom jeweiligen Inhalt auf jedes Fachgebiet anwendbar. Die Anwendung führtin jedem Fall zu einem tieferen Verständnis und in der Praxis zu einer verbessertenEffizienz.Besonders beglückend war für mich die Tatsache, dass Ken Wilber seinen Ansatz als„integrales Modell“ bezeichnet. Ich hatte jetzt einen wissenschaftlich fundierten,theoretischen Rahmen gefunden, den ich auf die <strong>integrative</strong> <strong>Stimmbildung</strong> anwendenkonnte und musste nicht einmal eine Umbenennung vornehmen, um der inhaltlichenNähe dazu Ausdruck zu verleihen.Die Anwendung des integralen Modells auf die Gesangspädagogik.„Integrative <strong>Stimmbildung</strong>“ kann ich inzwischen also einfach definieren als den Versuchder Anwendung des integralen Modells auf die Gesangspädagogik.Es würde hier selbstverständlich viel zu weit führen, das integrale Modell vorzustellen. Zudiesem Zweck sind bereits viele Bücher geschrieben worden. Um eine Anwendung desintegralen Modells auf die Gesangspädagogik auch nur zu skizzieren, werde ich wohlselbst einmal ein längeres Essay verfassen müssen.

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